Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Juli 2016 - 5 Sa 412/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0721.5SA412.15.0A
bei uns veröffentlicht am21.07.2016

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 8. Juli 2015, Az. 11 Ca 3724/13, abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 10. September 2014 verurteilt, an die Klägerin € 14.475,48 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 % zu tragen. Von den Kosten zweiter Instanz hat die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzlohnansprüche der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am … 1953 geborene Klägerin ist bei ihr seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Klägerin erhielt seit 01.01.2002 einen Stundenlohn von € 8,45 und seit 01.01.2004 einen Stundenlohn von € 8,61. Demgegenüber belief sich der Stundenlohn der Männer, die mit der gleichen Arbeit wie die Klägerin betraut waren, seit 01.01.2002 auf € 9,56 und seit 01.01.2004 auf € 9,66. Ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund bestand unstreitig nicht. Auch die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns) sowie das Weihnachtsgeld (Berechnungsformel: 172 Stunden x Stundengrundlohn x 40 %) und das Urlaubsgeld (Berechnungsformel: 28 Tage x Stundengrundlohn x 8 Stunden x 46,5 %) berechnete die Beklagte für die bei ihr beschäftigten Frauen bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage der niedrigeren Stundenlöhne.

3

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung (jedenfalls für die Zeit ab 01.01.2009) ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt von dieser Ungleichbehandlung Kenntnis hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

4

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 08.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 sowie einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und die Beklagte darüber hinaus aufgefordert, "umfassend" Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Lohnes und sonstiger Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über die Höhe der Arbeitsvergütung der Männer, die mit der gleichen Tätigkeit wie sie beschäftigt sind, hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2002 am 19.09.2013 erteilt.

5

Mit einer am 29.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage (ArbG Koblenz 9 Ca 376/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 440/13) hat die Klägerin die Beklagte ua. auf Zahlung der Differenzvergütung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012, einer Entschädigung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Klage war hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche überwiegend erfolgreich, die Klage auf Auskunftserteilung blieb hingegen erfolglos (LAG Rheinland-Pfalz 13.05.2015 - 5 Sa 440/13).

6

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.07.2013 forderte die Klägerin von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung die Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Anwesenheitsprämien sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 31.12.2008 und erklärte zugleich, dass sie die betreffenden Beträge für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als "Entgeltfortzahlungsansprüche, Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend mache. Mit ihrer am 09.10.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage verfolgt sie die Ansprüche - zuletzt - für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 gerichtlich weiter.

7

Die Beklagte hat sich erstinstanzlich im Wesentlichen auf die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG berufen und außerdem die Einrede der Verjährung erhoben. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Entlohnung sei schon seit jeher im Betrieb allgemein und auch der Klägerin bekannt gewesen.

8

Weil die Klägerin im Kammertermin vom 10.09.2014 keinen Sachantrag gestellt hat, hat das Arbeitsgericht Koblenz ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Gegen das am 19.09.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.09.2014 Einspruch eingelegt.

9

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.07.2015 Bezug genommen.

10

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

11

das Versäumnisurteil vom 10.09.2014, Az. 11 Ca 3724/13, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 16.993,60 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

14

Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil mit Urteil vom 08.07.2015 aufrechterhalten und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Nachzahlungsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2008 seien verjährt. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB sei vor Klageerhebung am 09.10.2013 abgelaufen gewesen. Spätestens zum 31.12.2008 sei zumindest von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von der Entgeltdiskriminierung iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auszugehen. Es sei in der Belegschaft bekannt gewesen, dass die Beklagte den männlichen Produktionsmitarbeitern bei gleicher Tätigkeit einen höheren Stundenlohn als den Frauen gewährte. Sollte die Klägerin hiervon keine Kenntnis gehabt haben, sei dies durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 08.07.2015 Bezug genommen.

15

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.08.2015 zugestellte Urteil am Montag, dem 14.09.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 13.10.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.11.2015 begründet.

16

Die Klägerin meint, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG greife nicht ein, weil sie keine Schadensersatz-, sondern Erfüllungsansprüche geltend mache. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die - zuletzt - geltend gemachten Ansprüche für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 nicht verjährt. Eine grob fahrlässige Unkenntnis von der Diskriminierung der Frauen aufgrund ihres Geschlechts könne ihr nicht vorgeworfen werden. Die Beklagte habe nicht ansatzweise dargelegt, dass ihr bereits vor der Betriebsversammlung im September 2012 bekannt gewesen sei, dass sie die in der Produktion beschäftigten Frauen generell schlechter vergüte als Männer. Der Sachvortrag der Beklagten zu einer früheren Kenntniserlangung sei unsubstantiiert bzw. unerheblich. Es treffe auch keineswegs zu, dass sie infolge grober Fahrlässigkeit von den anspruchsbegründenden Umständen keine Kenntnis genommen habe.

17

Wegen ihrer geschlechtsbezogenen Diskriminierung habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung iHv. insgesamt € 14.960,76 brutto. Dieser Betrag errechne sich auf Grundlage der Lohnabrechnungen für die Monate Dezember 2002 bis der Dezember 2008 und der den abgerechneten Bruttobeträgen jeweils zu Grunde liegenden Anzahl vergüteter Stunden. Des Weiteren habe sie gegen die Beklagte für die Jahre 2002 bis 2008 auf Grundlage der unstreitigen Berechnungsformeln Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubsgeld iHv. insgesamt € 778,08 brutto und Weihnachtsgeld iHv. insgesamt € 513,94 brutto. Außerdem könne sie die Nachzahlung der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter monatlich ausgezahlten Anwesenheitsprämie von 5 % der Summe aus Bruttogrundlohn und (eventuellem) Urlaubsentgelt iHv. € 740,82 brutto beanspruchen. Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2015, insbesondere auf die dortige Berechnung der geltend gemachten Ansprüche, Bezug genommen.

18

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

19

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.07.2015, Az. 11 Ca 3724/13, sowie das Versäumnisurteil vom 10.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 16.993,60 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.08.2013 zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Beklagte meint, die Berufung sei unzulässig, weil sich die Klägerin nicht hinreichend mit den Urteilsgründen für den zur Entscheidung stehenden Fall auseinandergesetzt habe. Die Berufung sei jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien wegen Unbestimmtheit der Klageforderung unzulässig. So habe die Klägerin in der Klageschrift Lohndifferenzen iHv. € 38.361,92 brutto geltend gemacht, die Klage später auf € 40.969,10 erweitert und anschließend auf € 17.189,61, zuletzt auf nunmehr € 16.993,60 reduziert. Es sei nicht zweifelsfrei erkennbar, in welcher Höhe die Klägerin welche Ansprüche zurückgenommen habe und in welcher Höhe welche Ansprüche noch streitgegenständlich sein sollen. Auch im Übrigen fehle es dem Vortrag der Klägerin in weiten Teilen an der erforderlichen Bestimmtheit. Die Zahlungsanträge beruhten auf bloßen Schätzungen, Mutmaßungen und Musterberechnungen. Die Klage sei unbegründet, denn die geltend gemachten Ansprüche seien im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt gewesen. Insoweit verteidigt die Beklagte das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 25.01.2016, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Um keine Kenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt zu haben, hätte die Klägerin konsequent über ihre gesamte Beschäftigungszeit hinweg die Augen vor der generellen geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verschließen müssen, obwohl sich diese geradezu aufgedrängt habe.

23

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

25

Der Einwand der Beklagten, es fehle an einer hinreichenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil, greift nicht durch. Gegenstand und Richtung des Berufungsangriffs sind erkennbar. Die Klägerin hat die Gesichtspunkte aufgezeigt, die aus ihrer Sicht gegen das erstinstanzliche Urteil und für das mit der Berufung angestrebte Ergebnis sprechen. Sie macht insbesondere deutlich, dass ihre Ansprüche für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht verjährt seien. Gerügt wird die Verkennung der Begriffe "Kenntnis" bzw. "grob fahrlässige Unkenntnis" von den "den Anspruch begründenden Umständen" iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Berufung setzt sich damit inhaltlich mit der angefochtenen Entscheidung hinreichend auseinander.

II.

26

Die Berufung ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen iHv. insgesamt € 14.475,48 brutto für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 nebst Zinsen. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

27

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag entgegen der Ansicht der Beklagten hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

28

a) Gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Sie hat den Streitgegenstand dazu so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gem. § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt. Genügt die Klage diesen Anforderungen nicht, ist sie unzulässig (BAG 18.02.2016 - 6 AZR 629/14 - Rn. 21 mwN).

29

b) Die Klägerin hat entgegen der Ansicht der Beklagten den von ihr - zuletzt - geforderten Betrag von € 16.993,60 brutto für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 in einer Weise aufgeschlüsselt, der sich nachvollziehbar entnehmen lässt, wie sich die Gesamtsumme auf die verschiedenen Einzelansprüche verteilt.

30

Die tabellarische Darstellung der Forderung in der Berufungsbegründungsschrift genügt, weil ihr entnommen werden kann, welche Beträge für die einzelnen Monate des Klagezeitraums beansprucht werden. Die Klage ist auch nicht deshalb unbestimmt, weil die Klägerin ihre Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in einem Gesamtbetrag zusammengefasst hat, ohne diese Ansprüche jeweils einzelnen Zeitabschnitten (Zeiten der Arbeitsleistung, Urlaubszeiten, Krankheitszeiten) zuzuordnen. Die Klage richtet sich - erkennbar - auf Nachzahlung eines bestimmten Differenzbetrages wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung für jede von der Beklagten in der Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 auf Basis eines bestimmten Stundenlohnes und einer bestimmten Anzahl von Stunden gezahlte Vergütung, sei es Arbeitslohn, Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit sind sowohl Gegenstand als auch Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 28).

31

2. Die Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) iHv. € 12.647,73 brutto, von zusätzlichem Urlaubsgeld iHv. € 662,46 brutto, von Weihnachtsgeld iHv. € 437,57 brutto und von Anwesenheitsprämien iHv. € 727,72 brutto nebst Zinsen. Der Rest der in der Berufungsinstanz noch anhängigen Gesamtforderung iHv. € 2.518,12 war abzuweisen.

32

a) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin beruhen auf geschlechtsbezogener Diskriminierung.

33

Die Beklagte hat der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, bis zum 31.12.2012 - also auch im streitigen Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 - einen niedrigeren Stundenlohn gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Auf Basis des geringeren Stundenlohnes hat sie der Klägerin auch ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gewährt als den in der Produktion beschäftigten Männern. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.05.2015 - 5 Sa 440/13 - im Vorprozess der Parteien).

34

Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Das gilt zunächst nach dem AGG. Die bei der Entgeltzahlung unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung - hier der individualrechtlichen Vereinbarung - einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - Rn. 21 mwN). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG 11.12.2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45 mwN). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

35

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.

36

Nach § 15 Abs. 4 AGG muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz-, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Leistungsanspruch ist ein Erfüllungs- und kein Schadensersatzanspruch. Für Ansprüche aus § 7 Abs. 1 AGG (BAG 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 16 mwN) auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe gewährt wurden, gilt § 15 Abs. 4 AGG nicht (BAG 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 23; BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37; BeckOK ArbR/ Roloff Stand 01.06.2016 AGG § 15 Rn. 12; MüKo BGB/Thüsing bis zur 6. Aufl. AGG § 15 Rn. 32; wohl aA ders. ab 7. Aufl. AGG § 15 Rn. 47).

37

c) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin ab 01.12.2002 sind nicht nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt.

38

aa) Nach § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist regelmäßig drei Jahre und nach § 199 Abs. 4 BGB - kenntnisunabhängig - höchstens zehn Jahre. Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Diese Kenntnis hatte die Klägerin jedenfalls nicht vor der Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, so dass der Anspruch am 18.12.2012 nicht verjährt war. Da die Beklagte am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich der diskriminierungsbedingten Nachzahlungsansprüche der Klägerin verzichtet hat, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, reicht die zehnjährige Verjährungsfrist vorliegend zurück bis auf den 18.12.2002. Damit sind auch Ansprüche der Klägerin für den Monat Dezember 2002 nicht verjährt, weil der Dezemberlohn erst mit Ablauf des Monats fällig geworden und iSv. § 199 Abs. 4 BGB entstanden ist.

39

bb) Die für die erforderliche Kenntnis der Klägerin darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht darzulegen vermocht, dass die Klägerin vor der Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den ihren Anspruch begründenden Umständen -"dem Diskriminierungsgeschehen"- positive Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

40

(1) Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Gläubiger die Erhebung einer Klage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Gläubiger alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BAG 20.11.2013 - 5 AZR 776/12 - Rn. 11).

41

(2) Nach diesen Maßgaben lässt sich eine positive Kenntnis der Klägerin nicht feststellen.

42

(a) Positive Kenntnis von den einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung begründenden Umständen hat eine Arbeitnehmerin - auch unter Berücksichtigung der Beweislastregel des § 22 AGG - dann, wenn sie weiß, dass ihr Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten Frauen generell schlechter vergütet als die Männer. Nicht ausreichend ist insoweit die Kenntnis davon, dass etwa nur einige, dh. eine begrenzte Anzahl der in der Produktion beschäftigten Männer eine höhere Arbeitsvergütung erhalten als eine oder mehrere mit vergleichbaren Arbeitstätigkeiten betraute Frauen, da sich hieraus noch nicht der Rückschluss ziehen lässt, dass die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen auf einem generalisierenden Prinzip beruht (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 43, zu einem anderen Unternehmen der B.-Gruppe).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten Gespräche, Erklärungen, Ereignisse oder sonstigen Umständen gerade (auch) die Klägerin positive Kenntnis davon erlangt haben könnte, dass die im Betrieb beschäftigten Frauen bei gleicher Arbeit generell eine geringere Vergütung erhielten als Männer.

44

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bereits im Bewerbungs- oder Einstellungsgespräch im Jahr 1994 auf die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen in der Produktion hingewiesen wurde. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die Produktionsmitarbeiterinnen hiervon "in aller Regel" bereits bei der Einstellung in Kenntnis gesetzt zu haben. Hieraus folgt jedoch nicht, dass dies gerade auch bei der Einstellung der Klägerin der Fall war. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Lohnstrukturen im Unternehmen seien stets bekannt und Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Konflikte gewesen, so lässt sich hieraus nichts für den konkreten Kenntnisstand der Klägerin ableiten. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, die Lohnstrukturen seien stets "offen kommuniziert" worden. Dieses Vorbringen steht im Übrigen in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte (unstreitig) auch Arbeitsverträge verwendet, die hinsichtlich der Arbeitsvergütung eine Verschwiegenheitsklausel enthalten. Auch wenn es - wie von der Beklagten behauptet - Beschwerden einzelner Frauen, uU. sogar der Klägerin selbst, darüber gab, weniger zu verdienen als ein oder mehrere vergleichbare Männer, so ergibt sich hieraus noch nicht, dass die Frauen Kenntnis davon hatten, dass diese Ungleichbehandlung auf einem generalisierenden Prinzip beruhte. Diese gilt erst Recht für die Behauptung der Beklagten, die Ungleichbehandlung sei Gegenstand einer Vielzahl von Gesprächen zwischen Mitarbeitern im Betrieb gewesen. Der Umstand, dass am Standort der Beklagten im Jahr 2006 anlässlich der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Schulung gem. § 12 Abs. 2 AGG stattgefunden hat, ist für die Beurteilung des Kenntnisstandes der Klägerin ohne Belang. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Betrieb der Beklagten Gegenstand dieser Schulung war. Unerheblich ist auch der Hinweis der Beklagten auf einen Zeitungsartikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit" aus dem Jahr 1996, dessen Inhalt Rückschlüsse auf eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen innerhalb der Unternehmensgruppe zulässt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von diesem Zeitungsartikel vor den zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Frauendiskriminierung, die ab 2012 anhängig wurden, Kenntnis erlangt hat. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Erklärungen anderer Mitarbeiterinnen berufen, wonach die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen "allen" Beschäftigten "stets" bekannt gewesen sei. Aus den betreffenden Erklärungen ergibt sich nämlich weder, auf welche konkreten Tatsachen bzw. Informationen die Mitarbeiterinnen, die eine solche Erklärung abgegeben haben, ihre Erkenntnis stützen, noch, wann und auf welche Weise der Klägerin das Wissen von der generellen Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen vermittelt worden sein soll. Eine diesbezügliche Wissensvermittlung lässt sich auch ansonsten dem Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 45).

45

Es ist auch unerheblich, dass der Ehemann der Klägerin, der in einem anderen Unternehmen der B.-Gruppe beschäftigt ist, einen höheren Stundenlohn als die Klägerin erhielt. Die Kenntnis über die Lohnhöhe des Ehemanns, lässt keinen Rückschluss auf eine strukturelle Diskriminierung der Frauen im Produktionsbereich zu.

46

Dem Antrag der Beklagten, die Klägerin als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, sie - die Klägerin - habe aus zahlreichen Gesprächen mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen seit ihrer Einstellung Kenntnis davon, dass weibliche Produktionskräfte im Betrieb grundsätzlich niedrigere Löhne erhielten als männliche, war nicht zu entsprechen. Denn bei diesem, auf die Feststellung einer inneren Tatsache bezogenen Beweisantrag handelt es sich in Ermangelung jeglicher Angaben, aufgrund welcher konkreten Gespräche die Klägerin die behauptete Kenntnis erhalten haben soll, sowie in Ermangelung ausreichender Indizien, die für eine solche Kenntniserlangung sprechen könnten, um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Erst aufgrund der Erhebung des angebotenen Beweises, dh. der Parteivernehmung der Klägerin, könnte die Beklagte möglicherweise in die Lage versetzt werden, den ihr obliegenden substantiierten Tatsachenvortrag zu liefern (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 46).

47

(3) Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den die geltend gemachten Ansprüche begründenden Umständen ist zu verneinen.

48

(a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. Hierbei trifft den Gläubiger aber generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (BGH 15.03.2016 - XI ZR 122/14 - Rn. 34 mwN).

49

(b) Nach diesen Maßstäben kann eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin davon, dass die Beklagte in der Produktion beschäftigte Frauen generell geringer vergütete als Männer, nicht angenommen werden. Selbst wenn die Klägerin von der vergütungsmäßigen Besserstellung einzelner oder einiger Männer (auch ihres Ehemanns) gegenüber den Frauen im Produktionsbereich Kenntnis gehabt haben sollte, war ihr nicht zuzumuten, eigene Nachforschungen über die Lohnstrukturen im Betrieb der Beklagten (oder sogar innerhalb der Unternehmensgruppe) anzustellen, um zu ermitteln, ob eine generalisierende Schlechterstellung von Frauen gegeben war. Ein Betriebsrat, an den sich die Klägerin hätte wenden können, existierte bei der Beklagten bis zum September 2014 nicht. Die Klägerin war zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit nicht verpflichtet, Ansprüchen aktiv nachzuspüren, indem sie sich etwa bei den anderen Produktionskräften über die Höhe deren Arbeitsvergütung erkundigt. Derartige Initiativen wären im Kollegenkreis auf Unverständnis gestoßen und im Falle einer gewissen Beharrlichkeit auch geeignet gewesen, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 47).

50

d) Die zweitinstanzlich noch geltend gemachten Ansprüche sind in einer Gesamtsumme von € 14.475,48 brutto der Höhe nach begründet. Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin nicht zu.

51

aa) Die Klägerin kann von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 iHv. insgesamt € 12.647,73 brutto beanspruchen. Darüber hinaus hat sie einen Anspruch auf Nachzahlung von zusätzlichem Urlaubsgeld für die Jahre 2003 bis 2008 iHv. insgesamt € 662,46 brutto, auf Weihnachtsgeld iHv. €437,57 brutto und auf Anwesenheitsprämien iHv. € 727,72 brutto.

52

bb) Die Klägerin hat entgegen der Ansicht der Beklagten den von ihr geforderten Gesamtbetrag in der Berufungsbegründungsschrift in einer Weise aufgeschlüsselt, der sich nachvollziehbar entnehmen lässt, wie sich die zuletzt geforderte Gesamtsumme auf die verschiedenen Einzelansprüche verteilt.

53

(1) Die tabellarische Darstellung der Forderung auf Nachzahlung von Lohndifferenzen auf den Seiten 5 bis 15 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 genügt unter Berücksichtigung der Erläuterungen im selben Schriftsatz den Anforderungen an die Substantiierungspflicht, weil ihr entnommen werden kann, welche Beträge für die einzelnen Monate des Klagezeitraums vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 von der Klägerin beansprucht werden. Die Klägerin hat das Zahlenwerk ausführlich dargestellt. In Spalte 1 der Tabelle hat sie den jeweiligen Monat aufgeführt, für den sie die Differenz zwischen ihrem geringeren Stundenlohn und dem höheren Stundenlohn der Männer beansprucht (€ 1,11 von 2002 bis 2003; € 1,05 von 2004 bis 2008). In der Spalte 5 hat sie die Summe der ihr im jeweiligen Monat von der Beklagten tatsächlich gezahlten Arbeitsvergütung (untergliedert in Lohn, Urlaubslohn und Lohnfortzahlung) beziffert aufgeführt. Diesen Ist-Monatslohn hat sie durch den Ist-Stundenlohn dividiert und so die Anzahl der von ihr im jeweiligen Monat geleisteten und von der Beklagten vergüteten Arbeitsstunden aufgeführt (Spalte 6). Diese Stunden hat sie schließlich mit der Stundenlohndifferenz multipliziert und genannt (Spalte 7).

54

(2) Die Klägerin hat auch die geforderten Bruttodifferenzbeträge für das zusätzliche Urlaubsgeld auf Seite 16 der Berufungsbegründungsschrift schlüssig dargelegt. Sie hat die Berechnungsformel der Beklagten angewendet (28 Tage x 8 Stunden x 46,5 %) und mit der Stundenlohndifferenz von € 1,11, bzw. € 1,05 getrennt für die Jahre 2002 bis 2008 multipliziert, so dass sich für 2002 und 2003 einen Differenz jährlich von € 115,62 und für 2004 bis 2008 von jährlich € 109,37 errechnet.

55

(3) Auch die geforderten Bruttodifferenzbeträge für das Weihnachtsgeld hat die Klägerin auf Seite 18 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 so errechnet. Sie hat die Berechnungsformel der Beklagten angewendet (172 Stunden x 0,4) und mit der Stundenlohndifferenz von € 1,11, bzw. € 1,05 getrennt für die Jahre 2002 bis 2008 multipliziert, so dass sich für 2002 und 2003 einen Differenz jährlich von € 76,37 und für 2004 bis 2008 von jährlich € 72,24 errechnet.

56

(4) Schließlich ist auch der Nachzahlungsbetrag der geforderten Anwesenheitsprämie schlüssig berechnet. Diese beträgt 5 % der Summe aus Grundlohn und Urlaubslohn. In den Spalten 1 bis 8 ihrer Tabelle hat die Klägerin ihre Rechenschritte auf den Seiten 22 bis 30 der Berufungsbegründungsschrift, und zwar für jeden Monat getrennt, übersichtlich dargestellt.

57

cc) Den Darlegungen und Berechnungen der Klägerin ist die Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hinreichend entgegengetreten.

58

(1) Die Beklagte durfte sich angesichts der detaillierten Aufstellungen und Berechnungen der Klägerin nicht mit einfachem Bestreiten begnügen. Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Der Beklagten war ein substantiierter Gegenvortrag auch möglich und zumutbar. Die Lohnabrechnungen, die die Klägerin ihrem Zahlenwerk zu Grunde gelegt hat, hat sie selbst erstellt. Da die Klägerin als Anlage zu ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2015 keine Lohnabrechnungen (nur) zur Gerichtsakte gereicht hat, bestand auch kein Anlass diese der Beklagten vorzulegen. Die Beklagte war entgegen ihrer Ansicht anhand des Vortrags der Klägerin in die Lage gesetzt, deren Berechnungen nachzuvollziehen und deren Richtigkeit sachlich und rechnerisch zu überprüfen. Ebenfalls unzutreffend ist das Argument der Beklagten, die Klägerin stütze ihre in der Berufungsbegründungsschrift nochmals ausführlich dargestellten Nachzahlungsansprüche auf Pauschalierungen, Schätzungen und hypothetische Musterberechnungen.

59

(2) Von der Gesamtforderung sind insgesamt € 2.518,12 brutto abzuziehen. In der Aufstellung der Klägerin auf Seite 14 und 15 der Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2015 sind noch Differenzbeträge "Minderlohn" für die Monate Januar bis November 2002 in einer Gesamthöhe von € 2.313,03 brutto aufgelistet, obwohl die Klägerin ihre Klageforderung auf die Zeit ab 01.12.2002 beschränkt hat. Auf Seite 16 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 ist ein "Minderbetrag Urlaubsgeld" für das Jahr 2002 iHv. € 115,52 aufgeführt, der am 18.12.2012 (Datum des Verzichts auf die Einrede der Verjährung für noch unverjährte Ansprüche) bereits verjährt war, denn das Urlaubsgeld wird im Juni und Oktober eines Jahres zur Zahlung fällig. Auf Seite 18 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 ist ein "Minderbetrag Weihnachtsgeld" iHv. € 76,37 für das Jahr 2002 aufgelistet, der am 18.12.2012 bereits verjährt war, weil das Weihnachtsgeld mit dem Novemberlohn zur Zahlung fällig wird. Schließlich ist der Beklagten zuzugeben, dass die Klägerin in ihrer Tabelle für April 2008 einen Betrag iHv. € 9,27 brutto (Seite 23) und für Mai 2004 einen Betrag iHv. € 3,83 brutto (Seite 27 des Schriftsatzes vom 13.11.2015) unter der Überschrift "diskriminierungsbedingt zu wenig gezahlte Anwesenheitsprämie" geltend macht, obwohl ihr in diesen Monaten keine Anwesenheitsprämie gezahlt worden ist.

60

dd) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befindet sich aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.07.2013 ab dem 10.08.2013 mit der Leistung in Verzug.

III.

61

Die Kostenentscheidung folgt für das Berufungsverfahren - bei einem Streitwert von € 16.993,60 - aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; für das erstinstanzliche Verfahren - bei einem Streitwert von € 40.969,19 - aus § 92 Abs. 1 ZPO iVm. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Eine Gebührenprivilegierung für Teilklagerücknahmen besteht nicht (BAG 23.02.2011 - 4 AZR 336/09 - Rn. 54 mwN). Dass die Klägerin die Kosten ihrer Säumnis im Termin vom 10.09.2014 gem. § 344 ZPO allein zu tragen hat, wurde versehentlich nicht in den Tenor aufgenommen.

62

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Juli 2016 - 5 Sa 412/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Juli 2016 - 5 Sa 412/15

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Juli 2016 - 5 Sa 412/15 zitiert 28 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 15 Entschädigung und Schadensersatz


(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Wegen eines Schadens,

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612 Vergütung


(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 2 Anwendungsbereich


(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf: 1. die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 22 Beweislast


Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 8 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen


(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 260 Anspruchshäufung


Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 344 Versäumniskosten


Ist das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen, so sind die durch die Versäumnis veranlassten Kosten, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind, der säumigen Partei auch dann aufzuerlegen, wenn infolg

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 12 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers


(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. (2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Juli 2016 - 5 Sa 412/15 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Juli 2016 - 5 Sa 412/15 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2016 - XI ZR 122/14

bei uns veröffentlicht am 15.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 122/14 Verkündet am: 15. März 2016 Herrwerth Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Feb. 2016 - 6 AZR 629/14

bei uns veröffentlicht am 18.02.2016

Tenor 1. Auf die Revisionen der Beklagten und des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision des Klägers im Übrigen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2014 - 13

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Jan. 2016 - 4 Sa 616/14

bei uns veröffentlicht am 13.01.2016

Tenor I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6.8.2014 - 2 Ca 3713/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert: 1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.374,94 € b

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Mai 2015 - 5 Sa 440/13

bei uns veröffentlicht am 13.05.2015

Diese Entscheidung zitiert Tenor 1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27. August 2013, Az. 9 Ca 376/13, unter Aufrechterhal

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Nov. 2013 - 5 AZR 776/12

bei uns veröffentlicht am 20.11.2013

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Juli 2012 - 6 Sa 90/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Feb. 2011 - 4 AZR 336/09

bei uns veröffentlicht am 23.02.2011

Tenor 1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. April 2009 - 17 Sa 904/08 E - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 30. Nov. 2010 - 3 AZR 754/08

bei uns veröffentlicht am 30.11.2010

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Juni 2008 - 2 Sa 265/08 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Feb. 2010 - 6 AZR 911/08

bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurückgewiesen.
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Juli 2016 - 5 Sa 412/15.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Okt. 2018 - 5 Sa 455/15

bei uns veröffentlicht am 11.10.2018

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3486/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streite

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Juni 2018 - 5 Sa 444/15

bei uns veröffentlicht am 14.06.2018

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3479/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten darübe

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 15. März 2018 - 5 Sa 434/15

bei uns veröffentlicht am 15.03.2018

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3498/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streite

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 23. März 2017 - 5 Sa 454/15

bei uns veröffentlicht am 23.03.2017

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3473/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streite

Referenzen

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Tenor

1. Auf die Revisionen der Beklagten und des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision des Klägers im Übrigen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2014 - 13 Sa 107/14 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. November 2013 - 8 Ca 504/11 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 921,48 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 9. August 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten erster Instanz trägt der Kläger. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden zu 81 % dem Kläger und zu 19 % der Beklagten auferlegt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Höhe einer tariflichen Einkommenssicherungszulage.

2

Der Kläger ist 1963 geboren und unter Berücksichtigung von anrechenbaren Zeiten seit dem 14. März 1986 bei der beklagten Bundesrepublik beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Anwendung. Seit dem 1. Januar 2008 erfolgte eine Einkommenssicherung nach Maßgabe des § 6 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2001. Der Kläger erhielt monatlich eine persönliche Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw in Höhe von zunächst 672,87 Euro brutto. Diese wurde bereits aufgrund der Tariflohnerhöhung zum 1. Januar 2008 zum ersten Mal erhöht. Zum 1. März 2013 wurde er von der EG 7 Stufe 6 in die EG 6 Stufe 6 herabgruppiert, was zu einer Veränderung der Zahlungshöhe der persönlichen Zulage führte.

3

In der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 4. Dezember 2007 bestimmte § 6 Abs. 3 TV UmBw zur Dynamisierung der persönlichen Zulage Folgendes:

        

1Die persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. 2Ungeachtet von Satz 1 verringert sie sich nach Ablauf der sich aus § 34 Abs. 1 TVöD ohne Berücksichtigung des § 34 Abs. 2 TVöD ergebenden Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die

        

a)    

eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,

        

b)    

noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel

        

des Erhöhungsbetrages. … 4Die Verringerung unterbleibt in den Fällen, in denen die/der Beschäftigte

        

a)    

das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,

        

b)    

eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat oder

        

c)    

zum Zeitpunkt der Maßnahme nach § 1 Abs. 1 bereits auf Grund einer früheren Personalmaßnahme nach diesem Tarifvertrag, nach dem Tarifvertrag über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung oder einem der Tarifverträge über den Rationalisierungsschutz vom 9. Januar 1987 eine Vergütungs-Lohn- und Entgeltsicherung erhalten hat.

        

…“    

        
4

Eine inhaltlich gleichlautende Regelung enthält § 6 Abs. 3 TV UmBw idF des Änderungstarifvertrags Nr. 3 vom 10. Dezember 2010.

5

Aufgrund der seit dem 1. Januar 2008 erfolgten Entgelterhöhungen kürzte die Beklagte die persönliche Zulage nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a TV UmBw auf zuletzt 638,51 Euro brutto. Sie nahm dabei jeweils eine Kürzung um ein Drittel des auf das laufende Entgelt entfallenden Erhöhungsbetrags vor. Eine Entgeltkürzung wegen der Entgelterhöhungen zum 1. Januar und 1. August 2013 erfolgte nicht mehr, weil der Kläger zwischenzeitlich eine Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren erreicht hatte.

6

Der Kläger hat zunächst die Auffassung vertreten, die Zulage dürfe nur bezüglich des Erhöhungsbetrags gekürzt werden, der auf die persönliche Zulage selbst entfalle. Diesen Anspruch machte er erstmals mit Schreiben vom 11. November 2008 schriftlich geltend und hat mit seiner 2011 erhobenen Klage zunächst die sich aus dieser Rechtsauffassung ergebende Entgeltdifferenz für die Zeit von Januar 2008 bis einschließlich November 2011 begehrt.

7

Nachdem das Verfahren nach § 251 ZPO bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage geruht hatte, beruft sich der Kläger seit Aufnahme des Verfahrens mit Schriftsatz vom 15. Mai 2013, der der Beklagten am 28. Mai 2013 zugestellt worden ist, darauf, dass § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw unmittelbar altersdiskriminierend sei, soweit danach die Zulage gekürzt werde, wenn der Arbeitnehmer wie der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren aufweise, aber noch nicht mindestens 55 Jahre alt sei. Insoweit stützt sich der Kläger auf das obiter dictum des Senats in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 (- 6 AZR 359/11 -). Er müsse deshalb rückwirkend finanziell so gestellt werden, als sei nie eine Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf die persönliche Zulage erfolgt. Der Kläger hat unter Zugrundelegung dieses neuen Rechtsstandpunkts die Klage für die Zeit bis einschließlich 31. August 2013 durch bezifferte Leistungsklage erweitert. Zur Berechnung der Klageforderung für den Streitzeitraum Januar 2008 bis August 2013 hat er eine Excel-Tabelle erstellt und diese erläutert. Von der sich danach ergebenden Gesamtforderung von 4.933,40 Euro hat er den ursprünglichen Klagebetrag abgezogen und hinsichtlich der Differenz die Klage erweitert.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für den gesamten Streitzeitraum die tarifliche Ausschlussfrist bereits mit der Geltendmachung vom 11. November 2008 gewahrt.

9

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - zuletzt beantragt

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.955,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.977,44 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Kläger habe die tarifliche Ausschlussfrist versäumt. Die Wirksamkeit der Anrechnungsregelung an sich sei nicht Streitgegenstand der ursprünglich vom Kläger angestrengten Klage gewesen. Er stütze sich nunmehr auf eine diametral entgegengesetzte Begründung.

