Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Mai 2015 - 5 Sa 440/13

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0513.5SA440.13.0A
bei uns veröffentlicht am13.05.2015

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Tenor

1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27. August 2013, Az. 9 Ca 376/13, unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziff. I.2 und Ziff. I.3 abgeändert und i n s o w e i t wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 zu zahlen.

Die Auskunftsklage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Zahlung von Differenzlohn für die Jahre von 2009 bis 2012, einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie um Auskunftsansprüche.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die 1953 geborene Klägerin ist bei ihr seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5 % des Bruttolohns) berechnete die Beklagte für Frauen bis 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns. Die Vergütungsdifferenz im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 betrug - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - € 10.149,50 brutto.

3

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob sie bereits seit einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dieser Ungleichbehandlung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

4

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2012 machte die Klägerin Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Ansonsten erhob sie in dem von der Klägerin am 29.01.2013 anhängig gemachten vorliegenden Klageverfahren die Einrede der Verjährung.

5

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013 Bezug genommen.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Berufung von Bedeutung - erstinstanzlich beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen,

8

1. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG rückständigen Lohn iHv. € 11.458,84 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,

9

2. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens € 9.194,50 belaufen soll, zu zahlen,

10

3. …

11

4. ihr umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 27.08.2013 - soweit für die Berufung von Bedeutung - der Klage teilweise stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte in Ziff. I.1 des Tenors verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 Differenzvergütung iHv. € 10.149,50 brutto zu zahlen. Außerdem hat es der Klägerin in Ziff. I.2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zugesprochen und in Ziff. I.3 der Auskunftsklage (Antrag zu 4) stattgegeben.

15

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe gem. § 15 Abs. 1 AGG einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Lohndifferenzen für 2009 bis 2012. Die Beklagte habe die Klägerin unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, weil sie den weiblichen Produktionsbeschäftigten bis zum Jahresende 2012 bei gleicher Tätigkeit einen niedrigeren Lohn gezahlt habe als den männlichen. Die Klägerin habe die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt, denn sie habe erst in der Betriebsversammlung im September 2012 von der Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts Kenntnis erlangt. Die Beklagte habe eine frühere Kenntniserlangung nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerin habe Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil sie von der Beklagten wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Für die erlittene jahrelange Diskriminierung sei eine Entschädigung iHv. drei durchschnittlichen Monatslöhnen angemessen, aber auch ausreichend. Der Auskunftsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts für die Zeit vor dem 01.01.2009 sei begründet, denn sie sei in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang ihres Rechts im Ungewissen. Die Klägerin habe keine Zugriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Lohndaten der vergleichbar beschäftigten Männer, während die Beklagte in der Lage sei, die begehrte Auskunft unschwer zu erteilen. Der Auskunftsanspruch sei nicht verjährt, denn er sei erst im September 2012 mit Kenntnis der Klägerin von ihrer Lohndiskriminierung entstanden. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 27.08.2013 Bezug genommen. Gegen das im September 2013 zugestellte Urteil haben beide Parteien teilweise Berufung eingelegt.

16

Mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilte die Beklagte der Klägerin die Auskunft, dass sie auch vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Stundenlohns und der übrigen Vergütungsbestandteile (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) weibliche Produktionsbeschäftigte geringer entlohnt habe als männliche. Der Stundenlohn eines typischen männlichen Produktionsmitarbeiters habe im Jahr 1995 € 7,76, ab 01.01.2002 € 9,56 und ab 01.01.2004 € 9,66 brutto betragen. Die Klägerin hat zwischenzeitlich vor dem Arbeitsgericht Koblenz eine neue Zahlungsklage gegen die Beklagte erhoben und Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 geltend gemacht.

17

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, die Anträge auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen und einer Entschädigung seien unbegründet, weil die Klägerin die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt habe. Ihr sei bereits seit ihrer Einstellung und während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung positiv bekannt gewesen, dass die männlichen Produktionsmitarbeiter einen höheren Lohn erhielten als die weiblichen. Die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede seien in ihrem Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Arbeitsgericht auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht ausreichend berücksichtigt. Eine offene Ungleichbehandlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndiskriminierung. Der Klägerin stehe auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Der Antrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig. Er sei jedenfalls unbegründet, weil Zahlungsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2009 verjährt seien.

18

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

19

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, wie folgt teilweise abzuändern:

20

Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat,

21

1. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.12.2012 zu zahlen,

22

2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zu zahlen,

23

3. der Klägerin umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.09.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand;

24

die Klage ebenfalls abzuweisen,

25

II. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

26

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

27

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

28

der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von € 7.778,28 nicht unterschreiten soll,

29

II. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu niedrig bemessen. Das Arbeitsgericht habe drei durchschnittliche Bruttomonatslöhne für angemessen erachtet, der Berechnung der Entschädigung jedoch nur den Grundlohn zugrunde gelegt. Sie halte eine Entschädigung von mindestens vier Bruttomonatslöhnen für angemessen, wobei in die Durchschnittsberechnung auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Anwesenheitsprämie einfließen müssten.

31

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32

Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 iHv. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen. Darüber hinaus kann sie von der Beklagten eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 wegen Geschlechtsdiskriminierung beanspruchen. Die Auskunftsklage ist unzulässig.

33

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn sowie sonstiger Vergütungsbestandteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) und der Vergütung hat, die die Beklagte in diesem Zeitraum an die männlichen Produktionsmitarbeiter gezahlt hat. Der Gesamtbetrag beläuft sich - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - auf den vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1 des Tenors) ausgeurteilten Betrag von € 10.149,50 brutto. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB, weil sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.11.2012 seit dem 12.12.2012 mit der Leistung in Verzug befand.

34

a) Die Beklagte hat den weiblichen Produktionsbeschäftigten im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn, ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gezahlt als den männlichen. Die niedrigere Entlohnung beruhte – unstreitig - allein auf dem Geschlecht und stellte daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

35

Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1. des Tenors) ausgeurteilten Differenzbeträge. Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Das gilt zunächst nach dem AGG. Die bei der Entgeltzahlung unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung - hier der individualrechtlichen Vereinbarung - einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (vgl. BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Teilzeit Nr. 39). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (vgl. BAG 11.12.2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45 mwN, AP AGG § 2 Nr. 1). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

36

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Nach dieser Vorschrift muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden.

37

aa) Die Klägerin macht keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Leistungsanspruch ist ein Erfüllungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Für Ansprüche aus § 7 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 16 mwN, AP AGG § 3 Nr. 3) auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe gewährt wurden, gilt § 15 Abs. 4 AGG nicht (vgl. BAG 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 23, AP BetrAVG § 16 Nr. 72; BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; MüKoBGB/ Thüsing 6. Aufl. AGG § 15 Rn. 32; BeckOK ArbR/Roloff Stand 01.06.2014 AGG § 15 Rn. 12).

38

bb) Selbst wenn man - im Sinne der Beklagten - in der Vergütungsdifferenz einen nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Schaden sehen wollte, auf den § 15 Abs. 4 AGG Anwendung fände, hätte die Ausschlussfrist erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen begonnen. Die Frist wäre mit dem Schreiben vom 09.11.2012 gewahrt worden.

39

Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 für gleiche Arbeit eine geringere Vergütung gezahlt als den männlichen Produktionsmitarbeitern. Somit lag ein Dauertatbestand vor, der fortlaufend bis einschließlich Dezember 2012 anhielt, weil sich Monat für Monat eine neue Benachteiligung der Frauen realisiert hat. Wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (vgl. BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 60 mwN, AP AGG § 3 AGG Nr. 2).

40

c) Die geltend gemachten Erfüllungsansprüche für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 sind nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den auf das Jahr 2009 entfallenden Teil der geltend gemachten Ansprüche. Zwar hat die Klägerin ihre Klage erst im Januar 2013 erhoben. Die Beklagte hat jedoch unstreitig am 18.12.2012 wirksam auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren, verzichtet. Für Ansprüche aus 2009 wäre die regelmäßige Verjährungsfrist frühestens am 31.12.2012 abgelaufen. Im Streitfall kann deshalb dahinstehen, ob der Klägerin ihre geschlechtsspezifische Diskriminierung beim Entgelt schon seit vielen Jahren iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB positiv bekannt bzw. grob fahrlässig nicht bekannt war, wie die Beklagte behauptet.

41

2. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag jedoch auf € 6.000,00 zu erhöhen.

42

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar beim Entgelt benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen. Die geringere Vergütung der Klägerin und einer Vielzahl weiterer weiblicher Produktionsbeschäftigten für gleiche oder gleichwertige Arbeit bis zum 31.12.2012 war nicht gerechtfertigt. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

43

b) § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insb. eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44 mwN, Juris).

44

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis zum 31.12.2012 jahrelang bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer der vorliegenden Benachteiligung gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrags, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (vgl. BAG 18.3.2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 43, NZA 2010, 1129). Überdies ist von einem vorsätzlichen und nicht nur fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der bei ihr beschäftigten Frauen aufgrund ihres Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern in ihrem Produktionsbetrieb nicht verdeckt erfolgt, sondern jederzeit "offen kommuniziert" worden sei. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt, die die Beklagte bis 31.12.2012 fortgesetzt hat, war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung nach dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Betrieb offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.

45

Die Höhe des Bruttomonatsentgelts der Klägerin ist für die Bemessung der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt kann ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG) sein. Vorliegend erfolgte die Diskriminierung jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (vgl. BAG 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 84, AP AGG § 15 Nr. 1).

46

Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (vgl. BAG 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 38 mwN, NZA 2014, 372; KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen, ua. wegen der Arbeitszeiten, für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau in gleicher Weise erheblich. Deshalb hält die Berufungskammer die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrags von € 6.000,00 für angemessen.

47

c) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 09.11.2012 rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Die Frist begann - wie oben ausgeführt - erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen, weil ein sog. Dauertatbestand vorlag, der bis einschließlich Dezember 2012 anhielt.

48

d) Die Klägerin hat auch die Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt, weil sie ihre Klage auf Zahlung einer Entschädigung am 29.01.2013 und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs beim Arbeitsgericht eingereicht hat.

49

3. Die Klage auf Auskunft, ob und inwieweit die Klägerin bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, ist unzulässig. Der Klägerin fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den prozessual selbständigen Auskunftsanspruch, weil sie inzwischen Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 erhoben hat. Die Klägerin hat sich in der Lage gesehen, ihren Anspruch zu beziffern, obwohl sie die Auskunft der Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2013 nicht für ausreichend erachtet. Dies spricht dafür, dass sie zur Durchsetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf die begehrte Auskunft nicht (mehr) zwingend angewiesen ist, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage fehlt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient nicht (mehr) der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens (vgl. BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8, NJW 2011, 1815).

III.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

51

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13

bei uns veröffentlicht am 22.05.2014

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 30. Mai 2013 - 4 Sa 62/13 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Dez. 2013 - 6 AZR 190/12

bei uns veröffentlicht am 19.12.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Januar 2012 - 6 Sa 2159/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 30. Nov. 2010 - 3 AZR 754/08

bei uns veröffentlicht am 30.11.2010

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Juni 2008 - 2 Sa 265/08 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08

bei uns veröffentlicht am 18.03.2010

Tenor Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurü

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Feb. 2010 - 6 AZR 911/08

bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurückgewiesen.
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 13. Mai 2015 - 5 Sa 440/13.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Okt. 2018 - 5 Sa 455/15

bei uns veröffentlicht am 11.10.2018

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3486/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streite

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Juni 2018 - 5 Sa 444/15

bei uns veröffentlicht am 14.06.2018

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3479/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten darübe

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 15. März 2018 - 5 Sa 434/15

bei uns veröffentlicht am 15.03.2018

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3498/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streite

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 23. März 2017 - 5 Sa 454/15

bei uns veröffentlicht am 23.03.2017

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3473/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streite

Referenzen

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung oder wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindung verpflichtet ist.

2

Der 1949 geborene Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2006 legte die Beklagte, bei der betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu diesem Zeitpunkt tariflich noch bis mindestens 31. Dezember 2011 ausgeschlossen waren, für die bei ihr und bei bestimmten konzernangehörigen Gesellschaften Beschäftigen ein Abfindungsmodell für Arbeitnehmer auf, die bis zum 30. Juni 2007 freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zwischen dem 1. Juni und dem 30. September 2006 aufgrund entsprechender Aufhebungsverträge endeten, war eine zusätzliche „Turbo-Prämie“ von 54.000,00 Euro brutto vorgesehen. Dieses Modell richtete sich ausdrücklich lediglich an Mitarbeiter der Jahrgänge 1952 und jünger. Es stand unter einem doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt: Kein Arbeitnehmer musste zu den dargelegten Bedingungen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden; die Beklagte behielt sich vor, Angebote von Arbeitnehmern auf ein Ausscheiden abzulehnen. Bis zum 1. Januar 2007 hatten 5.937 Arbeitnehmer Aufhebungsverträge unterschrieben, darunter 24 Arbeitnehmer, die wie der Kläger vor dem 1. Januar 1952 geboren sind. Das ergibt sich aus einem „Flash-Report“ mit Stand vom 1. Januar 2007. Zwischen den Parteien ist streitig, zu welchen Konditionen die 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen hat, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.

3

Der Kläger erhielt das Rundschreiben von Mai 2006, aus dem sich die Einzelheiten des Abfindungsmodells ergaben, nicht. Mit Schreiben vom 13. Juni 2006 bat er unter Bezug auf dieses Rundschreiben die Beklagte darum, ihm ein „entsprechendes“ Angebot zu unterbreiten. Dem Kläger stünde nach dem von der Beklagten aufgelegten Modell bei Ausscheiden bis zum 30. September 2006 inklusive der Turbo-Prämie unstreitig eine Abfindung von 171.720,00 Euro brutto zu. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22. Juni 2006 den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung zu den im Rundschreiben niedergelegten Bedingungen ab. Sie wies auf die bei ihr bestehende tarifliche Altersteilzeitregelung hin und erklärte sich bereit, dem Kläger eine Abfindung zu zahlen, die sich an den Altersteilzeitregelungen orientierte. Nach den bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelungen darf die Altersteilzeit 24 Kalendermonate nicht unter- und 60 Kalendermonate nicht überschreiten. Während der Altersteilzeit dürfen grundsätzlich nur geringfügige Tätigkeiten unterhalb der Grenze des § 8 SGB IV ausgeübt werden.

4

In der Güteverhandlung bot die Beklagte dem Kläger eine Abfindung von 58.700,00 Euro netto an. Dieser bat daraufhin mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 um kurzfristige Mitteilung, welche Bruttoabfindung der Berechnung der Beklagten zugrunde liege, und um Übersendung der entsprechenden Berechnungen. Die Beklagte antwortete daraufhin mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 wie folgt:

        

„... teilen wir Ihnen mit, dass es uns nicht möglich ist, Ihnen eine Bruttoabfindungssumme zu nennen, weil diese abhängig vom konkreten Verdienst und den Steuerdaten Ihres Mandanten zum Auszahlungszeitpunkt ist. Die Nettosumme errechnet sich nach den Monaten bis zu einem frühestmöglichen Renteneintritt Ihres Mandanten (in diesem Fall 60 Jahre nach Altersteilzeit, also bei Austritt noch in diesem Oktober 36 Monate) und den Nettobeträgen, die er in einer Altersteilzeit monatlich lt. Zumutbarkeitstabelle erhalten würde (unter Berücksichtigung der Steuerklasse III 1.632,46 €).

        

...“

5

Ein Aufhebungsvertrag zu diesen Konditionen kam zwischen den Parteien nicht zustande.

6

Mit der am 22. September 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags unter Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro brutto.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Anspruch ergebe sich aus dem Verbot der Altersdiskriminierung. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) finde bereits Anwendung. Die Beklagte habe auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch den Abschluss des Aufhebungsvertrags zu den begehrten Bedingungen abgelehnt. Sie habe falsche Vergleichsgruppen gebildet. Zu vergleichen seien die Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung schließen wollten, und die Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis fortsetzen wollten. Die Möglichkeit, Altersteilzeit in Anspruch nehmen zu können, rechtfertige die Ungleichbehandlung der kontrahierungswilligen Arbeitnehmer der Geburtsjahrgänge 1951 und älter nicht. So könne er - unstreitig - frühestens im Jahr 2009 Altersteilzeit in Anspruch nehmen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das von der Beklagten aufgelegte Abfindungsmodell bereits abgelaufen sei. Personalabbau sei kein legitimes und angemessenes Ziel iSd. § 10 AGG.

8

Der Kläger behauptet, er werde auch gegenüber den vor dem 1. Januar 1952 geborenen 24 Arbeitnehmern ungleich behandelt, mit denen die Beklagte Aufhebungsverträge geschlossen habe. Aus dem Flash-Report ergebe sich, dass die Aufhebungsverträge zu den Bedingungen der Turbo-Prämie abgeschlossen worden seien. Andernfalls wären sie in diesem nicht aufgeführt, der sich nach seinem Sinn und Zweck lediglich auf die Turbo-Prämie beziehe. Weitere Darlegungen seien ihm nicht möglich, da ihm diese Mitarbeiter namentlich nicht bekannt seien.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.   

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 Euro beinhaltet, zu unterbreiten, sowie

        

2.   

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger dadurch entstanden sind und entstehen werden, dass die Beklagte dem Kläger wegen seines Alters keinen Aufhebungsvertrag über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2006 und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 117.720,00 Euro zuzüglich Zuschlag in Höhe von 54.000,00 Euro, insgesamt also eine Abfindung in Höhe von 171.720,00 Euro, angeboten hat.

10

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags auf den doppelten Freiwilligkeitsvorbehalt verwiesen, unter dem der Abschluss der Aufhebungsverträge im Rahmen der aufgelegten Aktion gestanden habe. Da sie das Angebot des Klägers, gegen Zahlung einer Abfindung zu den Bedingungen des Rundschreibens aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt habe, finde dieses keine Anwendung. Jedenfalls habe sie den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Für ihn sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich am vorteilhaftesten.

