Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Aug. 2012 - 6 Sa 511/11

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2012:0824.6SA511.11.0A
bei uns veröffentlicht am24.08.2012

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.07.2010 - Az. 1 Ca 760/09 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.03.2009, noch durch die weitere fristlose Kündigung vom 14.04.2009 aufgelöst wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat jede Partei zur ½ zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen - hilfsweise ordentlichen - Kündigung vom 26. März 2009 wegen Verdachts sowie einer außerordentlichen - hilfsweise ordentlichen - Kündigung vom 14. April 2009 wegen erwiesener Tat einer Manipulationen von Urkunden.

2

Der 1956 geborene, verheiratete und zwei minderjährigen Kindern - D, geboren 9. April 2002, und D, geboren 10. Oktober 2005 - zum Unterhalt verpflichtete Kläger wurde von der Beklagten, einer - die örtliche jüdische Religionsgemeinschaft repräsentierenden - mit mehr als 1.000 Mitgliedern und einem Einzugsgebiet der Städte M und W sowie der Landkreise M-B und A-W, zum 1. Januar 2004 unter Anrechnung einer Tätigkeit im Dezember 2003 als Geschäftsführer/ Verwaltungsdirektor eingestellt. Das Bruttomonatsgehalt lag zuletzt bei 5.000,- EUR.

3

Im formulargemäß vorgefertigten und mit handschriftlichen Einfügungen versehenen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte vom 29. Dezember 2003 heißt es (u.a.; Bl. 4 f. d.A.):

4

2. Art der Tätigkeit

5

Der Angestellte wird eingestellt als [handschriftlich eingefügt:] Geschäftsführer/ Verwaltungsdirektor“ zum Dienstantritt am „01.01.2004“. Die Probezeit beginnt am „s. § 10“ und endet am „31.01.2004“. [...]

6

Besondere Aufgaben des Angestellten

7

„Leitung der Verwaltung der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden. Betreuung der Immobilien und Wertpapiere der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden.“

8

Der Arbeitgeber ist berechtigt, wenn das Geschäftsinteresse es erfordert, dem Angestellten eine andere, angemessener Tätigkeit zuzuweisen; dies gilt auch im Falle von Arbeitsmangel.

9

8. Kündigung

10

Das Anstellungsverhältnis kann nach Ablauf der Probezeit von beiden Seiten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von „neun Monaten“ zum „Jahresende“ gekündigt werden. Das Recht zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus einem gesetzlichen, wichtigen Grund bleibt hierdurch unberührt. […]

11

10. Sonstiges

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„Die bestehende Tätigkeit im Monat 12/03 wird auf die Probezeit angerechnet. Dieser Vertrag wird auf fünf Jahre geschlossen und verlängert sich stillschweigend um weitere fünf Jahre, falls er nicht unter Einhaltung der Kündigungsfrist gemäß § 8 vor Vertragsende gekündigt wird.“

13

In einem - in Ablichtung zur Gerichtsakte gereichten, vom Beklagtenvorstandsvorsitzenden unterzeichneten und vom Kläger mit dem Zusatz „einverstanden“ gegengezeichneten - Beklagtenschreiben vom 6. Februar 2004 wurde dem Kläger eine Verlängerung der Kündigungsfrist gemäß § 8 des Anstellungsvertrags auf 12 Monate mitgeteilt.

14

Neben dem Kläger arbeiteten bereits vor dem 1. Januar 2004 Frau S und Frau T in Vollzeit für die Beklagte. Ob weitere Teilzeitbeschäftigte seither durchgehend bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt waren, so dass mehr als fünf Alt-Arbeitnehmer im Betrieb existieren, blieb zwischen den Parteien streitig. Allerdings wurde für Frau (I) B und Frau G zuletzt unstreitig gestellt, dass diese erst nach Beginn des Jahres 2004 von der Beklagten eingestellt worden waren.

15

Die Beklagte nimmt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ihrer Satzung vom 5. Januar 1967 (Ablichtung in Anlage B 39 zur Anlagenakte) Personen mit Hauptwohnsitz, die jüdischen Glaubens sind und sich dazu bekennen, als Mitglieder auf. Jüdischen Glaubens sind gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung Menschen, die von Geburt der jüdischen Religion zugehören (Buchst. a), und diejenigen, die ins Judentum aufgenommen werden (Buchst. b). Die originäre Zugehörigkeit bestimmt sich nach dem Glaubensstatus der Mutter. Über die Einzelheiten eines Übertritts bestehen vertreten die Parteien unterschiedliche Ansichten.

16

Die Mitgliedschaft wird bei der Beklagten mit einer Eintragung in die Mitgliederkartei dokumentiert, die in alphabetisch sortierten Ordnern mit oben aufliegenden Hüllen geführt ist, in denen Mitgliedsanträge und bei konvertierten Mitgliedern - sofern vorhanden - eine Kopie der Glaubensübertrittsurkunden abgelegt sind. Nicht von allen der wenigstens 15 Konvertierten liegen solche Urkunden bei der Beklagten vor.

17

Auf den Bestand der Mitgliedsordner kann im Büro der Beklagten von jedem dort Tätigen zugegriffen werden. Eine besondere Sachbearbeiterin für Anträge auf Mitgliedschaft gibt es nicht. Die Beklagte meint - da dem Kläger anstellungsvertragsgemäß die gesamte Leitung der Verwaltung oblag - er sei für die ordnungsgemäße Führung dieser Ordner verantwortlich gewesen, und es habe diesbezüglich zu seinen Aufgaben gezählt, die Kopien von Glaubensurkunden auf ihre Übereinstimmung mit dem Original zu überprüfen.

18

Der Inhalt von kopierten Glaubensübertrittsurkunden der Ehefrau des Klägers - Frau B. - wie auch des erstgeborenen Sohns D tragen das Datum des 24. März 2004 und weisen Manipulationen auf (Ablichtungen Bl. 43 f. d.A.). So ist das hebräische Datum nicht dem weltlichen entsprechend, der Monat Nisan ist fehlerhaft geschrieben und die Ehefrau des Klägers auch nicht bei den Kandidatinnen und Kandidaten gewesen, die am 24. März 2004 gegenüber einem Rabbinatsgericht in W den Glaubensübertritt vollzogen (zur Kandidatenübersicht Bl. 214 d.A.). Originale zu diesen Kopien gibt es nicht. Allerdings existiert ein Antrag auf Glaubensübertritt für die Ehefrau des Klägers, datierend vom 9./ 13. März 2004 - abgeheftet unter dem Nachnamen des Klägers (C.) - bei dem Landesrabbiner Dr. R in B, welcher auch Angaben zu dem im Jahr 2002 geborenen Sohn D enthält und ursprünglich in M unter Anwesenheit des Landes- wie auch des Ortsrabbiners abgegeben worden war (Anlage B 46 zur Anlagenakte). Darüber, ob der Übertrittsfall weiterging, gibt es nach Auskunft des Landesrabbiners an die Beklagte keinen Beweis.

19

Ob die von Beklagtenseite vertretene Ansicht zutrifft, dass, wenn jemand zur jüdischen Glaubensgemeinschaft konvertieren will, er (oder sie) sich einer gewissen Schulung und Aufnahme vor einem so genannten Rabbinatsgericht (zusammengesetzt aus drei Rabbinern jüdischer Gemeinden) unterziehen muss, wobei nach erfolgreicher Prüfung eine deutsch und hebräisch abgefasste, von allen Rabbinern unterzeichnete wie auch gesiegelte Glaubensübertrittsurkunde, und zwar im Original, ausgehändigt wird (Beweis für die Aushändigung von Originalen: Zeugnis Dr. R), wobei schon die Teilnahme an den Schulungen (unabhängig vom Prüfungsausgang) mehrerer hundert Euro koste, die bei Personen mit eigenen Erwerbseinkünften auch nicht aus einem für solche Zwecke zugänglichen Nachlass unterstützt würden, oder ob die Ansicht des Klägers richtig ist, dass ein Glaubensübertritt bei der Europäischen Rabbinerkonferenz gar kein Geld koste, außerdem zur Abdeckung der Kosten Finanzmittel Dritter in Anspruch genommen werden könnten, und - weil die jüdischen Gemeinden autonom und noch nicht einmal dem Zentralrat der Juden in Deutschland gegenüber weisungsgebunden seien - die Vorschriften „Schulchan Aruch“ aus dem 16. Jahrhundert niedergelegt durch den Rabbiner J  weiter bedeutsam seien, die lediglich drei Übertrittsvoraussetzungen vorsähen (Beschneidung, Tauchbad und Opfergabe), sodass einzelne Gemeinden vor einem Übertritt das Durchlaufen eines Jahreszyklus mit jüdischen Feiertagen, Gottesdiensten und sonstigen religiösen Veranstaltungen verlangten sowie ggf. Kenntnisse der hebräischen Sprache und der Segenssprüche, blieb bis zuletzt offen. Der Kläger behauptet vor dem Hintergrund der von ihm für wesentlich erachteten Übertrittsvoraussetzungen zumindest, seine Ehefrau wie auch sein erstgeborene Sohn hätten sich in Anwesenheit zweier Rabbiner sowie eines Zeugen in B dem rituellen Tauchbad unterzogen, weiter sei sein Sohn beschnitten, und seine (des Klägers) Ehefrau habe sich mehrfach am Unterricht des Ortsrabbiners A beteiligt. Die Beklagte bestreitet den Vollzug etwaiger Riten mit Nichtwissen.

20

Ein Mitgliedsantrag für die Ehefrau des Klägers vom 18. März 2004 wurde vom Kläger ausgefüllt und unterzeichnet bei der Beklagten eingereicht (Bl. 99 d.A.). Ob der Antrag in enger Abstimmung mit der Beklagten zustande kam und mit einer Paraphe der Klägerunterschrift gezeichnet war - so der Kläger (Beweis: Zeugnis Frau A., Frau B.) - oder ob der Namenszug der Frau vom Kläger gefertigt worden war - so die Beklagte - blieb wiederum streitig. Der Kläger füllte mit gleichem Datum auch einen Mitgliedsantrag für den erstgeborenen Sohn (D) aus und unterzeichnete ihn im eigenen Namen (Bl. 98 d.A.). An Mitgliederversammlungen und Wahlen bei der Beklagten nahm die Ehefrau des Klägers nicht teil. Ob sie die jüdischen Feiertage in der Gemeinde mit vollzog - nach Behauptung des Klägers wenigstens mehrere Chanukka- und Laubhüttenfeste - blieb wiederum streitig. Ein Mitgliedsantrag für den zweitgeborenen Sohn (D) wurde mit Datum vom 10. Oktober 2005 - ebenfalls allein vom Kläger - ausgefüllt und unterzeichnet. Ob ihm (dem Kläger) zum Antragszeitpunkt die Manipulation der Kopien der Übertrittsurkunden für seine Ehefrau und den erstgeborenen Sohn bekannt waren - was die Beklagte unterstellt - blieb zwischen den Parteien ebenso streitig, wie die Frage, ob dem Antrag - neben einem kopierten Vorstandsbeschluss - auch eine Kopie der Glaubensübertrittsurkunde der Ehefrau beilag - so die Beklagte unter Bestreiten des Klägers mit Hinweis auf die bereits bestehende Mitgliedschaft der Ehefrau. Die Beklagte meint außerdem, die Mitgliedsanträge für Kinder hätten - selbst wenn festgestanden habe, dass die Mutter Angehörige der jüdischen Gemeinde gewesen sei - bis zum Vorstandsbeschluss vom 15. Dezember 2005, in dem es hieß: „Neugeborene Kinder einer jüdischen Mutter, die bereits Mitglied der JGM ist, können mit Zustimmung der Eltern ohne Vorstandsbeschluss als Mitglieder aufgenommen werden“ (Ablichtung in Bl. 129 d.A.), die Unterschrift beider Elternteile aufweisen müssen. Sie verweist diesbezüglich einerseits auf einen von beiden Elternteilen unterschriebenen und vom Kläger weitergeleiteten Mitgliedsantrag des Kindes D-V G samt Protokoll vom 15. Dezember 2005 sowie ein Aufnahmebestätigungsschreiben vom 1. August 2007. Dementgegen meint der Kläger, der Vorstandsbeschluss vom 15. Dezember 2005 habe lediglich eine frühere Praxis festgeschrieben. Unstreitig wurde dem Kläger die Aufnahme des zweiten Kindes auf dessen Bitte vom Gemeinderabbiner bestätigt.

21

Mit Schreiben vom 31. März 2004 erging seitens der Beklagten an eine Frau P G (später verheiratete R) eine vom Beklagtenvorstandsvorsitzenden unterzeichnete Mitteilung, sie werde als Mitglied in der jüdischen Gemeinde ab 1. April 2004 aufgenommen. Die Unterlagen über einen Glaubensübertritt wurden vom Kläger für die Beklagte angefordert und von Frau G/ R unter dem 5. April 2006 in Gestalt einer Glaubensübertritturkunde im Kopie vom 28. Februar 2005 übersandt. Die Beklagte meint, der Kläger habe - weil als Geschäftsführer für derartige Mitteilungen zuständig - trotz fehlendem Glaubensübertrittsbeleg pflichtwidrig das Schreiben vom März 2004 veranlasst, wohingegen der Kläger meint, für derartige Mitteilungen nicht zuständig gewesen zu sein, und weiter behauptet, nur auf Anforderungen der Vorstandsvorsitzenden gehandelt zu haben.

22

Eine von der Beklagten mit Schreiben vom 29. März 2008 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Änderungskündigung, wie auch ein fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 2. Mai 2008 erachtete das Arbeitsgericht Mainz für rechtsunwirksam (Urteil vom 6. Februar 2009 - 8 Ca 702/08 -). Die von der Beklagten eingelegte Berufung blieb dagegen erfolglos (lag Rheinland-Pfalz 19. Juni 2009 - 6 Sa 134/09 -).

23

Nach Ausscheiden des Klägers aus dem laufenden Arbeitsverhältnis überprüfte die Vorstandsvorsitzende der Beklagten - zumindest stichprobeprobenweise - die Mitgliedsordner samt Glaubensübertrittsurkunden. Dabei fielen ihr Übereinstimmungen zwischen den Urkunden der Klägerehefrau und dessen erstgeborenem Sohn sowie denjenigen von Frau I K und deren Sohn S auf. Der Kläger und seine Ehefrau sind mit den Eheleuten K befreundet. Die Beklagte gab ein urkundentechnisches Gutachten zur Untersuchung der Kopien in Auftrag, welches unter dem 4. März 2009 erstattet wurde und zu dem Ergebnis kam, dass die paarweise verglichenen Urkunden eine Vielzahl von Übereinstimmungen aufwiesen und die Schlussfolgerung eines Herstellungszusammenhangs nahe legte - die Kopien der Familie B. seien zwar von insgesamt schlechterer Qualität, aus urkundentechnischer Sicht könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den Kopien der Familie K um Manipulationen handele (Ablichtung in Bl. 26-42 d.A.). Zu den Kopien der Übertrittsurkunden von I und S K existieren Originale vom 7. September 2003.

24

Der Kläger wurde von der Beklagten mit Bevollmächtigtenschreiben vom 18. März 2009 unter Nachreichung einer Vollmachtsurkunde per Telefax am 23. März 2009 zum Verdacht einer Fälschung von Urkunden angehört (Bl. 15 f. d.A.). Er ließ sich mit Bevollmächtigtenschreiben vom 24. März 2009 dahingehend ein, seiner Ehefrau seien - nach entsprechender Einweisung und Vollzug des Ritualbads - Kopien von Glaubensübertrittsurkunden ausgehändigt worden (Bl. 17 f. d.A.).

25

Mit Schreiben vom 26. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht im Wege der Verdachtskündigung unter Hinweise darauf, dass der Kläger die Glaubensübertrittsurkunden seiner Ehefrau und seines Sohnes manipuliert habe (Ablichtung in Bl. 12 d.A.). Mit Schreiben vom 7. April 2009, dem Beklagtenbevollmächtigten am gleichen Tag zugegangen, wies der Klägerbevollmächtigte diese Kündigung wegen fehlender Originalvollmacht zurück. Zwischen den Parteien herrscht Streit über den Zugangszeitpunkt des mit Einlieferungsbeleg vom 26. März 2009, 16:57 Uhr, zur Post gegebenen Kündigungseinschreibens mit Rückschein. Der Kläger meint, es sei erst in der 14. Kalenderwoche nach seiner zwischenzeitlichen Abwesenheit angekommen, keineswegs jedoch schon am 27. März 2009, wie die Beklagte meint. Der Rückschein wurde unstreitig nicht an die Beklagte zurückgereicht. Der Kläger meint außerdem, die Faxvollmacht vom 18. März 2009 rechtlich nicht einzuordnen vermocht zu haben.

26

Nachdem Frau I K am 8. April 2009 die mit den Ablichtungen übereinstimmenden Originalurkunden für ihren und ihres Sohnes Glaubensübertritt in den Räumen der Beklagten vorlegte, die sie seit Erhalt nicht aus der Hand gegeben hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Bevollmächtigtenschreiben vom 14. April 2009, zugegangen am 16. April 2009 nochmals fristlos, hilfsweise fristgerecht (Ablichtung in Bl. 49 f. d.A.).

27

Sodann begründete die Beklagte ihre (letztlich erfolglose) Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 6. Februar 2009 - 8 Ca 702/08 - mit Schriftsatz vom 27. April 2009 (S. 4-9, Bl. 84-89 d.A.) - ergänzend - damit, dass die fristlose Kündigung vom 2. Mai 2008 auch wegen der Fälschung von Glaubensübertrittsurkunden durch den Kläger gerechtfertigt gewesen sei. Das Landesarbeitsgericht stützte seine Zurückweisung der Berufung im Urteil vom 31. Juli 2009 alsdann auch darauf, dass die zulässigerweise nachgeschobenen Kündigungsgründe zivilprozessual nicht ausreichten, um zu einer anderen Bewertung des Falles als durch das Arbeitsgericht zu gelangen, und zwar auch nicht unter Verdachtgesichtspunkten (S. 15 des Urteils 6 Sa 134/09, Bl. 139 ff. d.A.).

28

Die Staatsanwaltschaft Mainz stellte ein auf Strafanzeige der Beklagten vom 14. April 2009 gegen den Kläger in Gang gesetztes Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung mit Verfügung vom 12. November 2009 - Az. 3556 Js 9559/09 - ein, weil weder nachweisbar sei, dass der Kläger Kopien von Glaubensurkunden selbst erstellt habe, noch dass ihm das Fehlen von Originalurkunden zu den Kopien bekannt gewesen sei (Bl. 456, 541 d.A.).

29

Der Kläger hat mit seiner am 2. April 2009 eingegangenen und am 21. April 2009 erweiterten Klage die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigungen vom 26. März und 14. April 2009 begehrt.

30

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen:

31

Die Kündigungen seien ungerechtfertigt. Er habe keine Kopien von Glaubensübertrittsurkunden hergestellt oder herstellen lassen und mit den Manipulationen nichts zu tun. Er sei hierzu auch gar nicht in der Lage. Die Schriftzüge auf den Kopien der Glaubensübertrittsurkunden stammten nicht von ihm. Es entziehe sich seiner Kenntnis, wie die Urkunden zu Stande gekommen seien. Aus dem Schreiben des Landesrabbiners Dr. R vom 20. April 2009 wie auch dem Umstand, dass Frau I K im September 2003 Originalglaubensübertrittsurkunden erhalten habe, folge kein Indiz für seine „Täterschaft“. Er habe Urkunden der Familie K auch nicht missbraucht. Zu keinem Zeitpunkt hätten ihm die Originale vorgelegen (Beweis Zeugnis I und U K). Im Vergleich der Kopien K / B. seien - wie sich auch aus dem eingeholten Gutachten ergebe - die Kopien K von wesentlich schlechterer Qualität. Ihm bzw. ihm und seiner Ehefrau seien Kopien vom damaligen Ortsrabbiner ausgehändigt worden. Er (der Kläger) habe nie behauptet, dass es dazu Originale gebe. Er besitze sie auch nicht und habe sie nie gesehen. Weiter habe er auch keinerlei manipulierte Kopien zur Täuschung in den Rechtsverkehr gebracht. Mit der Problematik der Urkunde habe er sich überhaupt erst seit Erstellung des Gutachtens und dessen Mitteilung durch die Beklagte im Frühjahr 2009 befasst.

32

Die Beklagte habe vor Kündigungsausspruch zu einem Verdacht, dass er (der Kläger) die Glaubensübertrittsurkunden seiner Ehefrau und seines Sohnes manipuliert habe, bestenfalls rudimentäre Aufklärung betrieben. Weder seien die Aussteller der Übertrittsurkunden noch seine (des Klägers) Ehefrau befragt worden. Selbst seine (des Klägers) Anhörung sei zwangsläufig wenig ergiebig gewesen, weil er zum Vorgang nichts habe beitragen können. Außerdem sei bei Kündigungsausspruch bereits bekannt gewesen, dass sich seine Ehefrau wie auch sein Sohn (D) am 24. März 2004 nicht in W oder M, sondern zum Zweck der Vornahme des Tauchbads in B aufgehalten hätten.

33

Die Beklagte sei rechtlich zudem gehindert, die Kündigung noch auf Gründe zu stützen, die bereits zur Begründung der vorangegangenen Kündigung vom 2. Mai 2008 vorgebracht worden seien, namentlich dass er (der Kläger) die Glaubensübertrittsurkunden gefälscht habe. Im Übrigen sei anzunehmen, dass die Beklagtenvorstandsvorsitzende bei Vorbereitung der seinerzeitigen Auseinandersetzung angesichts der aufeinanderfolgenden Hüllen im Mitgliedsordnerbestand auch die Unterlagen des zweitgeborenen Sohns D mitsamt Mitgliedsantrag vollständig gesehen und erfasst habe, so dass sie die vermeintlich auffälligen Dokumente frühzeitig habe erkennen müssen.

34

Er (der Kläger) sei des Weiteren nicht für die Führung der Mitgliederdatei zuständig und habe keine Kopie der Übertrittsurkunde seiner Ehefrau (Frau B.) in die Klarsichtshülle des Mitgliedsordners eingelegt. Seine (des Klägers) Stellung sei zudem nicht die eines ausführenden Organs, sondern setze in sämtlichen Handlungen Absprachen mit der Vorstandsvorsitzenden voraus. So sei dem damaligen Gemeinderabbiner A auch erst auf ausdrückliche Vorstandsvorsitzenden-Anweisung eine Bestätigung der Mitgliedschaft für dessen Tochter erteilt worden. Ebenso könne zum Fall G / R nur der damals amtierende Gemeinderabbiner erklären, aufgrund welcher Urkunden die Aufnahme erfolgt bzw. inwiefern Daten „geschönt“ worden seien. Bloß weil neben Kopien keine Originale im Mitgliedsaktenbestand vorzufinden seien, lasse sich nicht folgern, dass er (der Kläger) Unterlagen manipuliert habe. Weiter sei auch das Schreiben vom 6. Februar 2004 nicht etwa deshalb falsch, weil es eine E-Mail-Adresse im Fuß aufweise. Der E-Mail-Account der Beklagten sei nämlich bereits im Jahre 2003 angelegt gewesen - auch ein Schreiben an das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur vom 16. Januar 2004 weise sie auf (Bl. 110 d.A.) - und die „Besucher“ der Beklagten-Homepage würden seit Juli 2003 gezählt.

35

Er (der Kläger) habe die Belange der Beklagten im Zusammenhang mit der Aufnahme seiner Ehefrau und seiner Kinder auch nicht sonst wie vernachlässigt. Die Aufnahme sei eine ureigene Aufgabe des Vorstands. Es sei nicht seine (des Klägers) Angelegenheit von den Originalübertrittsurkunden potentieller Gemeindemitglieder Kopien zu fertigen. Zudem sei die Aufnahme in die jüdische Glaubensgemeinschaft nicht von der Aufnahme in eine jüdische Gemeinde abhängig. Der Sohn der Vorstandsvorsitzenden der Beklagten sei beispielsweise erst mit 28 Jahren Mitglied einer jüdischen Gemeinde geworden. Zudem habe die Vorstandsvorsitzende selbst eingeräumt, ihre erst im Laufe des Jahres 2004 Mitglieder gewordenen Kinder seien nicht jüdisch erzogen. Er (der Kläger) erziehe seine Kinder indes - wie die Beklagte wisse - im jüdischen Glauben.

36

Die Glaubensübertritte seien für seine Tätigkeit als Geschäftsführer/ Verwaltungsdirektor schließlich auch keine „conditio sine qua non“ gewesen. Es gebe in der Beklagten-Satzung keine Vorgaben für die Ehepartner der schlichten Mitglieder. Selbst § 8 Abs. 4 Buchst. a („... deren unmündige Kinder nicht im Sinne der jüdischen Religion erzogen wurden.“) stelle für Vorstands- und Ausschussangehörige nicht auf die Glaubenszugehörigkeit der Elternteile ab. So sei z.B. der Ehemann der Vorstandsvorsitzenden der Beklagten kein Mitglied der jüdischen Gemeinde. Gleiches gelte für auch die Lebensgefährtin des Landesvorsitzenden der jüdischen Gemeinden in R-P sowie (bis Mai 2008) für den Ehemann der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Beklagten. Wenn § 12 Abs. 3 der Satzung eine gleichzeitige Vorstandsmitgliedschaft gegenüber einem Anstellungsverhältnis mit der Beklagten ausschließe, sei zu berücksichtigen, dass er (der Kläger) sich 2004 - trotz Wunschs der Opposition - bewusst nicht zur Wahl gestellt habe. Dass er sich zu gegebener Zeit als Vorsitzender der Beklagten bewerben könne, wolle er für die Zukunft nicht ausschließen.

37

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

38

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 26. März 2009 nicht aufgelöst worden ist,

39

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristgemäße Kündigung vom 26. März 2009 aufgelöst worden ist,

40

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 14. April 2009 aufgelöst worden ist,

41

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristgemäße Kündigung vom 14. April 2009 aufgelöst worden ist,

42

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

43

die Klage abzuweisen.

44

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen:

45

Die (privat-)gutachtliche Untersuchung der zur Verfügung stehenden Kopien habe ergeben, dass es für eine Gruppe von Kopien keine Originalurkunden gebe, wobei offen geblieben sei, ob die Urkunden K oder die Urkunden B. nachgemacht seien. Wie sich aus dem Gutachten aber weiter ergäbe, seien die Urkunden der Familie K nicht von wesentlich schlechterer Qualität als die der Familie B.. Aufgrund der unzureichenden und falschen Darstellungen des Klägers habe alsdann der dringende Verdacht geherrscht, dass er falsche Urkunden erstellt habe. Dieser Verdacht habe sich nach Vorsprache der Frau K unter Vorlage deren Originalen konkretisiert. Allein der Kläger sei als Täter infrage gekommen. Er habe keinen besonderen Zugriff auf die Mitgliederkartei benötigt. Sein Motiv habe im Bestreben, Vorsitzender der Beklagten zu werden, gelegen. Es sei zwar für die Geschäftsführer-/ Verwaltungsleiterstellung keine unbedingte Voraussetzung, dass Ehefrau und Sohn des Beschäftigten Mitglieder der jüdischen Gemeinde würden. Gegenüber der jetzigen Vorsitzenden habe der Kläger jedoch mehrfach geäußert, dass er Vorsitzender werden wolle. Nach § 8 Nr. 4 ihrer (der Beklagten) Satzung werde für die Wahl in Vorstand oder Ausschüsse die Erziehung unmündiger Kinder im Sinne der jüdischen Religion vorausgesetzt, was wiederum nur bei Zugehörigkeit der Kinder zum jüdischen Glauben möglich sei. Unmündige Kinder gehörten dem jüdischen Glauben jedoch nur an, wenn auch die Mütter sich zum jüdischen Glauben bekenne. Zudem würde in jüdischen Gemeinschaften das Ansehen sinken, wenn die Ehefrau und die Kinder eines Mitglieds nicht dem jüdischen Glauben angehörten. Auch insofern sei der Glaubensübertritt von Frau B. und deren Sohn für den Kläger zwecknotwendig gewesen. Dass Frau B. (nach Angaben des Klägers) an keiner Mitgliederversammlung oder Wahl teilgenommen habe spreche sogar dafür, dass sie keine Kenntnis von den Geschehnissen gehabt habe. Gerade neue Mitglieder einer Religionsgemeinschaft engagierten sich anfangs in Gremien. Das Fehlverhalten des Klägers falle auch deshalb schwer ins Gewicht, weil alles darauf gezielt habe, sich und seiner Familie Privilegien zu schaffen.

46

Bei Glaubensübertrittsurkunden handele es sich um wichtige Dokumente des persönlichen Lebens, ähnlich Geburts- oder Ehe- oder Einbürgerungsurkunden. Den in den jüdischen Glauben aufgenommenen Mitgliedern würden Originalurkunden ausgehändigt. Mit diesen Urkunde begäben sie sich zu den zuständigen jüdischen Gemeinden, die eine Kopie zögen, um sie in einem Ordnungssystem abzuheften. Es sei wenig glaubhaft, wenn sich der Kläger mit diesen Dokumenten bei nahestehenden Personen nicht weiter befasst haben wollte. Ihm müsse die Fehlerhaftigkeit der vermeintlichen Urkunden anhand der falschen Datumsberechnung schon im Jahr 2004 aufgefallen sein, als die Kopien zu den Gemeindeunterlagen genommen worden seien. Der Kläger selbst weise außerdem auf 15 Glaubensübertrittsurkunden - von denen drei die Familie K beträfen - hin, sodass ihm auch bekannt gewesen sein müsse, dass es Originale zu Glaubensübertrittsurkunden gebe. Unzutreffend sei sein anfänglicher Vortrag, geglaubt zu haben, nach einem Jahr würden Original-Glaubensübertrittsurkunden ausgehändigt, während er später vorbrachte, es gebe keine Originalurkunden. Auffällig seien auch die zeitlichen Abfolgen zwischen dem Glaubensübertrittsantrag vom 9./ 13. März 2004, dem vermeintlichen Glaubenseintritt am 24. März 2004 und den Mitgliedsaufnahmeantrag schon am 18. März 2004. Weiter auffällig sei ferner die in den Übertrittsanträgen aufgenommene Wohnadresse B-Straße und in den Mitgliedsanträgen enthaltene Adresse B-Straße. Dies bestätige die Vermutung, dass die Ehefrau des Klägers gar nicht die Absicht gehabt habe, in die jüdische Glaubensgemeinschaft einzutreten. Da ein unmündiges Kind eine Mitgliedschaft bei ihr (der Beklagten) auch erst erhalte, wenn feststehe, dass zumindest die Mutter der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehöre, habe es für die Mitgliedschaft der Söhne des Nachweises des Glaubensübertritts der Mutter bedurft, so dass spätestens bei Beantragung der Mitgliedschaft des zweiten Sohnes (D) am 0. O 2 (dem Tag dessen Geburt) für den Kläger - da der Jahreszyklus ja lange abgelaufen gewesen sei - Anlass bestanden hätte, die Glaubensübertrittsurkunde der Ehefrau genau zu prüfen. Der Kläger habe mithin unechte Urkunden zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr verwendet. Dies sei ihrer (der Beklagten) Vorstandsvorsitzenden erst am 24. Juni 2009 aufgefallen. Diese habe erst nach der Gerichtssitzung vom 19. Juni 2009 am 20. Juni die Unterlagen durchforscht und den Mitgliedsantrag des zweitgeborenen Kindes vom 10. Oktober 2005 gefunden. Zuvor seien nur die Urkunden für B. und den Sohn D maßgebend gewesen. Der Kläger habe im Übrigen nichts unternommen, um den Sachverhalt im Interesse der Beklagten aufzuklären.

47

Der ehemalige Gemeinderabbiner A habe in seiner polizeilichen Vernehmung ausgeführt, er sei für die Aushändigung von Glaubensübertrittsurkunden nicht zuständig gewesen und habe diese im Fall der Ehefrau sowie dessen erstgeborenem Sohn auch nicht gesehen, so dass er sie auch nicht übergeben haben könne (Anlage B 42 zur Anlagenakte). Zuletzt sei sie (die Beklagte) von Herrn A sogar zur Unterlassung aufgefordert worden zu behaupten, der Kläger habe Glaubensübertrittpapiere durch ihn erhalten. Da ein Rabbiner alleine gar nicht berechtigt sei, solche Papiere auszustellen, könne er (Herr A) sie auch weder ausgestellt noch verfälscht noch übergeben haben. Unzutreffend müsse auch die Einlassung des Herrn Dr. R gegenüber der Polizei B vom 29. August 2009 sein (Anlage B 45 zur Anlagenakte bzw. Bl. 332 ff. d.A.), er habe im April 2009 zunächst unter dem Namen C. nachgesehen und nichts gefunden, da im Anschreiben der Name B. im Vordergrund gestanden habe. Gegenüber den im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 6. Februar 2009 - 8 Ca 702/08 - aufgeführten Gründen komme der Tatsache, dass der Kläger nunmehr behauptet habe, die gefälschten Kopien vom Rabbiner A erhalten zu haben, der Gehalt eines zusätzlichen Kündigungsgrundes zu. Gleiches gelte für den Umstand, dass der Kläger die gefälschten Urkunden - deren Unechtheit er habe erkennen müssen - verwendet habe und zwar sowohl im Fall des Glaubensübertritts seiner Ehefrau wie auch bei Anmeldung seiner beiden Söhne.

48

Die Mitarbeiterin T habe mit der Verwaltung von Glaubensübertritten oder Mitgliedschaftsanträgen nichts zu tun. Dieser Gegenstand zähle vielmehr zu den Aufgaben des Klägers (Beweis Zeugnis T).

49

Im Übrigen habe der Kläger ihr (der Beklagten) auch pflichtwidrig das Schreiben des Herrn Dr. S über die Verlängerung der Kündigungsfrist vom Frühjahr 2004 vorenthalten. Er habe im Verfahren 8 Ca 702/08 nämlich allein eine Kopie des Anstellungsvertrags wie auch des Schreibens vom 6. Februar 2004 vorgelegt, ohne ein Original vorweisen zu können. Es sei auffällig, dass der Kläger ihr (der Beklagten) gegenüber lediglich Fotokopien vorweise. Auch dies spreche dafür, dass der Kläger sämtliche dieser Urkunden manipuliert habe. Weiter enthalte das Schreiben vom 1. April (gemeint offensichtlich: 31. März; vgl. Bl. 461) 2004 im Fuß keine Telefonnummer, keine Bankverbindung und auch keine E-Mail-Adresse. Auch ein Schreiben vom 30. März 2004 bezüglich des Dienstverhältnisses zum Rabbiner A enthalte im Fuß keine E-Mail-Adresse, während im Schreiben vom 6. Februar 2004 eine E-Mail-Adresse, die damals noch nicht einmal existiert habe, genannt sei. Die spreche dafür, dass das Schreiben vom 6. Februar 2004 nachträglich gefertigt worden sein. Weiter spreche auch die Existenz des Schreibens von Herrn Dr. S im Zusammenhang mit der Aufnahme von Frau P G dafür, dass der Kläger die Anweisung für die Abfassung des Schreibens gegeben habe.

50

Die vom Kläger im Übrigen erwähnten Kinder seien lange volljährig.

51

Das Arbeitsgericht Mainz - auf dessen tatbestandliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird (S. 1-13 des Urteils, Bl. 253-265 d.A.) - hat die Klage mit Urteil vom 19. Juli 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung vom 26. März 2009 sei nicht nach § 174 Satz 1 BGB unwirksam, sondern vielmehr aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Es entspreche einer groben Vertragsverletzung, dass der Kläger den Mitgliedsantrag seiner Ehefrau vom 18. März 2004 selbst unterzeichnet habe. Der Antrag beinhalte eine höchstpersönliche Erklärung, wie sich aus den Hinweisen zur Richtigkeit, Vollständigkeit und eidesstattlichen Versicherung im Antragsformular und überhaupt der Bedeutung dieses Dokuments ergebe. Die Vertrauensstellung des Klägers verpflichte ihn zu besonderer Loyalität. Diese sei in hohem Maß verletzt, da der Unterschriftszug auf dem Antrag so stark verfremdet sei, dass sich der Nachvollzug einer anderen Urheberperson als der der vermeintlich zeichnenden Ehefrau erschwert habe. Einer Abmahnung habe es bei dem offensichtlich für die Beklagte nicht hinnehmbaren Verstoß nicht bedurft. Auch die Interessenabwägung falle zu Lasten des Klägers aus. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe im Einzelnen Bezug genommen (S. 14-31 des Urteils, Bl. 266-283 d.A.).

52

Der Kläger hat gegen das ihm am 31. August 2009 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 7. September 2009 - bei Gericht eingegangen am 9. September 2009 (Bl. 291 f. d.A.) - Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 - eingegangen am gleichen Tag (Bl. 301 ff. d.A.) - begründet.

53

Der Kläger trägt zweitinstanzlich im Wesentlichen vor:

54

Die Kündigung sei nach § 174 BGB unwirksam. Er habe am 28.März 2009 mit seiner Ehefrau zusammen einen Kurzurlaub angetreten, ohne dass bis zu diesem Datum in der B-Straße, wo sich die Briefkästen seiner Mutter und seines Bruders befänden und wo ihn seine Post ausnahmslos erreiche, ein Eingang erfolgt sei. Er unterliege wegen einer früheren Tätigkeit im jüdischen Nationalfonds der vollständigen Adressauskunftssperre und dürfe aus Sicherheitsgründen keinerlei Wohnadressen angeben (Zeugnis B B). Erst am 30. März 2009 habe er das Schreiben tatsächlich erhalten (Zeugnis D C.) und noch am gleichen Tag gegen 16:18 Uhr seinem Bevollmächtigten per Fax übermittelt. Am 3. April 2009 habe dieser das Zurückweisungsschreiben diktiert, anschließend in Urlaub gegangen (Zeugnis Rechtsanwalt J B) und am 7. April 2009 gegen 11:20 Uhr sei dieses Schreiben mit Originalvollmacht in den Machtbereich des Beklagten-Bevollmächtigten gelangt.

55

Ein wichtiger Kündigungsgrund liege nicht vor. Die Begründung der wegen Verdachts ausgesprochene Kündigung vom 26. März 2009 mit einem „aliud“ sei nicht zulässig. Außerdem fehle es zum Verdacht der Manipulation des Mitgliedsantrages für die Ehefrau an einer ausreichenden Anhörung. Bei der Erstellung deren Aufnahmeantrags habe er nicht in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gehandelt. Im Übrigen liege eine Verfremdung der Unterschrift auf dem Mitgliedsformular vom 18. März 2004 nicht vor. Die Zeichnung sei mit seinem bei der Beklagten bekannten Kürzel geschehen (Beweis: VIP Chanukka-Einladungen 2004; Zeugnis Frau A.). Mit diesem Kürzel hab er beispielsweise auf einem Telefax vom 23. Juni 2006, einem Bestellformular vom 28. Oktober 2005, einem Bestellschreiben vom 8. April 2005 und einem Schreiben vom 23. März 2006 unterzeichnet (Bl. 458 f. d.A.). Auch die Vorsitzende des Vorstands der Beklagten habe Kenntnis von diesem Kürzel gehabt bzw. habe haben müssen, denn er habe es in seiner Tätigkeit als Verwaltungsdirektor andauernd verwendet. Das Antragsschreiben vom 18. März 2004 sei außerdem nicht zum Zweck der Täuschung im Rechtsverkehr, sondern in Anwesenheit und auf Bitten der damaligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, Frau A., gefertigt worden. Diese habe den Antrag dringend benötigt, weil der alte Vorstand die Aufnahme von neuen Mitgliedern vor der Neuwahl im April jenes Jahres „in trockenen Tüchern“ habe haben wolle. Es sei im März / April 2004 eine Art Massenaufnahmeverfahren mit Mitgliedsanträgen in einem Ordner durch schriftlichen Umlauf durchgeführt worden, von dem auch seine Ehefrau betroffen gewesen sei (Zeugnis Dr. S, Zeugnis Herr G). In einem Telefonat mit der Ehefrau des Klägers sei vereinbart worden, die Unterschrift nachzuholen - nur habe man dies in der Folgezeit vergessen (Zeugnis Frau A., Zeugnis Frau B.). Mit Schreiben vom 31. März 2004 habe der damalige Vorstandvorsitzende der Beklagten seiner (des Klägers) Ehefrau mitgeteilt, dass ihre Mitgliedschaft in der Gemeinde am 1. April 2004 beginne (Ablichtung in Bl. 461 d.A.). Dieses Bestätigungsschreiben sei echt (Zeugnis Dr. S). Warum die Ehefrau auf der Mitgliederliste vom 18. April 2004 fehle, sei ihm unbekannt; möglicherweise sei sie aber auf der Liste der Mitgliederversammlung vom 9. Mai 2004 aufgeführt. Dass die Beklagte seine Ehefrau als Mitglied angesehen habe, ergebe sich spätestens auch aus deren Glückwunschschreiben zum 40. Geburtstag vom 25. September 2005 (Bl. 545 d. A.), den regelmäßigen Einladungen zur Mitgliederversammlung (beispielhaft am 17. Januar 2006) und der unproblematischen Aufnahme des zweitgeborenen Sohns auf Antrag vom 10. Oktober 2005 - für den die Beklagte die Glaubenszugehörigkeit der Kindesmutter immerhin zu prüfen gehabt habe. Die Mitgliedschaft der Ehefrau wie des erstgeborenen Sohns seien von der Beklagten weder beendet noch angefochten worden. Die Vorstandsvorsitzende der Beklagten habe ihm (dem Kläger) zudem noch im Juli 2006 eine symbolische Windel ausgehändigt - zum Zeichen, dass es sich um eine jüdische Familie handele. Der Mitgliedschaftsantrag habe zum damaligen Zeitpunkt auch nicht anders ausgesehen als im Formular seiner Ehefrau und seines Sohnes D ersichtlich. Die Beklagte verfüge über kein festes, gedrucktes Formular für Mitgliedsanträge. Vielmehr bestünden ein oder mehrere Word-Dokumente, die auf verschiedenen Rechnern (im Büro, in der Kulturabteilung, beim Geschäftsführer) - und nicht nur dem von Frau T - nicht kennwortgeschützt (lediglich die Excel-Listen für Mitglieder seien passwortgeschützt) abgespeichert und offensichtlich unterschiedlich gestaltet gewesen seien. Er (der Kläger) habe schlussendlich kein erkennbares Interesse an der Aufnahme seiner Ehefrauen und seines Sohnes gehabt, nachdem er aufgrund seiner Stellung bereits die höchste Arbeitnehmerposition bei der Beklagten erreicht gehabt habe und die Tätigkeit eines Vorstandsvorsitzenden nur ehrenamtlich ausgeübt werde.

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Zudem sei die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Bestritten werde, dass die Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu dem behaupteten Zeitpunkt den Verdacht gehegt habe, eine Urkundenfälschung könne durch den Kläger begangen worden sein, dass der Beklagten ein urkundentechnische Gutachten vom 4. März 2009 erst am 9. März 2009 zugegangen sei, dass Dr. W dieses nicht schon am 5. oder 6. März 2009 geöffnet habe - es habe keine Abrede der Beklagten mit Dr. W gegeben, das Kuvert nicht zu öffnen, und die Beklagte habe mit der Benennung fremder empfangsberechtigter Person ohnehin ihre Pflicht zur zügigen Aufklärung des Kündigungssachverhaltes verletzt - und dass das Büro der Beklagten freitags geschlossen sei (am 7. März 2009 sei eine Mitarbeiterin noch bis Gottesdienstbeginn um 18:00 Uhr anwesend gewesen, außerdem die Vorstandsvorsitzende sogar bis 21:00 Uhr). Allein zwischen dem von Beklagtenseite behaupteten Termin und dem späteren Zugang am 30. März 2009 lägen zudem mehr als 20 Tage. Erst am zwölften Tag nach vermeintlichem Gutachtenerhalt sei ferner erst auf dem Postweg - das Schreiben selbst sei frühestens am 13. Tag danach angekommen - eine Anhörung vorgenommen worden. Auch hinsichtlich der nachgeschobenen Kündigungsgründe - wie namentlich der „Fehlerhaftigkeit“ der Aufnahmeanträge - sei die Ausschlussfrist nicht gewahrt.