11

Das Arbeitsgericht hat den in die Revision gelangten Zahlungsanträgen stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat dem Kläger nur die mit dem Antrag zu 1. begehrte Nachzahlung zugesprochen. Insoweit sei die Ausschlussfrist gewahrt. Der mit dem Antrag zu 2. verfolgte Betrag sei dagegen der Höhe nach unschlüssig. Es fehle an einer Berechnung, welcher Betrag Monat für Monat gefordert werde. In der vorgelegten Excel-Tabelle fänden sich nur diverse Zahlenkolonnen und nicht nachvollziehbare Berechnungen, die sich auf mehrere Jahre bezögen. Es fehle an einem bestimmten Antrag und der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes der erhobenen Forderung.

12

Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision wenden sich diese im Umfang ihres wechselseitigen Unterliegens gegen die Entscheidung der Vorinstanz.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw altersdiskriminierend ist und der Kläger darum für den streitbefangenen Zeitraum grundsätzlich Anspruch auf eine uneingeschränkte Dynamisierung der persönlichen Zulage hatte. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Klage hinsichtlich des Antrags zu 2. unschlüssig bzw. nicht hinreichend bestimmt ist. Die vor November 2012 fällig gewordenen Ansprüche des Klägers auf Entgeltnachzahlung sind allerdings verfallen. Dem Kläger steht nur eine Nachzahlung von 921,48 Euro brutto für die Zeit von November 2012 bis August 2013 zu. Insoweit ist die Revision der Beklagten begründet und die Revision des Klägers erfolglos.

14

I. Die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, die wie der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren aufweisen, soweit sie innerhalb dieses Personenkreises Beschäftigte wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt. Das hat für die hier allein streitbefangene Vergangenheit im Ergebnis eine „Anpassung nach oben“ zur Folge, so dass der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf Zahlung einer uneingeschränkt gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw dynamisierten persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw erworben hatte. Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 18. Februar 2016 (- 6 AZR 700/14 - Rn. 16 ff.) Bezug und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf.

15

II. Die vor November 2012 fällig gewordenen Ansprüche auf Zahlung der ungekürzt dynamisierten persönlichen Zulage nach § 6 Abs. 1 TV UmBw sind jedoch gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen. Das rügt die Revision der Beklagten zu Recht. Der Kläger hat erst mit dem am 28. Mai 2013 zugestellten Schriftsatz vom 15. Mai 2013 die Ausschlussfrist für die ab dem 30. November 2012 fällig gewordenen Ansprüche auf die begehrte Entgeltdifferenz gewahrt.

16

1. Die Ansprüche sind für die Zeit vor der Geltendmachung des zuletzt verfolgten Anspruchs auf Zahlung einer ungekürzten und damit uneingeschränkt dynamisierten persönlichen Zulage mit Schriftsatz vom 15. Mai 2013 gemäß § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen. Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 18. Februar 2016 (- 6 AZR 628/14 - Rn. 15 ff.) Bezug.

17

2. Die Ausschlussfrist wurde bereits durch den der Beklagten am 28. Mai 2013 zugestellten Wiederaufnahmeschriftsatz vom 15. Mai 2013 gewahrt. Darin hat der Kläger unter Bezug auf das obiter dictum des Senats in seiner Entscheidung vom 15. November 2012 (- 6 AZR 359/11 -) geltend gemacht, hinsichtlich des Personenkreises, dem er angehöre, liege eine unzulässige Altersdiskriminierung vor, so dass die Beklagte verpflichtet sei, die Kürzungen „vollständig zurückzunehmen“ und die Beträge an den Kläger zurückzuzahlen. Damit hat er bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, welcher Forderung er sich berühmt und dass er auf der Erfüllung dieser Forderung besteht. Die Beklagte konnte nach ihrem Empfängerhorizont ohne Weiteres erkennen, um welche Forderung es sich handelt. Auch wenn der Kläger seinen Anspruch in dem Schriftsatz noch nicht beziffert hat, war für die Beklagte, die über das erforderliche Rechenwerk verfügte, die Höhe des Anspruchs mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennbar. Auch konnte sie die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt werden sollte, ebenso erkennen wie den Umstand, dass der Kläger den nunmehr geltend gemachten Anspruch - soweit im Rahmen der Ausschlussfrist möglich - auch rückwirkend geltend machen wollte. Der Vergangenheitsbezug ergab sich aus dem Verlangen, die Kürzungen „vollständig“ zurückzunehmen.

18

III. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, auf die kürzeren Ausschlussfristen nach dem AGG komme es nicht an, weil der Kläger keine Entschädigung oder Schadenersatz nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG begehre, sondern die Erfüllung der Hauptleistungspflicht der Beklagten durch Zahlung einer höheren und diskriminierungsfreien Vergütung anstrebe. Das greift die Revision der Beklagten nicht an.

19

IV. Das Landesarbeitsgericht ist aber rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Klage sei hinsichtlich des Antrags zu 2. nicht hinreichend bestimmt bzw. nicht hinreichend schlüssig. Es hat zudem keine eindeutige Trennung dieser beiden Prüfpunkte, die unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen, vorgenommen. Insoweit hat die Revision des Klägers Erfolg.

20

1. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verletzt hat, weil es die Klage hinsichtlich des Antrags zu 2. als nicht hinreichend bestimmt angesehen hat.

21

a) Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Sie hat den Streitgegenstand dazu so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gemäß § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt(BAG 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 21). Genügt die Klage diesen Anforderungen nicht, ist sie unzulässig (BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 18).

22

b) Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch den von ihm mit dem Antrag zu 2. geforderten Betrag in einer Weise aufgeschlüsselt, der sich noch nachvollziehbar entnehmen lässt, wie sich die Gesamtsumme auf die verschiedenen Einzelansprüche verteilt (zu dieser Anforderung BAG 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 23). Die tabellarische Darstellung der Forderung in der Excel-Tabelle auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 31. Juli 2013 genügt unter Berücksichtigung ihrer Erläuterung im selben Schriftsatz § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil ihr entnommen werden kann, welche Beträge für die einzelnen Monate des Klagezeitraums beansprucht werden(vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 691/09 - Rn. 24; BGH 17. Juli 2015 - V ZR 84/14 - Rn. 33). In der Zeile „mtl. Differenz“ ist in der Tabelle die sich nach Auffassung des Klägers jeweils ergebende monatliche Differenz beziffert aufgeführt. In der darunter stehenden Zeile „Gesamtbetrag“ ist der sich jeweils für das gesamte Jahr errechnende Forderungsbetrag genannt. Eine derartige Hochrechnung und Zusammenfassung in Jahresbeträge steht im Einklang mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO(vgl. BAG 24. September 2014 - 5 AZR 593/12 - Rn. 21). Ob die Einsatzbeträge zutreffen und die Berechnung rechnerisch richtig ist, ist keine Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Klageforderung, sondern der Begründetheit der Klage.

23

c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Klage auch nicht deshalb unbestimmt, weil der Kläger den Betrag, um den er mit dem Schriftsatz vom 31. Juli 2013 die Klage erweitert hat, durch einfache Subtraktion des bereits eingeklagten Betrags von der sich aus der Excel-Tabelle ergebenden Gesamtforderung errechnet hat. Ungeachtet dessen lässt sich der Tabelle entnehmen, welchen Teil des erst mit der Klageerweiterung in den Prozess eingeführten Streitzeitraums die weitere Forderung von 1.977,44 Euro mit welchen Beträgen abdecken soll. Der gesamte mit dem Antrag zu 2. geforderte Betrag soll mit den aus der Excel-Tabelle ersichtlichen einzelnen Monats- und daraus errechneten Jahresbeträgen ausschließlich auf den mit der Klageerweiterung in den Prozess eingeführten Streitzeitraum entfallen. Auch insoweit führen etwaige Rechenfehler allein zur teilweisen Unbegründetheit der Klage, haben aber nicht ihre mangelnde Bestimmtheit zur Folge.

24

d) Allerdings geht das Landesarbeitsgericht zu Recht davon aus, dass der Kläger sein Rechenwerk deutlich übersichtlicher hätte gestalten können, wie es den Bevollmächtigten in Parallelverfahren ohne Weiteres gelungen ist. Dem Kläger ist jedoch zugutezuhalten, dass seine Klage einen langen Streitzeitraum umfasste und zahlreiche Rechenschritte erforderte. Die persönliche Zulage war aufgrund der Dynamisierung insgesamt achtmal zu erhöhen, wobei die Herabgruppierung ab dem 1. März 2013 und die dadurch eingetretene Erhöhung der Zulage zu berücksichtigen war. Der so gefundene Betrag musste der tatsächlich gezahlten Zulage gegenübergestellt werden, was zu zahlreichen unterschiedlichen Differenzbeträgen während des Streitzeitraums führte. Eine Partei ist nicht gehalten, von der Erhebung einer Klage abzusehen, weil ihre Forderung ihrer Entstehung und/oder Höhe nach wegen der Anzahl der erforderlichen Rechenschritte nicht einfach darzustellen ist. In einem solchen Fall muss sich vielmehr das Gericht der Mühe unterziehen, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, wenn dieser, wie vorliegend, noch den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht(vgl. BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe). Es bleibt allerdings dem Tatsachengericht unbenommen, dem Kläger aufzugeben, sein Rechenwerk zu konkretisieren und übersichtlicher darzustellen.

25

2. Die Klage ist für die Zeit seit dem 1. November 2012 auch nicht wegen fehlender Schlüssigkeit als unbegründet abzuweisen. Sachvortrag zur Begründung des Klageanspruchs ist schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, die geltend gemachten Rechte als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. In welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiieren muss, hängt vom Einzelfall ab (vgl. BAG 18. September 2014 - 6 AZR 145/13 - Rn. 23; 17. April 2013 - 10 AZR 185/12 - Rn. 14). Der Substantiierungspflicht ist nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund des Vorbringens nicht beurteilen kann, ob die Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (BGH 10. Juni 2002 - II ZR 68/00 - zu II 3 der Gründe). Dabei muss sich das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht selbst aus Anlagen heraussuchen, die der Kläger lediglich in Bezug nimmt (BGH 17. Juli 2015 - V ZR 84/14 - Rn. 34). Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern, diesen aber nicht ersetzen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29, BAGE 141, 330). Diesen Anforderungen genügte das Vorbringen des Klägers noch.

26

V. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. August 2013, in dem die Forderung nicht verfallen ist, ein Nachzahlungsbetrag von 921,48 Euro brutto zu. In diesem Umfang ist seine Revision begründet.

27

1. Dem Kläger stand unter Berücksichtigung der - unstreitigen - Erhöhung der Zulage durch seine zum 1. März 2013 erfolgte Herabgruppierung aus der EG 7 in die EG 6 für November und Dezember 2012 jeweils eine persönliche Zulage von 755,21 Euro brutto, für Januar und Februar 2013 jeweils von 765,78 Euro brutto, für die Zeit von März bis einschließlich Juli 2013 von jeweils 857,63 Euro brutto und für August 2013 von 869,64 Euro brutto zu:

Ausgangsbetrag

Erhöhung um

Dynamisierte Zulage

672,87 Euro

3,1 % = 20,86 Euro

seit 1.1.08 693,73 Euro

693,73 Euro

2,8 % = 19,42 Euro

seit 1.1.09 713,15 Euro

713,15 Euro

1,2 % = 8,56 Euro

seit 1.1.10 721,71 Euro

721,71 Euro

0,6 % = 4,33 Euro

seit 1.1.11 726,04 Euro

726,04 Euro

0,5 % = 3,63 Euro

seit 1.8.11 729,67 Euro

729,67 Euro

3,5 % = 25,54 Euro

seit 1.3.12 755,21 Euro

755,21 Euro

1,4 % = 10,57 Euro

seit 1.1.13 765,78 Euro

        

Erhöhung der Zulage wegen Herabgruppierung zum 1.3.13

seit 1.3.13 857,63 Euro

857,63 Euro

1,4 % = 12,01 Euro

seit 1.8.13 869,64 Euro

28

2. Gegenzurechnen sind die aus der Excel-Tabelle ersichtlichen Zahlbeträge von monatlich 660,37 Euro brutto für November und Dezember 2012, von 669,62 Euro brutto für Januar und Februar 2013, von jeweils 772,04 Euro brutto für März bis einschließlich Juli 2013 und schließlich von 782,85 Euro brutto für August 2013.

29

3. a) Der Kläger hat damit grundsätzlich Anspruch auf folgende Brutto-Nachzahlungen:

        

Monat 

Zustehende Differenz

        

November 2012

94,84 Euro

        

Dezember 2012

94,84 Euro

        

Januar 2013

96,16 Euro

        

Februar 2013

96,16 Euro

        

März 2013

85,59 Euro

        

April 2013

85,59 Euro

        

Mai 2013

85,59 Euro

        

Juni 2013

85,59 Euro

        

Juli 2013

85,59 Euro

        

August 2013

86,79 Euro

        

Gesamtsumme

896,74 Euro

30

b) Aufgrund der durch § 308 Abs. 1 ZPO angeordneten Bindung an die Parteianträge sind dem Kläger jedoch insoweit nur 854,94 Euro brutto zuzusprechen.

31

aa) Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Allerdings darf das Gericht bei einheitlichem Streitgegenstand grundsätzlich die einzelnen, unselbständigen Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs der Höhe nach verschieben. Es darf dabei hinsichtlich einzelner Rechnungsposten über das Geforderte hinausgehen, solange die Endsumme nicht überschritten wird (vgl. BGH 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10 - Rn. 36, BGHZ 194, 26; 16. November 1989 - I ZR 15/88 - zu II 3 der Gründe).

32

bb) Ein solcher Fall, der insbesondere bei Einzelelementen von Reparaturkosten in Betracht kommt (vgl. BGH 7. Juni 2011 - VI ZR 260/10 - Rn. 7), liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger hat vielmehr beantragt, ihm für bestimmte Monate bestimmte monatliche Differenzbeträge zuzusprechen, die er für den gesamten streitbefangenen Zeitraum aufsummiert und in zwei Teilbeträgen eingeklagt hat. An die vom Kläger vorgenommene Zuordnung bestimmter Differenzbeträge zu bestimmten Monaten - die, wie ausgeführt, die Klage überhaupt erst hinreichend bestimmt macht - ist das Gericht gebunden. Darum darf eine Saldierung der Monate, für die ein zu geringer Betrag gefordert ist, mit den Monaten, für die zu viel eingeklagt ist, die nur durch die Höhe der Gesamtforderung begrenzt wäre, nicht erfolgen. Der Senat würde dann dem Kläger für einzelne Zeitabschnitte, für die er eine zu geringe Differenz verlangt, mehr zusprechen als von ihm gefordert (vgl. für Schadensrentenansprüche BGH 7. November 1989 - VI ZR 278/88 - zu II 1 der Gründe; aA wohl für auf ein Kalenderjahr bezogene Urlaubsabgeltungsansprüche BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 865/08 - Rn. 30).

33

cc) Dem Kläger sind deshalb nur folgende Bruttodifferenzbeträge zuzusprechen:

Monat 

Zustehende Differenz

Begehrte Differenz

Zuzusprechende Differenz

11/2012

94,84 Euro

73,94 Euro

73,94 Euro

12/2012

94,84 Euro

73,94 Euro

73,94 Euro

1/2013

96,16 Euro

96,16 Euro

96,16 Euro

2/2013

96,16 Euro

96,16 Euro

96,16 Euro

3/2013

85,59 Euro

96,16 Euro

85,59 Euro

4/2013

85,59 Euro

96,16 Euro

85,59 Euro

5/2013

85,59 Euro

96,16 Euro

85,59 Euro

6/2013

85,59 Euro

96,16 Euro

85,59 Euro

7/2013

85,59 Euro

96,16 Euro

85,59 Euro

8/2013

86,79 Euro

97,60 Euro

86,79 Euro

Gesamtsumme

896,74 Euro

918,60 Euro

854,94 Euro

34

4. Darüber hinaus steht dem Kläger der begehrte „Mehrbetrag Jahressonderzahlung“ von 66,54 Euro brutto, dh. 90 % der vom Kläger in seiner Excel-Tabelle errechneten monatlichen Differenz für das Jahr 2012, die 73,94 Euro betragen soll, für November 2012 zu. Dieser Betrag ist nicht verfallen, weil die Jahressonderzahlung gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 TVöD-AT mit dem Entgelt für November und damit gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT am 30. November 2012, einem Freitag, fällig war.

35

VI. Die Zinsentscheidung folgt aus § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da die Klageerweiterung vom 31. Juli 2013 der Beklagten am 8. August 2013 zugestellt worden ist, beginnt der Zinslauf am 9. August 2013.

36

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten erster Instanz aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

   Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Steinbrück    

        

    Lauth    

                 

Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27. August 2013, Az. 9 Ca 376/13, unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziff. I.2 und Ziff. I.3 abgeändert und i n s o w e i t wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 zu zahlen.

Die Auskunftsklage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Zahlung von Differenzlohn für die Jahre von 2009 bis 2012, einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie um Auskunftsansprüche.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die 1953 geborene Klägerin ist bei ihr seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5 % des Bruttolohns) berechnete die Beklagte für Frauen bis 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns. Die Vergütungsdifferenz im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 betrug - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - € 10.149,50 brutto.

3

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob sie bereits seit einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dieser Ungleichbehandlung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

4

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2012 machte die Klägerin Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Ansonsten erhob sie in dem von der Klägerin am 29.01.2013 anhängig gemachten vorliegenden Klageverfahren die Einrede der Verjährung.

5

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013 Bezug genommen.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Berufung von Bedeutung - erstinstanzlich beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen,

8

1. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG rückständigen Lohn iHv. € 11.458,84 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,

9

2. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens € 9.194,50 belaufen soll, zu zahlen,

10

3. …

11

4. ihr umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 27.08.2013 - soweit für die Berufung von Bedeutung - der Klage teilweise stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte in Ziff. I.1 des Tenors verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 Differenzvergütung iHv. € 10.149,50 brutto zu zahlen. Außerdem hat es der Klägerin in Ziff. I.2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zugesprochen und in Ziff. I.3 der Auskunftsklage (Antrag zu 4) stattgegeben.

15

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe gem. § 15 Abs. 1 AGG einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Lohndifferenzen für 2009 bis 2012. Die Beklagte habe die Klägerin unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, weil sie den weiblichen Produktionsbeschäftigten bis zum Jahresende 2012 bei gleicher Tätigkeit einen niedrigeren Lohn gezahlt habe als den männlichen. Die Klägerin habe die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt, denn sie habe erst in der Betriebsversammlung im September 2012 von der Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts Kenntnis erlangt. Die Beklagte habe eine frühere Kenntniserlangung nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerin habe Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil sie von der Beklagten wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Für die erlittene jahrelange Diskriminierung sei eine Entschädigung iHv. drei durchschnittlichen Monatslöhnen angemessen, aber auch ausreichend. Der Auskunftsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts für die Zeit vor dem 01.01.2009 sei begründet, denn sie sei in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang ihres Rechts im Ungewissen. Die Klägerin habe keine Zugriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Lohndaten der vergleichbar beschäftigten Männer, während die Beklagte in der Lage sei, die begehrte Auskunft unschwer zu erteilen. Der Auskunftsanspruch sei nicht verjährt, denn er sei erst im September 2012 mit Kenntnis der Klägerin von ihrer Lohndiskriminierung entstanden. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 27.08.2013 Bezug genommen. Gegen das im September 2013 zugestellte Urteil haben beide Parteien teilweise Berufung eingelegt.

16

Mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilte die Beklagte der Klägerin die Auskunft, dass sie auch vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Stundenlohns und der übrigen Vergütungsbestandteile (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) weibliche Produktionsbeschäftigte geringer entlohnt habe als männliche. Der Stundenlohn eines typischen männlichen Produktionsmitarbeiters habe im Jahr 1995 € 7,76, ab 01.01.2002 € 9,56 und ab 01.01.2004 € 9,66 brutto betragen. Die Klägerin hat zwischenzeitlich vor dem Arbeitsgericht Koblenz eine neue Zahlungsklage gegen die Beklagte erhoben und Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 geltend gemacht.

17

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, die Anträge auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen und einer Entschädigung seien unbegründet, weil die Klägerin die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt habe. Ihr sei bereits seit ihrer Einstellung und während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung positiv bekannt gewesen, dass die männlichen Produktionsmitarbeiter einen höheren Lohn erhielten als die weiblichen. Die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede seien in ihrem Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Arbeitsgericht auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht ausreichend berücksichtigt. Eine offene Ungleichbehandlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndiskriminierung. Der Klägerin stehe auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Der Antrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig. Er sei jedenfalls unbegründet, weil Zahlungsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2009 verjährt seien.

18

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

19

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, wie folgt teilweise abzuändern:

20

Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat,

21

1. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.12.2012 zu zahlen,

22

2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zu zahlen,

23

3. der Klägerin umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.09.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand;

24

die Klage ebenfalls abzuweisen,

25

II. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

26

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

27

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

28

der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von € 7.778,28 nicht unterschreiten soll,

29

II. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu niedrig bemessen. Das Arbeitsgericht habe drei durchschnittliche Bruttomonatslöhne für angemessen erachtet, der Berechnung der Entschädigung jedoch nur den Grundlohn zugrunde gelegt. Sie halte eine Entschädigung von mindestens vier Bruttomonatslöhnen für angemessen, wobei in die Durchschnittsberechnung auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Anwesenheitsprämie einfließen müssten.

31

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32

Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 iHv. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen. Darüber hinaus kann sie von der Beklagten eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 wegen Geschlechtsdiskriminierung beanspruchen. Die Auskunftsklage ist unzulässig.

33

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn sowie sonstiger Vergütungsbestandteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) und der Vergütung hat, die die Beklagte in diesem Zeitraum an die männlichen Produktionsmitarbeiter gezahlt hat. Der Gesamtbetrag beläuft sich - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - auf den vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1 des Tenors) ausgeurteilten Betrag von € 10.149,50 brutto. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB, weil sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.11.2012 seit dem 12.12.2012 mit der Leistung in Verzug befand.

34

a) Die Beklagte hat den weiblichen Produktionsbeschäftigten im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn, ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gezahlt als den männlichen. Die niedrigere Entlohnung beruhte – unstreitig - allein auf dem Geschlecht und stellte daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

35

Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1. des Tenors) ausgeurteilten Differenzbeträge. Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Das gilt zunächst nach dem AGG. Die bei der Entgeltzahlung unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung - hier der individualrechtlichen Vereinbarung - einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (vgl. BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Teilzeit Nr. 39). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (vgl. BAG 11.12.2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45 mwN, AP AGG § 2 Nr. 1). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

36

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Nach dieser Vorschrift muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden.

37

aa) Die Klägerin macht keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Leistungsanspruch ist ein Erfüllungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Für Ansprüche aus § 7 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 16 mwN, AP AGG § 3 Nr. 3) auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe gewährt wurden, gilt § 15 Abs. 4 AGG nicht (vgl. BAG 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 23, AP BetrAVG § 16 Nr. 72; BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; MüKoBGB/ Thüsing 6. Aufl. AGG § 15 Rn. 32; BeckOK ArbR/Roloff Stand 01.06.2014 AGG § 15 Rn. 12).

38

bb) Selbst wenn man - im Sinne der Beklagten - in der Vergütungsdifferenz einen nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Schaden sehen wollte, auf den § 15 Abs. 4 AGG Anwendung fände, hätte die Ausschlussfrist erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen begonnen. Die Frist wäre mit dem Schreiben vom 09.11.2012 gewahrt worden.

39

Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 für gleiche Arbeit eine geringere Vergütung gezahlt als den männlichen Produktionsmitarbeitern. Somit lag ein Dauertatbestand vor, der fortlaufend bis einschließlich Dezember 2012 anhielt, weil sich Monat für Monat eine neue Benachteiligung der Frauen realisiert hat. Wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (vgl. BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 60 mwN, AP AGG § 3 AGG Nr. 2).

40

c) Die geltend gemachten Erfüllungsansprüche für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 sind nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den auf das Jahr 2009 entfallenden Teil der geltend gemachten Ansprüche. Zwar hat die Klägerin ihre Klage erst im Januar 2013 erhoben. Die Beklagte hat jedoch unstreitig am 18.12.2012 wirksam auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren, verzichtet. Für Ansprüche aus 2009 wäre die regelmäßige Verjährungsfrist frühestens am 31.12.2012 abgelaufen. Im Streitfall kann deshalb dahinstehen, ob der Klägerin ihre geschlechtsspezifische Diskriminierung beim Entgelt schon seit vielen Jahren iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB positiv bekannt bzw. grob fahrlässig nicht bekannt war, wie die Beklagte behauptet.

41

2. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag jedoch auf € 6.000,00 zu erhöhen.

42

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar beim Entgelt benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen. Die geringere Vergütung der Klägerin und einer Vielzahl weiterer weiblicher Produktionsbeschäftigten für gleiche oder gleichwertige Arbeit bis zum 31.12.2012 war nicht gerechtfertigt. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

43

b) § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insb. eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44 mwN, Juris).

44

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis zum 31.12.2012 jahrelang bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer der vorliegenden Benachteiligung gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrags, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (vgl. BAG 18.3.2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 43, NZA 2010, 1129). Überdies ist von einem vorsätzlichen und nicht nur fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der bei ihr beschäftigten Frauen aufgrund ihres Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern in ihrem Produktionsbetrieb nicht verdeckt erfolgt, sondern jederzeit "offen kommuniziert" worden sei. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt, die die Beklagte bis 31.12.2012 fortgesetzt hat, war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung nach dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Betrieb offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.

45

Die Höhe des Bruttomonatsentgelts der Klägerin ist für die Bemessung der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt kann ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG) sein. Vorliegend erfolgte die Diskriminierung jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (vgl. BAG 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 84, AP AGG § 15 Nr. 1).

46

Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (vgl. BAG 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 38 mwN, NZA 2014, 372; KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen, ua. wegen der Arbeitszeiten, für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau in gleicher Weise erheblich. Deshalb hält die Berufungskammer die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrags von € 6.000,00 für angemessen.

47

c) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 09.11.2012 rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Die Frist begann - wie oben ausgeführt - erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen, weil ein sog. Dauertatbestand vorlag, der bis einschließlich Dezember 2012 anhielt.

48

d) Die Klägerin hat auch die Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt, weil sie ihre Klage auf Zahlung einer Entschädigung am 29.01.2013 und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs beim Arbeitsgericht eingereicht hat.

49

3. Die Klage auf Auskunft, ob und inwieweit die Klägerin bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, ist unzulässig. Der Klägerin fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den prozessual selbständigen Auskunftsanspruch, weil sie inzwischen Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 erhoben hat. Die Klägerin hat sich in der Lage gesehen, ihren Anspruch zu beziffern, obwohl sie die Auskunft der Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2013 nicht für ausreichend erachtet. Dies spricht dafür, dass sie zur Durchsetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf die begehrte Auskunft nicht (mehr) zwingend angewiesen ist, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage fehlt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient nicht (mehr) der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens (vgl. BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8, NJW 2011, 1815).

III.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

51

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung oder wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindung verpflichtet ist.

2

Der 1949 geborene Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2006 legte die Beklagte, bei der betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu diesem Zeitpunkt tariflich noch bis mindestens 31. Dezember 2011 ausgeschlossen waren, für die bei ihr und bei bestimmten konzernangehörigen Gesellschaften Beschäftigen ein Abfindungsmodell für Arbeitnehmer auf, die bis zum 30. Juni 2007 freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zwischen dem 1. Juni und dem 30. September 2006 aufgrund entsprechender Aufhebungsverträge endeten, war eine zusätzliche „Turbo-Prämie“ von 54.000,00 Euro brutto vorgesehen. Dieses Modell richtete sich ausdrücklich lediglich an Mitarbeiter der Jahrgänge 1952 und jünger. Es stand unter einem doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt: Kein Arbeitnehmer musste zu den dargelegten Bedingungen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden; die Beklagte behielt sich vor, Angebote von Arbeitnehmern auf ein Ausscheiden abzulehnen. Bis zum 1. Januar 2007 hatten 5.937 Arbeitnehmer Aufhebungsverträge unterschrieben, darunter 24 Arbeitnehmer, die wie der Kläger vor dem 1. Januar 1952 geboren sind. Das ergibt sich aus einem „Flash-Report“ mit Stand vom 1. Januar 2007. Zwischen den Parteien ist streitig, zu welchen Konditionen die 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen hat, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.

3

Der Kläger erhielt das Rundschreiben von Mai 2006, aus dem sich die Einzelheiten des Abfindungsmodells ergaben, nicht. Mit Schreiben vom 13. Juni 2006 bat er unter Bezug auf dieses Rundschreiben die Beklagte darum, ihm ein „entsprechendes“ Angebot zu unterbreiten. Dem Kläger stünde nach dem von der Beklagten aufgelegten Modell bei Ausscheiden bis zum 30. September 2006 inklusive der Turbo-Prämie unstreitig eine Abfindung von 171.720,00 Euro brutto zu. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22. Juni 2006 den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung zu den im Rundschreiben niedergelegten Bedingungen ab. Sie wies auf die bei ihr bestehende tarifliche Altersteilzeitregelung hin und erklärte sich bereit, dem Kläger eine Abfindung zu zahlen, die sich an den Altersteilzeitregelungen orientierte. Nach den bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelungen darf die Altersteilzeit 24 Kalendermonate nicht unter- und 60 Kalendermonate nicht überschreiten. Während der Altersteilzeit dürfen grundsätzlich nur geringfügige Tätigkeiten unterhalb der Grenze des § 8 SGB IV ausgeübt werden.

4

In der Güteverhandlung bot die Beklagte dem Kläger eine Abfindung von 58.700,00 Euro netto an. Dieser bat daraufhin mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 um kurzfristige Mitteilung, welche Bruttoabfindung der Berechnung der Beklagten zugrunde liege, und um Übersendung der entsprechenden Berechnungen. Die Beklagte antwortete daraufhin mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 wie folgt:

        

„... teilen wir Ihnen mit, dass es uns nicht möglich ist, Ihnen eine Bruttoabfindungssumme zu nennen, weil diese abhängig vom konkreten Verdienst und den Steuerdaten Ihres Mandanten zum Auszahlungszeitpunkt ist. Die Nettosumme errechnet sich nach den Monaten bis zu einem frühestmöglichen Renteneintritt Ihres Mandanten (in diesem Fall 60 Jahre nach Altersteilzeit, also bei Austritt noch in diesem Oktober 36 Monate) und den Nettobeträgen, die er in einer Altersteilzeit monatlich lt. Zumutbarkeitstabelle erhalten würde (unter Berücksichtigung der Steuerklasse III 1.632,46 €).

        

...“

5

Ein Aufhebungsvertrag zu diesen Konditionen kam zwischen den Parteien nicht zustande.

6

Mit der am 22. September 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags unter Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro brutto.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Anspruch ergebe sich aus dem Verbot der Altersdiskriminierung. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) finde bereits Anwendung. Die Beklagte habe auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch den Abschluss des Aufhebungsvertrags zu den begehrten Bedingungen abgelehnt. Sie habe falsche Vergleichsgruppen gebildet. Zu vergleichen seien die Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung schließen wollten, und die Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis fortsetzen wollten. Die Möglichkeit, Altersteilzeit in Anspruch nehmen zu können, rechtfertige die Ungleichbehandlung der kontrahierungswilligen Arbeitnehmer der Geburtsjahrgänge 1951 und älter nicht. So könne er - unstreitig - frühestens im Jahr 2009 Altersteilzeit in Anspruch nehmen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das von der Beklagten aufgelegte Abfindungsmodell bereits abgelaufen sei. Personalabbau sei kein legitimes und angemessenes Ziel iSd. § 10 AGG.

8

Der Kläger behauptet, er werde auch gegenüber den vor dem 1. Januar 1952 geborenen 24 Arbeitnehmern ungleich behandelt, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen habe. Aus dem Flash-Report ergebe sich, dass die Aufhebungsverträge zu den Bedingungen der Turbo-Prämie abgeschlossen worden seien. Andernfalls wären sie in diesem nicht aufgeführt, der sich nach seinem Sinn und Zweck lediglich auf die Turbo-Prämie beziehe. Weitere Darlegungen seien ihm nicht möglich, da ihm diese Mitarbeiter namentlich nicht bekannt seien.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.   

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 Euro beinhaltet, zu unterbreiten, sowie

        

2.   

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind und entstehen werden, dass die Beklagte dem Kläger wegen seines Alters keinen Aufhebungsvertrag über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2006 und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro zuzüglich Zuschlag in Höhe von 54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 Euro, angeboten hat.

10

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags auf den doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt verwiesen, unter dem der Abschluss der Aufhebungsverträge im Rahmen der aufgelegten Aktion gestanden habe. Da sie das Angebot des Klägers, gegen Zahlung einer Abfindung zu den Bedingungen des Rundschreibens aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt habe, finde dieses keine Anwendung. Jedenfalls habe sie den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Für ihn sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich am vorteilhaftesten.

11

Die Beklagte hat behauptet, sie habe mit den Arbeitnehmern, die vor dem 1. Januar 1952 geboren seien, zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens kontrahiert. Sie hat insoweit drei Arbeitnehmer aus dem Werk H, in dem auch der Kläger beschäftigt war, namentlich benannt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Arbeitnehmer nicht zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden sind. Der Flash-Report werte insgesamt aus, mit wie vielen Arbeitnehmern einvernehmliche Ausscheidensregelungen getroffen worden seien.

12

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Ausschluss der vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis des 2006 aufgelegten Abfindungsmodells sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und objektiv angemessen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den 24 Arbeitnehmern, die als Angehörige des Jahrgangs 1951 und älter Aufhebungsverträge erhalten hätten. Die Beklagte biete auch älteren Arbeitnehmern Abfindungen an, wie sie es unstreitig auch beim Kläger getan habe. Deshalb reiche es aus, wenn die Beklagte lediglich bestreite, dass im Flash-Report ausschließlich Arbeitnehmer aufgeführt seien, die zu den Konditionen des Turbo-Modells ausgeschieden seien.

13

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der er ua. geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast rechtsfehlerhaft überspannt, soweit es die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verneint habe.