11

Die Beklagte hat behauptet, sie habe mit den Arbeitnehmern, die vor dem 1. Januar 1952 geboren seien, zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens kontrahiert. Sie hat insoweit drei Arbeitnehmer aus dem Werk H, in dem auch der Kläger beschäftigt war, namentlich benannt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Arbeitnehmer nicht zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden sind. Der Flash-Report werte insgesamt aus, mit wie vielen Arbeitnehmern einvernehmliche Ausscheidensregelungen getroffen worden seien.

12

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Ausschluss der vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis des 2006 aufgelegten Abfindungsmodells sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und objektiv angemessen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den 24 Arbeitnehmern, die als Angehörige des Jahrgangs 1951 und älter Aufhebungsverträge erhalten hätten. Die Beklagte biete auch älteren Arbeitnehmern Abfindungen an, wie sie es unstreitig auch beim Kläger getan habe. Deshalb reiche es aus, wenn die Beklagte lediglich bestreite, dass im Flash-Report ausschließlich Arbeitnehmer aufgeführt seien, die zu den Konditionen des Turbo-Modells ausgeschieden seien.

13

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der er ua. geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast rechtsfehlerhaft überspannt, soweit es die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verneint habe.

Entscheidungsgründe

14

Der Kläger ist im Rahmen der von der Beklagten im Jahr 2006 aufgelegten Abfindungsaktion weder wegen seines Alters diskriminiert noch von der Beklagten gleichheitswidrig benachteiligt worden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

15

A. Die Beklagte hat bei ihrer im Rahmen eines Personalabbaus durchgeführten Abfindungsaktion den Kläger nicht wegen seines Alters diskriminiert. Er hat deshalb unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf das begehrte Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro.

16

I. Die Beklagte hat den Kläger durch die Herausnahme aus dem Personenkreis, mit dem sie bereit war, den Abschluss von Aufhebungsverträgen zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai 2006 in Betracht zu ziehen, nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar benachteiligt. Bereits aus diesem Grund besteht kein Anspruch des Klägers auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags als Erfüllungsanspruch aus § 7 Abs. 1 AGG(zum Anspruch auf Abschluss eines Änderungsvertrags als vorenthaltene Leistung nach dem Rechtsgedanken des durch das AGG aufgehobenen § 611a Abs. 3 Satz 1 BGB siehe BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 48, BAGE 123, 358; zum Anspruch auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe zustehen, bei Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes siehe BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; zum Erfüllungsanspruch aus § 7 Abs. 1 AGG allg. siehe Wendeling-Schröder/Stein AGG § 7 Rn. 6; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 19 f.). Ob einem solchen Erfüllungsanspruch die Bestimmung des § 15 Abs. 6 AGG entgegenstünde, der einen Vertragsabschlusszwang als Schadenersatz bei Verstößen des Arbeitgebers gegen § 7 Abs. 1 AGG bei Begründung eines Beschäftigungs- und Berufsausbildungsverhältnisses und bei beruflichem Aufstieg ausschließt, kann deshalb dahinstehen. Vertragsänderungen und -beendigungen wie die vom Kläger verlangte werden von dieser Bestimmung jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht erfasst (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 13; für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Vereinbarung jeglichen Vertrags und jeglicher Vertragsänderung gleichwohl MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 42). Ebenso kann dahinstehen, ob ein etwaiger Kontrahierungszwang mit der durch Art. 2, 12 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit vereinbar wäre(vorsichtig bejahend ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 12 GG Rn. 31 zur Sicherung verfassungsrechtlicher Grundentscheidungen bei gesetzlicher Grundlage mwN zum Streitstand).

17

1. Nach Auffassung des EuGH ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und den die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 21 f.). Die unionsrechtliche Frage, welcher Rechtscharakter dem Verbot der Altersdiskriminierung zukommt, ist damit vom EuGH endgültig beantwortet. Dieses Verbot ist vom EuGH in den Rang eines Primärrechts erhoben worden, das unabhängig von einer nationalen Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist. Ob dieses Verbot verletzt worden ist, ließ sich angesichts seiner Unbestimmtheit bis zum Inkrafttreten des AGG nur am Maßstab der es konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG ABl. EG Nr. L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) feststellen. Seit dem 18. August 2006 ist eine Verletzung des Verbots der Altersdiskriminierung anhand des diese Richtlinie in nationales Recht umsetzenden AGG zu prüfen.

18

Auch wenn die Beklagte das Angebot des Klägers auf Kontrahierung zu den Bedingungen des Rundschreibens noch vor Inkrafttreten des AGG endgültig abgelehnt hat, ist damit die Frage, ob sie dadurch das Verbot der Altersdiskriminierung verletzt hat und der Kläger Anspruch auf Abgabe der begehrten Willenserklärung hat (§ 894 Satz 1 ZPO), am Maßstab des AGG zu beantworten. Dies gilt um so mehr, als der Kläger sein Verlangen nach einem Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Aufhebungsvertrags spätestens mit seiner der Beklagten am 29. September 2006 zugestellten Klageschrift und damit vor Ablauf der von der Beklagten für den Anspruch auf die höchste Stufe der Turbo-Prämie gesetzten Frist am 30. September 2006 wiederholt hat, der Sachverhalt also bei Inkrafttreten des AGG noch nicht abgeschlossen iSd. § 33 Abs. 1 AGG war(dazu zuletzt BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 31 ff.).

19

2. Die das Verbot der Altersdiskriminierung konkretisierende Richtlinie 2000/78/EG soll ausweislich ihres Art. 1 innerhalb der Europäischen Gemeinschaft einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes festlegen und in diesem Rahmen Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf bekämpfen. Verboten ist deshalb im hier interessierenden Zusammenhang jede unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Welches Verhalten als unzulässige Diskriminierung zu werten ist, legt Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie fest. Regelungstechnisch ist das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ein Verbot, eine differenzierende, benachteiligende Behandlung an das Alter zu knüpfen. Erfährt eine Person wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung als andere Personen in vergleichbaren Situationen, stellt eine solche Ungleichbehandlung begrifflich zunächst einmal eine „unmittelbare Diskriminierung“ iSd. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dar (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9).

20

Eine derartige Ungleichbehandlung unterliegt - anders als unmittelbare Diskriminierungen im Europarecht im Allgemeinen - jedoch nicht uneingeschränkt dem Verdikt, rechtswidrig zu sein. Das Differenzierungsmerkmal des Alters als solches besitzt nämlich im Unterschied zu den übrigen in Art. 1 der Richtlinie genannten verbotenen Anknüpfungspunkten die zur Annahme einer verbotenen Diskriminierung erforderliche abschließende Aussagekraft für sich allein genommen noch nicht. Auch bei Anknüpfung an ein solches Merkmal können die Betroffenen tatsächlich nicht nachteilig belastet sein. Alter ist eine lineare Eigenschaft, denn jeder Beschäftigte weist irgendein Alter auf, das sich auf einer horizontalen, nach Lebensjahren eingeteilten Skala entwickelt, auf der sich Abschnitte festlegen und Differenzierungen nach Altersstufen vornehmen lassen. Die anderen in Art. 1 der Richtlinie genannten Diskriminierungsmerkmale lassen sich nicht in derartigen Stufen messen und sind keiner ständigen, unausweichlichen Veränderung unterworfen, sondern - jedenfalls im Regelfall - ein für alle Mal festgelegt. Das Alter ist dagegen ein ambivalentes, relatives Differenzierungsmerkmal (Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25; Sprenger Das arbeitsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nach der Richtlinie 2000/78/EG S. 58 mwN zu Fn. 357). Von einer Altersdiskriminierung ist darum potenziell jeder Mensch betroffen. Eine bloße Differenzierung anhand des Lebensalters indiziert deshalb selbst dann, wenn sie zu einer Benachteiligung einer Personengruppe bestimmten Alters führt, eine Diskriminierung im Sinne einer rechtswidrigen Benachteiligung (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 21. Aufl. „Diskriminierung“; Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch 1981 2. Bd. S. 245 „diskriminieren“) noch nicht. Vielmehr kann es gerechtfertigt sein, eine Maßnahme altersabhängig zu gestalten. Das bringt der Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2000/78/EG zum Ausdruck, der eine Unterscheidung zwischen einer bloßen Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer zu verbietenden Diskriminierung verlangt.

21

Wegen dieser Besonderheiten des Alterskriteriums als Anknüpfungspunkt einer Diskriminierung sieht die Richtlinie 2000/78/EG abweichend von der üblichen Systematik unionsrechtlicher Diskriminierungsverbote nicht nur in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b bei mittelbaren Diskriminierungen Rechtfertigungsmöglichkeiten vor, sondern eröffnet in Art. 6 auch bei unmittelbar an das Alter anknüpfenden Maßnahmen die Möglichkeit, diese durch den Nachweis ihrer Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen(Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im Arbeitsrecht S. 355, 366 f.).

22

3. Diese Systematik der Richtlinie 2000/78/EG behält das AGG bei. Danach hat die Beklagte den Kläger schon nicht wegen seines Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar benachteiligt.

23

a) Die Beklagte hat den Kläger aus dem Kreis der Arbeitnehmer ausgenommen, mit denen sie den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den Konditionen des Rundschreibens in Erwägung gezogen hat, weil er vor dem 1. Januar 1952 geboren ist. Damit ist der Anwendungsbereich des AGG eröffnet, denn unter die Entlassungsbedingungen iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 2 AGG fallen auch Aufhebungsverträge (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 16; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 8; vgl. EuGH 16. Februar 1982 - C-19/81 - [Burton] Rn. 9, Slg. 1982, 555 für die Richtlinie 76/207).

24

b) Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die vor oder nach dem 1. Januar 1952 geboren sind, benachteiligte Arbeitnehmer wie den Kläger, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, nicht unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Solche Arbeitnehmer haben dadurch, dass sie von dem geplanten Personalabbau ausgenommen worden sind, keine weniger günstige Behandlung als jüngere Arbeitnehmer erfahren, denen das Angebot unterbreitet worden ist, zu den im Rundschreiben vom Mai 2006 genannten Bedingungen auszuscheiden, und die dieses Angebot angenommen haben. Das gilt auch dann, wenn ältere Arbeitnehmer wie der Kläger ein Angebot der Beklagten, zu den Bedingungen des Rundschreibens bis zum 30. September 2006 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, angenommen hätten.

25

aa) Ein Arbeitnehmer erfährt nicht bereits dann eine „weniger günstige Behandlung“ iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn er objektiv anders als ein älterer oder jüngerer Arbeitnehmer behandelt wird(vgl. Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 3 AGG Rn. 2; vgl. für die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 1 GG ErfK/Schmidt 10. Aufl. Art. 3 GG Rn. 34; Osterloh in Sachs Grundgesetz 5. Aufl. 2009 Art. 3 Rn. 84). Die dargelegte fehlende Eindeutigkeit des ambivalenten Diskriminierungsmerkmals „Alter“ verlangt bereits auf der Tatbestandsebene zur Feststellung einer objektiv vorliegenden Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG eine Ungleichbehandlung, die für den Betroffenen einen eindeutigen Nachteil bewirkt. Die Differenzierung zwischen unterschiedlich alten Arbeitnehmern muss sich also für eine bestimmte Altersgruppe negativ auswirken, indem sie sie zurücksetzt (Wendeling-Schröder/Stein aaO; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 2).

26

bb) Ob ein Arbeitnehmer, der von einem durch Abschluss freiwilliger Aufhebungsverträge unter Zahlung von Abfindungen durchgeführten Personalabbau wegen seines Alters ausgenommen wird, im vorstehend dargelegten Sinn eine „weniger günstige Behandlung“ erfährt als jüngere Arbeitnehmer, denen Aufhebungsverträge gegen Zahlung einer Abfindung angeboten werden, und deshalb im unionsrechtlichen Sinne zunächst unmittelbar diskriminiert wird, kann nur unter Heranziehung der Gründe beurteilt werden, die zur Aufnahme des Alters als verpöntes Differenzierungsmerkmal in die Richtlinie 2000/78/EG und damit in das AGG geführt haben.

27

(1) Ziel für die Schaffung einer Richtlinie zur einheitlichen Bekämpfung von Diskriminierungen in der Europäischen Union war es, sicherzustellen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der Personen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich einer Beschäftigung nachgeht. Ältere Menschen werden im Bereich Beschäftigung bei Arbeitsplatzverlusten, Einstellung, Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und in Bezug auf die Bedingungen für den Eintritt in den Ruhestand besonders diskriminiert (KOM [1999] 565 endgültig S. 3).

28

Diese von der Kommission in ihrem Vorschlag zum Erlass einer Gleichbehandlungsrichtlinie angeführte Zielrichtung des Schutzes und der Integration gerade älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt hat auch in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2000/78/EG Niederschlag gefunden. Nach Art. 253 EGV bedarf das gesamte Sekundärrecht der Gemeinschaft einer Begründung, die die wichtigsten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen darlegt, auf denen die Rechtshandlungen beruhen und die für das Verständnis des Gedankengangs erforderlich sind. Motive und Hintergründe, die zum Erlass der Maßnahme geführt haben, sollen durch sie transparent gemacht werden. Mitgliedsstaaten und den Gemeinschaftsrichtern dienen sie als Indikator und maßgebliche Erkenntnisquelle zur Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit einer Maßnahme (Calliess in Calliess/Ruffert EUV/EGV 3. Aufl. 2007 Art. 253 EGV Rn. 2, 6; Schwarze EU-Kommentar 2. Aufl. Artikel 253 EGV Rn. 5 f.). Erwägungsgründe stellen deshalb nicht etwa unbeachtliche Programmsätze dar, sondern geben für die Auslegung der Regelungen einer Richtlinie entscheidende Hinweise (vgl. Senat 26. Oktober 2006 - 6 AZR 307/06 - Rn. 43, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9 [insoweit in der amtl. Sammlung nicht abgedruckt]; vgl. auch BVerfG 20. September 2007 - 2 BvR 855/06 - Rn. 33, NJW 2008, 209).

29

Der Erwägungsgrund Nr. 6 nimmt auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer Bezug, in der anerkannt werde, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer Menschen und Menschen mit Behinderung seien. Der Erwägungsgrund Nr. 8 betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besonderer Aufmerksamkeit gebührt. Erwägungsgrund Nr. 11 stellt fest, dass Diskriminierungen ua. wegen des Alters die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren könnten, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz. Schließlich stellt nach dem bereits angeführten Erwägungsgrund Nr. 25 das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Nach Art. 2 Abs. 1 erster Gedankenstrich EU und Art. 2 EG zählt die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus zu den Zielen, die sowohl von der Europäischen Union als auch von der Gemeinschaft verfolgt werden(EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 64, Slg. 2007, I-8531).

30

(2) Dem Schutz älterer Menschen vor Benachteiligung im Beschäftigungsverhältnis kommt auch nach Auffassung des nationalen Gesetzgebers besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1780 S. 31, 36). Dieser hat bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG darauf abgestellt, dass es auch in Deutschland Hinweise dafür gebe, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen schlechtere Chancen im Arbeitsleben als andere hätten. Insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderte und ältere Menschen seien schlechter in die Arbeitswelt eingebunden. Menschen über 55 und unter 20 Jahren arbeiteten überdurchschnittlich häufig in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Die Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen gehe drastisch zurück. Bei Männern falle sie zwischen 55 und 64 Jahren von 82,1 % auf 27 %. Diese soziale Lage könne zwar nicht allein mit gesetzlichen Benachteiligungsverboten verbessert werden, mache aber deutlich, dass auch in Deutschland diese Personengruppen besonderen Schutzes bedürften (BT-Drucks. 16/1780 S. 23 bis 25).

31

(3) Schutz und Integration älterer Arbeitnehmer stehen somit im Vordergrund der mit der Richtlinie 2000/78/EG und dem AGG verfolgten Ziele, soweit diese die Diskriminierung wegen des Alters verbieten (vgl. ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 67). Dies wird auch daran deutlich, dass die in Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen wegen des Alters, soweit sie in Abs. 1 Satz 2 Buchst. a die Entlassungsbedingungen ausdrücklich ansprechen, den Schutz älterer Arbeitnehmer verstärken und nicht etwa schwächen sollen (Schlachter Altersgrenzen und Alterssicherung im Arbeitsrecht S. 355, 369 f.).

32

Zwar ist unbestritten auch die Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer durch die Richtlinie 2000/78/EG untersagt (Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 66; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 11; Linsenmaier RdA 2003 Sonderbeilage Heft 5 S. 22, 25; zu einer Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer durch ein Punkteschema bei Versetzungen vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - DB 2010, 397). Gleichwohl darf die oben dargestellte Hauptzielrichtung der Richtlinie bei der Auslegung des § 3 AGG nicht unbeachtet bleiben.