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Wann genau die Kopien der Glaubensübertrittsurkunden im Jahr 2004 vom damaligen Gemeinderabbiner zur Verfügung gestellt worden seien, sei ihm (dem Kläger) nicht innerlich. Er bestreite aber mit Nichtwissen, dass der Rabbiner eine Unterlassungserklärung von der Beklagten verlange, dernach er weder Papiere ausgestellt, noch verfälscht, noch übergeben habe. Nach Rücksprache mit dem Rechtsanwalt des Rabbiners sei in Erfahrung gebracht worden, dass das Verlangen jedenfalls nicht weiter verfolgt werde. Wegen Zeitablaufs sei er (der Kläger) außer Stande, zu bestimmen, wann die Einweisungen des Gemeinderabbiners gegenüber die Ehefrau genau stattgefunden hätten bzw. wann die Durchführung des Tauchbads gewesen sei. Letzteres sei indes geschehen (Zeugnis des Rabbiners D, B). Auch habe die Unterweisung durch den Rabbiner Dr. R stattgefunden, und zwar in der Wohnung des Rabbiners A (des ehemaligen Rabbiners der Beklagten). Der Gemeinderabbiner habe es als erforderlich angesehen, dass Erwachsene neben dem Vollzug des Tauchbads die wesentlichen Elemente der jüdischen Religion, der Grundzüge der hebräischen Sprache und das Durchleben des Jahreszyklus aufweisen könnten. Mit der Ehefrau zusammen sei auch der gemeinsame Sohn D in B in Gegenwart des Gemeinderabbiners dem Tauchbad unterzogen worden (Zeugnis Rabbiner D, B). Zudem habe der Rabbiner G mit Schreiben vom 27. September 2009 bestätigt, er habe sich anlässlich der Beschneidung des zweitgeborenen Sohnes telefonisch bei den Rabbinern D und A vergewissert, dass bei der Ehefrau des Klägers eine orthodoxe Gijur durchgeführt worden sei (Bl. 457 d.A.). Die Unterschrift auf dem Übertrittsformular vom 9. März 2004 sei die seiner Ehefrau (Zeugnis Frau B.). Die darin aufgeführten Gründe seien nach dem Diktat des Rabbiners A eingefügt worden. Der Landesrabbiner Dr. R habe anlässlich seines Besuchs in der Wohnung des Gemeinderabbiners am 13. März 2004 den Antrag unterzeichnet und im Abschnitt B nach dem Namen B., D, handschriftlich die Worte „L A“ eingefügt (Zeugnis Dr. R).

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Der Manipulationsvorwurf sei außerdem bereits Gegenstand der Prüfung des Berufungsverfahrens 6 Sa 134/09 gewesen. Der Vorfall berühre nicht etwa den Verantwortungsbereich des Klägers. Er sei für die Prüfung von Glaubensübertrittsurkunden niemals zuständig gewesen und habe auch keine Manipulationen daran vorgenommen. Die Familie K habe ihren Mitgliedschaftsantrag am 8. September 2003 gestellt, als er (der Kläger) noch gar nicht eingestellt gewesen sei (Zeugnis I K, U K). Das urkundentechnische Gutachten müsse fehlerhaft sein, wenn es meine, die Kopien der Glaubensübertrittsurkunden K seien besser als die seiner Ehefrau und seines Sohnes. Das Gegenteil ergebe sich aus dem Druckbild, das bei der Familie K zahlreiche Flecken aufweise.

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Im Übrigen finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Warum sein Prozessbevollmächtigter im Kammertermin das Gegenteil zu Protokoll gegeben habe, lasse sich nicht mehr ermitteln. Im Rechtsstreit 8 Ca 702/08 habe aber das Arbeitsgericht Mainz (S. 39 des Urteils vom 16. Januar 2009) noch festgestellt, dass mindestens 5,5 Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, und bis zum 14. April 2009 habe sich an der personellen Besetzung im Betrieb nichts Wesentliches geändert. Neben ihm (dem Kläger) und den beiden weiteren Vollzeitkräften sei (wenn auch erst nach dem 1. Januar 2004 eingestellt) Frau (I) B in Teilzeit unter 20 Wochenstunden gegen eine Vergütung von 51,12 EUR in der Bibliothek beschäftigt (Zeugnis Frau B) und - durchgehend seit Beginn seiner Tätigkeit bis hin zur streitgegenständlichen Kündigung - Frau M als Dolmetscherin und Arbeitnehmerin mit einer Teilzeitbeschäftigung von weniger als 20 Wochenstunden, gegen 183,- EUR monatlich (Zeugnis Steuerberater E). Ebenfalls seit 2003 und 2004 sowie bis zum Kündigungszeitpunkt sei auch Frau M mit einer Teilzeit unter 20 Wochenstunden gegen einen Monatsbetrag von 51,12 EUR mit dem Öffnen und Schließen der Synagoge beschäftigt gewesen, ohne dass es sich nur um einen "Liebesdienst" gehandelt habe oder das Arbeitsverhältnis im Februar 2009 förmlich bzw. vor dem 14. April 2009 wegen Umzugs der Beschäftigten in sonstiger Weise beendet worden sei (Zeugnis Steuerberater E). Des Weiteren seien Herr L, Herr R und Herr S laut Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 6. Februar 2009, 8 Ca 702/08, Beschäftigte der Beklagten gewesen. Die Beerdigungsbruderschaft, der sie die Beklagte zurechne, sei kein rechtlich selbstständiger Verein (Zeugnis Herr L; Herr R) und auch nicht ins Vereinsregister eingetragen, sondern - nicht zu verwechseln mit dem C K e.V. - Teil der Beklagten. Lediglich zweimal sei sie für die Beklagte bei rituellen Waschungen tätig geworden. Herr L, Herr R und Herr S seien indes wesentlich häufiger für die Beklagte eingesetzt worden. Die Herren arbeiteten seit 2003 bis wenigstens Mai 2009 auf geringfügiger Basis bei Beerdigungen für die Beklagte. Herrn S habe außerdem zwischen 2003 und 2009 noch die Aufsicht der jüdischen Friedhöfe in M ausgeführt, wofür die Beklagten Anweisungen erteilt und das Land Rheinland-Pfalz die Vergütung entrichtet habe (Zeugnis Steuerberater E). Im Januar 2008 sei die Beklagte aufgefordert worden, ihr Kassenbuch für den Monat vorzulegen, und es seien darin Zahlungen von jeweils 75,- EUR an die Herren für rituelle Waschungen aufgeführt gewesen (Beweis: Vorlage des Kassenbuchs die Beklagte). Ähnliche Arbeiten seien bei Beerdigungen von Frauen seitens der Beklagten etwa durch Frau K (Zeugnis K) oder Frau K entgegengenommen worden. Auch diese hätten im Januar 2008 eine entsprechende Vergütung erhalten (Beweis: Vorlage des Kassenbuchs die Beklagte). Für Putzarbeiten in den W Räumlichkeiten habe die Beklagte zwischen 2003 und 2009 Frau L gegen ein Entgelt von monatlich 40,- EUR beschäftigt (Zeugnis Frau L). Weiter sei auch der Ehemann der Frau L seit 2003 durchgehend für die Beklagte tätig gewesen, indem er Sachen abgerechnet, eingekauft oder Dinge organisiert habe (Zeugnis: Herr L). Durchgehend seit 2003 bis mindestens Mai 2009 habe auch Frau C auf Teilzeitbasis in geringem Stundenumfang in der Küche der Beklagten gearbeitet (Zeugnis C). Rechnerisch ergebe dies 0,75 Arbeitskraft. Sie sei bereits 2003 als Aushilfe auf Teilzeitbasis beschäftigt gewesen. Außerdem habe zwischen 2003 und 2009 Herr G bei der Beklagten geringfügig als Sicherheitskraft vor der Synagoge gegen 5,- Euro pro Stunde gearbeitet (im Durchschnitt 30,- EUR pro Woche; Zeugnis Herr G). Nach seiner (des Klägers) Erinnerung habe Frau K in der Sonntagsschule mit Kindern gebastelt und monatlich 20,- EUR erhalten. Bestritten werde, dass sie zum Kündigungszeitpunkt nicht mehr bei der Beklagten tätig gewesen sei (S. 41 des Urteils das Arbeitsgerichts Mainz vom 16.1.2009 - 8 Ca 702/08 -). Ferner sei Herr M regelmäßig als Bote und Fahrer bei der Beklagten eingesetzt worden, und zwar mindestens seit 2003 (Zeugnis Herr M).

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Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,

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1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19. Juli 2010 Az. 1 Ca 760/09 abzuändern und

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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 26. März 2009, noch durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 14. April 2009 aufgelöst wurde.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklagte verteidigt, das erstinstanzliche Urteil und trägt zweitinstanzlich im Wesentlichen vor:

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Die Zurückweisung der Kündigung vom 26. März 2009 sei verspätet. Der vom Kläger behauptete Kurzurlaub vom 28. März 2009 werde bestritten. Das Kündigungsschreiben müsse ihn schon am Freitag, den 27. März 2009, erreicht haben, da normale Schreiben innerhalb der Stadt M binnen eines Tages zugestellt würden (Beweis: Einholung einer schriftliche Auskunft bei der Deutschen Post AG). Auch das Einwurfeinschreiben vom 18. März 2009 sei bei dem Kläger bereits am 20. März 2009 (möglicherweise sogar schon am 19. März) eingetroffen gewesen, was sich aus der Übermittlung an seinen Bevollmächtigten per Fax unter dem 20. März 2009, 15:34 Uhr, ergebe. Gegen einen späteren Zugangstermin als den 27. März 2009 spreche auch, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 2. April 2009 bereits Kündigungsschutzklage erhoben habe, wobei auf dem in Anlage beigefügten Kündigungsschreiben die handschriftliche Notiz „KSchKl. 16.4.2009 not.“ aufgebracht gewesen sei, was auf eine ab dem 27. März 2009 laufenden Dreiwochenfrist hindeute. Weiter dürfe nach dem Faxaufdruck auf der Kopie eine Übermittlung des Kündigungsschreibens an den Klägerbevollmächtigten am 30. März 2009 bereits gegen 10:10 Uhr stattgefunden haben, was für einen vorherigen Zugang spreche, da in der B-Straße an jenem Tag gegen 10:10 Uhr noch keine Briefzustellung erfolgt gewesen sei (Einholung einer schriftlichen Auskunft bei der Deutschen Post AG). Es gebe unter der Adresse B-Straße im Übrigen auch keinen Briefkasten für den Kläger. Eine Weisung seine Wohnadresse nicht bekannt zu geben, bestehe nicht (Zeugnis Herr B, Herr G). Im Übrigen habe schon Ziff. 5 der am 23. März 2009 per Fax übermittelten Vollmacht darauf aufmerksam machen müssen, dass ihr (der Beklagten) Bevollmächtigter ermächtigt sei, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen abzugeben, und zwar gerade hinsichtlich der im Kopf der Bevollmächtigung angegebenen Angelegenheit „Kündigung“, so dass dem Kläger der gesamte Zusammenhang bekannt gewesen sei.

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Die Mitgliedsanträge, die der Kläger unter dem 18. März 2004 ausgefüllt und unterschrieben habe, trügen unterschiedliche Unterschriften. Dies lasse eine andere Erklärung, als dass der Eindruck habe erweckt werden sollen, die Ehefrau habe selbst unterzeichnet, nicht zu. Hiermit sei gegen den ausdrücklichen Hinweis in der Formularzeile: "Ich nehme zur Kenntnis, dass obige Angaben als eidesstattliche Erklärung gelten und bestätige, dass ich alle Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet habe." verstoßen worden. Diese Formalie sei auch bedeutsam (Art. 140 GG, Art. 137. Abs. 3 WRV). Noch bis zum 5. Mai 2009 sei sie (die Beklagte) davon ausgegangen, dass es sich bei der Unterschrift um die der Ehefrau des Klägers handelte. Das unter dem Antrag von Frau B. stehende Namenskürzel habe der Kläger in der Zeit nach dem 18. April 2004 - unter dem neuen Vorstand - nicht weiter genutzt. Es sei bei der Beklagten auch nicht bekannt, namentlich nicht von Einladungen zu Chanukka-Feiern. Ihre Vorstandsvorsitzende habe die vom Kläger unterschriebenen Schriftstücke, es handele sich um nicht archivierungswerte Schriftstücke, die zum Versand anstanden, nicht vorgelegt erhalten. Hinsichtlich des Mitgliedschaftsantrags der Ehefrau erkläre auch die Klägerbehauptung, es sei eine Nachholung der Unterschrift abgesprochen gewesen, keine unterschiedliche Art der Zeichnung, bei der im Übrigen jeder Vertretungszusatz fehle. Des Weiteren habe für den Antrag vom 18. März 2004 auch keine Eile geherrscht. Bis zum 1. April 2004 sei noch genug Zeit verblieben. Der Kläger habe den Antrag mithin nicht unterschreiben müssen. Selbst der Aufnahmeantrag der Frau G vom 30. März 2004 habe noch zur Mitgliedschaft ab dem 1. April 2004 geführt. Ferner hätten die Mitgliedsanträge, die sie benutzt habe, am 18. März 2004 anders ausgesehen. Den Hinweis auf einen Telefonanschluss in der Fußzeile verwende sie in ihren Aufnahmeanträgen erst seit dem Jahr 2006, wie sich aus dem Antrag V vom 3. November 2005 (Bl. 511 d.A.), dem Antrag M vom 25. September 2005 (Bl. 512 d.A.), dem Antrag P und P vom 27. April 2004 (Bl. 513 f. d.A.), dem Antrag K vom 4. August 2004 (Bl. 515 d.A.), dem Antrag B vom 20. Januar 2005 (Bl. 516 d.A.), dem Antrag K vom 8. September 2003 (Bl. 517 f. d.A.), dem Antrag K vom 20. Februar 2006 (Bl. 519 d.A.) und dem Antrag G (Anlage B 40 in Anlageordner) ergebe. Auch der Mitgliedsantrag für den zweitgeborenen Sohn D könne vom Kläger erst nach dem 10. Oktober 2005 ausgefüllt und unterzeichnet worden sein. Anhand der Einfärbung der Tinte könne man erkennen, dass sämtliche drei Anträge (für die Ehefrau und beide Kinder des Klägers) am gleichen Tag ausgefüllt und unterzeichnet worden seien (Beweis Sachverständigengutachten). Das Klägervorbringen, es habe ein bzw. mehrere Word-Dokumente gegeben, welche auf verschiedenen Rechnern abgespeichert gewesen seien und offensichtlich unterschiedliche Gestalt aufgewiesen hätten, sei unsubstantiiert und unzutreffend. Ein derartiges Formular sei nur auf dem Rechner der Mitarbeiterin T gespeichert, welcher allein für diese Mitarbeiterin passwortgeschützt sei (Zeugnis T). Das vermeintlich von ihr (der Beklagten) erteilte Bestätigungsschreiben einer Mitgliedschaft der Kläger-Ehefrau zum 1. April 2004 sei unecht. Bei dem Geburtstagsglückwunsch habe es sich um ein vorformuliertes Schreiben gehandelt, welches auch besondere Persönlichkeiten erhielten, die nur mit der jüdischen Gemeinde verbunden seien. Gemäß Tagesordnungspunkt 7 des der Vorstandssitzung vom 12. April 2004 sei zwar die Aufnahmen neuer Mitglieder zum 1. April 2004 durch Umlaufbeschluss vom 30. März 2004 bestätigt worden (Anlage B 37 zur Anlagenakte). Bestritten werde aber, dass die Ehefrau des Klägers im Rahmen eines solchen Aufnahme-Umlaufverfahrens aufgeführt gewesen sei. Die Wirtschaftsprüfer der Dr. K GmbH hätten in ihrem Bericht für das Rechnungsjahr 2004 die Protokolle aller 16 Vorstandssitzungen eingesehen und keine Niederschrift eines Umlaufbeschlusses hierzu gefunden (Zeugnis Herr M). Wenn ein Umlaufbeschluss wirklich ergangen gewesen wäre, hätte es hierzu eine Niederschrift gegeben. Richtig sei lediglich, dass die vom Kläger im Übrigen aufgeführten Personen (U, J und H B, R B, H G, Dr. P R [G], Dr. P K, N K, U K, I K, S K und I M) wie auch weitere Personen seinerzeit im Umlaufverfahren aufgenommen worden seien (Dr. K K und E L), wie sich aus der Anwesenheitsliste der anschließenden Mitgliederversammlung vom 18. April 2004 ergebe. Der Name der Ehefrau des Klägers fehle auf dieser am 16. April 2004 errichteten Liste (Anlage B 38 zur Anlagenakte). Wäre die Ehefrau des Klägers damals bereits Mitglied gewesen, hätte der Kläger auf einer Ergänzung der Liste bestanden. Der Antrag der Ehefrau des Klägers könne folglich nicht vom 18. März 2004 stammen, was im Übrigen auch die erst vom 24. März 2004 datierende Übertrittsurkunde nahelege.

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Auch das Formular des Übertrittsantrags sei mitsamt Gründen für die Übertrittsbewerbung und Datumsangabe vom Kläger ausgefüllt worden. Vermutlich habe er auch die Unterschrift seiner Ehefrau darauf gesetzt. Das Dokument sei in sich widersprüchlich, weil die behauptete Antragstellung in Gegenwart des Landesrabbiners am 9. März 2004 nicht mit dessen Gegenzeichnung am 13. März 2004 zusammenpasse. Der Landesrabbiner Dr. R habe sich bei der Polizei am 20. August 2009 zwar unter Vorlage dieses Glaubensübertrittsantrags eingelassen (Anlage B 45 zur Anlagenakte). Diese Einlassung entspreche jedoch nicht den Ausführungen des Landesrabbiners gegenüber dem Beklagtenbevollmächtigten vom April 2009, in seinen Unterlagen keine Dokumente gefunden zu haben. Weiter bestritten werde, dass seinerzeit keine Originale von Glaubensübertrittskopien ausgehändigt worden seien; ferner, dass Aushändigungen durch den ehemaligen Gemeinderabbiner A geschehen seien. Dieser habe bei der Kriminalpolizei M am 13. Oktober 2009 ausgesagt, derartiges gehöre nicht zu seinem Aufgabenbereich, und er komme damit auch nicht in Berührung und habe zu keinem Zeitpunkt an den Kläger oder dessen Ehefrau oder sonst jemanden Glaubensübertrittsurkunden ausgehändigt, weder in Kopie noch im Original (Anlage B 42 zur Anlagenakte). Er habe zudem am 28. September 2009 die Unterlassung anderslautender Unterstellungen verlangt (Bl. 602 d.A.). Aus dem Schreiben des Rabbiners G vom 27. September 2009 ergebe sich nicht, wann die orthodoxe Gijur bei der Ehefrau des Klägers durchgeführt worden sei; vielmehr gehe aus dem Schreiben lediglich hervor, dass dem Rabbiner G dies auf Nachfrage erklärt worden sei (Beweis dazu, dass er sich die Voraussetzungen der Gestaltungsmöglichkeit des zweitgeborenen Sohnes des Klägers vom anwesenden seinerzeitigen Gemeinderabbiner versichern ließ: Zeugnis Rabbiner G). Die Durchführung der Gijur bei Frau B. werde deshalb bestritten. Sie allein reiche auch nicht für den Übertritt, weil eine Prüfung durch das Rabbinatsgericht erfolgen müsse. Soweit sich der Mitgliedsantrag vom 18. März 2004 auf eine Glaubensübertrittsurkunde vom 24. März 2004 bezogen habe, sei er unwirksam. Dem Bestätigungsschreiben ihres ehemaligen Vorsitzenden sei kein Aussagewert beizumessen, da dieser selbst Frau G / R die Aufnahme unter dem 31. März 2004 bestätigt habe, obgleich diese ja erst am 28. Februar 2005 den Glaubensübertritt vollzogen habe (wobei ein handschriftlicher Zusatz auf dem Schreiben vom 31. März 2004 durch den Rabbiner A mit Datum des 5. August 2004 „Original hat vorgelegen“ aufgebracht gewesen sei).

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Tatsächlich habe der Kläger die Kopien der Übertrittsurkunden mit Datum vom 24. März 2004 manipuliert. Aus dem urkundentechnischen Gutachten gehe hervor, dass die Urkunden der Familie des Klägers Kopierfehler enthielten (Zeugnis Herr G). Wann exakt diese Kopien in den Bestand des ihres Ordnungssystems gelangt seien, sei nicht feststellbar. Es müsse jedoch vor der Beauftragung des Gutachters gewesen sein. Im Übrigen seien im Ordnungssystem der Beklagten mehr als die vom Kläger behaupteten 15 Glaubensübertrittsurkunden zu finden. Da der Kläger als Geschäftsführer/ Verwaltungsdirektor für den ordnungsgemäßen Betrieb des Büros der Beklagten verantwortlich gewesen sei, komme nur er als Person in Frage, die von Originalurkunden bei Mitgliedsantragstellungen Kopien gezogen hätten. Die Originalurkunden der Familie K habe er nicht benötigt, um Fälschungen herzustellen, weil hierzu auch die im Ordnungssystem vorhandenen Kopien ausgereicht hätten. Der Einwand des Klägers gegen die Qualitätsbewertung der dem urkundentechnischen Gutachten zu Grunde liegenden Fotokopien gehe schon deshalb fehl, weil dem Kläger die dem Gutachter zur Verfügung gestellten Kopien nicht übermittelt worden seien, sondern lediglich jene, die am 8. April 2009 vom Beklagtenvertreter aus den Originalen der Familie K erstellt worden seien. Während seiner Beschäftigungszeit habe zum Aufgabenkreis des Klägers gehört zu überprüfen, ob bei einem Antrag einer Person, die als Mitglied aufgenommen werden solle, die nötigen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Sache des Klägers sei gewesen, Arbeiten vorzubereiten, die vom Vorstand zu erledigen gewesen wären. Wenn festgestanden habe, dass die Voraussetzungen gegeben seien, habe auch der Kläger Mitgliedschaften bestätigen können. Ein verantwortlicher Angehöriger des jüdischen Glaubens würde sich bei einem Aufnahmeantrag stets das Original der Glaubensübertrittsurkunde vorlegen lassen und dessen Echtheit prüfen. Hiergegen habe der Kläger massiv verstoßen und dabei offenbar auch die damalige stellvertretende Vorsitzende getäuscht, was einen zusätzlichen Grund für eine fristlose Kündigung bedeute und nunmehr nachgeschoben werde. Eine Aufnahme in die jüdische Glaubensgemeinschaft sei, ohne dass die religiösen Voraussetzungen geschaffen seien, nicht möglich. Die Glaubensübertrittsurkunde habe insofern auch bei einem Umzug in eine neue Wohnsitzgemeinde hohe Bedeutung, weil der Nachweis der Zugehörigkeit mit der Originalübertrittsurkunde zu führen sei.

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Der Kläger habe als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde nur kandidieren und gewählt werden können, wenn seine Abkömmlinge dem jüdischen Glauben angehörten.

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Nachdem das Beschäftigungsverhältnis des Klägers Anfang Mai 2008 fristlos gekündigt worden sei, habe ihre Vorstandsvorsitzende zusätzlich die Arbeit eines Geschäftsführers übernehmen müssen (neben ihrer freiberuflichen Tätigkeit und unter der Maßgabe ihres Wohnsitzes in W). Außerdem habe sie der Synagogenneubau mit Arbeit ausgefüllt. Etwa zur Jahreswende 2008 / 2009 habe sie die abgelegten Unterlagen sichten können und sei auf den Ordner mit den Glaubensübertrittsurkunden und den Aufnahmeanträgen gestoßen, wobei ihr Ungereimtheiten aufgefallen seien. Diesen sei sie nachgegangen und habe die übrigen Vorstandsmitglieder unterrichtet. Diese hätten beschlossen, ein Dokumentenechtheitsgutachten erstellen zu lassen. Im Kontakt mit dem damaligen Polizeipräsidenten von M sei der Name des Sachverständigen benannt und gemäß Vorstandsbeschluss vom Februar 2009 mit der Sache befasst worden. Kein Vorstandsmitglied habe vor dem 9. März 2009 das Gutachten zur Kenntnis nehmen können, da dies an die Adresse des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden R-P in der A , M versandt gewesen sei (Kopie des Kuverts in Bl. 504 d.A.). Der Vorsitzende des Landesverbands, Dr. W, habe das ungeöffnete (Zeugnis Dr. W.) Poststück an sie (die Beklagte) weitergesandt, wo es nicht vor dem 9. März 2009 habe eingesehen werden können. Der Umweg über den Landesverband sei gewählt worden, um sicherzustellen, dass der Kläger bzw. das Büro der Beklagten keinerlei Kenntnis erlange. Eine Kenntnisnahme vor dem 9. März 2009 habe auch deswegen nicht geschehen können, weil das Büro des Landesverbandes donnerstagnachmittags bis montags geschlossen sei und auch ihr (der Beklagten) Gemeindebüro freitags nur noch bis 13:00 Uhr offen gehalten werde. Die Eheleute K seien mit Datum vom 18. März 2009 wegen des Verdachts der Verwendung von Kopien ihrer Glaubensübertrittsurkunden angeschrieben worden. Sie hätten mit Schreiben vom 19. März 2009 geantwortet und am 8. April 2009 die Originalurkunden ihrer Glaubensübertrittsbescheinigungen, die sich auf Büttenpapier befänden, was Schattierungen auf den Kopien erkläre, vorgelegt (Zeugnis Rechtsanwalt H D. C). Mit Schreiben vom 14. April 2009 sei der Rabbiner Dr. R kontaktiert worden, der mit Brief vom 20. April 2009 geantwortet habe. Weil dessen Korrektur seiner ursprünglichen Bekundung unter dem 20. August 2009 wenig glaubhaft sei, müsse er zwischenzeitlich Kontakt mit dem Kläger gehabt haben. Den ehemaligen Gemeinderabbiner habe sie auf den Einwand des Klägers vom 24. März 2009 nicht weiter anhören müssen, weil daraus nicht ersichtlich gewesen sei, dass der Kläger meine, vom ehemaligen Rabbiner Kopien erhalten zu haben. Nach Zugang des Gutachtens habe die Vorsitzende gemäß § 7 der Satzung den Vorstand in Kenntnis setzen (dem habe § 21 der Satzung nicht entgegengestanden) und einen Tag vor dem 18. März 2009 im Umlaufverfahren das Einverständnis zur Anhörung des Klägers und notfalls zum Ausspruch der Kündigung erhalten. Frühestens am 24. März 2009 habe die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB begonnen. Die Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 18. März 2009 sei zureichend gewesen, da dem Kläger der Kernvorwurf zur Stellungnahme unterbreitet worden sei und er hinreichende Möglichkeit erhalten habe, bestimmte zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten sowie entkräftende Umstände vorzubringen und zur Aufhellung der Geschehnisse beizutragen.

72

Wie die Parteien im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht übereinstimmend erklärten, sei das KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden. Die Erklärung sei schon nach § 288 ZPO bindend. Im Übrigen habe sie (die Beklagte) im Kündigungszeitpunkt nicht mehr als fünf Alt-Arbeitnehmer beschäftigt gehabt, die bereits 2003 eingestellt gewesen seien, wobei sie bestreite, dass der Kläger bereits im Dezember 2003 überhaupt eine vergütungswürdige Tätigkeit für sie ausgeübt habe. Frau (I) B habe erst in 2004 ihre verstorbene Schwester als Bibliothekskraft abgelöst. Frau M sei als Übersetzerin mit weniger als 20 Wochenstunden bei 150,- EUR monatlich angemeldet. Frau M, die 2003 und 2004 an Freitagen und bis Februar 2009 an Sabbat- und Feiertagen mit dem aufschließen der Synagoge und anderer Räume befasst gewesen sei, habe nicht in einem festen Beschäftigungsverhältnis zu ihr gestanden und lediglich einen Ausgleich für ihren Liebesdienst in Höhe von 50,- EUR im Monat erhalten. 2009 sei sie erkrankt, so dass der Dienst von ihrem Ehemann übernommen worden sei. Weil sie die Tätigkeit seit Februar 2009 nicht mehr ausgeführt habe sei das Beschäftigungsverhältnis beendet. Herr L, Herr R und Herr S seien zum Kündigungszeitpunkt nicht bei der Beklagten, sondern bei der Beerdigungsbruderschaft C K, die ein eigener, selbstständiger Verein sei, beschäftigt gewesen und von diesem vergütet worden. Sie (die Beklagte) habe an diesen Verein nur in den Jahren 2003 und 2004 keine Zuschüsse gegeben (Zeugnis Frau T). Der zwischen ihr (der Beklagten) und dem Verein unwirksame Vertrag ändere daran nichts. Wie sich aus dem Urteil des Landgerichts Mainz vom 16. Juni 2009 - Az. 2 O 446/04 - (Bl. 569 ff. d.A.) ergebe, seien Herr L, Herr R und Herr S Mitglieder des Vereins. Herr S sei darüber hinaus Angestellter des Landes Rheinland-Pfalz, für das er 67 jüdische Friedhöfe beaufsichtige und durch das er vergütet werde. Auch für die Beerdigung von Frauen beschäftige sie keine Arbeitnehmer. Frau G sei nur in der Zeit vom 6. Dezember 2006 bis zum 30. November 2008 beschäftigt gewesen (Arbeitszeugnis ohne Unterschrift und Ausstellungsdatum in Bl. 607 d.A.). Frau L sei im Jahr 2003 noch nicht für sie tätig gewesen und bereits vor dem Kündigungszeitpunkt des Klägers wieder ausgeschieden. Herr L leiste seiner Frau lediglich freiwillig und auftragslos Hilfestellungen. Frau C sei lediglich in der Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Januar 2010 beschäftigt gewesen (Ablichtung der ersten Seite des Arbeitsvertrags in Bl. 608 d.A.). Frau K sei weder 2003, noch zum Kündigungszeitpunkt 2009 bei der Beklagten beschäftigt gewesen.

73

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 17. Dezember 2010 (Bl. 332 ff. d.A.), 20. Januar 2011, bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen am 30. März 2011 (Bl. 358 ff. d.A.), 27. Dezember 2011 (Bl. 436 ff d.A.), vom 16. Februar 2012 (Bl. 475 ff. d.A.), 6. März 2012 (Bl. 523 f. d.A.) und 2. August 2012 (Bl. 552 ff. d.A.) Bezug genommen, ferner den Klägerschriftsatz vom 29. Oktober 2010 (Bl. 301 ff. d.A.), 20. Januar 211 (Bl. 358 ff. d.A.), 27. Dezember 2011 (Bl. 436 ff. d.A.), 23. April 2012 (Bl. 525 ff. d.A.) und 20. August 2012 (Bl. 614 ff. d.A.) wie auch auf die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.

74

Die Kammer befand am 25. März 2011 - 6 Sa 490/10 -, dass die Berufung des Klägers aufgrund der zutreffenden Würdigung des Arbeitsgerichts unbegründet sei (Bl. 365-376 d.A.). Auf Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil mit Beschluss vom 9. August 2011 auf und verwies den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungskammer zurück (- 9 AZN 673/11 - Bl. 406 ff. d.A.), da dem Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör entscheidungserheblich nicht genügt sei, die Beklagte habe seit dem 18. März 2004 gewusst, dass die Unterschrift unter den Mitgliedsantrag seiner Ehefrau nicht von dieser, sondern von ihm stamme, weil er die Urkunde in Anwesenheit der damaligen stellvertretenden Vorsitzenden unterzeichnet habe, die den Antrag an diesem Tag benötigt habe, um ihn an den Vorstandsvorsitzenden weiterzuleiten, wobei mit der Ehefrau des Klägers telefonisch vereinbart worden sei, die Unterschrift nachzuholen (Zeugnis Frau A., Zeugnis Frau B.). Die Kammer hat daraufhin über die bezeichneten Behauptungen des Klägers Beweis erhoben durch Vernehmung der Frau S A. und der Frau B.. Wegen der Einzelheiten dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Januar 2012 Bezug genommen (B. 464-471 d.A.). Der Kläger meint, dass die Zeugenaussage von Frau A. das schriftsätzliche Vorbringen glaubwürdig bestätigt habe. Das Telefonat vom 18. März 2004 sei über sein (des Klägers) Mobiltelefon des Klägers geführt worden; im Zimmer des Vorstands befinde sich kein Festnetzanschluss. Die Beklagte hegt an der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugin A. erhebliche Zweifel, die sie im Einzelnen ausführt. Sie meint außerdem, wenn es sich tatsächlich so zugetragen habe, wie die Zeugin bekundete, wäre jedenfalls gegen Normen verstoßen worden, die sie (die Beklagte) sich selbst gesetzt habe.

75

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften vom 25. März 2011, 13. Januar 2012 und 24. August 2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

76

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch eine außerordentliche Kündigung der Beklagten - weder vom 26. März, noch vom 14. April 2009 - beendet, sondern endete aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten, sei es vom 26. März oder vom 14. April 2009.

I.

77

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG) und wurde form- und fristgerecht mit Schriftsatz vom 7.September 2010, eingegangen am 9. September, auf Zustellung des Urteils am 31. August 2010, eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) sowie mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2010, eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 67 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO). Die Begründung setzt sich in hinreichender Weise mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO)

II.

78

Die Berufung ist teilweise begründet. Die zulässigerweise in objektiver Klagenhäufung angebrachten (§ 260 ZPO) Kündigungsschutzklagen haben zum Teil Erfolg.

79

1. Sämtliche - zuletzt zusammenfassend formulierten - Klageanträge sind zulässig. Sie sind hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil jedes einzelne Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnet ist, dass über dessen Identität und damit den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit bestehen kann und auf die vom Gesetz vorgegebenen Antragsfassung, „dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist“, abgestellt wurde (BAG 13.12.2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 18 f., NZA 2008, 589). Die Anträge sind auch von hinreichendem Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO getragen, da der Kläger als Arbeitnehmer nach § 4 Satz 1 KSchG gehalten ist, Feststellungsklage zu erheben, um die für ihn nachteilige Rechtsfolge des § 7 KSchG auszuschließen (BAG 7.3.2002 - 2 AZR 173/01 - zu II 1 der Gründe, NZA 2002, 963).

80

2. Die Anträge sind, soweit sie sich gegen die ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen richten, begründet.

81

a) Die außerordentliche Kündigung von 26 März 2009 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

82

aa) Die Kündigung ist nicht schon wegen Formmangels unwirksam (§ 125 BGB). Die gesetzliche Schriftform nach § 623 BGB ist durch die handschriftliche Unterzeichnung des Kündigungsschreibens seitens des Beklagtenbevollmächtigten gewahrt (§ 164 Abs. 1, § 126 Abs. 1 BGB; vgl. Bl. 12 d.A.).

83

bb) Die Kündigung ist weiter nicht wegen fehlenden Vollmachtsnachweises gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam.

84

(1) Da die Zurückweisung nur bei Unkenntnis des Adressaten eines einseitigen Rechtsgeschäfts von der Bevollmächtigung durchgreift (§ 174 Satz 2 BGB) und die Kenntnisgabe an den Gegenüber keiner besonderen Form unterliegt, sondern lediglich gleichwertigen Ersatz für die fehlende Vorlage einer Vollmachtsurkunden darstellen muss (BAG 14.4.2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 23, NZA 2011, 683), spricht einiges dafür, dass die vorab - und vorliegend beanstandungslos - erfolgte Übermittlung einer Anwaltsvollmacht per Telefax mit Hinweis auf den Bevollmächtigungszweck der Aufklärung eines Kündigungsverdachts und eventuellen Kündigungsausspruch den Anforderungen des § 174 Satz 2 BGB genügt.

85

(2) Auch bei anderer Ansicht wäre der Zurückweisung nicht zu folgen. Denn sie war verspätet. Für die Frage, ob eine Zurückweisung im Sinne des § 174 Satz 1 BGB unverzüglich erfolgt, gelten die zu § 121 BGB aufgestellten Grundsätze entsprechend. Danach ist die Zurückweisung einer Kündigungserklärung mit einer Zeitspanne von mehr als einer Woche, ohne das vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles nicht mehr unverzüglich (BAG 8.12.2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33, NZA 2012, 495). Da vorliegend auch der vom Kläger mit Eingang in der 14. Kalenderwoche des Jahres 2009, d.h. ab Montag, dem 30. März 2009, zugestandene Zeitpunkt bis zum Eingang beim Beklagtenbevollmächtigten am 7. April 2009 die Wochenfrist überschritt, kam es auf das Vorliegen besonderer Umstände an. Auf Zugang am 30. März endete die Wochenfrist mit Ablauf des 6. April (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Besondere Umstände, die eine verspätete Zurückweisung erklären könnten, waren indes weder vom Kläger vorgebracht noch ersichtlich. Dem Kläger war die Möglichkeit des Erhalts einer Kündigung seit Erhalt der Fax-Vollmacht am 23. März 2009 bekannt. Die von ihm über den Umfang der Mandatierung behaupteten Zweifel, waren mangels Substanz und vor dem Hintergrund der Einbindung des juristischen Bevollmächtigen schon in das Anhörungsgeschehen nicht nachvollziehbar. Unverständlich bleibt auch, warum auf noch am 30. März 2009 - nach klägerischer Behauptung: sofort nach Erhalt - dem Bevollmächtigten übermittelte Kündigung zwar mit der schon am 2. April 2009 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage nicht jedoch mit gleichzeitiger, sondern erst am 3. April diktierter und am 7. April 2009 zugegangener Zurückweisung reagiert wurde.

86

(3) Auf die weiteren, die Wohnsitz- und Zugangsverhältnisse des Klägers wie auch den Postweg des am 26. März 2009 aufgegebene Kündigungsschreibens betreffenden Ausführungen beider Parteien, kommt es vor diesem Hintergrund nicht weiter an.

87

cc) Die Kündigung gilt auch nicht wegen Versäumens der Klageerhebungsfrist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7 und § 4 Satz 1 KSchG als von Anfang an wirksam. Die Zustellung der Kündigungsschutzklage erfolgte am 7. April 2009 und blieb damit selbst bei Unterstellung eines Kündigungszugangs schon am 27. März 2009 noch innerhalb der Dreiwochenfrist, die gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB frühestens am 17. April 2009 endete.

88

dd) Die Kündigung ist aber nicht aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

89

(1) Auf einen dringenden Verdacht der Herstellung einer unechten Urkunde kann die Kündigung nicht gestützt werden. Ein solcher Verdacht kann zwar einen an sich wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, im vorliegenden Fall trägt das Beklagtenvorbringen - soweit es schon nicht durch die Entscheidung der Berufungskammer vom 31. Juli 2009 - 6 Sa 134/09 - (Bl. 139 ff. d.A.) abschließend beschieden ist - keinen hinreichend dringenden Verdacht.

90

(a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9.6.2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, NZA 2011, 1342).

91

(aa) Bereits der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen an sich wichtigen Grund abbilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, NZA-RR 2012, 222). Der Arbeitnehmer muss im Rahmen seiner Anhörung die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Indiztatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen (BAG 23.6.2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 56, NZA 2009, 1136). Der notwendig schwerwiegende Verdacht muss sich aus den Umständen ergeben und objektiv durch Tatsachen begründet sein, ferner dringend in dem Sinn, dass bei einer kritischen Prüfung die auf Beweisanzeichen geschützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers besteht. Bloße auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen geschützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdacht nicht aus (BAG 29.11.2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbaren Handlung Nr. 40).

92

(bb) Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind, mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Das Urteil in dem ersten Prozess ist in der Weise präjudiziell für das zweite Verfahren, dass eine erneute materielle, möglicherweise von dem Ergebnis des ersten Prozesses abweichende Nachprüfung nicht erfolgen darf (BAG 12.2.2004 - 2 AZR 307/03 - zu B II 2 c aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75).

93

(b) Vor diesem Hintergrund war ein wichtiger Kündigungsgrund nicht gegeben.

94

(aa) Der Grund eines Manipulationsverdachts von Glaubensübertrittsurkundenkopien war bereits im Wesentlichen verbraucht. Die Beklagte hatte im Berufungsrechtsstreit über die Wirksamkeit ihrer Kündigung vom 2. Mai 2008 vor der hiesigen Kammer - 6 Sa 134/09 - mit Schriftsatz vom 27. April 2009 (Bl. 81 ff. d.A.) ausgeführt (u.a.): "… dass er [der Kläger] Urkunden fertigte, für die er nur Fotokopien vorzulegen in der Lage ist und damit Fälschungen vornahm, hat sich noch in einem anderen Zusammenhang gezeigt. […] Der Vorsitzenden der Beklagten ist anlässlich einer Sichtung von Unterlagen aufgefallen, dass die in Fotokopien beigefügten Glaubensurkunden von D L A B. und S K den Verdacht erregen, dass sowohl die Unterschriften, als auch die Siegelstempel identisch sind, wobei das gleiche auch für die in Kopie beigefügten Glaubensübertrittsurkunden E K und B., der Ehefrau des Klägers, gilt. […] Der Kläger wurde mit Schreiben des Unterzeichners vom 18.03.2009 auf den Verdacht hingewiesen, dass er diese Manipulationen vorgenommen hat und wurde deshalb dazu befragt. […] Die Beklagte hat […] die Eheleute K […] angeschrieben und sie gebeten, mitzuteilen, ob sie die Originalurkunden vorliegen hätten und, wenn dies der Fall sein sollte, diese überlassen sollten. Dies ist […] am 08.04.2009 geschehen. […] Im Gütetermin am 23.04.2009 hat der Kläger anerkannt, dass die Glaubensübertrittsurkunde B. und E K Gemeinsamkeiten aufweisen, wie die Glaubensübertrittsurkunde D L A B. und S K. […] Ein Interesse daran, derartige falsche Urkunden herzustellen, ist nur bei dem Kläger zu sehen. […] Immerhin spart die Herstellung dieser Fälschung die Teilnahme an Schulung und auch den Einsatz mehrerer hundert Euro, … . […] Die Parallelität, was die Qualität der Urkunden betrifft, ihre Originale und ihre Entstehung, ist schon einzigartig und ist ein klares Indiz dafür, dass der Kläger jener ist, der die Fälschung vorgenommen hat, da nur er ein Interesse daran haben kann. […] Damit steht fest, dass die ursprüngliche fristlose Kündigung von der Beklagten vom 02.05.2008 wirksam ist." (S. 4-9 des Schriftsatzes; Bl. 84-89 d.A.). Die Berufungskammer hat zu diesen Ausführungen hinsichtlich der Kündigung vom 2. Mai 2008 mit Urteil vom 31. Juli 2009 - 6 Sa 134/09 - entschieden: "Die zulässigerweise nachgeschobenen Kündigungsgründe reichen zivilprozessual nicht aus, um zu einer anderen Bewertung des Falles zu gelangen. […] Auch nicht unter Verdachtsgesichtspunkten. […] Dies gilt auch soweit behauptet wird, der Kläger habe die im Ordnungssystem der Beklagten enthaltenen Kopien der Familie K dazu missbraucht, um Kopien der Urkunden der Familie B. herzustellen. Der Kläger hatte die diesbezügliche Behauptung nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert bestritten. Damit wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihren Vortrag zivilprozessual so zu ergänzen, dass die von ihr vertretenen Schlussfolgerungen überhaupt möglich sind." (S. 15 des Urteils; Bl. 153 d.A.). Soweit die Beklagte aus dem Fund der Kopien für die Ehefrau und den erstgeborenen Sohns des Klägers in ihrem Dokumentenbestand, der persönlichen wie beruflichen Nähe des Klägers hierzu, deren äußerer Ähnlichkeit mit den Kopien der Familie K, der Motivlage des Klägers sowie der Aufklärung durch Anhörung einen dringenden Verdacht ableiten wollte, sind in den dargelegten Ausführungen der Berufungskammer sämtliche Vorgänge abschließend beschieden. Die Kammer ist an einer nochmaligen Überprüfung mithin gehindert. Auch die von Beklagtenseite vorgebrachten Erwägungen dazu, welche Aussagekraft das urkundentechnische Gutachten haben müsse, welche Kopie bessere Qualität aufweise, aus welchen Umständen sich der Fälschungsgehalt im Einzelnen ergebe und welche Rolle der Umstand, dass überhaupt nur Kopien eines vermeintlichen Originals existierten, müssen deshalb auf sich beruhen. Gleiches gilt auch für die wiederholt thematisierte Motivlage der ersparten Schulungsteilnahme oder Geldersparnis.