Entscheidungsgründe

14

Der Kläger ist im Rahmen der von der Beklagten im Jahr 2006 aufgelegten Abfindungsaktion weder wegen seines Alters diskriminiert noch von der Beklagten gleichheitswidrig benachteiligt worden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

15

A. Die Beklagte hat bei ihrer im Rahmen eines Personalabbaus durchgeführten Abfindungsaktion den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Er hat deshalb unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf das begehrte Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro.

16

I. Die Beklagte hat den Kläger durch die Herausnahme aus dem Personenkreis, mit dem sie bereit war, den Abschluss von Aufhebungsverträgen zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai 2006 in Betracht zu ziehen, nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar benachteiligt. Bereits aus diesem Grund besteht kein Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags als Erfüllungsanspruch aus § 7 Abs. 1 AGG(zum Anspruch auf Abschluss eines Änderungsvertrags als vorenthaltene Leistung nach dem Rechtsgedanken des durch das AGG aufgehobenen § 611a Abs. 3 Satz 1 BGB siehe BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 48, BAGE 123, 358; zum Anspruch auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe zustehen, bei Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes siehe BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; zum Erfüllungsanspruch aus § 7 Abs. 1 AGG allg. siehe Wendeling-Schröder/Stein AGG § 7 Rn. 6; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 19 f.). Ob einem solchen Erfüllungsanspruch die Bestimmung des § 15 Abs. 6 AGG entgegenstünde, der einen Vertragsabschlusszwang als Schadenersatz bei Verstößen des Arbeitgebers gegen § 7 Abs. 1 AGG bei Begründung eines Beschäftigungs- und Berufsausbildungsverhältnisses und bei beruflichem Aufstieg ausschließt, kann deshalb dahinstehen. Vertragsänderungen und -beendigungen wie die vom Kläger verlangte werden von dieser Bestimmung jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht erfasst (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 13; für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Vereinbarung jeglichen Vertrags und jeglicher Vertragsänderung gleichwohl MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 42). Ebenso kann dahinstehen, ob ein etwaiger Kontrahierungszwang mit der durch Art. 2, 12 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit vereinbar wäre(vorsichtig bejahend ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 12 GG Rn. 31 zur Sicherung verfassungsrechtlicher Grundentscheidungen bei gesetzlicher Grundlage mwN zum Streitstand).

17

1. Nach Auffassung des EuGH ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und den die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 21 f.). Die unionsrechtliche Frage, welcher Rechtscharakter dem Verbot der Altersdiskriminierung zukommt, ist damit vom EuGH endgültig beantwortet. Dieses Verbot ist vom EuGH in den Rang eines Primärrechts erhoben worden, das unabhängig von einer nationalen Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist. Ob dieses Verbot verletzt worden ist, ließ sich angesichts seiner Unbestimmtheit bis zum Inkrafttreten des AGG nur am Maßstab der es konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG ABl. EG Nr. L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) feststellen. Seit dem 18. August 2006 ist eine Verletzung des Verbots der Altersdiskriminierung anhand des diese Richtlinie in nationales Recht umsetzenden AGG zu prüfen.

18

Auch wenn die Beklagte das Angebot des Klägers auf Kontrahierung zu den Bedingungen des Rundschreibens noch vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt hat, ist damit die Frage, ob sie dadurch das Verbot der Altersdiskriminierung verletzt hat und der Kläger Anspruch auf Abgabe der begehrten Willenserklärung hat (§ 894 Satz 1 ZPO), am Maßstab des AGG zu beantworten. Dies gilt um so mehr, als der Kläger sein Verlangen nach einem Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Aufhebungsvertrags spätestens mit seiner der Beklagten am 29. September 2006 zugestellten Klageschrift und damit vor Ablauf der von der Beklagten für den Anspruch auf die höchste Stufe der Turbo-Prämie gesetzten Frist am 30. September 2006 wiederholt hat, der Sachverhalt also bei Inkrafttreten des AGG noch nicht abgeschlossen iSd. § 33 Abs. 1 AGG war(dazu zuletzt BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 31 ff.).

19

2. Die das Verbot der Altersdiskriminierung konkretisierende Richtlinie 2000/78/EG soll ausweislich ihres Art. 1 innerhalb der Europäischen Gemeinschaft einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes festlegen und in diesem Rahmen Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf bekämpfen. Verboten ist deshalb im hier interessierenden Zusammenhang jede unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Welches Verhalten als unzulässige Diskriminierung zu werten ist, legt Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie fest. Regelungstechnisch ist das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ein Verbot, eine differenzierende, benachteiligende Behandlung an das Alter zu knüpfen. Erfährt eine Person wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung als andere Personen in vergleichbaren Situationen, stellt eine solche Ungleichbehandlung begrifflich zunächst einmal eine „unmittelbare Diskriminierung“ iSd. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dar (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9).

20

Eine derartige Ungleichbehandlung unterliegt - anders als unmittelbare Diskriminierungen im Europarecht im Allgemeinen - jedoch nicht uneingeschränkt dem Verdikt, rechtswidrig zu sein. Das Differenzierungsmerkmal des Alters als solches besitzt nämlich im Unterschied zu den übrigen in Art. 1 der Richtlinie genannten verbotenen Anknüpfungspunkten die zur Annahme einer verbotenen Diskriminierung erforderliche abschließende Aussagekraft für sich allein genommen noch nicht. Auch bei Anknüpfung an ein solches Merkmal können die Betroffenen tatsächlich nicht nachteilig belastet sein. Alter ist eine lineare Eigenschaft, denn jeder Beschäftigte weist irgendein Alter auf, das sich auf einer horizontalen, nach Lebensjahren eingeteilten Skala entwickelt, auf der sich Abschnitte festlegen und Differenzierungen nach Altersstufen vornehmen lassen. Die anderen in Art. 1 der Richtlinie genannten Diskriminierungsmerkmale lassen sich nicht in derartigen Stufen messen und sind keiner ständigen, unausweichlichen Veränderung unterworfen, sondern - jedenfalls im Regelfall - ein für alle Mal festgelegt. Das Alter ist dagegen ein ambivalentes, relatives Differenzierungsmerkmal (Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25; Sprenger Das arbeitsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nach der Richtlinie 2000/78/EG S. 58 mwN zu Fn. 357). Von einer Altersdiskriminierung ist darum potenziell jeder Mensch betroffen. Eine bloße Differenzierung anhand des Lebensalters indiziert deshalb selbst dann, wenn sie zu einer Benachteiligung einer Personengruppe bestimmten Alters führt, eine Diskriminierung im Sinne einer rechtswidrigen Benachteiligung (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 21. Aufl. „Diskriminierung“; Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch 1981 2. Bd. S. 245 „diskriminieren“) noch nicht. Vielmehr kann es gerechtfertigt sein, eine Maßnahme altersabhängig zu gestalten. Das bringt der Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2000/78/EG zum Ausdruck, der eine Unterscheidung zwischen einer bloßen Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer zu verbietenden Diskriminierung verlangt.

21

Wegen dieser Besonderheiten des Alterskriteriums als Anknüpfungspunkt einer Diskriminierung sieht die Richtlinie 2000/78/EG abweichend von der üblichen Systematik unionsrechtlicher Diskriminierungsverbote nicht nur in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b bei mittelbaren Diskriminierungen Rechtfertigungsmöglichkeiten vor, sondern eröffnet in Art. 6 auch bei unmittelbar an das Alter anknüpfenden Maßnahmen die Möglichkeit, diese durch den Nachweis ihrer Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen(Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im Arbeitsrecht S. 355, 366 f.).

22

3. Diese Systematik der Richtlinie 2000/78/EG behält das AGG bei. Danach hat die Beklagte den Kläger schon nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar benachteiligt.

23

a) Die Beklagte hat den Kläger aus dem Kreis der Arbeitnehmer ausgenommen, mit denen sie den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den Konditionen des Rundschreibens in Erwägung gezogen hat, weil er vor dem 1. Januar 1952 geboren ist. Damit ist der Anwendungsbereich des AGG eröffnet, denn unter die Entlassungsbedingungen iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG fallen auch Aufhebungsverträge (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 16; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 8; vgl. EuGH 16. Februar 1982 - C-19/81 - [Burton] Rn. 9, Slg. 1982, 555 für die Richtlinie 76/207).

24

b) Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die vor oder nach dem 1. Januar 1952 geboren sind, benachteiligte Arbeitnehmer wie den Kläger, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, nicht unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Solche Arbeitnehmer haben dadurch, dass sie von dem geplanten Personalabbau ausgenommen worden sind, keine weniger günstige Behandlung als jüngere Arbeitnehmer erfahren, denen das Angebot unterbreitet worden ist, zu den im Rundschreiben vom Mai 2006 genannten Bedingungen auszuscheiden, und die dieses Angebot angenommen haben. Das gilt auch dann, wenn ältere Arbeitnehmer wie der Kläger ein Angebot der Beklagten, zu den Bedingungen des Rundschreibens bis zum 30. September 2006 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, angenommen hätten.

25

aa) Ein Arbeitnehmer erfährt nicht bereits dann eine „weniger günstige Behandlung“ iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn er objektiv anders als ein älterer oder jüngerer Arbeitnehmer behandelt wird(vgl. Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 3 AGG Rn. 2; vgl. für die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 1 GG ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 34; Osterloh in Sachs Grundgesetz 5. Aufl. 2009 Art. 3 Rn. 84). Die dargelegte fehlende Eindeutigkeit des ambivalenten Diskriminierungsmerkmals „Alter“ verlangt bereits auf der Tatbestandsebene zur Feststellung einer objektiv vorliegenden Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG eine Ungleichbehandlung, die für den Betroffenen einen eindeutigen Nachteil bewirkt. Die Differenzierung zwischen unterschiedlich alten Arbeitnehmern muss sich also für eine bestimmte Altersgruppe negativ auswirken, indem sie sie zurücksetzt (Wendeling-Schröder/Stein aaO; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 2).

26

bb) Ob ein Arbeitnehmer, der von einem durch Abschluss freiwilliger Aufhebungsverträge unter Zahlung von Abfindungen durchgeführten Personalabbau wegen seines Alters ausgenommen wird, im vorstehend dargelegten Sinn eine „weniger günstige Behandlung“ erfährt als jüngere Arbeitnehmer, denen Aufhebungsverträge gegen Zahlung einer Abfindung angeboten werden, und deshalb im unionsrechtlichen Sinne zunächst unmittelbar diskriminiert wird, kann nur unter Heranziehung der Gründe beurteilt werden, die zur Aufnahme des Alters als verpöntes Differenzierungsmerkmal in die Richtlinie 2000/78/EG und damit in das AGG geführt haben.

27

(1) Ziel für die Schaffung einer Richtlinie zur einheitlichen Bekämpfung von Diskriminierungen in der Europäischen Union war es, sicherzustellen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der Personen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich einer Beschäftigung nachgeht. Ältere Menschen werden im Bereich Beschäftigung bei Arbeitsplatzverlusten, Einstellung, Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und in Bezug auf die Bedingungen für den Eintritt in den Ruhestand besonders diskriminiert (KOM [1999] 565 endgültig S. 3).

28

Diese von der Kommission in ihrem Vorschlag zum Erlass einer Gleichbehandlungsrichtlinie angeführte Zielrichtung des Schutzes und der Integration gerade älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt hat auch in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2000/78/EG Niederschlag gefunden. Nach Art. 253 EGV bedarf das gesamte Sekundärrecht der Gemeinschaft einer Begründung, die die wichtigsten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen darlegt, auf denen die Rechtshandlungen beruhen und die für das Verständnis des Gedankengangs erforderlich sind. Motive und Hintergründe, die zum Erlass der Maßnahme geführt haben, sollen durch sie transparent gemacht werden. Mitgliedsstaaten und den Gemeinschaftsrichtern dienen sie als Indikator und maßgebliche Erkenntnisquelle zur Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit einer Maßnahme (Calliess in Calliess/Ruffert EUV/EGV 3. Aufl. 2007 Art. 253 EGV Rn. 2, 6; Schwarze EU-Kommentar 2. Aufl. Artikel 253 EGV Rn. 5 f.). Erwägungsgründe stellen deshalb nicht etwa unbeachtliche Programmsätze dar, sondern geben für die Auslegung der Regelungen einer Richtlinie entscheidende Hinweise (vgl. Senat 26. Oktober 2006 - 6 AZR 307/06 - Rn. 43, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9 [insoweit in der amtl. Sammlung nicht abgedruckt]; vgl. auch BVerfG 20. September 2007 - 2 BvR 855/06 - Rn. 33, NJW 2008, 209).

29

Der Erwägungsgrund Nr. 6 nimmt auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer Bezug, in der anerkannt werde, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer Menschen und Menschen mit Behinderung seien. Der Erwägungsgrund Nr. 8 betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besonderer Aufmerksamkeit gebührt. Erwägungsgrund Nr. 11 stellt fest, dass Diskriminierungen ua. wegen des Alters die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren könnten, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz. Schließlich stellt nach dem bereits angeführten Erwägungsgrund Nr. 25 das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Nach Art. 2 Abs. 1 erster Gedankenstrich EU und Art. 2 EG zählt die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus zu den Zielen, die sowohl von der Europäischen Union als auch von der Gemeinschaft verfolgt werden(EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 64, Slg. 2007, I-8531).

30

(2) Dem Schutz älterer Menschen vor Benachteiligung im Beschäftigungsverhältnis kommt auch nach Auffassung des nationalen Gesetzgebers besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1780 S. 31, 36). Dieser hat bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG darauf abgestellt, dass es auch in Deutschland Hinweise dafür gebe, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen schlechtere Chancen im Arbeitsleben als andere hätten. Insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderte und ältere Menschen seien schlechter in die Arbeitswelt eingebunden. Menschen über 55 und unter 20 Jahren arbeiteten überdurchschnittlich häufig in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Die Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen gehe drastisch zurück. Bei Männern falle sie zwischen 55 und 64 Jahren von 82,1 % auf 27 %. Diese soziale Lage könne zwar nicht allein mit gesetzlichen Benachteiligungsverboten verbessert werden, mache aber deutlich, dass auch in Deutschland diese Personengruppen besonderen Schutzes bedürften (BT-Drucks. 16/1780 S. 23 bis 25).

31

(3) Schutz und Integration älterer Arbeitnehmer stehen somit im Vordergrund der mit der Richtlinie 2000/78/EG und dem AGG verfolgten Ziele, soweit diese die Diskriminierung wegen des Alters verbieten (vgl. ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 67). Dies wird auch daran deutlich, dass die in Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen wegen des Alters, soweit sie in Abs. 1 Satz 2 Buchst. a die Entlassungsbedingungen ausdrücklich ansprechen, den Schutz älterer Arbeitnehmer verstärken und nicht etwa schwächen sollen (Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im Arbeitsrecht S. 355, 369 f.).

32

Zwar ist unbestritten auch die Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer durch die Richtlinie 2000/78/EG untersagt (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 66; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25; zu einer Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer durch ein Punkteschema bei Versetzungen vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - DB 2010, 397). Gleichwohl darf die oben dargestellte Hauptzielrichtung der Richtlinie bei der Auslegung des § 3 AGG nicht unbeachtet bleiben.

33

cc) Angesichts dieser Zielrichtung der das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG und des diese umsetzenden AGG werden ältere Arbeitnehmer, die ein Arbeitgeber generell von einem Personalabbau ausnimmt, auch dann nicht iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar gegenüber jüngeren Arbeitnehmern benachteiligt, wenn der Personalabbau durch freiwillige Aufhebungsverträge unter Zahlung attraktiver Abfindungen erfolgen soll. Bei Anlegung des von der Richtlinie 2000/78/EG und des AGG geforderten objektiven Maßstabes zur Beurteilung einer Benachteiligung (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 3; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; aA wohl Schleusner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 12) werden ältere Arbeitnehmer durch die Herausnahme aus dem Personalabbau gegenüber jüngeren Arbeitnehmern, die unter Zahlung einer Abfindung freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden können und sich neue Erwerbschancen suchen müssen, im Regelfall nicht weniger günstig behandelt. Im Gegenteil ist der Zweck des Diskriminierungsverbots wegen des Alters grundsätzlich gerade durch den weiteren Verbleib älterer Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis verwirklicht. Diese stehen dadurch nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis, das bei Vorliegen der Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes bestandsgeschützt ist. Sie erhalten so bei typisierender Betrachtung aus der ex ante-Perspektive die Chance, bis zum Eintritt in den Ruhestand bzw. bis zum Erreichen der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Altersgrenze erwerbstätig zu bleiben. Dass in Einzelfällen Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen vor Erreichen der Altersgrenze ausscheiden oder später aus betriebsbedingten Gründen doch ihren Arbeitsplatz verlieren, muss dabei außer Betracht bleiben. Auch die subjektive Einschätzung einzelner älterer Arbeitnehmer, es sei für sie wirtschaftlich attraktiver, unter Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden als im Arbeitsverhältnis zu verbleiben - etwa in der Hoffnung oder Erwartung, sich neue Einkommensquellen zu erschließen -, kann nach dem Regelungszweck des AGG, der mit dem der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang steht, eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht begründen(vgl. bereits Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 31, NZA 2010, 273). Das Verbot der Altersdiskriminierung zwingt deshalb Arbeitgeber im Rahmen eines von ihnen geplanten Personalabbaus im Regelfall nicht dazu, auf Verlangen älterer Arbeitnehmer mit diesen einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung zu schließen.

34

II. Jedenfalls war die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus der von der Beklagten im Jahr 2006 vorgenommenen Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt iSd. § 10 AGG.

35

1. § 10 AGG hat Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtskonform umgesetzt. Der Gesetzgeber hat die möglichen Rechtfertigungsgründe zunächst in § 10 Satz 1 und 2 AGG in Form einer Generalklausel umschrieben, die mit der des Art. 6 Abs. 1 nahezu wortgleich ist. In § 10 Satz 3 AGG sind dann sechs nicht abschließende Anwendungsfälle von denkbaren Rechtfertigungen aufgeführt(vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur weitergehenden Festlegung von rechtfertigenden Zielen war der nationale Gesetzgeber nicht verpflichtet. Die Mitgliedstaaten sind durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht gezwungen, einen abschließenden Katalog rechtfertigender Ausnahmen aufzustellen. Die darin genannten Ziele sind nicht abschließend, sondern haben nur Hinweischarakter (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 43, 52, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 49, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31).

36

Auch die Generalklausel in § 10 Satz 1 und 2 AGG ist unionsrechtskonform. Der Gesetzgeber kann über eine solche Regelung Tarif-, Betriebsparteien oder auch einzelnen Arbeitgebern Ermessens- und Gestaltungsbefugnisse bei der Festlegung von Zielen, die als rechtmäßig iSv. Art. 6 der Richtlinie angesehen werden können, einräumen und damit den Arbeitgebern bei der Verfolgung der in der Umsetzungsnorm genannten rechtmäßigen Ziele eine gewisse Flexibilität gewähren(vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; Schlussantrag des Generalanwalts Mazák vom 23. September 2008 - C-388/07 - Rn. 83; Sprenger EuZA 2009, 355, 358; vgl. für Tarifvertrags- und Betriebsparteien BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 50, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 38, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Dies hat der nationale Gesetzgeber getan, der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch einzel- und kollektivvertragliche Regelungen einer Rechtfertigung über die Generalklausel zugänglich machen will (BT-Drucks. 16/1780 S. 36).

37

2. Die von der Beklagten vorgenommene Maßnahme unterfällt keinem der Regelbeispiele in § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG. Das in Nr. 6 dieser Norm aufgeführte Regelbeispiel ist nicht analog auf einzelvertragliche Abfindungsregelungen anzuwenden (aA Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 59; für eine Ausdehnung nur auf freiwillige Sozialpläne und bei Sozialplänen nach dem Personal- oder Mitarbeitervertretungsrecht Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 61; der Senat hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2009 - 6 AZR 561/08 - Rn. 30 die für Sozialpläne geltenden Grundsätze des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG auch auf eine von einer paritätisch besetzen Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossene kirchliche Arbeitsvertragsregelung angewandt). Nach dem eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut dieser Vorschrift sind davon nur kollektivrechtlich vereinbarte Leistungen erfasst. Es fehlt zudem bereits an der für eine analoge Anwendung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG erforderlichen Regelungslücke. Einzelvertragliche Abfindungsregelungen unterfallen der Generalklausel in § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG.

38

3. Die Maßnahme der Beklagten ist nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt.

39

a) Kommt die Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG zur Anwendung, müssen die nationalen Gerichte feststellen, ob generell-abstrakte Regelungen, die an das Alter anknüpfen und zu einer Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG führen, durch rechtmäßige Ziele im Sinne dieser Generalklausel gerechtfertigt sind. Sie haben sicherzustellen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters nicht ausgehöhlt wird. Deshalb genügen allgemeine Behauptungen, dass eine bestimmte Maßnahme geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen, nicht zur Darlegung eines legitimen Ziels iSd. § 10 AGG. Vielmehr müssen zumindest aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen, um die Rechtmäßigkeit, die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können als rechtmäßig nur Ziele angesehen werden, die als sozialpolitische Ziele im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 45 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36 ff., AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Inwieweit danach auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen Berücksichtigung finden können (bejahend BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53 mwN zum Streitstand in Rn. 45 ff., EzA AGG § 15 Nr. 1), kann dahinstehen, weil die Beklagte solche nicht anführt.

40

b) Danach war hier der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, aus der Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt. Die Beklagte hat diese älteren Arbeitnehmer aus der Personalabbaumaßnahme ausgenommen und hat ihnen mit der bei ihr geltenden Altersteilzeitregelung einen gleitenden Übergang in die Altersrente ermöglicht (vgl. § 1 Abs. 1 AltTZG). Sie hat damit dem Personenkreis, dem der Kläger angehört, die weitere Teilnahme am Erwerbsleben ermöglicht. Dies ist ein legitimes beschäftigungspolitisches Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG, das sich mit dem dargelegten Regelungsziel der Richtlinie 2000/78/EG und des diese umsetzenden AGG deckt und deshalb die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus dem Personenkreis, mit dem die Beklagte den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Zahlung von Abfindungen auf freiwilliger Basis zum Zwecke des Personalabbaus in Betracht gezogen hat, sachlich rechtfertigt(zum Verständnis der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 10 Satz 1 AGG BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur Erreichung dieses Ziels einer weiteren Integration älterer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben war der Ausschluss älterer Arbeitnehmer aus dem Personalabbau auch ein verhältnismäßiges Mittel iSd. § 10 Satz 2 AGG.

41

III. Würde dem Arbeitgeber wegen des Verbots der Altersdiskriminierung generell untersagt, ältere Arbeitnehmer aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Annahme, dass diesem Personenkreis der Verbleib im Erwerbsleben ermöglicht werden solle, generell von einem Personalabbau durch freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auszunehmen, würde dies auch zu unüberbrückbaren Wertungswidersprüchen und Brüchen in der Systematik des nationalen Vertragsrechts führen. Dass die Arbeitsvertragsparteien in Wahrnehmung ihrer auch verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie die freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung vereinbaren können, steht außer Zweifel. Letzten Endes geht es darum, den von beiden Seiten für angemessen gehaltenen Preis für ein „Abkaufen“ des Bestandsschutzes zu ermitteln. Folgte man jedoch der Rechtsauffassung des Klägers, wäre dem Arbeitgeber die Ablehnung des Angebots des kontrahierungswilligen Arbeitnehmers verwehrt. Ein derartiger Kontrahierungszwang würde im Ergebnis jeden Personalabbau durch freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung unmöglich machen, weil das zur Verfügung stehende Abfindungsvolumen überwiegend von älteren Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden würde, ohne dass der Arbeitgeber das mit dem geplanten Personalabbau verfolgte Ziel einer Kostenersparnis tatsächlich erreicht.

42

IV. Die zu I. und II. dargestellten Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG sind, soweit sie nicht ohnehin offenkundig sind, durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 Abs. 3 EGV nicht erforderlich war(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - Ls. 4, Slg. 1982, 3415, 3429; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151).

43

B. Der Kläger hat auch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro.

44

I. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der ungeachtet seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird, knüpft an eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers an. Er gebietet diesem, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Er verbietet somit nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell vereinbart werden. Insoweit genießt die Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz (st. Rspr., zuletzt Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, NZA 2010, 273).

45

II. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

46

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Kläger wie alle anderen Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, aus dem Personenkreis, dem sie angeboten hat, zu den Bedingungen des Rundschreibens Stand Mai 2006 auszuscheiden, von vornherein ausgenommen hat. Dieser Grundsatz findet keine Anwendung, wenn ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses unter Zahlung von Abfindungen trifft. Dies gilt auch dann, wenn die Abfindungen dem Grunde und der Höhe nach in einer Betriebsvereinbarung oder wie hier in einem von der Beklagten aufgestellten Regelungsplan festgelegt sind. Die Beklagte hat sich ausdrücklich vorbehalten, in jedem Einzelfall darüber zu entscheiden, ob sie Angebote von Arbeitnehmern auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den im Rundschreiben von Mai 2006 dargestellten Bedingungen annehmen will. In einem solchen Fall fehlt es bereits an einer verteilenden Entscheidung des Arbeitgebers nach einer von ihm selbst aufgestellten Regel (vgl. Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 30, NZA 2010, 273). Auf die vom Kläger angezogene Entscheidung (BAG 18. September 2007 - 9 AZR 788/06 - AP BGB § 307 Nr. 29 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 15) kommt es deshalb nicht an.

47

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung mit den 24 Arbeitnehmern, die wie er vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, und mit denen die Beklagte unstreitig bis zum 31. Dezember 2006 Aufhebungsverträge abgeschlossen hat. Er hat nicht dargelegt, dass die Konditionen der mit diesen Arbeitnehmern vereinbarten Aufhebungsverträge den Bedingungen, wie sie die Beklagte im Rundschreiben vom Mai 2006 festgelegt hat, entsprechen und die Beklagte sich insoweit an die von ihr selbst gesetzte Regelung nicht gehalten, sondern eine neue, wiederum generalisierende Regelung geschaffen hat, mit einer Mehrzahl kontrahierungswilliger Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, einen Aufhebungsvertrag zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 zu schließen.

48

a) Die Beklagte hat dargelegt, dass sie mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern zu den Bedingungen, wie sie sie auch dem Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 angeboten hat, kontrahiert hat. Damit hat sie der ihr obliegenden Verpflichtung, die Gründe für eine Differenzierung zwischen beiden Arbeitnehmergruppen offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht (BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20), genügt. Der Kläger hätte nunmehr seine Behauptung, dieser Vortrag der Beklagten sei inhaltlich unzutreffend, näher begründen müssen. Dies ist nicht hinreichend geschehen. Darauf hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgestellt.

49

aa) Die bloße Aufnahme der 24 Arbeitnehmer in den Flash-Report lässt entgegen der Auffassung des Klägers keinen Rückschluss darauf zu, dass die Aufhebungsverträge auch dieser älteren Arbeitnehmer zu den von ihm begehrten Konditionen geschlossen worden sind. Dieser Report gibt laut seiner S. 1 den „Realisierungsstand der abgeschlossenen Aufhebungsverträge“ wieder. Ausgehend vom Ziel der Abfindungsaktion, zur Kostensenkung Personal abzubauen, ist es folgerichtig, sämtliche Arbeitnehmer, die anlässlich dieser Aktion bis zu dem gewünschten Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, im Report aufzuführen, auch soweit Aufhebungsverträge zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens von Mai 2006 geschlossen worden sind.

50

bb) Auch die auf S. 5 des Flash-Reports erfolgte „Aufteilung abgeschlossener Aufhebungsverträge“ spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht für seine Behauptung, sondern im Gegenteil gegen diese. Der Flash-Report wertet dort unter Aufschlüsselung nach Entgeltstufen und Dauer der Betriebszugehörigkeit aus, wie hoch der Anteil angeschriebener Arbeitnehmer ist, die tatsächlich einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer unstreitig nicht von der Beklagten angeschrieben worden sind. Gleichwohl sind Basis auch dieser Statistik alle bis zum 31. Dezember 2006 geschlossenen 5.937 Aufhebungsverträge einschließlich der auf S. 11 des Flash-Reportsausgewiesenen 24 Verträge, die mit vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern geschlossen worden sind. Aussagen zu den Konditionen der Aufhebungsverträge lassen sich damit S. 5 des Flash-Reports nicht entnehmen, sondern nur das Bemühen der Beklagten, alle bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossenen Aufhebungsverträge statistisch zu erfassen und zu bewerten.

51

cc) Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers, Abfindungen an ältere Arbeitnehmer seien stets netto gezahlt worden, kein schlüssiges Indiz für seine Behauptung, die Konditionen der 24 auf S. 11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge entsprächen denen des Rundschreibens. Der Kläger nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf das Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2006,aus dem sich lediglich ergibt, dass sie im konkreten Fall des Klägers eine Nettoabfindung errechnet hat, weil ihr mangels der erforderlichen Daten die Ermittlung einer Bruttoabfindung nicht möglich war.

52

b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast nicht überspannt. Es hat vielmehr zu Recht vom Kläger verlangt, weitere Indizien vorzutragen, aus denen geschlossen werden könne, dass seine Behauptung, die Beklagte habe auch mit 24 älteren Arbeitnehmern zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai 2006 kontrahiert, richtig sei. Trotz des unstreitigen Umstands, dass der Kläger die Bedingungen der 24 auf S. 11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge, die mit vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern geschlossen sind, nicht kennt und keine Einsicht in die Personalunterlagen hat, war die Beklagte nicht zu weitergehendem Vortrag verpflichtet.

53

aa) Allerdings genügt nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast das einfache Bestreiten des Gegners der primär darlegungspflichtigen Partei nicht, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, der Gegner dagegen alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind. In diesen Fällen kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 16, NJW 2008, 982; BAG 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38, BAGE 124, 48). Der Gegner der primär darlegungs- und beweispflichtigen Partei muss deren Vortrag also positive Gegenangaben gegenüberstellen (Stein/Jonas/Leipold 22. Aufl. § 138 Rn. 36 f.; umfassend zu den Modifizierungen der Darlegungslast unter dem Gesichtspunkt der sekundären Behauptungslast Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. Vor § 284 Rn. 34 ff.).

54

Diesen Anforderungen hat die Beklagte genügt. Sie hat vorgetragen, dass sie mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge zu den Bedingungen geschlossen habe, wie sie sie auch dem Kläger angeboten hat . Sie hat diesen Vortrag mit der namentlichen Benennung von drei Arbeitnehmern, die wie der Kläger im Werk H beschäftigt und im Flash-Report erfasst seien, untermauert. Unstreitig sind diese Arbeitnehmer tatsächlich zu anderen Bedingungen als denen des Abfindungsmodells des Jahres 2006 ausgeschieden. Ebenso unstreitig hat die Beklagte jedenfalls dem Kläger lediglich die Konditionen angeboten, zu denen sie nach ihrem Vortrag mit den 24 älteren Arbeitnehmern kontrahiert hat. Sie hat damit den vom Kläger behaupteten Sachverhalt hinreichend substantiiert bestritten.

55

Weitergehende Vortragspflichten trafen die Beklagte aufgrund des Grundsatzes der sekundären Behauptungslast nicht. Insbesondere verlangen diese vom Gegner der beweispflichtigen Partei nicht die Preisgabe von Namen und ladungsfähiger Anschrift von (potentiellen) Zeugen. Dass die Beklagte die 24 Arbeitnehmer nicht namentlich benannt hat, hatte deshalb entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Folge, dass sein Vortrag, diese Arbeitnehmer seien zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen war(vgl. BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 18 f., NJW 2008, 982).

56

bb) Die Zivilprozessordnung kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende - allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Dass im Zivilprozess die Wahrheitspflicht wesentliche Bedeutung hat, erlaubt nicht den Schluss, die Parteien seien generell zu dem Verhalten verpflichtet, das am besten der Wahrheitsfindung dient. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindert den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Im Grundsatz gilt, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen prozessuales Obsiegen zu verschaffen (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55, 58 f.; BGH 11. Juni 1990 - II ZR 159/89 - NJW 1990, 3151).

57

Ohnehin ist außer einem ausdrücklichen Geständnis der Beklagten kein Vortrag erkennbar, der dem Kläger die weitere Substantiierung seiner Behauptung, die Aufhebungsverträge mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern seien zu denselben Bedingungen wie die der 5.913 bis zum 31. Dezember 2006 ausgeschiedenen jüngeren Arbeitnehmer geschlossen, ermöglichen würde. Trüge die Beklagte die Namen und Konditionen von 21 weiteren vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern vor, mit denen sie 2006 Aufhebungsverträge geschlossen hat, könnte der Kläger ebenso, wie er es bereits bei den drei von der Beklagten namentlich benannten Arbeitnehmern des Werks H getan hat, einwenden, dass deren Aufhebungsverträge nicht im Flash-Report aufgeführt seien. Legte die Beklagte - unter Hintanstellung datenschutzrechtlicher Bedenken - alle 5.937 von ihr bis zum 31. Dezember 2006 geschlossenen Aufhebungsverträge vor, wären davon 24 mit Arbeitnehmern geschlossen, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, und würden diese Verträge andere Konditionen als die im Rundschreiben vom Mai 2006 genannten aufweisen, könnte der Kläger ebenfalls einwenden, dass dies nicht die Verträge der 24 im Flash-Report aufgeführten Arbeitnehmer seien.

58

c)  Das Landesarbeitsgericht hat auch seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO entgegen der Aufklärungsrüge der Revision nicht verletzt. Zum einen hatte es bereits laut Protokoll vom 4. Februar 2008 auf seine Auffassung hingewiesen, der Kläger habe konkret vorzutragen, zu welchen Bedingungen die Arbeitnehmer, die älter als 55 Jahre gewesen seien, aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden seien. Zum anderen war der vom Kläger auf den vermissten Hinweis gehaltene Vortrag, den er in der Revisionsbegründung mitgeteilt hat, nicht entscheidungserheblich. Wie ausgeführt, ändert der Umstand, dass der Kläger die 24 im Flash-Report aufgeführten, vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer nicht kennt und unter der Vielzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer auch nicht ausfindig machen kann, nichts daran, dass er seiner Darlegungslast nicht genügt hat.