33

cc) Angesichts dieser Zielrichtung der das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung konkretisierenden Richtlinie 2000/78/EG und des diese umsetzenden AGG werden ältere Arbeitnehmer, die ein Arbeitgeber generell von einem Personalabbau ausnimmt, auch dann nicht iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar gegenüber jüngeren Arbeitnehmern benachteiligt, wenn der Personalabbau durch freiwillige Aufhebungsverträge unter Zahlung attraktiver Abfindungen erfolgen soll. Bei Anlegung des von der Richtlinie 2000/78/EG und des AGG geforderten objektiven Maßstabes zur Beurteilung einer Benachteiligung (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 3; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 4; aA wohl Schleusner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 12) werden ältere Arbeitnehmer durch die Herausnahme aus dem Personalabbau gegenüber jüngeren Arbeitnehmern, die unter Zahlung einer Abfindung freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden können und sich neue Erwerbschancen suchen müssen, im Regelfall nicht weniger günstig behandelt. Im Gegenteil ist der Zweck des Diskriminierungsverbots wegen des Alters grundsätzlich gerade durch den weiteren Verbleib älterer Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis verwirklicht. Diese stehen dadurch nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis, das bei Vorliegen der Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes bestandsgeschützt ist. Sie erhalten so bei typisierender Betrachtung aus der ex ante-Perspektive die Chance, bis zum Eintritt in den Ruhestand bzw. bis zum Erreichen der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Altersgrenze erwerbstätig zu bleiben. Dass in Einzelfällen Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen vor Erreichen der Altersgrenze ausscheiden oder später aus betriebsbedingten Gründen doch ihren Arbeitsplatz verlieren, muss dabei außer Betracht bleiben. Auch die subjektive Einschätzung einzelner älterer Arbeitnehmer, es sei für sie wirtschaftlich attraktiver, unter Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden als im Arbeitsverhältnis zu verbleiben - etwa in der Hoffnung oder Erwartung, sich neue Einkommensquellen zu erschließen -, kann nach dem Regelungszweck des AGG, der mit dem der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang steht, eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht begründen(vgl. bereits Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 31, NZA 2010, 273). Das Verbot der Altersdiskriminierung zwingt deshalb Arbeitgeber im Rahmen eines von ihnen geplanten Personalabbaus im Regelfall nicht dazu, auf Verlangen älterer Arbeitnehmer mit diesen einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung zu schließen.

34

II. Jedenfalls war die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus der von der Beklagten im Jahr 2006 vorgenommenen Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt iSd. § 10 AGG.

35

1. § 10 AGG hat Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtskonform umgesetzt. Der Gesetzgeber hat die möglichen Rechtfertigungsgründe zunächst in § 10 Satz 1 und 2 AGG in Form einer Generalklausel umschrieben, die mit der des Art. 6 Abs. 1 nahezu wortgleich ist. In § 10 Satz 3 AGG sind dann sechs nicht abschließende Anwendungsfälle von denkbaren Rechtfertigungen aufgeführt(vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur weitergehenden Festlegung von rechtfertigenden Zielen war der nationale Gesetzgeber nicht verpflichtet. Die Mitgliedstaaten sind durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht gezwungen, einen abschließenden Katalog rechtfertigender Ausnahmen aufzustellen. Die darin genannten Ziele sind nicht abschließend, sondern haben nur Hinweischarakter (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 43, 52, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 49, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31).

36

Auch die Generalklausel in § 10 Satz 1 und 2 AGG ist unionsrechtskonform. Der Gesetzgeber kann über eine solche Regelung Tarif-, Betriebsparteien oder auch einzelnen Arbeitgebern Ermessens- und Gestaltungsbefugnisse bei der Festlegung von Zielen, die als rechtmäßig iSv. Art. 6 der Richtlinie angesehen werden können, einräumen und damit den Arbeitgebern bei der Verfolgung der in der Umsetzungsnorm genannten rechtmäßigen Ziele eine gewisse Flexibilität gewähren(vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; Schlussantrag des Generalanwalts Mazák vom 23. September 2008 - C-388/07 - Rn. 83; Sprenger EuZA 2009, 355, 358; vgl. für Tarifvertrags- und Betriebsparteien BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 50, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12; 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 38, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Dies hat der nationale Gesetzgeber getan, der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch einzel- und kollektivvertragliche Regelungen einer Rechtfertigung über die Generalklausel zugänglich machen will (BT-Drucks. 16/1780 S. 36).

37

2. Die von der Beklagten vorgenommene Maßnahme unterfällt keinem der Regelbeispiele in § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG. Das in Nr. 6 dieser Norm aufgeführte Regelbeispiel ist nicht analog auf einzelvertragliche Abfindungsregelungen anzuwenden (aA Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 59; für eine Ausdehnung nur auf freiwillige Sozialpläne und bei Sozialplänen nach dem Personal- oder Mitarbeitervertretungsrecht Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 61; der Senat hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2009 - 6 AZR 561/08 - Rn. 30 die für Sozialpläne geltenden Grundsätze des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG auch auf eine von einer paritätisch besetzen Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission beschlossene kirchliche Arbeitsvertragsregelung angewandt). Nach dem eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut dieser Vorschrift sind davon nur kollektivrechtlich vereinbarte Leistungen erfasst. Es fehlt zudem bereits an der für eine analoge Anwendung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG erforderlichen Regelungslücke. Einzelvertragliche Abfindungsregelungen unterfallen der Generalklausel in § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG.

38

3. Die Maßnahme der Beklagten ist nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt.

39

a) Kommt die Generalklausel des § 10 Satz 1 und 2 AGG zur Anwendung, müssen die nationalen Gerichte feststellen, ob generell-abstrakte Regelungen, die an das Alter anknüpfen und zu einer Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG führen, durch rechtmäßige Ziele im Sinne dieser Generalklausel gerechtfertigt sind. Sie haben sicherzustellen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters nicht ausgehöhlt wird. Deshalb genügen allgemeine Behauptungen, dass eine bestimmte Maßnahme geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen, nicht zur Darlegung eines legitimen Ziels iSd. § 10 AGG. Vielmehr müssen zumindest aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen, um die Rechtmäßigkeit, die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können als rechtmäßig nur Ziele angesehen werden, die als sozialpolitische Ziele im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 45 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 9; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 36 ff., AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 31). Inwieweit danach auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen Berücksichtigung finden können (bejahend BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53 mwN zum Streitstand in Rn. 45 ff., EzA AGG § 15 Nr. 1), kann dahinstehen, weil die Beklagte solche nicht anführt.

40

b) Danach war hier der Ausschluss der Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, aus der Personalabbaumaßnahme gerechtfertigt. Die Beklagte hat diese älteren Arbeitnehmer aus der Personalabbaumaßnahme ausgenommen und hat ihnen mit der bei ihr geltenden Altersteilzeitregelung einen gleitenden Übergang in die Altersrente ermöglicht (vgl. § 1 Abs. 1 AltTZG). Sie hat damit dem Personenkreis, dem der Kläger angehört, die weitere Teilnahme am Erwerbsleben ermöglicht. Dies ist ein legitimes beschäftigungspolitisches Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG, das sich mit dem dargelegten Regelungsziel der Richtlinie 2000/78/EG und des diese umsetzenden AGG deckt und deshalb die Herausnahme älterer Arbeitnehmer aus dem Personenkreis, mit dem die Beklagte den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Zahlung von Abfindungen auf freiwilliger Basis zum Zwecke des Personalabbaus in Betracht gezogen hat, sachlich rechtfertigt(zum Verständnis der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 10 Satz 1 AGG BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, EzA AGG § 15 Nr. 1). Zur Erreichung dieses Ziels einer weiteren Integration älterer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben war der Ausschluss älterer Arbeitnehmer aus dem Personalabbau auch ein verhältnismäßiges Mittel iSd. § 10 Satz 2 AGG.

41

III. Würde dem Arbeitgeber wegen des Verbots der Altersdiskriminierung generell untersagt, ältere Arbeitnehmer aufgrund der typisierenden und pauschalierenden Annahme, dass diesem Personenkreis der Verbleib im Erwerbsleben ermöglicht werden solle, generell von einem Personalabbau durch freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auszunehmen, würde dies auch zu unüberbrückbaren Wertungswidersprüchen und Brüchen in der Systematik des nationalen Vertragsrechts führen. Dass die Arbeitsvertragsparteien in Wahrnehmung ihrer auch verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie die freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung vereinbaren können, steht außer Zweifel. Letzten Endes geht es darum, den von beiden Seiten für angemessen gehaltenen Preis für ein „Abkaufen“ des Bestandsschutzes zu ermitteln. Folgte man jedoch der Rechtsauffassung des Klägers, wäre dem Arbeitgeber die Ablehnung des Angebots des kontrahierungswilligen Arbeitnehmers verwehrt. Ein derartiger Kontrahierungszwang würde im Ergebnis jeden Personalabbau durch freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung unmöglich machen, weil das zur Verfügung stehende Abfindungsvolumen überwiegend von älteren Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden würde, ohne dass der Arbeitgeber das mit dem geplanten Personalabbau verfolgte Ziel einer Kostenersparnis tatsächlich erreicht.

42

IV. Die zu I. und II. dargestellten Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG sind, soweit sie nicht ohnehin offenkundig sind, durch die angeführte jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, so dass ein erneutes Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 Abs. 3 EGV nicht erforderlich war(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - Ls. 4, Slg. 1982, 3415, 3429; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151).

43

B. Der Kläger hat auch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung von 171.720,00 Euro.

44

I. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der ungeachtet seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird, knüpft an eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers an. Er gebietet diesem, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regelung gleich zu behandeln. Er verbietet somit nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz jedoch, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell vereinbart werden. Insoweit genießt die Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz (st. Rspr., zuletzt Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, NZA 2010, 273).

45

II. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

46

1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Kläger wie alle anderen Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, aus dem Personenkreis, dem sie angeboten hat, zu den Bedingungen des Rundschreibens Stand Mai 2006 auszuscheiden, von vornherein ausgenommen hat. Dieser Grundsatz findet keine Anwendung, wenn ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses unter Zahlung von Abfindungen trifft. Dies gilt auch dann, wenn die Abfindungen dem Grunde und der Höhe nach in einer Betriebsvereinbarung oder wie hier in einem von der Beklagten aufgestellten Regelungsplan festgelegt sind. Die Beklagte hat sich ausdrücklich vorbehalten, in jedem Einzelfall darüber zu entscheiden, ob sie Angebote von Arbeitnehmern auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den im Rundschreiben von Mai 2006 dargestellten Bedingungen annehmen will. In einem solchen Fall fehlt es bereits an einer verteilenden Entscheidung des Arbeitgebers nach einer von ihm selbst aufgestellten Regel (vgl. Senat 17. Dezember 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 30, NZA 2010, 273). Auf die vom Kläger angezogene Entscheidung (BAG 18. September 2007 - 9 AZR 788/06 - AP BGB § 307 Nr. 29 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 15) kommt es deshalb nicht an.

47

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung mit den 24 Arbeitnehmern, die wie er vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, und mit denen die Beklagte unstreitig bis zum 31. Dezember 2006 Aufhebungsverträge abgeschlossen hat. Er hat nicht dargelegt, dass die Konditionen der mit diesen Arbeitnehmern vereinbarten Aufhebungsverträge den Bedingungen, wie sie die Beklagte im Rundschreiben vom Mai 2006 festgelegt hat, entsprechen und die Beklagte sich insoweit an die von ihr selbst gesetzte Regelung nicht gehalten, sondern eine neue, wiederum generalisierende Regelung geschaffen hat, mit einer Mehrzahl kontrahierungswilliger Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, einen Aufhebungsvertrag zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 zu schließen.

48

a) Die Beklagte hat dargelegt, dass sie mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern zu den Bedingungen, wie sie sie auch dem Kläger mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 angeboten hat, kontrahiert hat. Damit hat sie der ihr obliegenden Verpflichtung, die Gründe für eine Differenzierung zwischen beiden Arbeitnehmergruppen offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht (BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20), genügt. Der Kläger hätte nunmehr seine Behauptung, dieser Vortrag der Beklagten sei inhaltlich unzutreffend, näher begründen müssen. Dies ist nicht hinreichend geschehen. Darauf hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgestellt.

49

aa) Die bloße Aufnahme der 24 Arbeitnehmer in den Flash-Report lässt entgegen der Auffassung des Klägers keinen Rückschluss darauf zu, dass die Aufhebungsverträge auch dieser älteren Arbeitnehmer zu den von ihm begehrten Konditionen geschlossen worden sind. Dieser Report gibt laut seiner S. 1 den „Realisierungsstand der abgeschlossenen Aufhebungsverträge“ wieder. Ausgehend vom Ziel der Abfindungsaktion, zur Kostensenkung Personal abzubauen, ist es folgerichtig, sämtliche Arbeitnehmer, die anlässlich dieser Aktion bis zu dem gewünschten Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, im Report aufzuführen, auch soweit Aufhebungsverträge zu anderen Konditionen als denen des Rundschreibens von Mai 2006 geschlossen worden sind.

50

bb) Auch die auf S. 5 des Flash-Reports erfolgte „Aufteilung abgeschlossener Aufhebungsverträge“ spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht für seine Behauptung, sondern im Gegenteil gegen diese. Der Flash-Report wertet dort unter Aufschlüsselung nach Entgeltstufen und Dauer der Betriebszugehörigkeit aus, wie hoch der Anteil angeschriebener Arbeitnehmer ist, die tatsächlich einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer unstreitig nicht von der Beklagten angeschrieben worden sind. Gleichwohl sind Basis auch dieser Statistik alle bis zum 31. Dezember 2006 geschlossenen 5.937 Aufhebungsverträge einschließlich der auf S. 11 des Flash-Reportsausgewiesenen 24 Verträge, die mit vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern geschlossen worden sind. Aussagen zu den Konditionen der Aufhebungsverträge lassen sich damit S. 5 des Flash-Reports nicht entnehmen, sondern nur das Bemühen der Beklagten, alle bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossenen Aufhebungsverträge statistisch zu erfassen und zu bewerten.

51

cc) Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers, Abfindungen an ältere Arbeitnehmer seien stets netto gezahlt worden, kein schlüssiges Indiz für seine Behauptung, die Konditionen der 24 auf S. 11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge entsprächen denen des Rundschreibens. Der Kläger nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf das Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2006,aus dem sich lediglich ergibt, dass sie im konkreten Fall des Klägers eine Nettoabfindung errechnet hat, weil ihr mangels der erforderlichen Daten die Ermittlung einer Bruttoabfindung nicht möglich war.

52

b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast nicht überspannt. Es hat vielmehr zu Recht vom Kläger verlangt, weitere Indizien vorzutragen, aus denen geschlossen werden könne, dass seine Behauptung, die Beklagte habe auch mit 24 älteren Arbeitnehmern zu den Bedingungen des Rundschreibens vom Mai 2006 kontrahiert, richtig sei. Trotz des unstreitigen Umstands, dass der Kläger die Bedingungen der 24 auf S. 11 des Flash-Reports aufgeführten Aufhebungsverträge, die mit vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern geschlossen sind, nicht kennt und keine Einsicht in die Personalunterlagen hat, war die Beklagte nicht zu weitergehendem Vortrag verpflichtet.

53

aa) Allerdings genügt nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast das einfache Bestreiten des Gegners der primär darlegungspflichtigen Partei nicht, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, der Gegner dagegen alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind. In diesen Fällen kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 16, NJW 2008, 982; BAG 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38, BAGE 124, 48). Der Gegner der primär darlegungs- und beweispflichtigen Partei muss deren Vortrag also positive Gegenangaben gegenüberstellen (Stein/Jonas/Leipold 22. Aufl. § 138 Rn. 36 f.; umfassend zu den Modifizierungen der Darlegungslast unter dem Gesichtspunkt der sekundären Behauptungslast Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. Vor § 284 Rn. 34 ff.).

54

Diesen Anforderungen hat die Beklagte genügt. Sie hat vorgetragen, dass sie mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge zu den Bedingungen geschlossen habe, wie sie sie auch dem Kläger angeboten hat . Sie hat diesen Vortrag mit der namentlichen Benennung von drei Arbeitnehmern, die wie der Kläger im Werk H beschäftigt und im Flash-Report erfasst seien, untermauert. Unstreitig sind diese Arbeitnehmer tatsächlich zu anderen Bedingungen als denen des Abfindungsmodells des Jahres 2006 ausgeschieden. Ebenso unstreitig hat die Beklagte jedenfalls dem Kläger lediglich die Konditionen angeboten, zu denen sie nach ihrem Vortrag mit den 24 älteren Arbeitnehmern kontrahiert hat. Sie hat damit den vom Kläger behaupteten Sachverhalt hinreichend substantiiert bestritten.

55

Weitergehende Vortragspflichten trafen die Beklagte aufgrund des Grundsatzes der sekundären Behauptungslast nicht. Insbesondere verlangen diese vom Gegner der beweispflichtigen Partei nicht die Preisgabe von Namen und ladungsfähiger Anschrift von (potentiellen) Zeugen. Dass die Beklagte die 24 Arbeitnehmer nicht namentlich benannt hat, hatte deshalb entgegen der Auffassung des Klägers nicht zur Folge, dass sein Vortrag, diese Arbeitnehmer seien zu den Bedingungen des Rundschreibens von Mai 2006 ausgeschieden, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen war(vgl. BGH 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - Rn. 18 f., NJW 2008, 982).

56

bb) Die Zivilprozessordnung kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende - allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Dass im Zivilprozess die Wahrheitspflicht wesentliche Bedeutung hat, erlaubt nicht den Schluss, die Parteien seien generell zu dem Verhalten verpflichtet, das am besten der Wahrheitsfindung dient. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindert den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Im Grundsatz gilt, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen prozessuales Obsiegen zu verschaffen (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55, 58 f.; BGH 11. Juni 1990 - II ZR 159/89 - NJW 1990, 3151).

57

Ohnehin ist außer einem ausdrücklichen Geständnis der Beklagten kein Vortrag erkennbar, der dem Kläger die weitere Substantiierung seiner Behauptung, die Aufhebungsverträge mit den 24 vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern seien zu denselben Bedingungen wie die der 5.913 bis zum 31. Dezember 2006 ausgeschiedenen jüngeren Arbeitnehmer geschlossen, ermöglichen würde. Trüge die Beklagte die Namen und Konditionen von 21 weiteren vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern vor, mit denen sie 2006 Aufhebungsverträge geschlossen hat, könnte der Kläger ebenso, wie er es bereits bei den drei von der Beklagten namentlich benannten Arbeitnehmern des Werks H getan hat, einwenden, dass deren Aufhebungsverträge nicht im Flash-Report aufgeführt seien. Legte die Beklagte - unter Hintanstellung datenschutzrechtlicher Bedenken - alle 5.937 von ihr bis zum 31. Dezember 2006 geschlossenen Aufhebungsverträge vor, wären davon 24 mit Arbeitnehmern geschlossen, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, und würden diese Verträge andere Konditionen als die im Rundschreiben vom Mai 2006 genannten aufweisen, könnte der Kläger ebenfalls einwenden, dass dies nicht die Verträge der 24 im Flash-Report aufgeführten Arbeitnehmer seien.