95

(bb) Auch soweit die Beklagte ergänzend Umstände zur Stärkung dieses Grundes vorbringt, tragen diese keinen dringenden Manipulationsverdacht gerade durch den Kläger.

96

(aaa) Wenn die Beklagte in Abrede stellt, dass die Kopien von Glaubensübertrittsurkunden der Ehefrau des Klägers wie auch ihm selbst durch den dem seinerzeitigen Gemeinderabbiner ausgehändigt worden seien, folgt daraus schon denkgesetzlich weder von selbst, noch mit nennenswerter Wahrscheinlichkeit, dass gerade der Kläger Urheber irgendwelcher Manipulationen gewesen sein sollte. Soweit die Beklagte hierzu die Einlassung des ehemaligen Gemeinderabbiners im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren anführt, er habe keine derartigen Dokumente herausgegeben, ist dem entgegenzuhalten, dass gerade auch die Staatsanwaltschaft dies nicht zur Annahme eines Tatverdachts ausreichen ließ, sondern das Verfahren vielmehr zeitnah einstellte. Weiter unergiebig bleibt auch der Hinweis auf ein Unterlassungsbegehren des vormaligen Rabbiners gegen die Beklagte in Bezug auf Äußerungen, die einen Zusammenhang zwischen der Dokumentenherausgabe und seiner Person erkennen ließen, da hieraus zwar Abstimmungsschwierigkeiten zwischen der Beklagten und ihrem ehemaligen Geistlichen in Bezug auf etwaige Außendarstellungen und Erklärungen zu Dritten hervorgehen mögen, nichts positives aber für einen Tatverdacht gegen den Kläger im vorliegenden Verfahren folgt. Soweit die Beklagte meint, die Kündigung sogar selbständig auf einen unwahren Klägereinwand zur vermeintlichen Herausgeberperson gründen zu können, fehlt jeder Nachweis zur gerade bewussten Falscheinlassung des Klägers.

97

(bbb) Auch der weiter vorgebrachte Umstand, der ehemalige Gemeinderabbiner sei nicht befugt gewesen Glaubensübertrittspapiere herzustellen und auch die Mitarbeiterin T habe mit Glaubensübertritten intern nichts zu tun gehabt, ergab kein besonderes Indiz für Manipulationshandlungen gerade des Kläger. Selbst wenn der Gemeinderabbiner und Frau T als Urheber der Kopien ausschieden, blieben rein denkgesetzlich immer noch unzählig viele alternative Urheber, da der Aktenbestand unstreitig nicht verschlossen und für sämtliche Bürobetretende zugänglich war.

98

(ccc) Soweit die Beklagte schließlich weiter meint, der Landesrabbiner Dr. R habe im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren falsch ausgesagt, ist das weder substantiell nachvollziehbar (jeder mit Aktenbeständen Umgehende kann der Lebenserfahrung nach Einzelpapiere übersehen, zumal wenn sie - wie vorliegend - beim Mädchen- oder Mutter- bzw. Ehegattenzunahme abgelegt sein könnten), noch gibt es aufgrund der Einlassung des Rabbiners irgendwelche zusätzlichen Anhaltspunkte für eine Urheberschaft ausgerechnet des Klägers. Der Einwand, der Kläger müsse mit dem Rabbiner zwischenzeitlich Kontakt aufgenommen haben, entbehrt jeder Substanz.

99

(ddd) Soweit schlussendlich noch das Motiv eines höheren Ansehens im Gemeindeleben und die Ermöglichung (oder Erleichterung) einer erwogenen Wahl zum Vorstandsvorsitzenden angeführt wurde, war auch daraus kein dringendes Verdachtsmoment abzuleiten. Der Kläger zählte im Jahr 2004 - auf das die manipulierten Urkunden datieren - auch nach Vorbringen der Beklagten (noch) nicht zum Kandidatenkreis eines Vorstandsvorsitzenden. Ihm durfte allein aufgrund seiner Stellung in der Administration der Beklagten bereits hohes Vertrauen innerhalb der Gemeinde entgegengebracht worden sein. Mit der Erwägung potentiellen Vorstandsbewerberstatus gesteht auch die Beklagte hohe interne Reputationswerte für den Kläger zu. Warum dieser bei solcher Sachlage aufgrund welcher Lebenserfahrung oder welchen Sozialmodells seinen Namen und sein Ansehen durch Urkundendelikte und grobe Missachtungen seiner Dienstpflichten aufs Spiel setzen sollte, erschließt sich - entgegen den Mutmaßungen der Beklagten - auch im Ansatz nicht weiter.

100

(2) Auch auf einen Verdacht einer Fälschung des Schreibens des Beklagtenvorstandsvorsitzenden vom 6. Februar 2004 durch den Kläger kann die Kündigung nicht gestützt werden. Dieser Kündigungsgrund war bereits umfassender Gegenstand der Kündigung vom 2. Mai 2008 und wurde bereits im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren eingehend behandelt und als Kündigungsgrund für unzureichend erachtet (ArbG Mainz 6.2.2009 - 8 Ca 707/08 - S. 31 f.). Auch die Kammer hat diese Bewertung schon geteilt (lag Rheinland-Pfalz 31.7.2010 - 6 Sa 134/09 - S. 13 f., Bl. 151 f. d.A.). Die von Beklagtenseite im vorliegenden Verfahren ergänzend geäußerten Zweifel anhand unterschiedlicher Fußzeilen gegenüber Beklagtenschreiben vom 30. / 31. März 2004 (Bl. 6, 461 d.A.) sind nicht weiter geeignet, um irgendwelche Fälschungsvorwürfe zu substantiieren. Wenn die Beklagte auf weitere vom Kläger erstellte Dokumente im März / April 2004, um danach Manipulationen zu belegen (Bestätigungsschreiben an Frau G, an seine [des Klägers] Ehefrau oder Herrn A), während sie gleichzeitig meint, der Kläger sei nur im Stande manipulierte Fotokopien vorzulegen, ist unklar, auf welche „echten“ oder „unechten“ Dokumente der Zeit die Beklagte überhaupt abstellen will. Ferner war von Klägerseite (unwiderlegt) auf das sämtliche Fußzeilenangaben bereits enthaltende Beklagtenschreiben an das Landeswissenschaftsministerium schon vom Januar 2004 (Bl. 110 d.A.) und die bereits zuvor bestehende E-Mail-Anschrift. Es ist deshalb unerfindlich, woraus die vermeintliche Manipulation des Schreibens vom 6. Februar 2004 zu folgern sein soll.

101

(3) Ein wichtiger Grund liegt auch nicht in Gestalt einer (erwiesenen) Herstellung von unechten Urkunden oder deren pflichtwidrige Verwendung zulasten der Beklagten vor.

102

(a) Zwar kann eine schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen, und zwar auch bei der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten. Denn nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Sie reicht auch in die Zeit außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit hinein, denn ein außerdienstliches Verhalten kann die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder der (bzw. anderer) Arbeitnehmer beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit gibt, d.h. wenn negative Auswirkungen auf den Betrieb oder in Bezug zum Arbeitsverhältnis eintreten (BAG 27.1.2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29 ff., NZA 2011, 798).

103

(aa) Mit einer Urkundenfälschung wird der Vertrauensbereich zwischen Abreitnehmer und Arbeitsgeber dabei zumeist nachhaltig erschüttert (vgl. BAG 29.1.1997 - 2 AZR 292/96 - zu II 2 b der Gründe, NZA 1997, 813). Dabei kann die Mitwirkung unter Missbrauch der arbeitsvertraglichen Befugnisse ausreichen (lag Hamm 18.8.2011 - 17 Sa 723/11 - zu II 3 a bb der Gründe, juris).

104

(bb) Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung lässt es dabei unberührt, wenn diese zunächst mit dem Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens begründet wird, während der gesamte Inhalt der Verhandlung und das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit sogar tatsächlich belegen. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und gegebenenfalls Beweisaufnahme darstellt (BAG 10.6.2010 - 2 AZR von 541/09 - Rn. 23, NZA 2010, 1127).

105

(cc) Ferner kann ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die bei Ausspruch einer Kündigung bereits vorlagen, auch unabhängig davon, ob sie dem Kündigenden vor oder nach der Kündigung bekannt geworden sind und ob sie mit den bisher geltend gemachten Gründen in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, grundsätzlich noch geschehen (BAG 28.2.1991 - 2 AZR 335/90 - zu A V 2 der Gründe, juris). Ob überhaupt bzw. ab welcher Grenze ein Auswechseln von Kündigungsgründen erreicht wird, d.h. die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, hat die Rechtsprechung zuletzt offen gelassen (BAG 6.9.2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21, NZA 2008, 636).

106

(b) Dem Kläger kann aber auch unter diesen, der Beklagten im Ansatz entgegenkommenden Maßgaben, auch schon nach ihrem eigenen Vorbringen - soweit dies nicht bereits durch die Begründung der Kündigung vom 2. Mai 2008 im darauf folgenden Berufungsverfahren verbraucht oder insgesamt zu wenig substantiiert ist - keine Herstellung oder Verwendung unechter Urkunden vorgehalten werden.

107

(aa) Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27. April 2009 zur Kündigungsbegründung der am 2. Mai 2008 ausgesprochenen Beendigung vorgebrachten Anhaltspunkte für eine (vermeintliche) Herstellung von unechter Glaubensübertrittsurkundenkopien durch den Kläger seine Ehefrau wie den erstgeborenen Sohn D (S. 4-9, Bl. 84-89 d.A.) - d.h. der Umstand des Fundes der Kopien im eigenen Dokumentenbestand, die persönliche wie berufliche Nähe des Klägers zu diesen Akten, die äußere Ähnlichkeit der Kopien mit denen der Familie K, die anschließende Sichtung deren Originale sowie die Motivlage, Geld- und Prüfungsaufwand zu sparen - waren bereits verbraucht. Die Berufungskammer hatte hierüber mit Urteil vom 31. Juli 2010 - 6 Sa 134/09 - in S. 15 (Bl. 153 d.A.) der Gründe abschließend entschieden (s.o.). Die Beklagte konnte ihre Kündigung vom 26. März 2009 hierauf nicht mehr stützen.

108

(bb) Ein Tatnachweis für die Herstellung unechter Urkunden durch den Kläger ergibt sich - entgegen der Beklagtenansicht - auch nicht aus den ergänzend behaupteten Umständen.

109

(aaa) Der nachgeschobene Umstand, dass an den Orten, an denen die Glaubensübertrittsurkunden der Klägerehefrau und des erstgeborenen Sohnes vermeintlich ausgestellt worden seien (W und M), zur angegebenen Zeit keine Rabbinergerichte tagten, ließ nicht weiter erkennen, dass wann welche Manipulationshandlung vom Kläger ausgeführt worden sein sollten. Sie erläuterte nur, was zwischen den Parteien ohnehin unstreitig war, nämlich dass es sich bei den Kopien der Klägerfamilie um Manipulationen handeln musste.

110

(bbb) Die Mutmaßung, dass - weil der der Landesrabbiner Dr. R anfänglich keinen Antrag auf Glaubensübertritt für die Klägerehefrau aufzufinden vermochte, nachdem ihn die Beklagte im April 2009 hiernach befragt hatte, während er ihn auf polizeiliche Befragung im August 2009 plötzlich aufgetan habe - es sich bei der polizeilichen Einlassung um eine unwahre Darstellung gehandelt haben müsse und ggf. eine Kontaktaufnahme zwischen dem Klägers und dem Rabbiner geschehen sei, gibt wiederum für eine Täterschaft des Klägers nichts wieder.

111

(ccc) Weiter ergibt auch der - im Grundsatz unstreitige - Umstand, dass Glaubensübertrittsurkunden in Rechtskreis der Beklagten im Original ausgehändigt zu werden pflegen, nichts für eine Manipulationstäterschaft. Weder denkgesetzlich, noch aus Gründen der Lebenserfahrung hieß die regelmäßige Verabfolgung von Originalen, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - nicht von einer verzögerten Aushändigung nach Durchlaufen eines Jahreszyklus vertraut haben konnte. Ebendies ergab auch die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom 12. November 2009 (S. 2 der Mitteilung, Bl. 542 d.A.).

112

(ddd) Auch wenn der ehemalige Gemeinderabbiner im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei nicht bestätigte, die Kopien an das Klägerehepaar abgegeben zu haben - was der Kläger vorliegend indes behauptete -, verhieß das nicht aus sich heraus, dass wann wie und unter welchen Rahmenbedingungen gerade der Kläger Manipulationen vorgenommen haben sollte. Die Staatsanwaltschaft hatte - wie ausgeführt - hieraus immerhin keinen greifbaren Tatanhalt zu folgern vermocht.

113

(eee) Auch die Erwägungen zum vermeintlichen Motiv der Ansehensstärkung und Vorbereitung einer Vorstandskandidatur sind unergiebig, um einen Tatnachweis zu führen. Aus den schon zum Verdacht dargestellten Erwägungen spricht nichts dafür, dass der Kläger irgend einen Grund gehabt haben sollte, seine hohe Stellung innerhalb der Gemeinde aufs Spiel zu setzen.

114

(cc) Nicht konkret nachvollziehbar ist auch der Beklagtenvorhalt, der Kläger habe unechte Urkunden zu ihren Lasten verwendet.

115

(aaa) Die Beklagte trägt lediglich pauschal vor, der Kläger habe die - unstreitig manipulierten - Ablichtungen von (vermeintlichen) Glaubensübertrittsurkunden seiner Ehefrau und seines Sohn D ihr gegenüber verwendet. Wann indes, wem gegenüber und zu welchem Zweck dies geschehen sein mochte, ist an keiner Stelle konkret ausgeführt.

116

(bbb) Allein der Umstand, dass sich die manipulierten Papiere bei den Mitgliedsunterlagen der Beklagten befanden, lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, wer sie dorthin verbrachte. Die Beklagte lässt insofern jede lückenlose Schilderung vermissen, wer wann welche Dokumente zum Aktenbestand bezüglich der Klägerfamilie zwischen 2004 und 2009 eingebracht hatte. Faktischen Zugang und Zugriff zu den unverschlossenen Mitgliedsordnern besaßen neben dem Kläger all jene Personen, die in den oder die Aufbewahrungsräume gelangen konnten.

117

(ccc) Allein die - umgekehrt - negative Einlassung dazu, dass die weitere Verwaltungsmitarbeiterin T mit Glaubensübertritten und Mitgliedschaften bei der Beklagten nichts zu tun hatte, ergab keinen abschließend positiven Anhalt für irgendein konkretes Fehlverhalten des Klägers.

118

(ddd) Auch die Behauptung, der Kläger habe alle für die Vorstandsarbeit maßgeblichen vorbereitenden Arbeiten erledigt und namentlich Glaubensübertrittsurkunden von Bewerbern zu prüfen gehabt, hieß nicht, dass er dies im gerade auch im Hinblick auf die Unterlagen der eigenen Familie (wann, wie bezüglich der wann wie zu den Akten gelangten zweifelhaften Übertrittspapiere) getan haben sollte. Selbst wenn das Vorbringen, dass üblicherweise Kopien von Glaubensübertrittsurkunden gefertigt würden, zutreffend wäre, ließ sich nicht erkennen, dass wann der Kläger konkret welche Glaubensübertrittsurkunde welchen Mitglieds wo, wie abgelichtet hatte und deshalb zwingend in die Hand nahm. Da der Kläger im September 2003, als die Urkunden der Familie K ausgestellt und deren Mitgliedsanträge angebracht worden waren, noch gar nicht bei der Beklagten beschäftigt war, kommt namentlich dieser Fall nicht als Beleg in Betracht. Weiter ist bei den beklagtenseits zuletzt auf mehr als 15 Übertrittsurkunden im Bestand bezifferten Zahl nichts dafür ersichtlich, dass jenseits des Üblichen nicht auch Mitgliedsbewerber ihre Kopien schon selber mitbrachten. Hinsichtlich der vermeintlich zwingenden Prüfungs- und Kopierpflicht des Klägers fehlt zudem jede schlüssige Erklärung, warum im Beklagtenbestand nicht zu jedem Übertrittsfall Urkunden existieren.

119

(eee) Nachdem die Beklagte zuletzt anzweifelte, dass die Mitgliedschaftsanträge der Klägerehefrau wie des Sohnes D wegen Gestaltung des Formulars oder anderer Auffälligkeiten (wie der Farbe des Tintenstifts) zeitnah zum Datum ihrer (vermeintlichen) Ausstellung - 18. März 2004 bzw. 10. Oktober 2005 - eingereicht worden seien, blieb sodann unklar, wann bzw. ob überhaupt diese Anträge irgendeinen üblichen Weg bei der Beklagten jemals genommen haben mochten. Waren die Mitgliedschaftsanträge jedoch schon nicht auf üblichem Weg gestellt, konnte es auf die üblichen Prüfungsvorgänge insgesamt gar nicht weiter ankommen.

120

(fff) Soweit die Beklagte alternativ meinte, der Kläger habe die manipulierten Urkunden sehr wohl bei der an Mitgliedsantragstellung für seine Ehefrau und seinen Sohn D am 18. März 2004 bzw. der Mitgliedschaftsbeantragung für seinen Sohn D am 10. Oktober 2005 mit vorgelegt, fehlten hierzu nähere Angaben, dass und wem gegenüber bei Antragstellung gerade auch die zweifelhaften Papiere vom Kläger vorgelegt worden sein sollten. Es fehlte zudem jeder Beweisantritt. Der Kläger seinerseits hatte sich zuletzt die Aussage der Zeugin A. zu eigen gemacht, die vor der Kammer bekundet hatte, dass bei Antragstellung für die Ehefrau wie den erstgeborenen Sohn die Übertrittsunterlagen bereits vorgelegen hätten. Unabhängig davon, ob und aus welchen Gründen diese Einlassungen glaubhaft oder nicht glaubhaft sein sollten, lag es an der Beklagten, wenn sie das vorgebrachte nicht gegen sich gelten lassen wollte, hierzu konkreten Gegenvortrag zu halten(§ 138 Abs. 2 ZPO) - woran es indes fehlte. Der ergänzte Einwand, der Kläger müsse auch die stellvertretende Vorstandsvorsitzende getäuscht haben, war wiederum ohne greifbaren Gehalt - und konnte - entgegen der Beklagtenansicht - erst recht keinen eigenständigen Kündigungsvorwurf tragen.

121

(ggg) Unsubstantiiert blieb das Beklagtenvorbringen auch unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Unterlassens. Die Beklagte meinte zwar, der Kläger habe sie zumindest auf eine Unechtheit der manipulierten Urkunden hinzuweisen und den Sachverhalt weiter aufzuklären gehabt. Sie führte jedoch nicht im Einzelnen auf, wann der Kläger welche positive Kenntnis der von ihr selbst immerhin auch erst zur Jahreswende 2008 / 2009 erkannten Unechtheit der Glaubensübertrittsurkunden hätte haben sollen. Spätestens aufgrund des Klägervorbringens, ihm habe sich Problematik der Echtheit der ausgehändigten Kopien erst bei Eröffnung der Beklagtenzweifel im März 2009 gestellt, wären nähere Ausführungen der Beklagten geboten gewesen. Allein der unsubstantiierte Vorhalt, der Kläger habe die Unechtheit der Papiere geradezu gekannt, war dazu ungenügend. Dies musste auch der Beklagten bewusst sein, nachdem ihr die Staatsanwaltschaft mit Einstellungsmitteilung vom 12. November 2009 mitgeteilt hatte, es sei nicht nachweisbar, dass der Kläger gewusst habe, es gebe von den Ablichtungen keine Originale (S. 2 der Mitteilung, Bl. 542 d.A.).

122

(4) Ein wichtiger Kündigungsgrund folgt auch nicht aus der Unterzeichnung des Mitgliedsantrags der Ehefrau durch den Kläger mit dem auf dem Antrag verabfolgten Namenszug.

123

(a) Wie ausgeführt können Urkundsdelikte zulasten des Arbeitgebers das wechselseitige Vertrauensverhältnis nachhaltig und durchgreifend i.S. eines an sich wichtigen Kündigungsgrundes erschüttern (s.o.). Urkundenfälschungen i.S. des Herstellens einer unechten Urkunde setzen das Hervorbringen einer Urkunde voraus, die den unrichtigen Anschein erweckt, sie stammten von dem aus ihr erkennbaren Aussteller her. Bei dem Gebrauch eines fremden Namens gilt allerdings, dass ein Unterschreibender, der den eigentlichen Namensträger willens und befugt vertritt, eine unechte Urkunde nur dann erzeugt, wenn Eigenhändigkeit rechtlich vorgeschrieben ist oder im Rechtsverkehr erwartet wird. Bei bloßen Namenstäuschungen (durch Verwendung eines fremden Namens oder Pseudonyms) liegt zudem keine Fälschung vor, wenn beim Adressaten kein Zweifel über den Aussteller auftreten kann oder die Wahrheit der Namensangabe nach der Interessenlage aller Beteiligten ohne jede Bedeutung ist (Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 267 Rn. 17 f.).

124

(b) Nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen beider Seiten kann die Kündigung nicht mehr mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung als gerechtfertigt angesehen werden, der Kläger habe eine falsche, weil vermeintlich eine höchstpersönlich durch seine Ehefrau erteilte Urkunde ausgestellt.

125

(aa) Das Bundesarbeitsgericht hat den Klägereinwand für beachtlich und entscheidungserheblich gehalten, er habe den Antrag in Übereinstimmung mit der Beklagten wie auch seiner Ehefrau ausgefüllt und mit dem verabfolgten Schriftzug unterzeichnet, und deswegen das erstmalige Berufungsurteil vom 25. März 2011 - 6 Sa 490/10 - aufgehoben. Die Kammer ist gemäß § 563 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 72 Abs. 5 ArbGG an die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt gebunden. Sie muss deshalb die im ursprünglichen Urteil vom 25. März 2011 in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht vertretene Ansicht, der Mitgliedschaftsantrag enthalte eine nur höchstpersönlich abgebbare und vorliegend unzulässig fremd abgegebene urkundliche Erklärung aufgeben. Sie ist stattdessen an die revisionsgerichtlichen Sichtweise gebunden, die voraussetzt, dass entweder keine Höchstpersönlichkeit für die Antragstellung zu verlangen ist (hierfür mag auch sprechen, dass vereinsrechtlich generell formfrei beigetreten werden kann [Palandt/ Ellenberger BGB 70. Aufl. § 38 Rn. 4], die Satzung der Beklagten in Ausfüllung des § 58 Nr. 1 BGB keinerlei Formvorschriften für Mitgliedschaftsanträge enthält [vgl. 3 Abs. 3 der Satzung „auf Antrag“] und der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus nach Art. 140 GG i.V.m. § 137 Abs 5 WRV - entgegen der Beklagtenansicht - kein generelles Recht zur Eidesabnahme und damit auch nicht zur - ohnehin vorliegend nicht die Unter-Schrift erfassenden - formulargemäßen Versicherbarkeit von Aufnahmeantragsinhalten an Eides statt verleiht [vgl. Jarass in Jarass/Pieroth GG 10. Aufl. Art. 140 Rn. 17 zu Art. 137 WRV]) und die Zeichnung mit Paraphe oder Pseudonym in fremder Antragstellung unbedenklich ist, oder zumindest kündigungsrechtlich etwaige Voraussetzungen verzichtbar waren und aufgrund Telefonats zwischen der stellvertretenden Vorsitzenden und der Klägerehefrau auch konkret aufgehoben werden konnten. Zumindest eine dieser beiden Sichtweisen war notwendig, um die revisionsgerichtliche Aufhebung zu erklären.

126

(bb) Die Beklagte - deren Sache es als für das Vorliegen des Kündigungsgrundes einschließlich fehlender Rechtfertigungsgründe darlegungs- und beweispflichtiger Partei war (BAG 12.3.2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 30, NZA 2009, 779; u.a.) - hat nach Aufhebung des ursprünglichen Berufungsurteils durch das Revisionsgericht keine konkreten Umstände dargetan, die eine Antragstellung des Klägers für seine Ehefrau in der erfolgten Form als - weiterhin - pflichtwidrig erkennen ließen.

127

(aaa) Den vom Kläger durch Aufnahme des Ergebnisses der Beweisaufnahme insgesamt gehaltenen Vortrag, der Vorstand der Beklagten sei bei Antragstellung darüber in Kenntnis gewesen, dass nicht die Antragstellerin persönlich, sondern er - stellvertretend für seine Ehefrau - den Antrag gezeichnet habe, hat die Beklagte weder substantiiert widerlegt, noch hiergegen Beweis angeboten. Wie glaubwürdig oder unglaubwürdig die vernommene Zeugin A. auch immer gewesen sein mochte, hatte sich der Kläger deren präzise Ausführungen zu Ort, Zeit und Umständen (S. 3-6 der Niederschrift vom 13. Januar 2012, Bl. 466-469 d.A.) zu eigen gemacht. Hiernach war am 18. März 2004 Einverständnis zwischen einer Repräsentantin des Beklagtenvorstands (die stellvertretende Vorsitzende dürfte gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3, § 16 Nr. 3, § 21 Nr. 3 der Beklagtensatzung in Verhinderungsfällen über laufende Geschäfte der Verwaltung sogar abschließend befunden haben können), der Mitgliedschaftsbewerberin und dem vertretend handelnden Kläger über die konkrete Art und Verabfolgung der Antragstellung erzielt worden.

128

(bbb) Es oblag nunmehr der Beklagten konkret zu erläutern und entsprechenden Vollbeweis zu führen, dass und warum sich die Dinge anders verhielten bzw. die Art der Antragstellung gleichwohl noch grob pflichtwidrig sein sollte. Die Beklagte hat hierfür jedoch keine ausreichenden Umstände vorgebracht.

129

(aaaa) Die Behauptung, dass ein Antragsformular wie unter dem für den 18. März 2004 ausgestellten bei der Beklagten nicht vor dem Jahr 2006 gebräuchlich gewesen sei, wie sich etwa aus den Anträgen V, M, P bzw. P, K, B, K, K und G aufgrund der fehlenden Telefonnummernangabe in der Fußzeile ergebe, ist für sich kein durchgreifendes Pflichtwidrigkeitsindiz. Solange sich die Beklagte auf die unter dem 18. März 2004 datierten Anträge der Klägerfamilie stützt, ohne näher darlegen zu können, dass wann und wie anders als vom Kläger behauptet sie bei ihr eingingen, muss sie sich (prozessual) auch an diese als bei ihr eingegangene Anträge messen lassen (§ 138 Abs. 1-3 ZPO). Mithin gab es bei ihr zumindest in Gestalt der Anträge der Klägerfamilie Anträge auch in ausnahmsweise anderer Form.

130

(bbbb) Wenn die Beklagte weiter meint, die Anträge müssten manipuliert sein, weil nur auf dem persönlich passwortgeschützten Rechner von Frau T derartige Textdokumente abgelegt seien, die jedoch keine Telefonnummernangabe im Textfuß enthielten, steht das einerseits im unauflöslichen Widerspruch mit der Beklagteneinlassung, Frau T habe mit Glaubensübertritten und Mitgliedschaftsanträgen überhaupt nichts zu tun - und ist schon deshalb wenig glaubwürdig (§ 286 Abs. 1 ZPO). Darüber hinaus liegt in dem Einwand auch darum kein überzeugender Zweifelsgrund, weil es sich bei dem Formular - vom unbestritten vorgebracht - nur um ein einfaches Textdokument handelte, das schon nach allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend der Klägerbehauptung unschwer auch auf einem anderen PC der Beklagten und zwar sowohl 2004 als auch 2005 bei Anbringung der familiären Anträge neu- oder nacherstellt worden sein kann. Das Fehlen von gespeicherten Dokumenten widerlegt das nicht, sondern heißt nur dass keine weitere Speicherungen erfolgten.

131

(cccc) Ebenso wenig durchgreifend ist auch der zusätzliche Einwand der behaupteten Gleichheit verwendeter Tinte bzw. Tintenstifte. Da die Beklagte keine Einzelheiten zu Farbe, Dicke, Dichte oder sonstigen Auffälligkeiten vorbrachte und auch weder Originale noch Farbablichtungen zugänglich machte, konnte dem Hinweis (einschließlich angebotenem Sachverständigenbeweis) nicht weiter nachgegangen werden. Zudem ist schon der allgemeinen Lebenserfahrung nach keineswegs ungewöhnlich oder gar ausgeschlossen, dass qualitativ hochwertige Füller oder Tintenschreiber über mehrere Jahre verwendet werden und bei sparsamem Gebrauch sogar aus derselben Tintenquelle zu speisen sind. Warum deshalb eine nach Jahren gleich aussehende Farb- oder Liniengebung irgendetwas besonders Ungewöhnliches sein sollte, erschließt sich nicht.

132

(dddd) Soweit die Beklagte meinte, der Kläger müsse sich eine Täuschungshandlung gegenüber der Vorstandsvorsitzenden vorhalten lassen, war dies - wie dargelegt - mangels Substanz kein nachvollziehbarer Einwand. Fehl ging auch die Beklagtenansicht, wenn die Ausführungen der Zeugin A. für zutreffend erachtet würden, wäre zumindest gegen beklagteninterne Vorschriften verstoßen. Denn wenn die revisionsgerichtliche Aufhebung für die Kammer bindend gerade ein - wie vom Kläger behauptetes und von der Zeugin beschriebenes - Vorgehen für kündigungsrechtlich entlastend erachtete, betraf diese denknotwendig sämtliche zur Zeit der revisionsgerichtlichen Entscheidung bereits maßgeblichen - externen wie internen - Regelungen. Über sie konnte die Kammer mithin nicht erneut befinden. Zudem hat die Beklagte auch nicht weiter dargelegt, auf welchen internen Regelverstoß sie den wichtigen Kündigungsgrund konkret stützen wolle.

133

(5) Dem Kläger kann auch keine schuldhaft pflichtwidrige Mitwirkung an einer unberechtigten Mitgliedschaft der Ehefrau oder der beiden Söhne vorgehalten werden.

134

(a) Ein an sich wichtiger Kündigungsgrund kann auch im Verstoß kirchlicher Mitarbeiter gegen Loyalitätsbindungen der Religionsgemeinschaft bestehen. Die Kirchen sind grundsätzlich berechtigt, verbindlich festzulegen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert, d.h. was spezifisch kirchliche Aufgaben sind, von welchen Arbeitnehmern sie wahrgenommen werden, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre sind und wie schwer ein Verstoß dagegen ist. Da die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen dürfen, bedarf es einer konkreten Interessenabwägung, in die auch die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 4 Abs. 1 GG einzubeziehen ist (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 112).

135

(b) Es bedarf im vorliegenden Fall keiner generellen Entscheidung, ob die Mitwirkung von Beschäftigten religiöser Körperschaften an satzungs- oder anderweitig regelwerkswidrigen Aufnahmen Zutrittswilliger regelmäßig die außerordentliche Kündigung trägt. Zumindest soweit dem Kläger die Mitwirkung an einer satzungswidrigen Aufnahme der Ehefrau wie auch der Kinder vorgeworfen wird, ist dieser Vorwurf vorliegend nicht tragfähig.

136

(aa) Die Beklagte führt nicht weiter aus, seit wann sie die Familienangehörigen des Klägers als Mitglieder ansieht. Sie stellt stattdessen namentlich für die Ehefrau deren ordnungsgemäße Teilhabe am Gemeindeleben in Frage, zweifelt die Aufnahme zum April 2004 nebst Bestätigungsschreiben ihres seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden an, hält die späteren Geburtstagsglückwünsche für wenig aussagekräftig zum Mitgliederstatus und liefert auch weiter weder für die Ehefrau noch die für Kinder nennenswert positive Anhaltspunkte für eine tatsächliche Mitgliedschaft. Zulasten des Klägers kann dem Beklagtenvortrag deshalb kein Erfolg eines „Erschleichens der Mitgliedschaft“ entnommen werden.

137

(bb) Als Versuch wäre das Vorgehen des Klägers davon abhängig, dass er einen Verstoß gegen die Beklagtenregeln erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Auch hierfür ergibt das Beklagtenvorbringen indes keine hinreichend objektiven Anhaltspunkte.

138

(aaa) Da die Familienangehörigen des Klägers die in § 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung genannten Voraussetzungen („Mitglieder der jüdischen Gemeinde M können nur Personen sein, die ihren ständigen Wohnsitz und ihre Hauptwohnung in dem in § 2 genannten Bezirk haben, jüdischen Glaubens sind und sich hierzu bekennen“) aufgrund der nach § 3 Abs. 2 weiter gegebenen Definition, zur jüdischen Glaubensgemeinschaft gehöre nur, wer (a) von Geburt der jüdischen Religion angehöre - was unstreitig über den Status der Mutter bestimmt wird - oder (b) in das Judentum aufgenommen sei, nur bei Glaubenszugehörigkeit der Klägerehefrau erreichen konnten, hing die vermeintliche Pflichtwidrigkeit des Klägerverhaltens davon ab, ob er bei Vornahme der Mitwirkungshandlungen - namentlich bei Ausfertigung des Mitgliedsantrags am 18. März 2004 - von der fehlenden Aufnahme wusste. Hiervon ist indes nicht auszugehen.

139

(aaaa) Zwischen den Parteien ist zwar streitig, unter welchen Voraussetzungen eine Aufnahme ins Judentum geschieht. Die Beklagte meint insofern, es bedürfe eines zwingenden Rabbinatsgerichtsbeschlusses und benennt hierfür (bezüglich der - an sich allerdings nicht streitigen - Aushändigung von Originalübertrittsurkunden, Schriftsatz vom 12. Mai 2009 S. 3, Bl. 69 d.A.) den Landesrabbiner Dr. R als Zeugen. Sie stellt jedoch weder den Status der vom Kläger angeführte Schriftquelle des Rabbiners J K in Abrede, noch führt sie ihrerseits Quellen an, die eine verbindliche Regel näher ausweisen.

140

(bbbb) Auch die Darlegung der Beklagten als wahr unterstellt, ergibt zur subjektiven Kenntnis des Klägers nichts Entscheidendes.

141

(cccc) Die Kammer kann beispielsweise unter Heranziehung der vom benannten Zeugen Dr. W R publizierten Abhandlung „99 Fragen zum Judentum“ - Stichwort „Wie kann man zum Judentum konvertieren?“ (3. Aufl., S. 74 f.) - nicht annehmen, dass dem Kläger mögliche Verstöße gegen Übertrittsregeln bewusst gewesen sein mussten. In dieser Abhandlung wird (zusammengefasst) ausgeführt, dass die „Bewirkung“ eines Übertritts durch einen „Gerichtshof“ erfolgen „soll“, der erste Schritt jedoch stets über den Kontakt mit dem örtlichen Rabbiner und entsprechend dessen Regeln zu geschehen hat. Wen nun der Kläger behauptet, auf die Richtigkeit des von ihm behaupteten seinerzeitigen Vorgehens eben deshalb vertraut zu haben, weil die Vorbereitung und Durchführung des Übertritts durch den seinerzeitigen Gemeinderabbiner beachtet gewesen sei, der unterwiesen habe, beim Tauchbad anwesend gewesen sei und die Aushändigung der Urkundskopie(n) verabfolgt habe, trägt das eben genau den publizierten Notwendigkeiten Rechnung. Wäre es so geschehen, wie vom Kläger behauptet, wäre zudem wesentlich auch den von Beklagtenseite für Wesentlich erachteten Voraussetzungen genügt worden.

142

(dddd) Die Beklagte konnte hierauf wegen der in ihrem Wirkungskreis liegenden Geschehnisse und angesichts der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht mit bloßem Bestreiten (sei es pauschal oder mit Nichtwissen) reagieren (§ 138 Abs. 1, 2, 4 ZPO). Auch die Einreichung einer Kopie des polizeilichen Vernehmungsprotokolls mit dem ehemaligen Gemeinderabbiner in Auszug, worin dieser ausführt: „Ich lese Bl. 49 dA oben. Diese Aussage ist nicht richtig. Es gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich, ich komme damit überhaupt nicht in Berührung.“ (Anlage B 42 in Anlageordner), widerlegt den Klägereinwand nicht vollständig und beweiskräftig. Die Einlassung bezog sich konkret offensichtlich nur auf die polizeiliche Fragestellung („Bl. 49 dA“) und konnte deshalb den vorliegenden Zusammenhang nicht abschließend klären. Zudem ließ sie dem Kläger keine Möglichkeit die aus seiner Sicht nötigen Fragen zu stellen und zur ergänzenden Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Da selbst bei urkundlicher Einbeziehung der Strafakte der Beweiswert des polizeilichen Vernehmungsergebnisses im konkreten Fall als unbedeutend gering hätte zurücktreten können (zum zurücktretenden urkundlichen- hinter Zeugenbeweiswert etwa BGH 13.6.1995 - VI ZR 233/94 - zu II 2 a der Gründe, NJW 1995, 2856), war die Einreichung der polizeilichen Einlassung in Kopie insgesamt unzureichend, um zur Überzeugungsbildung der Kammer beizutragen, der Kläger habe von der Fehlerhaftigkeit des Aufnahmegeschehens für seine Ehefrau gewusst.

143

(bbb) Die Beklagte kann eine Pflichtwidrigkeit des Klägers auch nicht auf die chronologische Folge oder die Eintragungen in den ausgefertigten Dokumenten stützen. Da der Kläger in die Mitgliedsanträge vom 18. März 2004 die jüdischen Namen von Ehefrau und des erstgeborenen Sohns mit eintrug („T“ bzw. „L A“; Bl. 98 f.), von denen der Zweitgenannte schon auf dem Glaubensübertrittsantrag vom 9. / 13. März 2004 verzeichnet war (Anlage B 46 in Ablageordner) - und zwar den nach nicht substantiiert bestrittenem Klägervorbringen durch den Landesrabbiner Dr. R (die Beklagte meint nur, der Kläger habe die Gründe und das Datum im Antrag niedergelegt, was dem nicht entgegen steht, ebenso wenig, dass der Landesrabbiner die Gegenzeichnung erst auf den 13. März datierte, was diverse nachvollziehbare Gründe vom Datumsversehen bis zur nachträglichen Prüfung haben kann) -, muss dem Kläger zugutegehalten werden, dass ihm schon an jenem Tag und damit vor dem Datum auf der manipulierten Übertrittsurkunde (24. März 2004) die Aufnahme seiner Ehefrau ins Judentum bekannt war. Anders hätte die Verleihung der Namen keinen Sinn ergeben. Soweit die Beklagte pauschal in Zweifel zog, dass die Klägerehefrau den Übertrittsantrag selbst unterzeichnet hatte, ging das - ohne irgendwie aufgezeigten Anhalt - ins Leere, zumal der Unterschriftszug im Antrag augenscheinlich dem im Personalausweis der Klägerehefrau enthaltenen (Ablichtung in Anlage K 7, Bl. 460) entsprach. Gleiches galt auch im Hinblick auf die unterschiedlich genannten Adressen in den Anträgen vom 9./13. März und 18. März 2004. Wenn der Kläger bei den eigenen Erklärungen vom 18. März 2004 nur die verdeckende Postanschrift (B-Straße) eintrug, machte das im Hinblick auf seine nicht substantiiert widerlegte Lebenssituation ebenso Sinn wie der Eintrag der Familienwohnung (B-Straße ) in dem von seiner Ehefrau am 9. März 2004 gezeichneten Ersuchen, für die die besonderen Umstände nicht vorlagen.

144

(ccc) Der Beklagten war zudem auch entgegenzuhalten, dass selbst der Rabbiner G für den Nachvollzug der Glaubenszugehörigkeit der Klägerehefrau vor Durchführung der Beschneidung des zweitgeborenen Sohnes die bloße Rücksprache mit dem ehemaligen Gemeinderabbiner sowie dem weiteren Rabbiner ausreichen ließ. Warum der Kläger vor Einreichung des Mitgliedsantrags zusätzliche Untersuchungen hätte anstellen sollen, als auf das zu vertrauen was ihm unter Begleitung des Rabbiners als zutreffend erschien, erschließt sich vor dem Hintergrund derartig gebräuchlicher Rückversicherungswege nicht weiter.

145

(cc) Die Beklagte muss sich im Rahmen einer Abwägung ferner daran messen lassen, dass sie den vom Kläger eingereichten Antrag weder durch ihre stellvertretende Vorsitzende, noch durch den nach ihrer Ansicht für die Aufnahme zuständigen Vorstand beanstandete. Ihr ist weiter auch der Fall G/ R entgegen zu halten, den sie selbst ins Verfahren einbringt, und in dem auch eine Aufnahme trotz erst später ausgestellter Glaubensübertrittsurkunde zu nicht weiter bemakelter Mitgliedschaft führte. Sie hat weiter auch die Sondersituation einer Vielzahl von Aufnahmen im März/ April 2004 gegen sich gelten zu lassen, bei dem schon mangels Veranlassung nicht allein der Kläger für Aufnahmefehler infolge zeitlich gestraffter Prozesse gemacht werden konnten. Zudem war nach mehrjährigen zeitlichen Abstand nicht weiter ersichtlich, dass und wie das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund seinerzeit gehandhabten Prüfungs-, Aufnahme- und Beschlusswege noch fortwirkend belastet war.