59

C. Der Antrag auf Feststellung einer künftigen Schadenersatzpflicht ist aus den dargelegten Gründen unbegründet.

60

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schmidt    

        

    B. Stang    

        

        

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Juni 2008 - 2 Sa 265/08 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2005 zu erhöhen.

2

Der 1939 geborene Kläger war seit dem 1. Mai 1967 bei der Beklagten beschäftigt. Er schied aufgrund Aufhebungsvereinbarung vom 21. Juni 1991 mit Ablauf des 30. Juni 1991 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und wechselte zu einem anderen Arbeitgeber.

3

Die Beklagte ist Mitglied des Essener Verbandes. Sie hatte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Leistungsordnung (im Folgenden: LO) dieses Verbandes zugesagt.

4

In der LO „A“ idF vom 1. Januar 2004 heißt es auszugsweise:

        

„VORWORT

        

Die Leistungsordnung ‚A’ des Essener Verbandes gilt für diejenigen weiblichen und männlichen Angestellten, die von dem Mitglied des Verbandes tatsächlich bis zum 31.12.1988 zum Essener Verband angemeldet worden sind (Angestellte), sowie für Leistungsfälle, denen eine solche Anmeldung zugrunde gelegen hat.

        

Zweck dieser Leistungsordnung ist es, Angestellten, deren Gehälter dauerhaft und erheblich die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigen, eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren.

        

…       

        

TEIL I

        

Leistungen an Angestellte, die bis zum Eintritt des Leistungsfalles in einem Dienstverhältnis zu einem Mitglied des Essener Verbandes gestanden haben, und an deren Hinterbliebene

        

§ 1     

        

Leistungen

        

Leistungen im Sinne dieser Leistungsordnung sind:

        

a)    

Ruhegeld,

        

b)    

Hinterbliebenenbezüge.

        

§ 2     

        

Voraussetzungen für das Ruhegeld

        

(1)     

Ruhegeld erhält ein Angestellter, der aus dem Dienst des Mitglieds ausscheidet, weil er

                 

a)    

dienstunfähig ist oder

                 

b)    

das 65. Lebensjahr vollendet hat oder

                 

c)    

Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch nimmt.

        

…       

                 
        

§ 3     

        

Berechnung des Ruhegeldes

        

(1)     

Das Ruhegeld richtet sich unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 7 und 8 nach

                 

a)    

den einzelnen Gruppen, zu denen der Angestellte angemeldet worden ist,

                 

b)    

den bei Eintritt des Leistungsfalles geltenden Gruppenbeträgen, die bei einer wesentlichen Verminderung der Dienstbezüge in der dem Verband angeschlossenen Industrie entsprechend herabgesetzt werden können,

                 

c)    

den Dienstjahren, die gemäß der Anmeldung in den einzelnen Gruppen zu berücksichtigen sind (Dienstjahre).

                 

Veränderungen der Gruppenbeträge und Dienstjahre nach Vollendung des 65. Lebensjahres bleiben unberücksichtigt.

        

…       

        
        

(3)     

Das Ruhegeld beträgt für jedes zu berücksichtigende Dienstjahr 4 vH des Betrages der Gruppe, zu der der Angestellte jeweils angemeldet worden ist; tritt der Leistungsfall wegen Dienstunfähigkeit oder Tod ein, beträgt das Ruhegeld jedoch mindestens 30 vH der höchsten individuellen Gruppe.

        

…       

        
        

§ 9     

        

Neuberechnung und Anpassung der Zahlbeträge

        

…       

        
        

(2)     

Die Zahlbeträge werden vom Verband regelmäßig überprüft und gegebenenfalls den veränderten Verhältnissen angepasst.

        

TEIL II

        

Leistungen an vorzeitig ausgeschiedene Angestellte und an deren Hinterbliebene

        

§ 10   

        

Unverfallbarkeit

        

(1)     

Endet das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem Mitglied vor Eintritt des Leistungsfalles, bleibt die Versorgungsanwartschaft zu einem Teil erhalten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung erfüllt sind.

        

…       

        
        

§ 11   

        

Höhe der unverfallbaren Anwartschaft

        

(1)     

Die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft errechnet sich nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung.

        

(2)     

Bei der Berechnung der Teil-Anwartschaft ist sowohl für das Ruhegeld als auch für die zu berücksichtigenden anderen Leistungen von den Werten auszugehen, die sich auf der Grundlage der im Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden tatsächlichen Bemessungsgrundlagen ergeben. …

        

(3)     

Ab Eintritt des Leistungsfalles werden die Leistungen durch das Mitglied nach § 16 BetrAVG überprüft.

        

…“    

5

Seit dem 1. Januar 2002 bezieht der Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente iHv. 484,40 Euro. Während die Ruhegeldbezüge derjenigen Mitarbeiter, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren, in der Folgezeit aufgrund entsprechender Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes mehrfach erhöht wurden, und zwar ab dem 1. Januar 2005 um 0,75 %, ab dem 1. Januar 2006 um 1,5 % und ab dem 1. Januar 2007 um 2 %, passte die Beklagte die Betriebsrente des Klägers nicht nach § 16 BetrAVG an.

6

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 forderte der Kläger den Essener Verband und mit Schreiben vom 23. November 2006, 21. Januar 2007, 4. März 2007, 3. April 2007 sowie vom 1. Juni 2007 die Beklagte ergebnislos zur Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG auf. In seinem Schreiben vom 4. März 2007 wies er zudem auf die Anpassungen hin, die bei denjenigen Mitarbeitern vorgenommen worden waren, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren. Mit seinem Schreiben vom 1. Juni 2007 verlangte er, so wie diese Betriebsrentner gestellt zu werden. Die Beklagte lehnte eine Betriebsrentenanpassung unter Hinweis auf ihre wirtschaftliche Lage ab.

7

Der Verbraucherpreisindex für Deutschland belief sich im Januar 2002 auf 102,9 und im Januar 2005 auf 106,9 Prozentpunkte. Ausweislich der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Jahrbücher für die Jahre 1998 bis 2008 erzielten die öffentlichen Anleihen in den Jahren 1997 bis 2007 folgende Umlaufrenditen:

        

1997   

5,1 % 

        

1998   

4,4 % 

        

1999   

4,3 % 

        

2000   

5,3 % 

        

2001   

4,7 % 

        

2002   

4,6 % 

        

2003   

3,8 % 

        

2004   

3,7 % 

        

2005   

3,2 % 

        

2006   

3,7 % 

        

2007   

4,3 %.

8

Mit seinen Hauptanträgen zu 1. und 2. hat der Kläger von der Beklagten eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern verlangt, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Mit seinem Hilfsantrag hat er eine Anpassung seiner Betriebsrente an den Kaufkraftverlust gem. § 16 BetrAVG begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, für die in der LO enthaltene Differenzierung zwischen den Betriebsrentnern, die bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verblieben sind und die deshalb unter Teil I § 9 Abs. 2 LO fallen, und denjenigen, die vor Eintritt des Versorgungsfalls mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden sind und deshalb nach Teil II § 11 Abs. 3 LO nur Anspruch auf Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG haben, bestehe kein sachlicher Grund. Der mit der Leistung verfolgte Zweck, die Betriebstreue zu fördern, rechtfertige die Gruppenbildung nicht. Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung seien Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung. Die unterschiedlichen Anpassungsregularien stellten zudem eine nach dem AGG unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar. Für das Jahr 2005 habe er demnach Anspruch auf eine Betriebsrente iHv. 488,03 Euro, für das Jahr 2006 iHv. 495,35 Euro und für das Jahr 2007 iHv. 505,26 Euro monatlich. Jedenfalls sei seine Betriebsrente zum 1. Januar 2005 nach § 16 BetrAVG entsprechend der Geldentwertungsrate anzupassen. Die Beklagte könne eine Anpassung nicht unter Hinweis auf ihre wirtschaftliche Lage ablehnen. Sie sei ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Sie habe weder den Kapitalbedarf für die Anpassungen nach § 16 BetrAVG dargelegt noch vorgetragen, in welchem Volumen die Betriebsrenten der Arbeitnehmer, die mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren, angepasst wurden. Im Übrigen rechtfertigten die Geschäftsberichte die Annahme, dass die Beklagte durch eine Anpassung der Betriebsrente nicht überfordert werde.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 362,70 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Oktober 2007 über die monatlich gezahlten 484,40 Euro hinaus monatlich weitere 20,86 Euro, also insgesamt 505,26 Euro/Monat zu zahlen,

        

hilfsweise

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 677,88 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18,83 Euro netto seit dem 1. Januar 2005 und aus jeweils weiteren 18,83 Euro netto seit dem 1. des jeweiligen Folgemonats, beginnend mit dem 1. Februar 2005 und endend mit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne keine Gleichbehandlung mit denjenigen Mitarbeitern verlangen, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausgeschieden seien. Ein Anspruch folge weder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus dem AGG, das im Übrigen wegen § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG keine Anwendung finde. Die unterschiedlichen Betriebsrentenanpassungsregularien seien sachlich gerechtfertigt. Mit der Versorgungszusage sei es ihr nicht nur darum gegangen, langjährige Betriebstreue zu honorieren, sondern auch einen Anreiz für künftige Betriebstreue zu schaffen. Sie habe verhindern wollen, dass Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis von sich aus vorzeitig beenden und die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen anderweitig verwenden. Die unterschiedlichen Betriebsrentenanpassungsmechanismen der LO führten auch nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung wegen des Alters. Eine Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG habe ihre wirtschaftliche Lage nicht zugelassen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage hat weder mit den Hauptanträgen noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

14

A. Die Klage ist mit den Hauptanträgen zu 1. und 2. unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 um 0,75 %, für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 um 1,5 % und für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 um 2 % entsprechend den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes.

15

I. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht unmittelbar auf § 9 Abs. 2 LO iVm. den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes stützen.

16

1. Auf den Kläger findet die LO in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung Anwendung.

17

Zwar hat die Beklagte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur nach der LO des Essener Verbandes und nicht nach Maßgabe der LO in ihrer jeweiligen Fassung zugesagt. Mit dieser Formulierung wurde aber die jeweils geltende Fassung der LO in Bezug genommen. Dynamische Verweisungen sind die Regel. Sie stellen eine einheitliche Behandlung aller Versorgungsberechtigten sicher und dienen den Interessen sowohl des Arbeitgebers als auch der Versorgungsberechtigten. Statische Verweisungen und die damit verbundene Zementierung bestimmter Versorgungsregelungen sind demgegenüber die Ausnahme. Deshalb müssen sie deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Diese Auslegungsregel gilt vor allem dann, wenn die Bestimmungen eines Verbandes angewandt werden sollen, der für einen ganzen Wirtschaftszweig einheitliche Versorgungsbedingungen schaffen will. Ebenso wie der Bochumer Verband verfolgt auch der Essener Verband das Ziel, die Versorgungsleistungen der angeschlossenen Unternehmen zu vereinheitlichen (vgl. BAG 8. Juni 1999 - 3 AZR 113/98 - zu B II 1 a der Gründe mwN). Die LO soll aktive Arbeitnehmer und Ruheständler erfassen. Daraus folgt, dass der betriebliche Versorgungsanspruch einheitlich nach der letzten Fassung der LO bestimmt werden soll (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 553/08 - Rn. 25 mwN).

18

2. Da der Kläger vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden ist, wird er nicht von Teil I der LO erfasst und kann damit nicht nach § 9 Abs. 2 LO eine Anpassung seiner Betriebsrente entsprechend den Beschlüssen des Essener Verbandes verlangen. Auf ihn findet vielmehr der in Teil II der LO enthaltene § 11 Abs. 3 LO Anwendung, wonach die Leistungen ab Eintritt des Leistungsfalls durch das Mitglied nach § 16 BetrAVG überprüft werden.

19

II. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf § 9 Abs. 2 LO iVm. den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 AGG stützen(zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 iVm. § 8 Abs. 2 AGG als Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten vgl. BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45, BAGE 125, 133). Die in der LO im Hinblick auf die Anpassung der Betriebsrenten enthaltene Differenzierung zwischen den Mitarbeitern, deren Anspruch auf Anpassung sich nach § 9 Abs. 2 LO iVm. den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes richtet, und denjenigen, die einen Anspruch auf Anpassung des Ruhegelds gemäß § 11 Abs. 3 LO nach den unternehmensbezogenen gesetzlichen Vorgaben des § 16 BetrAVG haben, und der damit einhergehende Ausschluss der vorzeitig Ausgeschiedenen von einer Anpassung der Betriebsrente nach den Regularien des Essener Verbandes hält einer Überprüfung anhand des AGG stand. Die Differenzierung bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

20

1. Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält(BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22 ff., BAGE 125, 133; 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 62, EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14). Die Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes über die Unverfallbarkeit betreffen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die in der LO enthaltenen Regelungen über die Dynamisierung laufender Ruhegelder. Insbesondere erstreckt sich die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 BetrAVG nicht auf die Entwicklung der Betriebsrente nach Eintritt des Versorgungsfalls, sondern bezieht sich nur auf den Zeitraum zwischen dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und dem Eintritt des Versorgungsfalls(vgl. BAG 21. August 2007 - 3 AZR 330/06 - Rn. 29, EzA BetrAVG § 16 Nr. 51).

21

2. Das AGG ist - jedenfalls für die Zeit ab dem 18. August 2006 - auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar.

22

Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner existierte. Dabei ist nicht erforderlich, dass zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bei Inkrafttreten des AGG noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Es genügt vielmehr, wenn der Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden oder Betriebsrentner ist und das damit begründete Rechtsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. bestand (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 63 mwN, EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind beim Kläger, der seit dem 1. Januar 2002 von der Beklagten eine Betriebsrente bezieht, jedenfalls für Ansprüche für die Zeit nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 - BGBl. I S. 1897) erfüllt.

23

3. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sind etwaige Ansprüche des Klägers nicht nach § 15 Abs. 1 und 4 AGG verfallen. Der Kläger verlangt eine Gleichbehandlung mit denjenigen Betriebsrentnern, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, nicht im Wege des Schadensersatzes nach § 15 Abs. 1 AGG. Er macht vielmehr einen auf § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 AGG iVm. § 9 Abs. 2 LO gestützten Erfüllungsanspruch geltend.

24

4. Die in der LO enthaltene Differenzierung zwischen den Mitarbeitern, deren Anpassungsanspruch sich nach § 9 Abs. 2 LO nach den Regularien des Essener Verbandes richtet, und denjenigen Mitarbeitern, die einen Anspruch auf Anpassung des Ruhegelds gemäß § 11 Abs. 3 LO nach den unternehmensbezogenen gesetzlichen Vorgaben des § 16 BetrAVG haben, hält einer Überprüfung anhand des AGG stand. Sie bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

25

a) Die Differenzierung führt nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Weder § 9 Abs. 2 noch § 11 Abs. 3 LO knüpfen an ein bestimmtes Lebensalter an; sie stützen sich auch nicht unmittelbar auf ein Kriterium, das untrennbar mit dem Alter verbunden ist (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17). Anknüpfungstatbestand ist vielmehr der Zeitpunkt des Ausscheidens. In der LO wird insoweit unterschieden zwischen den Mitarbeitern, die bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verblieben sind, und denjenigen, die vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschieden sind. Dabei kennt die LO nicht nur den Versorgungsfall des Erreichens der festen Altersgrenze von 65 Jahren (§ 2 Abs. 1 Buchst. b LO), sondern auch andere Versorgungsfälle, so den Versorgungsfall der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Abs. 1 Buchst. c LO), bei dem nur mittelbar auf die ua. an das Alter anknüpfenden einschlägigen Bestimmungen des Rentenversicherungsrechts (aktuell: §§ 33 ff. SGB VI) verwiesen wird, und den Versorgungsfall der Dienstunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 Buchst. a LO), der altersunabhängig ausgestaltet ist.

26

b) Die Differenzierung bewirkt auch keine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen des Alters.

27

aa) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich. Dabei muss das rechtmäßige Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, nicht ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung verfolgen, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Ziele ein. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich sein und darf die Betroffenen nicht übermäßig in ihren legitimen Interessen beeinträchtigen (vgl. auch EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 32, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17). In einem solchen Fall fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung (BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 30 f., AP AGG § 3 Nr. 1 = EzA AGG § 17 Nr. 1). Dieses Normverständnis des § 3 Abs. 2 AGG entspricht der gemeinschaftsrechtlichen Regelungssystematik(vgl. hierzu ausführlich BAG 20. April 2010 3 AZR 509/08 - Rn. 70, EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14).

28

bb) In Anwendung dieser Grundsätze bewirkt die Differenzierung zwischen den Arbeitnehmern, die bis zum Eintritt des Leistungsfalls in einem Dienstverhältnis zu dem Mitglied gestanden haben, und denjenigen, die vorzeitig ausgeschieden sind, und der damit verbundene Ausschluss der vorzeitig Ausgeschiedenen von der Betriebsrentenanpassung nach § 9 Abs. 2 LO keine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

29

(1) Die Differenzierung ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

30

(a) Die LO will mit der Differenzierung nicht nur abgeleistete Betriebszugehörigkeit honorieren, sondern erkennbar einen Anreiz für künftige Betriebszugehörigkeit schaffen. Dadurch sollen Fluktuationen und Wechsel zu anderen Arbeitgebern insbes. im Konditionenkartell verhindert werden. Die Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung im betrieblichen Interesse liegt, sollen davon abgehalten werden, ihr Arbeitsverhältnis von sich aus vorzeitig zu beenden und die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen anderweitig zu verwenden.

31

(b) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers muss der Differenzierungszweck nicht ausdrücklich in der LO festgelegt werden. Es reicht vielmehr aus, dass - wie hier - andere, aus dem allgemeinen Kontext der Versorgungsregelung abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des mit der Differenzierung verfolgten Zwecks ermöglichen, damit dieser auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft sowie die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel festgestellt werden können (zur Frage, ob Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG erfordert, dass die nationale Regelung das Ziel genau angibt vgl. EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 56 f., Slg. 2007, I-8531; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 45, Slg. 2009, I-1569; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 58, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9). Die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung hängt nicht davon ab, ob das Differenzierungsziel in der Leistungsordnung genannt ist, sondern davon, ob die Ungleichbehandlung in der Sache gerechtfertigt ist (so für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 21. August 2007 - 3 AZR 269/06 - Rn. 30, BAGE 124, 22).

32

(c) Das mit der Differenzierung verfolgte Ziel, die Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls an das Unternehmen zu binden, ist rechtmäßig iSd. § 3 Abs. 2 AGG.

33

(aa) Entschließt der Arbeitgeber sich dazu, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erbringen, ist er nicht nur frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er die Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er ist auch berechtigt, den Zweck seiner Leistung festzulegen und damit darüber zu entscheiden, welcher Personenkreis durch die Leistung begünstigt werden soll (dazu, dass die Freiheit der Bestimmung des begünstigten Personenkreises Ausfluss der Zwecksetzungsfreiheit ist, vgl. BAG 26. April 1988 - 3 AZR 168/86 - BAGE 58, 156). Der Arbeitgeber kann mit Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterschiedliche Zwecke verfolgen. Die betriebliche Altersversorgung soll die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer im Alter verbessern. Neben diesen Versorgungszweck tritt in der Regel die Aufgabe betrieblicher Versorgungssysteme, die von den Arbeitnehmern gezeigte Betriebszugehörigkeit zu belohnen und weitere Betriebszugehörigkeit zu fördern (vgl. BAG 9. Dezember 1997 - 3 AZR 661/96 - zu B II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 40 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 16; 8. Juni 1999 - 3 AZR 113/98 - zu B II 1 d der Gründe). Hierbei handelt es sich um ein rechtmäßiges Ziel. Dem steht nicht entgegen, dass die betriebliche Altersversorgung über den Versorgungscharakter hinaus Entgeltcharakter hat. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind auch Entgelt des berechtigten Arbeitnehmers, das er als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhält (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 97/08 - Rn. 30, BetrAV 2010, 696). Insoweit besteht ein gegenseitiges Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Dieses wird allein durch den mit der Ausgestaltung einer Leistungsordnung verfolgten Zweck, weitere Betriebszugehörigkeit zu fördern, nicht in Frage gestellt.

34

(bb) Die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zum Ausdruck kommenden Wertungen bestätigen, dass es sich bei dem Ziel, nicht nur die geleistete Betriebszugehörigkeit zu belohnen, sondern weitere Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalls zu fördern, um ein rechtmäßiges Ziel iSd. § 3 Abs. 2 AGG handelt. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG können unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters insbesondere „die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen“ einschließen. Dieser Vorschrift, die nahezu wortgleich ist mit Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL 2000/78/EG), lässt sich das gesetzgeberische Anliegen entnehmen, Hindernisse, die einer Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen, abzubauen und die betriebliche Altersversorgung zu fördern (vgl. BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 43, AP GG Art. 9 Nr. 139 = EzA AGG § 10 Nr. 1). Dieses Ziel wird bei freiwilligen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestmöglich erreicht, wenn dem Arbeitgeber bei der Umsetzung eine gewisse Flexibilität verbleibt, er also privatautonom die Zwecke seiner Leistung festlegen kann, soweit diese Zwecke nicht ihrerseits aus anderen Gründen zu einer Diskriminierung führen oder aus sonstigen Gründen unzulässig sind.

35

(2) Die in der LO im Hinblick auf die Betriebsrentenanpassung enthaltene Differenzierung zwischen den bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verbliebenen und den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern ist zur Erreichung des Ziels geeignet.

36

Der Essener Verband ist ebenso wie der Bochumer Verband ein sog. Konditionenkartell, das der Vereinheitlichung der Versorgungsleistungen für die angeschlossenen Unternehmen dient (vgl. BAG 25. Juli 2000 - 3 AZR 674/99 - zu II 1 b bb der Gründe). Dies schließt eine unternehmensbezogene Betrachtung aus. Deshalb legt der Essener Verband im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 9 Abs. 2 LO nicht nur den Versorgungsbedarf und damit auch die reallohnbezogene Obergrenze unternehmensübergreifend fest(vgl. zum Bochumer Verband BAG 20. Mai 2003 - 3 AZR 179/02 - zu II 3 b cc (1) der Gründe, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1); ebenso wird nicht nach der wirtschaftlichen Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmen differenziert (vgl. BAG 25. Juli 2000 - 3 AZR 674/99 - zu II 1 b bb der Gründe). Insbesondere die von der wirtschaftlichen Situation des Einzelunternehmens losgelöste Anpassung nach den Regularien des Essener Verbandes bietet einen erhöhten Anreiz, bis zum Erreichen des Versorgungsfalls im Unternehmen zu verbleiben, da sie eine größere Kontinuität der Anpassung gewährleistet.

37

(3) Der Ausschluss der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter von der Anpassung ihrer Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes ist zur Erreichung des Ziels, die Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls an das Unternehmen zu binden, erforderlich.

38

Wie das Landesarbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, bieten alle Mitgliedsunternehmen des Essener Verbandes ihren Angestellten grundsätzlich die gleiche Versorgung. Damit sind gerade die unmittelbaren Konkurrenten der Beklagten besonders attraktive zukünftige Arbeitgeber, da sich bei einem Wechsel für den Arbeitnehmer nach Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen ein Anspruch auf eine gleich strukturierte Betriebsrente auch beim Konkurrenzarbeitgeber ergibt. Vor diesem Hintergrund besteht die einzige Möglichkeit, einen Anreiz für einen Verbleib im Unternehmen bis zum Versorgungsfall zu schaffen, darin, bei der Betriebsrentenanpassung nach dem Ausscheidenszeitpunkt (vor oder mit Eintritt des Versorgungsfalls) zu differenzieren.

39

(4) Der Ausschluss der vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer von einer Anpassung nach § 9 Abs. 2 LO entsprechend den Regularien des Essener Verbandes ist zur Erreichung des Ziels auch angemessen. Die Betroffenen werden hierdurch nicht übermäßig in ihren legitimen Interessen beeinträchtigt.

40

(a) Die in § 9 Abs. 2 LO vorgesehene Anpassung der Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes gewährleistet zwar eine größere Anpassungskontinuität. Wird im Rahmen der Anpassungsprüfung und -entscheidung die reallohnbezogene Obergrenze unternehmensübergreifend festgelegt und nicht auf die wirtschaftliche Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmens abgestellt, bleiben den einzelnen Versorgungsberechtigten die mit einer unternehmensbezogenen Betrachtung verbundenen Risiken erspart. Die Anpassung nach den Regularien des Konditionenkartells birgt aber auch das Risiko, dass den Versorgungsempfängern günstige Abweichungen von branchentypischen Entwicklungen bei ihrem früheren Arbeitgeber nicht zugutekommen. Das bedeutet im Ergebnis, dass nicht nur Risiken sondern auch Chancen sinken (vgl. BAG 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 358). Die Anpassung der Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes ist daher nur tendenziell, aber nicht in jedem Fall günstiger als diejenige nach § 16 BetrAVG.

41

(b) Die in der LO im Hinblick auf die Anpassung der Betriebsrenten vorgenommene Differenzierung zwischen den bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verbliebenen und den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern behindert die Arbeitnehmer auch nicht in unzulässiger Weise in ihrer durch Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit. Die gesetzlich erworbenen Anwartschaften werden nicht nachträglich entwertet. Sie bleiben vielmehr bestehen und werden - einschließlich der späteren Anpassung der Versorgungsleistungen - nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes behandelt. Damit ist nicht erkennbar, dass die Arbeitnehmer infolge der Differenzierung ernsthaft an der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gehindert werden.

42

(c) Damit ist es auch nicht zu beanstanden, dass die LO den Umstand nicht berücksichtigt, dass das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt des Versorgungsfalls nicht die Regel ist, und dass sie auch solche Arbeitnehmer von einer Anpassung der Betriebsrente nach § 9 Abs. 2 LO ausschließt, die allein im Interesse des Arbeitgebers, zB durch eine betriebsbedingte Kündigung, an der Erbringung weiterer Betriebszugehörigkeit gehindert werden. Auch diese Arbeitnehmer scheiden vor dem Versorgungsfall aus dem Unternehmen aus.

43

III. Der Kläger kann die mit den Hauptanträgen geltend gemachten Ansprüche auch nicht mit Erfolg auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen, da für die Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausscheiden, ein sachlicher Grund besteht.

44

IV. Andere unionsrechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist nach Auffassung des EuGH das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und unabhängig von einer nationalen Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist. Allerdings wird das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters durch die RL 2000/78/EG konkretisiert (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 21 f., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14; vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 17, EzA AGG § 10 Nr. 3). Auch nach einem als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehenden Verbot der Diskriminierung wegen des Alters liegt eine unzulässige Benachteiligung nicht vor, wenn Art. 6 RL 2000/78/EG Rechnung getragen wurde(vgl. EuGH 22. November 2005 - C-144/04  - [Mangold] Slg. 2005, I-9981; BAG 21. November 2006 - 3 AZR 309/05  - Rn. 44, AP BetrAVG § 1b Nr. 7). Dies ist hier der Fall.

45

B. Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag zu 3. unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 an den seit dem Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Die Beklagte durfte zum Prüfungstermin 31. Dezember 2004 vielmehr davon ausgehen, dass ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrente nicht zuließ.

46

I. Die Prüfung, ob die Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust anzupassen ist, hatte nicht - wie die Beklagte meint - zum 31. Dezember 2005, sondern zum 31. Dezember 2004 zu erfolgen.

47

1. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Da der Kläger seit dem 1. Januar 2002 eine Betriebsrente bezieht, ist sein individueller Anpassungsstichtag der 1. Januar 2005.

48

2. Allerdings hatte die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zum 31. Dezember eines jeden Jahres gebündelt. Damit ergab sich für den Kläger der 31. Dezember 2004 als Prüfungstermin.

49

Der von § 16 BetrAVG vorgeschriebene Dreijahresturnus bei der Überprüfung von Betriebsrentenanpassungen zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für den Betriebsrentner verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die ihm daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Dreijahreszeitraum eingehalten sein (BAG 28. April 1992 - 3 AZR 142/91 - zu I 1 der Gründe, BAGE 70, 137; 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - Rn. 19 mwN, BAGE 115, 353). Allerdings darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassung nicht um mehr als sechs Monate verzögern (vgl. BAG 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - Rn. 20, BAGE 115, 353; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 50, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49). Da der Kläger seine Betriebsrente seit dem 1. Januar 2002 bezieht, ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht auf den 31. Dezember 2005, sondern auf den 31. Dezember 2004 als Prüfungstermin abzustellen.

50

II. Die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers nicht anzupassen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

51

1. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber als Versorgungsschuldner bei seiner Anpassungsentscheidung insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verpflichtet den Versorgungsschuldner grundsätzlich, den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zuzumuten ist, die sich aus der Anpassung ergebenden Mehrbelastungen zu tragen (vgl. BAG 23. Oktober 1996 - 3 AZR 514/95 - zu I der Gründe, BAGE 84, 246; 25. Juni 2002 - 3 AZR 226/01 - zu I 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 51 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 40). Dann besteht keine Anpassungspflicht.

52

a) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35). Beurteilungsgrundlage für die insoweit langfristig zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden (vgl. BAG 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 - Rn. 20 mwN, BAGE 123, 319). Zwar kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers auswirken. Sie kann seine frühere Prognose bestätigen oder entkräften (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 55, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49). Voraussetzung für die Berücksichtigung der späteren Entwicklung bei der zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose ist jedoch, dass die Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren (vgl. BAG 17. Oktober 1995 - 3 AZR 881/94 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 81, 167; 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 83, 1; 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 b der Gründe, BAGE 105, 72; 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 - Rn. 20, BAGE 123, 319). Spätere, unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können erst bei der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 83, 1).

53

b) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 83, 1; 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 - Rn. 20, BAGE 123, 319; 10. Februar 2009 - 3 AZR 727/07 - Rn. 13, BAGE 129, 292). Die Anpassung muss nicht aus der Unternehmenssubstanz finanziert werden (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 105, 72). Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 10. Februar 2009 - 3 AZR 727/07 - Rn. 13, BAGE 129, 292).

54

c) Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die Höhe des Eigenkapitals, andererseits auf das erzielte Betriebsergebnis abzustellen. Beide Bemessungsgrundlagen sind - jedenfalls für die hier interessierende Zeit vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BGBl. I 2009 S. 1102 ff.) - ausgehend von den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen zu bestimmen (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 83, 1; 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 105, 72).

55

Für eine angemessene Eigenkapitalverzinsung kommt es demnach auf das tatsächlich vorhandene Eigenkapital iSd. § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB in der bis zum 28. Mai 2009 geltenden Fassung an. Dazu zählen nicht nur das gezeichnete Kapital (Stammkapital) und die Kapitalrücklage, sondern auch Gewinnrücklagen, Gewinn-/Verlustvorträge und Jahresüberschüsse/Jahresfehlbeträge (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 b aa der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (1) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38).

56

Allerdings sind die betriebswirtschaftlich gebotenen Korrekturen vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für die in den Bilanzen enthaltenen Scheingewinne, sondern beispielsweise auch für betriebswirtschaftlich überhöhte Abschreibungen (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 83, 1; 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (4) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 105, 72). Außerordentliche Erträge sind zwar keine Scheingewinne. Ihr Ausnahmecharakter kann jedoch bei der Beurteilung der künftigen Ertragsentwicklung nicht außer Acht gelassen werden. In der Regel sind außerordentliche Erträge oder Verluste aus den der Prognose zugrunde gelegten früheren Jahresabschlüssen herauszurechnen. Etwas anderes gilt nur, wenn außerordentliche Erträge oder Verluste auch der Höhe nach eine ausreichende Kontinuität aufweisen (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (4) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 58, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49).

57

Da sich das Eigenkapital während des Geschäftsjahres ständig verändert, kann weder das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Geschäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist von einem Durchschnittswert auszugehen. Das Eigenkapital zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres ist zu addieren und anschließend zu halbieren (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b dd der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (3) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38).

58

Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht aus dem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Als Basiszins kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen herangezogen werden. Der Risikozuschlag beträgt einheitlich 2 % (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 c bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (5) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 105, 72; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 59, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49).

59

d) Die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens ist auch dann beeinträchtigt, wenn die Eigenkapitalausstattung ungenügend ist (BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 727/07 - Rn. 13, BAGE 129, 292). Eingetretene Eigenkapitalverluste sind zu berücksichtigen, wenn sie fortwirken und die künftige Eigenkapitalausstattung beeinträchtigen (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 d der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38).

60

Da der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens entscheidende Bedeutung zukommt, dürfen Wertzuwächse bei der Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vom Unternehmen erwirtschaftet wurden und ohne Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze verwertet werden können. Die Zuführung weiteren Kapitals durch die Gesellschafter steht im Interesse der Substanzerhaltung des Unternehmens nicht für Betriebsrentenerhöhungen zur Verfügung. Vom Versorgungsschuldner kann nicht verlangt werden, dass er zur Finanzierung einer Betriebsrentenanpassung in die Vermögenssubstanz des Unternehmens eingreift (vgl. BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 d bb (1) der Gründe, BAGE 105, 72). Deshalb ist dem Arbeitgeber zuzubilligen, dass er nach Eigenkapitalverlusten bzw. einer Eigenkapitalauszehrung möglichst rasch für eine ausreichende Kapitalausstattung sorgt und bis dahin von Betriebsrentenerhöhungen absieht. Die Kapitalrücklagen müssen nicht für Betriebsrentenanpassungen verwandt werden. Von einer Gesundung des Unternehmens kann auch nicht ausgegangen werden, wenn das vorhandene Eigenkapital des Unternehmens die Summe aus gezeichnetem Kapital (§ 272 Abs. 1 Satz 1 HGB) und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen (vgl. § 272 Abs. 2 HGB) noch nicht erreicht hat (vgl. BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 d bb (1) der Gründe, BAGE 105, 72).

61

2. In Anwendung dieser Grundsätze musste die Beklagte am Prüfungstermin 31. Dezember 2004 mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass ihrem Unternehmen die für die Anpassung der Betriebsrenten erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit fehlen werde. Dies folgt aus den Jahresabschlüssen der Beklagten für die Jahre 1994 bis 2007, deren ordnungsgemäße Erstellung vom Kläger nicht bestritten wurde (zur Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit testierter Jahresabschlüsse vgl. BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 105, 72).