58

c)  Das Landesarbeitsgericht hat auch seine Hinweispflicht aus § 139 ZPO entgegen der Aufklärungsrüge der Revision nicht verletzt. Zum einen hatte es bereits laut Protokoll vom 4. Februar 2008 auf seine Auffassung hingewiesen, der Kläger habe konkret vorzutragen, zu welchen Bedingungen die Arbeitnehmer, die älter als 55 Jahre gewesen seien, aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden seien. Zum anderen war der vom Kläger auf den vermissten Hinweis gehaltene Vortrag, den er in der Revisionsbegründung mitgeteilt hat, nicht entscheidungserheblich. Wie ausgeführt, ändert der Umstand, dass der Kläger die 24 im Flash-Report aufgeführten, vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmer nicht kennt und unter der Vielzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer auch nicht ausfindig machen kann, nichts daran, dass er seiner Darlegungslast nicht genügt hat.

59

C. Der Antrag auf Feststellung einer künftigen Schadenersatzpflicht ist aus den dargelegten Gründen unbegründet.

60

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    Schmidt    

        

    B. Stang    

        

        

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 9. Juni 2008 - 2 Sa 265/08 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2005 zu erhöhen.

2

Der 1939 geborene Kläger war seit dem 1. Mai 1967 bei der Beklagten beschäftigt. Er schied aufgrund Aufhebungsvereinbarung vom 21. Juni 1991 mit Ablauf des 30. Juni 1991 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und wechselte zu einem anderen Arbeitgeber.

3

Die Beklagte ist Mitglied des Essener Verbandes. Sie hatte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Leistungsordnung (im Folgenden: LO) dieses Verbandes zugesagt.

4

In der LO „A“ idF vom 1. Januar 2004 heißt es auszugsweise:

        

„VORWORT

        

Die Leistungsordnung ‚A’ des Essener Verbandes gilt für diejenigen weiblichen und männlichen Angestellten, die von dem Mitglied des Verbandes tatsächlich bis zum 31.12.1988 zum Essener Verband angemeldet worden sind (Angestellte), sowie für Leistungsfälle, denen eine solche Anmeldung zugrunde gelegen hat.

        

Zweck dieser Leistungsordnung ist es, Angestellten, deren Gehälter dauerhaft und erheblich die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigen, eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren.

        

…       

        

TEIL I

        

Leistungen an Angestellte, die bis zum Eintritt des Leistungsfalles in einem Dienstverhältnis zu einem Mitglied des Essener Verbandes gestanden haben, und an deren Hinterbliebene

        

§ 1     

        

Leistungen

        

Leistungen im Sinne dieser Leistungsordnung sind:

        

a)    

Ruhegeld,

        

b)    

Hinterbliebenenbezüge.

        

§ 2     

        

Voraussetzungen für das Ruhegeld

        

(1)     

Ruhegeld erhält ein Angestellter, der aus dem Dienst des Mitglieds ausscheidet, weil er

                 

a)    

dienstunfähig ist oder

                 

b)    

das 65. Lebensjahr vollendet hat oder

                 

c)    

Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch nimmt.

        

…       

                 
        

§ 3     

        

Berechnung des Ruhegeldes

        

(1)     

Das Ruhegeld richtet sich unter Anwendung der Bestimmungen der §§ 7 und 8 nach

                 

a)    

den einzelnen Gruppen, zu denen der Angestellte angemeldet worden ist,

                 

b)    

den bei Eintritt des Leistungsfalles geltenden Gruppenbeträgen, die bei einer wesentlichen Verminderung der Dienstbezüge in der dem Verband angeschlossenen Industrie entsprechend herabgesetzt werden können,

                 

c)    

den Dienstjahren, die gemäß der Anmeldung in den einzelnen Gruppen zu berücksichtigen sind (Dienstjahre).

                 

Veränderungen der Gruppenbeträge und Dienstjahre nach Vollendung des 65. Lebensjahres bleiben unberücksichtigt.

        

…       

        
        

(3)     

Das Ruhegeld beträgt für jedes zu berücksichtigende Dienstjahr 4 vH des Betrages der Gruppe, zu der der Angestellte jeweils angemeldet worden ist; tritt der Leistungsfall wegen Dienstunfähigkeit oder Tod ein, beträgt das Ruhegeld jedoch mindestens 30 vH der höchsten individuellen Gruppe.

        

…       

        
        

§ 9     

        

Neuberechnung und Anpassung der Zahlbeträge

        

…       

        
        

(2)     

Die Zahlbeträge werden vom Verband regelmäßig überprüft und gegebenenfalls den veränderten Verhältnissen angepasst.

        

TEIL II

        

Leistungen an vorzeitig ausgeschiedene Angestellte und an deren Hinterbliebene

        

§ 10   

        

Unverfallbarkeit

        

(1)     

Endet das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit dem Mitglied vor Eintritt des Leistungsfalles, bleibt die Versorgungsanwartschaft zu einem Teil erhalten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung erfüllt sind.

        

…       

        
        

§ 11   

        

Höhe der unverfallbaren Anwartschaft

        

(1)     

Die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft errechnet sich nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung.

        

(2)     

Bei der Berechnung der Teil-Anwartschaft ist sowohl für das Ruhegeld als auch für die zu berücksichtigenden anderen Leistungen von den Werten auszugehen, die sich auf der Grundlage der im Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden tatsächlichen Bemessungsgrundlagen ergeben. …

        

(3)     

Ab Eintritt des Leistungsfalles werden die Leistungen durch das Mitglied nach § 16 BetrAVG überprüft.

        

…“    

5

Seit dem 1. Januar 2002 bezieht der Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente iHv. 484,40 Euro. Während die Ruhegeldbezüge derjenigen Mitarbeiter, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren, in der Folgezeit aufgrund entsprechender Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes mehrfach erhöht wurden, und zwar ab dem 1. Januar 2005 um 0,75 %, ab dem 1. Januar 2006 um 1,5 % und ab dem 1. Januar 2007 um 2 %, passte die Beklagte die Betriebsrente des Klägers nicht nach § 16 BetrAVG an.

6

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 forderte der Kläger den Essener Verband und mit Schreiben vom 23. November 2006, 21. Januar 2007, 4. März 2007, 3. April 2007 sowie vom 1. Juni 2007 die Beklagte ergebnislos zur Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG auf. In seinem Schreiben vom 4. März 2007 wies er zudem auf die Anpassungen hin, die bei denjenigen Mitarbeitern vorgenommen worden waren, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren. Mit seinem Schreiben vom 1. Juni 2007 verlangte er, so wie diese Betriebsrentner gestellt zu werden. Die Beklagte lehnte eine Betriebsrentenanpassung unter Hinweis auf ihre wirtschaftliche Lage ab.

7

Der Verbraucherpreisindex für Deutschland belief sich im Januar 2002 auf 102,9 und im Januar 2005 auf 106,9 Prozentpunkte. Ausweislich der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Jahrbücher für die Jahre 1998 bis 2008 erzielten die öffentlichen Anleihen in den Jahren 1997 bis 2007 folgende Umlaufrenditen:

        

1997   

5,1 % 

        

1998   

4,4 % 

        

1999   

4,3 % 

        

2000   

5,3 % 

        

2001   

4,7 % 

        

2002   

4,6 % 

        

2003   

3,8 % 

        

2004   

3,7 % 

        

2005   

3,2 % 

        

2006   

3,7 % 

        

2007   

4,3 %.

8

Mit seinen Hauptanträgen zu 1. und 2. hat der Kläger von der Beklagten eine Gleichstellung mit den Mitarbeitern verlangt, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Mit seinem Hilfsantrag hat er eine Anpassung seiner Betriebsrente an den Kaufkraftverlust gem. § 16 BetrAVG begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, für die in der LO enthaltene Differenzierung zwischen den Betriebsrentnern, die bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verblieben sind und die deshalb unter Teil I § 9 Abs. 2 LO fallen, und denjenigen, die vor Eintritt des Versorgungsfalls mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden sind und deshalb nach Teil II § 11 Abs. 3 LO nur Anspruch auf Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG haben, bestehe kein sachlicher Grund. Der mit der Leistung verfolgte Zweck, die Betriebstreue zu fördern, rechtfertige die Gruppenbildung nicht. Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung seien Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung. Die unterschiedlichen Anpassungsregularien stellten zudem eine nach dem AGG unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar. Für das Jahr 2005 habe er demnach Anspruch auf eine Betriebsrente iHv. 488,03 Euro, für das Jahr 2006 iHv. 495,35 Euro und für das Jahr 2007 iHv. 505,26 Euro monatlich. Jedenfalls sei seine Betriebsrente zum 1. Januar 2005 nach § 16 BetrAVG entsprechend der Geldentwertungsrate anzupassen. Die Beklagte könne eine Anpassung nicht unter Hinweis auf ihre wirtschaftliche Lage ablehnen. Sie sei ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Sie habe weder den Kapitalbedarf für die Anpassungen nach § 16 BetrAVG dargelegt noch vorgetragen, in welchem Volumen die Betriebsrenten der Arbeitnehmer, die mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren, angepasst wurden. Im Übrigen rechtfertigten die Geschäftsberichte die Annahme, dass die Beklagte durch eine Anpassung der Betriebsrente nicht überfordert werde.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 362,70 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2007 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Oktober 2007 über die monatlich gezahlten 484,40 Euro hinaus monatlich weitere 20,86 Euro, also insgesamt 505,26 Euro/Monat zu zahlen,

        

hilfsweise

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 677,88 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18,83 Euro netto seit dem 1. Januar 2005 und aus jeweils weiteren 18,83 Euro netto seit dem 1. des jeweiligen Folgemonats, beginnend mit dem 1. Februar 2005 und endend mit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne keine Gleichbehandlung mit denjenigen Mitarbeitern verlangen, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausgeschieden seien. Ein Anspruch folge weder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus dem AGG, das im Übrigen wegen § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG keine Anwendung finde. Die unterschiedlichen Betriebsrentenanpassungsregularien seien sachlich gerechtfertigt. Mit der Versorgungszusage sei es ihr nicht nur darum gegangen, langjährige Betriebstreue zu honorieren, sondern auch einen Anreiz für künftige Betriebstreue zu schaffen. Sie habe verhindern wollen, dass Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis von sich aus vorzeitig beenden und die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen anderweitig verwenden. Die unterschiedlichen Betriebsrentenanpassungsmechanismen der LO führten auch nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung wegen des Alters. Eine Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG habe ihre wirtschaftliche Lage nicht zugelassen.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage hat weder mit den Hauptanträgen noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

14

A. Die Klage ist mit den Hauptanträgen zu 1. und 2. unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 um 0,75 %, für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 um 1,5 % und für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 um 2 % entsprechend den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes.

15

I. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht unmittelbar auf § 9 Abs. 2 LO iVm. den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes stützen.

16

1. Auf den Kläger findet die LO in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung Anwendung.

17

Zwar hat die Beklagte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur nach der LO des Essener Verbandes und nicht nach Maßgabe der LO in ihrer jeweiligen Fassung zugesagt. Mit dieser Formulierung wurde aber die jeweils geltende Fassung der LO in Bezug genommen. Dynamische Verweisungen sind die Regel. Sie stellen eine einheitliche Behandlung aller Versorgungsberechtigten sicher und dienen den Interessen sowohl des Arbeitgebers als auch der Versorgungsberechtigten. Statische Verweisungen und die damit verbundene Zementierung bestimmter Versorgungsregelungen sind demgegenüber die Ausnahme. Deshalb müssen sie deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Diese Auslegungsregel gilt vor allem dann, wenn die Bestimmungen eines Verbandes angewandt werden sollen, der für einen ganzen Wirtschaftszweig einheitliche Versorgungsbedingungen schaffen will. Ebenso wie der Bochumer Verband verfolgt auch der Essener Verband das Ziel, die Versorgungsleistungen der angeschlossenen Unternehmen zu vereinheitlichen (vgl. BAG 8. Juni 1999 - 3 AZR 113/98 - zu B II 1 a der Gründe mwN). Die LO soll aktive Arbeitnehmer und Ruheständler erfassen. Daraus folgt, dass der betriebliche Versorgungsanspruch einheitlich nach der letzten Fassung der LO bestimmt werden soll (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 553/08 - Rn. 25 mwN).

18

2. Da der Kläger vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden ist, wird er nicht von Teil I der LO erfasst und kann damit nicht nach § 9 Abs. 2 LO eine Anpassung seiner Betriebsrente entsprechend den Beschlüssen des Essener Verbandes verlangen. Auf ihn findet vielmehr der in Teil II der LO enthaltene § 11 Abs. 3 LO Anwendung, wonach die Leistungen ab Eintritt des Leistungsfalls durch das Mitglied nach § 16 BetrAVG überprüft werden.

19

II. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf § 9 Abs. 2 LO iVm. den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 AGG stützen(zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 iVm. § 8 Abs. 2 AGG als Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten vgl. BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45, BAGE 125, 133). Die in der LO im Hinblick auf die Anpassung der Betriebsrenten enthaltene Differenzierung zwischen den Mitarbeitern, deren Anspruch auf Anpassung sich nach § 9 Abs. 2 LO iVm. den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes richtet, und denjenigen, die einen Anspruch auf Anpassung des Ruhegelds gemäß § 11 Abs. 3 LO nach den unternehmensbezogenen gesetzlichen Vorgaben des § 16 BetrAVG haben, und der damit einhergehende Ausschluss der vorzeitig Ausgeschiedenen von einer Anpassung der Betriebsrente nach den Regularien des Essener Verbandes hält einer Überprüfung anhand des AGG stand. Die Differenzierung bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

20

1. Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält(BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22 ff., BAGE 125, 133; 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 62, EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14). Die Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes über die Unverfallbarkeit betreffen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die in der LO enthaltenen Regelungen über die Dynamisierung laufender Ruhegelder. Insbesondere erstreckt sich die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 BetrAVG nicht auf die Entwicklung der Betriebsrente nach Eintritt des Versorgungsfalls, sondern bezieht sich nur auf den Zeitraum zwischen dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und dem Eintritt des Versorgungsfalls(vgl. BAG 21. August 2007 - 3 AZR 330/06 - Rn. 29, EzA BetrAVG § 16 Nr. 51).

21

2. Das AGG ist - jedenfalls für die Zeit ab dem 18. August 2006 - auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar.

22

Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner existierte. Dabei ist nicht erforderlich, dass zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber bei Inkrafttreten des AGG noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Es genügt vielmehr, wenn der Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden oder Betriebsrentner ist und das damit begründete Rechtsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. bestand (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 63 mwN, EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind beim Kläger, der seit dem 1. Januar 2002 von der Beklagten eine Betriebsrente bezieht, jedenfalls für Ansprüche für die Zeit nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 - BGBl. I S. 1897) erfüllt.

23

3. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sind etwaige Ansprüche des Klägers nicht nach § 15 Abs. 1 und 4 AGG verfallen. Der Kläger verlangt eine Gleichbehandlung mit denjenigen Betriebsrentnern, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, nicht im Wege des Schadensersatzes nach § 15 Abs. 1 AGG. Er macht vielmehr einen auf § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 AGG iVm. § 9 Abs. 2 LO gestützten Erfüllungsanspruch geltend.

24

4. Die in der LO enthaltene Differenzierung zwischen den Mitarbeitern, deren Anpassungsanspruch sich nach § 9 Abs. 2 LO nach den Regularien des Essener Verbandes richtet, und denjenigen Mitarbeitern, die einen Anspruch auf Anpassung des Ruhegelds gemäß § 11 Abs. 3 LO nach den unternehmensbezogenen gesetzlichen Vorgaben des § 16 BetrAVG haben, hält einer Überprüfung anhand des AGG stand. Sie bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

25

a) Die Differenzierung führt nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Weder § 9 Abs. 2 noch § 11 Abs. 3 LO knüpfen an ein bestimmtes Lebensalter an; sie stützen sich auch nicht unmittelbar auf ein Kriterium, das untrennbar mit dem Alter verbunden ist (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17). Anknüpfungstatbestand ist vielmehr der Zeitpunkt des Ausscheidens. In der LO wird insoweit unterschieden zwischen den Mitarbeitern, die bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verblieben sind, und denjenigen, die vorzeitig mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschieden sind. Dabei kennt die LO nicht nur den Versorgungsfall des Erreichens der festen Altersgrenze von 65 Jahren (§ 2 Abs. 1 Buchst. b LO), sondern auch andere Versorgungsfälle, so den Versorgungsfall der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Abs. 1 Buchst. c LO), bei dem nur mittelbar auf die ua. an das Alter anknüpfenden einschlägigen Bestimmungen des Rentenversicherungsrechts (aktuell: §§ 33 ff. SGB VI) verwiesen wird, und den Versorgungsfall der Dienstunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 Buchst. a LO), der altersunabhängig ausgestaltet ist.

26

b) Die Differenzierung bewirkt auch keine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen des Alters.

27

aa) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich. Dabei muss das rechtmäßige Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, nicht ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung verfolgen, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Ziele ein. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich sein und darf die Betroffenen nicht übermäßig in ihren legitimen Interessen beeinträchtigen (vgl. auch EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 32, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17). In einem solchen Fall fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Benachteiligung (BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 30 f., AP AGG § 3 Nr. 1 = EzA AGG § 17 Nr. 1). Dieses Normverständnis des § 3 Abs. 2 AGG entspricht der gemeinschaftsrechtlichen Regelungssystematik(vgl. hierzu ausführlich BAG 20. April 2010 3 AZR 509/08 - Rn. 70, EzA BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 14).