146

(c) Dem Kläger war schließlich auch keine Pflichtwidrigkeit bei alleiniger Antragstellung der Mitgliedschaft für seine beiden Söhne zu unterstellen. Die Beklagte hat hierzu zwar - sinngemäß - gemeint, ihre interne Regelungslage sei zum Zeitpunkt der Aufnahmeanträge der Söhne so gewesen, dass beide Elternteile den Antrag hätten stellen müssen. Unabhängig davon, dass die Beklagte zuletzt sogar offen ließ, wie und wann sie die Mitgliedsanträge erreicht haben sollten, fehlte ihrem Vorbringen schon der substantielle Gehalt für eine vermeintlich seinerzeit bestehende Regelungslage. Da der Vorstandsbeschluss bei der Beklagten vom 15. Dezember 2005 für die Vergangenheit keine Erläuterungen enthielt und auch für die zukünftige Handhabe nicht zweifelsfrei war, konnte hieraus nichts weiter abgeleitet werden. Die Beklagteneinlassung zum Fall V-D G betrifft nur einen erst 2007 eingetretenen Aufnahmefall und ist für die Bestimmungslage 2004/ 05 nicht weiter ergiebig. Es hätte der beklagtenseits der substantiierten Schilderung zum konkreten Antragsgeschehen bedurft, namentlich dazu seit wann aufgrund welcher Satzungs- oder Beschlusslage welche Arten der Antragsstellung notwendig waren und dass, wann, welche Anträge bei ihr seinerzeit nur derart vollzogen wurden, wie sie behauptete. Da der Kläger seinerseits auf ein Aufnahmeschreiben des seinerzeitigen Rabbiners für den zweitgeboren Sohn erhielt und die Beklagte zudem den symbolischen Akt des Aushändigens einer (angedeuteten) Windel vornahm, lässt sich zudem nicht erkennen, dass - selbst bei unterstellt fehlerhafter Antragsweise - wann wer welchen Anstoß an der im Klägerfall allein von einem Elternteil erfolgten Antragstellung nahm und inwieweit dies das Arbeitsverhältnis dauerhaft belastete. Zudem bleibt unklar, dass und aus welchen Gründen der Kläger die vermeintlich nicht beachtete Regel hätte kennen müssen. Dies galt namentlich auch im Hinblick auf die in Gegenwart der Frau A. als stellvertretender Vorsitzenden für den 18. März 2004 klägerseits behauptete Antragsausfertigung, an der diese trotz nur einseitigen Antrags keinerlei Anstoß nahm.

147

(6) Die von Beklagtenseite weiter thematisierte (vermeintliche) Unregelmäßigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem Aufnahmegeschehen der Frau G / R, ergab schon an sich keinen Anhalt für einen wichtigen Kündigungsgrund. Aus dem Beklagtenvorbringen - der Kläger habe pflichtwidrig das Schreiben vom 31. März 2004 veranlasst - ging keine konkrete Klägerhandlung hervor, die nach Ort, Zeit, Adressat und sonstigen Umständen hätte bewertet werden können. Das Schreiben war auch nach Beklagtenbehauptung von ihrem seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden unterzeichnet. Konkrete Manipulationen am Schriftstück selbst waren nicht weiter vorgebracht. Die vermeintlichen Auffälligkeiten hinsichtlich der Fußzeile hatte der Kläger plausibel unter Hinweis auf die gebräuchlichen Briefköpfe und Fußzeilen erläutert. Welche konkrete Pflicht oder Weisung der Kläger im Vorfeld der Erstellung ignoriert oder verkannt haben sollte, erschließt sich gerade auch vor dem Hintergrund des Gesamtgeschehens nicht, dass im März/ April die Vielzahl von Neuaufnahmen geschah. Zudem hätte, wenn es sich tatsächlich um etwaige Pflichtwidrigkeiten gehandelt haben sollte, der Vorfall im Wege der Abmahnung geahndet werden können und müssen. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10.6.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, NZA 2010, 1227). Eine besondere Belastungen der Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil die aufgenommene Frau G/ R unstreitig und ohne Dazutun des Klägers auch in die Mitgliederliste vom 16. April 2004 einging (Anlage B 38 zur Anlagenakte), d.h. deren Zugehörigkeit auch von anderer Seite bei der Beklagten Bestätigung erfuhr.

148

(7) Soweit die Beklagte dem Kläger schließlich die Nichtprüfung der Echtheit der Glaubensübertrittspapiere der eigenen Familie vorhält, ist auch das kein an sich wichtiger Kündigungsgrund. Selbst bei unterstellter Zuständigkeit des Klägers für diese Tätigkeiten und weiter unterstelltem Erhalt der an sich nur die Ehefrau und den erstgeborenen Sohn betreffenden Papiere in dienstlichem Zusammenhang - wofür indes näherer Anhalt seitens der Beklagten gänzlich fehlen, dass wann in welchem Zusammenhang der Kläger in dienstlichem Zusammenhang mit der Prüfung der Papiere konfrontiert gewesen sein mochte - wäre aus den vorgenannten Gründen im Abmahnungsweg angemessen und ausreichend auf das Versäumnis zu reagieren gewesen. Dasselbe gilt hinsichtlich einer vermeintlich unterlassenen Aufklärung des Geschehens. Es besteht kein Anhalt, dass der Kläger auf eine entsprechende Rüge hin nicht sämtliche Übertrittspapiere ordnungsgemäß untersucht und ggf. beanstandet und zur weiteren Veranlassung dem Vorstand gegenüber angezeigt hätte.

149

(8) Da schon die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind, kommt es auf eine Befassung mit dem beiderseitigen Vorbringen zur Wahrung oder Nichtwahrung der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht weiter an.

150

b) Auch die gegen die außerordentlich fristlose Kündigung vom 14. April 2009 gerichtete Kündigungsschutzklage ist begründet. Die Kündigung ist mangels wichtigen Kündigungsgrundes ebenfalls rechtsunwirksam (§ 626 Abs. 1 BGB). Die sachliche Rechtfertigung ist auf die Klageerhebung vom 22. April 2004 zu prüfen (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 7, § 4 Satz 1 KSchG). Da die der (Tat-)Kündigung zugrunde gelegten Rechtfertigungsumstände schon zur Rechtfertigung der vorausgesprochenen fristlosen Kündigung vom 26. März 2009 nachgeschoben und zugrunde gelegt werden konnten, aus denen jedoch kein an sich wichtiger Kündigungsgrund folgt, kann auf die hierzu ausgeführte Begründung Bezug genommen werden. Ergänzende Begründungsumstände führt die Beklagte für die Kündigung vom 14. April 2009 nicht an.

151

c) Unbegründet ist die Klage indes, soweit der Kläger sich gegen die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 26. März 2009 wendet. Über diese Kündigung ist nach Erfüllung der zulässig gestellten Rechtsbedingung, die ausgesprochene außerordentlich fristlose Kündigung sei unwirksam, zu befinden.

152

aa) Auf die Ausführungen zur hinreichenden Schriftform und zur Wahrung der Klageerhebungsfrist nach § 7 und § 4 Satz 1 KSchG kann Bezug genommen werden.

153

bb) Entgegen der Klägeransicht findet das Kündigungsschutzgesetz auch unter Heranziehung der Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs keine betriebliche Anwendung. Auf die Frage, ob und mit welcher Wirkung der Kläger die Nichtanwendung ggf. i.S.d. § 288 Abs. 1 ZPO im arbeitsgerichtlichen zugestanden haben könnte, kommt es deshalb nicht weiter an.

154

(1) Das Kündigungsschutzgesetz findet nach § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG seit dem 1. Januar 2004 keine Anwendung, wenn im Betrieb der Arbeitgeberin zum Kündigungszugangszeitpunkt weder mehr als zehn regelmäßige Arbeitnehmer noch (einschließlich des Gekündigten) mehr als fünf „Alt-Arbeitnehmer“, die vor dem 1. Januar 2004 bereits beschäftigt waren, vorhanden sind. Ersatzeinstellungen für ausscheidende „Alt-Arbeitnehmer“ reichen zur Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht aus (BAG 27.11.2008 - 2 AZR 790/07 - Rn. 14, NZA 2009, 484; 21.9.2006 - 2 AZR 840/05 - Rn. 12 ff., NZA 2007, 438). Für das Vorliegen dieser betrieblichen Geltungsvoraussetzungen nach § 23 Abs. 1 KSChG obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast, ohne dass an deren Erfüllung zu hohen Anforderungen gestellt werden. Vom Arbeitnehmer dürfen keine Darlegungen verlangt werden, die er mangels eigener Kenntnismöglichkeit nicht erbringen kann. Dies gilt umso mehr, als der Arbeitgeber aufgrund seiner Sachnähe ohne Weiteres substantiierte Angaben zum Umfang und zur Struktur der Mitarbeiterschaft und ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beizutragen vermag. Der Arbeitnehmer genügt deshalb regelmäßig seiner Darlegungslast, wenn er - entsprechend seiner Kenntnismöglichkeiten - die für eine entsprechende Arbeitnehmerzahl sprechenden Tatsachen und die ihm bekannten äußeren Umstände schlüssig darlegt. Der Arbeitgeber muss dann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Darlegungen des Arbeitnehmers sprechen (BAG 23.10.2008 - 2 AZR 131/07 - Rn. 29 f., AP KSchG 1969 § 23 Nr. 43).

155

(2) Auch unter diesen Voraussetzungen ergibt aus dem Klägervorbringen keine Beschäftigtenzahl von mehr als 5,0 Alt-Arbeitnehmern bzw. regelmäßig mehr als 6,5 Arbeitnehmern insgesamt.

156

(a) Unstreitig sind Alt-Arbeitnehmer der Beklagten neben dem Kläger selbst Frau S und Frau T mit jeweils 1,0 Beschäftigungsanteil.

157

(b) Nicht substantiierte bestritten hat die Beklagte weiter die durchgehend angemeldete Beschäftigung von Frau M als Übersetzerin mit einer Wochenarbeitszeit von weniger als 20 Stunden und einem Monatsentgelt von 150,- EUR. Diese Beschäftigung zählt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG mit einem Anteil 0,5.

158

(c) Nicht weiter bestritten war auch die in Teilzeit gegen 5,- EUR Stundenlohn bzw. wöchentlich durchschnittlich 30,- EUR, d.h. regelmäßig sechs Stunden umfassende Arbeit von Herrn G als Sicherheitskraft vor der Synagoge für die gesamte Zeit zwischen 2003 und 2009. Auch hieraus fallen 0,5 Stellen an.

159

(d) Zugunsten des Klägers konnte auch ein von Frau M während der Beschäftigungszeit des Klägers ausgeübtes Arbeitsverhältnis gegen zumindest 50,- EUR monatlich für das Öffnen der Synagoge unterstellt werden. In der beigezogenen Akte des Arbeitsgerichts Mainz (-8 Ca 702/08 -) wird im Urteil vom 6. Februar 2009 (S. 42) ausgeführt, dass Frau M zu festen Arbeitszeiten unter Anmeldung gegenüber der Bundesknappschaft und damit im Arbeitnehmerstatus beschäftigt gewesen sei. Dieses Urteil hat sich der Kläger ausdrücklich zu eigen gemacht. Der Einwand der Beklagten, es handle sich lediglich um einen „Liebesdienst“, widerlegte diese arbeitsgerichtliche Würdigung nicht weiter. Auch war aus dem Umstand, dass Frau M zuletzt krankheitsbedingt keinen Dienst versehen hatte, keine formwirksame Beendigung deren Arbeitsverhältnisses zu folgern. Die Beschäftigung fällt mangels weitergehender Klägerdarstellung allerdings mit nicht mehr als 0,5 an.

160

(e) Aus denselben Gründen mochte auch für Frau L von einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft der W Räumlichkeiten gegen 40,- EUR monatlich ausgegangen werden, die nach Behauptung des Klägers vor 2004 begonnen haben sollte (was die Beklagte indes bestritt). Einen Arbeitnehmerstatus unterstellt fallen damit weitere 0,5 Stellen an.

161

(f) Nachdem für die Bibliothekskraft Frau B wie auch, Frau G, die die Synagoge in W betreut, zuletzt klägerseits Einstellungstermine nach dem 31. Dezember 2003 unstreitig gestellt worden waren (Schriftsatz vom 20. August 2012 S. 7, Bl. 620 d.A.), konnten deren vom Kläger mit 0,5 bzw. 1,0 behauptete Beschäftigungsanteile nur noch zum Umfang der Neu-Arbeitsverhältnisse gezählt werden.

162

(g) Entgegen der Klägereinschätzung sind Herr L, Herr R und Herr S nicht als Arbeitnehmer der Beklagten anzusehen.

163

(aa) Arbeitnehmer ist nur, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Weisungsabhängigkeit ist dabei in zeitlicher Hinsicht gegeben, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen, ihm also Arbeitszeit letztlich „zugewiesen“ wird (BAG 15.2.2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 13,17, NZA 2012, 731). Dabei sind Arbeitsverhältnisse auf Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung gerichtete Dauerschuldverhältnisse (BAG 26.9.2002 - 5 AZB 19/01 - zu B II 1 der Gründe, NZA 2002, 1412). Deren Arbeitgeber ist, wer Gläubiger des Anspruchs auf Arbeitsleistung und Schuldner des Entgelts ist (BAG 8.4.1992 - 7 ABR 56/91 - zu B II 3 a der Gründe, NZA 1993, 415).

164

(bb) Vorliegend hat der Kläger für die drei zu Begräbnissen tätig gewordenen Personen kein kontinuierliches Arbeitsverhältnis dargetan.

165

(aaa) Unabhängig von der Abwicklung über den Verein der sog. Beerdigungsbruderschaft wäre notwendige Voraussetzung eines fortlaufenden Arbeitsverhältnisses, dass sich die Beschäftigten vertraglich entsprechend zur Leistung von Diensten verpflichtet hätten. Nur wenn dauerhafte Dienste zusagt sind, ist ein Arbeitgeber auch berechtigt, durch Ausübung durch Vollzug seines Leistungsbestimmungsrechts deren Vollzug zu verlangen (BAG 16.5.2012 - 5 AZR 268/11 - Rn. 17 f., juris). Vorliegend hat der Kläger, der als Verwaltungsdirektor die innerbetrieblichen Geschehnisse bei der Beklagten aus eigener Abwicklung kennen musste, lediglich dargelegt, dass die Beschäftigten zwischen 2003 und 2009 „tätig wurden“ und dabei „wesentlich“ häufiger als zweimal bei rituellen Waschungen eingesetzt worden waren, wobei im Januar 2008 Zahlungen von je 75,- EUR sogar an sie selbst verabfolgt seien. Dies bietet für eine siebenjährig dauerhafte arbeitsvertragliche Bindung indes keinen hinreichenden Anhalt.

166

(bbb) Zudem käme es hinsichtlich der Ausübungen von Arbeitgeberbefugnissen durch die sog. Beerdigungsbruderschaft nicht darauf an, ob diese eingetragener Verein ist oder nicht. Auch nicht nicht-rechtsfähige Vereine können Vereinsstatus genießen (Palandt/ Ellenberger BGB § 54 Rn. 1).

167

(cc) Hinsichtlich Herrn S ist zudem unstreitig, dass diesem zur Betreuung der Friedhöfe unmittelbar seitens des Landes Vergütungen gewährt werden, sodass Arbeitgebereigenschaft ihm gegenüber allenfalls das Land besitzen kann.

168

(h) Für die vermeintlich zu Beerdigungen weiblicher Personen herangezogenen Frau K und Frau K blieb der Klägervortrag dazu gänzlich unsubstantiiert, wann, wer, auf wessen Weisung und unter welcher dauerhaften Abrede mit welcher Regelmäßigkeit eingesetzt worden sein sollte. Allein die einmalige Ausgabe von 75,- EUR im Januar 2008 reicht zur Darlegung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen 2003 und 2009 nicht weiter aus.

169

(i) Keine Arbeitnehmereigenschaft ist auch für Herrn L anzunehmen, da es an einem nachvollziehbaren Vortrag zu einem auf Austausch von Leistung und Entgelt gerichteten Vertrag zwischen ihm und der Beklagten fehlt. Gleiches gilt für den Einsatz von Frau C, für die gerade nicht dargetan wurde, ob und wie sie vergütet wurde, noch mit welchen (vermeintlich geringen) Stundenumfang sie überhaupt beschäftigt war, noch widerlegt blieb, es handele sich bei ihr um eine bloß zeitweilige Aushilfskraft.

170

(j) Keine Arbeitnehmereigenschaft ist zum Kündigungszeitpunkt auch für Frau E K als Helferin in der Sonntagsschule gegen 20,- EUR monatlich unter Beweis gestellt worden, nachdem die Beklagte eine Beschäftigung gerade auch für das Jahr 2009 bestritt. Der Beweisantritt der Klägerseite bezog sich (entgegen der Darlegung in S. 8 des Klägerschriftsatzes vom 20. August 2012 [Bl. 621 d.A.]) allein auf die die arbeitsgerichtliche Entscheidung in der beigezogenen Akte (ArbG Mainz - 8 Ca 702/08 - S. 41 des Urteils vom 6. Februar 2009). Diese betrifft jedoch lediglich den Sachstand zum 2. Mai 2008 und konnte auch aufgrund des Verkündungstermins vom 6. Februar 2009 für die vorliegend zum 26. März 2009 beachtliche Sachlage nicht angeben. Aus dem Klägervorbringen ergibt sich auch nicht, warum sich das Beschäftigungsverhältnis gegenüber Frau K zuletzt nicht geändert worden sein konnte.

171

(k) Keine Arbeitnehmereigenschaft lässt sich zudem auch für Herrn M erkennen, da für ihn weder dargetan ist, inwieweit er dem Direktionsrecht der Beklagten unterstand, d.h. sich zu bestimmten Zeiten bereitzuhalten oder Leistungen durchzuführen hatte, noch ersichtlich ist, dass, ob und in welcher Form er ggf. vergütet wurde. Die behauptete Regelmäßigkeit seiner Tätigkeit hieß denknotwendig schon nicht, dass es sich um ein dauerhaftes, von keiner Zäsur behaftetes Arbeitsverhältnis gehandelt haben musste.

172

(l) Da im Unterschied zur Beurteilung der Beklagtenbeschäftigungslage durch das Arbeitsgericht in der Sache 8 Ca 702/08 vom 6. Februar 2009 (S. 41-43 des Urteils) vorliegend für Frau B und Frau G (beide waren noch in die Berechnung des Arbeitsgerichts einbezogen worden) zuletzt Einstellungstermine nach dem 1. Januar 2004 unstreitig gestellt wurde, erweist sich die vorliegende Bewertung auch nicht gegenüber der des Vorverfahrens als widersprüchlich.

173

cc) Weitere Unwirksamkeitsgründe waren nicht dargetan. Die ordentliche Kündigung war deshalb rechtswirksam.

174

d) Die Klage war schließlich auch nicht im Hinblick auf die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 14. April 2009 begründet. Die Rechtsbedingung der Unwirksamkeit der hauptsächlich gewollten fristlosen Beendigung war erfüllt (s.o.). Da die Kündigungsfrist von einem Jahr zum Jahresende entsprechend der Vertragsergänzung der Parteien vom 6. Februar 2004 das Arbeitsverhältnis auch aufgrund der Kündigung vom 26. März 2004 nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2010 beenden konnte (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB), war die Kündigungsschutzklage nicht schon wegen fehlenden Arbeitsverhältnisses zum vermeintlichen Beendigungstermin begründet. Vermeintliche Echtheitszweifel der Beklagten gegen das Schreiben vom 6. Februar 2004 hatte das Arbeitsgericht Mainz im Urteil vom 6. Februar 2009 - 8 Ca 702/08 - (S. 31 f. des Urteils) zurückgewiesen, was die Kammer in ihrer Entscheidung vom 31. Juli 2010 bestätigte (- 6 Sa 134/09 - S. 13 des Urteils). Mangels etwaiger Wirksamkeitshindernisse führte auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 14. April 2009 zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2010.

B.

175

Die Kostenentscheidung ergab sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gründe die eine Zulassung der Revision i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG veranlasst hätten, bietet der Fall nicht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Aug. 2012 - 6 Sa 511/11

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Gesetz über den Lastenausgleich


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

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(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

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Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

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Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

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Die Verfassung des Deutschen Reichs - WRV | Art 137


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten


Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 623 Schriftform der Kündigung


Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 260 Anspruchshäufung


Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 67 Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 o

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 54 Nicht rechtsfähige Vereine


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 58 Sollinhalt der Vereinssatzung


Die Satzung soll Bestimmungen enthalten: 1. über den Eintritt und Austritt der Mitglieder,2. darüber, ob und welche Beiträge von den Mitgliedern zu leisten sind,3. über die Bildung des Vorstands,4. über die Voraussetzungen, unter denen die Mitglieder

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Aug. 2012 - 6 Sa 511/11 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. März 2011 - 6 Sa 490/10

bei uns veröffentlicht am 25.03.2011

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.7.2010 - 1 Ca 760/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Mit s

Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Jan. 2011 - 2 AZR 825/09

bei uns veröffentlicht am 27.01.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Nov. 2010 - 2 AZR 801/09

bei uns veröffentlicht am 25.11.2010

Tenor Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. November 2009 - 13 Sa 1497/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09

bei uns veröffentlicht am 10.06.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 31. Juli 2009 - 6 Sa 134/09

bei uns veröffentlicht am 31.07.2009

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.02.2009 - 8 Ca 702/08 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien stre

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.02.2009 - 8 Ca 702/08 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 29. März 2008, die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vom 02. Mai 2008 und hieraus resultierende Annahmeverzugslohnansprüche.

2

Ab 01. Dezember 2003 erledigte der am 26. Mai 1956 geborene und gegenüber 2 minderjährigen Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger Arbeiten für die Beklagte. Für den Monat Dezember 2003 stellte die Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, der Beklagten "für das Ausleihen der Arbeitskraft von Herrn Y. für die Tätigkeit als Verwaltungsdirektor in ihrem Hause" 3.500,-- € als Gesamtbetrag in Rechnung.

3

Unter dem 29. Dezember 2003 schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte, der eine Einstellung als Geschäftsführer/Verwaltungsdirektor zum Dienstantritt am 01. Januar 2004 vorsah. Der Anstellungsvertrag enthält als besondere Aufgaben des Angestellten: "Leitung der Verwaltung der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden. Betreuung der Immobilien und Wertpapiere der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden". Als Gehalt/Honorar für den Kläger "und die Z: GmbH" war ein Gesamtbetrag von Brutto 3.500,-- €, ab 01. April 2004 5.000,-- € vorgesehen. Als Kündigungsfrist war nach Ablauf der Probezeit für beide Seiten eine solche von 9 Monaten zum Jahresende vorgesehen. Unter Ziffer 10 des Arbeitsvertrages ist folgende Regelung enthalten:

4

"Die bestehende Tätigkeit im Monat 12/03 wird auf die Probezeit angerechnet. Dieser Vertrag wird auf fünf Jahre geschlossen und verlängert sich stillschweigend um weitere fünf Jahre, falls er nicht unter Einhaltung der Kündigungsfrist gemäß § 8 vor Vertragsende gekündigt wird."

5

Für die Monate Januar 2004 bis März 2004 rechnete die Beklagte als Brutto/Nettobezüge jeweils 1.500,-- € ab. Für diese Monate rechnete die Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH "für das Ausleihen der Arbeitskraft des Klägers als Verwaltungsdirektor der Beklagten "jeweils einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.000,-- € ab, der sich aus 1.724,14 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer zusammensetzte.

6

Im April 2004 wurde der Vorstand der Beklagten neu gewählt. Der bisherige Vorstandsvorsitzende, Herr Dr. X., wurde durch die neue Vorstandsvorsitzende Frau W. abgelöst. Mit Schreiben vom 29. März 2008 kündigte die Beklagte dem Kläger den Arbeitsvertrag "fristgerecht zum 31.12.2008". Gleichzeitig bot sie dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem "01.01.2009" zu folgenden geänderten Konditionen" an:

7

"- Gehalt 3.500,00 € brutto

- Arbeitszeit 35 Stunden

- zu Ihrem Aufgabengebiet gehört die Verwaltung der Miethäuser der jüdischen Gemeinde

- der Arbeitsvertrag ist unbefristet, es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen

        

Im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Bedingungen Ihres Anstellungsvertrages.....

8

Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit der am 17. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. Eine Vorbehaltserklärung erfolgte nicht. In diesem Zusammenhang legte der Kläger ein Schreiben vom 06. Februar 2004 in Kopie mit folgendem Inhalt vor:

9

"Sehr geehrter Herr Y.,

wir freuen uns, Ihnen zum Ende der Probezeit wunschgemäß bestätigen zu können, dass die in § 8 des Anstellungsvertrages vom 29.12.2003 genannte Kündigungsfrist um 3 Monate verlängert wird und somit ab sofort 12 Monate zum Jahresende beträgt.

        

Indem wir Ihnen alles Gute beruflich und privat wünschen, verbleiben wir

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Mark X.

Vorsitzender des Vorstandes"

10

Daraufhin sprach die Beklagte unter dem 02. Mai 2008 - Eingang beim Kläger am 05. Mai 2008 - eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus und gab als Grund für diese Kündigung " die Vorgänge um das von Ihnen vorgelegte Schreiben vom 06.02.2004 und der dadurch eingetretene schwere Vertrauensverlust" an.

11

Gegen diese außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 07. Mai 2008 erfolgten Klageerweiterung gewandt.

12

Für den Monat Mai 2008 zahlte die Beklagte Vergütung für die Zeit bis zum 07. Mai 2008 in Höhe von 833,33 € brutto. Ab Mai 2008 erhält der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 1.348,50 € netto monatlich.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den 29 Seiten umfassenden Tatbestand im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 26.02.2009 - 8 Ca 702/08 - Bezug genommen (Bl. 368 - 394 d. A.).

14

Der Kläger hat erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - folgende Anträge gestellt:

15

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 nicht beendet worden ist,

16

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die ordentliche Kündigung vom 02. Mai 2008, zugegangen am 05. Mai 2008, aufgelöst wurde,

17

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 9.166,67 brutto abzüglich € 2.697,00 netto zuzüglich Zinsen aus € 2.818,17 seit dem 01. Juni 2008 und aus € 3.651,50 seit dem 01. Juli 2008 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen,

4. ....

18

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger € 10.000,00 brutto abzüglich € 2.697,00 netto und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.651,50 € seit dem 01.08.2008 und 01.09.2008 zu zahlen.

19

Die Beklagte hat

20

Klageabweisung

21

beantragt.

22

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch das vorbezeichnete Urteil nach Vernehmung der Zeugen Dr. X., V. und T. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 02. Mai 2008, noch die zugleich ausgesprochene ordentliche Kündigung und auch nicht durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 beendet worden ist, sowie zur Zahlung von 9.166,67 € brutto abzüglich 2.697,-- € netto nebst Zinsen und weiteren 10.000,-- € brutto abzüglich 2.697,-- € netto zuzüglich Zinsen verurteilt.

23

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,

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bezogen auf die außerordentliche Kündigung läge kein wichtiger Grund in einer Fälschung der im Prozess vorgelegten Kopie des Schreibens vom 06 Februar 2004. Es lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der vorgelegten Kopie eine gefälschte Urkunde zugrunde gelegen habe. Die Unauffindbarkeit des Originals und das Nichtexistieren eines schriftlichen Vorstandsbeschlusses lasse keinen Schluss auf eine Fälschung zu. Der Inhalt ließe keine Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen. Die Verlängerung der Kündigungsfrist sei am Ende der Probezeit vereinbart worden. Außerdem seien die Kündigungsfristen anderer Arbeitnehmer verlängert worden. Wegen der herausgehobenen Stellung des Klägers läge es auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass es zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist gekommen sei. Auch das erst im November 2004 durch den Rabbiner S. vorgelegte Schreiben ließe keinen Schluss auf eine Fälschung des Schreibens vom 06. Februar 2004 zu. Die Unordnung in den Gemeindeunterlagen sei ein Problem gewesen. Der Zeuge Dr. X. habe seine Unterschrift bestätigt und auch, auf telefonische Rückfragen bei den Vorstandsmitgliedern S und T. seien derzeit auch Telefon- und Umlaufbeschlüsse gefasst worden. Außerdem existierten aus der Zeit vor dem 18.04.2004 weitere nur vom Vorstandsvorsitzenden allein unterschriebene Schreiben wie z. B. der Anstellungsvertrag R. vom 28.11.2003. Ein wichtiger Grund läge auch nicht in einem bewussten Verheimlichen der Existenz des Schreibens. Die Beklagte habe nicht schlüssig dargelegt, dass sich das Schreiben vom 06.02.2004 nicht in den Personalakten befunden habe. Es sei im Laufe des Prozesses unstreitig geworden, dass nicht für jeden Arbeitnehmer eine eigene Personalakte geführt worden sei. Es sei auch nicht vorgetragen, bei welcher Gelegenheit der Kläger Kenntnis davon erlangt haben soll, dass das Schreiben nicht in der Personalakte vorhanden sei. Während der Amtszeit von Herrn Dr. X. sei der Kläger nicht für Personalangelegenheiten zuständig gewesen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens vom 06. Februar 2004 sei der Kläger für die korrekte Ablage des Originals nicht zuständig gewesen. Selbst bei eingetretener Zuständigkeit habe keine Verpflichtung zur Prüfung der Vollständigkeit von Personalakten bestanden. Eine Anweisung hierzu habe es nicht gegeben. Es habe auch keine Verpflichtung bestanden, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Schreiben vorzulegen, da ihm - dem Kläger - die Unvollständigkeit des Ordners nicht bekannt gewesen sei. Der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis korrekt. Der Kläger sei auch nicht wegen der Kenntnis des Falles S. zu einem Hinweis auf das die Kündigungsfrist verlängernde Schreiben vom 06.02.2004 verpflichtet gewesen. Die Fälle seien nicht vergleichbar, zumal es bei dem Rabbiner S. um die Zahlung einer Abfindung gegangen sei. Der Kläger habe auch nicht am Rande einer Vorstandssitzung am 05. Mai 2005 bewusst wahrheitswidrig die Existenz des Schreibens vom 06. Februar 2004 verneint; dies ergäbe sich nicht aus der Aussage des Zeugen V.. Der Vortrag der Beklagten zu einer Äußerung des Klägers im Zusammenhang mit der Änderung seines Vertrages von einer 4 auf die 5 Tage-Woche sei widersprüchlich. Auch die von der Beklagten behauptete und vom Kläger bestrittene Diskussion in der Mitgliedsversammlung über die Kündbarkeit des Vertrages hätten diesen nicht veranlassen müssen, das Schreiben vom 06. Februar 2004 vorzulegen. Die Berechnung des verbleibenden Gehaltes durch den Steuerberater spräche für eine Unsicherheit des Klägers hinsichtlich der Wirksamkeit des Schreibens vom 06. Februar.2004. Es habe auch keine Vorlagepflicht im Verfahren 4 Ca 2079/07 gegeben, da es dort um Urlaub gegangen sei. Die Änderung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz sei aufgrund der Übergangsregelung des § 23 KSchG anwendbar, da der Kläger seine Tätigkeit bereits am 01. Dezember 2003 aufgenommen habe. Die Abrechnung durch die " Z: GmbH" wirke sich nicht aus. Aus Ziffer 10 des Arbeitsvertrages ergebe sich eine Anrechnung der Tätigkeit im Monat 12/03 auf die Probezeit. Die Beklagte beschäftige nach wie vor mindestens 5,5 Arbeitnehmer. Auch Frau P. und Frau Q. seien als Arbeitnehmer anzusehen. Die Beklagte habe zur Begründung ihrer Änderungskündigung im Rahmen der rechtzeitig erhobenen Änderungsschutzklage kein Gesamtkonzept dargelegt. Eine herausgreifende Kündigung sei unzulässig. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die zugleich hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung beendet worden. Dort fehle es an einer Abmahnung. Der Annahmeverzugslohn sei für die Zeit vom 06. Mai 2008 bis 30. Juni 2008 abzüglich übergegangener Ansprüche und gegeben desgleichen ein weiterer Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe von jeweils 5.000,-- € brutto abzüglich 1.248,50 € netto zuzüglich Zinsen für die Monate Juli und August 2008.

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Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die umfassenden Entscheidungsgründe (Seite 30 - 50 d. Urteils = Bl. 395 - 415 d. A.) Bezug genommen.

26

Gegen das der Beklagten am 09. Februar 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 09. März 2009 eingelegte und am 27. April 2009 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

27

Die Beklagte bringt zur Begründung ihrer Berufung zweitinstanzlich weiter vor, das Arbeitsgericht habe den umfassenden Aufgabenbereich und die ordnungsgemäße Führung der inneren Verwaltung völlig außer Acht gelassen oder sehr arbeitnehmerfreundlich interpretiert. Der Kläger sei für die Ordnung der Gemeindeunterlagen verantwortlich gewesen. Auffallend sei, dass Unterlagen, aus denen sich erhebliche finanzielle Verpflichtungen der Beklagten ergeben hätten, nur in Fotokopie vorhanden sein sollen. Dies habe auch den Vertrag mit dem Rabbiner S. betroffen. Bezeichnet sei auch, dass sich auf den sogenannten Verträgen nur die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden befände. Diese Hinweise sprechen dafür, dass jene Urkunden, insbesondere das Schreiben vom 06. Februar 2004 im Nachhinein konstruiert worden seien. Derartige schwerwiegende Versäumnisse rechtfertigten eine fristlose Kündigung. Weitere Anhaltspunkte, die teilweise erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils bekannt geworden seien und bereits zu einer weiteren fristlosen Kündigung geführt hätten, seien ergänzend vorzutragen: Erst nachdem das Urteil vorgelegen habe, sei der Vorstand der Beklagten von der Zeugin O. darauf hingewiesen worden, dass der Kläger im ersten Vierteljahr des Jahres 2008 und zwar noch vor Zugang der Änderungskündigung vom 29. März 2008 mehrfach der Zeugin gegenüber die Befürchtung geäußert habe, dass ihm die Beklagte werde kündigen müssen (Beweis: Zeugnis Svetlana O.). Diese Zeugin würde bestätigen können, dass der Kläger hierbei äußerst nervös ob dieser konkreten Befürchtung gewesen sei. In der Klageschrift vom 16. April 2008 sei lediglich von einer Einigung über die Verlängerung der Kündigungsfrist die Rede und nicht von einem genauen Datum des Schreibens; deshalb sei von dessen Fälschung bzw. nachträglicher Fertigung auszugehen. Der Kläger agiere mit einer Fotokopie, da er mit Sicherheit das Original vernichtet habe. Dass der Kläger Fälschungen vorgenommen habe, zeige noch der Zusammenhang mit den Glaubensübertrittsurkunden von David N. und Samuel M., wo Unterschriften und Siegelstempel identisch seien. Bei der Glaubensübertrittsurkunde für den Sohn des Klägers - David Lev Adam - handele es sich möglicherweise um eine Urkundenfälschung. Der Sachverständige habe festgestellt, dass für die gebildete Gruppe Herstellungszusammenhänge vorlägen. Der Kläger sei am 18. März 2009 auf den Verdacht hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 24. März 2009 habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestritten, dass Manipulationen in den Verantwortungsbereich des Klägers fielen. Es sei eine weitere Verdachtskündigung unter dem 26. März 2009 ausgesprochen worden und eine Tatkündigung vom 14. April 2009. Durch die Herstellung der Fälschungen sei eine Teilnahme u. a. des Sohnes an einer Schulung und mehrere Hundert Euro durch eine Prüfung durch das Rabbinatsgericht erspart worden. Im Übrigen könne dem Arbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, dass die Übergangsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG Anwendung finde. Es bestünden Bedenken, dass von einer Beschäftigungszeit seit 01. Dezember 2003 ausgegangen werden könne. Der Kläger sei im Dezember Leiharbeitnehmer gewesen. Es gelte die Regelung des § 23 KSchG, die seit 01. Januar 2004 in Kraft sei. Danach müssten mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Sie - die Beklagte - habe im Zeitpunkt der Kündigung 5 Arbeitnehmer einschließlich des Klägers vollzeitig beschäftigt. Alle übrigen Personen seien ehrenamtlich tätig und erhielten lediglich eine gewisse Aufwandsentschädigung. Vom Arbeitsgericht sei nicht berücksichtigt worden, dass sich der Zeuge T. nicht an die Verlängerung der Kündigungsfristen habe erinnern können. Die Zeugin O. sei zu starken Indizien, wonach das Schreiben vom 06. Februar an diesem Datum noch nicht existiert habe, nicht vernommen worden. Der Zeuge Dr. X. habe den Leuten Vorteile verschafft, die aus Moldawien stammten. Der Haushalt 2004 habe mit einem Minussaldo von 100.000,-- € abgeschlossen. Der Vortrag zur Einrichtung einer E-Mail-Adresse sei aus einem Missverständnis heraus erfolgt.

28

Zu den weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27. April 2009 (Bl. 434 - 450 d. A.) einschließlich der vorgelegten Unterlagen sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 16. Juni 2009 (Bl. 507 - 515 d. A.) nebst Unterlagen Bezug genommen.

29

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06. Februar 2009 - 8 CA 702/08 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

31

Der Kläger hat

32

Zurückweisung der Berufung

33

beantragt und erwidert unter Übernahme der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass das Schreiben an den Rabbiner S. nur in Kopie vorhanden sei, böte keinen Anhaltspunkt für eine Fälschung auch des Schreibens vom 06. Februar 2004. Der Zeuge Dr. X. habe bestätigt, dass es sich bei der Unterschrift auf der Kopie zweifelsfrei um seine handele. Das Schreiben vom 06. Februar 2004 sei auch als Anlage K 3 der Klageschrift beigefügt gewesen. Er - der Kläger - habe kein Original erhalten, welches er - der Kläger - hätte vernichten können. Die nachgeschobenen Gründe bildeten originär Gegenstand der Kündigungen vom 26. März und 14. April 2009 und seien verbraucht. Eventuelle Manipulationen der Glaubensübertrittsurkunden fielen nicht in seinen Verantwortungsbereich. Hierauf sei mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24. März 2009 auch hingewiesen worden. Wegen eigener Interpretationen für eine Aufnahme in die jüdische Gemeinde - Durchleben eines Jahreszyklus - seien seine Ehefrau und er nicht überrascht gewesen, dass ihnen der Gemeinderabbiner S. nur Kopien der Glaubensübertrittsurkunden ausgehändigt habe. Unzutreffend sei, dass ein Rabbinatsgericht aus drei Rabbinern von jüdischen Gemeinden bestünde. Da die Kopien der Familie M. von schlechterer Qualität seien, sei es ausgeschlossen, dass diese benutzt worden seien, um Kopien der Urkunden der Familie N. herzustellen. Er - der Kläger - sei nicht für die Führung der Mitgliedskartei zuständig gewesen; es existiere auch kein Ordnungssystem für Übertrittsurkunden. Was das Schreiben vom 06 Februar 2004 anbelange, sei es zeitnah von ihm gegengezeichnet worden. Ob dieses Schreiben zum Zeitpunkt der Revision in den Unterlagen gewesen sei, entzöge sich seiner Kenntnis. Für den Revisionsbericht sei es auch ohne jede Bedeutung, da die Verlängerung der Kündigungsfrist keine zusätzliche finanzielle Belastung für die Beklagte dargestellt habe. Im Übrigen sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Z: GmbH habe nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis zum Verleihen besessen. Aus diesen Gründen sei ein Arbeitsverhältnis zwischen der dem Kläger und der Beklagten als Rechtsfolge gegeben. Im Übrigen seien zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches mindestens 12,5 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Für die ausgesprochene Änderungskündigung zur Entgeltkostensenkung fehle es an der Darlegung einer wirtschaftlichen Notlage. Die Gemeinde finanziere sich nicht nur aus Spenden und sonstigen Zuwendungen. Sie verfüge über Einnahmen aus 72 Mietobjekten und erheblichen Zinseinnahmen aus Bar- und Wertpapiervermögen. Die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sei ebenfalls unwirksam.

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Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 28. Mai 2009 (Bl. 493 - 502 d. A.) einschließlich der dort vorgelegten Unterlagen verwiesen. Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2009 (Bl. 520 - 522 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO).

II.

36

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch k e i n e n Erfolg.

37

Das Arbeitsgericht Mainz hat in dem angefochtenen Urteil vom 06. Februar 2009 - 8 Ca 702/08 - nach Vernehmung der Zeugen Dr. X., V. und T. zu Recht festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 02. Mai 2008 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom gleichen Datum, sowie auch nicht durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 beendet worden ist und zugleich die verfolgten Annahmeverzugsansprüche in Höhe von 9.166,67 € brutto abzüglich 2.697,-- € netto zuzüglich Zinsen anteilig für Mai und für Juni 2008 sowie weitere 5.000,-- € brutto jeweils für die Monate Juli und August abzüglich 1.348,50 € netto jeweils für die beiden Monate bestehen.

38

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer gemäß §§ 64 Abs. 1, 66 Abs. 1 ArbGG, 540 Abs. 1 ZPO auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Berücksichtigung nachfolgender Ergänzungen von einer wiederholenden Darstellung der umfassenden Entscheidungsgründe ab.

II.

39

Wegen der Angriffe der Berufung sind folgende Hinzufügungen veranlasst:

40

1. Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, das Arbeitsgericht habe den umfassenden Aufgabenbereich des Klägers und die ordnungsgemäße Führung der inneren Verwaltung völlig außer Acht gelassen, desgleichen auch, dass sich aus dem maßgeblichen Schreiben vom 06. Februar 2004 nur die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden befunden habe und dies u. a. dafür spräche, dass die Urkunde im Nachhinein konstruiert worden sei, folgt hieraus keine andere Beurteilung der rechtlichen Wirkung der außerordentlichen Kündigung vom 05. Mai 2008. Es geht in diesem Sachverhaltskomplex vornehmlich um die kündigungsbegründende Behauptung, der Kläger habe eine Kopie einer gefälschten Urkunde bezogen auf das Schreiben der Verlängerung seiner Kündigungsfrist vom 06. Februar 2004 (Bl. 6 d. A.) vorgelegt. Wenn die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren dies mit der anstellungsvertraglichen Aufgabenstellung des Klägers verknüpft, folgt hieraus kein wichtiger Grund, weil der eigentliche Kündigungsvorwurf bisher die Straftat und nicht die unzureichende Aufgabenerfüllung gewesen ist. Selbst wenn man dies anders sähe, kann aus der bloßen Existenz - zugunsten der Beklagten unterstellter - Fälschungen kein zwingender Grund für eine außerordentliche Kündigung abgeleitet werden. Defizite n der Aufgabenwahrnehmung durch den Kläger wären allein schon aus Gründen des bei einer außerordentlichen Kündigung zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (ultima-ratio-Prinzip vgl. Henssler/Willemsen/Kalb-Sandmann Arbeitsrechtskommentar, 3. Aufl., BGB, § 626 Rz. 116 ff (zit. HWK-Autor) m. w. N. auf BAG, Urteil vom 04. Juni 1996 - 2 AZR 526/69 und vom 11. März 1999 - 2 AZR 427/98 - = AP Nr. 150 zu § 626 BGB) grundsätzlich abzumahnen. Im Übrigen hat der Zeuge Dr. X. bestätigt, dass es sich bei der auf der Kopie enthaltenen Unterschrift zweifelsfrei um die seine handele.

41

2. Auch soweit die Auffassung vertreten wird, dass sich aus einer geäußerten Befürchtung des Klägers im ersten Vierteljahr 2008, ihm werde die Beklagte kündigen müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Es fehlt angesichts des Bestreiten des Klägers an einer entsprechenden Substantiierung. Gründe, warum diese Befürchtung geäußert wurde, sind nicht dargestellt. Die Vernehmung des Zeugen O. wäre zivilprozessual unzulässige Ausforschung.

42

3. Mit der weiter vertretenen Auffassung der Beklagten, der Kläger hätte bei der Prüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und den Fall S. auf das Schreiben vom 06. Februar 2004 hinweisen müssen, hat sich das Arbeitsgericht hinreichend auseinandergesetzt. Hierauf wird verwiesen.