62

a) Ausweislich der Jahresabschlüsse hatte die Beklagte in der Zeit von 1994 bis zum Prüfungstermin entweder keine bzw. keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet oder ihre Eigenkapitalausstattung reichte für eine Betriebsrentenanpassung nicht aus.

63

In den Jahren 1994 und 1995 hatten Verluste zu einem vollständigen Eigenkapitalverzehr geführt. Die Beklagte war im Jahr 1996 bilanziell überschuldet und befand sich in einer existenzbedrohenden Krise. Nur infolge von Sanierungsbeiträgen konnte das Eigenkapital zum 31. Dezember 1996 auf 112,69 Mio. Euro wiederhergestellt werden.

64

Im Jahr 1997 wies die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten ein ausgeglichenes Ergebnis auf, eine Eigenkapitalverzinsung konnte hier demnach nicht erreicht werden.

65

Für das Jahr 1998 ergab die Gewinn- und Verlustrechnung zwar einen Jahresüberschuss iHv. 12,83 Mio. Euro. Zudem stieg das Eigenkapital von 112,69 Mio. Euro auf 133,09 Mio. Euro (= 260,3 Mio. DM). Allerdings beliefen sich das gezeichnete Kapital zum 31. Dezember 1998 auf 308 Mio. DM und die Kapitalrücklage auf 4,9 Mio. DM. Damit hatte das vorhandene Eigenkapital der Beklagten die Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen nicht erreicht.

66

Für die Jahre 1999 bis 2001 weist die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten jeweils Fehlbeträge aus (im Jahr 1999 iHv. 8,44 Mio. Euro, im Jahr 2000 iHv. 8,4 Mio. Euro und im Jahr 2001 iHv. 27,9 Mio. Euro), so dass eine Eigenkapitalverzinsung nicht erreicht werden konnte.

67

Für das Jahr 2002 lässt sich der Gewinn- und Verlustrechnung zwar ein Jahresüberschuss iHv. 2 Mio. Euro entnehmen. Das Eigenkapital stieg von 98,7 Mio. Euro auf 100,7 Mio. Euro. Bei einem durchschnittlichen Eigenkapital iHv. 99,7 Mio. Euro erreichte die Beklagte allerdings lediglich eine Eigenkapitalverzinsung iHv. 2 %. Dieser Betrag liegt unterhalb einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung iHv. 6,6 %.

68

Im Jahr 2003 wies die Gewinn- und Verlustrechnung einen Jahresüberschuss iHv. 1,5 Mio. Euro aus. Das Eigenkapital stieg von 100,7 Mio. Euro auf 171 Mio. Euro. Dieser Anstieg hatte seinen Grund jedoch im Wesentlichen in einer Kapitalerhöhung. So waren das gezeichnete Kapital von 164,3 Mio. Euro auf 233,0 Mio. Euro und die Kapitalrücklage von 6,0 Mio. Euro auf 6,1 Mio. Euro erhöht worden. Damit hatte das vorhandene Eigenkapital der Beklagten die Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen wiederum nicht erreicht.

69

Für das Jahr 2004 weist die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten einen Jahresfehlbetrag iHv. 8,8 Mio. Euro aus. Demnach konnte auch im Jahr 2004 keine Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet werden.

70

b) Aus der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten in den Jahren 2005 bis 2007 ergibt sich keine andere Beurteilung. Es kann offenbleiben, ob diese Entwicklung am Anpassungsstichtag 31. Dezember 2004 überhaupt vorhersehbar war. Die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten nach dem Anpassungsstichtag ist nicht geeignet, die aus den wirtschaftlichen Daten der vorangegangenen Jahre gewonnene negative Prognose zu entkräften. Sie bestätigt diese vielmehr.

71

aa) Zwar weist die Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2005 einen Jahresüberschuss iHv. 55,3 Mio. Euro aus; allerdings war in diesem Jahresüberschuss ein außerordentliches Ergebnis iHv. 46,1 Mio. Euro enthalten, das aus der Veräußerung des Marine-Servicegeschäfts resultierte und vom Jahresüberschuss in Abzug zu bringen ist. Da das Eigenkapital der Beklagten zu Beginn des Jahres 2005 169,3 Mio. Euro und zum Ende des Jahres 2005 236,6 Mio. Euro betrug, war von einem durchschnittlichen Eigenkapital iHv. 202,95 Mio. Euro auszugehen mit der Folge, dass die Beklagte im Jahre 2005 lediglich eine Eigenkapitalverzinsung von 4,5 % erreichte. Diese Eigenkapitalverzinsung liegt unter der angemessenen Eigenkapitalverzinsung iHv. 5,2 %. Es kommt hinzu, dass das gezeichnete Kapital im Jahre 2005 auf 242,9 Mio. Euro und die Kapitalrücklage auf 15,3 Mio. Euro erhöht wurden. Damit lag das Eigenkapital der Beklagten iHv. 236,6 Mio. Euro unter der Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen.

72

bb) Auch im Jahre 2006 konnte die Beklagte eine angemessene Eigenkapitalverzinsung nicht erreichen. Zwar weist die Gewinn- und Verlustrechnung für dieses Jahr einen Jahresüberschuss von 29,7 Mio. Euro aus; in diesem Überschuss enthalten waren jedoch ein außerordentliches Ergebnis iHv. 12 Mio. Euro, das durch Auflösung der Rückstellungen im Zusammenhang mit der Veräußerung des Marine-Servicegeschäfts resultierte, sowie weitere, für eine Prognose nicht geeignete außerordentliche Geschäftsvorfälle iHv. insgesamt 17,069 Mio. Euro. Damit belief sich der in Ansatz zu bringende Jahresüberschuss auf lediglich 0,631 Mio. Euro. Auf der Grundlage eines durchschnittlichen Eigenkapitals iHv. 279,45 Mio. Euro (= (236,6 Mio. Euro + 322,3 Mio. Euro) : 2) erreichte die Beklagte lediglich eine Eigenkapitalverzinsung iHv. 0,2 %. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung beläuft sich für das Jahr 2006 demgegenüber auf 5,7 %.

73

cc) Das Ergebnis für das Jahr 2007 führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung.

74

(1) Zwar weist die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten für dieses Jahr einen Jahresüberschuss iHv. 153,2 Mio. Euro aus. Darin enthalten war jedoch ein außerordentliches Ergebnis iHv. 119,5 Mio. Euro, so dass sich ein verwertbarer Jahresüberschuss iHv. 33,7 Mio. Euro ergibt. Unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Eigenkapitals iHv. 408,4 Mio. Euro errechnet sich eine Eigenkapitalverzinsung iHv. 8,25 %. Diese liegt 1,95 % über der angemessenen Eigenkapitalverzinsung von 6,3 %. Auch überstieg das Eigenkapital der Beklagten iHv. 494,5 Mio. Euro die Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen. Allerdings erzielte die Beklagte im Jahre 2007 erstmals seit 20 Jahren einen Bilanzgewinn. Zudem überstieg die erzielte Eigenkapitalverzinsung die angemessene Eigenkapitalverzinsung nur relativ geringfügig. Von einer Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten konnte demnach auch im Jahr 2007 noch nicht die Rede sein.

75

(2) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte im Jahr 2007 entschloss, 48 Mio. Euro als Dividende an die Anteilseigner auszuzahlen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass am Anpassungsstichtag 31. Dezember 2004 von einer wirtschaftlichen Belastbarkeit der Beklagten auszugehen war, die eine Anpassung der Betriebsrente ab dem 1. Januar 2005 ermöglicht hätte.

76

Die von subjektiven Zweckmäßigkeitserwägungen beeinflusste Ausschüttungspolitik erlaubt in der Regel keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens. Die Dividendenhöhe beruht regelmäßig nicht allein auf dem erzielten Gewinn, sondern auf einer Vielzahl weiterer Überlegungen. Selbst bei schlechten Betriebsergebnissen kann die Ausschüttung von Dividenden sinnvoll sein, zB um Irritationen bei Investoren zu vermeiden und Optimismus zu signalisieren (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b aa der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37). Im Fall der Beklagten kommt hinzu, dass die Anteilseigner das gezeichnete Kapital sowie die Kapitalrücklage in der Vergangenheit mehrfach aufgestockt hatten und seit etwa 20 Jahren keine Gewinne ausgeschüttet worden waren.

77

3. Da die Beklagte zum Prüfungstermin 31. Dezember 2004 mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, dass ihrem Unternehmen die für die Anpassung der Betriebsrenten erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit fehlen werde, war eine Darlegung des Kapitalbedarfs für die Anpassungen nach § 16 BetrAVG nicht erforderlich. Ebenso wenig kam es für die Entscheidung darauf an, in welchem Volumen die Betriebsrenten der Arbeitnehmer, die mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren, angepasst wurden. Die Verpflichtung zur Anpassung der Betriebsrenten entsprechend den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes ist dem Konditionenkartell immanent. Die hieraus resultierende Anpassungslast hat das einzelne Mitgliedsunternehmen regelmäßig zu tragen. Betriebsrentner, die - wie der Kläger - von der Anpassung der Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes ausgeschlossen sind, können aus dieser Leistung nichts zu ihren Gunsten ableiten.

78

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Fasbender    

        

    Lohre    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Juli 2012 - 6 Sa 90/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2

Der Kläger war vom 1. März bis zum 6. September 2006 bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmer zu einem Bruttostundenlohn von 7,41 Euro beschäftigt. Einzelvertraglich war die Anwendung des Entgelttarifvertrags zwischen der Christlichen Gewerkschaft Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) vereinbart. Der Kläger wurde der F GmbH(fortan: F) zur Arbeitsleistung überlassen. Mitarbeiter der F erhalten bei einer Wochenarbeitszeit von 42,5 Stunden eine jeweils individuell ausgehandelte Vergütung.

3

Mit seiner am 10. Juni 2011 bei Gericht eingereichten und der Beklagten am 23. Juni 2011 zugestellten Klage hat der Kläger unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt verlangt, das die F im Streitzeitraum vergleichbaren Stammarbeitnehmern gezahlt haben soll. Der Kläger hat ausgehend von einer Auskunft der F behauptet, er hätte als Stammarbeitnehmer ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.000,00 Euro erhalten. Jedenfalls sei er nach Qualifikation und Tätigkeit mit dem Mitarbeiter S vergleichbar, der - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - im Jahr 2006 von der F eingestellt wurde und ein Bruttomonatsentgelt iHv. 1.900,00 Euro erhält.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nicht verjährt, denn bis zur CGZP-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2010 (- 1 ABR 19/10 -) sei die Rechtslage unklar gewesen. Bis dahin sei ihm eine Klage unzumutbar gewesen.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.229,11 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat sich auf Verjährung berufen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch des Klägers ist verjährt.

9

1. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit der Überlassung entsteht und mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird. Mangels Eingreifens der besonderen Tatbestände der §§ 196, 197 BGB unterliegt er der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 22).

10

2. Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es - neben dem Entstehen des Anspruchs - nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

11

a) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BGH 26. September 2012 - VIII ZR 240/11 - zu B II 3 b bb (2) (b) der Gründe; BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 24 mwN).

12

b) Danach hat der Leiharbeitnehmer von dem Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ausreichende Kenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wenn er Kenntnis von der Tatsache hat, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers mehr verdienen als er. Dagegen kommt es nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung der arbeitsvertraglichen Klausel an, mit der der Verleiher von der in § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG eröffneten Möglichkeit, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, Gebrauch macht. Vertraut der Leiharbeitnehmer auf deren Rechtswirksamkeit und in diesem Zusammenhang auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, ist dieses Vertrauen ebenso wenig geschützt wie das des Verleihers. Etwas anderes gilt nur dann, wenn und solange dem Leiharbeitnehmer die Erhebung einer die Verjährung hemmenden Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) unzumutbar war (BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 25 mwN).

13

3. Dem Kläger waren die Tatsachen bekannt, aus denen er im vorliegenden Rechtsstreit gefolgert hat, vergleichbare Stammarbeitnehmer der F hätten mehr verdient als er. So hat er den Anspruch auf Vergütungsnachzahlung gegenüber der Beklagten dem Grunde nach geltend gemacht, bevor er von der F die Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer erhielt. Dementsprechend begründete er sein Auskunftsbegehren gegenüber der F damit, dass er seinen „Anspruch auf höheres Entgelt“ gegenüber der Beklagten geltend machen wolle. Zudem wusste er - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts -, dass die Beklagte mittels der einzelvertraglichen Bezugnahme auf den Tarifvertrag den gesetzlichen Anspruch des Klägers auf eine höhere als die vereinbarte Vergütung ausschließen wollte. Darüber hinaus hat sich der Kläger nicht mit einfachen Lagerarbeitern, sondern mit „besser verdienenden“ Stammarbeitnehmern der F - wie dem Mitarbeiter S - verglichen. Damit übereinstimmend hat er gerichtlich gar nicht in Abrede gestellt, von Anfang an Kenntnis von der höheren Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer gehabt zu haben, sondern seine fehlende Kenntnis mit seiner Fehleinschätzung der Tarifunfähigkeit der CGZP begründet.

14

4. Dem Kläger war eine Klage auf gleiches Arbeitsentgelt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auch nicht unzumutbar. Eine solche hätte hinreichende Erfolgsaussicht gehabt (vgl. zum Folgenden bereits: BAG 13. März 2013 - 5 AZR 424/12 - Rn. 27 ff.).

15

a) Nach einer von Schüren an allen deutschen Arbeitsgerichten durchgeführten Befragung, an der sich 83 % der Arbeitsgerichte beteiligten (Stand: August 2007), bezweifelten Arbeitsgerichte in Deutschland seit 2003 nahezu ausnahmslos die Tariffähigkeit der CGZP. Leiharbeitnehmer, die den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt einklagten, hatten damit regelmäßig ganz oder teilweise Erfolg, nur eine einzige Klage wurde abgewiesen (Schüren NZA 2007, 1213). Auch im Schrifttum ist die Tariffähigkeit der CGZP seit deren erstem Tarifvertragsabschluss im Jahre 2003 in Frage gestellt und ihr der Vorwurf gemacht worden, Leiharbeitsunternehmen mit „billigen“ Tarifverträgen „zu versorgen“ (vgl. nur Ankersen NZA 2003, 421; Schüren in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 9 Rn. 107 ff. mwN). Selbst wenn eine entsprechende Zahlungsklage nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ausgesetzt worden wäre und der Kläger von der Antragsbefugnis des § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG hätte Gebrauch machen müssen, hätte dies keine Unzumutbarkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs bewirkt. Ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage ist stets zumutbar. Zuwarten allein lässt keine Klärung der Rechtslage erwarten (Staudinger/Peters/Jacoby (2009) § 199 BGB Rn. 62). Überdies hatten zum frühesten Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2009 bereits zwei Instanzen in dem dafür nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 97 ArbGG vorgesehenen Verfahren die fehlende Tariffähigkeit der CGZP festgestellt(ArbG Berlin 1. April 2009 - 35 BV 17008/08 -; LAG Berlin-Brandenburg 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 -).

16

b) Das Argument, bis zur CGZP-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts habe der Kläger den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wegen § 13 Halbsatz 2 AÜG nicht beziffern können, greift nicht durch. Unbeschadet der Frage, ob der Auskunftsanspruch gegen den Entleiher nach dem Sinn und Zweck der Norm bereits bei berechtigten Zweifeln an der Wirksamkeit eines Tarifvertrags, dessen Geltung nach § 9 Nr. 2 AÜG vereinbart worden ist, besteht(so die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur Pelzner/Kock in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 10; Brors in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 13 Rn. 7 - jeweils mwN), hätte der Kläger jedenfalls zunächst eine Feststellungsklage erheben und so die Hemmung der Verjährung herbeiführen können (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

17

5. Danach hat die Verjährungsfrist für den streitgegenständlichen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt am 31. Dezember 2006 zu laufen begonnen, § 199 Abs. 1 BGB. Bei Erhebung der Klage war die regelmäßige Verjährungsfrist abgelaufen.

18

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Mattausch    

                 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.


Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6.8.2014 - 2 Ca 3713/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.374,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.8.2013 zu zahlen.
2) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat 67 % und die Beklagte 33 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 10 % der Klägerin und zu 90 % der Beklagten auferlegt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aufgrund geschlechtsspezifischer Benachteiligung.

2

Die Klägerin war seit dem 01.12.1994 als Produktionsmitarbeiterin im Schuhfabrikationsbetrieb der Beklagten beschäftigt.

3

Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 einen Stundenlohn von 8,45 €, danach einen Stundenlohn von 8,61 €. Demgegenüber belief sich der Stundenlohn der Männer, die mit der gleichen Arbeit wie die Klägerin betraut waren, vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2003 auf 9,56 € und danach auf 9.66 €.

4

Ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund bestand unstreitig nicht. Auch die ihren Mitarbeitern gewährte Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohnes) sowie das Weihnachtsgeld (Berechnungsformel: 172 Stunden x Stundengrundlohn x 40 %) und das Urlaubsgeld (Berechnungsformel: 28 Tage x Stundengrundlohn x 8 Stunden x 46,5 %) berechnete die Beklagte für die bei ihr beschäftigten Frauen bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage deren niedrigeren Stundenlohnes.

5

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung - jedenfalls betreffend die Zeit ab dem 01.01.2009 - ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt von dieser Ungleichbehandlung Kenntnis hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

6

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit ab dem 01.01.2009 sowie einen diesbezüglichen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und die Beklagte darüber hinaus aufgefordert, "umfassend" Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich ihrer Arbeitsvergütung und sonstiger Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Im Rahmen eines zwischen den Parteien außergerichtlich geführten Schriftwechsels haben diese am 18.12.2012 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt die Beklagte auf die Einrede der Verjährung diesbezüglicher Ansprüche verzichtete, die nicht bereits bei Abschluss der betreffenden Vereinbarung verjährt waren. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über die Höhe der Arbeitsvergütung der Männer, die mit der gleichen Tätigkeit wie die Klägerin beschäftigt sind, hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2002 mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilt,

7

Mit einer am 28.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage (ArbG Koblenz, Az. 2 Ca 359/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz Az., 4 Sa 13/14) hat die Klägerin die Beklagte u.a. auf Nachzahlung für die Zeit ab dem 01.01.2009, auf Zahlung einer Entschädigung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Klage war hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche überwiegend erfolgreich, die Klage auf Auskunftserteilung blieb hingegen erfolglos.

8

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.07.2013 forderte die Klägerin von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung die Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Anwesenheitsprämien sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 31.12.2008 und erklärte zugleich, dass sie die betreffenden Beträge für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als "Entgeltfortzahlungsansprüche, Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend mache.

9

Mit ihrer am 09.10.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Anwesenheitsprämien, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses einschließlich 31.12.2008 sowie darüber hinaus mit klageerweiternden Schriftsatz vom 30.05.2014 auch auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderter Krankengeldzahlungen ihrer Krankenkasse in Anspruch genommen.

10

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Ansprüche der Klägerin seien nach § 15 Abs. 4 AGG ausgeschlossen. Jedenfalls jedoch seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Arbeitsvergütung sei bereits vor dem 01.01.2009 im Betrieb allgemein und auch der Klägerin bekannt gewesen.

11

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.08.2014 (Bl. 491 - 501 d.A.).

12

Die Klägerin hat erstinstanzlich (zuletzt, nach teilweiser Klagerücknahme) beantragt,

13

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.946,85 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.08.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus den Zeiten vor 2009 seien verjährt, da spätestens zum 31.12.2008 zumindest von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von den ihre Ansprüche begründenden Umständen auszugehen sei. Wegen aller Einzelheiten der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 501 - 513 d.A. verwiesen.

17

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.10.2014 zugestellte Urteil am Montag, dem 17.11.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 16.12.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 16.01.2015 begründet.

18

Die Klägerin, die im Berufungsverfahren ihre Klage auf den Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 beschränkt hat, macht im Wesentlichen geltend, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG komme nicht zum Tragen, da es vorliegend nicht um Schadensersatz -, sondern um Erfüllungsansprüche gehe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die geltend gemachten Ansprüche auch nicht verjährt. Dies gelte jedenfalls für die nunmehr noch weiterverfolgten Ansprüche aus der Zeit ab dem 01.12.2002, da die Beklagte (unstreitig) am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich solcher Ansprüche verzichtet habe, die nicht bereits bei Erklärung dieses Verzichts verjährt gewesen seien. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass die Beklagte nicht ansatzweise substantiiert dargetan habe, dass ihr - der Klägerin - bereits vor der Betriebsversammlung im September 2012 bekannt gewesen sei, dass sie die bei ihr beschäftigten Frauen generell schlechter vergüte als Männer. Erstmals in der Betriebsversammlung im September 2012 habe sie erfahren, dass dies - jedenfalls ab dem Jahr 2009 - der Fall gewesen sei. Sämtlicher Sachvortrag der Beklagten bezüglich einer früheren Kenntniserlangung sei unsubstantiiert bzw. unerheblich. Es treffe auch keineswegs zu, dass sie - die Klägerin - infolge grober Fahrlässigkeit von den anspruchsbegründenden Umständen keine Kenntnis genommen habe. Wegen ihrer geschlechtsbezogenen Diskriminierung habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto. Dieser Betrag errechne sich unter Zugrundelegung der in der von der Beklagten für den Monat Dezember 2002 für den betreffenden Monat und in den Dezemberabrechnungen der Jahre 2003 bis 2008 jeweils für das vorangegangene Kalenderjahr ausgewiesenen, auf Stundenbasis bemessenen Gesamt-Vergütung (zusammengesetzt aus Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und der diesen Beträgen jeweils zugrundeliegenden Anzahl vergüteter Stunden. Des Weiteren habe sie gegen die Beklagte für die Jahre 2003 bis 2008 infolge der Diskriminierung und auf Grundlage der unstreitigen Berechnungsformeln Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto und Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto. Auch bezüglich der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter allmonatlich ausgezahlten Anwesenheitsprämie von 5 % der Summe aus Bruttogrundlohn und (eventuellem) Urlaubsentgelt stehe ihr ein Nachzahlungsanspruch zu. Diesbezüglich sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte diese Anwesenheitszulage in der Vergangenheit vollständig gestrichen habe, wenn der betreffende Arbeitnehmer auch nur einen Tag im Monat krankheitsbedingt gefehlt habe. Diese Verfahrensweise verstoße gegen § 3 EFZG, da es sich bei der Anwesenheitszulage um eine laufende Lohnleistung handele. Der auf der Diskriminierung beruhende Nachzahlungsanspruch sei daher ohne die krankheitsbedingte Kürzung zu berechnen und belaufe sich auf insgesamt 525,47 €. Letztlich habe sie gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung von 1.479,45 Euro, der daraus resultiere, dass sie in den Jahren 2005 und 2008 von ihrer Krankenkasse ein lediglich auf Grundlage der von der Beklagten gezahlten, zu geringen Arbeitsvergütung errechnetes Krankengeld bezogen habe.

19

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 16.01.2015 (Bl. 610 - 673 d.A.), insbesondere auf die dort enthaltene Berechnung der geltend gemachten Ansprüche (Bl. 663 - 673 d.A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz der Klägerin vom 08.01.2016 (Bl. 1042 - 1061 d.A.) Bezug genommen.

20

Die Klägerin beantragt (nach teilweiser Berufungsrücknahme),

21

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.888,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 04.05.2015 (Bl. 888 - 907 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

25

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg.

26

II.1. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

27

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klage die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Jeder Anspruch muss identifizierbar sein. Der angegebene Grund muss erkennen lassen, aus welchem Lebenssachverhalt der geltend gemachte Anspruch herrührt. Der zugrundeliegende Sachverhalt darf nicht beliebig sein (BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 160/01 - AP Nr. 40 zu § 253 ZPO).

28

Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in einem Gesamtbetrag zusammengefasst hat, ohne diese Ansprüche jeweils einzelnen Zeitabschnitten (Zeiten der Arbeitsleistung, Urlaubszeiten, Krankheitszeiten) zuzuordnen. Die Klage richtet sich insoweit erkennbar auf Nachzahlung eines bestimmten Differenzbetrages wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung für jede von der Beklagten in der Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 auf Basis eines bestimmten Stundenlohnes und einer bestimmten Anzahl von Stunden gezahlte Vergütung, sei es Arbeitslohn, Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit sind sowohl Gegenstand als auch Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt.

29

2. Die Klage ist, soweit sie die Klägerin mit ihrer Berufung weiterverfolgt, überwiegend begründet.

30

Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto, auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto, auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto und auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien in Höhe von 491,40 € brutto. Soweit die Klägerin bezüglich der Anwesenheitsprämien die Nachzahlung eines höheren Betrages begehrt, erweist sich die Klage als unbegründet. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges besteht nicht.

31

a) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin beruhen auf geschlechtsbezogener Diskriminierung.

32

Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Dementsprechend hat die Beklagte (ebenfalls unstreitig) auf Basis des geringeren Stundenlohnes der Klägerin auch niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld, niedrigere Krankenvergütung sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gewährt als den in der Produktion beschäftigten Männern. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

33

Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB a.F. stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG v. 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Teilzeit). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG v. 11.02.2007 - 3 AZR 249/06 - AP Nr. 1 zu § 2 AGG). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

34

b) Die im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Ansprüche der Klägerin sind - mit Ausnahme des Anspruchs auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges - nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.

35

aa) Nach § 15 Abs. 4 AGG muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Erfüllungsanspruch unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG (BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - AP Nr. 72 zu § 16 BetrAVG Nr. 72, Rz. 23; BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - NzA 2010, 159, Rz. 37; MüKoBGB/Thüsing, 6. Aufl., AGG § 15, Rz. 32; BeckOK ArbR/Roloff, AGG § 15, Rz. 12).

36

bb) Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der aufgrund der zu geringen Lohnzahlung der Beklagten eingetretenen Verringerung des von der Krankenkasse geleisteten Krankengeldes. Dieser Anspruch unterfällt zweifellos der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG. Die Klägerin hat diese Frist nicht gewahrt.

37

Hinsichtlich des Fristbeginns, d.h. der Frage, wann Kenntniserlangung von der Benachteiligung vorliegt, kann auf die Maßstäbe des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Maßgabe zurückgegriffen werden, dass wegen des Wortlauts von § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht genügt. Kenntnis von der Benachteiligung hat der Arbeitnehmer daher dann, wenn er Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat. Für Schadensersatzansprüche ist anerkannt, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist darauf ankommt, ob der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - erheben kann, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen soviel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist. Diese Grundsätze können im Wesentlichen auf den Fristbeginn des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG bzgl. eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG übertragen werden (BAG vom 15.03.2012 - 8 AZR 160/11 -, juris). Hiervon ausgehend begann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG vorliegend im Zeitpunkt der im September 2012 bei der Beklagten stattgefundenen Betriebsversammlung. Bei dieser hat die Klägerin - unter Zugrundelegung ihres eigenen Sachvortrages - Kenntnis davon erlangt, dass sie jedenfalls seit dem 01.01.2009 hinsichtlich der Arbeitsvergütung wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden war. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, dass diese Diskriminierung nicht auch schon bereits vor dem Jahr 2009 stattgefunden hat, sind nicht ansatzweise ersichtlich. Der Klägerin war es daher ab dem Tag der Betriebsversammlung zumutbar, ihren Schadensersatzanspruch zumindest - was ausreichend gewesen wäre - in unbezifferter Form schriftlich gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

38

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 enthält keine Geltendmachung der vorliegend auf das Krankengeld bezogenen streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche. Das betreffende Schreiben bezieht sich seinem Inhalt nach vielmehr ausschließlich auf die diskriminierungsbedingten Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche der Klägerin für die Zeit ab dem 01.01.2009. Zwar wurde die Beklagte zugleich aufgefordert, darüber Auskunft zu erteilen, ob die Klägerin auch bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Dies stellt jedoch keine Geltendmachung im Sinne von §§ 15 Abs. 4 AGG des vorliegend streitbefangenen Schadensersatzanspruchs dar. Eine solche Geltendmachung erfordert zwar keine Bezifferung des Anspruchs. Notwendig ist jedoch dessen hinreichende Individualisierung (BeckOK Arbeitsrecht/Roloff, AGG § 15 Rz. 14 m.w.N.). Diesem Erfordernis wird das Geltendmachungsschreiben vom 23.11.2012 hinsichtlich des von der Klägerin nunmehr geforderten Schadensersatzes nicht gerecht. Dem Schreiben lässt sich nicht ansatzweise der Wille der Klägerin entnehmen, neben den Erfüllungsansprüchen weitere Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

39

Eine erstmalige schriftliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erfolgte mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.07.2013, in welchem dieser erklärte, die diskriminierungsbedingten Ansprüche für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses auch als "Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG bereits abgelaufen.

40

c) Die streitgegenständlichen Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche sind (lediglich) insoweit verjährt, als die Klägerin die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für diejenigen Monate begehrt, für welche die Beklagte diese Prämie wegen Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat. Ansonsten ist keine Verjährung eingetreten.

41

aa) Die streitgegenständlichen Erfüllungsansprüche unterfallen der zehnjährigen Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB. Da die Beklagte am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich derjenigen diskriminierungsbedingten Nachzahlungsansprüche der Klägerin verzichtet hat, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, reicht die Verjährungshöchstfrist vorliegend zurück bis auf den 18.12.2002 mit der Folge, dass sie auch noch die Ansprüche der Klägerin für Dezember 2002 umfasst, da diese erst mit Ablauf des betreffenden Monats fällig geworden und damit im Sinne von § 199 Abs. 4 BGB entstanden sind. Zwar unterliegen die Zahlungsansprüche der Klägerin der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, diese hat jedoch nicht vor dem 01.01.2009 zu laufen begonnen. Denn die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht dargetan, dass die Klägerin vor dem 01.01.2009 gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den ihren Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

42

(1) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BAG v. 20.11.2013 - 5 AZR 767/12 -, juris). Bloße Vermutungen, Gerüchte oder ein Verdacht hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände reichen jedoch nicht aus (BGH v. 15.10.1992 - IX ZR 43/92 - NJW 1993, 684).

43

Kenntnis von den einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung begründenden Umständen hat eine Arbeitnehmerin - auch unter Berücksichtigung der Beweislastregel des § 22 AGG - dann, wenn sie weiß, dass ihr Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten Frauen generell schlechter vergütet als die Männer. Nicht ausreichend ist insoweit jedoch die Kenntnis davon, dass etwa nur einige, d. h. eine begrenzte Anzahl der beschäftigten Männer eine höhere Arbeitsvergütung erhalten als eine oder mehrere mit vergleichbaren Arbeitstätigkeiten betrauten Frauen, da sich hieraus noch nicht der Rückschluss ziehen lässt, dass die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen auf einem generalisierenden Prinzip beruht.

44

Hiervon ausgehend erweist sich das Vorbringen der Beklagten bezüglich einer den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB bereits vor dem 01.01.2009 auslösenden Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen als unzureichend. Dem gesamten Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten Gespräche, Erklärungen, Ereignisse oder sonstigen Umständen gerade (auch) die Klägerin Kenntnis davon erlangt haben könnte, dass die im Betrieb beschäftigten Frauen generell eine geringere Arbeitsvergütung erhielten als Männer.

45

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bereits im Rahmen ihres Einstellungsgesprächs auf die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen hingewiesen wurde. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die Produktionsmitarbeiterinnen hiervon "in aller Regel" bereits bei der Einstellung in Kenntnis gesetzt zu haben. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass dies gerade auch bei der Einstellung der Klägerin der Fall war. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Lohnstrukturen im Unternehmen seien stets bekannt und Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Konflikte gewesen, so lässt sich hieraus nichts für den konkreten Kenntnisstand der Klägerin ableiten. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, die Lohnstrukturen seien stets "offen kommuniziert" worden. Dieses Vorbringen steht im Übrigen in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte (unstreitig) auch Arbeitsverträge verwendet, die hinsichtlich der Arbeitsvergütung eine Verschwiegenheitsklausel enthalten. Auch wenn es - wie von der Beklagten behauptet - Beschwerden einzelner Frauen, u. U. sogar der Klägerin selbst, darüber gab, weniger zu verdienen als ein oder mehrere vergleichbare Männer, so ergibt sich hieraus noch nicht, dass die Frauen Kenntnis davon hatten, dass diese Ungleichbehandlung auf einem generalisierenden Prinzip beruhte. Diese gilt erst Recht für die Behauptung der Beklagten, die Ungleichbehandlung sei Gegenstand einer Vielzahl von Gesprächen zwischen Mitarbeitern im Betrieb gewesen. Der Umstand, dass am Standort der Beklagten im Jahr 2006 anlässlich der Einführung des AGG eine Schulung gemäß § 12 Abs. 2 AGG stattgefunden hat, ist für die Beurteilung des Kenntnisstandes der Klägerin ohne Belang. Zum einen ist die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten, wonach diese an der betreffenden Schulung selbst überhaupt nicht teilgenommen hat. Zum anderen kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Betrieb der Beklagten Gegenstand dieser Schulung war. Völlig unerheblich ist auch der Hinweis der Beklagten auf einen Zeitungsartikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit" aus dem Jahr 1996, dessen Inhalt Rückschlüsse auf eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen innerhalb der der Beklagten zugehörigen Unternehmensgruppe zulässt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von diesem Zeitungsartikel vor dem 01.01.2009 Kenntnis erlangt hat. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Erklärungen anderer Mitarbeiterinnen berufen, wonach die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen "allen" Beschäftigten "stets" bekannt gewesen sei. Aus den betreffenden Erklärungen ergibt sich nämlich weder, auf welche konkreten Tatsachen bzw. Informationen die Mitarbeiterinnen, die eine solche Erklärung abgegeben haben, ihre Erkenntnis stützen, noch, wann und auf welche Weise der Klägerin das Wissen von der generellen Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen vermittelt worden sein soll. Eine diesbezügliche Wissensvermittlung lässt sich auch ansonsten dem gesamten Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen.

46

Dem Antrag der Beklagten, die Klägerin als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, sie - die Klägerin - habe aus zahlreichen Gesprächen mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen seit ihrer Einstellung Kenntnis davon, dass weibliche Produktionsmitarbeiter im Betrieb grundsätzlich niedrigere Löhne erhielten als männliche Produktionsmitarbeiter, war nicht zu entsprechen. Denn bei diesem, auf die Feststellung einer inneren Tatsachen bezogenen Beweisantrag handelt es sich in Ermangelung jeglicher Angaben, aufgrund welcher konkreten Gespräche die Klägerin die behauptete Kenntnis erhalten haben soll, sowie in Ermangelung ausreichender Indizien, die für eine solche Kenntniserlangung sprechen könnten, um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Erst aufgrund der Erhebung des angebotenen Beweises, d. h. der Parteivernehmung der Klägerin könnte die Beklagte möglicherweise in die Lage versetzt werden, den ihr obliegenden substantiierten Tatsachenvortrag zu liefern.