28

bb) In Anwendung dieser Grundsätze bewirkt die Differenzierung zwischen den Arbeitnehmern, die bis zum Eintritt des Leistungsfalls in einem Dienstverhältnis zu dem Mitglied gestanden haben, und denjenigen, die vorzeitig ausgeschieden sind, und der damit verbundene Ausschluss der vorzeitig Ausgeschiedenen von der Betriebsrentenanpassung nach § 9 Abs. 2 LO keine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

29

(1) Die Differenzierung ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

30

(a) Die LO will mit der Differenzierung nicht nur abgeleistete Betriebszugehörigkeit honorieren, sondern erkennbar einen Anreiz für künftige Betriebszugehörigkeit schaffen. Dadurch sollen Fluktuationen und Wechsel zu anderen Arbeitgebern insbes. im Konditionenkartell verhindert werden. Die Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung im betrieblichen Interesse liegt, sollen davon abgehalten werden, ihr Arbeitsverhältnis von sich aus vorzeitig zu beenden und die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen anderweitig zu verwenden.

31

(b) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers muss der Differenzierungszweck nicht ausdrücklich in der LO festgelegt werden. Es reicht vielmehr aus, dass - wie hier - andere, aus dem allgemeinen Kontext der Versorgungsregelung abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des mit der Differenzierung verfolgten Zwecks ermöglichen, damit dieser auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft sowie die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel festgestellt werden können (zur Frage, ob Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG erfordert, dass die nationale Regelung das Ziel genau angibt vgl. EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 56 f., Slg. 2007, I-8531; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 45, Slg. 2009, I-1569; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 58, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9). Die Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung hängt nicht davon ab, ob das Differenzierungsziel in der Leistungsordnung genannt ist, sondern davon, ob die Ungleichbehandlung in der Sache gerechtfertigt ist (so für den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz BAG 21. August 2007 - 3 AZR 269/06 - Rn. 30, BAGE 124, 22).

32

(c) Das mit der Differenzierung verfolgte Ziel, die Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls an das Unternehmen zu binden, ist rechtmäßig iSd. § 3 Abs. 2 AGG.

33

(aa) Entschließt der Arbeitgeber sich dazu, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erbringen, ist er nicht nur frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er die Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er ist auch berechtigt, den Zweck seiner Leistung festzulegen und damit darüber zu entscheiden, welcher Personenkreis durch die Leistung begünstigt werden soll (dazu, dass die Freiheit der Bestimmung des begünstigten Personenkreises Ausfluss der Zwecksetzungsfreiheit ist, vgl. BAG 26. April 1988 - 3 AZR 168/86 - BAGE 58, 156). Der Arbeitgeber kann mit Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterschiedliche Zwecke verfolgen. Die betriebliche Altersversorgung soll die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer im Alter verbessern. Neben diesen Versorgungszweck tritt in der Regel die Aufgabe betrieblicher Versorgungssysteme, die von den Arbeitnehmern gezeigte Betriebszugehörigkeit zu belohnen und weitere Betriebszugehörigkeit zu fördern (vgl. BAG 9. Dezember 1997 - 3 AZR 661/96 - zu B II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 40 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 16; 8. Juni 1999 - 3 AZR 113/98 - zu B II 1 d der Gründe). Hierbei handelt es sich um ein rechtmäßiges Ziel. Dem steht nicht entgegen, dass die betriebliche Altersversorgung über den Versorgungscharakter hinaus Entgeltcharakter hat. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind auch Entgelt des berechtigten Arbeitnehmers, das er als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhält (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 97/08 - Rn. 30, BetrAV 2010, 696). Insoweit besteht ein gegenseitiges Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Dieses wird allein durch den mit der Ausgestaltung einer Leistungsordnung verfolgten Zweck, weitere Betriebszugehörigkeit zu fördern, nicht in Frage gestellt.

34

(bb) Die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zum Ausdruck kommenden Wertungen bestätigen, dass es sich bei dem Ziel, nicht nur die geleistete Betriebszugehörigkeit zu belohnen, sondern weitere Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Versorgungsfalls zu fördern, um ein rechtmäßiges Ziel iSd. § 3 Abs. 2 AGG handelt. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG können unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters insbesondere „die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen“ einschließen. Dieser Vorschrift, die nahezu wortgleich ist mit Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL 2000/78/EG), lässt sich das gesetzgeberische Anliegen entnehmen, Hindernisse, die einer Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen, abzubauen und die betriebliche Altersversorgung zu fördern (vgl. BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 43, AP GG Art. 9 Nr. 139 = EzA AGG § 10 Nr. 1). Dieses Ziel wird bei freiwilligen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestmöglich erreicht, wenn dem Arbeitgeber bei der Umsetzung eine gewisse Flexibilität verbleibt, er also privatautonom die Zwecke seiner Leistung festlegen kann, soweit diese Zwecke nicht ihrerseits aus anderen Gründen zu einer Diskriminierung führen oder aus sonstigen Gründen unzulässig sind.

35

(2) Die in der LO im Hinblick auf die Betriebsrentenanpassung enthaltene Differenzierung zwischen den bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verbliebenen und den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern ist zur Erreichung des Ziels geeignet.

36

Der Essener Verband ist ebenso wie der Bochumer Verband ein sog. Konditionenkartell, das der Vereinheitlichung der Versorgungsleistungen für die angeschlossenen Unternehmen dient (vgl. BAG 25. Juli 2000 - 3 AZR 674/99 - zu II 1 b bb der Gründe). Dies schließt eine unternehmensbezogene Betrachtung aus. Deshalb legt der Essener Verband im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 9 Abs. 2 LO nicht nur den Versorgungsbedarf und damit auch die reallohnbezogene Obergrenze unternehmensübergreifend fest(vgl. zum Bochumer Verband BAG 20. Mai 2003 - 3 AZR 179/02 - zu II 3 b cc (1) der Gründe, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1); ebenso wird nicht nach der wirtschaftlichen Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmen differenziert (vgl. BAG 25. Juli 2000 - 3 AZR 674/99 - zu II 1 b bb der Gründe). Insbesondere die von der wirtschaftlichen Situation des Einzelunternehmens losgelöste Anpassung nach den Regularien des Essener Verbandes bietet einen erhöhten Anreiz, bis zum Erreichen des Versorgungsfalls im Unternehmen zu verbleiben, da sie eine größere Kontinuität der Anpassung gewährleistet.

37

(3) Der Ausschluss der vorzeitig ausgeschiedenen Mitarbeiter von der Anpassung ihrer Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes ist zur Erreichung des Ziels, die Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Versorgungsfalls an das Unternehmen zu binden, erforderlich.

38

Wie das Landesarbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, bieten alle Mitgliedsunternehmen des Essener Verbandes ihren Angestellten grundsätzlich die gleiche Versorgung. Damit sind gerade die unmittelbaren Konkurrenten der Beklagten besonders attraktive zukünftige Arbeitgeber, da sich bei einem Wechsel für den Arbeitnehmer nach Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen ein Anspruch auf eine gleich strukturierte Betriebsrente auch beim Konkurrenzarbeitgeber ergibt. Vor diesem Hintergrund besteht die einzige Möglichkeit, einen Anreiz für einen Verbleib im Unternehmen bis zum Versorgungsfall zu schaffen, darin, bei der Betriebsrentenanpassung nach dem Ausscheidenszeitpunkt (vor oder mit Eintritt des Versorgungsfalls) zu differenzieren.

39

(4) Der Ausschluss der vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer von einer Anpassung nach § 9 Abs. 2 LO entsprechend den Regularien des Essener Verbandes ist zur Erreichung des Ziels auch angemessen. Die Betroffenen werden hierdurch nicht übermäßig in ihren legitimen Interessen beeinträchtigt.

40

(a) Die in § 9 Abs. 2 LO vorgesehene Anpassung der Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes gewährleistet zwar eine größere Anpassungskontinuität. Wird im Rahmen der Anpassungsprüfung und -entscheidung die reallohnbezogene Obergrenze unternehmensübergreifend festgelegt und nicht auf die wirtschaftliche Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmens abgestellt, bleiben den einzelnen Versorgungsberechtigten die mit einer unternehmensbezogenen Betrachtung verbundenen Risiken erspart. Die Anpassung nach den Regularien des Konditionenkartells birgt aber auch das Risiko, dass den Versorgungsempfängern günstige Abweichungen von branchentypischen Entwicklungen bei ihrem früheren Arbeitgeber nicht zugutekommen. Das bedeutet im Ergebnis, dass nicht nur Risiken sondern auch Chancen sinken (vgl. BAG 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 358). Die Anpassung der Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes ist daher nur tendenziell, aber nicht in jedem Fall günstiger als diejenige nach § 16 BetrAVG.

41

(b) Die in der LO im Hinblick auf die Anpassung der Betriebsrenten vorgenommene Differenzierung zwischen den bis zum Eintritt des Versorgungsfalls im Unternehmen verbliebenen und den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern behindert die Arbeitnehmer auch nicht in unzulässiger Weise in ihrer durch Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit. Die gesetzlich erworbenen Anwartschaften werden nicht nachträglich entwertet. Sie bleiben vielmehr bestehen und werden - einschließlich der späteren Anpassung der Versorgungsleistungen - nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes behandelt. Damit ist nicht erkennbar, dass die Arbeitnehmer infolge der Differenzierung ernsthaft an der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gehindert werden.

42

(c) Damit ist es auch nicht zu beanstanden, dass die LO den Umstand nicht berücksichtigt, dass das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt des Versorgungsfalls nicht die Regel ist, und dass sie auch solche Arbeitnehmer von einer Anpassung der Betriebsrente nach § 9 Abs. 2 LO ausschließt, die allein im Interesse des Arbeitgebers, zB durch eine betriebsbedingte Kündigung, an der Erbringung weiterer Betriebszugehörigkeit gehindert werden. Auch diese Arbeitnehmer scheiden vor dem Versorgungsfall aus dem Unternehmen aus.

43

III. Der Kläger kann die mit den Hauptanträgen geltend gemachten Ansprüche auch nicht mit Erfolg auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen, da für die Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, die erst mit Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausscheiden, ein sachlicher Grund besteht.

44

IV. Andere unionsrechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist nach Auffassung des EuGH das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist und unabhängig von einer nationalen Umsetzung auch im Verhältnis zwischen Privaten von den Gerichten unmittelbar anzuwenden ist. Allerdings wird das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters durch die RL 2000/78/EG konkretisiert (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 21 f., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 14 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14; vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 17, EzA AGG § 10 Nr. 3). Auch nach einem als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehenden Verbot der Diskriminierung wegen des Alters liegt eine unzulässige Benachteiligung nicht vor, wenn Art. 6 RL 2000/78/EG Rechnung getragen wurde(vgl. EuGH 22. November 2005 - C-144/04  - [Mangold] Slg. 2005, I-9981; BAG 21. November 2006 - 3 AZR 309/05  - Rn. 44, AP BetrAVG § 1b Nr. 7). Dies ist hier der Fall.

45

B. Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag zu 3. unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 an den seit dem Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Die Beklagte durfte zum Prüfungstermin 31. Dezember 2004 vielmehr davon ausgehen, dass ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrente nicht zuließ.

46

I. Die Prüfung, ob die Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust anzupassen ist, hatte nicht - wie die Beklagte meint - zum 31. Dezember 2005, sondern zum 31. Dezember 2004 zu erfolgen.

47

1. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Da der Kläger seit dem 1. Januar 2002 eine Betriebsrente bezieht, ist sein individueller Anpassungsstichtag der 1. Januar 2005.

48

2. Allerdings hatte die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zum 31. Dezember eines jeden Jahres gebündelt. Damit ergab sich für den Kläger der 31. Dezember 2004 als Prüfungstermin.

49

Der von § 16 BetrAVG vorgeschriebene Dreijahresturnus bei der Überprüfung von Betriebsrentenanpassungen zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für den Betriebsrentner verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die ihm daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Dreijahreszeitraum eingehalten sein (BAG 28. April 1992 - 3 AZR 142/91 - zu I 1 der Gründe, BAGE 70, 137; 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - Rn. 19 mwN, BAGE 115, 353). Allerdings darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassung nicht um mehr als sechs Monate verzögern (vgl. BAG 30. August 2005 - 3 AZR 395/04 - Rn. 20, BAGE 115, 353; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 50, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49). Da der Kläger seine Betriebsrente seit dem 1. Januar 2002 bezieht, ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht auf den 31. Dezember 2005, sondern auf den 31. Dezember 2004 als Prüfungstermin abzustellen.

50

II. Die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers nicht anzupassen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

51

1. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber als Versorgungsschuldner bei seiner Anpassungsentscheidung insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verpflichtet den Versorgungsschuldner grundsätzlich, den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zuzumuten ist, die sich aus der Anpassung ergebenden Mehrbelastungen zu tragen (vgl. BAG 23. Oktober 1996 - 3 AZR 514/95 - zu I der Gründe, BAGE 84, 246; 25. Juni 2002 - 3 AZR 226/01 - zu I 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 51 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 40). Dann besteht keine Anpassungspflicht.

52

a) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35). Beurteilungsgrundlage für die insoweit langfristig zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden (vgl. BAG 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 - Rn. 20 mwN, BAGE 123, 319). Zwar kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers auswirken. Sie kann seine frühere Prognose bestätigen oder entkräften (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 55, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49). Voraussetzung für die Berücksichtigung der späteren Entwicklung bei der zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose ist jedoch, dass die Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren (vgl. BAG 17. Oktober 1995 - 3 AZR 881/94 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 81, 167; 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 83, 1; 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 b der Gründe, BAGE 105, 72; 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 - Rn. 20, BAGE 123, 319). Spätere, unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können erst bei der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 83, 1).

53

b) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 83, 1; 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 - Rn. 20, BAGE 123, 319; 10. Februar 2009 - 3 AZR 727/07 - Rn. 13, BAGE 129, 292). Die Anpassung muss nicht aus der Unternehmenssubstanz finanziert werden (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 105, 72). Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 10. Februar 2009 - 3 AZR 727/07 - Rn. 13, BAGE 129, 292).

54

c) Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die Höhe des Eigenkapitals, andererseits auf das erzielte Betriebsergebnis abzustellen. Beide Bemessungsgrundlagen sind - jedenfalls für die hier interessierende Zeit vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BGBl. I 2009 S. 1102 ff.) - ausgehend von den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen zu bestimmen (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 83, 1; 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 105, 72).

55

Für eine angemessene Eigenkapitalverzinsung kommt es demnach auf das tatsächlich vorhandene Eigenkapital iSd. § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB in der bis zum 28. Mai 2009 geltenden Fassung an. Dazu zählen nicht nur das gezeichnete Kapital (Stammkapital) und die Kapitalrücklage, sondern auch Gewinnrücklagen, Gewinn-/Verlustvorträge und Jahresüberschüsse/Jahresfehlbeträge (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 83/99 - zu II 2 b aa der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 43 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 35; 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (1) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38).

56

Allerdings sind die betriebswirtschaftlich gebotenen Korrekturen vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für die in den Bilanzen enthaltenen Scheingewinne, sondern beispielsweise auch für betriebswirtschaftlich überhöhte Abschreibungen (vgl. BAG 17. April 1996 - 3 AZR 56/95 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 83, 1; 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (4) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 105, 72). Außerordentliche Erträge sind zwar keine Scheingewinne. Ihr Ausnahmecharakter kann jedoch bei der Beurteilung der künftigen Ertragsentwicklung nicht außer Acht gelassen werden. In der Regel sind außerordentliche Erträge oder Verluste aus den der Prognose zugrunde gelegten früheren Jahresabschlüssen herauszurechnen. Etwas anderes gilt nur, wenn außerordentliche Erträge oder Verluste auch der Höhe nach eine ausreichende Kontinuität aufweisen (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (4) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 58, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49).

57

Da sich das Eigenkapital während des Geschäftsjahres ständig verändert, kann weder das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Geschäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist von einem Durchschnittswert auszugehen. Das Eigenkapital zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres ist zu addieren und anschließend zu halbieren (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b dd der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (3) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38).

58

Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht aus dem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Als Basiszins kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen herangezogen werden. Der Risikozuschlag beträgt einheitlich 2 % (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 c bb der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37; 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 c aa (5) der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38; 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 105, 72; 25. April 2006 - 3 AZR 50/05 - Rn. 59, EzA BetrAVG § 16 Nr. 49).

59

d) Die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens ist auch dann beeinträchtigt, wenn die Eigenkapitalausstattung ungenügend ist (BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 727/07 - Rn. 13, BAGE 129, 292). Eingetretene Eigenkapitalverluste sind zu berücksichtigen, wenn sie fortwirken und die künftige Eigenkapitalausstattung beeinträchtigen (vgl. BAG 23. Januar 2001 - 3 AZR 287/00 - zu 2 d der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 46 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 38).

60

Da der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens entscheidende Bedeutung zukommt, dürfen Wertzuwächse bei der Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vom Unternehmen erwirtschaftet wurden und ohne Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze verwertet werden können. Die Zuführung weiteren Kapitals durch die Gesellschafter steht im Interesse der Substanzerhaltung des Unternehmens nicht für Betriebsrentenerhöhungen zur Verfügung. Vom Versorgungsschuldner kann nicht verlangt werden, dass er zur Finanzierung einer Betriebsrentenanpassung in die Vermögenssubstanz des Unternehmens eingreift (vgl. BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 d bb (1) der Gründe, BAGE 105, 72). Deshalb ist dem Arbeitgeber zuzubilligen, dass er nach Eigenkapitalverlusten bzw. einer Eigenkapitalauszehrung möglichst rasch für eine ausreichende Kapitalausstattung sorgt und bis dahin von Betriebsrentenerhöhungen absieht. Die Kapitalrücklagen müssen nicht für Betriebsrentenanpassungen verwandt werden. Von einer Gesundung des Unternehmens kann auch nicht ausgegangen werden, wenn das vorhandene Eigenkapital des Unternehmens die Summe aus gezeichnetem Kapital (§ 272 Abs. 1 Satz 1 HGB) und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen (vgl. § 272 Abs. 2 HGB) noch nicht erreicht hat (vgl. BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 d bb (1) der Gründe, BAGE 105, 72).