43

4. Die zulässigerweise (vgl. HWK-Quecke, a. a. O., § 1 KSchG Rz. 88 sowie § 626 BGB Rz. 458 m. w. N. auf BAG, Urteil vom 11. April 1984 - 2 AZR 239/84 - und vom 04. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - = NZA 1997, 1158) nachgeschobenen Kündigungsgründe reichen zivilprozessual nicht aus, um zu einer anderen Bewertung des Falles zu gelangen - auch nicht unter Verdachtsgesichtspunkten (vgl. BAG, Urteil vom 20. August 1997 - 2 AZR 620/96 -). Das gilt für die Folgerung der Beklagten, der Kläger habe nicht nur eine Fälschung des Schreibens vom 06. Februar 2004 vorgenommen, weil auch gefälschte Glaubensübertrittsurkunden für seine Ehefrau - Claudia N. und den Sohn David Lev Adam N. - aufgefunden worden seien, sondern auch soweit behauptet wird, der Kläger habe die im Ordnungssystem der Beklagten enthaltenen Kopien der Familie M. dazu missbraucht, um Kopien der Urkunden der Familie N. herzustellen. Der Kläger hat die diesbezüglichen Behauptungen nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert bestritten. Er hat insoweit ausgeführt, dass ihm Kopien der Glaubensübertrittsurkunden vom Gemeinderabbiner S. ausgehändigt worden seien, weil für die Aufnahme in die jüdische Gemeinde das Durchleben eines Jahreszyklusses von seiner Ehefrau und ihm angenommen worden sei; ferner, es existiere kein Ordnungssystem für Übertrittsurkunden und schließlich, eventuelle Manipulationen fielen nicht in seinen Verantwortungsbereich (Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 24. März 2009). Damit wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihren Vortrag zivilprozessual so zu ergänzen, dass die von ihr vertretenen Schlussfolgerungen überhaupt möglich sind.

44

5. Soweit die Berufung der Auffassung ist, dass für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes und die dort vorgesehene Beschäftigtenzahl nicht von einer Beschäftigungszeit vom 01. Dezember 2005 ausgegangen werden dürfe, hat sich das Arbeitsgericht damit bereits umfassend und zutreffend auseinandergesetzt (Seite 40 ff = Bl. 405 ff d. A.). Hierauf wird nochmals ausdrücklich Bezug genommen. Soweit die Beklagte an ihrer Auffassung festhält, es könnte nicht von einer Beschäftigungszeit seit 01. Dezember 2003 ausgegangen werden, weil der Anstellungsvertrag eine Einstellung zum 01. Januar 2004 vorsehe und damit für den Kündigungsschutz auf die erhöhte Beschäftigungszahl ab diesem Zeitpunkt von 10 Arbeitnehmern nach § 23 KSchG abzustellen wäre, kann dem aus Rechtsgründen nach wie vor nicht gefolgt werden. Es steht nämlich fest, dass der Kläger bereits ab 01 Dezember 2003 Arbeiten für die Beklagten entsprechend der Rechnung der " Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH" ausgeführt hat und aus - vom Kläger aufgezeigten - Rechtsgründen nach § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher - der Beklagten - und Leiharbeitnehmer zustande kommt, wenn die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis fehlt. Dass die Verleih-GmbH ( Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH) eine solche Erlaubnis hatte, ist nicht vorgetragen. Darauf, ob die Beklagte ab 2004 ohnehin die für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nötige Anzahl der Beschäftigten von 10 erreicht - so die Auffassung des Klägers - kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.

45

6. Der Vortrag der Beklagten zur Begründung der streitgegenständlichen Änderungskündigung, wonach der Haushalt der Beklagten im Jahr 2004 mit einem Minussaldo von 100.000,-- € abgeschlossen habe, fehlt es wegen des vorliegend gegebenen nachhaltigen Eingriffs in das arbeitsvertragliche Synallagma entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 - und vom 20. August 1998 - 2 AZR 84/98 -) an Ausführungen dazu, dass diese Maßnahme der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dient, dass alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mitteln ausgeschöpft sind und der Einzelsanierungsbeitrag des betroffenen Arbeitnehmers Bestandteil des Gesamtkonzepts ist. Die diesbezüglichen Darlegungen, die die Beklagte treffen, beschränken sich auf die Darstellung eines Defizits ohne konkrete Ausführungen zur sonstigen Finanzlage und den Auswirkungen der erstrebten Kostensenkung für die Gemeinde. Auch erstinstanzlich hat sich die Beklagte im Wesentlichen auf die Darlegung ihrer Jahresabschlüsse, der Höhe der Gesamtpersonalkosten und der Kosten des Klägers, sowie des Erfordernisses der Festanstellung eines Rabbiners beschränkt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger in der Berufungsbeantwortung ausgeführt hat, dass sich die Gemeinde nicht nur aus Spenden und sonstigen Zuwendungen finanziere, sondern auch über Einnahmen aus 72 Mietobjekten und erheblichen Zinseinnahmen aus Bar- und Wertpapiervermögen verfüge.

46

7. Weitere ausreichende Angriffe auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts zur Verpflichtung der Zahlung des Annahmeverzugslohnes nebst Zinsen liegen nicht vor.

III.

47

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

48

Für eine Zulassung der Revision liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.02.2009 - 8 Ca 702/08 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 29. März 2008, die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vom 02. Mai 2008 und hieraus resultierende Annahmeverzugslohnansprüche.

2

Ab 01. Dezember 2003 erledigte der am 26. Mai 1956 geborene und gegenüber 2 minderjährigen Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger Arbeiten für die Beklagte. Für den Monat Dezember 2003 stellte die Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, der Beklagten "für das Ausleihen der Arbeitskraft von Herrn Y. für die Tätigkeit als Verwaltungsdirektor in ihrem Hause" 3.500,-- € als Gesamtbetrag in Rechnung.

3

Unter dem 29. Dezember 2003 schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte, der eine Einstellung als Geschäftsführer/Verwaltungsdirektor zum Dienstantritt am 01. Januar 2004 vorsah. Der Anstellungsvertrag enthält als besondere Aufgaben des Angestellten: "Leitung der Verwaltung der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden. Betreuung der Immobilien und Wertpapiere der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden". Als Gehalt/Honorar für den Kläger "und die Z: GmbH" war ein Gesamtbetrag von Brutto 3.500,-- €, ab 01. April 2004 5.000,-- € vorgesehen. Als Kündigungsfrist war nach Ablauf der Probezeit für beide Seiten eine solche von 9 Monaten zum Jahresende vorgesehen. Unter Ziffer 10 des Arbeitsvertrages ist folgende Regelung enthalten:

4

"Die bestehende Tätigkeit im Monat 12/03 wird auf die Probezeit angerechnet. Dieser Vertrag wird auf fünf Jahre geschlossen und verlängert sich stillschweigend um weitere fünf Jahre, falls er nicht unter Einhaltung der Kündigungsfrist gemäß § 8 vor Vertragsende gekündigt wird."

5

Für die Monate Januar 2004 bis März 2004 rechnete die Beklagte als Brutto/Nettobezüge jeweils 1.500,-- € ab. Für diese Monate rechnete die Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH "für das Ausleihen der Arbeitskraft des Klägers als Verwaltungsdirektor der Beklagten "jeweils einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.000,-- € ab, der sich aus 1.724,14 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer zusammensetzte.

6

Im April 2004 wurde der Vorstand der Beklagten neu gewählt. Der bisherige Vorstandsvorsitzende, Herr Dr. X., wurde durch die neue Vorstandsvorsitzende Frau W. abgelöst. Mit Schreiben vom 29. März 2008 kündigte die Beklagte dem Kläger den Arbeitsvertrag "fristgerecht zum 31.12.2008". Gleichzeitig bot sie dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem "01.01.2009" zu folgenden geänderten Konditionen" an:

7

"- Gehalt 3.500,00 € brutto

- Arbeitszeit 35 Stunden

- zu Ihrem Aufgabengebiet gehört die Verwaltung der Miethäuser der jüdischen Gemeinde

- der Arbeitsvertrag ist unbefristet, es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen

        

Im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Bedingungen Ihres Anstellungsvertrages.....

8

Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit der am 17. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. Eine Vorbehaltserklärung erfolgte nicht. In diesem Zusammenhang legte der Kläger ein Schreiben vom 06. Februar 2004 in Kopie mit folgendem Inhalt vor:

9

"Sehr geehrter Herr Y.,

wir freuen uns, Ihnen zum Ende der Probezeit wunschgemäß bestätigen zu können, dass die in § 8 des Anstellungsvertrages vom 29.12.2003 genannte Kündigungsfrist um 3 Monate verlängert wird und somit ab sofort 12 Monate zum Jahresende beträgt.

        

Indem wir Ihnen alles Gute beruflich und privat wünschen, verbleiben wir

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Mark X.

Vorsitzender des Vorstandes"

10

Daraufhin sprach die Beklagte unter dem 02. Mai 2008 - Eingang beim Kläger am 05. Mai 2008 - eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus und gab als Grund für diese Kündigung " die Vorgänge um das von Ihnen vorgelegte Schreiben vom 06.02.2004 und der dadurch eingetretene schwere Vertrauensverlust" an.

11

Gegen diese außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 07. Mai 2008 erfolgten Klageerweiterung gewandt.

12

Für den Monat Mai 2008 zahlte die Beklagte Vergütung für die Zeit bis zum 07. Mai 2008 in Höhe von 833,33 € brutto. Ab Mai 2008 erhält der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 1.348,50 € netto monatlich.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den 29 Seiten umfassenden Tatbestand im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 26.02.2009 - 8 Ca 702/08 - Bezug genommen (Bl. 368 - 394 d. A.).

14

Der Kläger hat erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - folgende Anträge gestellt:

15

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 nicht beendet worden ist,

16

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die ordentliche Kündigung vom 02. Mai 2008, zugegangen am 05. Mai 2008, aufgelöst wurde,

17

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 9.166,67 brutto abzüglich € 2.697,00 netto zuzüglich Zinsen aus € 2.818,17 seit dem 01. Juni 2008 und aus € 3.651,50 seit dem 01. Juli 2008 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen,

4. ....

18

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger € 10.000,00 brutto abzüglich € 2.697,00 netto und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.651,50 € seit dem 01.08.2008 und 01.09.2008 zu zahlen.

19

Die Beklagte hat

20

Klageabweisung

21

beantragt.

22

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch das vorbezeichnete Urteil nach Vernehmung der Zeugen Dr. X., V. und T. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 02. Mai 2008, noch die zugleich ausgesprochene ordentliche Kündigung und auch nicht durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 beendet worden ist, sowie zur Zahlung von 9.166,67 € brutto abzüglich 2.697,-- € netto nebst Zinsen und weiteren 10.000,-- € brutto abzüglich 2.697,-- € netto zuzüglich Zinsen verurteilt.

23

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,

24

bezogen auf die außerordentliche Kündigung läge kein wichtiger Grund in einer Fälschung der im Prozess vorgelegten Kopie des Schreibens vom 06 Februar 2004. Es lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der vorgelegten Kopie eine gefälschte Urkunde zugrunde gelegen habe. Die Unauffindbarkeit des Originals und das Nichtexistieren eines schriftlichen Vorstandsbeschlusses lasse keinen Schluss auf eine Fälschung zu. Der Inhalt ließe keine Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen. Die Verlängerung der Kündigungsfrist sei am Ende der Probezeit vereinbart worden. Außerdem seien die Kündigungsfristen anderer Arbeitnehmer verlängert worden. Wegen der herausgehobenen Stellung des Klägers läge es auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass es zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist gekommen sei. Auch das erst im November 2004 durch den Rabbiner S. vorgelegte Schreiben ließe keinen Schluss auf eine Fälschung des Schreibens vom 06. Februar 2004 zu. Die Unordnung in den Gemeindeunterlagen sei ein Problem gewesen. Der Zeuge Dr. X. habe seine Unterschrift bestätigt und auch, auf telefonische Rückfragen bei den Vorstandsmitgliedern S und T. seien derzeit auch Telefon- und Umlaufbeschlüsse gefasst worden. Außerdem existierten aus der Zeit vor dem 18.04.2004 weitere nur vom Vorstandsvorsitzenden allein unterschriebene Schreiben wie z. B. der Anstellungsvertrag R. vom 28.11.2003. Ein wichtiger Grund läge auch nicht in einem bewussten Verheimlichen der Existenz des Schreibens. Die Beklagte habe nicht schlüssig dargelegt, dass sich das Schreiben vom 06.02.2004 nicht in den Personalakten befunden habe. Es sei im Laufe des Prozesses unstreitig geworden, dass nicht für jeden Arbeitnehmer eine eigene Personalakte geführt worden sei. Es sei auch nicht vorgetragen, bei welcher Gelegenheit der Kläger Kenntnis davon erlangt haben soll, dass das Schreiben nicht in der Personalakte vorhanden sei. Während der Amtszeit von Herrn Dr. X. sei der Kläger nicht für Personalangelegenheiten zuständig gewesen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens vom 06. Februar 2004 sei der Kläger für die korrekte Ablage des Originals nicht zuständig gewesen. Selbst bei eingetretener Zuständigkeit habe keine Verpflichtung zur Prüfung der Vollständigkeit von Personalakten bestanden. Eine Anweisung hierzu habe es nicht gegeben. Es habe auch keine Verpflichtung bestanden, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Schreiben vorzulegen, da ihm - dem Kläger - die Unvollständigkeit des Ordners nicht bekannt gewesen sei. Der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis korrekt. Der Kläger sei auch nicht wegen der Kenntnis des Falles S. zu einem Hinweis auf das die Kündigungsfrist verlängernde Schreiben vom 06.02.2004 verpflichtet gewesen. Die Fälle seien nicht vergleichbar, zumal es bei dem Rabbiner S. um die Zahlung einer Abfindung gegangen sei. Der Kläger habe auch nicht am Rande einer Vorstandssitzung am 05. Mai 2005 bewusst wahrheitswidrig die Existenz des Schreibens vom 06. Februar 2004 verneint; dies ergäbe sich nicht aus der Aussage des Zeugen V.. Der Vortrag der Beklagten zu einer Äußerung des Klägers im Zusammenhang mit der Änderung seines Vertrages von einer 4 auf die 5 Tage-Woche sei widersprüchlich. Auch die von der Beklagten behauptete und vom Kläger bestrittene Diskussion in der Mitgliedsversammlung über die Kündbarkeit des Vertrages hätten diesen nicht veranlassen müssen, das Schreiben vom 06. Februar 2004 vorzulegen. Die Berechnung des verbleibenden Gehaltes durch den Steuerberater spräche für eine Unsicherheit des Klägers hinsichtlich der Wirksamkeit des Schreibens vom 06. Februar.2004. Es habe auch keine Vorlagepflicht im Verfahren 4 Ca 2079/07 gegeben, da es dort um Urlaub gegangen sei. Die Änderung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz sei aufgrund der Übergangsregelung des § 23 KSchG anwendbar, da der Kläger seine Tätigkeit bereits am 01. Dezember 2003 aufgenommen habe. Die Abrechnung durch die " Z: GmbH" wirke sich nicht aus. Aus Ziffer 10 des Arbeitsvertrages ergebe sich eine Anrechnung der Tätigkeit im Monat 12/03 auf die Probezeit. Die Beklagte beschäftige nach wie vor mindestens 5,5 Arbeitnehmer. Auch Frau P. und Frau Q. seien als Arbeitnehmer anzusehen. Die Beklagte habe zur Begründung ihrer Änderungskündigung im Rahmen der rechtzeitig erhobenen Änderungsschutzklage kein Gesamtkonzept dargelegt. Eine herausgreifende Kündigung sei unzulässig. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die zugleich hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung beendet worden. Dort fehle es an einer Abmahnung. Der Annahmeverzugslohn sei für die Zeit vom 06. Mai 2008 bis 30. Juni 2008 abzüglich übergegangener Ansprüche und gegeben desgleichen ein weiterer Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe von jeweils 5.000,-- € brutto abzüglich 1.248,50 € netto zuzüglich Zinsen für die Monate Juli und August 2008.

25

Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die umfassenden Entscheidungsgründe (Seite 30 - 50 d. Urteils = Bl. 395 - 415 d. A.) Bezug genommen.

26

Gegen das der Beklagten am 09. Februar 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 09. März 2009 eingelegte und am 27. April 2009 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

27

Die Beklagte bringt zur Begründung ihrer Berufung zweitinstanzlich weiter vor, das Arbeitsgericht habe den umfassenden Aufgabenbereich und die ordnungsgemäße Führung der inneren Verwaltung völlig außer Acht gelassen oder sehr arbeitnehmerfreundlich interpretiert. Der Kläger sei für die Ordnung der Gemeindeunterlagen verantwortlich gewesen. Auffallend sei, dass Unterlagen, aus denen sich erhebliche finanzielle Verpflichtungen der Beklagten ergeben hätten, nur in Fotokopie vorhanden sein sollen. Dies habe auch den Vertrag mit dem Rabbiner S. betroffen. Bezeichnet sei auch, dass sich auf den sogenannten Verträgen nur die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden befände. Diese Hinweise sprechen dafür, dass jene Urkunden, insbesondere das Schreiben vom 06. Februar 2004 im Nachhinein konstruiert worden seien. Derartige schwerwiegende Versäumnisse rechtfertigten eine fristlose Kündigung. Weitere Anhaltspunkte, die teilweise erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils bekannt geworden seien und bereits zu einer weiteren fristlosen Kündigung geführt hätten, seien ergänzend vorzutragen: Erst nachdem das Urteil vorgelegen habe, sei der Vorstand der Beklagten von der Zeugin O. darauf hingewiesen worden, dass der Kläger im ersten Vierteljahr des Jahres 2008 und zwar noch vor Zugang der Änderungskündigung vom 29. März 2008 mehrfach der Zeugin gegenüber die Befürchtung geäußert habe, dass ihm die Beklagte werde kündigen müssen (Beweis: Zeugnis Svetlana O.). Diese Zeugin würde bestätigen können, dass der Kläger hierbei äußerst nervös ob dieser konkreten Befürchtung gewesen sei. In der Klageschrift vom 16. April 2008 sei lediglich von einer Einigung über die Verlängerung der Kündigungsfrist die Rede und nicht von einem genauen Datum des Schreibens; deshalb sei von dessen Fälschung bzw. nachträglicher Fertigung auszugehen. Der Kläger agiere mit einer Fotokopie, da er mit Sicherheit das Original vernichtet habe. Dass der Kläger Fälschungen vorgenommen habe, zeige noch der Zusammenhang mit den Glaubensübertrittsurkunden von David N. und Samuel M., wo Unterschriften und Siegelstempel identisch seien. Bei der Glaubensübertrittsurkunde für den Sohn des Klägers - David Lev Adam - handele es sich möglicherweise um eine Urkundenfälschung. Der Sachverständige habe festgestellt, dass für die gebildete Gruppe Herstellungszusammenhänge vorlägen. Der Kläger sei am 18. März 2009 auf den Verdacht hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 24. März 2009 habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestritten, dass Manipulationen in den Verantwortungsbereich des Klägers fielen. Es sei eine weitere Verdachtskündigung unter dem 26. März 2009 ausgesprochen worden und eine Tatkündigung vom 14. April 2009. Durch die Herstellung der Fälschungen sei eine Teilnahme u. a. des Sohnes an einer Schulung und mehrere Hundert Euro durch eine Prüfung durch das Rabbinatsgericht erspart worden. Im Übrigen könne dem Arbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, dass die Übergangsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG Anwendung finde. Es bestünden Bedenken, dass von einer Beschäftigungszeit seit 01. Dezember 2003 ausgegangen werden könne. Der Kläger sei im Dezember Leiharbeitnehmer gewesen. Es gelte die Regelung des § 23 KSchG, die seit 01. Januar 2004 in Kraft sei. Danach müssten mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Sie - die Beklagte - habe im Zeitpunkt der Kündigung 5 Arbeitnehmer einschließlich des Klägers vollzeitig beschäftigt. Alle übrigen Personen seien ehrenamtlich tätig und erhielten lediglich eine gewisse Aufwandsentschädigung. Vom Arbeitsgericht sei nicht berücksichtigt worden, dass sich der Zeuge T. nicht an die Verlängerung der Kündigungsfristen habe erinnern können. Die Zeugin O. sei zu starken Indizien, wonach das Schreiben vom 06. Februar an diesem Datum noch nicht existiert habe, nicht vernommen worden. Der Zeuge Dr. X. habe den Leuten Vorteile verschafft, die aus Moldawien stammten. Der Haushalt 2004 habe mit einem Minussaldo von 100.000,-- € abgeschlossen. Der Vortrag zur Einrichtung einer E-Mail-Adresse sei aus einem Missverständnis heraus erfolgt.

28

Zu den weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27. April 2009 (Bl. 434 - 450 d. A.) einschließlich der vorgelegten Unterlagen sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 16. Juni 2009 (Bl. 507 - 515 d. A.) nebst Unterlagen Bezug genommen.

29

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06. Februar 2009 - 8 CA 702/08 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

31

Der Kläger hat

32

Zurückweisung der Berufung

33

beantragt und erwidert unter Übernahme der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass das Schreiben an den Rabbiner S. nur in Kopie vorhanden sei, böte keinen Anhaltspunkt für eine Fälschung auch des Schreibens vom 06. Februar 2004. Der Zeuge Dr. X. habe bestätigt, dass es sich bei der Unterschrift auf der Kopie zweifelsfrei um seine handele. Das Schreiben vom 06. Februar 2004 sei auch als Anlage K 3 der Klageschrift beigefügt gewesen. Er - der Kläger - habe kein Original erhalten, welches er - der Kläger - hätte vernichten können. Die nachgeschobenen Gründe bildeten originär Gegenstand der Kündigungen vom 26. März und 14. April 2009 und seien verbraucht. Eventuelle Manipulationen der Glaubensübertrittsurkunden fielen nicht in seinen Verantwortungsbereich. Hierauf sei mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24. März 2009 auch hingewiesen worden. Wegen eigener Interpretationen für eine Aufnahme in die jüdische Gemeinde - Durchleben eines Jahreszyklus - seien seine Ehefrau und er nicht überrascht gewesen, dass ihnen der Gemeinderabbiner S. nur Kopien der Glaubensübertrittsurkunden ausgehändigt habe. Unzutreffend sei, dass ein Rabbinatsgericht aus drei Rabbinern von jüdischen Gemeinden bestünde. Da die Kopien der Familie M. von schlechterer Qualität seien, sei es ausgeschlossen, dass diese benutzt worden seien, um Kopien der Urkunden der Familie N. herzustellen. Er - der Kläger - sei nicht für die Führung der Mitgliedskartei zuständig gewesen; es existiere auch kein Ordnungssystem für Übertrittsurkunden. Was das Schreiben vom 06 Februar 2004 anbelange, sei es zeitnah von ihm gegengezeichnet worden. Ob dieses Schreiben zum Zeitpunkt der Revision in den Unterlagen gewesen sei, entzöge sich seiner Kenntnis. Für den Revisionsbericht sei es auch ohne jede Bedeutung, da die Verlängerung der Kündigungsfrist keine zusätzliche finanzielle Belastung für die Beklagte dargestellt habe. Im Übrigen sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Z: GmbH habe nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis zum Verleihen besessen. Aus diesen Gründen sei ein Arbeitsverhältnis zwischen der dem Kläger und der Beklagten als Rechtsfolge gegeben. Im Übrigen seien zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches mindestens 12,5 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Für die ausgesprochene Änderungskündigung zur Entgeltkostensenkung fehle es an der Darlegung einer wirtschaftlichen Notlage. Die Gemeinde finanziere sich nicht nur aus Spenden und sonstigen Zuwendungen. Sie verfüge über Einnahmen aus 72 Mietobjekten und erheblichen Zinseinnahmen aus Bar- und Wertpapiervermögen. Die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sei ebenfalls unwirksam.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 28. Mai 2009 (Bl. 493 - 502 d. A.) einschließlich der dort vorgelegten Unterlagen verwiesen. Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2009 (Bl. 520 - 522 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO).

II.

36

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch k e i n e n Erfolg.

37

Das Arbeitsgericht Mainz hat in dem angefochtenen Urteil vom 06. Februar 2009 - 8 Ca 702/08 - nach Vernehmung der Zeugen Dr. X., V. und T. zu Recht festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 02. Mai 2008 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom gleichen Datum, sowie auch nicht durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 beendet worden ist und zugleich die verfolgten Annahmeverzugsansprüche in Höhe von 9.166,67 € brutto abzüglich 2.697,-- € netto zuzüglich Zinsen anteilig für Mai und für Juni 2008 sowie weitere 5.000,-- € brutto jeweils für die Monate Juli und August abzüglich 1.348,50 € netto jeweils für die beiden Monate bestehen.

38

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer gemäß §§ 64 Abs. 1, 66 Abs. 1 ArbGG, 540 Abs. 1 ZPO auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Berücksichtigung nachfolgender Ergänzungen von einer wiederholenden Darstellung der umfassenden Entscheidungsgründe ab.

II.

39

Wegen der Angriffe der Berufung sind folgende Hinzufügungen veranlasst:

40

1. Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, das Arbeitsgericht habe den umfassenden Aufgabenbereich des Klägers und die ordnungsgemäße Führung der inneren Verwaltung völlig außer Acht gelassen, desgleichen auch, dass sich aus dem maßgeblichen Schreiben vom 06. Februar 2004 nur die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden befunden habe und dies u. a. dafür spräche, dass die Urkunde im Nachhinein konstruiert worden sei, folgt hieraus keine andere Beurteilung der rechtlichen Wirkung der außerordentlichen Kündigung vom 05. Mai 2008. Es geht in diesem Sachverhaltskomplex vornehmlich um die kündigungsbegründende Behauptung, der Kläger habe eine Kopie einer gefälschten Urkunde bezogen auf das Schreiben der Verlängerung seiner Kündigungsfrist vom 06. Februar 2004 (Bl. 6 d. A.) vorgelegt. Wenn die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren dies mit der anstellungsvertraglichen Aufgabenstellung des Klägers verknüpft, folgt hieraus kein wichtiger Grund, weil der eigentliche Kündigungsvorwurf bisher die Straftat und nicht die unzureichende Aufgabenerfüllung gewesen ist. Selbst wenn man dies anders sähe, kann aus der bloßen Existenz - zugunsten der Beklagten unterstellter - Fälschungen kein zwingender Grund für eine außerordentliche Kündigung abgeleitet werden. Defizite n der Aufgabenwahrnehmung durch den Kläger wären allein schon aus Gründen des bei einer außerordentlichen Kündigung zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (ultima-ratio-Prinzip vgl. Henssler/Willemsen/Kalb-Sandmann Arbeitsrechtskommentar, 3. Aufl., BGB, § 626 Rz. 116 ff (zit. HWK-Autor) m. w. N. auf BAG, Urteil vom 04. Juni 1996 - 2 AZR 526/69 und vom 11. März 1999 - 2 AZR 427/98 - = AP Nr. 150 zu § 626 BGB) grundsätzlich abzumahnen. Im Übrigen hat der Zeuge Dr. X. bestätigt, dass es sich bei der auf der Kopie enthaltenen Unterschrift zweifelsfrei um die seine handele.

41

2. Auch soweit die Auffassung vertreten wird, dass sich aus einer geäußerten Befürchtung des Klägers im ersten Vierteljahr 2008, ihm werde die Beklagte kündigen müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Es fehlt angesichts des Bestreiten des Klägers an einer entsprechenden Substantiierung. Gründe, warum diese Befürchtung geäußert wurde, sind nicht dargestellt. Die Vernehmung des Zeugen O. wäre zivilprozessual unzulässige Ausforschung.

42

3. Mit der weiter vertretenen Auffassung der Beklagten, der Kläger hätte bei der Prüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und den Fall S. auf das Schreiben vom 06. Februar 2004 hinweisen müssen, hat sich das Arbeitsgericht hinreichend auseinandergesetzt. Hierauf wird verwiesen.

43

4. Die zulässigerweise (vgl. HWK-Quecke, a. a. O., § 1 KSchG Rz. 88 sowie § 626 BGB Rz. 458 m. w. N. auf BAG, Urteil vom 11. April 1984 - 2 AZR 239/84 - und vom 04. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - = NZA 1997, 1158) nachgeschobenen Kündigungsgründe reichen zivilprozessual nicht aus, um zu einer anderen Bewertung des Falles zu gelangen - auch nicht unter Verdachtsgesichtspunkten (vgl. BAG, Urteil vom 20. August 1997 - 2 AZR 620/96 -). Das gilt für die Folgerung der Beklagten, der Kläger habe nicht nur eine Fälschung des Schreibens vom 06. Februar 2004 vorgenommen, weil auch gefälschte Glaubensübertrittsurkunden für seine Ehefrau - Claudia N. und den Sohn David Lev Adam N. - aufgefunden worden seien, sondern auch soweit behauptet wird, der Kläger habe die im Ordnungssystem der Beklagten enthaltenen Kopien der Familie M. dazu missbraucht, um Kopien der Urkunden der Familie N. herzustellen. Der Kläger hat die diesbezüglichen Behauptungen nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert bestritten. Er hat insoweit ausgeführt, dass ihm Kopien der Glaubensübertrittsurkunden vom Gemeinderabbiner S. ausgehändigt worden seien, weil für die Aufnahme in die jüdische Gemeinde das Durchleben eines Jahreszyklusses von seiner Ehefrau und ihm angenommen worden sei; ferner, es existiere kein Ordnungssystem für Übertrittsurkunden und schließlich, eventuelle Manipulationen fielen nicht in seinen Verantwortungsbereich (Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 24. März 2009). Damit wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihren Vortrag zivilprozessual so zu ergänzen, dass die von ihr vertretenen Schlussfolgerungen überhaupt möglich sind.

44

5. Soweit die Berufung der Auffassung ist, dass für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes und die dort vorgesehene Beschäftigtenzahl nicht von einer Beschäftigungszeit vom 01. Dezember 2005 ausgegangen werden dürfe, hat sich das Arbeitsgericht damit bereits umfassend und zutreffend auseinandergesetzt (Seite 40 ff = Bl. 405 ff d. A.). Hierauf wird nochmals ausdrücklich Bezug genommen. Soweit die Beklagte an ihrer Auffassung festhält, es könnte nicht von einer Beschäftigungszeit seit 01. Dezember 2003 ausgegangen werden, weil der Anstellungsvertrag eine Einstellung zum 01. Januar 2004 vorsehe und damit für den Kündigungsschutz auf die erhöhte Beschäftigungszahl ab diesem Zeitpunkt von 10 Arbeitnehmern nach § 23 KSchG abzustellen wäre, kann dem aus Rechtsgründen nach wie vor nicht gefolgt werden. Es steht nämlich fest, dass der Kläger bereits ab 01 Dezember 2003 Arbeiten für die Beklagten entsprechend der Rechnung der " Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH" ausgeführt hat und aus - vom Kläger aufgezeigten - Rechtsgründen nach § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher - der Beklagten - und Leiharbeitnehmer zustande kommt, wenn die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis fehlt. Dass die Verleih-GmbH ( Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH) eine solche Erlaubnis hatte, ist nicht vorgetragen. Darauf, ob die Beklagte ab 2004 ohnehin die für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nötige Anzahl der Beschäftigten von 10 erreicht - so die Auffassung des Klägers - kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.

45

6. Der Vortrag der Beklagten zur Begründung der streitgegenständlichen Änderungskündigung, wonach der Haushalt der Beklagten im Jahr 2004 mit einem Minussaldo von 100.000,-- € abgeschlossen habe, fehlt es wegen des vorliegend gegebenen nachhaltigen Eingriffs in das arbeitsvertragliche Synallagma entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 - und vom 20. August 1998 - 2 AZR 84/98 -) an Ausführungen dazu, dass diese Maßnahme der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dient, dass alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mitteln ausgeschöpft sind und der Einzelsanierungsbeitrag des betroffenen Arbeitnehmers Bestandteil des Gesamtkonzepts ist. Die diesbezüglichen Darlegungen, die die Beklagte treffen, beschränken sich auf die Darstellung eines Defizits ohne konkrete Ausführungen zur sonstigen Finanzlage und den Auswirkungen der erstrebten Kostensenkung für die Gemeinde. Auch erstinstanzlich hat sich die Beklagte im Wesentlichen auf die Darlegung ihrer Jahresabschlüsse, der Höhe der Gesamtpersonalkosten und der Kosten des Klägers, sowie des Erfordernisses der Festanstellung eines Rabbiners beschränkt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger in der Berufungsbeantwortung ausgeführt hat, dass sich die Gemeinde nicht nur aus Spenden und sonstigen Zuwendungen finanziere, sondern auch über Einnahmen aus 72 Mietobjekten und erheblichen Zinseinnahmen aus Bar- und Wertpapiervermögen verfüge.

46

7. Weitere ausreichende Angriffe auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts zur Verpflichtung der Zahlung des Annahmeverzugslohnes nebst Zinsen liegen nicht vor.

III.

47

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

48

Für eine Zulassung der Revision liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.

(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 61a Abs. 3 oder 4 gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Landesarbeitsgerichts glaubhaft zu machen.

(3) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen § 282 Abs. 1 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind, sind nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hatte.

(4) Soweit das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach den Absätzen 2 und 3 zulässig ist, sind diese vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung, vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorzubringen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. August 2009 - 16 Sa 2254/08 - wird hinsichtlich eines Schadensersatzbetrages von 29,88 Euro verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie über hiervon abhängige Vergütungsansprüche.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. April 2008 aufgrund eines bis zum 31. März 2009 befristeten Arbeitsvertrags als Reinigungskraft im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung gegen ein Monatsentgelt von 350,00 Euro tätig. Die tägliche Arbeitszeit betrug zwei Stunden bei einer Sechs-Tage-Woche.

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien, in dem unter Ziff. 13 ein Kündigungsrecht vereinbart ist, lautet auszugsweise wie folgt:

        

„...   

        

14. Schlussbestimmungen

        

...     

        

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann auch durch den Objektleiter/Niederlassungsleiter ausgesprochen werden.

        

…“    

4

Mit einem der Klägerin am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 25. August 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 8. September 2008. Das Kündigungsschreiben war unterzeichnet mit:

        

„i. V. [Unterschrift]

        

D C     

        

Niederlassungsleiter“

5

Herr C ist, wie im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden ist, seit dem 1. April 2000 der für die Klägerin zuständige Niederlassungsleiter. Die Klägerin hatte vor der Kündigungserklärung zu ihm keinerlei beruflichen Kontakt und kannte ihn nicht. Sie wusste bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht, dass er die Stellung eines Niederlassungsleiters innehatte.

6

Mit einem der Beklagten am Folgetag zugegangenen Schreiben vom 28. August 2008 wies die Klägerin die Kündigung ua. wegen der Nichtvorlegung einer Vollmachtsurkunde zurück. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Arbeitsverhältnis spätestens mit Befristungsablauf am 31. März 2009 geendet hat.

7

Mit ihrer am 5. September 2008 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Sie sei nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, wer der im Arbeitsvertrag erwähnte Niederlassungsleiter sei.

8

Mit mehreren Klageerweiterungen hat die Klägerin in der Berufungsinstanz die auf Basis des tariflichen Mindeststundenlohns von 8,15 Euro errechnete Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum September 2008 bis März 2009, Urlaubs(teil-)abgeltung für das Jahr 2009 sowie Schadensersatz für nicht gewährten Urlaub für das Jahr 2008 eingeklagt. Die Beklagte hat 165,72 Euro brutto als Urlaubsabgeltung für zwölf Tage Urlaub des Urlaubsjahres 2008 gezahlt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärt.

9

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25. August 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.855,48 Euro brutto nebst im Einzelnen aufgeführten Zinsbeträgen zu zahlen.

10

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass die Klägerin mit dem Hinweis im Arbeitsvertrag auf die Kündigungsberechtigung des Niederlassungsleiters ausreichend von dessen Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden sei. Durch das Kündigungsschreiben sei ihr die Stellung des Erklärenden bekannt gewesen. Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung zum 8. September 2008 beendet worden sei, bestünden keine weiteren Zahlungsansprüche.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach dem Feststellungsantrag erkannt und der Zahlungsklage in dem noch streitigen Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht nur für die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt diese ihr Ziel auf Klageabweisung weiter. Darüber hinaus hat sie widerklagend beantragt,

        

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.855,48 Euro nebst im Einzelnen aufgeführten Zinsbeträgen zu zahlen.

12

Mit dieser Widerklage macht sie die Rückzahlung der von ihr zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts geleisteten Zahlungen geltend.

Entscheidungsgründe

13

A. Die Revision ist hinsichtlich der mit ihr angegriffenen Verurteilung zur Zahlung nur teilweise zulässig.

14

I. Die Revision setzt sich mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den von ihm zugesprochenen Zahlungsansprüchen nicht im Einzelnen auseinander, sondern beschränkt sich auf den Satz, dass diese Zahlungsansprüche nicht bestünden, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien am 8. September 2008 beendet worden sei. Das genügt den an die Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen insoweit, als die Begründetheit der Zahlungsansprüche denknotwendig von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt (vgl. Senat 18. November 2010 - 6 AZR 273/10 - Rn. 34).

15

Dagegen ist die Revision unzulässig, soweit in dem vom Landesarbeitsgericht der Klägerin zugesprochenen Schadensersatzanspruch für den untergegangenen Urlaub des Jahres 2008 auch der selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten bestehende Teilurlaub nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BUrlG enthalten ist. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin insoweit unter Zugrundelegung des gesetzlichen Mindestlohns pro Tag 16,30 Euro brutto und nicht lediglich, wie von der Beklagten bei der Berechnung dieses Teilurlaubsanspruchs angenommen, 13,81 Euro brutto zuerkannt. In Höhe der Differenz von insgesamt 29,88 Euro brutto für die von der Beklagten abgegoltenen zwölf Urlaubstage hängt der Zahlungsanspruch nicht davon ab, ob die Beklagte mit ihrer Rechtsauffassung zu § 174 BGB in der Revision Erfolg hat. Darum wäre insoweit für die Zulässigkeit der Revision ein gesonderter Revisionsangriff erforderlich gewesen. Ein solcher ist nicht erfolgt.

16

II. Der mit dem Widerklageantrag verfolgte Anspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO kann auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren(BAG 23. Dezember 1961 - 5 AZR 53/61 - BAGE 12, 158, 166; Senat 5. November 1981 - 6 AZR 577/79 -) und, soweit wie hier der Hauptsacheanspruch noch rechtshängig ist, noch in der Revisionsinstanz gestellt werden (Wieczorek/Schütze/Heß ZPO 3. Aufl. § 717 Rn. 31; Zöller/Herget ZPO 27. Aufl. § 717 Rn. 13; vgl. BAG 1. August 2001 - 4 AZR 298/00 - EzBAT BAT §§ 22, 23 B. 1 Allgemeiner Verwaltungsdienst VergGr. IVb Nr. 27; BGH 29. Oktober 1980 - VIII ZR 148/79 - NJW 1981, 222). Es handelt sich um einen seiner Art nach prozessrechtlichen Anspruch, dessen Umfang durch die materiell-rechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB bestimmt wird. Er kann nach Wahl des Antragstellers als Inzidentantrag (BAG 23. Dezember 1961 - 5 AZR 53/61 - aaO; BGH 4. November 1981 - VIII ZR 215/80 - NJW 1982, 435), aber auch im Wege der Widerklage verfolgt werden (vgl. Senat 29. Februar 1996 - 6 AZR 381/95 - AP TV Ang Bundespost § 16 Nr. 1 = EzBAT BAT § 72 Nr. 6 für § 717 Abs. 2 ZPO; Zöller/Herget ZPO 27. Aufl. § 717 Rn. 13, 18 und Zöller/Vollkommer aaO § 33 Rn. 10; MünchKommZPO/Krüger 3. Aufl. § 717 Rn. 32).

17

Sinn von § 717 Abs. 3 ZPO ist es, nach Aufhebung des die Vollstreckung ermöglichenden Urteils Vermögensverschiebungen, die ohne Rechtsgrundlage erfolgt sind, so schnell wie möglich rückgängig zu machen. Der Vollstreckungsschuldner soll nicht darunter leiden, dass der Gläubiger sich durch voreilige Ausnutzung der ihm vom Staat durch die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils eingeräumten Machtstellung in den Genuss der Urteilssumme gesetzt hat (BAG 23. Dezember 1961 - 5 AZR 53/61 - BAGE 12, 158, 167 f.). Bis zur Urteilsaufhebung durch das Revisionsgericht besteht der Bereicherungsanspruch nur bedingt. Die Urteilsaufhebung ist ein innerprozessuales Ereignis, ohne dessen Eintritt über den Antrag nach § 717 Abs. 3 ZPO nicht zu befinden ist. Ausgehend davon handelt es sich bei diesem Antrag in jedem Fall um einen Eventualantrag (vgl. Krafft JuS 1997, 734, 737).

18

B. Im Umfang ihrer Zulässigkeit ist die Revision unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25. August 2008 beendet worden ist. Daraus ergeben sich die vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug und Schadensersatz für die untergegangenen Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche. Der im Wege der Eventualwiderklage erhobene Anspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO ist damit nicht zur Entscheidung angefallen.

19

I. Die Kündigung der Beklagten vom 25. August 2008 ist gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam, weil ihr keine Vollmachtsurkunde beigefügt war und die Klägerin die Kündigung deswegen unverzüglich zurückgewiesen hat. Das Zurückweisungsrecht war nicht nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte hat die Klägerin über das Kündigungsrecht des Niederlassungsleiters C nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt.

20

1. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Das Zurückweisungsrecht ist nach § 174 Satz 2 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber dem Erklärungsempfänger die Bevollmächtigung vorher mitgeteilt hat. Folge der Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB ist - unabhängig vom Bestehen der Vollmacht - die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus(Senat 20. September 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 33, BAGE 119, 311).

21

2. Der Kündigungserklärung des Niederlassungsleiters C im Schreiben vom 25. August 2008 war keine auf ihn lautende Vollmachtsurkunde beigefügt. Die Klägerin hat die ihr am Montag, dem 25. August 2008, zugegangene Kündigung aus diesem Grunde mit einem bei der Beklagten am Freitag, dem 29. August 2008, eingegangenen Schreiben und damit noch unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen. Die Zeit zwischen dem 25. und dem 29. August 2008 hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei als angemessene Überlegungsfrist und Frist zur Einholung von Rechtsrat angesehen. Es sind keine Umstände des Einzelfalls ersichtlich, die auf ein schuldhaftes Zögern der Klägerin schließen lassen (vgl. BAG 30. Mai 1978 - 2 AZR 633/76 - AP BGB § 174 Nr. 2 = EzA BGB § 174 Nr. 2).

22

3. Das Zurückweisungsrecht war nicht gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die bloße Kundgabe der dem jeweiligen Niederlassungsleiter zur Erklärung von Kündigungen erteilten Innenvollmacht in den Schlussbestimmungen des Arbeitsvertrags reichte nicht aus, um die Klägerin von dessen Bevollmächtigung in Kenntnis zu setzen. Dafür hätte es eines weiteren Handelns der Beklagten bedurft, durch das der Klägerin zumindest aufgezeigt worden wäre, auf welche Weise sie den Namen des aktuellen Niederlassungsleiters erfahren könne. Das ergibt sich aus dem Zweck des § 174 BGB.

23

a) § 174 BGB steht im Zusammenhang mit dem Verbot vollmachtlosen Handelns bei einseitigen Rechtsgeschäften(§ 180 Satz 1 BGB). Hat der Vertreter wie im vorliegenden Fall Vertretungsmacht, ist die Vertretung zwar zulässig. Ohne Nachweis dieser Vollmacht weiß der Empfänger aber nicht, ob das ihm gegenüber vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft wirksam ist. § 174 BGB dient dazu, klare Verhältnisse zu schaffen(MünchKommBGB/Schramm 5. Aufl. § 174 Rn. 1; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 174 Rn. 1). Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt, wenn er keine Gewissheit hat, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und sich der Arbeitgeber dessen Erklärung tatsächlich zurechnen lassen muss (BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 460/92 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 174 Nr. 10 = EzA BGB § 174 Nr. 10). Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden ist oder üblicherweise verbunden zu sein pflegt. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen (Senat 20. September 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 46, 52, BAGE 119, 311). Das Inkenntnissetzen nach § 174 Satz 2 BGB muss darum ein gleichwertiger Ersatz für die fehlende Vorlage der Vollmachtsurkunde sein(vgl. BAG 20. August 1997 - 2 AZR 518/96 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 11 = EzA BGB § 174 Nr. 12).