47

(2) Die Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen beruhte auch nicht auf grober Fahrlässigkeit i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Eine solche liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH v. 23.09.2008 - XI ZR 395/07 - NJW 2009, 587, m.w.N.). Danach kann vorliegend eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin vor dem 01.01.2009 davon, dass die Beklagte Frauen generell geringer vergütete als Männer, nicht bejaht werden. Diesbezüglich ist nämlich zu berücksichtigen, dass es der Klägerin selbst dann, wenn sie von der vergütungsmäßigen Besserstellung einzelner oder einiger Männer gegenüber den Frauen im Betrieb Kenntnis hatte, nicht zumutbar war, eigene Nachforschungen über die Lohnstrukturen im Betrieb anzustellen, um zu ermitteln, ob eine generalisierende Schlechterstellung von Frauen gegeben war. Ein Betriebsrat, an den sich die Klägerin hätte wenden können, existierte bei der Beklagten unstreitig bis 2013 nicht. Erkundigungen der Klägerin bei all ihren Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen über die Höhe der Arbeitsvergütung wären naturgemäß zumindest teilweise auf Unverständnis gestoßen und im Falle einer gewissen Beharrlichkeit der Klägerin auch geeignet gewesen, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen.

48

bb) Verjährt sind die Nachzahlungsansprüche der Klägerin jedoch insoweit, als sie die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für solche Monate bis einschließlich 2008 begehrt, für welche die Beklagte ihr wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten diese Anwesenheitsprämie überhaupt nicht ausgezahlt hat.

49

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann insoweit gemäß § 199 Abs. 1 BGB jeweils mit Schluss des Kalenderjahres, innerhalb dessen die Beklagte die Anwesenheitsprämie der Klägerin für einzelne Monate wegen Fehlzeiten gestrichen hat. Die Klägerin hatte auch, geht man mit ihr von einer Unzulässigkeit der Verfahrensweise der Beklagten aus, Kenntnis von den Umständen, die einen hieraus resultierenden Nachzahlungsanspruch begründen könnten. Eine Unkenntnis der Klägerin über die Rechtslage ist insoweit unerheblich. Auf den von der Beklagten am 18.12.2012 erklärten Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann sich die Klägerin nicht berufen, da Ansprüche aus ungerechtfertigter Kürzung der Anwesenheitsprämie nicht Gegenstand dieses Verzichts waren. Dieser bezog sich erkennbar ausschließlich auf Nachzahlungsansprüche der Klägerin wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung.

50

Etwaige Ansprüche der Klägerin wegen ungerechtfertigter Nichtgewährung der Anwesenheitsprämie für einzelne Monate bis einschließlich 2008 waren daher bereits bei Klageeinreichung am 09.10.2013 verjährt.

51

d) Hinsichtlich der Höhe der nach Maßgabe vorstehender Ausführungen dem Grunde nach begründeten Ansprüche der Klägerin gilt Folgendes:

52

aa) Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 in Höhe von insgesamt 11.667,89 EUR brutto.

53

Bezüglich der Zusammensetzung dieses Betrages im Einzelnen wird auf die zutreffende tabellarische Berechnung der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 54 f. = Bl. 663 f. d. A.) Bezug genommen. Soweit die Klägerin bei ihrer Berechnung dort für das Jahr 2005 fälschlicherweise einen Entgeltfortzahlungsbetrag in Ansatz gebracht hat, so hat sie ihre Berufung insoweit, d. h. in Höhe eines Teilbetrages von 74,29 EUR zurückgenommen.

54

Die Klägerin hat bei ihrer Berechnung - unter Zugrundelegung und Vorlage der maßgeblichen Lohnabrechnungen - die von der Beklagten geleisteten Gesamtsummen (zusammengesetzt aus Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung) durch den jeweils gezahlten Stundenlohn dividiert, die sich hieraus ergebende Anzahl vergüteter Stunden mit der infolge Diskriminierung geschuldeten Stundenlohn-Differenz multipliziert und auf diese Weise den nachzuzahlenden Betrag errechnet. Gegen diese Berechnungsweise bestehen keine Bedenken, zumal die Beklagte - ausweislich der Lohnabrechnungen - nicht nur bei der Arbeitsvergütung und der Entgeltfortzahlung, sondern auch beim Urlaubsentgelt durchweg eine bestimmte Stundenzahl in Ansatz gebracht hat.

55

Soweit die Beklagte die Richtigkeit der Berechnung der Klägerin pauschal bestreitet, so erweist sich dieses Bestreiten in Ansehung der Vorschriften des § 138 ZPO als unzureichend. Sowohl das sich aus den Abrechnungen ergebende Zahlenmaterial als auch die Höhe des jeweiligen Differenzbetrages zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen hinsichtlich ihrer Tätigkeit vergleichbaren Männer sind unstreitig. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass in der Berufungsbegründungsschrift - erkennbar versehentlich - an der ein oder anderen Stelle ein falscher Betrag genannt ist. Entscheidend ist insoweit ausschließlich, dass die am Ende der Berufungsbegründungsschrift in tabellarischer Form vorgenommene Berechnung von den zutreffenden, unstreitigen Werten ausgeht.

56

bb) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2003 bis 2008 beläuft sich auf 778,08 EUR brutto, derjenige auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld für diese Jahre auf 437,57 EUR brutto. Insoweit wird auf die zutreffenden Berechnungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 56 ff. = Bl. 665 ff. d. A.) Bezug genommen, die auf den unstreitigen Berechnungsformeln für diese Zusatzleistungen und der unstreitigen Differenz zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen vergleichbarer Männer basieren.

57

cc) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien besteht nicht in der geltend gemachten Höhe von 525,47 EUR, sondern beläuft sich auf lediglich 491,40 EUR.

58

Da - wie bereits ausgeführt - infolge Verjährung kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Anwesenheitsprämien für diejenigen Monate mehr besteht, für die die Beklagte die Prämie wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat, kann für die Berechnung des Nachzahlungsanspruchs nur auf die jeweils tatsächlich gezahlten Beträge abgestellt werden. Diese ergeben sich nicht aus den tabellarischen Berechnungen der Klägerin, können jedoch den mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegten Lohnabrechnungen entnommen werden.

59

Ausweislich der maßgeblichen Verdienstabrechnungen hat die Klägerin im Dezember 2002 75,21 EUR (Abrechnung 12/2002, Bl. 791 d. A.) im Jahr 2003 891,47 EUR (Abrechnung 12/2003, Bl. 790 d. A.), im Jahr 2004 779,96 EUR (Abrechnung 12/2004, Bl. 789 d. A.), im Jahr 2005 378,73 EUR (Abrechnung 12/2005, Bl. 788 d. A.), im Jahr 2006 834,84 EUR (Abrechnung 12/2006, Bl. 787 d. A.), im Jahr 2007 612,81 EUR (Abrechnung 12/2007, Bl. 786 d. A.) und im Jahr 2008 380,34 EUR (Abrechnung 12/2008, Bl. 784 d. A.) an Anwesenheitsprämien erhalten. Bis zum 31.12.2003 betrug die Differenz zwischen dem Lohn der Klägerin und dem vergleichbarer Männer 1,11 EUR (9,56 EUR minus 8,45 EUR), demnach 13,14 Prozent; ab dem 01.01.2004 1,05 EUR (9,66 EUR minus 8,61 EUR), somit 12,20 Prozent. Bringt man diese Prozentzahlen bei den jeweiligen Anwesenheitsprämien in Ansatz, so ergibt sich hieraus ein Nachzahlungsanspruch von insgesamt 491,40 EUR brutto.

60

dd) Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.07.2013 ab dem 10.08.2013 mit der Leistung in Verzug befindet.

61

III. Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.

(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.

(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.

(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.

(5) Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen sind im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.


Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6.8.2014 - 2 Ca 3713/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.374,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.8.2013 zu zahlen.
2) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat 67 % und die Beklagte 33 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 10 % der Klägerin und zu 90 % der Beklagten auferlegt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aufgrund geschlechtsspezifischer Benachteiligung.

2

Die Klägerin war seit dem 01.12.1994 als Produktionsmitarbeiterin im Schuhfabrikationsbetrieb der Beklagten beschäftigt.

3

Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 einen Stundenlohn von 8,45 €, danach einen Stundenlohn von 8,61 €. Demgegenüber belief sich der Stundenlohn der Männer, die mit der gleichen Arbeit wie die Klägerin betraut waren, vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2003 auf 9,56 € und danach auf 9.66 €.

4

Ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund bestand unstreitig nicht. Auch die ihren Mitarbeitern gewährte Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohnes) sowie das Weihnachtsgeld (Berechnungsformel: 172 Stunden x Stundengrundlohn x 40 %) und das Urlaubsgeld (Berechnungsformel: 28 Tage x Stundengrundlohn x 8 Stunden x 46,5 %) berechnete die Beklagte für die bei ihr beschäftigten Frauen bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage deren niedrigeren Stundenlohnes.

5

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung - jedenfalls betreffend die Zeit ab dem 01.01.2009 - ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt von dieser Ungleichbehandlung Kenntnis hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

6

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit ab dem 01.01.2009 sowie einen diesbezüglichen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und die Beklagte darüber hinaus aufgefordert, "umfassend" Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich ihrer Arbeitsvergütung und sonstiger Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Im Rahmen eines zwischen den Parteien außergerichtlich geführten Schriftwechsels haben diese am 18.12.2012 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt die Beklagte auf die Einrede der Verjährung diesbezüglicher Ansprüche verzichtete, die nicht bereits bei Abschluss der betreffenden Vereinbarung verjährt waren. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über die Höhe der Arbeitsvergütung der Männer, die mit der gleichen Tätigkeit wie die Klägerin beschäftigt sind, hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2002 mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilt,

7

Mit einer am 28.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage (ArbG Koblenz, Az. 2 Ca 359/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz Az., 4 Sa 13/14) hat die Klägerin die Beklagte u.a. auf Nachzahlung für die Zeit ab dem 01.01.2009, auf Zahlung einer Entschädigung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Klage war hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche überwiegend erfolgreich, die Klage auf Auskunftserteilung blieb hingegen erfolglos.

8

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.07.2013 forderte die Klägerin von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung die Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Anwesenheitsprämien sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 31.12.2008 und erklärte zugleich, dass sie die betreffenden Beträge für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als "Entgeltfortzahlungsansprüche, Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend mache.

9

Mit ihrer am 09.10.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Anwesenheitsprämien, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses einschließlich 31.12.2008 sowie darüber hinaus mit klageerweiternden Schriftsatz vom 30.05.2014 auch auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderter Krankengeldzahlungen ihrer Krankenkasse in Anspruch genommen.

10

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Ansprüche der Klägerin seien nach § 15 Abs. 4 AGG ausgeschlossen. Jedenfalls jedoch seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Arbeitsvergütung sei bereits vor dem 01.01.2009 im Betrieb allgemein und auch der Klägerin bekannt gewesen.

11

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.08.2014 (Bl. 491 - 501 d.A.).

12

Die Klägerin hat erstinstanzlich (zuletzt, nach teilweiser Klagerücknahme) beantragt,

13

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.946,85 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.08.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus den Zeiten vor 2009 seien verjährt, da spätestens zum 31.12.2008 zumindest von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von den ihre Ansprüche begründenden Umständen auszugehen sei. Wegen aller Einzelheiten der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 501 - 513 d.A. verwiesen.

17

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.10.2014 zugestellte Urteil am Montag, dem 17.11.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 16.12.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 16.01.2015 begründet.

18

Die Klägerin, die im Berufungsverfahren ihre Klage auf den Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 beschränkt hat, macht im Wesentlichen geltend, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG komme nicht zum Tragen, da es vorliegend nicht um Schadensersatz -, sondern um Erfüllungsansprüche gehe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die geltend gemachten Ansprüche auch nicht verjährt. Dies gelte jedenfalls für die nunmehr noch weiterverfolgten Ansprüche aus der Zeit ab dem 01.12.2002, da die Beklagte (unstreitig) am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich solcher Ansprüche verzichtet habe, die nicht bereits bei Erklärung dieses Verzichts verjährt gewesen seien. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass die Beklagte nicht ansatzweise substantiiert dargetan habe, dass ihr - der Klägerin - bereits vor der Betriebsversammlung im September 2012 bekannt gewesen sei, dass sie die bei ihr beschäftigten Frauen generell schlechter vergüte als Männer. Erstmals in der Betriebsversammlung im September 2012 habe sie erfahren, dass dies - jedenfalls ab dem Jahr 2009 - der Fall gewesen sei. Sämtlicher Sachvortrag der Beklagten bezüglich einer früheren Kenntniserlangung sei unsubstantiiert bzw. unerheblich. Es treffe auch keineswegs zu, dass sie - die Klägerin - infolge grober Fahrlässigkeit von den anspruchsbegründenden Umständen keine Kenntnis genommen habe. Wegen ihrer geschlechtsbezogenen Diskriminierung habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto. Dieser Betrag errechne sich unter Zugrundelegung der in der von der Beklagten für den Monat Dezember 2002 für den betreffenden Monat und in den Dezemberabrechnungen der Jahre 2003 bis 2008 jeweils für das vorangegangene Kalenderjahr ausgewiesenen, auf Stundenbasis bemessenen Gesamt-Vergütung (zusammengesetzt aus Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und der diesen Beträgen jeweils zugrundeliegenden Anzahl vergüteter Stunden. Des Weiteren habe sie gegen die Beklagte für die Jahre 2003 bis 2008 infolge der Diskriminierung und auf Grundlage der unstreitigen Berechnungsformeln Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto und Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto. Auch bezüglich der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter allmonatlich ausgezahlten Anwesenheitsprämie von 5 % der Summe aus Bruttogrundlohn und (eventuellem) Urlaubsentgelt stehe ihr ein Nachzahlungsanspruch zu. Diesbezüglich sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte diese Anwesenheitszulage in der Vergangenheit vollständig gestrichen habe, wenn der betreffende Arbeitnehmer auch nur einen Tag im Monat krankheitsbedingt gefehlt habe. Diese Verfahrensweise verstoße gegen § 3 EFZG, da es sich bei der Anwesenheitszulage um eine laufende Lohnleistung handele. Der auf der Diskriminierung beruhende Nachzahlungsanspruch sei daher ohne die krankheitsbedingte Kürzung zu berechnen und belaufe sich auf insgesamt 525,47 €. Letztlich habe sie gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung von 1.479,45 Euro, der daraus resultiere, dass sie in den Jahren 2005 und 2008 von ihrer Krankenkasse ein lediglich auf Grundlage der von der Beklagten gezahlten, zu geringen Arbeitsvergütung errechnetes Krankengeld bezogen habe.

19

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 16.01.2015 (Bl. 610 - 673 d.A.), insbesondere auf die dort enthaltene Berechnung der geltend gemachten Ansprüche (Bl. 663 - 673 d.A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz der Klägerin vom 08.01.2016 (Bl. 1042 - 1061 d.A.) Bezug genommen.

20

Die Klägerin beantragt (nach teilweiser Berufungsrücknahme),

21

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.888,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 04.05.2015 (Bl. 888 - 907 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

25

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg.

26

II.1. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

27

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klage die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Jeder Anspruch muss identifizierbar sein. Der angegebene Grund muss erkennen lassen, aus welchem Lebenssachverhalt der geltend gemachte Anspruch herrührt. Der zugrundeliegende Sachverhalt darf nicht beliebig sein (BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 160/01 - AP Nr. 40 zu § 253 ZPO).

28

Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in einem Gesamtbetrag zusammengefasst hat, ohne diese Ansprüche jeweils einzelnen Zeitabschnitten (Zeiten der Arbeitsleistung, Urlaubszeiten, Krankheitszeiten) zuzuordnen. Die Klage richtet sich insoweit erkennbar auf Nachzahlung eines bestimmten Differenzbetrages wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung für jede von der Beklagten in der Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 auf Basis eines bestimmten Stundenlohnes und einer bestimmten Anzahl von Stunden gezahlte Vergütung, sei es Arbeitslohn, Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit sind sowohl Gegenstand als auch Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt.

29

2. Die Klage ist, soweit sie die Klägerin mit ihrer Berufung weiterverfolgt, überwiegend begründet.

30

Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto, auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto, auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto und auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien in Höhe von 491,40 € brutto. Soweit die Klägerin bezüglich der Anwesenheitsprämien die Nachzahlung eines höheren Betrages begehrt, erweist sich die Klage als unbegründet. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges besteht nicht.

31

a) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin beruhen auf geschlechtsbezogener Diskriminierung.

32

Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Dementsprechend hat die Beklagte (ebenfalls unstreitig) auf Basis des geringeren Stundenlohnes der Klägerin auch niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld, niedrigere Krankenvergütung sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gewährt als den in der Produktion beschäftigten Männern. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

33

Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB a.F. stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG v. 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Teilzeit). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG v. 11.02.2007 - 3 AZR 249/06 - AP Nr. 1 zu § 2 AGG). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

34

b) Die im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Ansprüche der Klägerin sind - mit Ausnahme des Anspruchs auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges - nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.

35

aa) Nach § 15 Abs. 4 AGG muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Erfüllungsanspruch unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG (BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - AP Nr. 72 zu § 16 BetrAVG Nr. 72, Rz. 23; BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - NzA 2010, 159, Rz. 37; MüKoBGB/Thüsing, 6. Aufl., AGG § 15, Rz. 32; BeckOK ArbR/Roloff, AGG § 15, Rz. 12).

36

bb) Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der aufgrund der zu geringen Lohnzahlung der Beklagten eingetretenen Verringerung des von der Krankenkasse geleisteten Krankengeldes. Dieser Anspruch unterfällt zweifellos der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG. Die Klägerin hat diese Frist nicht gewahrt.

37

Hinsichtlich des Fristbeginns, d.h. der Frage, wann Kenntniserlangung von der Benachteiligung vorliegt, kann auf die Maßstäbe des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Maßgabe zurückgegriffen werden, dass wegen des Wortlauts von § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht genügt. Kenntnis von der Benachteiligung hat der Arbeitnehmer daher dann, wenn er Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat. Für Schadensersatzansprüche ist anerkannt, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist darauf ankommt, ob der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - erheben kann, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen soviel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist. Diese Grundsätze können im Wesentlichen auf den Fristbeginn des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG bzgl. eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG übertragen werden (BAG vom 15.03.2012 - 8 AZR 160/11 -, juris). Hiervon ausgehend begann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG vorliegend im Zeitpunkt der im September 2012 bei der Beklagten stattgefundenen Betriebsversammlung. Bei dieser hat die Klägerin - unter Zugrundelegung ihres eigenen Sachvortrages - Kenntnis davon erlangt, dass sie jedenfalls seit dem 01.01.2009 hinsichtlich der Arbeitsvergütung wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden war. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, dass diese Diskriminierung nicht auch schon bereits vor dem Jahr 2009 stattgefunden hat, sind nicht ansatzweise ersichtlich. Der Klägerin war es daher ab dem Tag der Betriebsversammlung zumutbar, ihren Schadensersatzanspruch zumindest - was ausreichend gewesen wäre - in unbezifferter Form schriftlich gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

38

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 enthält keine Geltendmachung der vorliegend auf das Krankengeld bezogenen streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche. Das betreffende Schreiben bezieht sich seinem Inhalt nach vielmehr ausschließlich auf die diskriminierungsbedingten Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche der Klägerin für die Zeit ab dem 01.01.2009. Zwar wurde die Beklagte zugleich aufgefordert, darüber Auskunft zu erteilen, ob die Klägerin auch bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Dies stellt jedoch keine Geltendmachung im Sinne von §§ 15 Abs. 4 AGG des vorliegend streitbefangenen Schadensersatzanspruchs dar. Eine solche Geltendmachung erfordert zwar keine Bezifferung des Anspruchs. Notwendig ist jedoch dessen hinreichende Individualisierung (BeckOK Arbeitsrecht/Roloff, AGG § 15 Rz. 14 m.w.N.). Diesem Erfordernis wird das Geltendmachungsschreiben vom 23.11.2012 hinsichtlich des von der Klägerin nunmehr geforderten Schadensersatzes nicht gerecht. Dem Schreiben lässt sich nicht ansatzweise der Wille der Klägerin entnehmen, neben den Erfüllungsansprüchen weitere Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

39

Eine erstmalige schriftliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erfolgte mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.07.2013, in welchem dieser erklärte, die diskriminierungsbedingten Ansprüche für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses auch als "Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG bereits abgelaufen.

40

c) Die streitgegenständlichen Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche sind (lediglich) insoweit verjährt, als die Klägerin die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für diejenigen Monate begehrt, für welche die Beklagte diese Prämie wegen Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat. Ansonsten ist keine Verjährung eingetreten.

41

aa) Die streitgegenständlichen Erfüllungsansprüche unterfallen der zehnjährigen Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB. Da die Beklagte am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich derjenigen diskriminierungsbedingten Nachzahlungsansprüche der Klägerin verzichtet hat, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, reicht die Verjährungshöchstfrist vorliegend zurück bis auf den 18.12.2002 mit der Folge, dass sie auch noch die Ansprüche der Klägerin für Dezember 2002 umfasst, da diese erst mit Ablauf des betreffenden Monats fällig geworden und damit im Sinne von § 199 Abs. 4 BGB entstanden sind. Zwar unterliegen die Zahlungsansprüche der Klägerin der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, diese hat jedoch nicht vor dem 01.01.2009 zu laufen begonnen. Denn die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht dargetan, dass die Klägerin vor dem 01.01.2009 gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den ihren Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

42

(1) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BAG v. 20.11.2013 - 5 AZR 767/12 -, juris). Bloße Vermutungen, Gerüchte oder ein Verdacht hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände reichen jedoch nicht aus (BGH v. 15.10.1992 - IX ZR 43/92 - NJW 1993, 684).

43

Kenntnis von den einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung begründenden Umständen hat eine Arbeitnehmerin - auch unter Berücksichtigung der Beweislastregel des § 22 AGG - dann, wenn sie weiß, dass ihr Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten Frauen generell schlechter vergütet als die Männer. Nicht ausreichend ist insoweit jedoch die Kenntnis davon, dass etwa nur einige, d. h. eine begrenzte Anzahl der beschäftigten Männer eine höhere Arbeitsvergütung erhalten als eine oder mehrere mit vergleichbaren Arbeitstätigkeiten betrauten Frauen, da sich hieraus noch nicht der Rückschluss ziehen lässt, dass die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen auf einem generalisierenden Prinzip beruht.

44

Hiervon ausgehend erweist sich das Vorbringen der Beklagten bezüglich einer den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB bereits vor dem 01.01.2009 auslösenden Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen als unzureichend. Dem gesamten Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten Gespräche, Erklärungen, Ereignisse oder sonstigen Umständen gerade (auch) die Klägerin Kenntnis davon erlangt haben könnte, dass die im Betrieb beschäftigten Frauen generell eine geringere Arbeitsvergütung erhielten als Männer.

45

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bereits im Rahmen ihres Einstellungsgesprächs auf die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen hingewiesen wurde. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die Produktionsmitarbeiterinnen hiervon "in aller Regel" bereits bei der Einstellung in Kenntnis gesetzt zu haben. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass dies gerade auch bei der Einstellung der Klägerin der Fall war. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Lohnstrukturen im Unternehmen seien stets bekannt und Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Konflikte gewesen, so lässt sich hieraus nichts für den konkreten Kenntnisstand der Klägerin ableiten. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, die Lohnstrukturen seien stets "offen kommuniziert" worden. Dieses Vorbringen steht im Übrigen in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte (unstreitig) auch Arbeitsverträge verwendet, die hinsichtlich der Arbeitsvergütung eine Verschwiegenheitsklausel enthalten. Auch wenn es - wie von der Beklagten behauptet - Beschwerden einzelner Frauen, u. U. sogar der Klägerin selbst, darüber gab, weniger zu verdienen als ein oder mehrere vergleichbare Männer, so ergibt sich hieraus noch nicht, dass die Frauen Kenntnis davon hatten, dass diese Ungleichbehandlung auf einem generalisierenden Prinzip beruhte. Diese gilt erst Recht für die Behauptung der Beklagten, die Ungleichbehandlung sei Gegenstand einer Vielzahl von Gesprächen zwischen Mitarbeitern im Betrieb gewesen. Der Umstand, dass am Standort der Beklagten im Jahr 2006 anlässlich der Einführung des AGG eine Schulung gemäß § 12 Abs. 2 AGG stattgefunden hat, ist für die Beurteilung des Kenntnisstandes der Klägerin ohne Belang. Zum einen ist die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten, wonach diese an der betreffenden Schulung selbst überhaupt nicht teilgenommen hat. Zum anderen kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Betrieb der Beklagten Gegenstand dieser Schulung war. Völlig unerheblich ist auch der Hinweis der Beklagten auf einen Zeitungsartikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit" aus dem Jahr 1996, dessen Inhalt Rückschlüsse auf eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen innerhalb der der Beklagten zugehörigen Unternehmensgruppe zulässt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von diesem Zeitungsartikel vor dem 01.01.2009 Kenntnis erlangt hat. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Erklärungen anderer Mitarbeiterinnen berufen, wonach die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen "allen" Beschäftigten "stets" bekannt gewesen sei. Aus den betreffenden Erklärungen ergibt sich nämlich weder, auf welche konkreten Tatsachen bzw. Informationen die Mitarbeiterinnen, die eine solche Erklärung abgegeben haben, ihre Erkenntnis stützen, noch, wann und auf welche Weise der Klägerin das Wissen von der generellen Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen vermittelt worden sein soll. Eine diesbezügliche Wissensvermittlung lässt sich auch ansonsten dem gesamten Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen.

46

Dem Antrag der Beklagten, die Klägerin als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, sie - die Klägerin - habe aus zahlreichen Gesprächen mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen seit ihrer Einstellung Kenntnis davon, dass weibliche Produktionsmitarbeiter im Betrieb grundsätzlich niedrigere Löhne erhielten als männliche Produktionsmitarbeiter, war nicht zu entsprechen. Denn bei diesem, auf die Feststellung einer inneren Tatsachen bezogenen Beweisantrag handelt es sich in Ermangelung jeglicher Angaben, aufgrund welcher konkreten Gespräche die Klägerin die behauptete Kenntnis erhalten haben soll, sowie in Ermangelung ausreichender Indizien, die für eine solche Kenntniserlangung sprechen könnten, um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Erst aufgrund der Erhebung des angebotenen Beweises, d. h. der Parteivernehmung der Klägerin könnte die Beklagte möglicherweise in die Lage versetzt werden, den ihr obliegenden substantiierten Tatsachenvortrag zu liefern.

47

(2) Die Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen beruhte auch nicht auf grober Fahrlässigkeit i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Eine solche liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH v. 23.09.2008 - XI ZR 395/07 - NJW 2009, 587, m.w.N.). Danach kann vorliegend eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin vor dem 01.01.2009 davon, dass die Beklagte Frauen generell geringer vergütete als Männer, nicht bejaht werden. Diesbezüglich ist nämlich zu berücksichtigen, dass es der Klägerin selbst dann, wenn sie von der vergütungsmäßigen Besserstellung einzelner oder einiger Männer gegenüber den Frauen im Betrieb Kenntnis hatte, nicht zumutbar war, eigene Nachforschungen über die Lohnstrukturen im Betrieb anzustellen, um zu ermitteln, ob eine generalisierende Schlechterstellung von Frauen gegeben war. Ein Betriebsrat, an den sich die Klägerin hätte wenden können, existierte bei der Beklagten unstreitig bis 2013 nicht. Erkundigungen der Klägerin bei all ihren Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen über die Höhe der Arbeitsvergütung wären naturgemäß zumindest teilweise auf Unverständnis gestoßen und im Falle einer gewissen Beharrlichkeit der Klägerin auch geeignet gewesen, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen.

48

bb) Verjährt sind die Nachzahlungsansprüche der Klägerin jedoch insoweit, als sie die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für solche Monate bis einschließlich 2008 begehrt, für welche die Beklagte ihr wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten diese Anwesenheitsprämie überhaupt nicht ausgezahlt hat.

49

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann insoweit gemäß § 199 Abs. 1 BGB jeweils mit Schluss des Kalenderjahres, innerhalb dessen die Beklagte die Anwesenheitsprämie der Klägerin für einzelne Monate wegen Fehlzeiten gestrichen hat. Die Klägerin hatte auch, geht man mit ihr von einer Unzulässigkeit der Verfahrensweise der Beklagten aus, Kenntnis von den Umständen, die einen hieraus resultierenden Nachzahlungsanspruch begründen könnten. Eine Unkenntnis der Klägerin über die Rechtslage ist insoweit unerheblich. Auf den von der Beklagten am 18.12.2012 erklärten Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann sich die Klägerin nicht berufen, da Ansprüche aus ungerechtfertigter Kürzung der Anwesenheitsprämie nicht Gegenstand dieses Verzichts waren. Dieser bezog sich erkennbar ausschließlich auf Nachzahlungsansprüche der Klägerin wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung.

50

Etwaige Ansprüche der Klägerin wegen ungerechtfertigter Nichtgewährung der Anwesenheitsprämie für einzelne Monate bis einschließlich 2008 waren daher bereits bei Klageeinreichung am 09.10.2013 verjährt.

51

d) Hinsichtlich der Höhe der nach Maßgabe vorstehender Ausführungen dem Grunde nach begründeten Ansprüche der Klägerin gilt Folgendes:

52

aa) Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 in Höhe von insgesamt 11.667,89 EUR brutto.

53

Bezüglich der Zusammensetzung dieses Betrages im Einzelnen wird auf die zutreffende tabellarische Berechnung der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 54 f. = Bl. 663 f. d. A.) Bezug genommen. Soweit die Klägerin bei ihrer Berechnung dort für das Jahr 2005 fälschlicherweise einen Entgeltfortzahlungsbetrag in Ansatz gebracht hat, so hat sie ihre Berufung insoweit, d. h. in Höhe eines Teilbetrages von 74,29 EUR zurückgenommen.

54

Die Klägerin hat bei ihrer Berechnung - unter Zugrundelegung und Vorlage der maßgeblichen Lohnabrechnungen - die von der Beklagten geleisteten Gesamtsummen (zusammengesetzt aus Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung) durch den jeweils gezahlten Stundenlohn dividiert, die sich hieraus ergebende Anzahl vergüteter Stunden mit der infolge Diskriminierung geschuldeten Stundenlohn-Differenz multipliziert und auf diese Weise den nachzuzahlenden Betrag errechnet. Gegen diese Berechnungsweise bestehen keine Bedenken, zumal die Beklagte - ausweislich der Lohnabrechnungen - nicht nur bei der Arbeitsvergütung und der Entgeltfortzahlung, sondern auch beim Urlaubsentgelt durchweg eine bestimmte Stundenzahl in Ansatz gebracht hat.

55

Soweit die Beklagte die Richtigkeit der Berechnung der Klägerin pauschal bestreitet, so erweist sich dieses Bestreiten in Ansehung der Vorschriften des § 138 ZPO als unzureichend. Sowohl das sich aus den Abrechnungen ergebende Zahlenmaterial als auch die Höhe des jeweiligen Differenzbetrages zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen hinsichtlich ihrer Tätigkeit vergleichbaren Männer sind unstreitig. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass in der Berufungsbegründungsschrift - erkennbar versehentlich - an der ein oder anderen Stelle ein falscher Betrag genannt ist. Entscheidend ist insoweit ausschließlich, dass die am Ende der Berufungsbegründungsschrift in tabellarischer Form vorgenommene Berechnung von den zutreffenden, unstreitigen Werten ausgeht.

56

bb) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2003 bis 2008 beläuft sich auf 778,08 EUR brutto, derjenige auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld für diese Jahre auf 437,57 EUR brutto. Insoweit wird auf die zutreffenden Berechnungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 56 ff. = Bl. 665 ff. d. A.) Bezug genommen, die auf den unstreitigen Berechnungsformeln für diese Zusatzleistungen und der unstreitigen Differenz zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen vergleichbarer Männer basieren.

57

cc) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien besteht nicht in der geltend gemachten Höhe von 525,47 EUR, sondern beläuft sich auf lediglich 491,40 EUR.

58

Da - wie bereits ausgeführt - infolge Verjährung kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Anwesenheitsprämien für diejenigen Monate mehr besteht, für die die Beklagte die Prämie wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat, kann für die Berechnung des Nachzahlungsanspruchs nur auf die jeweils tatsächlich gezahlten Beträge abgestellt werden. Diese ergeben sich nicht aus den tabellarischen Berechnungen der Klägerin, können jedoch den mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegten Lohnabrechnungen entnommen werden.

59

Ausweislich der maßgeblichen Verdienstabrechnungen hat die Klägerin im Dezember 2002 75,21 EUR (Abrechnung 12/2002, Bl. 791 d. A.) im Jahr 2003 891,47 EUR (Abrechnung 12/2003, Bl. 790 d. A.), im Jahr 2004 779,96 EUR (Abrechnung 12/2004, Bl. 789 d. A.), im Jahr 2005 378,73 EUR (Abrechnung 12/2005, Bl. 788 d. A.), im Jahr 2006 834,84 EUR (Abrechnung 12/2006, Bl. 787 d. A.), im Jahr 2007 612,81 EUR (Abrechnung 12/2007, Bl. 786 d. A.) und im Jahr 2008 380,34 EUR (Abrechnung 12/2008, Bl. 784 d. A.) an Anwesenheitsprämien erhalten. Bis zum 31.12.2003 betrug die Differenz zwischen dem Lohn der Klägerin und dem vergleichbarer Männer 1,11 EUR (9,56 EUR minus 8,45 EUR), demnach 13,14 Prozent; ab dem 01.01.2004 1,05 EUR (9,66 EUR minus 8,61 EUR), somit 12,20 Prozent. Bringt man diese Prozentzahlen bei den jeweiligen Anwesenheitsprämien in Ansatz, so ergibt sich hieraus ein Nachzahlungsanspruch von insgesamt 491,40 EUR brutto.