61

2. In Anwendung dieser Grundsätze musste die Beklagte am Prüfungstermin 31. Dezember 2004 mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass ihrem Unternehmen die für die Anpassung der Betriebsrenten erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit fehlen werde. Dies folgt aus den Jahresabschlüssen der Beklagten für die Jahre 1994 bis 2007, deren ordnungsgemäße Erstellung vom Kläger nicht bestritten wurde (zur Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit testierter Jahresabschlüsse vgl. BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 172/02 - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 105, 72).

62

a) Ausweislich der Jahresabschlüsse hatte die Beklagte in der Zeit von 1994 bis zum Prüfungstermin entweder keine bzw. keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet oder ihre Eigenkapitalausstattung reichte für eine Betriebsrentenanpassung nicht aus.

63

In den Jahren 1994 und 1995 hatten Verluste zu einem vollständigen Eigenkapitalverzehr geführt. Die Beklagte war im Jahr 1996 bilanziell überschuldet und befand sich in einer existenzbedrohenden Krise. Nur infolge von Sanierungsbeiträgen konnte das Eigenkapital zum 31. Dezember 1996 auf 112,69 Mio. Euro wiederhergestellt werden.

64

Im Jahr 1997 wies die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten ein ausgeglichenes Ergebnis auf, eine Eigenkapitalverzinsung konnte hier demnach nicht erreicht werden.

65

Für das Jahr 1998 ergab die Gewinn- und Verlustrechnung zwar einen Jahresüberschuss iHv. 12,83 Mio. Euro. Zudem stieg das Eigenkapital von 112,69 Mio. Euro auf 133,09 Mio. Euro (= 260,3 Mio. DM). Allerdings beliefen sich das gezeichnete Kapital zum 31. Dezember 1998 auf 308 Mio. DM und die Kapitalrücklage auf 4,9 Mio. DM. Damit hatte das vorhandene Eigenkapital der Beklagten die Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen nicht erreicht.

66

Für die Jahre 1999 bis 2001 weist die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten jeweils Fehlbeträge aus (im Jahr 1999 iHv. 8,44 Mio. Euro, im Jahr 2000 iHv. 8,4 Mio. Euro und im Jahr 2001 iHv. 27,9 Mio. Euro), so dass eine Eigenkapitalverzinsung nicht erreicht werden konnte.

67

Für das Jahr 2002 lässt sich der Gewinn- und Verlustrechnung zwar ein Jahresüberschuss iHv. 2 Mio. Euro entnehmen. Das Eigenkapital stieg von 98,7 Mio. Euro auf 100,7 Mio. Euro. Bei einem durchschnittlichen Eigenkapital iHv. 99,7 Mio. Euro erreichte die Beklagte allerdings lediglich eine Eigenkapitalverzinsung iHv. 2 %. Dieser Betrag liegt unterhalb einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung iHv. 6,6 %.

68

Im Jahr 2003 wies die Gewinn- und Verlustrechnung einen Jahresüberschuss iHv. 1,5 Mio. Euro aus. Das Eigenkapital stieg von 100,7 Mio. Euro auf 171 Mio. Euro. Dieser Anstieg hatte seinen Grund jedoch im Wesentlichen in einer Kapitalerhöhung. So waren das gezeichnete Kapital von 164,3 Mio. Euro auf 233,0 Mio. Euro und die Kapitalrücklage von 6,0 Mio. Euro auf 6,1 Mio. Euro erhöht worden. Damit hatte das vorhandene Eigenkapital der Beklagten die Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen wiederum nicht erreicht.

69

Für das Jahr 2004 weist die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten einen Jahresfehlbetrag iHv. 8,8 Mio. Euro aus. Demnach konnte auch im Jahr 2004 keine Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet werden.

70

b) Aus der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten in den Jahren 2005 bis 2007 ergibt sich keine andere Beurteilung. Es kann offenbleiben, ob diese Entwicklung am Anpassungsstichtag 31. Dezember 2004 überhaupt vorhersehbar war. Die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten nach dem Anpassungsstichtag ist nicht geeignet, die aus den wirtschaftlichen Daten der vorangegangenen Jahre gewonnene negative Prognose zu entkräften. Sie bestätigt diese vielmehr.

71

aa) Zwar weist die Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2005 einen Jahresüberschuss iHv. 55,3 Mio. Euro aus; allerdings war in diesem Jahresüberschuss ein außerordentliches Ergebnis iHv. 46,1 Mio. Euro enthalten, das aus der Veräußerung des Marine-Servicegeschäfts resultierte und vom Jahresüberschuss in Abzug zu bringen ist. Da das Eigenkapital der Beklagten zu Beginn des Jahres 2005 169,3 Mio. Euro und zum Ende des Jahres 2005 236,6 Mio. Euro betrug, war von einem durchschnittlichen Eigenkapital iHv. 202,95 Mio. Euro auszugehen mit der Folge, dass die Beklagte im Jahre 2005 lediglich eine Eigenkapitalverzinsung von 4,5 % erreichte. Diese Eigenkapitalverzinsung liegt unter der angemessenen Eigenkapitalverzinsung iHv. 5,2 %. Es kommt hinzu, dass das gezeichnete Kapital im Jahre 2005 auf 242,9 Mio. Euro und die Kapitalrücklage auf 15,3 Mio. Euro erhöht wurden. Damit lag das Eigenkapital der Beklagten iHv. 236,6 Mio. Euro unter der Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen.

72

bb) Auch im Jahre 2006 konnte die Beklagte eine angemessene Eigenkapitalverzinsung nicht erreichen. Zwar weist die Gewinn- und Verlustrechnung für dieses Jahr einen Jahresüberschuss von 29,7 Mio. Euro aus; in diesem Überschuss enthalten waren jedoch ein außerordentliches Ergebnis iHv. 12 Mio. Euro, das durch Auflösung der Rückstellungen im Zusammenhang mit der Veräußerung des Marine-Servicegeschäfts resultierte, sowie weitere, für eine Prognose nicht geeignete außerordentliche Geschäftsvorfälle iHv. insgesamt 17,069 Mio. Euro. Damit belief sich der in Ansatz zu bringende Jahresüberschuss auf lediglich 0,631 Mio. Euro. Auf der Grundlage eines durchschnittlichen Eigenkapitals iHv. 279,45 Mio. Euro (= (236,6 Mio. Euro + 322,3 Mio. Euro) : 2) erreichte die Beklagte lediglich eine Eigenkapitalverzinsung iHv. 0,2 %. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung beläuft sich für das Jahr 2006 demgegenüber auf 5,7 %.

73

cc) Das Ergebnis für das Jahr 2007 führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung.

74

(1) Zwar weist die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten für dieses Jahr einen Jahresüberschuss iHv. 153,2 Mio. Euro aus. Darin enthalten war jedoch ein außerordentliches Ergebnis iHv. 119,5 Mio. Euro, so dass sich ein verwertbarer Jahresüberschuss iHv. 33,7 Mio. Euro ergibt. Unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Eigenkapitals iHv. 408,4 Mio. Euro errechnet sich eine Eigenkapitalverzinsung iHv. 8,25 %. Diese liegt 1,95 % über der angemessenen Eigenkapitalverzinsung von 6,3 %. Auch überstieg das Eigenkapital der Beklagten iHv. 494,5 Mio. Euro die Summe aus gezeichnetem Kapital und zusätzlich gebildeten Kapitalrücklagen. Allerdings erzielte die Beklagte im Jahre 2007 erstmals seit 20 Jahren einen Bilanzgewinn. Zudem überstieg die erzielte Eigenkapitalverzinsung die angemessene Eigenkapitalverzinsung nur relativ geringfügig. Von einer Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten konnte demnach auch im Jahr 2007 noch nicht die Rede sein.

75

(2) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte im Jahr 2007 entschloss, 48 Mio. Euro als Dividende an die Anteilseigner auszuzahlen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass am Anpassungsstichtag 31. Dezember 2004 von einer wirtschaftlichen Belastbarkeit der Beklagten auszugehen war, die eine Anpassung der Betriebsrente ab dem 1. Januar 2005 ermöglicht hätte.

76

Die von subjektiven Zweckmäßigkeitserwägungen beeinflusste Ausschüttungspolitik erlaubt in der Regel keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens. Die Dividendenhöhe beruht regelmäßig nicht allein auf dem erzielten Gewinn, sondern auf einer Vielzahl weiterer Überlegungen. Selbst bei schlechten Betriebsergebnissen kann die Ausschüttung von Dividenden sinnvoll sein, zB um Irritationen bei Investoren zu vermeiden und Optimismus zu signalisieren (vgl. BAG 23. Mai 2000 - 3 AZR 146/99 - zu II 2 b aa der Gründe, AP BetrAVG § 16 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 37). Im Fall der Beklagten kommt hinzu, dass die Anteilseigner das gezeichnete Kapital sowie die Kapitalrücklage in der Vergangenheit mehrfach aufgestockt hatten und seit etwa 20 Jahren keine Gewinne ausgeschüttet worden waren.

77

3. Da die Beklagte zum Prüfungstermin 31. Dezember 2004 mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen musste, dass ihrem Unternehmen die für die Anpassung der Betriebsrenten erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit fehlen werde, war eine Darlegung des Kapitalbedarfs für die Anpassungen nach § 16 BetrAVG nicht erforderlich. Ebenso wenig kam es für die Entscheidung darauf an, in welchem Volumen die Betriebsrenten der Arbeitnehmer, die mit Eintritt des Versorgungsfalls ausgeschieden waren, angepasst wurden. Die Verpflichtung zur Anpassung der Betriebsrenten entsprechend den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes ist dem Konditionenkartell immanent. Die hieraus resultierende Anpassungslast hat das einzelne Mitgliedsunternehmen regelmäßig zu tragen. Betriebsrentner, die - wie der Kläger - von der Anpassung der Betriebsrenten nach den Regularien des Essener Verbandes ausgeschlossen sind, können aus dieser Leistung nichts zu ihren Gunsten ableiten.

78

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Fasbender    

        

    Lohre    

                 

(1) Der Arbeitgeber hat alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg

1.
des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder
2.
der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens
im Prüfungszeitraum.

(3) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens eins vom Hundert anzupassen,
2.
die betriebliche Altersversorgung über eine Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 oder über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden oder
3.
eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde; Absatz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(4) Sind laufende Leistungen nach Absatz 1 nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Eine Anpassung gilt als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

(5) Soweit betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert wird, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend Absatz 3 Nr. 1 anzupassen oder im Falle der Durchführung über eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse sämtliche Überschussanteile entsprechend Absatz 3 Nr. 2 zu verwenden.

(6) Eine Verpflichtung zur Anpassung besteht nicht für monatliche Raten im Rahmen eines Auszahlungsplans sowie für Renten ab Vollendung des 85. Lebensjahres im Anschluss an einen Auszahlungsplan.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 30. Mai 2013 - 4 Sa 62/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche.

2

Die Klägerin, die wegen einer Erkrankung an multipler Sklerose (MS) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 schwerbehindert ist, bewarb sich gegen Ende ihrer dreijährigen Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe bei der Beklagten, die Hallen- und Freibäder betreibt. Die ausgeschriebene, der Ausbildung der Klägerin entsprechende Stelle sollte ua. die Beaufsichtigung und die Kontrolle des Badebetriebes einschließlich des Rettungsdienstes, die Betreuung der Badegäste, die Erteilung von Schwimmunterricht und die Durchführung von Aquafitnesskursen beinhalten. Die Beklagte stellte der Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht, ein Musterarbeitsvertrag wurde übersandt. Anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes teilte die Klägerin ihre Behinderung mit. Die Beklagte zog daraufhin das Vertragsangebot zurück. Die Klägerin erhob ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung Klage auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG, die der Beklagten einen Tag nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zugestellt wurde.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Fahrtkosten nach § 15 Abs. 1 AGG und eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu, weil sie wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Sie sei objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet. Sie habe sämtliche für die Einstellung erforderlichen Abschlüsse und Bescheinigungen vorgelegt. Körperliche Einschränkungen bestünden im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen bei der Beklagten nicht. Das zeige auch das vom Arbeitsgericht eingeholte neurologische Sachverständigengutachten vom 17. September 2012. Ihre Krankheit sei frühzeitig erkannt und ihr sei dementsprechend früh durch medikamentöse Einstellung begegnet worden. Die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG sei eingehalten worden, § 167 ZPO sei hier anwendbar.

4

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Höhe von 4.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 29. Februar 2012 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 90,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 29. Februar 2012 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klägerin habe ihre Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht. Gesucht worden sei für den Aufgabenbereich einschließlich einer Rettung von in Not geratenen Badegästen, darunter viele Kinder, eine Person mit vollständiger Gesundheit und darüber hinaus überdurchschnittlicher gesundheitlicher Konstitution. Darüber verfüge die Klägerin wegen ihrer Erkrankung an MS nicht. Sie sei, so habe es auch die Abstimmung mit dem Betriebsarzt ergeben, nicht in der Lage, die Tätigkeit auszuüben. Das ergebe sich auch aus dem Sachverständigengutachten vom 17. September 2012. Nach § 8 Abs. 1 AGG sei eine unterschiedliche Behandlung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung zulässig.

6

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und der Klägerin Schadensersatz und eine Entschädigung in der zuletzt beantragten Höhe zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

8

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage wegen Nichteinhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG abgewiesen. Wie auch aus der Entscheidung des Senats vom 21. Juni 2012 (- 8 AZR 188/11 - BAGE 142, 143) hervorgehe, finde - entgegen der Auffassung der Klägerin - § 167 ZPO auf diese Frist keine Anwendung.

9

B. Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Die Klägerin hat ihre Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG rechtzeitig geltend gemacht. Auf § 15 Abs. 4 AGG findet § 167 ZPO Anwendung. Damit kommt es für den Zugang auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht an. Der Senat hält an seiner früher als obiter dictum geäußerten gegenteiligen Auffassung (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 27, BAGE 142, 143) nicht fest.

10

I. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG sind Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche(§ 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG), soweit tarifvertraglich nicht anderes vereinbart ist, innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen. Die erforderliche Schriftform kann auch durch eine Klage gewahrt werden (BAG 21. Juni 2012 8 AZR 188/11 - Rn. 27, BAGE 142, 143). Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 19, aaO).

11

II. Die Klägerin, die mit dem Zugang des auf die Behinderung als Ablehnungsgrund Bezug nehmenden Ablehnungsschreibens der Beklagten am 28. Dezember 2011 Kenntnis von der behaupteten Benachteiligung erlangt hatte, hat ihren Anspruch mit ihrer am 20. Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Klageschrift rechtzeitig geltend gemacht. Die Zustellung der Klage an die Beklagte am 29. Februar 2012 ist „demnächst“ iSd. § 167 ZPO - also ohne der Klägerin zuzurechnende Verzögerungen im Zustellungsverfahren(vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 30 ff., BAGE 143, 50) - vorgenommen worden. Gleichzeitig wurde die im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch maßgebende dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

12

1. § 167 ZPO ist grundsätzlich in den Fällen anwendbar, in denen durch die Zustellung einer Klage eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. In Sonderfällen kommt die Rückwirkungsregelung nicht zur Anwendung.

13

a) In der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, die Regelung des § 167 ZPO über die Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage gelte nur für Fälle, in denen eine Frist lediglich durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könne. Dies wurde insbesondere mit dem aus der Entstehungsgeschichte zu erschließenden Sinn und Zweck der Vorschrift begründet. Deshalb wurde § 167 ZPO in Fällen nicht für anwendbar gehalten, in denen durch die Zustellung die - auch durch außergerichtliche Geltendmachung zu wahrenden - Fristen zur Erklärung einer Mieterhöhung, zur Anfechtung wegen Irrtums und zur Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft eingehalten werden sollten. Nur in Sonderfällen - wenn die gesetzliche oder vertragliche Regelung, aus der sich die zu wahrende Frist ergibt, einer eingeschränkten Anwendung der Rückwirkungsregelung entgegensteht - sollte anderes gelten (im Einzelnen dazu: BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 21 f. mwN, BGHZ 177, 319). Das Bundesarbeitsgericht hat für tarifvertragliche Ausschlussfristen entschieden, dass dann, wenn der Gläubiger die Möglichkeit hat, die Ausschlussfrist auch in anderer Form - zB durch einfaches Schreiben - einzuhalten, aber dennoch die Form der Klage wählt, es zu seinen Lasten geht, wenn die Klageschrift nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist dem Schuldner zugestellt wird (BAG 25. September 1996 - 10 AZR 678/95 - zu II 3 und II 4 der Gründe mwN).

14

b) Der Senat schließt sich für den Anspruch aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs(BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - BGHZ 177, 319) zum Regel-/Ausnahmeverhältnis der Anwendung des § 167 ZPO bei der außergerichtlichen fristgebundenen Geltendmachung an.

15

aa) Unter den verschiedenen Möglichkeiten für den Zugang einer Willenserklärung lässt § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB - anstelle des Zugangs - die Zustellung einer Willenserklärung durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zu. Sie entfaltet Rückwirkung. Es ist nicht gerechtfertigt, einer Zustellung durch Vermittlung des Gerichts in gleichartigen Fällen die Rückwirkung zu versagen.

16

(1) Mit einer Zustellung nach § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB können Fristen eingehalten werden, die nicht gerichtlicher Geltendmachung bedürfen. Soll durch eine solche Zustellung eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 132 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. §§ 191, 192 Abs. 2 Satz 1, § 167 ZPO bereits mit Übergabe des die Willenserklärung enthaltenden Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt(BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 24 mwN, BGHZ 177, 319).