24

b) Ausgehend von diesem Zweck des § 174 BGB reicht für ein Inkenntnissetzen iSd. § 174 Satz 2 BGB die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, dass der jeweilige Inhaber einer bestimmten Stelle kündigen dürfe, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein zusätzliches Handeln des Vollmachtgebers, aufgrund dessen es dem Empfänger der Kündigungserklärung möglich ist, der ihm genannten Funktion, mit der das Kündigungsrecht verbunden ist, die Person des jeweiligen Stelleninhabers zuzuordnen.

25

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein Inkenntnissetzen iSd. § 174 Satz 2 BGB vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter - zB durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung - in eine Stelle berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist(seit 30. Mai 1972 - 2 AZR 298/71 - BAGE 24, 273). Dabei reicht allerdings die bloße Übertragung einer solchen Funktion nicht aus, wenn diese Funktionsübertragung aufgrund der Stellung des Bevollmächtigten im Betrieb nicht ersichtlich ist und auch keine sonstige Bekanntmachung erfolgt (BAG 20. August 1997 - 2 AZR 518/96 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 11 = EzA BGB § 174 Nr. 12). Vielmehr ist es erforderlich, dass der Erklärungsempfänger davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Erklärende diese Stellung tatsächlich innehat (Senat 20. September 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 49, BAGE 119, 311; BAG 29. Oktober 1992 - 2 AZR 460/92 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 174 Nr. 10 = EzA BGB § 174 Nr. 10; vgl. auch 9. Mai 1985 - 2 AZR 355/84 - zu III 5 b aa der Gründe; BGH 20. Oktober 2008 - II ZR 107/07 - Rn. 11, 14, NJW 2009, 293). Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass die Berufung eines Mitarbeiters auf die Stelle eines Personalleiters oder eine ähnliche Stelle zunächst ein rein interner Vorgang ist. Ein Inkenntnissetzen iSd. § 174 Satz 2 BGB verlangt aber begriffsnotwendig auch einen äußeren Vorgang, der diesen inneren Vorgang öffentlich macht und auch die Arbeitnehmer erfasst, die erst nach einer eventuell im Betrieb bekannt gemachten Berufung des kündigenden Mitarbeiters in eine mit dem Kündigungsrecht verbundene Funktion eingestellt worden sind(vgl. Lux NZA-RR 2008, 393, 395 f.).

26

bb) Ist nach einer öffentlich bekannt gemachten Satzung oder einem öffentlich bekannt gemachten Erlass mit dem Bekleiden einer bestimmten Funktion die Kündigungsbefugnis verbunden, muss sich der Erklärungsempfänger zwar die Kenntnis der Satzung oder des Erlasses, aus dem sich das Bestehen der Vertretungsmacht als solcher, dh. das Kündigungsrecht des jeweiligen Inhabers der in der Satzung oder im Erlass genannten Stelle, zurechnen lassen ( Senat 20. September 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 50, BAGE 119, 311; BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - BAGE 96, 65, 69). Den Anforderungen des § 174 Satz 2 BGB ist aber auch in dieser Konstellation erst dann genügt, wenn der Erklärungsempfänger von der Person des Stelleninhabers in Kenntnis gesetzt ist. Dabei genügt es nicht, dass sich die Zuordnung der Person zur Funktion aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Erforderlich ist vielmehr ein zusätzliches Handeln des Vertretenen zur Information des Arbeitnehmers. Dafür reicht es aus, den Arbeitnehmer aufzufordern, sich über die Organisationsstruktur aus den ihm übergebenen Unterlagen oder dem ihm zugänglichen Intranet zu informieren, sofern sich aus diesen Quellen ergibt, wer die mit der Vertretungsmacht verbundene Funktion konkret bekleidet (Senat 20. September 2006 - 6 AZR 82/06 - aaO).

27

cc) Kündigt ein Prokurist, ist die Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB zwar auch dann ausgeschlossen, wenn der Erklärungsempfänger keine Kenntnis von der Erteilung der Prokura bzw. der Prokuristenstellung hat und der Vertreter ohne Hinweis auf seine Prokura handelt. In dieser Konstellation wird jedoch die nach § 174 Satz 2 BGB erforderliche Kenntnis des Erklärungsempfängers von der Bevollmächtigung im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs nach der Eintragung der Prokura in das Handelsregister durch § 15 Abs. 2 HGB fingiert. Aufgrund der Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB muss sich der Dritte so behandeln lassen, als ob er die länger als 15 Tage eingetragene Tatsache kennt(BAG 11. Juli 1991 - 2 AZR 107/91 - AP BGB § 174 Nr. 9 = EzA BGB § 174 Nr. 9; kritisch Lux NZA-RR 2008, 393; Boecken Anm. EzA BGB § 174 Nr. 9).

28

Eine direkte Kundgabe der Bevollmächtigung und der Person des Bevollmächtigten durch den Vollmachtgeber selbst ist also in diesen Fällen nur aufgrund der Publizität des Handelsregisters entbehrlich.

29

dd) Teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits im Arbeitsvertrag mit, dass der (jeweilige) Inhaber einer bestimmten Funktion kündigungsbefugt ist, liegt darin die Kundgabe der Erteilung einer Innenvollmacht. Diese Kundgabe bedarf keiner Form und unterliegt auch keiner Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB, insbesondere keiner Kontrolle auf Transparenz und Einhaltung des Überraschungsverbots. Anders als vom Verwender vorformulierte einseitige Erklärungen des Arbeitnehmers sind einseitige Rechtsgeschäfte und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen des Verwenders selbst keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSd. § 305 BGB(Däubler/Bonin/Deinert/Deinert AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 3. Aufl. § 305 Rn. 7).

30

Die bloße Kundgabe der Erteilung der Innenvollmacht genügt aber den Anforderungen an ein Inkenntnissetzen iSd. § 174 Satz 2 BGB allein noch nicht. Auch der Hinweis des Kündigenden auf seine Vertreterstellung im Kündigungsschreiben schließt das Zurückweisungsrecht des Arbeitnehmers nicht aus (vgl. Senat 20. September 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 50, BAGE 119, 311; BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Erforderlich ist vielmehr ein zusätzliches Handeln des Vollmachtgebers selbst, das es vor Zugang der Kündigungserklärung dem Erklärungsempfänger ermöglicht, die Person des Kündigenden der kündigungsberechtigten Funktion zuzuordnen. Dabei muss nicht zwingend der Kündigungsberechtigte im Arbeitsvertrag namentlich bezeichnet werden. Ausreichend für ein Inkenntnissetzen ist es auch, wenn der Arbeitgeber im Vertrag oder während des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer einen Weg aufzeigt, auf dem dieser vor Zugang der Kündigung immer unschwer erfahren kann, welche Person die Position innehat, mit der nach dem Arbeitsvertrag das Kündigungsrecht verbunden ist. Dabei muss der aufgezeigte Weg dem Arbeitnehmer nach den konkreten Umständen des Arbeitsverhältnisses zumutbar sein und den Zugang zu der Information über die bevollmächtigte Person auch tatsächlich gewährleisten, etwa durch einen Aushang an der Arbeitsstelle, durch das dem Arbeitnehmer zugängliche Intranet oder durch die Möglichkeit der Auskunftseinholung bei einem anwesenden oder zumindest jederzeit leicht erreichbaren Vorgesetzten. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer von der ihm aufgezeigten Möglichkeit zur Information vor Zugang der Kündigung tatsächlich Gebrauch macht. Den Anforderungen des § 174 Satz 2 BGB ist auch dann genügt, wenn dies nicht oder erst nach Erhalt des Kündigungsschreibens geschieht.

31

c) Diese Auslegung des § 174 Satz 2 BGB wird den Erfordernissen des Arbeitslebens, von denen sich das Bundesarbeitsgericht bei den an ein Inkenntnissetzen zu stellenden Anforderungen stets hat leiten lassen(vgl. BAG 30. Mai 1972 - 2 AZR 298/71 - BAGE 24, 273, 277), gerecht. In Branchen, die von einer hohen Fluktuation geprägt sind, würde es einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten, wenn jedem Kündigungsschreiben eine Vollmacht beigefügt werden müsste. Dabei wäre in jedem Fall eine Urschrift oder eine diese ersetzende Ausfertigung erforderlich, Abschriften oder Fotokopien sowie Faxkopien reichten nicht (vgl. BGH 4. Februar 1981 - VIII ZR 313/79 - AP BGB § 174 Nr. 5). Die Mitteilung, auf welche Weise der Arbeitnehmer die Person des Kündigungsberechtigten immer unschwer erfahren kann, ist dagegen ohne besonderen Aufwand möglich. Sie schafft klare Verhältnisse und stellt unter den genannten Voraussetzungen für den Erklärungsempfänger hinreichend sicher, dass der Kündigende tatsächlich kündigungsbefugt ist.

32

d) Die Beklagte hat die Klägerin nicht ausreichend von der Bevollmächtigung des Niederlassungsleiters C in Kenntnis gesetzt. Sie hat der Klägerin weder im Arbeitsvertrag selbst noch später bis zur Erklärung der Kündigung mitgeteilt, wer der für sie zuständige Niederlassungsleiter ist. Sie hat ihr auch bis zur Kündigung keinen Weg aufgezeigt, auf dem sie immer unschwer erfahren konnte, wer diese Funktion bekleidete.

33

4. Der Klägerin ist es nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf ihre Unkenntnis von der Vollmacht des Niederlassungsleiters C zu berufen.

34

a) Die Zurückweisung ist nach § 242 BGB unzulässig, wenn der Kündigungsempfänger den Vertreter in der bestehenden Geschäftsverbindung auch ohne Vorlage der Vollmachtsurkunde bereits wiederholt als solchen anerkannt hat, solange kein begründeter Zweifel am Bestehen der Vollmacht aufgetreten ist(BGH 20. Oktober 2008 - II ZR 107/07 - Rn. 15, NJW 2009, 293; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 174 Rn. 5).

35

b) Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keinen Vertrauenstatbestand bei der Beklagten geschaffen. Sie hat unstreitig keinerlei Kontakt mit dem Niederlassungsleiter C gehabt. Das Arbeitsverhältnis wurde ausschließlich über die Objektleiterin abgewickelt. Herr C hat auch den Arbeitsvertrag nicht unterzeichnet. Ohnehin ergäbe sich selbst aus einem solchen Umstand nicht mit hinreichender Sicherheit, dass ein Kündigungsrecht bestand. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nach dem die Befugnis zur Einstellung stets mit der zu einer Entlassung verbunden ist (vgl. BAG 29. Juni 1989 - 2 AZR 482/88 - AP BGB § 174 Nr. 7 = EzA BGB § 174 Nr. 6).

36

II. Die Revision ist auch unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 1.515,90 Euro brutto unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für Dezember 2008 bis einschließlich März 2009 sowie zur Zahlung von Schadensersatz von 309,70 Euro brutto für die untergegangenen Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche wendet. Diese Ansprüche ergeben sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März 2009. Ihre Höhe hat das Landesarbeitsgericht zutreffend errechnet. Konkrete Rügen erhebt die Beklagte diesbezüglich nicht.

37

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Sieberts    

        

    Spiekermann    

                 

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 10. Februar 2010 - 13 Sa 68/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer am Ende der Probezeit des Berufsausbildungsverhältnisses erklärten Kündigung.

2

Der 1991 geborene Kläger schloss, vertreten durch seine Eltern, mit der Beklagten am 17. Juni 2008 einen Vertrag über eine am 1. August 2008 beginnende Ausbildung zur „Fachkraft für Lagerlogistik“. Im Ausbildungsvertrag war eine Probezeit von drei Monaten vereinbart, ferner die Geltung des Tarifvertrags für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) vom 13. September 2005. Als Ausbildender (Ausbildungsbetrieb) war das „Materialdepot N“ angegeben. Unterschrieben war der Ausbildungsvertrag über der Zeile „Der Ausbildende (Betrieb)“ hinter der maschinenschriftlichen Angabe „Bw-Dienstleistungszentrum E“ von einem Beschäftigten dieses Zentrums, dessen Unterschrift nicht leserlich ist. In der Folgezeit erhielt der Kläger sämtliche Unterlagen und Informationen über das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum E.

3

Durch Organisationsbefehl des Bundesministeriums der Verteidigung vom 3. April 2008 wurde das Materialdepot N zum 30. September 2008 aufgelöst. Durch Befehl vom 14. August 2008 wurde das Materiallager N errichtet und dieses ab dem 1. Oktober 2008 dem Materialdepot Er unterstellt. Unverändert blieb das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum E personalbearbeitende Stelle für die in N tätigen Beschäftigten.

4

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 beteiligte der Kommandant des Materialdepots Er den dort gebildeten Personalrat bezüglich der gegenüber dem Kläger beabsichtigten Kündigung innerhalb der Probezeit. Der Personalrat stimmte dieser nach seiner ordentlichen Sitzung vom 30. Oktober 2008 noch am selben Tag zu.

5

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis. Das Schreiben war unter dem Briefkopf „Bundeswehr-Dienstleistungszentrum E - der Leiter“ vom Leiter dieses Zentrums, M, unterzeichnet und „An den Auszubildenden Ma K, gesetzlich vertreten durch die Eltern F und Ka K“ adressiert. Ihm lag keine Kündigungsvollmacht bei. Es wurde per Boten am 31. Oktober 2008, einem Freitag, um 8:30 Uhr in den gemeinsamen Briefkasten der Familie K eingeworfen, nachdem trotz mehrmaligen Läutens niemand geöffnet hatte. Der Kläger war an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt. Seine Eltern befanden sich nach seinen Angaben auf Reisen. Der Kläger nahm das Schreiben tatsächlich erst am 2. November 2008 zur Kenntnis. Noch am selben Tag informierte er hierüber telefonisch seine Mutter. Dieser lag nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub das Kündigungsschreiben am Montag, dem 3. November 2008, vor.

6

Gemäß Ziff. 3.2.5 des Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. September 1996 (VMBl. 1996 S. 382 ff.) obliegen die Personalangelegenheiten der Angestellten der Vergütungsgruppen X bis Vc, Kr I bis VI sowie der Auszubildenden den Standortverwaltungen (StOV) für ihren Zuständigkeitsbereich. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Ortsbehörden der Territorialen Wehrverwaltung der Bundeswehr als Standortverwaltungen bezeichnet. Aufgrund der Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 16. November 2007 wurden diese Behörden ab dem 1. Januar 2007 nach der Zusammenfassung ihrer Aufgaben mit denen der Truppenverwaltung, Rechnungsführer und Zahlstellen in „Bundeswehr-Dienstleistungszentrum (Bw-DLZ)“ umbenannt. Diese Zentren sind unverändert Ortsbehörden innerhalb der Territorialen Wehrverwaltung. Die Umbenennung wurde im Internet auf der Homepage der Bundeswehr bekannt gemacht.

7

Mit Schreiben vom 12. November 2008, das der Beklagten am Donnerstag, dem 13. November 2008, zuging und dem keine Originalvollmacht beigefügt war, rügte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die fehlende Vertretungsmacht gemäß § 180 BGB und wies die Kündigung gemäß § 174 BGB zurück.

8

Der vom Kläger am 21. November 2008 angerufene Schlichtungsausschuss entschied durch Spruch vom 21. Januar 2009, dass die Kündigung unwirksam sei und das Ausbildungsverhältnis fortbestehe. Die Beklagte erkannte den Spruch nicht an. Mit seiner am 3. Februar 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen, zuletzt nur noch gegen die Beklagte gerichteten Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 31. Oktober 2008 und verfolgt - wie er in der Revision klargestellt hat im Wege des uneigentlichen Hilfsantrags - Zahlungs- und Schadenersatzansprüche.

9

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei nicht innerhalb der Probezeit zugegangen, da sie nicht an seine gesetzlichen Vertreter, sondern an ihn selbst adressiert gewesen sei. Darüber hinaus sei die Kündigung aus formalen Gründen unwirksam, da der Ausbildungsvertrag mit dem Materialdepot N geschlossen worden sei, die Kündigung jedoch vom Bundeswehr-Dienstleistungszentrum E stamme. Selbst wenn es eine Bevollmächtigung gegeben habe, hätte dem Kündigungsschreiben eine Vollmachtsurkunde im Original beigefügt werden müssen. Die Veröffentlichung im Ministerialblatt des Bundesministeriums der Verteidigung reiche für die Bekanntmachung des Vertretungsverhältnisses nicht aus, zumal nicht die darin genannte Standortverwaltung gekündigt habe. Die Zurückweisung des Kündigungsschreibens sei rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgt. Schließlich verstoße die Kündigung gegen Treu und Glauben. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, seine Eltern vor Ausspruch der Kündigung zu informieren, um dem Erziehungsgedanken des Berufsausbildungsverhältnisses Genüge zu tun.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 31. Oktober 2008 nicht beendet worden ist;

        

2.    

im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.547,56 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB in im Einzelnen aufgeführter gestaffelter Höhe zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm sämtlichen durch die Kündigung vom 31. Oktober 2008 entstandenen und in Zukunft entstehenden materiellen Schaden zu erstatten.

11

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass das Kündigungsschreiben noch am letzten Tag der Probezeit zugegangen sei. Es sei korrekt adressiert gewesen. Die Rüge nach § 174 BGB sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Vertretungsverhältnisse bekannt gemacht worden seien. Die Umbenennung der Standortverwaltungen sei ebenfalls wirksam und ausreichend bekannt gemacht worden. Ohnehin sei die Zurückweisung verspätet erfolgt.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Kündigung der Beklagten vom 31. Oktober 2008 habe das Ausbildungsverhältnis in der Probezeit beendet.

14

I. Der Kläger ist im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens volljährig geworden. Die Vorinstanzen haben zu Recht den Rechtsstreit ohne Unterbrechung fortgesetzt. Mit Eintritt der Volljährigkeit ist der Kläger prozessfähig geworden. Der Rechtsstreit ist in der Lage, in der er sich bei Eintritt der Volljährigkeit befand, gemäß § 241 Abs. 1 ZPO auf den Kläger übergegangen. Die von seinen Eltern erteilte Prozessvollmacht ist wirksam geblieben (vgl. BAG 17. September 2009 - 6 AZR 369/08 - Rn. 12, BAGE 132, 125).

15

II. Der Kläger hat innerhalb von zwei Wochen nach dem Spruch des Schlichtungsausschusses vom 21. Januar 2009 Klage erhoben (§ 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG).

16

III. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten ist den gesetzlichen Vertretern des Klägers noch am letzten Tag der Probezeit am 31. Oktober 2008 zugegangen. Sie ist auch weder gemäß § 174 Satz 1 BGB unwirksam noch treuwidrig iSv. § 242 BGB. Der zuständige Personalrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden. Das Ausbildungsverhältnis der Parteien ist deshalb durch die entfristete ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31. Oktober 2008 gemäß § 22 Abs. 1 BBiG mit diesem Tag beendet worden.

17

1. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Kündigungsschreiben vom 31. Oktober 2008 sei den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern noch innerhalb der im Ausbildungsvertrag im Einklang mit § 3 Abs. 1 TVAöD - Besonderer Teil BBiG vereinbarten Probezeit zugegangen, ist rechtsfehlerfrei.

18

a) Die Kündigung musste gegenüber den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt werden. Eine Ermächtigung des Klägers iSd. § 113 BGB, ein Dienstverhältnis einzugehen, die zu einer entsprechenden Teilgeschäftsfähigkeit geführt hätte, lag nicht vor. Es kann deshalb dahinstehen, ob Berufsausbildungsverträge überhaupt unter diese Vorschrift fallen (ablehnend ErfK/Preis 11. Aufl. § 113 BGB Rn. 2; Palandt/Ellenberger BGB 70. Aufl. § 113 Rn. 2; Staudinger/Singer/Benedict [2004] § 131 Rn. 5; Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 10 Rn. 23; Benecke in Benecke/Hergenröder BBiG § 10 Rn. 14; bejahend BAG 22. Januar 2008 - 9 AZR 999/06 - Rn. 18, BAGE 125, 285; Munk in Braun/Mühlhausen/Munk/Stück § 3 Rn. 50 ff.).

19

b) Eine gegenüber einem nach § 106 BGB in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Minderjährigen abgegebene schriftliche Willenserklärung geht zu und wird gemäß § 131 Abs. 2 Satz 1 BGB wirksam, wenn sie mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden ist, dass sie seinen gesetzlichen Vertreter erreicht, und wenn sie tatsächlich in den Herrschaftsbereich des Vertreters gelangt. Sie muss mit Willen des Erklärenden in Richtung auf den gesetzlichen Vertreter in den Verkehr gelangt sein und der Erklärende muss damit gerechnet haben können und gerechnet haben, sie werde - und sei es auf Umwegen - den von ihm bestimmten Empfänger erreichen (vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 794/09 - Rn. 24 f., 35, AP BGB § 131 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 131 Nr. 1 für den Zugang bei einem Geschäftsunfähigen).

20

aa) Nach diesen Grundsätzen ist das Kündigungsschreiben der Beklagten noch am 31. Oktober 2008 zugegangen. Das Schreiben war für die Eltern des Klägers als dessen gesetzliche Vertreter bestimmt und ist mit dem entsprechenden Willen der Zuleitung an sie von der Beklagten den Boten übergeben worden und damit in den Verkehr gelangt.

21

(1) Die Beklagte wollte die Kündigungserklärung gegenüber den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern abgeben. Das ergab sich eindeutig aus der Anrede des Kündigungsschreibens, die „Sehr geehrte Frau und Herr K“ lautet, sowie aus der Formulierung im ersten Absatz dieses Schreibens „hiermit kündige ich das mit Ihrem Sohn … begründete Berufsausbildungsverhältnis“. Auch aus der für die Übergabe durch Boten vorbereiteten Empfangsbescheinigung ergab sich der Wille der Beklagten, die Kündigungserklärung an die Eltern des Klägers zu richten. Diese war für die Eltern des Klägers - nachfolgend handelnd als gesetzliche Vertreter - bestimmt. Mit ihr sollte bescheinigt werden, dass die Eltern die Kündigungserklärung des Ausbildungsverhältnisses ihres Sohnes erhalten haben. Sie sollte von ihnen unterzeichnet werden.

22

(2) Die Boten, denen der Zugangswille der Beklagten jedenfalls aufgrund der vorbereiteten Empfangsbescheinigung bekannt war, sollten das Schreiben den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern zuleiten. Weil sie niemanden angetroffen haben, haben sie den Brief in den gemeinsamen Hausbriefkasten der Familie des Klägers eingeworfen. Mit dem Einwurf in den Briefkasten hatte das Kündigungsschreiben die gesetzlichen Vertreter des Klägers als von der Beklagten bestimmte Empfänger erreicht: Es war dadurch in den Machtbereich der Eltern des Klägers gelangt.

23

Der Kläger erhebt keine Verfahrensrüge gegen die auf die entsprechende Feststellung des Arbeitsgerichts gestützte Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Kündigungsschreiben sei am 31. Oktober 2008 bereits gegen 8:30 Uhr, also vor der üblichen Postzustellzeit, in den Briefkasten eingeworfen worden. Damit bestand für die Eltern des Klägers unter gewöhnlichen Verhältnissen noch am 31. Oktober 2008 die Möglichkeit, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Ungeachtet ihrer Ortsabwesenheit ist das Kündigungsschreiben ihnen als gesetzlichen Vertretern des Klägers deshalb noch am 31. Oktober 2008 zugegangen (vgl. st. Rspr., zuletzt BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 687/09 - Rn. 9, EzA BGB 2002 § 130 Nr. 6). Unerheblich ist insoweit der Einwand des Klägers, nur ein Elternteil, nämlich seine Mutter, habe tatsächlich Kenntnis von dem Kündigungsschreiben erlangt. Ohnehin genügt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB für den Empfang von Willenserklärungen die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Deshalb ist jeder Elternteil zur Entgegennahme der Kündigung berechtigt (Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 22 Rn. 11).

24

bb) Die Ansicht des Klägers, die von der Beklagten gewählte Anschrift sei als Adressierung an ihn selbst zu verstehen, weswegen der Einwurf in den Hausbriefkasten nicht zum Zugang der Kündigung am 31. Oktober 2008 geführt habe, überzeugt nicht. Ein Kündigungsschreiben, das an den Auszubildenden, gesetzlich vertreten durch seine Eltern adressiert ist, lässt den Willen des Ausbildenden, dass das Kündigungsschreiben die Eltern des Minderjährigen als dessen gesetzliche Vertreter erreichen soll, noch hinreichend erkennen. Die Beklagte hat damit die Eltern des Klägers in ihrer Eigenschaft als dessen gesetzliche Vertreter iSv. § 1626 Abs. 1 iVm. § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB angeschrieben. Entsprechend dieser gesetzlichen Konstruktion ist im Übrigen auch der Ausbildungsvertrag geschlossen und das Aktivrubrum in der Klageschrift gefasst worden (für eine derartige Adressierung auch: Schrader in Schaub/Koch/Neef/Schrader/Vogelsang Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch 9. Aufl. § 33 Rn. 9).

25

cc) Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass bei der von der Beklagten gewählten Adressierung der Erklärende bei postalischer Übermittlung ein gewisses Zustellrisiko trägt. Hat der Minderjährige - etwa weil er eine Einliegerwohnung im elterlichen Haus bewohnt - einen eigenen, deutlich als solchen gekennzeichneten Briefkasten und wirft der Postzusteller ein entsprechend adressiertes, per Post übersandtes Kündigungsschreiben in diesen und nicht in den Briefkasten der Eltern ein, geht das Kündigungsschreiben erst zu, wenn es der Minderjährige den Eltern übergibt. Die Zusteller der Post sind gemäß § 2 Nr. 4 Satz 2 der Post-Universaldienstleistungsverordnung(PUDLV) gehalten, eine Sendung „an der in der Anschrift genannten Wohn- oder Geschäftsadresse durch Einwurf in eine für den Empfänger bestimmte … Vorrichtung für den Empfang von Briefsendungen oder durch persönliche Aushändigung an den Empfänger“ zuzustellen. Es ist nicht auszuschließen, dass bei einer Adressierung, wie sie die Beklagte gewählt hat, das Schreiben in den Briefkasten des Minderjährigen eingeworfen wird. Will der Ausbildende dieses Risiko vermeiden, muss er das Kündigungsschreiben an die Eltern als gesetzliche Vertreter des Auszubildenden adressieren.

26

2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB verneint.

27

a) Ohne ausdrückliche Problematisierung hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, die Beklagte habe das Zurückweisungsschreiben des Klägers vom 12. November 2008, dem keine Originalvollmacht beilag, nicht ihrerseits unverzüglich zurückgewiesen. Auch das Zurückweisungsschreiben nach § 174 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft iSd. § 174 BGB. Liegt diesem Schreiben keine Originalvollmacht bei, kann die Zurückweisungserklärung vom Kündigenden nach § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen werden. Die Zurückweisungserklärung ist dann unwirksam (KR/Friedrich 9. Aufl. § 13 KSchG Rn. 349; Nies NZM 1998, 221, 222). Die Beklagte hat von dieser Möglichkeit aber erst in der Berufungsbegründung und damit nicht unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB Gebrauch gemacht.

28

b) Dagegen begegnet die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe den Kläger bzw. seine Eltern über die Kündigungsbefugnis des Leiters des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums E iSd. § 174 Satz 2 BGB ausreichend in Kenntnis gesetzt, rechtlichen Bedenken. Das gilt auch dann, wenn durch die Umbenennung der Standortverwaltungen nur eine Namens- und keine Organisationsänderung erfolgt ist, wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist und wogegen die Revision keine Angriffe erhebt. Dann würden zwar die den Leitern der Standortverwaltungen erteilten (Innen-)Vollmachten nunmehr zugunsten der Leiter der Dienstleistungszentren fortbestehen (vgl. für die Gesamtrechtsnachfolge Frey Rechtsnachfolge in Vollmachtnehmer- und Vollmachtgeberstellungen S. 61, 63, 81). Es ist aber fraglich, ob diese Vollmacht ausreichend bekannt gemacht worden ist.

29

aa) Zwar genügt grundsätzlich die öffentliche Bekanntmachung der Kündigungsbefugnis für ein Inkenntnissetzen von der Kündigungsbefugnis (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - BAGE 96, 65, 69). Es erscheint aber bereits nicht unproblematisch, ob eine derart komplizierte, zutiefst ausdifferenzierte Regelung wie der Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. September 1996 noch den Anforderungen des Inkenntnissetzens nach § 174 Satz 2 BGB genügt, das ein gleichwertiger Ersatz für die fehlende Vollmachtsurkunde sein muss(BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 174 Nr. 6; zweifelnd bereits für umfangreiche Geschäftsverteilungspläne von Behörden Schmiegel/Yalçin ZTR 2011, 395, 403). Jedenfalls verlangt der Erlass nach Inkrafttreten des TVöD Nachforschungen darüber, für welchen Personenkreis noch welche Kündigungsbefugnisse bestehen. Die unter Ziff. 3.2 des Erlasses genannten Vergütungs- bzw. Lohngruppen existieren nicht mehr, die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten ist aufgegeben. Darüber hinaus müsste der Empfänger einer Kündigungserklärung durch Nachforschungen ermitteln, welche der zahlreichen im Erlass vom 9. September 1996 genannten kündigungsbefugten Behörden für ihn im Jahr 1996 zuständig gewesen wäre, ob diese Behörde im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung noch besteht und welche Bezeichnung sie jetzt führt. Derartige Nachforschungen soll § 174 BGB gerade vermeiden(BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 -aaO).

30

bb) Diesen Bedenken lässt sich entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht damit begegnen, dass der Leiter des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums E in eine Stellung berufen sei, die üblicherweise mit Kündigungsvollmacht ausgestattet ist. Den Anforderungen des § 174 Satz 2 BGB ist erst genügt, wenn der Erklärungsempfänger auch von der konkreten Person des Stelleninhabers in Kenntnis gesetzt ist. Erforderlich ist insoweit ein zusätzliches Handeln des Vertretenen zur Information des Erklärungsempfängers. Dafür reicht es aus, diesen aufzufordern, sich über die Organisationsstruktur aus den ihm übergebenen Unterlagen oder dem ihm zugänglichen Intranet zu informieren, sofern sich aus diesen Quellen ergibt, wer die mit der Vertretungsmacht verbundene Funktion konkret bekleidet (BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 26, EzA BGB 2002 § 174 Nr. 6). Ein derartiges Handeln der Beklagten ist hier jedoch nicht festgestellt.

31

c) Letztlich kann dahinstehen, ob die Beklagte den Kläger bzw. seine Eltern hinreichend von der Kündigungsbefugnis des Leiters des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums in Kenntnis gesetzt hat. Auch wenn dies nicht der Fall war, ist die Kündigung der Beklagten nicht nach § 174 BGB unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die Kündigung nicht unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen.

32

aa) Für die Frage, ob eine Zurückweisung iSd. § 174 Satz 1 BGB unverzüglich erfolgt ist, gelten die zu § 121 BGB aufgestellten Grundsätze entsprechend. Die Zurückweisung muss daher nicht sofort erfolgen. Dem Erklärungsempfänger ist vielmehr eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rates eines Rechtskundigen darüber einzuräumen, ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Bevollmächtigung zurückweisen soll. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Bevollmächtigung zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (st. Rspr. seit BAG 30. Mai 1978 - 2 AZR 633/76 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 174 Nr. 2 = EzA BGB § 174 Nr. 2).

33

bb) Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist nach diesen Grundsätzen nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB(vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 159/00 - AP BGB § 626 Nr. 171 = EzA BGB § 626 nF Nr. 187: sieben Arbeitstage nicht mehr unverzüglich; BAG 14. April 201 1- 6 AZR 727/09 - Rn. 21, EzA BGB 2002 § 174 Nr. 6 und 30. Mai 1978 - 2 AZR 633/76 - AP BGB § 174 Nr. 2 = EzA BGB § 174 Nr. 2: fünf Arbeitstage noch unverzüglich; vgl. auch Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 123 Rn. 33; KR/Friedrich 9. Aufl. § 13 KSchG Rn. 344). Die Frist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung und der fehlenden Vorlegung der Vollmachtsurkunde (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB; OLG München 4. August 1995 - 21 U 5934/94 - NJW-RR 1997, 904). Der die Kündigung Erklärende hat ein berechtigtes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob die Wirksamkeit der Kündigung unter formalen Gesichtspunkten in Frage gestellt wird. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Möglichkeit einer Nachkündigung an eine Frist gebunden ist. Da die Rüge des § 174 BGB entgegen der Ansicht des Klägers keinerlei Nachforschungen über die wirklichen Vertretungs- und Vollmachtsverhältnisse und auch keinen schwierigen Abwägungsprozess erfordert(vgl. Schmiegel/Yalçin ZTR 2011, 395, 398; MünchKommBGB/Schramm 5. Aufl. § 174 Rn. 6), sondern rein formal und routinemäßig lediglich an das Fehlen der Vollmachtsurkunde knüpft, ist eine Zeitspanne von einer Woche unter normalen Umständen ausreichend, um die Entscheidung über die Zurückweisung nach § 174 BGB zu treffen.

34

cc) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Kündigung erst mit einem bei der Beklagten am 13. November 2008 eingegangenen Schreiben zurückgewiesen. Das war nicht mehr unverzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag der Mutter des Klägers am Montag, dem 3. November 2008, das Kündigungsschreiben tatsächlich vor. Diese Feststellungen hat der Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie den Senat binden.

35

(1) Der Kläger hat in seiner Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, die zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Zugangsfrage geführt hat und auf die er in der Revisionsbegründung Bezug genommen hat, gerügt, das Landesarbeitsgericht habe mit der Feststellung, die Mutter des Klägers habe am 3. November 2008 das Kündigungsschreiben zur Kenntnis genommen, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Tatsächlich habe seine Mutter erst am 6. oder 7. November 2008 nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub unmittelbare eigene Kenntnis dieses Schreibens erlangt. Das Landesarbeitsgericht hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass es vom unstreitigen Sachvortrag abweichende Tatsachen zugrunde legen wolle.

36

(2) Diese im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erhobene Gehörsrüge ist aufgrund ihrer Inbezugnahme in der Revisionsbegründung im Revisionsverfahren als Verfahrensrüge zu behandeln (vgl. BFH 12. Dezember 2000 - VIII R 36/99 - BFH/NV 2001, 789; BSG 15. Juli 1993 - 1 RK 29/92 - SozR 3-5428 § 4 Nr. 5; BVerwG 31. Mai 1983 - 4 C 20.83 - NJW 1984, 140, jeweils für die wegen eines Verfahrensfehlers zugelassene Revision).

37

Die begründete Nichtzulassungsbeschwerde hat gemäß § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens als Revisionsverfahren zur Folge. Bei positiver Zulassungsentscheidung gilt die Revision von Gesetzes wegen als schon eingelegt. Zur Begründung einer vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision kann gemäß § 72a Abs. 5 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden. Entspricht diese den inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung und wird auf sie innerhalb der Zweimonatsfrist des § 72a Abs. 6 Satz 3 iVm. § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Bezug genommen, ist die Revision ausreichend begründet(st. Rspr. seit BAG 8. Mai 2008 - 1 ABR 56/06 - Rn. 6 ff., BAGE 126, 339). Vor diesem rechtlichen Hintergrund genügt es für die Erhebung einer Verfahrensrüge im Revisionsverfahren, auf eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erhobene Gehörsrüge zu verweisen, zumal sich die Anforderungen beider Rügen entsprechen (BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 13, 19, BAGE 128, 13). Darauf, ob die Revision gerade wegen des mit der Gehörsrüge gerügten Verfahrensfehlers oder überhaupt aufgrund einer Gehörsrüge zugelassen worden ist, kommt es nach dem seit dem 1. Januar 2005 geltenden Verfahrensrecht nicht an. Es wäre eine unnütze Förmelei, vom Beschwerdeführer nach der Zulassung der Revision in deren Begründung die inhaltliche Wiederholung seines Vorbringens aus dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu verlangen.

38

(3) Die Verfahrensrüge hat jedoch keinen Erfolg. Sie genügt den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO nicht.

39

(a) Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen sei, muss der Revisionskläger konkret darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte(st. Rspr. zuletzt BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Wird gerügt, das Berufungsgericht habe Vortrag übergangen, muss im Einzelnen unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang nach Seitenzahl dargestellt werden, wo der übergangene Vortrag zu finden ist (BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - BAGE 109, 145, 150 f.).

40

(b) Versteht man das Vorbringen des Klägers dahin, dass er geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe den vom Kläger als unstreitig angesehenen Vortrag zu dem Zeitpunkt, in dem seine Mutter vom Kündigungsschreiben tatsächlich Kenntnis erlangt hat, übergangen, fehlt es an einer hinreichend konkreten Darlegung, welcher Tatsachenvortrag des Klägers übergangen worden sein soll.

41

(c) Wertet man das Vorbringen des Klägers als Rüge, das Landesarbeitsgericht habe ihn darauf hinweisen müssen, dass es vom 3. November 2008 als Zeitpunkt der Kenntniserlangung ausgehe, fehlt es an einer Darlegung, welchen konkreten tatsächlichen Vortrag er gehalten hätte, um das Landesarbeitsgericht davon zu überzeugen, dass dieser Zeitpunkt unzutreffend sei. Derartiger Vortrag wäre erforderlich gewesen, weil der Kläger in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 24. März 2009 vorgetragen hatte, seine Mutter habe das Kündigungsschreiben am 3. oder 4. November 2008 erstmals tatsächlich gesehen. Erst in der Berufungserwiderung hatte der Kläger geltend gemacht, seine Mutter habe die Kündigungserklärung erst „am Ende der Woche“ erhalten. Angesichts dieses widersprüchlichen Vortrags des Klägers in den Tatsacheninstanzen genügt die bloße Darlegung, der Kläger hätte „diese Sachlage“ „nochmals“ eingehend dargelegt, wenn er vom Landesarbeitsgericht auf dessen Auffassung hingewiesen worden wäre, den Anforderungen an eine zulässige Verfahrensrüge nicht. Erforderlich wäre vielmehr Vortrag gewesen, wie der Kläger die Widersprüchlichkeit seines Vortrags erklären und plausibel hätte machen wollen, dass der spätere Zeitpunkt der Wahrheit entspreche.

42

(4) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Zurückweisung der Kündigung sei angesichts der zwischen dem 3. und dem 13. November 2008 liegenden Zeitspanne nicht mehr unverzüglich erfolgt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass für das Verstreichen einer Zeit von merklich mehr als einer Woche kein Anlass erkennbar sei. Besondere Umstände, die eine derart lange Zeitspanne noch als unverzüglich erscheinen lassen könnten, habe der Kläger nicht vorgetragen.

43

3. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die Kündigung nicht gegen § 242 BGB verstößt, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass das Berufsbildungsrecht auch bei minderjährigen Auszubildenden kein klärendes Gespräch mit den erziehungsberechtigten Eltern vor Erklärung einer Kündigung gemäß § 22 Abs. 1 BBiG in der Probezeit verlangt. Während der Probezeit des § 20 BBiG gilt grundsätzlich Kündigungsfreiheit. Die Kündigungsgründe müssen nicht einmal mit der Berufsausbildung zusammenhängen (BAG 8. März 1977 - 4 AZR 700/75 - EzB BBiG § 15 Abs. 1 Nr. 5). Für die Wirksamkeit der Kündigung ein vorheriges Gespräch mit den Eltern des minderjährigen Auszubildenden zu fordern, in dem der Ausbildende seine Kündigungsgründe anführen und mit den Eltern erörtern müsste, ob und inwieweit diesen Gründen entgegengesteuert werden könnte, steht mit dem Zweck der Kündigungsfreiheit in der gesetzlichen Probezeit nicht im Einklang. Sieht der Ausbildende im Vorfeld der Kündigung von einem solchen Gespräch ab, handelt er nicht treuwidrig, auch wenn ein solches Gespräch unter Umständen sinnvoll sein mag.

44

4. Gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, vor Erklärung der Kündigung sei der zuständige Personalrat ordnungsgemäß angehört worden, richten sich keine Revisionsangriffe. Sie lässt auch keine Rechtsfehler erkennen.

45

IV. Da der Kläger mit seinem Hauptantrag nicht obsiegt hat, sind die Anträge auf Zahlung von Annahmeverzugsausbildungsvergütung und Schadenersatz nicht zur Entscheidung angefallen.

46

V. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Uwe Zabel    

        

    Matiaske    

                 

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

13

I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

15

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

16

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

17

b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

18

aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

19

Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

20

bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

21

(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

22

(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

23

(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

24

(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

25

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

26

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

27

aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

29

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

30

c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

32

bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

35

(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

36

d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

39

cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. November 2009 - 13 Sa 1497/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger trat im Jahre 1978 in die Dienste des beklagten Landes. Er war zuletzt als stellvertretender Leiter des Hochschulrechenzentrums der Universität O beschäftigt und für Haushalt und Finanzen zuständig.

3

Ab 1986 mussten die Benutzer des Computersaals im Rechenzentrum Codekarten verwenden, für die eine Kaution zu hinterlegen war. Die Kautionsgelder kamen in eine Handkasse, die in einem Tresor verwahrt wurde. Aufzeichnungen über Kassenbewegungen wurden im Wesentlichen nicht geführt.

4

Als die Ausgabe der Codekarten im Jahre 1998 beendet wurde, stellten zwei Angestellte des Rechenzentrums einen Kassenbestand von 28.430,00 DM fest. Dieser Betrag reichte zur Erstattung der Kautionen für zurückgegebene Codekarten nur bis zum 24. Juli 2000. Die Kautionen für die danach eingereichten Karten im Umfang von etwa 3.500,00 Euro mussten anderweitig aufgebracht werden.

5

In diesem Zusammenhang entstand der Verdacht, dass die Codekartenkasse einen beträchtlichen Fehlbestand aufweise. Am 26. Juni 2000 stellte die Universität Strafantrag. Bei hausinternen Ermittlungen legte der Kläger am 14. Juli 2000 in einem Gedächtnisprotokoll dar, im Jahre 1996 sei wegen des anwachsenden Bargeldbestands die Möglichkeit erörtert worden, das Geld zugunsten anderer Universitätskassen einzuzahlen und zB im Bereich Hochschulsport zu „parken“. Er habe das mit dem Leiter der Datenverarbeitung besprochen. Noch 1996 habe er zusammen mit einem Angestellten das Geld in der Codekartenhauptkasse gezählt. Dann seien 29.000,00 DM entnommen worden. Der Angestellte habe den Vorgang handschriftlich vermerkt, und er, der Kläger, habe gegengezeichnet. Das entnommene Bargeld sei von einer Mitarbeiterin an den Leiter der Datenverarbeitung zwecks Einzahlung und weiterer Veranlassung gegen Quittung weitergegeben worden. Von dem entnommenen Geld seien letztlich 14.000,00 DM im Etat des Hochschulsports „geparkt“ worden, 15.000,00 DM seien einer Finanzstelle des Rechenzentrums gutgeschrieben worden. Im weiteren Verlauf der internen Nachforschungen bestritten die Mitarbeiterin und der Leiter, Geld zur Weiterleitung bzw. Einzahlung aus der Codekartenkasse erhalten zu haben.

6

Nach Verurteilung des Klägers wegen Unterschlagung durch das Amtsgericht am 16. Mai 2003 hörte das beklagte Land den Personalrat mit Schreiben vom 19. Mai 2003 - bei Verkürzung der Frist zur Stellungnahme auf drei Tage - zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Am 21. Mai 2003 erklärte der Personalrat, er nehme die außerordentliche Kündigung unter Beachtung der Begründung zur Kenntnis. Mit Schreiben vom 23. Mai 2003, das dem Kläger am selben Tage zuging, kündigte das beklagte Land außerordentlich.