60

dd) Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.07.2013 ab dem 10.08.2013 mit der Leistung in Verzug befindet.

61

III. Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

34
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 28, vom 13. Januar 2015 - XI ZR 182/13, juris Rn. 28 und vom 2. Juli 2015 - III ZR 149/14, WM 2015, 1413 Rn. 11, jeweils mwN). Hierbei trifft den Gläubiger aber generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 28, vom 22. September 2011 - III ZR 186/10, NJW-RR 2012, 111 Rn. 8 und vom 13. Januar 2015 - XI ZR 182/13, juris Rn. 28, jeweils mwN).

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6.8.2014 - 2 Ca 3713/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.374,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.8.2013 zu zahlen.
2) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat 67 % und die Beklagte 33 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 10 % der Klägerin und zu 90 % der Beklagten auferlegt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aufgrund geschlechtsspezifischer Benachteiligung.

2

Die Klägerin war seit dem 01.12.1994 als Produktionsmitarbeiterin im Schuhfabrikationsbetrieb der Beklagten beschäftigt.

3

Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 einen Stundenlohn von 8,45 €, danach einen Stundenlohn von 8,61 €. Demgegenüber belief sich der Stundenlohn der Männer, die mit der gleichen Arbeit wie die Klägerin betraut waren, vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2003 auf 9,56 € und danach auf 9.66 €.

4

Ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund bestand unstreitig nicht. Auch die ihren Mitarbeitern gewährte Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohnes) sowie das Weihnachtsgeld (Berechnungsformel: 172 Stunden x Stundengrundlohn x 40 %) und das Urlaubsgeld (Berechnungsformel: 28 Tage x Stundengrundlohn x 8 Stunden x 46,5 %) berechnete die Beklagte für die bei ihr beschäftigten Frauen bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage deren niedrigeren Stundenlohnes.

5

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung - jedenfalls betreffend die Zeit ab dem 01.01.2009 - ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt von dieser Ungleichbehandlung Kenntnis hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

6

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit ab dem 01.01.2009 sowie einen diesbezüglichen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und die Beklagte darüber hinaus aufgefordert, "umfassend" Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich ihrer Arbeitsvergütung und sonstiger Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Im Rahmen eines zwischen den Parteien außergerichtlich geführten Schriftwechsels haben diese am 18.12.2012 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt die Beklagte auf die Einrede der Verjährung diesbezüglicher Ansprüche verzichtete, die nicht bereits bei Abschluss der betreffenden Vereinbarung verjährt waren. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über die Höhe der Arbeitsvergütung der Männer, die mit der gleichen Tätigkeit wie die Klägerin beschäftigt sind, hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2002 mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilt,

7

Mit einer am 28.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage (ArbG Koblenz, Az. 2 Ca 359/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz Az., 4 Sa 13/14) hat die Klägerin die Beklagte u.a. auf Nachzahlung für die Zeit ab dem 01.01.2009, auf Zahlung einer Entschädigung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Klage war hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche überwiegend erfolgreich, die Klage auf Auskunftserteilung blieb hingegen erfolglos.

8

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.07.2013 forderte die Klägerin von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung die Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Anwesenheitsprämien sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 31.12.2008 und erklärte zugleich, dass sie die betreffenden Beträge für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als "Entgeltfortzahlungsansprüche, Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend mache.

9

Mit ihrer am 09.10.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Anwesenheitsprämien, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses einschließlich 31.12.2008 sowie darüber hinaus mit klageerweiternden Schriftsatz vom 30.05.2014 auch auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderter Krankengeldzahlungen ihrer Krankenkasse in Anspruch genommen.

10

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Ansprüche der Klägerin seien nach § 15 Abs. 4 AGG ausgeschlossen. Jedenfalls jedoch seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Arbeitsvergütung sei bereits vor dem 01.01.2009 im Betrieb allgemein und auch der Klägerin bekannt gewesen.

11

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.08.2014 (Bl. 491 - 501 d.A.).

12

Die Klägerin hat erstinstanzlich (zuletzt, nach teilweiser Klagerücknahme) beantragt,

13

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.946,85 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.08.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus den Zeiten vor 2009 seien verjährt, da spätestens zum 31.12.2008 zumindest von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von den ihre Ansprüche begründenden Umständen auszugehen sei. Wegen aller Einzelheiten der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 501 - 513 d.A. verwiesen.

17

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.10.2014 zugestellte Urteil am Montag, dem 17.11.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 16.12.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 16.01.2015 begründet.

18

Die Klägerin, die im Berufungsverfahren ihre Klage auf den Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 beschränkt hat, macht im Wesentlichen geltend, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG komme nicht zum Tragen, da es vorliegend nicht um Schadensersatz -, sondern um Erfüllungsansprüche gehe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die geltend gemachten Ansprüche auch nicht verjährt. Dies gelte jedenfalls für die nunmehr noch weiterverfolgten Ansprüche aus der Zeit ab dem 01.12.2002, da die Beklagte (unstreitig) am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich solcher Ansprüche verzichtet habe, die nicht bereits bei Erklärung dieses Verzichts verjährt gewesen seien. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass die Beklagte nicht ansatzweise substantiiert dargetan habe, dass ihr - der Klägerin - bereits vor der Betriebsversammlung im September 2012 bekannt gewesen sei, dass sie die bei ihr beschäftigten Frauen generell schlechter vergüte als Männer. Erstmals in der Betriebsversammlung im September 2012 habe sie erfahren, dass dies - jedenfalls ab dem Jahr 2009 - der Fall gewesen sei. Sämtlicher Sachvortrag der Beklagten bezüglich einer früheren Kenntniserlangung sei unsubstantiiert bzw. unerheblich. Es treffe auch keineswegs zu, dass sie - die Klägerin - infolge grober Fahrlässigkeit von den anspruchsbegründenden Umständen keine Kenntnis genommen habe. Wegen ihrer geschlechtsbezogenen Diskriminierung habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto. Dieser Betrag errechne sich unter Zugrundelegung der in der von der Beklagten für den Monat Dezember 2002 für den betreffenden Monat und in den Dezemberabrechnungen der Jahre 2003 bis 2008 jeweils für das vorangegangene Kalenderjahr ausgewiesenen, auf Stundenbasis bemessenen Gesamt-Vergütung (zusammengesetzt aus Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und der diesen Beträgen jeweils zugrundeliegenden Anzahl vergüteter Stunden. Des Weiteren habe sie gegen die Beklagte für die Jahre 2003 bis 2008 infolge der Diskriminierung und auf Grundlage der unstreitigen Berechnungsformeln Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto und Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto. Auch bezüglich der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter allmonatlich ausgezahlten Anwesenheitsprämie von 5 % der Summe aus Bruttogrundlohn und (eventuellem) Urlaubsentgelt stehe ihr ein Nachzahlungsanspruch zu. Diesbezüglich sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte diese Anwesenheitszulage in der Vergangenheit vollständig gestrichen habe, wenn der betreffende Arbeitnehmer auch nur einen Tag im Monat krankheitsbedingt gefehlt habe. Diese Verfahrensweise verstoße gegen § 3 EFZG, da es sich bei der Anwesenheitszulage um eine laufende Lohnleistung handele. Der auf der Diskriminierung beruhende Nachzahlungsanspruch sei daher ohne die krankheitsbedingte Kürzung zu berechnen und belaufe sich auf insgesamt 525,47 €. Letztlich habe sie gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung von 1.479,45 Euro, der daraus resultiere, dass sie in den Jahren 2005 und 2008 von ihrer Krankenkasse ein lediglich auf Grundlage der von der Beklagten gezahlten, zu geringen Arbeitsvergütung errechnetes Krankengeld bezogen habe.

19

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 16.01.2015 (Bl. 610 - 673 d.A.), insbesondere auf die dort enthaltene Berechnung der geltend gemachten Ansprüche (Bl. 663 - 673 d.A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz der Klägerin vom 08.01.2016 (Bl. 1042 - 1061 d.A.) Bezug genommen.

20

Die Klägerin beantragt (nach teilweiser Berufungsrücknahme),

21

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.888,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 04.05.2015 (Bl. 888 - 907 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

25

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg.

26

II.1. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

27

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klage die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Jeder Anspruch muss identifizierbar sein. Der angegebene Grund muss erkennen lassen, aus welchem Lebenssachverhalt der geltend gemachte Anspruch herrührt. Der zugrundeliegende Sachverhalt darf nicht beliebig sein (BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 160/01 - AP Nr. 40 zu § 253 ZPO).

28

Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in einem Gesamtbetrag zusammengefasst hat, ohne diese Ansprüche jeweils einzelnen Zeitabschnitten (Zeiten der Arbeitsleistung, Urlaubszeiten, Krankheitszeiten) zuzuordnen. Die Klage richtet sich insoweit erkennbar auf Nachzahlung eines bestimmten Differenzbetrages wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung für jede von der Beklagten in der Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 auf Basis eines bestimmten Stundenlohnes und einer bestimmten Anzahl von Stunden gezahlte Vergütung, sei es Arbeitslohn, Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit sind sowohl Gegenstand als auch Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt.

29

2. Die Klage ist, soweit sie die Klägerin mit ihrer Berufung weiterverfolgt, überwiegend begründet.

30

Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto, auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto, auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto und auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien in Höhe von 491,40 € brutto. Soweit die Klägerin bezüglich der Anwesenheitsprämien die Nachzahlung eines höheren Betrages begehrt, erweist sich die Klage als unbegründet. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges besteht nicht.

31

a) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin beruhen auf geschlechtsbezogener Diskriminierung.

32

Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Dementsprechend hat die Beklagte (ebenfalls unstreitig) auf Basis des geringeren Stundenlohnes der Klägerin auch niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld, niedrigere Krankenvergütung sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gewährt als den in der Produktion beschäftigten Männern. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

33

Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB a.F. stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG v. 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Teilzeit). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG v. 11.02.2007 - 3 AZR 249/06 - AP Nr. 1 zu § 2 AGG). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

34

b) Die im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Ansprüche der Klägerin sind - mit Ausnahme des Anspruchs auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges - nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.

35

aa) Nach § 15 Abs. 4 AGG muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Erfüllungsanspruch unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG (BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - AP Nr. 72 zu § 16 BetrAVG Nr. 72, Rz. 23; BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - NzA 2010, 159, Rz. 37; MüKoBGB/Thüsing, 6. Aufl., AGG § 15, Rz. 32; BeckOK ArbR/Roloff, AGG § 15, Rz. 12).

36

bb) Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der aufgrund der zu geringen Lohnzahlung der Beklagten eingetretenen Verringerung des von der Krankenkasse geleisteten Krankengeldes. Dieser Anspruch unterfällt zweifellos der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG. Die Klägerin hat diese Frist nicht gewahrt.

37

Hinsichtlich des Fristbeginns, d.h. der Frage, wann Kenntniserlangung von der Benachteiligung vorliegt, kann auf die Maßstäbe des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Maßgabe zurückgegriffen werden, dass wegen des Wortlauts von § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht genügt. Kenntnis von der Benachteiligung hat der Arbeitnehmer daher dann, wenn er Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat. Für Schadensersatzansprüche ist anerkannt, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist darauf ankommt, ob der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - erheben kann, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen soviel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist. Diese Grundsätze können im Wesentlichen auf den Fristbeginn des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG bzgl. eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG übertragen werden (BAG vom 15.03.2012 - 8 AZR 160/11 -, juris). Hiervon ausgehend begann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG vorliegend im Zeitpunkt der im September 2012 bei der Beklagten stattgefundenen Betriebsversammlung. Bei dieser hat die Klägerin - unter Zugrundelegung ihres eigenen Sachvortrages - Kenntnis davon erlangt, dass sie jedenfalls seit dem 01.01.2009 hinsichtlich der Arbeitsvergütung wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden war. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, dass diese Diskriminierung nicht auch schon bereits vor dem Jahr 2009 stattgefunden hat, sind nicht ansatzweise ersichtlich. Der Klägerin war es daher ab dem Tag der Betriebsversammlung zumutbar, ihren Schadensersatzanspruch zumindest - was ausreichend gewesen wäre - in unbezifferter Form schriftlich gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

38

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 enthält keine Geltendmachung der vorliegend auf das Krankengeld bezogenen streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche. Das betreffende Schreiben bezieht sich seinem Inhalt nach vielmehr ausschließlich auf die diskriminierungsbedingten Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche der Klägerin für die Zeit ab dem 01.01.2009. Zwar wurde die Beklagte zugleich aufgefordert, darüber Auskunft zu erteilen, ob die Klägerin auch bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Dies stellt jedoch keine Geltendmachung im Sinne von §§ 15 Abs. 4 AGG des vorliegend streitbefangenen Schadensersatzanspruchs dar. Eine solche Geltendmachung erfordert zwar keine Bezifferung des Anspruchs. Notwendig ist jedoch dessen hinreichende Individualisierung (BeckOK Arbeitsrecht/Roloff, AGG § 15 Rz. 14 m.w.N.). Diesem Erfordernis wird das Geltendmachungsschreiben vom 23.11.2012 hinsichtlich des von der Klägerin nunmehr geforderten Schadensersatzes nicht gerecht. Dem Schreiben lässt sich nicht ansatzweise der Wille der Klägerin entnehmen, neben den Erfüllungsansprüchen weitere Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

39

Eine erstmalige schriftliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erfolgte mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.07.2013, in welchem dieser erklärte, die diskriminierungsbedingten Ansprüche für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses auch als "Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG bereits abgelaufen.

40

c) Die streitgegenständlichen Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche sind (lediglich) insoweit verjährt, als die Klägerin die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für diejenigen Monate begehrt, für welche die Beklagte diese Prämie wegen Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat. Ansonsten ist keine Verjährung eingetreten.

41

aa) Die streitgegenständlichen Erfüllungsansprüche unterfallen der zehnjährigen Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB. Da die Beklagte am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich derjenigen diskriminierungsbedingten Nachzahlungsansprüche der Klägerin verzichtet hat, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, reicht die Verjährungshöchstfrist vorliegend zurück bis auf den 18.12.2002 mit der Folge, dass sie auch noch die Ansprüche der Klägerin für Dezember 2002 umfasst, da diese erst mit Ablauf des betreffenden Monats fällig geworden und damit im Sinne von § 199 Abs. 4 BGB entstanden sind. Zwar unterliegen die Zahlungsansprüche der Klägerin der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, diese hat jedoch nicht vor dem 01.01.2009 zu laufen begonnen. Denn die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht dargetan, dass die Klägerin vor dem 01.01.2009 gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den ihren Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

42

(1) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BAG v. 20.11.2013 - 5 AZR 767/12 -, juris). Bloße Vermutungen, Gerüchte oder ein Verdacht hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände reichen jedoch nicht aus (BGH v. 15.10.1992 - IX ZR 43/92 - NJW 1993, 684).

43

Kenntnis von den einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung begründenden Umständen hat eine Arbeitnehmerin - auch unter Berücksichtigung der Beweislastregel des § 22 AGG - dann, wenn sie weiß, dass ihr Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten Frauen generell schlechter vergütet als die Männer. Nicht ausreichend ist insoweit jedoch die Kenntnis davon, dass etwa nur einige, d. h. eine begrenzte Anzahl der beschäftigten Männer eine höhere Arbeitsvergütung erhalten als eine oder mehrere mit vergleichbaren Arbeitstätigkeiten betrauten Frauen, da sich hieraus noch nicht der Rückschluss ziehen lässt, dass die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen auf einem generalisierenden Prinzip beruht.

44

Hiervon ausgehend erweist sich das Vorbringen der Beklagten bezüglich einer den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB bereits vor dem 01.01.2009 auslösenden Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen als unzureichend. Dem gesamten Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten Gespräche, Erklärungen, Ereignisse oder sonstigen Umständen gerade (auch) die Klägerin Kenntnis davon erlangt haben könnte, dass die im Betrieb beschäftigten Frauen generell eine geringere Arbeitsvergütung erhielten als Männer.

45

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bereits im Rahmen ihres Einstellungsgesprächs auf die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen hingewiesen wurde. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die Produktionsmitarbeiterinnen hiervon "in aller Regel" bereits bei der Einstellung in Kenntnis gesetzt zu haben. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass dies gerade auch bei der Einstellung der Klägerin der Fall war. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Lohnstrukturen im Unternehmen seien stets bekannt und Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Konflikte gewesen, so lässt sich hieraus nichts für den konkreten Kenntnisstand der Klägerin ableiten. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, die Lohnstrukturen seien stets "offen kommuniziert" worden. Dieses Vorbringen steht im Übrigen in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte (unstreitig) auch Arbeitsverträge verwendet, die hinsichtlich der Arbeitsvergütung eine Verschwiegenheitsklausel enthalten. Auch wenn es - wie von der Beklagten behauptet - Beschwerden einzelner Frauen, u. U. sogar der Klägerin selbst, darüber gab, weniger zu verdienen als ein oder mehrere vergleichbare Männer, so ergibt sich hieraus noch nicht, dass die Frauen Kenntnis davon hatten, dass diese Ungleichbehandlung auf einem generalisierenden Prinzip beruhte. Diese gilt erst Recht für die Behauptung der Beklagten, die Ungleichbehandlung sei Gegenstand einer Vielzahl von Gesprächen zwischen Mitarbeitern im Betrieb gewesen. Der Umstand, dass am Standort der Beklagten im Jahr 2006 anlässlich der Einführung des AGG eine Schulung gemäß § 12 Abs. 2 AGG stattgefunden hat, ist für die Beurteilung des Kenntnisstandes der Klägerin ohne Belang. Zum einen ist die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten, wonach diese an der betreffenden Schulung selbst überhaupt nicht teilgenommen hat. Zum anderen kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Betrieb der Beklagten Gegenstand dieser Schulung war. Völlig unerheblich ist auch der Hinweis der Beklagten auf einen Zeitungsartikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit" aus dem Jahr 1996, dessen Inhalt Rückschlüsse auf eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen innerhalb der der Beklagten zugehörigen Unternehmensgruppe zulässt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von diesem Zeitungsartikel vor dem 01.01.2009 Kenntnis erlangt hat. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Erklärungen anderer Mitarbeiterinnen berufen, wonach die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen "allen" Beschäftigten "stets" bekannt gewesen sei. Aus den betreffenden Erklärungen ergibt sich nämlich weder, auf welche konkreten Tatsachen bzw. Informationen die Mitarbeiterinnen, die eine solche Erklärung abgegeben haben, ihre Erkenntnis stützen, noch, wann und auf welche Weise der Klägerin das Wissen von der generellen Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen vermittelt worden sein soll. Eine diesbezügliche Wissensvermittlung lässt sich auch ansonsten dem gesamten Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen.

46

Dem Antrag der Beklagten, die Klägerin als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, sie - die Klägerin - habe aus zahlreichen Gesprächen mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen seit ihrer Einstellung Kenntnis davon, dass weibliche Produktionsmitarbeiter im Betrieb grundsätzlich niedrigere Löhne erhielten als männliche Produktionsmitarbeiter, war nicht zu entsprechen. Denn bei diesem, auf die Feststellung einer inneren Tatsachen bezogenen Beweisantrag handelt es sich in Ermangelung jeglicher Angaben, aufgrund welcher konkreten Gespräche die Klägerin die behauptete Kenntnis erhalten haben soll, sowie in Ermangelung ausreichender Indizien, die für eine solche Kenntniserlangung sprechen könnten, um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Erst aufgrund der Erhebung des angebotenen Beweises, d. h. der Parteivernehmung der Klägerin könnte die Beklagte möglicherweise in die Lage versetzt werden, den ihr obliegenden substantiierten Tatsachenvortrag zu liefern.

47

(2) Die Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen beruhte auch nicht auf grober Fahrlässigkeit i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Eine solche liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH v. 23.09.2008 - XI ZR 395/07 - NJW 2009, 587, m.w.N.). Danach kann vorliegend eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin vor dem 01.01.2009 davon, dass die Beklagte Frauen generell geringer vergütete als Männer, nicht bejaht werden. Diesbezüglich ist nämlich zu berücksichtigen, dass es der Klägerin selbst dann, wenn sie von der vergütungsmäßigen Besserstellung einzelner oder einiger Männer gegenüber den Frauen im Betrieb Kenntnis hatte, nicht zumutbar war, eigene Nachforschungen über die Lohnstrukturen im Betrieb anzustellen, um zu ermitteln, ob eine generalisierende Schlechterstellung von Frauen gegeben war. Ein Betriebsrat, an den sich die Klägerin hätte wenden können, existierte bei der Beklagten unstreitig bis 2013 nicht. Erkundigungen der Klägerin bei all ihren Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen über die Höhe der Arbeitsvergütung wären naturgemäß zumindest teilweise auf Unverständnis gestoßen und im Falle einer gewissen Beharrlichkeit der Klägerin auch geeignet gewesen, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen.

48

bb) Verjährt sind die Nachzahlungsansprüche der Klägerin jedoch insoweit, als sie die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für solche Monate bis einschließlich 2008 begehrt, für welche die Beklagte ihr wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten diese Anwesenheitsprämie überhaupt nicht ausgezahlt hat.

49

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann insoweit gemäß § 199 Abs. 1 BGB jeweils mit Schluss des Kalenderjahres, innerhalb dessen die Beklagte die Anwesenheitsprämie der Klägerin für einzelne Monate wegen Fehlzeiten gestrichen hat. Die Klägerin hatte auch, geht man mit ihr von einer Unzulässigkeit der Verfahrensweise der Beklagten aus, Kenntnis von den Umständen, die einen hieraus resultierenden Nachzahlungsanspruch begründen könnten. Eine Unkenntnis der Klägerin über die Rechtslage ist insoweit unerheblich. Auf den von der Beklagten am 18.12.2012 erklärten Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann sich die Klägerin nicht berufen, da Ansprüche aus ungerechtfertigter Kürzung der Anwesenheitsprämie nicht Gegenstand dieses Verzichts waren. Dieser bezog sich erkennbar ausschließlich auf Nachzahlungsansprüche der Klägerin wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung.

50

Etwaige Ansprüche der Klägerin wegen ungerechtfertigter Nichtgewährung der Anwesenheitsprämie für einzelne Monate bis einschließlich 2008 waren daher bereits bei Klageeinreichung am 09.10.2013 verjährt.

51

d) Hinsichtlich der Höhe der nach Maßgabe vorstehender Ausführungen dem Grunde nach begründeten Ansprüche der Klägerin gilt Folgendes:

52

aa) Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 in Höhe von insgesamt 11.667,89 EUR brutto.

53

Bezüglich der Zusammensetzung dieses Betrages im Einzelnen wird auf die zutreffende tabellarische Berechnung der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 54 f. = Bl. 663 f. d. A.) Bezug genommen. Soweit die Klägerin bei ihrer Berechnung dort für das Jahr 2005 fälschlicherweise einen Entgeltfortzahlungsbetrag in Ansatz gebracht hat, so hat sie ihre Berufung insoweit, d. h. in Höhe eines Teilbetrages von 74,29 EUR zurückgenommen.

54

Die Klägerin hat bei ihrer Berechnung - unter Zugrundelegung und Vorlage der maßgeblichen Lohnabrechnungen - die von der Beklagten geleisteten Gesamtsummen (zusammengesetzt aus Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung) durch den jeweils gezahlten Stundenlohn dividiert, die sich hieraus ergebende Anzahl vergüteter Stunden mit der infolge Diskriminierung geschuldeten Stundenlohn-Differenz multipliziert und auf diese Weise den nachzuzahlenden Betrag errechnet. Gegen diese Berechnungsweise bestehen keine Bedenken, zumal die Beklagte - ausweislich der Lohnabrechnungen - nicht nur bei der Arbeitsvergütung und der Entgeltfortzahlung, sondern auch beim Urlaubsentgelt durchweg eine bestimmte Stundenzahl in Ansatz gebracht hat.

55

Soweit die Beklagte die Richtigkeit der Berechnung der Klägerin pauschal bestreitet, so erweist sich dieses Bestreiten in Ansehung der Vorschriften des § 138 ZPO als unzureichend. Sowohl das sich aus den Abrechnungen ergebende Zahlenmaterial als auch die Höhe des jeweiligen Differenzbetrages zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen hinsichtlich ihrer Tätigkeit vergleichbaren Männer sind unstreitig. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass in der Berufungsbegründungsschrift - erkennbar versehentlich - an der ein oder anderen Stelle ein falscher Betrag genannt ist. Entscheidend ist insoweit ausschließlich, dass die am Ende der Berufungsbegründungsschrift in tabellarischer Form vorgenommene Berechnung von den zutreffenden, unstreitigen Werten ausgeht.

56

bb) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2003 bis 2008 beläuft sich auf 778,08 EUR brutto, derjenige auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld für diese Jahre auf 437,57 EUR brutto. Insoweit wird auf die zutreffenden Berechnungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 56 ff. = Bl. 665 ff. d. A.) Bezug genommen, die auf den unstreitigen Berechnungsformeln für diese Zusatzleistungen und der unstreitigen Differenz zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen vergleichbarer Männer basieren.

57

cc) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien besteht nicht in der geltend gemachten Höhe von 525,47 EUR, sondern beläuft sich auf lediglich 491,40 EUR.

58

Da - wie bereits ausgeführt - infolge Verjährung kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Anwesenheitsprämien für diejenigen Monate mehr besteht, für die die Beklagte die Prämie wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat, kann für die Berechnung des Nachzahlungsanspruchs nur auf die jeweils tatsächlich gezahlten Beträge abgestellt werden. Diese ergeben sich nicht aus den tabellarischen Berechnungen der Klägerin, können jedoch den mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegten Lohnabrechnungen entnommen werden.

59

Ausweislich der maßgeblichen Verdienstabrechnungen hat die Klägerin im Dezember 2002 75,21 EUR (Abrechnung 12/2002, Bl. 791 d. A.) im Jahr 2003 891,47 EUR (Abrechnung 12/2003, Bl. 790 d. A.), im Jahr 2004 779,96 EUR (Abrechnung 12/2004, Bl. 789 d. A.), im Jahr 2005 378,73 EUR (Abrechnung 12/2005, Bl. 788 d. A.), im Jahr 2006 834,84 EUR (Abrechnung 12/2006, Bl. 787 d. A.), im Jahr 2007 612,81 EUR (Abrechnung 12/2007, Bl. 786 d. A.) und im Jahr 2008 380,34 EUR (Abrechnung 12/2008, Bl. 784 d. A.) an Anwesenheitsprämien erhalten. Bis zum 31.12.2003 betrug die Differenz zwischen dem Lohn der Klägerin und dem vergleichbarer Männer 1,11 EUR (9,56 EUR minus 8,45 EUR), demnach 13,14 Prozent; ab dem 01.01.2004 1,05 EUR (9,66 EUR minus 8,61 EUR), somit 12,20 Prozent. Bringt man diese Prozentzahlen bei den jeweiligen Anwesenheitsprämien in Ansatz, so ergibt sich hieraus ein Nachzahlungsanspruch von insgesamt 491,40 EUR brutto.

60

dd) Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.07.2013 ab dem 10.08.2013 mit der Leistung in Verzug befindet.

61

III. Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. April 2009 - 17 Sa 904/08 E - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 (nachfolgend TV-Ärzte/TdL).

2

Der Kläger, Mitglied des Marburger Bundes seit Januar 2007, ist seit dem 1. August 1980 bei dem beklagten Land an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) beschäftigt und erwarb am 30. Dezember 1983 die Anerkennung als Facharzt für Nuklearmedizin. Die medizinischen Bereiche der MHH gliedern sich in einzelne Kliniken, welche organisatorisch zu Zentren zusammengefasst sind. Der Kläger ist in der Klinik für Nuklearmedizin beschäftigt, die dem „Zentrum Radiologie“ angehört. Chefarzt der Klinik ist seit 1997 Prof. Dr. K.

3

Der Kläger führt seit dem 21. August 1988 die Bezeichnung „Leitender Oberarzt“. Er ist neben dem Abhalten von Vorlesungen im Rahmen des akademischen Lehrbetriebs der MHH mit mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit ärztlich tätig. Seit der Kläger die Bezeichnung „Leitender Oberarzt“ führt, nimmt er Aufgaben der Klinikführung und -verwaltung in den Bereichen Personal, Strahlenschutz, Ökonomie, Gerätebeschaffung, Projektleitung und Raumverwaltung wahr. Er vertritt den Chefarzt auch in dessen Abwesenheit wie bei Urlaub oder Krankheit. In dringenden Fällen, die nicht ohnehin in die medizinische Verantwortung von Oberärzten fallen, kann der Kläger nach Absprache mit dem Chefarzt für diesen im Falle seiner Verhinderung vertretungsweise zeichnen. Der Chefarzt behält sich bestimmte Aufgabenbereiche und Entscheidungen selbst vor und delegiert einzelne Aufgaben nicht auf den Kläger, sondern auch auf andere ärztliche und nichtärztlich tätige Personen. Zu den Aufgaben, die der Chefarzt selbst erledigt, gehören im Personalbereich die Unterzeichnung der Einstellungsanträge und die Formulierung des Klinikkonzeptes. Außerdem unterzeichnet er die Strahlenschutzmessungen und beantragt als Strahlenschutzbevollmächtigter die Umgangsgenehmigungen und deren Veränderungen.

4

Die Tätigkeit des Klägers ist seit dem Jahr 1988 unverändert. In einem vom damaligen Chefarzt und dem Kläger unterzeichneten Schreiben vom 14. Februar 1996 an die Wirtschaftsverwaltung der MHH wurde diese gebeten, Abbuchungen vom Konto der Abteilung Nuklearmedizin nur zu akzeptieren, wenn diese „von mir oder meinem Stellvertreter, Prof. Dr. G gegengezeichnet sind“. Bis zum 31. März 1997 war der Kläger unter dem damaligen Chefarzt tätig. Bis zum Beschäftigungsbeginn des neuen Chefarztes leitet der Kläger die Klinik kommissarisch. Der frühere Chefarzt bescheinigte dem Kläger in einem Zeugnis vom 7. Oktober 1999 ua.:

        

„... rückte Herr Dr. G bereits 1988 zum Leitenden Oberarzt meiner Abteilung auf. Neben der Regelung der Personalangelegenheiten war er zuständig für Gerätebeschaffungen, den Strahlenschutz, den akademischen Verpflichtungen (…) und hat mich in allen Angelegenheiten komplett vertreten.“

5

Der Kläger wurde seit dem 2. September 1988 bis zum 30. Juni 2006 nach VergGr. Ia (Fallgr. 8) Teil I der Anlage 1a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vergütet. Die MHH informierte mit Rundschreiben vom 27. Juni 2006 die Klinikleiterinnen und -leiter unter Angabe der Tarifmerkmale des § 12 TV-Ärzte/TdL über ein voraussichtliches Inkrafttreten des Tarifvertrages zum 1. November 2006 sowie die Anwendung der Entgelttabelle ab dem 1. Juli 2006. Darüber hinaus wird um die „Benennung des ‚ständigen Vertreters des leitenden Arztes’“ unter Hinweis darauf gebeten, „dass dieses Tätigkeitsmerkmal entsprechend der o.g. Definition innerhalb einer Abteilung nur von einem Arzt erfüllt werden kann“. Mit einem vom Kläger formulierten Schreiben vom 5. Juli 2006 antwortete der Chefarzt unter dem Betreff „Umsetzung der Entgelttabelle für Ärzte“ wie folgt:

        

„seit dem 21. August 1988 ist Herr Prof. Dr. med. G Leitender bzw. 1. Oberarzt und ständiger Stellvertreter des Abteilungsleiters der Abteilung Nuklearmedizin und spezielle Biophysik bzw. ab 1997 der Klinik für Nuklearmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover. Er vertritt mich in der Gesamtheit meiner Dienstaufgaben. Im April 1997 hat er die Klinik nach dem Ausscheiden von Prof. H kommissarisch in allen Belangen geleitet.“

6

Die MHH ordnete den Kläger zum 1. Juli 2006 vorläufig der Entgeltgruppe Ä 4, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL zu und zahlte ihm eine „Zulage TV-Ärzte“ in Höhe der Entgeltdifferenz zwischen dem bisherigen und demjenigen Entgelt, welches für die Entgeltgruppe Ä 4, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL vorgesehen war. Darüber wurde der Kläger ebenso wie über den Umstand, dass die Zulage unter Vorbehalt geleistet werde, schriftlich informiert. Mit Schreiben vom 13. November 2006 teilte die MHH dem Kläger mit, sie übertrage ihm „auf Veranlassung von Herrn Prof. Dr. K“ mit Wirkung zum 1. November 2006 die Funktion eines Oberarztes und vergütete ihn ab diesem Datum nach Entgeltgruppe Ä 3, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 machte der Kläger einen Anspruch auf Eingruppierung als ständiger Vertreter des leitenden Arztes erfolglos geltend. In einem weiteren Schreiben vom 25. Januar 2007 teilte die MHH dem Kläger ua. mit:

        

„Die Entscheidung, ob eine Abteilung die Position eines ständigen Vertreters (im Sinne des Eingruppierungsrechts) einrichten möchte oder nicht, ist eine Frage der Organisation. In der MHH liegt die Organisationsgewalt dazu aufgrund einer Präsidiumsentscheidung einzig und allein beim Abteilungsdirektor. Das Personalmanagement kann und wird deshalb auf diese Entscheidung keinen Einfluss nehmen.“

7

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 4, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL seit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages am 1. November 2006. Ihm obliege die ständige Vertretung des Chefarztes. Das Tätigkeitsmerkmal setze nicht voraus, dass er in seiner Arbeitszeit überwiegend Vertretungstätigkeiten ausübe. Im Übrigen betrage deren Anteil zwischen 20 vH und 80 vH der täglichen Arbeitszeit. Die ständige Vertretung sei ihm bereits im August 1988 übertragen worden. Die Eingruppierung knüpfe an die bisher ausgeübte Tätigkeit und nicht an einen konstitutiven Akt nach Inkrafttreten des Tarifvertrages an. Unerheblich sei, wenn der Chefarzt den Kläger gegenüber dem Personalmanagement nun nicht mehr als „ständigen Vertreter“ benenne. Die MHH nehme die Tätigkeit des Klägers als ständiger Vertreter des Chefarztes seit Jahren entgegen, habe diese Funktion gekannt und langjährig geduldet.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land dem Kläger seit dem 1. November 2006 regelmäßige tarifliche Monatsvergütung nach Entgeltgruppe Ä 4 als Facharzt, dem die „ständige Vertretung des Leitenden Arztes (Chefarzt)“ in der Stufe 3 gemäß Anlage A 1 anstelle der tatsächlich gewährten Vergütung in der Entgeltgruppe Ä 3 als „Oberarzt“ in der Stufe 3 schuldet.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei lediglich Abwesenheitsvertreter. Er habe in Anwesenheit des Chefarztes keine identischen Entscheidungskompetenzen und nehme dessen Aufgaben auch nicht in vollem Umfang wahr. Das Schreiben vom 5. Juli 2006 sei nur eine vergütungsneutrale Information zur medizinischen Abteilungsorganisation. Der Chefarzt sei sich über die tarifrechtliche Bedeutung der Formulierung nicht im Klaren gewesen. Zudem habe der Kläger nicht dargelegt, dass die ständige Vertretung mindestens die Hälfte der auszuübenden Tätigkeit ausmache. Eine Übertragung könne nur durch die Personalverwaltung erfolgen, nicht aber durch den Chefarzt, und komme erst ab Inkrafttreten des TV-Ärzte/TdL in Betracht. Die tatsächlichen Vertretungstätigkeiten seien nicht entscheidend, sondern ein formeller Übertragungsakt, der nicht stattgefunden habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die zulässige Klage des Klägers ist begründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

12

I. Der Antrag ist als Eingruppierungsfeststellungsklage hinsichtlich der Entgeltgruppe zulässig. Soweit der Kläger darüber hinaus eine bestimmte Stufe der Entgeltgruppe festgestellt wissen will, fehlt hierfür nicht das erforderliche Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht an der Feststellung einer konkreten Entgeltstufe dann das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, wenn neben der Entgeltgruppe auch die Zuordnung zu einer Entgeltstufe zwischen den Parteien umstritten ist und durch den Feststellungsantrag dieser umstrittene Teil eines Entgeltanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig geklärt werden kann und dadurch gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden(9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 22 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 8; 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 15, BAGE 124, 240; 25. Januar 2006 - 4 AZR 613/04 - Rn. 13, AP BAT-O § 27 Nr. 4).