17

Das gilt auch für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen (ohne Weiteres vorausgesetzt auch durch BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 24 f., BGHZ 177, 319). Sie stehen Willenserklärungen regelmäßig so nahe, dass viele Bestimmungen über Willenserklärungen - etwa betreffend den hier interessierenden Zugang - grundsätzlich entsprechend anzuwenden sind (BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 36 mwN, BAGE 128, 364; BGH 17. Oktober 2000 - X ZR 97/99 - zu II 1 b der Gründe mwN, BGHZ 145, 343; vgl. im Übrigen BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 43 mwN; 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - Rn. 19 mwN, BAGE 118, 60). § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB findet auch im Arbeitsrecht Anwendung(so setzen die Anwendbarkeit des § 132 BGB im Arbeitsrecht voraus ua.: BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B II 3 a der Gründe, BAGE 103, 277; 12. Juli 1984 - 2 AZR 290/83 -; 30. Juni 1983 - 2 AZR 10/82 - zu B I 1 b bb der Gründe, BAGE 43, 148; 25. Februar 1983 - 2 AZR 298/81 - zu I 2 b bb der Gründe; vgl. auch KR-Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 115 f.).

18

(2) Für eine Zustellung durch Vermittlung des Gerichts gilt in gleichartigen Fällen nichts anderes. Bei der Geltendmachung einer Forderung handelt es sich um einen gleichartigen Fall.

19

(a) Der Wortlaut des § 167 ZPO gibt dazu keinen Aufschluss; Gegenteiliges ist nicht enthalten.

20

(b) Die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sprechen für eine Anwendung des § 167 ZPO bei einer Zustellung durch Vermittlung des Gerichts im Hinblick auf die Wahrung einer Frist, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung eingehalten werden kann. Wer mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, muss sich deshalb darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahrt (BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 25 mwN, BGHZ 177, 319). Dies gilt umso mehr, wenn - wie im Fall des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG - die Schriftform auch durch eine Klage gewahrt werden kann.

21

(c) Die Geltendmachung eines Anspruchs iSv. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist zwar keine - in § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB ausdrücklich genannte - Willenserklärung, sondern eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 44). Ebenso wie der Bundesgerichtshof für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach § 26 Abs. 3 UrhG aF, bei dem es sich ebenfalls nicht um eine Willenserklärung handelt, einen gleichartigen Fall angenommen hat, gilt das auch für § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG.

22

bb) In Sonderfällen, die dies nach dem besonderen Sinn und Zweck der Fristbestimmung erfordern, kommt die Rückwirkungsregelung ausnahmsweise nicht zur Anwendung (vgl. BGH 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 - Rn. 21, 26, BGHZ 177, 319, mit Beispielsfällen früherer und aktueller Rechtsprechung).

23

2. § 15 Abs. 4 AGG ist kein Sonderfall im Hinblick auf die Anwendung des § 167 ZPO. Für eine Ausnahmekonstellation gibt es bei dieser Geltendmachungsfrist keinen Anhaltspunkt, Sinn und Zweck der Regelung gebieten solches nicht.

24

Über eine Anwendung des § 167 ZPO in anderen Bereichen des Arbeitsrechts hatte der Senat nicht zu entscheiden.

25

a) Zwar soll sich der Arbeitgeber nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 38) angesichts der in § 22 AGG getroffenen Beweislastverteilung - der in der Regel nur dann genügt werden kann, wenn die Kriterien und Grundlagen der Einstellungsentscheidung dokumentiert worden sind - darauf verlassen können, dass nach Fristablauf Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG nicht mehr gegen ihn erhoben werden und Dokumentationen über Einstellungsverfahren nicht bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahrt zu werden brauchen(BAG 15. März 2012 - 8 AZR 160/11 - Rn. 50 mwN).

26

b) Jedoch tritt mit dem Ablauf von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung kein umfassendes Ende von Geltendmachungsmöglichkeiten ein.

27

aa) Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG grundsätzlich mit dem „Zugang der Ablehnung“, jedoch nicht vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt. Hierüber gibt die bloße Ablehnung der Bewerbung durch den Arbeitgeber nicht in jedem Fall zwingend Auskunft (vgl. BAG 21. Juni 2012 8 AZR 188/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 142, 143; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 54 ff. mwN, BAGE 141, 48). Erfährt der Betroffene den benachteiligungsbezogenen Ablehnungsgrund erst Monate nach dem Zugang der Ablehnung (Kenntnis), beginnt der Fristlauf erst dann.

28

bb) Zudem sind nach § 15 Abs. 5 AGG Ansprüche, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt. Auch dies erfordert im Hinblick auf die Beweislastverteilung eine länger aufbewahrte Dokumentation als nur zwei Monate nach Zugang der Ablehnung.

29

cc) Unbeachtlich ist, dass eine absolute Zeitgrenze nicht besteht und bei Auslandszustellungen auch eine Zustellung nach mehreren Monaten noch „demnächst“ sein kann (ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 394/11 - Rn. 31, BAGE 143, 50). Eine solche Sondersituation kann nicht ausschlaggebend sein.

30

C. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO abschließend entscheiden.

31

I. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin die geltend gemachten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche zustehen, kann noch nicht festgestellt werden. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - die erforderlichen Tatsachenbewertungen unterlassen. Hängt zudem die Höhe des Entschädigungsanspruchs - wie hier - von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 49; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 64).

32

II. Bei der weiteren Behandlung der Sache ist zu berücksichtigen:

33

1. Eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt vor; die Beklagte hat sich für ihre Ablehnung auf die Behinderung der Klägerin und damit auf einen in § 1 AGG genannten Grund bezogen. Ob diese Benachteiligung nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig ist - wie die Beklagte meint, das Arbeitsgericht aber verneint hat -, hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen.

34

a) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ist nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig, wenn „dieser Grund“ wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist(vgl. auch Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf [Richtlinie 2000/78/EG]). Allerdings muss - wenn dies auch in § 8 Abs. 1 AGG nicht wortwörtlich zum Ausdruck kommt - nach der bei der Auslegung heranzuziehenden Bestimmung des Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen(vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 [Prigge] - Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 [Wolf] - Rn. 35, Slg. 2010, I-1). Das Merkmal, das im Zusammenhang mit einem der in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgründe steht, - oder sein Fehlen - kann nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG sein, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 26).

35

b) Dazu sind vorliegend ua. folgende Gesichtspunkte einzubeziehen:

36

aa) Besondere körperliche Fähigkeiten sind eine wesentliche berufliche Anforderung im Hinblick auf die Kontrolle des Badebetriebes einschließlich des Rettungsdienstes, da die Sicherheit der Badegäste betroffen ist und körperliche Schwächen beträchtliche Konsequenzen haben können (insoweit übertragbar EuGH 13. September 2011 - C-447/09 [Prigge] - Rn. 67, Slg. 2011, I-8003).

37

Weiterhin gilt das für die Erteilung von Schwimmunterricht jedenfalls teilweise, ist aber auch nicht streitig zwischen den Parteien. Ebenso wenig ist im Streit zwischen den Parteien, dass für die Durchführung von Aquafitnesskursen grundsätzlich körperliche Fitnessanforderungen bestehen. Über die Angemessenheit der einzelnen Tätigkeitsanforderungen herrscht ersichtlich kein Streit zwischen den Parteien.

38

bb) Ausweislich der für die Einstellung erforderlichen Abschlüsse und Bescheinigungen, darunter das der im Einstellungszeitraum abgeschlossenen einschlägigen Ausbildung besteht grundsätzlich die Eignung der Klägerin für die bei der Beklagten zu besetzende Stelle. Das bestreitet die Beklagte auch nicht; im Gegenteil wollte sie die Klägerin auf dieser Grundlage für die zu vergebende Elternzeitvertretung einsetzen.

39

cc) Ob es sich bei dem Ausschluss der Klägerin wegen der MS um einen rechtmäßigen Zweck handelt, wird vor dem Hintergrund der Tätigkeitsanforderungen zu prüfen sein. Wesentlich wird für die vom Landesarbeitsgericht vorzunehmende Bewertung das neurologische Sachverständigengutachten vom 17. September 2012 sein. Dieses ist für den damaligen Zeitpunkt - um den allein es sich bei der hier betroffenen Einstellung, noch dazu für eine zeitlich befristete Vertretungstätigkeit handeln kann - von uneingeschränkter Arbeitsfähigkeit, auch bei körperlich anstrengender Tätigkeit ausgegangen. Mit einem plötzlichen Auftreten neurologischer Ausfallsymptome innerhalb weniger Stunden - wie beispielsweise bei einem Schlaganfall - sei nicht zu rechnen. Damit spricht viel dafür, dass der Einsatz der Klägerin - jedenfalls für das hier entscheidende, zum damaligen Zeitpunkt bestehende Erkrankungsbild - auch im Hinblick auf eine plötzlich eintretende Rettungssituation nicht negativ zu beurteilen ist.

40

Zu beachten ist in jedem Fall, dass nur unter sehr begrenzten Bedingungen eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein kann und § 8 Abs. 1 AGG iVm. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, soweit überhaupt eine Abweichung vom Diskriminierungsverbot ermöglicht ist, eng auszulegen ist(vgl. entsprechend in Bezug auf die Diskriminierung wegen des Alters: EuGH 13. September 2011 - C-447/09 [Prigge] - Rn. 71 f., Slg. 2011, I-8003, dort auch mwN in Bezug auf die Diskriminierung wegen des Geschlechts).

41

Soweit die Beklagte sich auf Passagen des Sachverständigengutachtens zu verschiedenen Faktoren einer langfristigen Prognose bezieht, ist nicht erkennbar, dass diese im Hinblick auf eine befristete Einstellung zur Vertretung von Bedeutung sein können.

42

dd) Zudem wird entscheidend zu berücksichtigen sein, dass ein Arbeitgeber, der eine Nichteinstellung darauf stützt, dass der Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung nicht eingesetzt werden könne, sich nur dann auf § 8 Abs. 1 AGG berufen kann, wenn auch angemessene Vorkehrungen iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ergriffen werden. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG, der im AGG keine wortwörtliche Umsetzung erfahren hat, ist einerseits bei der Auslegung des Begriffs der „angemessenen“ Anforderung in § 8 Abs. 1 AGG einzubeziehen (soweit es um Menschen mit Behinderung geht) und ist zudem im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 241 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen(für Letzteres BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53). Im Zusammenhang mit der Richtlinie 2000/78/EG ist der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ dahin gehend zu verstehen, dass er die Beseitigung der verschiedenen Barrieren umfasst, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern. Unterlässt der Arbeitgeber notwendige Vorkehrungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen, ist das in die gerichtliche Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. [Ring, Skouboe Werge] - Rn. 49 ff., 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 [Chacón Navas] - Rn. 50, Slg. 2006, I-6467; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 50 ff.).

43

ee) Keinerlei Rolle spielt, wann die Klägerin über die Tatsache der Behinderung informiert hat.

44

2. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 [Draehmpaehl] - Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen - indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet -, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 [Asociatia ACCEPT] - Rn. 63 mwN). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181).

        

    Hauck    

        

    Winter    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Umfug    

        

    Pauli    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 14 Sa 1769/07 - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 91% und die Beklagte 9% zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund des Alters.

2

Die Beklagte bietet Objektschutz, Messe- und Veranstaltungsdienste an und hat dafür auf dem Gelände der Messe H ein sog. Messebüro eingerichtet. Von dort aus organisierte sie Dienstleistungsaufträge, die ihr von der D AG H, der vormaligen Beklagten zu 2), erteilt wurden. Während der Hmesse vom 16. bis 20. April 2007 sollte die Beklagte die Besucherregistrierung durchführen, mit der die exakte Besucherzahl ermittelt und die persönlichen Besucherdaten erfasst wurden. Die Besucherregistrierung erfolgte dabei nach einem genau festgelegten System, das deutschlandweit alle Messeveranstalter anerkannt haben und praktizieren.

3

Dafür suchte die Beklagte mit einer Zeitungsanzeige vom 4. April 2007 „Mitarbeiter mit mindestens einer Fremdsprache zur Aushilfe“. Die am 24. Februar 1959 geborene Klägerin hat ein Hochschulstudium als Diplomübersetzerin für Französisch und Spanisch absolviert und verfügt über gute Englischkenntnisse. Seit 1986 ist sie bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Fremdsprachendienst beschäftigt, war jedoch im April 2007 bereits über einen längeren Zeitraum ohne Bezüge beurlaubt. Auf die Zeitungsannonce bewarb sich die Klägerin noch am 4. April 2007 telefonisch. Ihr Gesprächspartner bei der Beklagten war Herr L, der an diesem Tag wegen eines kurzfristigen Personalmangels bei den Einstellungsgesprächen aushalf. Wegen der Fremdsprachenkenntnisse der Klägerin merkte Herr L sie zunächst für eine Tätigkeit in der „Vollregistrierung“ vor, die mit 9,05 Euro pro Stunde vergütet wird. Bei der persönlichen Vorstellung im Messebüro der Beklagten noch am selben Tag erklärte Herr L, nachdem er die Eingabe der Personaldaten der Klägerin in die EDV unterbrochen hatte, für die vorgesehene Tätigkeit in der Vollregistrierung sei die Klägerin zu alt. Dies habe eine Rücksprache mit der Beschäftigten Frau M der Beklagten ergeben und basiere auf einer entsprechenden Vorgabe der D AG H. Die Klägerin komme jedoch für eine andere Tätigkeit mit geringerer Vergütung in Betracht. Die Klägerin wies sofort auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Altersdiskriminierung hin und bat sich wegen der anderen Tätigkeit Bedenkzeit aus.

4

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. April 2007, der Beklagten am 16. April 2007 zugegangen, machte die Klägerin einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Daraufhin schlossen die Beteiligten am 18. April 2007 einen für die Zeit vom 16. bis 20. April 2007 befristeten Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung der Klägerin in der Besucherregistrierung. Die Klägerin arbeitete vom 18. bis 20. April 2007 in der Vollregistrierung. Die Beklagte vergütete fünf Arbeitstage auf der Basis von 9,05 Euro/Stunde. Sie entschuldigte sich bei der Klägerin.

5

Unter dem 16. Mai 2007 ließ die Klägerin durch ihre Anwälte erneut einen Entschädigungsanspruch geltend machen und erhob schließlich mit Eingang bei Gericht am 12. Juli 2007 die vorliegende Klage.

6

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte und die D AG H als vormalige Beklagte zu 2) hätten sie als Gesamtschuldnerinnen wegen Altersdiskriminierung zu entschädigen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setze keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Die Höhe der Entschädigung müsse abschreckend sein, um präventiv zu wirken und den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten. 3/5 einer hochgerechneten Jahresvergütung seien angemessen. Dem Entschädigungsanspruch könne nicht ihr - ruhendes - Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes entgegengehalten werden, da hinsichtlich einer Nebentätigkeit für sie nur eine Anzeige-, keine Genehmigungspflicht bestanden habe.

7

Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 11.294,35 Euro liegen sollte, nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2007 zu zahlen.

        
8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung darauf verwiesen, der Beschäftigte L habe am 4. April 2007 irrtümlich angenommen, seitens der D AG H bestehe eine Altersvorgabe für die in der Vollregistrierung zu beschäftigenden Aushilfen. Für die Hmesse 2007 habe sie im Bereich der Besucherregistrierung 19 Personen eingestellt, die älter als 40 gewesen seien. Herr L, der Schulungen zum AGG erhalten habe, habe nicht in Diskriminierungsabsicht gehandelt. Der Entschädigungsanspruch setze eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung voraus. Sie habe nicht nur den materiellen Schaden der Klägerin ersetzt, sondern etwaige immaterielle Schäden durch Naturalrestitution ausgeglichen; durch die tatsächliche Beschäftigung habe die Klägerin Genugtuung erfahren. Ein etwa dennoch festzustellender verbleibender Schaden übersteige die Geringfügigkeitsgrenze nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin in Anbetracht ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst nicht die Stelle bei der Beklagten hätte antreten dürfen.

9

Das Arbeitsgericht hat die (ursprünglich auch gegen die D AG gerichtete) Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro zu zahlen und die weitergehende Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat gegen die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Verurteilung zu einer höheren Entschädigung weiter, während die Beklagte mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

10

Sowohl die Revision der Klägerin als auch die Anschlussrevision der Beklagten sind unbegründet. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein höherer Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG steht der Klägerin nicht zu.

11

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Wegen Altersdiskriminierung bei der Einstellung stehe der Klägerin ein Entschädigungsanspruch iHv. 1.000,00 Euro aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu. Dieser setze weder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch ein Verschulden der Beklagten voraus. Die zunächst wegen ihres Alters verweigerte Einstellung der Klägerin in der Vollregistrierung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Das Verhalten des Herrn L sei der Beklagten zuzurechnen. Die später doch erfolgte Einstellung der Klägerin lasse die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG nicht entfallen. Diese sei nicht nach den §§ 8 ff. AGG gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei eine Entschädigung von 1.000,00 Euro angemessen. Zu Lasten der Beklagten sei zu berücksichtigen, dass die Benachteiligung vorsätzlich erfolgt und keine Rechtfertigung erkennbar sei. Für die Beklagte spreche die kurze Dauer der Diskriminierung, der Ersatz des materiellen Schadens und die ausdrückliche Entschuldigung. Die Entschädigung müsse abschreckende Wirkung haben, jedoch sei auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen, was sich aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ableiten lasse.

12

B. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten sind zulässig.

13

I. Die Revision der Klägerin ist zulässig.

14

1. Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte und mit weiterem Schriftsatz vom 30. Januar 2009 begründete Revision zulässig war. Das Landesarbeitsgericht hatte in seinem Urteil vom 15. September 2008 die Revision nur für die Beklagte(zu 1)) zugelassen. Dies hielt die Klägerin aus prozessrechtlichen Erwägungen für rechtsfehlerhaft, weswegen sie zunächst unter dem 25. November 2008 Nichtzulassungsbeschwerde einlegte (- 8 AZN 1117/08 -), diese sodann unter dem 30. Dezember 2008 begründete und zugleich mit gesondertem Schriftsatz Revision einlegte. Die nur hinsichtlich der Beklagten (zu 1)) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war erfolgreich (Beschluss des Senats vom 19. März 2009 - 8 AZN 1117/08 -). Nach § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG galt daher die Revision der Klägerin als schon mit der form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, also als mit Schriftsatz vom 25. November 2008 eingelegt. Das mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 eingelegte Rechtsmittel stellte eine weitere, zweite Revisionseinlegung dar.