7

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Das beklagte Land habe die im Gesetz vorgesehene Frist zur Stellungnahme für den Personalrat ohne ausreichende Gründe abgekürzt. Die Stellungnahme sei nicht ordnungsgemäß abgegeben, weil ein Angestelltenvertreter nicht mitunterzeichnet habe. Die Kündigungsvorwürfe hat der Kläger bestritten.

8

Der Kläger hat, soweit noch von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2003 nicht aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam. Die Beteiligung des Personalrats habe dem Gesetz entsprochen. Es bestehe der dringende Verdacht der Unterschlagung von 29.000,00 DM, zumal die Zeugen die Behauptungen des Klägers zum Zählen und „Parken“ der Gelder nicht bestätigt hätten. Dokumente, die ein solches Unterfangen belegen könnten, seien nicht gefunden worden. Insbesondere seien entsprechende Einzahlungen auf Konten der Universität nicht erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hatte die Aussetzung des Rechtsstreits für die Dauer des - letztlich am 11. Dezember 2007 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellten - Strafverfahrens angeordnet. Im Einstellungsbeschluss des Landgerichts O heißt es ua. ein konkreter Fehlbestand habe durch Beweisaufnahme nicht festgestellt werden können und in Anbetracht der geleisteten Rückzahlungen sei die Schuld gering gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2008 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 23. Mai 2003 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Ob die Wirksamkeit der Kündigung bereits an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats scheitert, kann offen bleiben (A). Die Kündigung ist nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt(B). Der von dem beklagten Land gehegte Verdacht der Unterschlagung ist nicht hinreichend dringend (B II 1). Der vom Landesarbeitsgericht angenommene dringende Verdacht, der Kläger könne das „Parken“ von Geldern vorgetäuscht haben, stellt keinen wichtigen Grund dar (B II 2).

13

A. Ob die Beteiligung des Personalrats an einem Fehler leidet, der die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätte, bedarf keiner Entscheidung. Im Streitfall hat das beklagte Land die Frist zur Stellungnahme des Personalrats auf drei Tage abgekürzt, weil ein „dringender Fall“ iSd. § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgelegen habe. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines dringenden Falles gegeben waren und das beklagte Land die Frist zurecht abgekürzt hat, kann dahin stehen. Zum einen führen Verfahrensfehler des Arbeitgebers bei der Beteiligung des Personalrats nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Kündigung. So ist etwa die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch eine andere als die im Gesetz dafür vorgesehene Person auf Seiten des Arbeitgebers dann unschädlich, wenn der Personalrat diesen Mangel nicht rügt (Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 743/94 - AP BPersVG § 79 Nr. 8; 13. Juni 1996 - 2 AZR 402/95 - AP LPVG Sachsen-Anhalt § 67 Nr. 1). In gleicher Weise hat das Bundesverwaltungsgericht eine Rüge des Personalrats für den Fall gefordert, dass er die Fristverkürzung nach § 69 Abs. 2 Satz 4 LPVG BW nicht gelten lassen will(BVerwG 15. November 1995 - 6 P 4/94 - zu II 2 der Gründe, ZfPR 1996, 88). Ob auch eine zu Unrecht erfolgte Abkürzung der Frist nach § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG gerügt werden müsste, kann im Streitfall auf sich beruhen. Zum Anderen nämlich entbehrt die Kündigung bereits in der Sache der Rechtfertigung.

14

B. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Sie ist unwirksam, weil sie nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Er muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (vgl. Senat 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27).

17

2. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch der Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Deshalb besteht regelmäßig keine Rechtfertigung für die Aussetzung eines Kündigungsschutzprozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens, in dem der Kündigungsvorwurf unter dem Gesichtspunkt des Strafrechts geprüft wird - zumal die Aussetzung, wie im Streitfall, zu einer bedenklichen, für die Parteien mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbundenen Verzögerung des Kündigungsschutzprozesses führen kann.

18

II. Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass ein dringender Verdacht der Veruntreuung von 29.000,00 DM gegen den Kläger nicht besteht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich unbedenklich. Richtig ist, dass der Kläger nach seiner eigenen Einlassung im Jahre 1996 der Kasse 29.000,00 DM entnommen und in anderen Kassen der Universität „geparkt“ haben will, ohne dass der Verbleib des Geldes geklärt wäre. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch für den Senat bindend festgestellt, dass nach Ausschöpfung des Barbestands in der Kautionskasse im Juli 2000 noch Codekarten im Wert von 3.576,31 € eingetauscht wurden. In dieser Höhe ist ein Defizit nachweisbar. Das Defizit müsste jedoch, wenn der Kläger den Betrag von 29.000,00 DM unterschlagen hätte, wesentlich höher sein. Der Fehlbetrag deckt sich nicht einmal annähernd mit der Geldsumme, die der Kläger „geparkt“ haben will. Auch von irgendeinem anderen Betrag ist nicht erkennbar, dass und wann der Kläger ihn auf die Seite gebracht haben könnte. Dass der Kläger etwa - wenn auch nur zeitweise - alleinigen Zugang zur Barkasse gehabt hätte und bei dieser Gelegenheit der Kasse Geld in annähernder Höhe des entstandenen Defizits entnommen haben könnte, ist nicht einmal angedeutet. Bei dieser Lage bestehen zwar erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger seiner vertraglich übernommenen Verantwortung gerecht geworden ist. Es ist auch nachvollziehbar, dass sich ein Arbeitnehmer, in dessen Verantwortungsbereich Gelder in vierstelliger Höhe auf ungeklärte Weise verschwinden, berechtigtem Argwohn ausgesetzt sieht. Ein solcher Argwohn kann jedoch nicht die objektiven Indizien ersetzen, auf die sich ein dringender Verdacht stützen können müsste, wenn er einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden soll.

20

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der gegen den Kläger bestehende dringende Verdacht, er habe das „Parken“ des Betrages von 29.000,00 DM vorgetäuscht, rechtfertige als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB die außerordentliche Kündigung, ist nicht berechtigt. Richtig ist, dass die vom Kläger aufgestellte Behauptung, er habe im Jahre 1996 im Zusammenwirken mit zwei Arbeitnehmern der Kasse 29.000,00 DM entnommen und ihre Weiterleitung an andere Kassen veranlasst, von den betreffenden Arbeitnehmern nicht bestätigt worden ist. Es mag ebenfalls zutreffen, dass der Verdacht, der Kläger habe diesen Umgang mit dem in seinem Zuständigkeitsbereich zu verwaltenden Geld nur vorgetäuscht, dringend war. In diesem Vortäuschen läge auch - wenn es denn stattgefunden hat - die Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Der Kläger war für Haushalt und Finanzen zuständig. Dass er in dieser Funktion seinem Arbeitgeber über den Verbleib von Geldern in seinem Verantwortungsbereich jederzeit wahrheitsgemäß Rechenschaft abzulegen hat, steht außer Zweifel. Diese Pflicht bestand auch dann, wenn er glaubte, durch eine falsche Erklärung die aus seiner Sicht offenbar naheliegende, gleichwohl falsche Vermutung entkräften zu können, ihm sei nachlässiger Umgang mit Kautionsgeldern vorzuwerfen oder er habe gar Unterschleife zu verantworten. Indes wäre ein Verstoß gegen diese Pflicht - und damit erst recht der Verdacht eines solchen Verstoßes - nicht geeignet, das Vertrauen des beklagten Landes in die zukünftige Vertragstreue derart zu erschüttern, dass es durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können. Wenn der Kläger seine Vorgesetzten in die Irre führte, dann kann er es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getan haben, um einen vorsätzlichen Angriff auf das Vermögen des Arbeitgebers zu verschleiern, sondern um den Peinlichkeiten der Entdeckung unachtsamer Dienstausübung zu entgehen. Deren Bemäntelung kann regelmäßig keine schärfere Reaktion als sie selbst rechtfertigen.

21

C. Gem. § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten des Revisionsverfahrens dem beklagten Land zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Bartz    

        

    Grimberg    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.02.2009 - 8 Ca 702/08 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 29. März 2008, die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vom 02. Mai 2008 und hieraus resultierende Annahmeverzugslohnansprüche.

2

Ab 01. Dezember 2003 erledigte der am 26. Mai 1956 geborene und gegenüber 2 minderjährigen Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger Arbeiten für die Beklagte. Für den Monat Dezember 2003 stellte die Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, der Beklagten "für das Ausleihen der Arbeitskraft von Herrn Y. für die Tätigkeit als Verwaltungsdirektor in ihrem Hause" 3.500,-- € als Gesamtbetrag in Rechnung.

3

Unter dem 29. Dezember 2003 schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte, der eine Einstellung als Geschäftsführer/Verwaltungsdirektor zum Dienstantritt am 01. Januar 2004 vorsah. Der Anstellungsvertrag enthält als besondere Aufgaben des Angestellten: "Leitung der Verwaltung der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden. Betreuung der Immobilien und Wertpapiere der Gemeinde in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden". Als Gehalt/Honorar für den Kläger "und die Z: GmbH" war ein Gesamtbetrag von Brutto 3.500,-- €, ab 01. April 2004 5.000,-- € vorgesehen. Als Kündigungsfrist war nach Ablauf der Probezeit für beide Seiten eine solche von 9 Monaten zum Jahresende vorgesehen. Unter Ziffer 10 des Arbeitsvertrages ist folgende Regelung enthalten:

4

"Die bestehende Tätigkeit im Monat 12/03 wird auf die Probezeit angerechnet. Dieser Vertrag wird auf fünf Jahre geschlossen und verlängert sich stillschweigend um weitere fünf Jahre, falls er nicht unter Einhaltung der Kündigungsfrist gemäß § 8 vor Vertragsende gekündigt wird."

5

Für die Monate Januar 2004 bis März 2004 rechnete die Beklagte als Brutto/Nettobezüge jeweils 1.500,-- € ab. Für diese Monate rechnete die Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH "für das Ausleihen der Arbeitskraft des Klägers als Verwaltungsdirektor der Beklagten "jeweils einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.000,-- € ab, der sich aus 1.724,14 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer zusammensetzte.

6

Im April 2004 wurde der Vorstand der Beklagten neu gewählt. Der bisherige Vorstandsvorsitzende, Herr Dr. X., wurde durch die neue Vorstandsvorsitzende Frau W. abgelöst. Mit Schreiben vom 29. März 2008 kündigte die Beklagte dem Kläger den Arbeitsvertrag "fristgerecht zum 31.12.2008". Gleichzeitig bot sie dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem "01.01.2009" zu folgenden geänderten Konditionen" an:

7

"- Gehalt 3.500,00 € brutto

- Arbeitszeit 35 Stunden

- zu Ihrem Aufgabengebiet gehört die Verwaltung der Miethäuser der jüdischen Gemeinde

- der Arbeitsvertrag ist unbefristet, es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen

        

Im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Bedingungen Ihres Anstellungsvertrages.....

8

Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger mit der am 17. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. Eine Vorbehaltserklärung erfolgte nicht. In diesem Zusammenhang legte der Kläger ein Schreiben vom 06. Februar 2004 in Kopie mit folgendem Inhalt vor:

9

"Sehr geehrter Herr Y.,

wir freuen uns, Ihnen zum Ende der Probezeit wunschgemäß bestätigen zu können, dass die in § 8 des Anstellungsvertrages vom 29.12.2003 genannte Kündigungsfrist um 3 Monate verlängert wird und somit ab sofort 12 Monate zum Jahresende beträgt.

        

Indem wir Ihnen alles Gute beruflich und privat wünschen, verbleiben wir

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Mark X.

Vorsitzender des Vorstandes"

10

Daraufhin sprach die Beklagte unter dem 02. Mai 2008 - Eingang beim Kläger am 05. Mai 2008 - eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus und gab als Grund für diese Kündigung " die Vorgänge um das von Ihnen vorgelegte Schreiben vom 06.02.2004 und der dadurch eingetretene schwere Vertrauensverlust" an.

11

Gegen diese außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 07. Mai 2008 erfolgten Klageerweiterung gewandt.

12

Für den Monat Mai 2008 zahlte die Beklagte Vergütung für die Zeit bis zum 07. Mai 2008 in Höhe von 833,33 € brutto. Ab Mai 2008 erhält der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 1.348,50 € netto monatlich.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den 29 Seiten umfassenden Tatbestand im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 26.02.2009 - 8 Ca 702/08 - Bezug genommen (Bl. 368 - 394 d. A.).

14

Der Kläger hat erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - folgende Anträge gestellt:

15

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 nicht beendet worden ist,

16

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die ordentliche Kündigung vom 02. Mai 2008, zugegangen am 05. Mai 2008, aufgelöst wurde,

17

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 9.166,67 brutto abzüglich € 2.697,00 netto zuzüglich Zinsen aus € 2.818,17 seit dem 01. Juni 2008 und aus € 3.651,50 seit dem 01. Juli 2008 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen,

4. ....

18

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger € 10.000,00 brutto abzüglich € 2.697,00 netto und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.651,50 € seit dem 01.08.2008 und 01.09.2008 zu zahlen.

19

Die Beklagte hat

20

Klageabweisung

21

beantragt.

22

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch das vorbezeichnete Urteil nach Vernehmung der Zeugen Dr. X., V. und T. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 02. Mai 2008, noch die zugleich ausgesprochene ordentliche Kündigung und auch nicht durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 beendet worden ist, sowie zur Zahlung von 9.166,67 € brutto abzüglich 2.697,-- € netto nebst Zinsen und weiteren 10.000,-- € brutto abzüglich 2.697,-- € netto zuzüglich Zinsen verurteilt.

23

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,

24

bezogen auf die außerordentliche Kündigung läge kein wichtiger Grund in einer Fälschung der im Prozess vorgelegten Kopie des Schreibens vom 06 Februar 2004. Es lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der vorgelegten Kopie eine gefälschte Urkunde zugrunde gelegen habe. Die Unauffindbarkeit des Originals und das Nichtexistieren eines schriftlichen Vorstandsbeschlusses lasse keinen Schluss auf eine Fälschung zu. Der Inhalt ließe keine Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen. Die Verlängerung der Kündigungsfrist sei am Ende der Probezeit vereinbart worden. Außerdem seien die Kündigungsfristen anderer Arbeitnehmer verlängert worden. Wegen der herausgehobenen Stellung des Klägers läge es auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass es zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist gekommen sei. Auch das erst im November 2004 durch den Rabbiner S. vorgelegte Schreiben ließe keinen Schluss auf eine Fälschung des Schreibens vom 06. Februar 2004 zu. Die Unordnung in den Gemeindeunterlagen sei ein Problem gewesen. Der Zeuge Dr. X. habe seine Unterschrift bestätigt und auch, auf telefonische Rückfragen bei den Vorstandsmitgliedern S und T. seien derzeit auch Telefon- und Umlaufbeschlüsse gefasst worden. Außerdem existierten aus der Zeit vor dem 18.04.2004 weitere nur vom Vorstandsvorsitzenden allein unterschriebene Schreiben wie z. B. der Anstellungsvertrag R. vom 28.11.2003. Ein wichtiger Grund läge auch nicht in einem bewussten Verheimlichen der Existenz des Schreibens. Die Beklagte habe nicht schlüssig dargelegt, dass sich das Schreiben vom 06.02.2004 nicht in den Personalakten befunden habe. Es sei im Laufe des Prozesses unstreitig geworden, dass nicht für jeden Arbeitnehmer eine eigene Personalakte geführt worden sei. Es sei auch nicht vorgetragen, bei welcher Gelegenheit der Kläger Kenntnis davon erlangt haben soll, dass das Schreiben nicht in der Personalakte vorhanden sei. Während der Amtszeit von Herrn Dr. X. sei der Kläger nicht für Personalangelegenheiten zuständig gewesen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens vom 06. Februar 2004 sei der Kläger für die korrekte Ablage des Originals nicht zuständig gewesen. Selbst bei eingetretener Zuständigkeit habe keine Verpflichtung zur Prüfung der Vollständigkeit von Personalakten bestanden. Eine Anweisung hierzu habe es nicht gegeben. Es habe auch keine Verpflichtung bestanden, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Schreiben vorzulegen, da ihm - dem Kläger - die Unvollständigkeit des Ordners nicht bekannt gewesen sei. Der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis korrekt. Der Kläger sei auch nicht wegen der Kenntnis des Falles S. zu einem Hinweis auf das die Kündigungsfrist verlängernde Schreiben vom 06.02.2004 verpflichtet gewesen. Die Fälle seien nicht vergleichbar, zumal es bei dem Rabbiner S. um die Zahlung einer Abfindung gegangen sei. Der Kläger habe auch nicht am Rande einer Vorstandssitzung am 05. Mai 2005 bewusst wahrheitswidrig die Existenz des Schreibens vom 06. Februar 2004 verneint; dies ergäbe sich nicht aus der Aussage des Zeugen V.. Der Vortrag der Beklagten zu einer Äußerung des Klägers im Zusammenhang mit der Änderung seines Vertrages von einer 4 auf die 5 Tage-Woche sei widersprüchlich. Auch die von der Beklagten behauptete und vom Kläger bestrittene Diskussion in der Mitgliedsversammlung über die Kündbarkeit des Vertrages hätten diesen nicht veranlassen müssen, das Schreiben vom 06. Februar 2004 vorzulegen. Die Berechnung des verbleibenden Gehaltes durch den Steuerberater spräche für eine Unsicherheit des Klägers hinsichtlich der Wirksamkeit des Schreibens vom 06. Februar.2004. Es habe auch keine Vorlagepflicht im Verfahren 4 Ca 2079/07 gegeben, da es dort um Urlaub gegangen sei. Die Änderung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz sei aufgrund der Übergangsregelung des § 23 KSchG anwendbar, da der Kläger seine Tätigkeit bereits am 01. Dezember 2003 aufgenommen habe. Die Abrechnung durch die " Z: GmbH" wirke sich nicht aus. Aus Ziffer 10 des Arbeitsvertrages ergebe sich eine Anrechnung der Tätigkeit im Monat 12/03 auf die Probezeit. Die Beklagte beschäftige nach wie vor mindestens 5,5 Arbeitnehmer. Auch Frau P. und Frau Q. seien als Arbeitnehmer anzusehen. Die Beklagte habe zur Begründung ihrer Änderungskündigung im Rahmen der rechtzeitig erhobenen Änderungsschutzklage kein Gesamtkonzept dargelegt. Eine herausgreifende Kündigung sei unzulässig. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die zugleich hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung beendet worden. Dort fehle es an einer Abmahnung. Der Annahmeverzugslohn sei für die Zeit vom 06. Mai 2008 bis 30. Juni 2008 abzüglich übergegangener Ansprüche und gegeben desgleichen ein weiterer Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn in Höhe von jeweils 5.000,-- € brutto abzüglich 1.248,50 € netto zuzüglich Zinsen für die Monate Juli und August 2008.

25

Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die umfassenden Entscheidungsgründe (Seite 30 - 50 d. Urteils = Bl. 395 - 415 d. A.) Bezug genommen.

26

Gegen das der Beklagten am 09. Februar 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 09. März 2009 eingelegte und am 27. April 2009 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

27

Die Beklagte bringt zur Begründung ihrer Berufung zweitinstanzlich weiter vor, das Arbeitsgericht habe den umfassenden Aufgabenbereich und die ordnungsgemäße Führung der inneren Verwaltung völlig außer Acht gelassen oder sehr arbeitnehmerfreundlich interpretiert. Der Kläger sei für die Ordnung der Gemeindeunterlagen verantwortlich gewesen. Auffallend sei, dass Unterlagen, aus denen sich erhebliche finanzielle Verpflichtungen der Beklagten ergeben hätten, nur in Fotokopie vorhanden sein sollen. Dies habe auch den Vertrag mit dem Rabbiner S. betroffen. Bezeichnet sei auch, dass sich auf den sogenannten Verträgen nur die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden befände. Diese Hinweise sprechen dafür, dass jene Urkunden, insbesondere das Schreiben vom 06. Februar 2004 im Nachhinein konstruiert worden seien. Derartige schwerwiegende Versäumnisse rechtfertigten eine fristlose Kündigung. Weitere Anhaltspunkte, die teilweise erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils bekannt geworden seien und bereits zu einer weiteren fristlosen Kündigung geführt hätten, seien ergänzend vorzutragen: Erst nachdem das Urteil vorgelegen habe, sei der Vorstand der Beklagten von der Zeugin O. darauf hingewiesen worden, dass der Kläger im ersten Vierteljahr des Jahres 2008 und zwar noch vor Zugang der Änderungskündigung vom 29. März 2008 mehrfach der Zeugin gegenüber die Befürchtung geäußert habe, dass ihm die Beklagte werde kündigen müssen (Beweis: Zeugnis Svetlana O.). Diese Zeugin würde bestätigen können, dass der Kläger hierbei äußerst nervös ob dieser konkreten Befürchtung gewesen sei. In der Klageschrift vom 16. April 2008 sei lediglich von einer Einigung über die Verlängerung der Kündigungsfrist die Rede und nicht von einem genauen Datum des Schreibens; deshalb sei von dessen Fälschung bzw. nachträglicher Fertigung auszugehen. Der Kläger agiere mit einer Fotokopie, da er mit Sicherheit das Original vernichtet habe. Dass der Kläger Fälschungen vorgenommen habe, zeige noch der Zusammenhang mit den Glaubensübertrittsurkunden von David N. und Samuel M., wo Unterschriften und Siegelstempel identisch seien. Bei der Glaubensübertrittsurkunde für den Sohn des Klägers - David Lev Adam - handele es sich möglicherweise um eine Urkundenfälschung. Der Sachverständige habe festgestellt, dass für die gebildete Gruppe Herstellungszusammenhänge vorlägen. Der Kläger sei am 18. März 2009 auf den Verdacht hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 24. März 2009 habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestritten, dass Manipulationen in den Verantwortungsbereich des Klägers fielen. Es sei eine weitere Verdachtskündigung unter dem 26. März 2009 ausgesprochen worden und eine Tatkündigung vom 14. April 2009. Durch die Herstellung der Fälschungen sei eine Teilnahme u. a. des Sohnes an einer Schulung und mehrere Hundert Euro durch eine Prüfung durch das Rabbinatsgericht erspart worden. Im Übrigen könne dem Arbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, dass die Übergangsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG Anwendung finde. Es bestünden Bedenken, dass von einer Beschäftigungszeit seit 01. Dezember 2003 ausgegangen werden könne. Der Kläger sei im Dezember Leiharbeitnehmer gewesen. Es gelte die Regelung des § 23 KSchG, die seit 01. Januar 2004 in Kraft sei. Danach müssten mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Sie - die Beklagte - habe im Zeitpunkt der Kündigung 5 Arbeitnehmer einschließlich des Klägers vollzeitig beschäftigt. Alle übrigen Personen seien ehrenamtlich tätig und erhielten lediglich eine gewisse Aufwandsentschädigung. Vom Arbeitsgericht sei nicht berücksichtigt worden, dass sich der Zeuge T. nicht an die Verlängerung der Kündigungsfristen habe erinnern können. Die Zeugin O. sei zu starken Indizien, wonach das Schreiben vom 06. Februar an diesem Datum noch nicht existiert habe, nicht vernommen worden. Der Zeuge Dr. X. habe den Leuten Vorteile verschafft, die aus Moldawien stammten. Der Haushalt 2004 habe mit einem Minussaldo von 100.000,-- € abgeschlossen. Der Vortrag zur Einrichtung einer E-Mail-Adresse sei aus einem Missverständnis heraus erfolgt.

28

Zu den weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27. April 2009 (Bl. 434 - 450 d. A.) einschließlich der vorgelegten Unterlagen sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 16. Juni 2009 (Bl. 507 - 515 d. A.) nebst Unterlagen Bezug genommen.

29

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06. Februar 2009 - 8 CA 702/08 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

31

Der Kläger hat

32

Zurückweisung der Berufung

33

beantragt und erwidert unter Übernahme der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass das Schreiben an den Rabbiner S. nur in Kopie vorhanden sei, böte keinen Anhaltspunkt für eine Fälschung auch des Schreibens vom 06. Februar 2004. Der Zeuge Dr. X. habe bestätigt, dass es sich bei der Unterschrift auf der Kopie zweifelsfrei um seine handele. Das Schreiben vom 06. Februar 2004 sei auch als Anlage K 3 der Klageschrift beigefügt gewesen. Er - der Kläger - habe kein Original erhalten, welches er - der Kläger - hätte vernichten können. Die nachgeschobenen Gründe bildeten originär Gegenstand der Kündigungen vom 26. März und 14. April 2009 und seien verbraucht. Eventuelle Manipulationen der Glaubensübertrittsurkunden fielen nicht in seinen Verantwortungsbereich. Hierauf sei mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24. März 2009 auch hingewiesen worden. Wegen eigener Interpretationen für eine Aufnahme in die jüdische Gemeinde - Durchleben eines Jahreszyklus - seien seine Ehefrau und er nicht überrascht gewesen, dass ihnen der Gemeinderabbiner S. nur Kopien der Glaubensübertrittsurkunden ausgehändigt habe. Unzutreffend sei, dass ein Rabbinatsgericht aus drei Rabbinern von jüdischen Gemeinden bestünde. Da die Kopien der Familie M. von schlechterer Qualität seien, sei es ausgeschlossen, dass diese benutzt worden seien, um Kopien der Urkunden der Familie N. herzustellen. Er - der Kläger - sei nicht für die Führung der Mitgliedskartei zuständig gewesen; es existiere auch kein Ordnungssystem für Übertrittsurkunden. Was das Schreiben vom 06 Februar 2004 anbelange, sei es zeitnah von ihm gegengezeichnet worden. Ob dieses Schreiben zum Zeitpunkt der Revision in den Unterlagen gewesen sei, entzöge sich seiner Kenntnis. Für den Revisionsbericht sei es auch ohne jede Bedeutung, da die Verlängerung der Kündigungsfrist keine zusätzliche finanzielle Belastung für die Beklagte dargestellt habe. Im Übrigen sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Z: GmbH habe nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis zum Verleihen besessen. Aus diesen Gründen sei ein Arbeitsverhältnis zwischen der dem Kläger und der Beklagten als Rechtsfolge gegeben. Im Übrigen seien zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches mindestens 12,5 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Für die ausgesprochene Änderungskündigung zur Entgeltkostensenkung fehle es an der Darlegung einer wirtschaftlichen Notlage. Die Gemeinde finanziere sich nicht nur aus Spenden und sonstigen Zuwendungen. Sie verfüge über Einnahmen aus 72 Mietobjekten und erheblichen Zinseinnahmen aus Bar- und Wertpapiervermögen. Die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sei ebenfalls unwirksam.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 28. Mai 2009 (Bl. 493 - 502 d. A.) einschließlich der dort vorgelegten Unterlagen verwiesen. Zugleich wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2009 (Bl. 520 - 522 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO).

II.

36

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch k e i n e n Erfolg.

37

Das Arbeitsgericht Mainz hat in dem angefochtenen Urteil vom 06. Februar 2009 - 8 Ca 702/08 - nach Vernehmung der Zeugen Dr. X., V. und T. zu Recht festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 02. Mai 2008 und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom gleichen Datum, sowie auch nicht durch die Änderungskündigung vom 29. März 2008 beendet worden ist und zugleich die verfolgten Annahmeverzugsansprüche in Höhe von 9.166,67 € brutto abzüglich 2.697,-- € netto zuzüglich Zinsen anteilig für Mai und für Juni 2008 sowie weitere 5.000,-- € brutto jeweils für die Monate Juli und August abzüglich 1.348,50 € netto jeweils für die beiden Monate bestehen.

38

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer gemäß §§ 64 Abs. 1, 66 Abs. 1 ArbGG, 540 Abs. 1 ZPO auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Berücksichtigung nachfolgender Ergänzungen von einer wiederholenden Darstellung der umfassenden Entscheidungsgründe ab.

II.

39

Wegen der Angriffe der Berufung sind folgende Hinzufügungen veranlasst:

40

1. Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, das Arbeitsgericht habe den umfassenden Aufgabenbereich des Klägers und die ordnungsgemäße Führung der inneren Verwaltung völlig außer Acht gelassen, desgleichen auch, dass sich aus dem maßgeblichen Schreiben vom 06. Februar 2004 nur die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden befunden habe und dies u. a. dafür spräche, dass die Urkunde im Nachhinein konstruiert worden sei, folgt hieraus keine andere Beurteilung der rechtlichen Wirkung der außerordentlichen Kündigung vom 05. Mai 2008. Es geht in diesem Sachverhaltskomplex vornehmlich um die kündigungsbegründende Behauptung, der Kläger habe eine Kopie einer gefälschten Urkunde bezogen auf das Schreiben der Verlängerung seiner Kündigungsfrist vom 06. Februar 2004 (Bl. 6 d. A.) vorgelegt. Wenn die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren dies mit der anstellungsvertraglichen Aufgabenstellung des Klägers verknüpft, folgt hieraus kein wichtiger Grund, weil der eigentliche Kündigungsvorwurf bisher die Straftat und nicht die unzureichende Aufgabenerfüllung gewesen ist. Selbst wenn man dies anders sähe, kann aus der bloßen Existenz - zugunsten der Beklagten unterstellter - Fälschungen kein zwingender Grund für eine außerordentliche Kündigung abgeleitet werden. Defizite n der Aufgabenwahrnehmung durch den Kläger wären allein schon aus Gründen des bei einer außerordentlichen Kündigung zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (ultima-ratio-Prinzip vgl. Henssler/Willemsen/Kalb-Sandmann Arbeitsrechtskommentar, 3. Aufl., BGB, § 626 Rz. 116 ff (zit. HWK-Autor) m. w. N. auf BAG, Urteil vom 04. Juni 1996 - 2 AZR 526/69 und vom 11. März 1999 - 2 AZR 427/98 - = AP Nr. 150 zu § 626 BGB) grundsätzlich abzumahnen. Im Übrigen hat der Zeuge Dr. X. bestätigt, dass es sich bei der auf der Kopie enthaltenen Unterschrift zweifelsfrei um die seine handele.

41

2. Auch soweit die Auffassung vertreten wird, dass sich aus einer geäußerten Befürchtung des Klägers im ersten Vierteljahr 2008, ihm werde die Beklagte kündigen müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Es fehlt angesichts des Bestreiten des Klägers an einer entsprechenden Substantiierung. Gründe, warum diese Befürchtung geäußert wurde, sind nicht dargestellt. Die Vernehmung des Zeugen O. wäre zivilprozessual unzulässige Ausforschung.

42

3. Mit der weiter vertretenen Auffassung der Beklagten, der Kläger hätte bei der Prüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und den Fall S. auf das Schreiben vom 06. Februar 2004 hinweisen müssen, hat sich das Arbeitsgericht hinreichend auseinandergesetzt. Hierauf wird verwiesen.

43

4. Die zulässigerweise (vgl. HWK-Quecke, a. a. O., § 1 KSchG Rz. 88 sowie § 626 BGB Rz. 458 m. w. N. auf BAG, Urteil vom 11. April 1984 - 2 AZR 239/84 - und vom 04. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - = NZA 1997, 1158) nachgeschobenen Kündigungsgründe reichen zivilprozessual nicht aus, um zu einer anderen Bewertung des Falles zu gelangen - auch nicht unter Verdachtsgesichtspunkten (vgl. BAG, Urteil vom 20. August 1997 - 2 AZR 620/96 -). Das gilt für die Folgerung der Beklagten, der Kläger habe nicht nur eine Fälschung des Schreibens vom 06. Februar 2004 vorgenommen, weil auch gefälschte Glaubensübertrittsurkunden für seine Ehefrau - Claudia N. und den Sohn David Lev Adam N. - aufgefunden worden seien, sondern auch soweit behauptet wird, der Kläger habe die im Ordnungssystem der Beklagten enthaltenen Kopien der Familie M. dazu missbraucht, um Kopien der Urkunden der Familie N. herzustellen. Der Kläger hat die diesbezüglichen Behauptungen nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert bestritten. Er hat insoweit ausgeführt, dass ihm Kopien der Glaubensübertrittsurkunden vom Gemeinderabbiner S. ausgehändigt worden seien, weil für die Aufnahme in die jüdische Gemeinde das Durchleben eines Jahreszyklusses von seiner Ehefrau und ihm angenommen worden sei; ferner, es existiere kein Ordnungssystem für Übertrittsurkunden und schließlich, eventuelle Manipulationen fielen nicht in seinen Verantwortungsbereich (Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 24. März 2009). Damit wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihren Vortrag zivilprozessual so zu ergänzen, dass die von ihr vertretenen Schlussfolgerungen überhaupt möglich sind.

44

5. Soweit die Berufung der Auffassung ist, dass für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes und die dort vorgesehene Beschäftigtenzahl nicht von einer Beschäftigungszeit vom 01. Dezember 2005 ausgegangen werden dürfe, hat sich das Arbeitsgericht damit bereits umfassend und zutreffend auseinandergesetzt (Seite 40 ff = Bl. 405 ff d. A.). Hierauf wird nochmals ausdrücklich Bezug genommen. Soweit die Beklagte an ihrer Auffassung festhält, es könnte nicht von einer Beschäftigungszeit seit 01. Dezember 2003 ausgegangen werden, weil der Anstellungsvertrag eine Einstellung zum 01. Januar 2004 vorsehe und damit für den Kündigungsschutz auf die erhöhte Beschäftigungszahl ab diesem Zeitpunkt von 10 Arbeitnehmern nach § 23 KSchG abzustellen wäre, kann dem aus Rechtsgründen nach wie vor nicht gefolgt werden. Es steht nämlich fest, dass der Kläger bereits ab 01 Dezember 2003 Arbeiten für die Beklagten entsprechend der Rechnung der " Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH" ausgeführt hat und aus - vom Kläger aufgezeigten - Rechtsgründen nach § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher - der Beklagten - und Leiharbeitnehmer zustande kommt, wenn die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis fehlt. Dass die Verleih-GmbH ( Z: Wohn- und Gewerbebau GmbH) eine solche Erlaubnis hatte, ist nicht vorgetragen. Darauf, ob die Beklagte ab 2004 ohnehin die für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nötige Anzahl der Beschäftigten von 10 erreicht - so die Auffassung des Klägers - kommt es dabei nicht entscheidungserheblich an.

45

6. Der Vortrag der Beklagten zur Begründung der streitgegenständlichen Änderungskündigung, wonach der Haushalt der Beklagten im Jahr 2004 mit einem Minussaldo von 100.000,-- € abgeschlossen habe, fehlt es wegen des vorliegend gegebenen nachhaltigen Eingriffs in das arbeitsvertragliche Synallagma entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 - und vom 20. August 1998 - 2 AZR 84/98 -) an Ausführungen dazu, dass diese Maßnahme der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dient, dass alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mitteln ausgeschöpft sind und der Einzelsanierungsbeitrag des betroffenen Arbeitnehmers Bestandteil des Gesamtkonzepts ist. Die diesbezüglichen Darlegungen, die die Beklagte treffen, beschränken sich auf die Darstellung eines Defizits ohne konkrete Ausführungen zur sonstigen Finanzlage und den Auswirkungen der erstrebten Kostensenkung für die Gemeinde. Auch erstinstanzlich hat sich die Beklagte im Wesentlichen auf die Darlegung ihrer Jahresabschlüsse, der Höhe der Gesamtpersonalkosten und der Kosten des Klägers, sowie des Erfordernisses der Festanstellung eines Rabbiners beschränkt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger in der Berufungsbeantwortung ausgeführt hat, dass sich die Gemeinde nicht nur aus Spenden und sonstigen Zuwendungen finanziere, sondern auch über Einnahmen aus 72 Mietobjekten und erheblichen Zinseinnahmen aus Bar- und Wertpapiervermögen verfüge.

46

7. Weitere ausreichende Angriffe auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts zur Verpflichtung der Zahlung des Annahmeverzugslohnes nebst Zinsen liegen nicht vor.

III.

47

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

48

Für eine Zulassung der Revision liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.7.2010 - 1 Ca 760/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Mit seiner am 2. April 2009 erhobenen und im Laufe des Verfahrens erweiterten Klage wendet sich der Kläger, der mit einem am 29. Dezember 2003 geschlossenen Anstellungsvertrag als Geschäftsführer/Verwaltungsdirektor der J Gemeinde M tätig war, zuletzt gegen von dieser ausgesprochenen fristlosen Kündigungen vom 26. März 2009 und 14. April 2009.

2

Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und den Anträgen wird auf den 13 Seiten umfassenden Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 19. Juli 2010 - 1 Ca 760/09 - gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

3

Das Arbeitsgericht hat auf Wirksamkeit der Kündigung vom 26. März 2009 erkannt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Zurückweisung der Kündigung mangels Vollmacht sei nicht unverzüglich erfolgt.

4

Der Kläger habe nicht den Beweis angetreten, dass die Kündigung nicht bereits am 27. März 2009 zugegangen sei. Er - der Kläger - hätte aufgrund des Anhörschreibens des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 18. März 2009 mit dem Zugang einer Kündigung rechnen und bei Abwesenheit Vorkehrungen für einen entsprechenden Zugang treffen müssen. Ungeachtet dessen, habe er bereits auf Aufforderung per Fax vorab eine Vollmacht erhalten. Das Arbeitsverhältnis sei wegen der verfremdeten Unterzeichnung des Mitgliedsantrages betreffend seine Ehefrau durch die außerordentliche Kündigung vom 26. März 2009 beendet worden. Der Kläger habe im Kammertermin vom 5. Mai 2009 (gemeint 2010) eingeräumt, dass die Unterschriften unter den vom 18. März 2004 datierenden Mitgliedsanträgen betreffend seinen erstgeborenen Sohn D und seine Ehefrau von ihm - dem Kläger - allein geleistet worden seien. Wegen der Angaben vor der Unterschriftsleiste sei erkennbar, dass die Unterschriftsleistung nur durch den Antragsteller persönlich habe erfolgen können. Der Kläger habe den Mitgliedsantrag ohne Vertretungszusatz unterzeichnet und die Unterschrift stark verfälscht. Die Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag der Ehefrau und die sonstigen Unterschriften im Arbeitsvertrag und dem Mitgliedsantrag für den erstgeborenen Sohn, sowie dem späteren Mitgliedsantrag für den weiteren Sohn D und seinem Antrag auf Abgabe einer Gegendarstellung und schließlich bei seiner Aufforderung zur Vollmachtvorlage, wichen erheblich von der geleisteten Unterschrift ab. Wegen der hervorgehobenen Vertrauensstellung des Klägers sei eine Abmahnung entbehrlich. Die Interessenabwägung ginge insbesondere wegen der langen Kündigungsfrist zu Lasten des Klägers. Ergänzend sei auszuführen, dass Bedenken bestünden, wonach der erstgeborene Sohn die Voraussetzungen für den Glaubensübertritt erfüllt habe. Auch hier habe der Kläger eingeräumt, dass die Urkunden manipuliert worden seien. Der entsprechende Verdacht ergäbe sich daraus, dass keine ordnungsgemäße Urkunde, weder im Original noch in Kopie existiere. Insofern sei der Kläger einer ihm obliegenden Darlegung nicht nachgekommen. Die Kopien der Glaubensübertrittsurkunden stellten eine Manipulation der Glaubensübertrittsurkunden der Familie K dar. Theoretisch könne der frühere Rabbiner die Urkunden gefälscht haben. Für die Kammer sei jedoch nicht ersichtlich, warum er dies hätte machen sollen. Der Kündigungsgrund der Manipulation sei auch nicht verbraucht, da er im ursprünglichen Verfahren lediglich zur Stützung einer bereits vorher stattgefundenen Kündigung im Berufungsverfahren "nachgeschoben" worden sei.

5

Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das vorbezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts Mainz (S. 14-31 = Bl. 266-284 d. A.) einschließlich sämtlicher vorgelegter Unterlagen Bezug genommen.

6

Gegen das dem Kläger am 30. August 2010 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 9. September 2010 eingelegte und am 29. Oktober 2010 begründete Berufung.

7

Der Kläger bringt bezogen auf die als fehlend beanstandete Kündigungsvollmacht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vor, die Beklagte habe nicht den Nachweis erbringen können, an welchem Tag die Kündigung vom 26. März 2009 beim Kläger eingegangen sei. Er - der Kläger - und seine Ehefrau hätten am

8

28. März 2009 einen Kurzurlaub angetreten (Beweis: C K). Er habe seinen Prozessbevollmächtigten am 31. März über den Eingang des Kündigungsschreibens informiert und am Nachmittag des 1. April mit seinem Prozessbevollmächtigten den Sachverhalt erörtert. Der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des BGH vom 27.10.2000 (LM Nr. 7 zu § 351 BGB) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da es sich dort um eine besondere Fallkonstellation gehandelt habe. Am Termin des Arbeitsgerichts vom 30. März 2009 habe er - der Kläger - nicht teilgenommen. Im Übrigen sei die ausgesprochene Kündigung als Verdachtskündigung unwirksam. Er - der Kläger - habe entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts nichts eingeräumt, sondern auf Befragen, wessen Unterschriften auf den Mitgliedseinträgen seien, geantwortet: "Beide Unterschriften stammen von mir." Der Beklagten sei bereits bei Ausspruch der Kündigung vom 26. März 2009 das von ihm benutzte Kürzel bekannt gewesen (Beweis: 1. Vorlage der VIP C Einladungen 2004 durch die Beklagte; 2. Zeugnis Frau S S). Die Beklagte habe daher nicht davon ausgehen dürfen, dass es sich bei der Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag der Ehefrau tatsächlich um diejenige seiner Ehefrau und nicht die seinige gehandelt habe. Der vom 18. März 2004 stammende Mitgliedsantrag der Ehefrau sei in Anwesenheit der damaligen stellvertretenden Vorsitzenden, Frau S S, mit seinem Kürzel unterzeichnet worden. Seine Ehefrau habe den Antrag an diesem Tag nicht selbst unterschrieben, da sie in F arbeitete. Frau S habe dringend alle Aufnahmeanträge an diesem Tag benötigt, um diese an den Vorstandsvorsitzenden weiterzuleiten. In einem Telefonat zwischen Frau K und Frau S sei vereinbart worden, dass die Unterschrift nachgeholt würde. Dies sei dann allerdings in Vergessenheit geraten (Beweis: 1. Zeugnis Frau S S, 2. Zeugnis Frau C K). Ursächlich für die Eilbedürftigkeit sei gewesen, dass der alte Vorstand noch vor der im April 2004 anstehenden Wahl die Aufnahme der Neumitglieder in trockenen Tüchern hätte haben wollen. Das nach Ausspruch der Kündigung in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht aufgetauchte Verdachtsmoment bezöge sich auf einen anderen Sachverhalt, nämlich den Mitgliedsantrag der Ehefrau. Zu diesem Verdacht sei der Kläger nie angehört worden. Soweit sich die Beklagte auf den Kündigungsgrund der Manipulation der Glaubensübertrittsurkunden bezöge, sei dieser Grund verbraucht. Im Verfahren 6 Sa 334/09 sei das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die nachgeschobenen Kündigungsgründe zivilprozessual nicht ausreichend seien, um zu einer anderen Bewertung des Falles zu gelangen - auch nicht unter Verdachtsgesichtspunkten. In dem Kündigungsrechtstreit sei nach Durchlaufen dreier Instanzen entschieden worden, dass das Arbeitsverhältnis durch die damals ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden sei.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 29.10.2010 (Bl. 301-310) und sämtliche vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

10

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

11

das Urteil des Arbeitsgerichtes Mainz vom 19.07.2010, Az.: 1 Ca 760/09, aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 26.03.2009 noch durch die fristlose Kündigung vom 14.04.2009 aufgelöst worden ist.