13

Danach besteht auch Feststellungsinteresse hinsichtlich der geltend gemachten Entgeltstufe. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch für den Fall der Feststellung einer Vergütungspflicht nach Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte/TdL zwischen den Parteien noch Streit über die mögliche Anrechnung von Vorzeiten besteht.

14

II. Die Klage ist insgesamt begründet.

15

1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger nach der Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte/TdL zu vergüten ist.

16

a) Der TV-Ärzte/TdL ist nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien bereits vor Begründung einer Mitgliedschaft des Klägers im Marburger Bund im Januar 2007 auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden gewesen.

17

b) Die maßgebende tarifvertragliche Regelung zur Eingruppierung lautet:

        

„§ 12 

        

Eingruppierung

        

Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

        

Entgeltgruppe

Bezeichnung

        

…       

        
        

Ä 4     

Fachärztin/Facharzt, der/dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes (Chefarzt) vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

                 

(Protokollerklärung: Ständiger Vertreter ist nur der Arzt, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann daher innerhalb einer Klinik nur von einer Ärztin/einem Arzt erfüllt werden.)“

18

c) Die für die Eingruppierung maßgebende Tätigkeit des Klägers ist seine ärztliche Tätigkeit in der Klinik für Nuklearmedizin. Die ärztlichen Tätigkeiten und die Erfüllung der Leitungsaufgaben als ständiger Vertreter bilden eine große, einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit, die mindestens die Hälfte der Arbeitszeit des Klägers ausmacht.

19

aa) Anders als der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in § 22 Abs. 2 oder nach § 15 Abs. 2 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände(TV-Ärzte/VKA vom 17. August 2006) stellt § 12 TV-Ärzte/TdL nicht auf Arbeitsvorgänge ab. Dies steht der Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit oder mehreren jeweils eine Einheit bildenden Teiltätigkeiten für deren jeweils einheitliche tarifliche Bewertung aber nicht entgegen. Dafür gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng. Für die Eingruppierung kommt es daher zunächst darauf an, festzustellen, ob der Arbeitnehmer eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit, eine Teiltätigkeit ausübt, die mindestens die Hälfte der Wochenarbeitszeit beträgt, oder mehrere selbständige Teiltätigkeiten, die nur zusammen diesen zeitlichen Umfang erreichen (st. Rspr., etwa BAG 20. Oktober 2010 - 4 AZR 138/09 - Rn. 24 mwN; 1. Juli 2009 - 4 ABR 18/08 - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 39).

20

bb) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger mit mehr als der Hälfte seiner Arbeitszeit ärztlich tätig. Von daher kann es dahinstehen, ob die akademischen Verpflichtungen des Klägers, zu denen nähere Feststellungen nicht getroffen sind, eine dem Geltungsbereich des TV-Ärzte/TdL nicht unterfallende Teiltätigkeit darstellen, weil es sich nicht um eine Tätigkeit mit „Aufgaben in der Patientenversorgung“ nach § 1 TV-Ärzte/TdL handelt(vgl. BAG 20. Oktober 2010 - 4 AZR 138/09 - Rn. 20; 7. Juli 2010 - 4 AZR 863/08 - Rn. 21, ZTR 2011, 27).

21

Soweit die Revision geltend macht, der Kläger nehme nach seinem eigenen Vortrag keine Aufgaben in der Patientenversorgung war, weil er bis zu 80 vH seiner Tätigkeit Verwaltungstätigkeiten ausübe, ist dies unzutreffend. Der Kläger hat lediglich „im Übrigen“ Zeitanteile „für die Vertretungstätigkeit“ und die Wahrnehmung von „Leitungsaufgaben“ vorgetragen. Dass es sich bei den Leitungs- und Vertretungsaufgaben in der Klinik für Nuklearmedizin nicht um solche der Patientenversorgung handelt, macht das beklagte Land nicht geltend.

22

cc) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes kommt es für das Tarifmerkmal der „ständigen Vertretung“ nicht darauf an, dass Vertretungstätigkeiten im zeitlichen Umfang des § 12 TV-Ärzte/TdL tatsächlich anfallen. Für eine Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte/TdL ist es nicht erforderlich, dass der Kläger mit mindestens der Hälfte seiner Arbeitszeit tatsächlich Vertretungstätigkeiten ausübt.

23

Die Übertragung der ständigen Vertretung des leitenden Arztes setzt nicht voraus, dass für den betreffenden Arzt (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets nur die männliche Form gewählt) in einem bestimmten Umfang Vertretungstätigkeiten tatsächlich anfallen. Die ständige Vertretung des leitenden Arztes ist eine mit der sonstigen ärztlichen Tätigkeit einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit. Die Übertragung der ständigen Vertretung bedeutet, dass der Kläger während der gesamten Zeit seiner ärztlichen Tätigkeit als ständiger Vertreter eingesetzt ist. Diese Aufgabe übt der Kläger ununterbrochen während seiner hier maßgebenden ärztlichen Tätigkeit auch dann aus, wenn er sich gerade mit anderen als mit Leitungsaufgaben - etwa oberärztlichen Tätigkeiten - befasst. Auch dann muss der ständige Vertreter jederzeit in der Lage sein, durch Erteilung der erforderlichen Anordnungen Leitungsaufgaben in der Klinik wahrzunehmen (BAG 27. Mai 1981 - 4 AZR 1079/78 - mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 44).

24

d) Die auszuübende Tätigkeit des Klägers ist diejenige einer ständigen Vertretung des leitenden Arztes. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

25

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Tarifmerkmal der „ständigen Vertretung“ des BAT genügt nicht die bloße Vertretung im Falle der Abwesenheit oder der Verhinderung des Vertretenen wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen Gründen. Vielmehr muss der ständige Vertreter dessen Aufgaben auch bei dienstlicher Anwesenheit des Vertretenen, mit anderen Worten, neben diesem, wahrnehmen können (14. August 1991 - 4 AZR 25/91 - zu II 4 der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 159; 25. Februar 1987 - 4 AZR 217/86 - AP BAT § 24 Nr. 14; 27. Mai 1981 - 4 AZR 1079/78 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 44; 18. Februar 1981 - 4 AZR 993/78 - AP BAT §§ 22, 23 Sparkassenangestellte Nr. 3). Erforderlich ist vorliegend, dass der betreffende Beschäftigte Aufgaben des Chefarztes auch bei dessen dienstlicher Anwesenheit zu erledigen hat. Dafür spricht die von den Tarifvertragsparteien gewählte Formulierung des Merkmales, insbesondere das Wort „ständig“. Wie bereits im Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) setzt die Tätigkeit als „ständiger Vertreter“ des leitenden Arztes nicht nur die eines Vertreters im Verhinderungsfall voraus (BAG 18. Februar 1981 - 4 AZR 993/78 - aaO; 27. Mai 1981 - 4 AZR 1079/78 - aaO). Der ständige Vertreter muss seine Tätigkeit auch ausüben, wenn sich der Vertretene im Dienst befindet, aber gerade nicht „greifbar“ ist, weil er mit anderen (Leitungs-)Tätigkeiten beschäftigt ist (BAG 28. Januar 1998 - 4 AZR 577/96 - zu II 2 b der Gründe).

26

Diese Rechtsprechung des Senats zu anderen Vergütungsordnungen kann auch zur Auslegung des Merkmales der ständigen Vertretung im Rahmen des Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte/TdL herangezogen werden. Der Begriff der ständigen Vertretung ist von den Tarifvertragsparteien ersichtlich in dem Sinne gebraucht worden, der den schon früher von ihnen als Tarifvertragsparteien vereinbarten Regelungen der Vergütungsordnung zum BAT (etwa VergGr. I Fallgr. 4 sowie VergGr. Ia Fallgr. 5, jeweils iVm. Protokollnotiz Nr. 3 Teil I der Anlage 1a) zugrunde lag (vgl. ua. BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 568/08 - Rn. 27, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 9 zum Tarifmerkmal Funktionsbereich).

27

bb) Die „ständige Vertretung“ in Anwesenheit des Chefarztes beschränkt sich nach der genannten Rechtsprechung des Senats nicht auf Fälle der Verhinderung, sondern umfasst auch die dauerhafte Übernahme von Führungs- und Leitungsaufgaben bei dessen Anwesenheit. Dabei ist es aber entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht erforderlich, dass der ständige Vertreter bei Anwesenheit des Chefarztes sämtliche Leitungsaufgaben tatsächlich wahrnimmt, weil nur dann die Anforderungen der Protokollnotiz, die eine Vertretung in der „Gesamtheit seiner Dienstaufgaben“ vorsieht, erfüllt seien. Ein solcher Umfang ist zwar für die Abwesenheitsvertretung erforderlich, weil der ständige Vertreter in der Lage sein muss, den Chefarzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben zu vertreten. Im Falle von dessen Anwesenheit ist aber die dauerhafte Übertragung maßgebender Führungs- und Leitungsaufgaben im Sinne einer Zuständigkeitsregelung ausreichend, ohne dass für den Vertretungsfall eine Verhinderung des Chefarztes vorliegen muss.

28

Eine ständige Vertretung ist nicht deshalb ausgeschlossen, wenn sich der Chefarzt einzelne Entscheidungen im Falle seiner Anwesenheit vorbehält. Der ständige Vertreter des Chefarztes ist nicht zugleich mit ihm „leitender Arzt“, dem die Gesamtheit der Führungs- und Leitungsaufgaben übertragen worden ist. Der ständige Vertreter muss nicht, wie es die Revision meint, „Chef neben dem Chef“ sein. Zwar verlangt die Protokollerklärung eine Vertretung in der „Gesamtheit seiner Dienstaufgaben“. Der ständige Vertreter muss die Aufgaben des leitenden Arztes „neben diesem“ zu erledigen haben (zum insoweit übertragbaren Merkmal des BAT BAG 14. August 1991 - 4 AZR 25/91 - zu II 4 der Gründe, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 159). Daraus folgt aber keine Gleichstellung mit dem leitenden Arzt in der krankenhausinternen Organisations- und Verantwortungsstruktur dergestalt, dass der ständige Vertreter auch bei Anwesenheit des Chefarztes hinsichtlich sämtlicher Führungs- und Leitungsaufgaben allein zuständig wäre. Für die Erfüllung des Tarifmerkmales ist es nicht erforderlich, dass der ständige Vertreter rein tatsächlich sämtliche Führungs- und Leitungsaufgaben wahrnimmt, wenn der Chefarzt anwesend ist. Zwischen dem Chefarzt und seinem ständigen Vertreter besteht nach wie vor ein hierarchisches Über-/Unterordnungsverhältnis. Dieses wird durch die Übertragung der Tätigkeit eines ständigen Vertreters nicht aufgehoben. Daraus folgt zugleich, dass der ständige Vertreter kein im Vergleich zum Chefarzt gleichberechtigtes oder gar ein von ihm unabhängiges Alleinentscheidungsrecht im Falle von dessen Anwesenheit haben muss. Die Leitungsverantwortung verbleibt beim leitenden Arzt. In der Folge sind auch die Vertretungsaufgaben des ständigen Vertreters im Falle der Anwesenheit des leitenden Arztes von vornherein durch die nach wie vor bestehende vorrangige Führungs- und Leitungsverantwortung des Chefarztes beschränkt, müssen aber einen maßgebenden Teil derselben abdecken. Demgegenüber verbliebe nach der Rechtsauffassung der Revision einem Chefarzt, dem ein Oberarzt als ständiger Vertreter im Tarifsinne zugeordnet ist, kein eigenes Betätigungsfeld mehr. Der ständige Vertreter müsste, wäre ihre Auffassung zutreffend, „faktischer Chefarzt“ sein, weil er stets die Gesamtheit der Aufgaben als Vertreter wahrzunehmen befugt wäre.

29

cc) Die ständige Vertretung des Chefarztes wird auch grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Chefarzt einen Teil der zu erfüllenden Aufgaben, die nicht originär zu seiner Führungs- und Leitungsverantwortung gehören, an andere Personen als den „ständigen Vertreter“ delegiert. Zwar kann es nach der Protokollerklärung zu § 12 TV-Ärzte/TdL innerhalb einer Klinik nur einen ständigen Vertreter geben. Die Vertretung muss ungeteilt bei ihm liegen. Eine Aufspaltung der Vertretung auf zwei Ärzte genügt nicht. Eine solche Aufspaltung ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn einzelne Aufgabenstellungen, die nicht dem Kreis der unmittelbaren Führungs- und Leitungsaufgaben zuzurechnen sind, an andere Beschäftigte innerhalb der Klinik übertragen werden. Eine arbeitsteilige Erledigung von Arbeitsaufgaben steht der Annahme einer Tätigkeit als ständiger Vertreter nicht ohne weiteres entgegen.

30

Die persönliche Erledigung aller Aufgaben innerhalb einer Klinik gehört für einen Chefarzt nicht zu der „Gesamtheit seiner Dienstaufgaben“ iSd. Protokollerklärung des § 12 TV-Ärzte/TdL. Die Aufgaben der Klinik reichen von Leitungs- und Führungsaufgaben bis hin zur Erledigung täglicher Routinearbeiten. Dem Chefarzt einer Klinik obliegt für deren Durchführung aufgrund seiner Leitungsfunktion zwar die Letztverantwortung, nicht aber die persönliche Erledigung aller anfallenden Aufgaben. Deren Delegation auf andere Beschäftigte ist vielmehr charakteristisch für die Führung und Leitung einer Klinik. Für das Tarifmerkmal der ständigen Vertretung ist es daher ohne Bedeutung, wenn der Chefarzt Aufgaben, welche nicht originär seiner Führungs- und Leitungsverantwortung zuzurechnen sind, an andere Personen als seinen ständigen Vertreter delegiert. Derjenige, dem solche Aufgaben übertragen worden sind, „vertritt“ nicht im tarifrechtlichen Sinn den Chefarzt bei der Erfüllung „seiner“ Dienstaufgaben.

31

dd) Nach diesen Grundsätzen hat das beklagte Land dem Kläger aufgrund der von ihm nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit 1988 unverändert auszuübenden Tätigkeiten die ständige Vertretung des leitenden Arztes übertragen.

32

(1) Der Kläger nimmt zunächst unstreitig die Abwesenheitsvertretung des Chefarztes in Fällen wie Urlaub oder Krankheit wahr.

33

(2) Darüber hinaus kommt dem Kläger in dringenden Fällen bei Verhinderung des Chefarztes auch bei dessen Verhinderung nach Absprache mit diesem die Zuständigkeit zur Unterschriftsleistung zu. Damit ist der Kläger auch dann der Vertreter, wenn der Chefarzt „nicht greifbar“ ist (oben unter aa), also wenn dieser trotz Anwesenheit verhindert ist. Dass diese Tätigkeit auch von anderen Personen, etwa für bestimmte Aufgabenbereiche, übernommen wird, was auf eine Aufspaltung der Vertretungstätigkeit hindeuten könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

34

(3) Weiterhin sind dem Kläger unabhängig von einer Verhinderung des Chefarztes maßgebende Zuständigkeiten im Bereich der Führung und Leitung der Klink dauerhaft übertragen worden. Deshalb kann es dahinstehen, ob die Formulierung im Schreiben des Chefarztes vom 5. Juli 2006 sich auf eine ständige Vertretung im Tarifsinne bezog, wofür der Wortlaut spricht, oder auf eine Abwesenheitsvertretung, wie es der Chefarzt später gegenüber dem beklagten Land dargestellt hat.

35

Der Kläger besitzt Verantwortlichkeiten in den Bereichen Personal, Strahlenschutz, Ökonomie, Gerätebeschaffung, Projektleitung und Raumverwaltung. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bearbeitet er im Bereich Personal die Anträge auf Einstellung von Ärzten, die vom Chefarzt lediglich noch unterzeichnet werden. Ihm obliegt die Eingangsaufklärung im Strahlenschutz, im wirtschaftlichen Bereich ist er für die Budgetübersicht verantwortlich. Er nimmt meist gemeinsam mit dem Chefarzt an Gesprächen über den Medizinischen Sachmittelbedarf (MES) und den strategischen Zielgesprächen mit dem Präsidium der MHH teil. Weiterhin leistet er die Zuarbeit zu einem großen Teil der Beantragung von Großgeräten sowie anderen Beschaffungsprojekten, leitet bestimmte Projekte sowie die Raumverwaltung. Auch hier werden Anträge und Schreiben vom Chefarzt im Falle seiner Anwesenheit lediglich noch unterzeichnet. Damit gehören zentrale Bereiche der Leitung einer Klinik wie die Einstellung des ärztlichen Personals, der überwiegende Umfang der Beschaffung und die Budgetübersicht ebenso zu den Tätigkeiten des Klägers wie die zumeist gemeinsam mit dem Chefarzt erfolgende Mitwirkung an den Zielgesprächen und denen über den medizinischen Sachmittelbedarf. Hinzu tritt noch die für die Klinik nicht unwesentliche Raumverwaltung. Außerdem ist der Kläger nach dem Schreiben des vormaligen Chefarztes aus dem Jahr 1996 neben dem Chefarzt allein befugt, Buchungen zu Lasten des Kontos der Klinik für Nuklearmedizin zu zeichnen.

36

Demgegenüber kommt den vom beklagten Land angeführten Tätigkeiten, welche der Chefarzt an andere Personen delegiert hat, keine entscheidende Bedeutung zu, die der Annahme einer ständigen Vertretung des leitenden Arztes „in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben“ durch den Kläger entgegenstehen könnte. Diese Tätigkeiten wie beispielsweise die Zuarbeit zu den Einstellungsanträgen durch Bezeichnung der Stellennummern, die Weiterbildung, welche von den Oberärzten für ihren Aufgabenbereich jeweils selbst durchgeführt wird sowie die Befundung über die Ganz- und Teilkörpermessungen durch Assistenzärzte gehören nicht zu den typischen Aufgaben eines Chefarztes als Klinikleiter. Soweit für die Begründung von Beschaffungsanträgen wissenschaftliches Know-how notwendig ist, gehört es zur üblichen Vorgehensweise, das Spezialwissen aller Ärzte der Klinik zu nutzen. Gleiches gilt im Ergebnis für die Weiterbildung, welche von den Oberärzten für ihren jeweiligen Aufgabenbereich durchgeführt wird. Dadurch wird die ständige Vertretung bei der Führung und Leitung der Klinik nicht auf mehrere Personen aufgeteilt. Eine „ständige Vertretung“ ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Chefarzt es sich vorbehält, während seiner Anwesenheit Anträge selbst zu unterzeichnen und das Klinikkonzept selbst zu erstellen. Soweit der Chefarzt Umgangsgenehmigungen und deren Veränderungen beantragt, folgt dies aus seiner Funktion als Strahlenschutzbevollmächtigter.

37

e) Dem Kläger wurde auch die ständige Vertretung des leitenden Arztes durch den Arbeitgeber übertragen.

38

aa) Maßgebend für die Übertragung der Tätigkeit eines „ständigen Vertreters“ ist der Inhalt des Arbeitsverhältnisses bei Inkrafttreten des TV-Ärzte/TdL bezogen auf die Tätigkeitsmerkmale des § 12 TV-Ärzte/TdL. Hierfür kommt es auf die auszuübende Tätigkeit an.

39

(1) § 12 Satz 1 TV-Ärzte/TdL ist für sämtliche Entgeltgruppen maßgebend. Dass die Bestimmung an die „auszuübende“ Tätigkeit anknüpft, zeigt, dass auch im TV-Ärzte/TdL der Grundsatz der Tarifautomatik gelten soll. Werden die tariflichen Tätigkeitsmerkmale erfüllt, ergibt sich unmittelbar der dementsprechende tarifliche Vergütungsanspruch, ohne dass es einer Maßnahme des Arbeitgebers bedarf. Diese Grundsätze sind durch die Vorgabe, dass die „ständige Vertretung“ vom „Arbeitgeber übertragen“ werden muss, in dem Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte/TdL nicht berührt. Diese Anforderung setzt nicht die Tarifautomatik, die mit der auszuübenden Tätigkeit einhergeht, außer Kraft. Es handelt sich bei der Tarifregelung vielmehr um eine Klarstellung der Tarifvertragsparteien über die notwendige zivilrechtliche Zurechenbarkeit der entsprechenden Aufgabenzuweisung (vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 56, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 8; 7. Juli 2010 - 4 AZR 862/08 - Rn. 43; 22. September 2010 - 4 AZR 166/09 - Rn. 16 ff.). Die Übertragung der Tätigkeit einer ständigen Vertretung war auch schon vor Inkrafttreten des TV-Ärzte/TdL möglich, weil auch schon zuvor eine Vertretung „in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben“ möglich war (ausf. BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 862/08 - Rn. 45 f.).

40

(2) Ob eine vor dem Inkrafttreten des TV-Ärzte/TdL dem Arzt übertragene Leitungsfunktion dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, ist eine Frage des Einzelfalls.

41

(a) Maßgebend ist grundsätzlich nicht die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, sondern das, was nach dem Arbeitsvertrag die geschuldete Arbeit ist. Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit kann allerdings für die Auslegung des Arbeitsvertrages, insbesondere hinsichtlich der genauen Bestimmung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit, vor allem dann von Bedeutung sein, wenn der schriftliche Arbeitsvertrag hierzu keine oder nur wenige Angaben enthält. Entscheidend ist letztlich die nach den hierfür geltenden Regeln vertraglich vereinbarte und geschuldete Tätigkeit (vgl. nur BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 862/08 - Rn. 45 mwN).

42

(b) Bedient sich der Arbeitgeber bei der Leitung einer Klinik der Dienste eines Chefarztes und überlässt diesem die nähere Ausgestaltung der Organisation der Klinik und die personelle Zuweisung der Aufgaben, ist der Arbeitgeber an die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gebunden. Die Klinikleitung muss allgemein als befugt angesehen werden, für den Arbeitgeber das Direktionsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer, also auch dem Arzt, wirksam auszuüben (vgl. ua. BAG 17. November 2010 - 4 AZR 63/09 - Rn. 22; 7. Juli 2010 - 4 AZR 862/08 - Rn. 49; 22. September 2010 - 4 AZR 166/09 - Rn. 22).

43

(c) Auch wenn die Klinikleitung keine dahin gehende ausdrückliche Vollmacht hat, kann die in der Zuweisung oder der Vereinbarung der neuen Tätigkeit möglicherweise liegende konkludente Vertragsänderung dem Arbeitgeber nach den Grundsätzen der Duldungs- und vor allem der Anscheinsvollmacht, nach der dem Vertretenen die mangelnde Sorgfalt und Nachlässigkeit in seinen eigenen Angelegenheiten angelastet werden kann, gleichwohl zuzurechnen sein. Die Kliniken sind arbeitsvertragsrechtlich keine Freiräume. Wenn Arbeitgeber, die die Kliniken nach Gutdünken organisieren können, bestimmte leitende Mitarbeiter aus der objektivierbaren und berechtigten Sicht der Arbeitnehmer mit der Vertretungsmacht des Arbeitgebers ausstatten, müssen sie sich das vertragsrechtlich zurechnen lassen. Dem entspricht, dass ein Arzt dann, wenn ihm von der Klinikleitung eine bestimmte Aufgabe übertragen wird, im Regelfall davon ausgehen darf und muss, dass die Klinikleitung hierzu vom Arbeitgeber befugt ist. Andernfalls würde ihm zugemutet, jeweils zu prüfen, ob es eine vom Arbeitgeber erlassene Zuständigkeitsvorschrift gibt und ob diese durch seine Klinikleitung eingehalten worden ist (vgl. ua. BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 862/08 - Rn. 52 f.; 22. September 2010 - 4 AZR 166/09 - Rn. 25 f.).

44

(d) Die Zuweisung einer Tätigkeit an einen Arzt, die dieser danach längere Zeit ausübt, ist in der Regel arbeitsvertraglich gedeckt, dh. entweder hält sich die Maßnahme im Bereich des bisherigen Direktionsrechts oder sie stellt eine Änderung des Arbeitsvertrages dar. Jedenfalls handelt es sich dabei in der Regel um die auszuübende Tätigkeit des Arztes. Dass sich aufgrund des neuen Vergütungssystems dadurch für ihn möglicherweise eine höhere Vergütung ergibt, ist eine bloße Folge des neuen Tarifvertrages und ändert nichts an der von dem Kläger arbeitsvertraglich auszuübenden und dementsprechend tariflich zu bewertenden Tätigkeit (BAG 17. November 2010 - 4 AZR 63/09 - Rn. 24; 7. Juli 2010 - 4 AZR 862/08 - Rn. 49).

45

(e) Von besonderer Bedeutung kann in diesem Zusammenhang ferner sein, wie der Arbeitgeber nach dem Inkrafttreten des TV-Ärzte/TdL auf die Organisations- und Verantwortungsstruktur reagiert hat, die zu diesem Zeitpunkt bestand. Selbst wenn nach den oben dargestellten Grundsätzen die Übertragung der Leitung für einen Funktionsbereich oder eine den Vorgaben entsprechende Organisationseinheit dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen wäre, könnte er sich hierauf nicht berufen, wenn er die bisherige Zuordnung von Aufgaben trotz einer durch die Überleitung in das neue Tarifsystem veranlassten Überprüfung unbeanstandet lässt (BAG 17. November 2010 - 4 AZR 63/09 - Rn. 25 mwN; 22. September 2010 - 4 AZR 149/09 - Rn. 39; vgl. weiterhin 9. Dezember 2009 - 4 AZR 495/08 - Rn. 56 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 8; 9. Dezember 2009 - 4 AZR 568/08 - Rn. 64 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 9).

46

bb) Nach diesen Grundsätzen ist dem Kläger die „ständige Vertretung des leitenden Arztes“ bereits durch den Vorgänger des jetzigen Chefarztes übertragen worden. Eine „förmliche“ Übertragung nach Inkrafttreten des TV-Ärzte/TdL ist entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Landes ebenso wenig erforderlich wie eine gesonderte Übertragung durch das Personalmanagement der MHH.

47

(1) Der Kläger übt die dargestellten Tätigkeiten nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit 1988 unverändert aus. Diese wurden ihm auch ersichtlich vom jeweiligen Chefarzt übertragen, wie sich insbesondere aus dem Zeugnis des vormaligen Chefarztes ergibt. Das beklagte Land führt selbst an, welche Tätigkeiten dem Kläger und welche anderen Personen übertragen wurden. Dass die Übertragung dieser Aufgaben und damit die Tätigkeit einer ständigen Vertretung unter Geltung des BAT nicht zwingend tarifrechtliche Auswirkungen auf die Vergütung des Klägers hatten, weil eine Höhergruppierung erst unter der weiteren Voraussetzung von neun ständig unterstellten Ärzten vorgesehen war (VergGr. I (Fallgr. 4) Teil I Anlage 1a zum BAT), ist ohne Bedeutung. Auch wenn die Übertragung der ständigen Vertretung in der Vergangenheit keine Erhöhung der tariflichen Vergütung zur Folge hatte, veränderte sie die arbeitsvertraglich auszuübende Tätigkeit des Klägers. Allein dies ist nach § 12 TV-Ärzte/TdL für die Eingruppierung maßgebend(unter aa (2) (d)).

48

(2) Die Übertragung erfolgte auch durch den Arbeitgeber. Nach der vom beklagten Land auch in der Revisionsbegründung nochmals angeführten Präsidiumsentscheidung liegt die Organisationsgewalt über die Einrichtung der Position eines „ständigen Vertreters des leitenden Arztes“ allein beim Chefarzt. Der damalige Chefarzt konnte daher dem Kläger durch Übertragung der genannten Aufgaben, die er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seit 1988 unverändert ausübt, die Tätigkeit eines „ständigen Vertreters“ übertragen. Dies muss sich das beklagte Land, selbst wenn man in Anbetracht der Präsidiumsentscheidung nicht von einer ausdrücklichen Vertretungsmacht des Chefarztes zur Übertragung der ständigen Vertretung ausgehen sollte, weil diese letztlich doch dem Personalmanagement der MHH vorbehalten war, vertragsrechtlich zumindest zurechnen lassen (unter aa (2) (c)). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Chefarzt dem Kläger den „Titel“ des „ständigen Vertreters“ übertragen hat, sondern darauf, ob er ihm die Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse übertragen hat, aus denen von Rechts wegen auf die Stellung als ständiger Vertreter des Chefarztes zu schließen war.

49

Letztlich könnte sich das beklagte Land auch deshalb nicht auf die fehlende Berechtigung des Chefarztes berufen, weil es die Tätigkeit des Klägers trotz der bei der Überleitung in den TV-Ärzte/TdL vorgenommenen - doppelten Überprüfung - unverändert gelassen hat (unter aa (2) (e)). Unerheblich ist es dabei, dass die MHH dem Kläger mit Schreiben vom 13. November 2006 erklärte, sie habe ihm zum 1. November 2006 die Funktion eines Oberarztes übertragen. Entscheidend ist nicht die Übertragung des Titels „Oberarzt“ oder eine abstrakt bezeichnete „Funktion“, sondern die Übertragung der „auszuübenden Tätigkeit“. Dass sich diese seit der Eingruppierungsmitteilung vom 13. November 2006 geändert hat, macht weder das beklagte Land geltend noch ist dies ersichtlich. Es geht in der Sache vielmehr - unzutreffend - davon aus, die unveränderte Tätigkeit sei anders zu bewerten, als zunächst durch die vorläufige Zuordnung am 1. Juli 2006 für zutreffend gehalten.

50

2. Der Kläger kann auch eine Vergütung nach der Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte/TdL beanspruchen.

51

a) Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 iVm. Anlagen A und B TV-Ärzte/TdL erreicht der ständige Vertreter des leitenden Arztes ab dem siebten Jahr dieser Tätigkeit die Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 4. Die maßgebende Regelung des § 5 Satz 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30. Oktober 2006 lautet:

        

„Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte.“

52

b) Da der Kläger seine Tätigkeit als ständiger Vertreter seit dem Jahre 1988 und damit seit mehr als sieben Jahren ausübt, ist er nach den vorstehenden Tarifregelungen nach der Stufe 3 der Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte/TdL zu vergüten.

53

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1, §§ 97, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts war, wenn auch nicht in der Begründung so doch im Ergebnis zutreffend, was in den Entscheidungsgründen von Amts wegen klargestellt werden kann (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 948/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 38 = EzA KSchG § 17 Nr. 22), ohne dass dies Einfluss auf die Kostenentscheidung des Revisionsgerichts nach § 97 ZPO hat(BGH 11. Juni 1992 - I ZR 226/90 - zu II 3 der Gründe, NJW 1992, 2969). Die Kosten der erfolglosen Revision hat das beklagte Land zu tragen.

54

1. Die Kläger hat gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits insoweit zu tragen, als er seinen ursprünglich gestellten Antrag, ihn als „ständigen Vertreter des leitenden Arztes zu beschäftigen“, in der Berufungsinstanz zurückgenommen hat. Eine Gebührenprivilegierung für Teilklagerücknahmen besteht nicht (s. nur Bader/Nungeßer NZA 2007, 1200).

55

2. Gleichwohl hat das beklagte Land nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Kosten der Tatsacheninstanzen zu tragen, weil die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig gering war und nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat(vgl. BAG 23. September 2010 - 6 AZR 174/09 - Rn. 26, NZA-RR 2011, 106). Dabei hat der Senat für den Beschäftigungsantrag vorliegend nach § 48 Abs. 1 GKG iVm. § 3 ZPO einen Kostenstreitwert in Höhe der Differenz des Bruttomonatsentgelts zwischen den Entgeltgruppen Ä 4, Stufe 3 und Ä 3, Stufe 3 TV-Ärzte/TdL zugrunde gelegt.

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Treber    

        

        

        

    Drechsler    

        

    Redeker    

                 

Ist das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen, so sind die durch die Versäumnis veranlassten Kosten, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind, der säumigen Partei auch dann aufzuerlegen, wenn infolge des Einspruchs eine abändernde Entscheidung erlassen wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.