12

Die Beklagte hat

13

Zurückweisung der Berufung beantragt

14

und erwidert unter Bezugnahme auf die arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe, die Ausführungen des Klägers zu einem Kurzurlaub während des Zugangs der Kündigung seien unsubstantiiert.

15

Das Kündigungsschreiben vom 26. März sei am gleichen Tag um 16.57 Uhr bei der Post aufgegeben worden, so dass ein Eingang am 27.03.2009, einem Freitag, erfolgt sein müsse. Die Kündigungsschutzklage datiere vom 2. April 2009. Aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben vom 26. März 2009 sei handschriftlich "KSchKl" und darunter "16.04.09 not." vermerkt. Die Dreiwochenfrist wäre nach Zugang der Kündigung am 27. März am 17. April 2009 vollendet gewesen, so dass der 16. April 2009 als Tag vor dem Fristablauf allzu natürlich sei. Das Schreiben sei per Fax an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gesandt worden, wie sich aus der Faxnummer ergäbe. Zwar sei das Empfangsdatum nicht vollständig erkennbar, jedoch sei den Rundungen zu entnehmen, dass der Monat April als Zugangsdatum auszuschließen sei. Als Uhrzeit könne 10.10 Uhr erkannt werden. Die Vollmacht, die dem Zurückweisungsschreiben vom 7. April 2009 beigefügt gewesen ist, sei vom Kläger am 1. April 2009 unterzeichnet worden. Im Übrigen habe der Kläger am 30. März 2009 an der Gütesitzung teilgenommen, wie das Protokoll der öffentlichen Sitzung eindeutig ergäbe. Außerdem habe der Kläger mit Fax vom 23. März 2009 um eine Vollmachtsvorlage gebeten, was unverzüglich umgesetzt worden sei. An der Wohnadresse des Klägers sei kein Briefkasten angebracht. Der Vortrag zum Zugang der Kündigung sei im Übrigen auch verspätet. Der Kläger habe mit seiner Unterschrift den Eindruck erwecken wollen, dass tatsächlich seine Ehefrau unterzeichnet habe. Ein Kürzel sei nicht bekannt. Der Vortrag zur Eilbedürftigkeit der Unterschrift am 18. März 2004 sei nicht nachvollziehbar, da ein neuer Vorstand erst am 18. April 2004 gewählt werden konnte. Im Übrigen sei die Ehefrau des Klägers in der Anwesenheitsliste vom 16. April 2004 auch nicht vermerkt. Der Antrag sei offensichtlich nicht am 18. März 2004 gestellt worden. In der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft habe der vernommene Zeuge A ausgesagt, zu keinem Zeitpunkt eine Kopie oder eine Originalglaubensübertrittsurkunde ausgehändigt zu haben.

16

Zu den weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2010 (Bl. 332-342) und sämtliche vorgelegten Unterlagen sowie auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. März 2011 (Bl. 353-355 d. A.) Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägers vom 20. Januar 2011 lag in der mündlichen Verhandlung am 25.03.2011 nicht vor.

Entscheidungsgründe

17

I. Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit c ArbGG statthaft.

18

Es ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit zulässig.

19

II. Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Judikat vom 19. Juli 2010 - 1 Ca 760/09 - zutreffend erkannt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. März 2009 das mit dem Kläger eingegangene Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet hat und es auf die Wirksamkeit der weiteren Kündigung nicht mehr ankommt.

20

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer gemäß §§ 69 Abs. 2 ArbGG, auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

21

Lediglich wegen der Angriffe der Berufung sind folgende Ergänzungen veranlasst:

22

1. Soweit der Kläger unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrages die streitgegenständliche Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde für unwirksam hält, weil insbesondere von der Rechtzeitigkeit der unter dem 7. April 2009 erfolgten Zurückweisung (Bl. 53 d. A.) auszugehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Die Darlegungslast für die von der Beklagten beanstandete Rechtzeitigkeit der Zurückweisung obliegt demjenigen, der sich auf diese Voraussetzung des § 174 BGB beruft (vgl. PWW-Frensch, BGB-Kommentar, 2. Auflage, § 174 Rz 7 m. w. N. auf BGH NJW 01, 220, 221). Auf der Basis des von der Berufungskammer berücksichtigungsfähigen Sachverhalts (§ 529 ZPO) ist der Vortrag zu einem am 28. März 2009 - einem Samstag - angetretenen Kurzurlaub des Klägers mit seiner Ehefrau und der damit verbundenen Behauptung zu einem nicht erfolgten Zugang des Kündigungsschreibens, nicht ausreichend. Die Beklagte hat das Kündigungsschreiben bereits am Donnerstag, den 26. März 2009 um 16.57 Uhr bei der Post aufgegeben, so dass bei einer regelmäßigen Postlaufzeit von einem Tag, am gleichen Ort, der Eingang bereits am Freitag, mithin einen Tag vor Antritt des hinsichtlich seines Beginns und seiner Dauer ohnehin nicht verifizierten Kurzurlaubs, wahrscheinlich ist. Die Zurückweisung wegen fehlender Vollmacht unter dem 07.04.2009, ist in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht daher nicht mehr als unverzüglich anzusehen. Im Übrigen hätte der Kläger - wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat - aufgrund des Anhörschreibens vom 18. März 2009 Vorkehrungen für den Zugang einer Kündigung bei einer eventuellen Abwesenheit treffen müssen. Bis zum Kammertermin unwidersprochen blieb auch der Vortrag der Beklagten zu dem handschriftlichen Vermerk auf dem vom Kläger mit der Kündigungsschutzklage vorgelegten Kündigungsschreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 26. März 2010, wonach notiert war "KSchKl" und darunter "16.04.09 not." Auch dies spricht gegen einen das Tatbestandsmerkmal "unverzüglich "i. S. v. § 174 erfüllenden Umstand. Schließlich lässt sich auch vertreten, dass der Kläger durch das Anhörschreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 18.03.2009 konkludent über dessen Kompetenz zur Kündigung in Kenntnis gesetzt war (vgl. BAG Urteil v. 3. Juli 2003 - 2 AZR 235/02). Dem Kläger war das Auftreten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch die Vorprozesse und dessen Anhörschreiben vom 18. März 2009 (Bl. 15 d. A.) bekannt. Von daher ist auch der Schutzbereich des § 174 BGB nicht eröffnet. Er soll es dem Geschäftsgegner nämlich ermöglichen, die Ungewissheit, ob das ihm gegenüber vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Vertretungsmacht nach § 180 BGB unzulässig ist, zu beseitigen und klare Verhältnisse schaffen (BAG Urteil vom 20. September 2006 - 6 AZR 82/06; BAG Urteil vom 9. Mai 1985 - 2 AZR 355/94). Ferner ist die Vollmacht, die dem Zurückweisungsschreiben vom 07.04.2009 beigefügt gewesen ist, vom Kläger am 01.04. unterzeichnet worden. Schließlich trifft auch die Behauptung nicht zu, wonach der Kläger am 30. März 2009 nicht an der Gütesitzung teilgenommen habe. Aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.03.2009 ergibt sich eindeutig, dass der Kläger bei Aufruf der Sache persönlich mit seinem Prozessbevollmächtigten erschienen war. Im Hinblick auf diese Feststellungen und die Datenlage kommt eine Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde nicht in Betracht.

23

2. Soweit der Kläger der Auffassung ist, die ursprünglich auf Manipulationsvorwürfe von Glaubensübertrittsurkunden gestützte Kündigung könne nicht auf die vom Arbeitsgericht angenommene Verfremdung der Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag der Ehefrau gestützt werden, weil er der Kläger zu diesem Verdacht nicht angehört worden sei, folgt dem die Berufungskammer ebenfalls nicht.

24

Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts in der Sitzung vom 5. Mai 2010 hat ein Schriftvergleich der vom Kläger geleisteten Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag seiner Ehefrau mit der gleichzeitig geleisteten Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag für den erstgeborenen Sohn, sowie der Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag vom Januar 2004 (Bl. 5 d. A.), dem Mitgliedsantrag bezogen auf den Sohn D und dem Antrag auf Abgabe einer Gegendarstellung sowie der Aufforderung zur Vollmachtsvorlage (Bl. 100 d. A.) im Verfahren 1 Ca 462/09, eine deutliche Verfremdung der Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag der Ehefrau ergeben.

25

Nach Auffassung der Berufungskammer liegt damit ein auf zulässige Indizien gegründeter Kündigungssachverhalt vor, der als nachgeschobener Sachverhalt die Kündigung stützt. Nach Meinung der Berufungskammer können nicht nur Tatsache, die einen unmittelbaren Bezug zum Streitgegenstand haben, sondern auch mittelbare Tatsachen eine Kündigung begründen, wenn sie einen Schluss auf einen unmittelbaren Kündigungstatbestand zulassen (vgl. allgemein zur Indizwirkung: Zöller-Greger, ZPO 24. Aufl., § 286 Rz 9a). Es liegt eine Tatkündigung und keine Verdachtskündigung vor. Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgte, wäre die für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nötige Anhörung (vgl. BAG Urteil vom 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 = AP BGB § 626 Verdacht strafbare Handlung Nr. 19 und Urteil vom 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 = AP BGB § 626 Verdacht strafbare Handlung Nr. 25; sowie ErfK/Müller-Glöge, 9. Auflage BGB 230 § 626 Rz 178 m. w. N.) gegeben, denn die Arbeitsvertragsparteien waren in der Kammerverhandlung vom 5. Mai 2010 präsent, in welcher der zulässigerweise nachgeschobene Kündigungssachverhalt (vgl. BAG Urteil vom 11. April 1985 - 2 AZR 239/84) erörtert wurde. Dies wird aus den Feststellungen des Sitzungsprotokolls (Bl. 223-224 d. A.) mehr als deutlich. Der Kläger hat dort konzediert, dass die Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag der Ehefrau von ihm stamme. Seine Behauptung unter dem Mitgliedsantrag vom 18.03.2004 seiner Ehefrau befände sich sein irgendwie geartetes Kürzel, welches der Gegenseite bekannt sei, ist unzutreffend. Auf den ersten Blick erkennbar ist, dass keine Abkürzung seines Namens vorliegt. Es handelt sich um einen länger ausgeführten Schriftzug, der sich klar von der am gleichen Tag - 18.3.2004 - geleisteten und bisher nahezu identischen Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag für den Sohn D geleisteten Unterschrift unterscheidet und in der Schriftführung den Namen "K" geradezu nachzubilden scheint.

26

Der Bewertung des Arbeitsgerichts ist angesichts der klaren Erfordernisse -"Ich nehme zur Kenntnis, dass obige Angaben als eidesstattliche Erklärung gelten und bestätige, dass ich alle Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet habe"

27

- und dem damit verbundenen Bedeutungsvorgang einer eigenhändigen Unterschrift uneingeschränkt zuzustimmen.

28

Angesichts der aufgezeigten Wichtigkeit für eine persönliche Antragstellung führt auch der Vortrag des Klägers zu einer gegebenen Eilbedürftigkeit der Unterschrift zu keiner anderen Bewertung. Der Kläger hätte im Übrigen wegen der hinreichenden Erkennbarkeit der Bedeutung einer eigenhändigen Unterschrift unter dem Mitgliedsantrag, hinreichend Veranlassung gehabt, eine solche Unterschrift abzulehnen oder sie - wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat - mit einem deutlichen Vertretungszusatz versehen müssen. Der Kläger ist ferner dem entgegenstehendem Vorbringen zu einer fehlenden Eilbedürftigkeit der Beklagten nicht ausreichend, nachvollziehbar und fristgerecht entgegengetreten.

29

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

30

IV. Für die Zulassung der Revision sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

Die Satzung soll Bestimmungen enthalten:

1.
über den Eintritt und Austritt der Mitglieder,
2.
darüber, ob und welche Beiträge von den Mitgliedern zu leisten sind,
3.
über die Bildung des Vorstands,
4.
über die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist, über die Form der Berufung und über die Beurkundung der Beschlüsse.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.

(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Januar 2010 - 5 Sa 627/09 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Land steht.

2

Der Kläger wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrags mit Wirkung vom 29. Juni 1998 unbefristet als „nicht hauptamtliche Lehrkraft“ für die Unterrichtstätigkeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) I eingestellt.

3

Nach § 2 des Vertrags hat der Kläger als Lehrkraft in den Klassen der Untersuchungshaft durchschnittlich 13 Wochenstunden zu je 45 Minuten Aufbauunterricht zu erteilen und muss darüber hinaus nach Bedarf in den Ferien unterrichten. Weiter heißt es, dass er als Lehrkraft in den Stundenplan eingebunden ist. Nach § 3 des Vertrags erhält der Kläger für die Erteilung des Unterrichts für jede Einzelstunde den Vergütungssatz, der jeweils im Geschäftsbereich des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen für die Erteilung nebenamtlichen Unterrichts festgesetzt ist. Nach § 4 des Vertrags ist der Kläger sicherheitsüberprüft und unterliegt allen Bestimmungen über Datenschutz, Verschwiegenheit, Geschäftsverbot und anderen die Sicherheit und Ordnung betreffenden Vorschriften. Er hat insoweit den Weisungen der Justizbediensteten Folge zu leisten.

4

In der JVA wird unterschieden zwischen schulpflichtigen und nicht schulpflichtigen jungen Untersuchungsgefangenen. Der Kläger unterrichtet in der für die nicht schulpflichtigen Häftlinge eingerichteten „Unterrichtsgruppe“. Er soll die ihm zugewiesenen Schüler auf die Ausbildung in der Strafhaft vorbereiten und ihnen das dafür notwendige Vorwissen im Sinne einer Alphabetisierung und Vermittlung der Grundrechenarten nahebringen. Die von ihm betreute Gruppe umfasst zwischen einem und zehn Schülern im Alter von 14 bis 21 Jahren unterschiedlicher Nationalität. Aufgrund der besonderen Situation der Untersuchungshaft berücksichtigt der Unterrichtsinhalt die individuellen Gegebenheiten. Dies erfordert ein eher situatives Arbeiten, das der Kläger nach den Sprachfähigkeiten, der Vorbildung, dem Alter und auch nach den jeweiligen Charakteren der Schüler ausrichtet.

5

Zwei andere Vorklassen erhalten Unterricht durch beamtete Justizlehrer. Wenn, was gelegentlich vorkommt, in diesen für Schulpflichtige vorgesehenen Gruppen Erziehungsschwierigkeiten auftreten, werden die betreffenden Gefangenen ausgeschlossen und der Gruppe des Klägers zugewiesen. Der Kläger hat keine Lehramtsbefähigung. Die Anstaltsleitung schätzt seinen Umgang mit der ihm zugewiesenen Gruppe als „geschickt“ ein.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als Arbeitnehmer anzusehen.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 29. Juni 1998 ein Arbeitsverhältnis besteht.

8

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis sei nicht begründet worden. Die Tätigkeit des Klägers sei eher mit der eines Gastdozenten als derjenigen eines Lehrers zu vergleichen. Auch der geringe zeitliche Umfang der Tätigkeit des Klägers spreche gegen seine Arbeitnehmereigenschaft.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

11

I. Die Klage ist begründet. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

12

1. Das Landesarbeitsgericht ist von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat.

13

a) Hiernach unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 13 mwN, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB; BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe mwN, BAGE 115, 1). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 19 mwN, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 15).

14

b) Diese Grundsätze gelten auch für Unterrichtstätigkeiten. Entscheidend ist, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestaltet und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann. Wer an einer allgemeinbildenden Schule unterrichtet, ist in der Regel Arbeitnehmer, auch wenn er seinen Beruf nebenberuflich ausübt. Dagegen können etwa Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, oder Lehrkräfte, die nur Zusatzunterricht erteilen, als freie Mitarbeiter beschäftigt werden (BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 19 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17).

15

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte widerspruchsfrei und vollständig berücksichtigt. Es hat überdies eine Gesamtwürdigung der in Betracht kommenden Tatsachen vorgenommen.

16

a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die von ihm bindend festgestellte zeitliche und organisatorische Einordnung des Klägers in den Unterrichtsbetrieb hervorgehoben. Es hat dabei zutreffend sowohl auf das durch den Vertrag der Parteien vermittelte rechtliche Band als auch auf dessen Bekräftigung durch die tatsächliche Gestaltung der Arbeitsbeziehung Bedacht genommen.

17

aa) Weisungsabhängigkeit in zeitlicher Hinsicht ist gegeben, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 21 ff., AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18; 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 22, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 15). Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Insofern stellt die Einteilung eines Mitarbeiters in Stundenpläne ohne vorherige Absprache ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft dar (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10: Einseitige Einteilung eines Sportredakteurs in Dienstpläne; 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - zu B II 4 d der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 59 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 44).

18

bb) Nach dem Vertrag der Parteien richtet sich der Unterrichtseinsatz des Klägers nach dem Stundenplan. Die jeweilige Lage der Arbeitszeit ist nicht vertraglich vereinbart, sondern wird vom Arbeitgeber durch Weisung einseitig festgelegt. Der Kläger ist damit im Kern seiner Arbeitstätigkeit durch die zeitliche und organisatorische Planung seines Arbeitgebers an dessen Weisungen gebunden.

19

(1) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war nur die durchschnittliche wöchentliche Dauer der Arbeitszeit vertraglich vereinbart. Dies ergibt sich aus § 2 Satz 1 des Vertrags. Nur insoweit besteht kein Weisungsrecht des beklagten Landes. Über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage als auch über Beginn und Ende der Arbeitszeit kann das beklagte Land nach dem Vertrag einseitig entscheiden. Das beklagte Land hat die Stundenpläne jeweils einseitig aufgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat den Verweis in § 2 Satz 3 des Vertrags auf die Einbindung in den Stundenplan zu Recht nicht als statische, sondern als dynamische Verweisung ausgelegt im Sinne einer Einbindung in den „jeweiligen“ Stundenplan. Der Kläger ist bei der Gestaltung der Arbeitszeit somit in die Unterrichtsabläufe bei dem beklagten Land eingegliedert. Weder die Wochentage noch die zeitliche Lage am jeweiligen Tag kann der Kläger frei wählen (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 23, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17).

20

(2) Auch die Regelung des § 2 Satz 2 des Vertrags schränkt den Kläger in seiner Zeitsouveränität ein. Hiernach hat er in den Ferien Unterricht dem Bedarf entsprechend zu erteilen. Ob es sich bei der Teilnahme des Klägers an Ferienprojekten außerhalb der Schulzeit tatsächlich um eine Unterrichtstätigkeit handelt, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass vom Kläger ständige Dienstleistungsbereitschaft erwartet und er in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also auch insoweit die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden (vgl. BAG 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 16).

21

(3) Außerdem ist der Kläger, wenn auch in geringem Umfang, zu Vertretungen herangezogen worden. Er hat im Rahmen seiner 13. Unterrichtsstunde, also zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht, an Dienstbesprechungen teilgenommen. Auch dieser Umstand steht der selbstbestimmten Gestaltung der Arbeitszeit entgegen (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 24, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17). Es ist nicht festgestellt, dass die Justizlehrerdienstbesprechungen jeweils an einem bestimmten Wochentag stattfanden (vgl. BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 25, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).

22

cc) Der Kläger ist auch abgesehen von den zeitlichen Vorgaben in die Arbeitsorganisation des beklagten Landes eingebunden. Die Schüler werden ihm vom beklagten Land zugewiesen. Gemäß § 1 Satz 2 des Vertrags ist er hinsichtlich seiner Aufgaben, Rechte und Pflichten als Lehrkraft an die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften und die ergänzend ergangenen Bestimmungen sowie die allgemeinen Lehrplanrichtlinien des Kultusbereichs gebunden. Auch darin kommt seine persönliche Abhängigkeit aufgrund der fremdorganisierten Arbeit zum Ausdruck.

23

dd) Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, weicht die tatsächliche Gestaltung der Arbeitsbeziehung nicht von den rechtlichen Vorgaben ab. Der Kläger wird in der im Vertrag vorgesehenen Weise zur Unterrichtstätigkeit herangezogen. Der Kläger wird, so hat das beklagte Land eingeräumt, zum Unterricht „eingeteilt“. Wenn dies, wie das beklagte Land ausgeführt hat, „in der Natur der Sache“ liegt, weil der Gegenstand der Tätigkeit des Klägers, nämlich die Unterrichtserteilung, keine freie Zeiteinteilung erlaube, bestätigt eben dies die tatsächliche Einbindung des Klägers in die Arbeitsorganisation.

24

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger an die vom beklagten Land vorgegebene Zielsetzung des Unterrichts gebunden ist. Der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers steht nicht entgegen, dass er bei der inhaltlichen Ausgestaltung und Durchführung seiner Unterrichtserteilung im Wesentlichen frei von Weisungen ist. Da es sich bei den vom Kläger zu unterrichtenden Jugendlichen vielfach um nicht oder nur schwer sozialisierbare Menschen handelt, ist das Maß der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit gemäß der Natur der Unterrichtsverpflichtung vorgegeben. Ihm kommt nach der zutreffenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts keine entscheidende Bedeutung zu.

25

c) Die Tätigkeit des Klägers ist nicht mit der eines Dozenten in einer Volkshochschule vergleichbar. Denn dafür ist charakteristisch, dass die Verbindung der Schüler oder Kursteilnehmer zum Unterrichtsträger deutlich lockerer ist, weil zB kein Schulzwang besteht und sich die Schüler leicht von der Schule lösen können und es regelmäßig keine förmlichen Abschlüsse gibt. An dem Unterricht der Klassen des Klägers nehmen hingegen bisweilen auch diejenigen Jugendlichen teil, die an sich der Schulpflicht unterliegen. Diese in Artikel 8 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vorgesehene allgemeine Schulpflicht besteht auch in der Justizvollzugsanstalt fort. Der Unterricht der von ihm vornehmlich zu unterrichtenden nicht schulpflichtigen Untersuchungshäftlingen hat zum Ziel, dass diese später an anderen Unterrichtungsangeboten teilnehmen können. Der Kläger ist bei seiner Tätigkeit dem von dem beklagten Land bei der JVA I vorgegebenen Erziehungsauftrag unterworfen. Der Unterricht ist nicht als Weiterbildungsempfehlung zu verstehen, etwa um den Gefangenen eine Abwechslung anzubieten.

26

d) Der Einordnung des Vertrags vom 24. August 1998 als Arbeitsverhältnis steht nicht entgegen, dass die Parteien ihre Rechtsbeziehung nicht ausdrücklich als Arbeitsvertrag bezeichnet haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen (seit BAG 8. Juni 1967 - 5 AZR 461/66 - zu 1 der Gründe, BAGE 19, 324; 13. November 1991 - 7 AZR 31/91 - zu III 1 der Gründe, BAGE 60, 62).

27

e) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Bezeichnung des Klägers in § 1 Satz 1 des Vertrags als „nicht hauptamtliche Lehrkraft“ schließe die Annahme eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht aus. Dem Hinweis des beklagten Landes, wonach maßgeblich für die Qualifizierung des Klägers als Honorarlehrkraft insbesondere der zeitliche Umfang der Tätigkeit sei, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Auch bei der Ausführung von Tätigkeiten in geringem zeitlichen Umfang kann ein ausreichend hohes Maß an Weisungsgebundenheit bestehen. Wenn eine hauptberufliche Vollzeitbeschäftigung auf eine für Arbeitsverhältnisse typische persönliche Abhängigkeit hindeuten sollte, bedeutet dies nicht, dass eine Nebenbeschäftigung mit geringer Arbeitszeit gegen ein Arbeitsverhältnis spricht (BAG 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - zu B II 3 b der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 59 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 44).

28

f) Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht für die Einstufung des Rechtsverhältnisses als unerheblich angesehen, dass nach § 3 Satz 4 des Vertrags der Vergütungssatz dem Steuerabzug nach allgemeinen Grundsätzen unterliegen soll. Die Art der Vergütung spielt schon deshalb keine nennenswerte Rolle, weil entscheidend die Eigenart der Dienstleistung ist, nicht aber die Abwicklung der Entgeltzahlung (BAG 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - zu B II 3 a bb der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 59 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 44).

29

II. Als unterlegener Partei fallen dem beklagten Land nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zur Last.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Kay Ohl    

        

    Frese    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2011 - 11 Sa 567/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der 1981 geborene Kläger nahm von 2002 bis Anfang 2009 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache R wahr. Diese Rettungswache wurde bis zum 31. Dezember 2006 durch den DRK-Kreisverband K e. V. betrieben und ab 1. Januar 2007 dem Beklagten zu 1. zugeordnet. Zum 1. April 2008 übertrug der Beklagte zu 1. den Betriebsbereich Rettungsdienst auf die von ihm gegründete Beklagte zu 2. Die Arbeitsverträge des Klägers wurden nicht schriftlich niedergelegt.

3

Die Beklagte zu 2. ist in der Wirtschaftsregion Westpfalz, die dem Rettungsdienstbereich Kaiserslautern iSd. § 4 RettDG Rheinland-Pfalz entspricht, die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin. Sie führte 2008 83 % aller rettungsdienstlichen Einsatzfahrten durch.

4

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied der Gewerkschaft ver.di mit Tarifbindung ab Juni 2008. Die Beklagten sind Mitglieder der Landestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes in Rheinland-Pfalz, die nach § 1 Abs. 3 ihrer Satzung wiederum Mitglied der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes ist. Der zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene DRK-Reformtarifvertrag vom 22. Dezember 2006 enthält in Anlage 5 Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte. § 3 der Anlage 5 bestimmt in der auf die Rettungssanitäter anwendbaren VergGr. III in der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung ein Stundenentgelt von 8,00 Euro. § 41 DRK-Reformtarifvertrag regelt eine sechsmonatige Ausschlussfrist.

5

Der Kläger und ca. 200 weitere in gleicher Weise eingesetzte Rettungsassistenten bzw. -sanitäter durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, konnten sich - nach Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 bis 30 % offenen Dienste bei den Wachleitern „bewerben“. Hierzu trugen sie sich im Vormonat im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe. Darüber hinaus riefen die Beklagten bei (zB krankheitsbedingtem) Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter kurzfristig an und fragten deren Bereitschaft ab, den Dienst zu übernehmen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Auch eine Stornierung bereits übernommener Dienste durch die einzelnen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter war möglich.

6

Bis zum 31. Dezember 2007 zahlte der Beklagte zu 1. an den Kläger 3,20 Euro für Nachtdienststunden und 5,20 Euro für Tagdienststunden, ab dem 1. Januar 2008 ein einheitliches Stundenentgelt von 5,11 Euro. Letzteres zahlte auch die Beklagte zu 2. ab 1. April 2008.

7

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten einen Rechtsstreit, in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das gezahlte Entgelt sei sittenwidrig, weil ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege und ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehe. Er habe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden, welches vom DRK-Kreisverband K e. V. auf den Beklagten zu 1. und sodann auf die Beklagte zu 2. übergegangen sei, so dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch für die Ansprüche aus 2005 und 2006 hafteten.

9

Die Forderung von Arbeitsentgelt für Januar 2009 hat der Kläger erstmals mit der Klageänderung vom 29. Juni 2010 geltend gemacht.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 8.665,28 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

        

Hilfsweise

        

a)    

den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 5.301,68 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen und

        

b)    

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger weitere 317,69 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

11

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Ansprüche aus 2005 und 2006 müssten sie nicht erfüllen, weil kein mit dem DRK-Kreisverband K e. V. bestehendes Arbeitsverhältnis auf den Beklagten zu 1. übergegangen sei. Die Vergütung sei auch nicht sittenwidrig gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

13

I. Die Revision ist gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unzulässig, soweit der Kläger mit dem Hauptantrag weiterhin die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 begehrt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten unter II. 2.5. und II. 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verneint, weil die Voraussetzungen eines bei Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB nicht vorlägen. Hiermit setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander. Die Ausführungen unter II. 1. der Revisionsbegründung betreffen ausdrücklich nur die Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006 und damit einen anderen Streitgegenstand.

14

II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in Höhe der noch streitigen Ansprüche zu Recht abgewiesen.

15

1. Die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Ansprüche für 2005 und 2006 bestehen nicht. Die Beklagten haften nicht als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006. In diesem Zeitraum bestand weder zum Beklagten zu 1. noch zu der Beklagten zu 2. ein Arbeitsverhältnis. Auch eine Haftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB scheidet aus, weil kein Arbeitsverhältnis des Klägers zum DRK-Kreisverband K e. V. infolge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Beklagten zu 1. übergegangen ist. Ein Arbeitsverhältnis ist auch nicht vom Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen, so dass auch eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten untereinander ausscheidet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger lediglich im Rahmen auf den konkreten Einsatz bezogener, befristeter Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse beschäftigt war, die zum Zeitpunkt der jeweiligen Betriebsübergänge nicht mehr bestanden.

16

a) Der Kläger und der DRK-Kreisverband K e. V. haben weder ausdrücklich noch konkludent einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen.

17

aa) Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 Abs. 1 BGB, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet(BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 a der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1). Allerdings muss die Arbeitsleistung nicht schon von vornherein im Einzelnen festgelegt sein. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung kann auch beinhalten, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 106 Satz 1 GewO zu treffende Weisung auslöst(vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG). Demgegenüber ist ein Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, kein Dienstvertrag und damit auch kein Arbeitsvertrag (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 15, NZA 2012, 733; 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79; 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ob ein unbefristeter Arbeitsvertrag oder einzelne, jeweils befristete Arbeitsverträge geschlossen werden, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulassen (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO; 13. Februar 1985 - 7 AZR 345/82 - zu B I 1 der Gründe).

18

bb) Hiernach stand der Kläger nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Er hat keine dauerhaften Dienste zugesagt und sich nicht dauerhaft zur Erbringung von Diensten verpflichtet. Den Beklagten wurde auch nicht das Recht eingeräumt, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79). Die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit des Klägers lässt nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls nicht darauf schließen, dass dem Arbeitgeber über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt werden sollte, einseitig die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Initiative zur Ableistung eines Dienstes ging - ausgenommen von kurzfristigen Krankheitsvertretungen - regelmäßig vom Kläger aus. Dieser bewarb sich durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung um bestimmte Dienste. In der Bereitstellung eines leeren Dienstplanformulars - oder wie hier, der Möglichkeit, sich im PC für einen Dienst einzutragen - ist nichts anderes zu sehen als die Mitteilung, dass der Arbeitgeber grundsätzlich bereit ist, mit den eingetragenen dienstbereiten Personen für den Fall seines konkreten Bedarfs und für den Fall der persönlichen Eignung auf Dauer des Einsatzes begrenzte Arbeitsverträge abzuschließen (vgl. BAG 13. Januar 1993 - 5 AZR 54/92 - zu II der Gründe, ZTR 1993, 248). Der Kläger war auch nicht verpflichtet, sich stets für eine bestimmte Anzahl von Diensten zu bewerben. Die Parteien hatten keinen festen (Mindest-)Umfang der monatlichen oder jährlichen Arbeitszeit vereinbart. Die mittel- und längerfristig erbrachte Arbeitszeit unterlag vielmehr deutlichen Schwankungen.

19

Auch die einzelnen Tage, an denen der Kläger tätig wurde, variierten. Er konnte zudem nicht gegen seinen Willen zu einem Dienst eingeteilt werden. Es bedurfte immer einer einvernehmlichen Einigung. Bezüglich des konkreten Arbeitseinsatzes bestand das Konsensprinzip (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 20, NZA 2012, 733). Schließlich war er sogar berechtigt, kurzfristig Dienste, für die er bereits eingeteilt war, wieder zu stornieren. All dies spricht gegen die Annahme, der Kläger habe den Willen erklärt, sich dauerhaft zu einer Arbeitsleistung zu verpflichten.

20

Aus den monatlichen Entgeltabrechnungen und der Anmeldung bei der Bayerischen Versorgungskammer zur Zusatzversorgung lässt sich ebenfalls kein unbefristetes Arbeitsverhältnis schließen. Entsprechende Handhabungen liegen auch bei häufig wiederkehrenden, jeweils kurzzeitig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe und sprechen nicht für ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis (vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 b der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; 30. Oktober 1991 - 7 AZR 653/90 - zu I b der Gründe).

21

b) Die auf den jeweiligen Einsatz bezogenen Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse stellen nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt keine unzulässige, zu einem unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung dar. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. § 12 TzBfG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (grundlegend BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 3 a der Gründe mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; zuletzt 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 22 ff. mwN, NZA 2012, 733). Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Bestandsschutz wird nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Es unterliegt der vollen Überprüfung durch die Arbeitsgerichte, ob eine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung und damit ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Auch wenn dies nicht der Fall ist, unterliegen die zwischen den Parteien geschlossenen Einzelvereinbarungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 2 der Gründe, BAGE 106, 79). Nach dem TzBfG kommt es nicht darauf an, ob die Wartezeit des § 1 KSchG erfüllt ist(BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 108, 269).

22

c) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zu richten ( Art. 267 AEUV ). Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob auch in Zeiten zwischen dem Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der Neubegründung eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses von einem bestehenden Arbeitsverhältnis iSd. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen auszugehen ist, wenn in diesem Zeitraum ein Betriebsübergang stattfindet, ist unzweifelhaft aus dem Wortlaut der Richtlinie heraus zu beantworten und zudem vom EuGH geklärt(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T. ua.] Slg. 1982, 3415; BVerfG 30. August 2010 - 1 BvR 1631/08  - Rn. 56, NJW 2011, 288 ; 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - Rn. 51, NJW 2012, 45).

23

aa) Die Betriebsübergangsrichtlinie basiert auf einem einzelstaatlichen Arbeitnehmerbegriff, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, b der Richtlinie 2001/23/EG. Der EuGH entschied bereits zur Vorgängerrichtlinie 77/187/EWG in der Rechtssache Danmols Inventar (11. Juli 1985 - C-105/84 - Slg. 1985, 2639), dass eine gemeinschaftsrechtliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs nicht erforderlich sei. Art. 2 der Richtlinie 2001/23/EG schrieb diese Rechtsprechung fest. Arbeitnehmer ist hiernach zunächst jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist. Nach Art. 2. Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG lässt diese das einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses unberührt. Die Mitgliedstaaten können vom Anwendungsbereich der Richtlinie lediglich Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nicht allein deshalb ausschließen, weil entweder a) nur eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden geleistet wird oder zu leisten ist oder b) es sich um Arbeitsverhältnisse aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags iSv. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis handelt oder aber c) es sich um Leiharbeitsverhältnisse iSv. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 91/383/EWG und bei dem übertragenen Unternehmen oder dem übertragenen Betrieb oder Unternehmens- bzw. Betriebsteil als Verleihunternehmen oder Teil eines Verleihunternehmens um den Arbeitgeber handelt.

24

bb) Damit folgt bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der geänderten Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG, dass nur die Arbeitnehmer geschützt werden, bei denen zum Zeitpunkt des Übergangs ein Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis besteht, und dass die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt ein Vertrag oder ein Arbeitsverhältnis bestehe oder nicht, nach dem innerstaatlichen Recht zu beurteilen ist (EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6 unter Bezugnahme auf 15. Juni 1988 - C-101/87 - [Bork International ua.] Slg. 1988, 3057; vgl. auch Ziegler Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht S. 213 ff.; Wank EuZA 2008, 184, 193; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 190 f.).

25

cc) Die Parteien haben gerade kein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis iSd. § 12 TzBfG abgeschlossen. Die jeweils auf den einzelnen Dienst bezogenen Befristungen standen zudem in keinem Zusammenhang mit den Betriebsübergängen. Die Konstruktion der befristeten Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse wurden vom DRK-Kreisverband K e. V. und dem Kläger schon Jahre vor dem Betriebsübergang praktiziert. Die letzte Befristung endete auch nicht zeitgleich mit dem Betriebsübergang am 31. Dezember 2006, sondern mit Ablauf des Tages, an dem der Kläger im Jahre 2006 seinen letzten Dienst für den DRK-Kreisverband K e. V. verrichtete. Fehlt es aber schon an einem Zusammenhang der Befristung mit dem Betriebsübergang, wurden durch die Vertragswahl der Befristung auch keine zwingenden Vorschriften der Richtlinie 2001/23/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen eine wegen des Übergangs erfolgten Kündigung missachtet.

26

dd) Die vom Kläger angezogene Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] Slg. 2007, I-7643) betrifft nicht die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs iSd. Richtlinie 2001/23/EG, sondern den Begriff der „schwangeren Arbeitnehmerin“ iSd. Art. 2 der Richtlinie 92/85/EWG und den der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Dort gilt aber ein anderer Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 19. März 2002 - C-476/99 - [Lommers] Slg. 2002, I-2891; 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Slg. 2000, I-10997). Die in der Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] aaO) zitierten weiteren Urteile des EuGH betrafen durchweg den Arbeitnehmerbegriff iSd. Art. 48 EWG-Vertrag bzw. iSd. Art. 39 EGV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer). Auch dort gilt aber ein eigenständiger Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 23. März 1982 - C-53/81 - [Levin] Slg. 1982, 1035).

27

ee) Die Überprüfung einer missbräuchlichen Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge aufgrund anderer Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, kommt nicht in Betracht (zu dieser Anforderung EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 36, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6). Zwar waren die einzelnen Befristungen der Arbeitsverträge schon mangels Einhaltung der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Sie gelten jedoch gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG als wirksam, weil der Kläger keine Befristungskontrollklagen erhob(§ 17 Satz 1 TzBfG).

28

2. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Differenzvergütung gegen den Beklagten zu 1. für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2008 und gegen die Beklagte zu 2. für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 2008.

29

a) Die zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen waren nicht wegen Lohnwuchers unwirksam. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatbestand des Lohnwuchers nicht erfüllt sei, weil der Kläger nicht dargelegt habe, dass die Beklagten eine Zwangslage oder seine Unerfahrenheit ausgebeutet hätten. Gegen diese Würdigung werden von der Revision keine Einwände erhoben.

30

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts iSd. § 138 Abs. 1 BGB verneint. Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände wie zB eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten hinzutreten (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 9, BAGE 130, 338; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66; BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55, jeweils mwN).

31

aa) Im Streitfall standen Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis. Damit ist der objektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfüllt.

32

(1) Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind hierbei in der Regel die Tarifentgelte des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14, BAGE 130, 338; 18. April 2012 - 5 AZR 630/10 -). Von der Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 24, aaO; LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 - Rn. 55).

33

(2) Die vom Kläger angezogene tarifliche Vergütung ist die im Wirtschaftsgebiet übliche. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist die tarifgebundene Beklagte zu 2. Marktführerin mit 83 % aller rettungsdienstlichen Einsätze der Region. Zugunsten des Klägers ist mit dem Landesarbeitsgericht deshalb davon auszugehen, dass sie als tarifgebundene Arbeitgeberin des Wirtschaftsgebiets mehr als 50 % der (vergleichbaren) Arbeitnehmer beschäftigte.

34

(3) Das Missverhältnis der Vergütung des Klägers zu der tariflichen Vergütung war in den Jahren 2007 und 2008 auffällig, denn diese lag unterhalb der maßgeblichen Grenze von zwei Dritteln des Tarifentgelts (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 17, BAGE 130, 338 und BGH 22. April 1997 - 1 StR 701/96 - BGHSt 43, 53).

35

bb) Die Beklagten handelten, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht in verwerflicher Gesinnung. Damit fehlt der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts.

36

(1) Kann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden, weil der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 27, BAGE 130, 338 unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55; BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 13 mwN, NJW 2012, 2099; 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 12, NJW 2010, 363). Dann bedarf es zwar noch der Behauptung der verwerflichen Gesinnung (BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 11, aaO), doch sind an diesen Vortrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die tatsächliche Vermutung einer verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft ( BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 19, aaO; 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 19, aaO).

37

(2) Die mit einem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründete tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des begünstigten Vertragsteils kann im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert werden. Insoweit trägt die begünstigte Vertragspartei die Darlegungs- und Beweislast (BGH 10. Februar 2012 - V ZR 51/11 - Rn. 10 mwN, NJW 2012, 1570; 29. Juni 2007 -  V ZR 1/06  - NJW 2007, 2841 ).

38

(3) Liegt ein besonders grobes Missverhältniss von Leistung und Gegenleistung nicht vor, bedarf es zusätzlicher Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig.

39

cc) Im Streitfall ist eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten nicht festzustellen. Der Kläger hat diese nicht im Einzelnen dargelegt, sondern lediglich pauschal auf ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hingewiesen. Zugunsten des Klägers streitet, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch keine tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung aufgrund eines besonders groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, denn der Wert der von ihm erbrachten Arbeitsleistung war nicht (mindestens) doppelt so hoch ist wie die gezahlte Vergütung.

40

Die unstreitigen Gesamtumstände belegen nicht, dass die Beklagten als überlegene Vertragsparteien eine schwächere Lage des Klägers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt oder sich leichtfertig der Einsicht verschlossen haben, der Kläger lasse sich nur wegen seiner schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Verhältnisse auf die ungünstigen Bedingungen ein. Das Gegenteil ist der Fall. Der zu Beginn des Klagezeitraums immerhin 23-jährige Kläger akzeptierte, wie 200 andere in gleicher Weise eingesetzten und häufig ehrenamtlich tätigen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter, durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die Vertragsbedingungen bei jedem Einsatz immer wieder neu. Die Bedingungen waren bekannt. Dass der Kläger sie jeweils unter einem irgend gearteten Druck und aus einer Notsituation heraus annahm, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB zu beachten, dass die Beklagten als Untergliederungen des Deutschen Roten Kreuzes ausschließlich gemeinnützige und mildtätige Zwecke iSd. §§ 51 ff. AO verfolgen. Zu einer Gewinnerzielung sind sie nicht berechtigt.

41

3. Der Kläger kann von der Beklagten zu 2. keine Vergütung für Januar 2009 beanspruchen.

42

a) Es kann offenbleiben, ob die Ansprüche bereits im Vorprozess rechtskräftig abgewiesen wurden. Die Ansprüche sind jedenfalls nach § 41 des DRK-Reformtarifvertrags verfallen. Der Kläger hat die auf § 611 BGB gestützten, mit tatsächlicher Arbeitsleistung begründeten Ansprüche erstmals mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 beziffert geltend gemacht. Das Schreiben vom 23. Mai 2008 wahrte die Ausschlussfrist nicht, weil zu diesem Zeitpunkt ein Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat Januar 2009 überhaupt noch nicht entstanden war (vgl. BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu III 3 a der Gründe, ZTR 1990, 155).

43

b) Das Berufen auf die Ausschlussfrist ist nicht treuwidrig iSd. § 242 BGB. Dies käme nur in Betracht, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen der Gegenpartei veranlasst worden ist (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19 f., AP BGB § 814 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 199; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 30, BAGE 131, 215; 18. November 2004 - 6 AZR 651/03 - zu 6 a der Gründe, BAGE 112, 351; 5. Juni 2003 - 6 AZR 249/02 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 167). Die Beklagte zu 2. hat den Kläger von einer Geltendmachung der Ansprüche nicht abgehalten. Als die Vergütung für den Monat Januar 2009 fällig wurde, hatte der gewerkschaftlich vertretene Kläger bereits die Vergütung für Juni bis Dezember 2008 eingeklagt. Dass er die Vergütung für im Januar 2009 geleistete Dienste nicht geltend gemacht hat, lag nicht an einem treuwidrigen Verhalten der Beklagten zu 2., sondern daran, dass er während der gesamten Dauer des Vorprozesses lediglich Annahmeverzugsansprüche für Januar 2009 mit der Begründung forderte, er sei 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt worden.

44

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    A. Christen    

                 

Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.