15

2. Ein Urteil kann von einer Partei nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden, so dass auch bei zwei Einlegungsakten nur von einem Rechtsmittel auszugehen ist(GK-ArbGG/Mikosch Stand März 2010 § 74 Rn. 22). Über dieses Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, selbst wenn eine Partei gegen eine bestimmte Entscheidung mehrfach Berufung oder Revision eingelegt hat (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, vgl. BAG 18. November 2009 - 5 AZR 41/09 - EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 43; 13. September 1972 - 2 AZB 32/71 - BAGE 24, 432 = AP ZPO § 519b Nr. 8; BGH 15. Februar 2005 - XI ZR 171/04 - zu A II 1 der Gründe, MDR 2005, 824; 29. Juni 1966 - VI ZR 86/56 - BGHZ 45, 380 , 383). Ihre Revision vom 25. November 2008 hat die Klägerin frist- und formgemäß begründet. Der Beschluss des Senats über die Zulassung der Revision auch für sie wurde der Klägerin am 26. März 2009 zugestellt, ihr Schriftsatz zur Revisionsbegründung vom 17. April 2009 wahrt die gesetzliche Begründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3, § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

16

II.Auch die Anschlussrevision der Beklagten ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin vom 17. April 2009 wurde ihr am 24. April 2009 zugestellt. Die Anschließung der Beklagten ging am Montag, den 25. Mai 2009 und damit innerhalb eines Monats beim Bundesarbeitsgericht ein (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auf die bereits früher erfolgte Begründung der zusätzlich eingelegten Revision der Klägerin kommt es nicht an. Da sich die Revision der Klägerin als Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darstellt, § 72a Abs. 6 Satz 1 ArbGG, kommt es auf die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach § 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG erfolgte Revisionsbegründung und ihre Zustellung an den Gegner für den Beginn der Anschließungsfrist nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO an.

17

C. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

18

I. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt(§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

19

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Ist die Höhe des Betrages nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmen, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 12, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung gemacht.

20

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine höhere Entschädigung als die vom Landesarbeitsgericht festgesetzten 1.000,00 Euro beansprucht.

21

1. Mit dem Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung(Umsetzungsgesetz) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) ist am 18. August 2006 das AGG in Kraft getreten. Für Benachteiligungen wegen des Alters, die zeitlich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, gelten die §§ 1 bis 18 AGG ohne Einschränkung (§ 33 AGG, Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). Sowohl die Bewerbung der Klägerin am 4. April 2007 als auch die zunächst erfolgte Ablehnung für eine Stelle in der Vollregistrierung am selben Tag lagen zeitlich nach Inkrafttreten des AGG.

22

2. Die Parteien unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG.

23

a) Die Klägerin galt schon im Zeitpunkt ihrer Benachteiligung als Beschäftigte, § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Satz 2 AGG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie für die Tätigkeit in der Vollregistrierung objektiv geeignet war. Die objektive Eignung einer Bewerberin ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; offengelassen 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1). Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bietet keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines solchen Tatbestandsmerkmals. Für eine Auslegung über den Wortlaut hinaus besteht auch angesichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürfnis. Ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung der Aktivlegitimation ist (so zu BGleiG BAG 27. April 2000 8 AZR 295/99 - zu II 2 e der Gründe, BGleiG E.II.2.1 BGB § 611a Nr. 2),kann hier offenbleiben. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewerbung der Klägerin nicht ernsthaft war, bestehen schon angesichts der später erfolgten Einstellung und Beschäftigung nicht.

24

b) Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSd. AGG, weil sie mittels einer Zeitungsanzeige um Bewerbungen, also um Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 AGG geworben hat, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

25

3. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat die Klägerin wegen ihres Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte sie entgegen § 7 Abs. 1 in Verb. mit § 1 AGG wegen ihres Alters benachteiligt hat(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

26

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Alters unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt.

27

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person bei einer Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 943/06 - BAGE 123, 358 = AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).

28

bb) Die auf die Bewerbung der Klägerin hin am 4. April 2007 erfolgte Entscheidung der Beklagten, die Klägerin wegen ihres Alters nicht in der Vollregistrierung einzustellen, betraf den Zugang der Klägerin zu unselbständiger Erwerbstätigkeit, stellte also eine Maßnahme iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dar.

29

cc) Dabei hat die Klägerin wegen ihres Alters, also wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG.

30

(1) Die Klägerin wurde ungünstiger behandelt als tatsächliche oder potentielle Bewerberinnen, denn ihre Bewerbung für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung wurde - zunächst - am 4. April 2007 abgelehnt. Dies stellt eine ungünstige Behandlung dar, unabhängig davon, ob die Klägerin bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre(BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276).

31

(2) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin erfolgte in einer vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, denn die Klägerin erfüllte die Voraussetzung, objektiv für die Beschäftigung in der Vollregistrierung geeignet zu sein. Vergleichbar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Zu Recht wird für das Vorliegen einer Benachteiligung verlangt, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde(so ausdrücklich BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Däubler/Bertzbach-Däubler AGG 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Adomeit/Mohr AGG § 22 Rn. 27; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 6 AGG Rn. 3; aA: vgl. Schiek/Kocher AGG § 22 Rn. 25, § 3 Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 26. November 2008 - 15 Sa 517/08 - LAGE AGG § 22 Nr. 1). Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -). Maßgeblich für die objektive Eignung ist dabei nicht das formelle Anforderungsprofil des jeweiligen Arbeitgebers, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 15; vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler aaO). Dass die Klägerin für eine Beschäftigung in der Vollregistrierung objektiv geeignet war, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und angesichts ihrer später doch erfolgten Beschäftigung außer Frage.

32

(3) Die Benachteiligung der Klägerin erfolgte nach der von dem Beschäftigten L am 4. April 2007 gegebenen Begründung wegen ihres Alters. Es reicht für die Kausalität des verbotenen Merkmals iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG aus, wenn in einem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, das Merkmal als Kriterium enthalten gewesen ist(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 -; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276). Die Klägerin wurde am 4. April 2007 wegen ihres Alters nicht für die Vollregistrierung eingestellt, selbst dann nicht, als sie umgehend darauf hinwies, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Eine Einstellung erfolgte vielmehr erst, nachdem sie mit ihrem Schreiben vom 14. April 2007 einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht hatte. Damit war für die Ablehnungsentscheidung vom 4. April 2007 gerade das Lebensalter der Klägerin entscheidend.

33

dd) Die ungünstigere Behandlung der Klägerin am 4. April 2007 wird weder durch die später vorgenommene Einstellung noch durch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin ab 18. April 2007 aufgehoben. Die unmittelbare Benachteiligung ist auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt oder nach § 5 AGG zulässig gewesen.

34

ee) Das Verhalten des Beschäftigten L am 4. April 2007 ist der Beklagten auch zuzurechnen.

35

Bedient sich der Arbeitgeber bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses eigener Mitarbeiter oder Dritter(zB der Bundesagentur für Arbeit), so trifft ihn die volle Verantwortlichkeit für deren Verhalten (zu § 611a BGB aF BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).

36

ff) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keinen schuldhaften Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot voraus(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 61 ff., AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt sich zwingend, dass ein Entschädigungsanspruch nur bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG genannten Voraussetzungen gegeben ist. Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 2 AGG eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werden sollte. Dies entspricht auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 67, aaO). Daher kann im Rahmen von § 15 Abs. 2 AGG dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, das strittige Vorbringen der Beklagten zur Schulung des Beschäftigten L sei nicht hinreichend substanziiert. Darauf kann es nur bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ankommen.

37

b) Die Beklagte ist wegen des ihr zurechenbaren Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet, der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Eine schwerwiegende Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eine erhebliche Benachteiligung sind nicht erforderlich. Dem steht bereits der Wortlaut des § 15 AGG entgegen, nach dem nur ein „Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, vorliegen muss. § 15 Abs. 2 AGG enthält eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch. Die Grundsätze, die für den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, sind nicht anzuwenden(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 70 ff. mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Vielmehr ist vom Vorliegen eines immateriellen Schadens auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststeht. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 15 Abs. 2 AGG die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes erfüllen. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass die Entschädigung ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt wird, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG gegenüber § 253 BGB die speziellere Norm ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Es kann dabei auch dahinstehen, ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden deswegen zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hatte, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in angemessenem Verhältnis zur Benachteiligung stünde. Denn vorliegend wurde die Klägerin bewusst und unmittelbar wegen ihres Alters ungünstiger behandelt, obwohl sie unverzüglich Diskriminierung geltend machte und sie wurde erst tatsächlich eingestellt, nachdem sie Entschädigung verlangt hatte. Zu einer tatsächlichen Beschäftigung kam es nur an drei der ursprünglich vorgesehenen fünf Tage. Diese Auswirkungen lassen eine Entschädigung nicht als unangemessen erscheinen.

38

4. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsfehler der Höhe nach auf eine Entschädigung von 1.000,00 Euro erkannt.

39

a) Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen iSv. § 15 Abs. 2 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 2 AGG entspricht der Regelung zum Schmerzensgeld in § 253 BGB. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, dann ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (Senat 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; zu einem Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsurteil muss das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen haben (BGH 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97 - BGHZ 138, 388).

40

b) Die Festsetzung der Entschädigung iHv. 1.000,00 Euro durch das Landesarbeitsgericht hält einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

41

aa) Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1; BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 39 f.; Bauer/Göpfert/Krieger § 15 Rn. 36).

42

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Umstände bei der Festsetzung der Entschädigung berücksichtigt. Ein Verstoß gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze liegt nicht vor.

43

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die zunächst erfolgte Ablehnung einer Einstellung für die Vollregistrierung abgestellt. Nicht zu beanstanden ist, dass es die verhältnismäßig kurze Dauer der Beeinträchtigung der Klägerin berücksichtigt hat, dass die Beklagte auf das Geltendmachungsschreiben der Klägerin mit dem Beschäftigungsangebot in der Vollregistrierung um Wiedergutmachung bemüht war, dass sie ihr die Vergütung für fünf volle Tage ausbezahlt hat und dass die Klägerin durch die Entschuldigung der Beklagten Genugtuung erhalten hat. Dass es andererseits eine unmittelbare Benachteiligung als regelmäßig schwerwiegender als eine mittelbare Benachteiligung angesehen hat, ist rechtsfehlerfrei, ebenso, dass es die vorsätzliche Benachteiligung in die Abwägung einbezogen hat. Der Grad eines etwa vorliegenden Verschuldens kann bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden(grundsätzlich dazu BAG 18. Januar 2007 - 8 AZR 250/06 - Rn. 35, AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter berücksichtigt, dass die Klägerin trotz ihres Hinweises auf Altersdiskriminierung am 4. April 2007 für die Vollregistrierung nicht eingestellt wurde. Zu Recht hat es unberücksichtigt gelassen, dass der Beschäftigte L möglicherweise hinsichtlich einer Altersvorgabe der D AG einem Irrtum unterlag. Die Beklagte durfte mit oder ohne Vorgabe von dritter Seite die Klägerin nicht wegen ihres Alters diskriminieren. Es kann dahinstehen, ob bei dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG den Benachteiligten wie beim materiellen Schadensersatz eine Schadensminderungspflicht(§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) trifft. Denn auch bei Annahme der angebotenen Beschäftigung auf einem niedriger vergüteten Arbeitsplatz hätte sich der immaterielle Schaden der Klägerin infolge der Ablehnung wegen ihres Alters nicht gemindert. Der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vom Berufungsgericht gezogene Schluss, eine systematische Diskriminierung wegen des Alters bei der Beklagten sei nicht bewiesen, verstößt weder gegen Rechtssätze noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Entgegen der von der Klägerin mit der Revision vertretenen Auffassung hat das Berufungsgericht zu Recht auch die zu erwartende Bruttomonatsvergütung der Klägerin in Rechnung gestellt. Dies hat mit der vorliegend nicht einschlägigen Obergrenze von drei Monatsgehältern des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nichts zu tun. Als materieller Schaden können zudem Kosten der Rechtsverfolgung nicht in die Entschädigung wegen des erlittenen immateriellen Schadens einfließen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit in der Revisionsinstanz neuen Sachvortrag hält. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift zum Jahresumsatz der Beklagten unerwähnt gelassen, da daraus nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Benachteiligenden geschlossen werden kann.

44

5. Der Entschädigungsanspruch ist innerhalb der gesetzlichen Fristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden. Nach der Ablehnung vom 4. April 2007 hat die Klägerin innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG am 14. April und 16. Mai 2007 jeweils einen bezifferten Entschädigungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mit der Klageeinreichung am 12. Juli 2007 hat sie danach auch die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

45

D. Die Anschlussrevision der Beklagten ist zum einen aus den dargelegten Gründen nicht begründet. Zum anderen ist es für den Entschädigungsanspruch der Klägerin und seine Höhe unerheblich, ob die Klägerin die Aushilfstätigkeit mit ihrem ruhenden Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst vereinbaren konnte. Einen etwaigen Pflichtverstoß insoweit müsste die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber klären, er berechtigte die Beklagte aber nicht zu einer entschädigungslosen Benachteiligung.

46

E. Die Verteilung der Kostenlast folgt aus § 72 Abs. 5 ArbGG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Rosemarie Koglin    

        

    Mallmann    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Januar 2012 - 6 Sa 2159/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung.

2

Die Beklagte stellte den Kläger mit Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2010 als chemisch-technischen Assistenten ein. Sie produziert Arzneimittel zur Krebsbehandlung, die intravenös verabreicht werden. Der Kläger sollte im sog. Reinraumbereich eingesetzt werden. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 5. Dezember 2011 befristet, wobei die ersten sechs Monate als Probezeit galten, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden konnte. Gemäß Ziff. 12 des Arbeitsvertrags galten die betrieblichen Regelungen, dh. die vom Arbeitgeber erlassenen allgemeinen Festlegungen oder Weisungen sowie die mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen. Der Kläger hat keine Befristungskontrollklage erhoben.

3

Anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung am 8. Dezember 2010 teilte der Kläger dem Betriebsarzt mit, er sei HIV-infiziert. Der Kläger ist symptomfrei. Er hat einen GdB von 10. Der Betriebsarzt äußerte in dem für eine Tätigkeit im Reinraum auszufüllenden Formular „Aufnahme von Tätigkeiten im GMP-Bereich“ am 14. Dezember 2010 Bedenken gegen einen Einsatz des Klägers in diesem Bereich. Das Formular ist Teil der „Standard Operating Procedure“ (SOP) der Beklagten, die der Umsetzung des sog. EG-GMP Leitfadens (Leitfaden der Guten Herstellungspraxis) dient. Dabei handelt es sich um Leitlinien der EU-Kommission, die als Anlage 2 zur Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit zu § 2 Nr. 3 der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung - AMWHV) vom 27. Oktober 2006 (BAnz S. 6887) veröffentlicht sind. In Ziff. 2.15 des Leitfadens heißt es:

„Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist.“

4

In einem Gespräch vom 4. Januar 2011, an dem der Kläger, der Betriebsarzt sowie einer der beiden Geschäftsführer der Beklagten teilnahmen, teilte der Betriebsarzt nach Entbindung von seiner ärztlichen Schweigepflicht mit, der Kläger sei HIV-infiziert. Möglichkeiten zur Beschäftigung des Klägers außerhalb des Reinraumbereichs bestanden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 4. Januar 2011 zum 24. Januar 2011.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, die angegriffene Kündigung diskriminiere ihn, weil seine HIV-Infektion alleiniger Kündigungsgrund sei. Auch eine symptomlose HIV-Infektion führe zu einer Behinderung. Deswegen stehe ihm auch eine Entschädigung zu. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass seine Infektion eine ansteckende Krankheit iSd. GMP-Leitfadens sei. Unter Berücksichtigung des konkreten Herstellungsprozesses und der konkreten Tätigkeit des Klägers hätte unter keinen Umständen, auch nicht bei Schnitt- oder Nadelstichverletzungen, das HI-Virus auf die von der Beklagten hergestellten Medikamente übertragen werden können. Zum Beweis dafür hat sich der Kläger auf ein Sachverständigengutachten bezogen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen bis zum Ende der Befristung am 5. Dezember 2011 fortbestanden hat und insbesondere nicht durch die Kündigung vom 4. Januar 2011 beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Entschädigung in Geld von bis zu drei Bruttomonatsgehältern (6.600,00 Euro) zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Kündigung aus Gründen der Arbeitssicherheit unumgänglich gewesen sei. Der Kläger leide an einer ansteckenden Krankheit im Sinne ihrer SOP. Das und nicht seine HIV-Infektion sei der Kündigungsgrund gewesen. Ob der Kläger sich in fachärztlicher Behandlung befinde und engmaschig überwacht werde, könne sie nicht überprüfen. Zudem könne der Kläger jederzeit die sichere Behandlung abbrechen, ohne sie informieren zu müssen. Ihre Endabnehmer seien schwerkranke Patienten, so dass sie eine Abwägung zugunsten der Interessen dieser Patienten getroffen habe. Es könne von ihr nicht verlangt werden, sich dem Risiko von Schadensersatzansprüchen, eines drohenden Lizenzverlustes und der Verhängung von Ordnungswidrigkeitsstrafen auszusetzen, um an einem objektiv nicht geeigneten Arbeitnehmer festhalten zu können. Setze sie einen HIV-Positiven in der Medikamentenproduktion ein, komme es zu einer nicht hinnehmbaren Rufschädigung.

8

Die Vorinstanzen haben - soweit für die Revision von Interesse - die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

A. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Revision den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO(vgl. zu diesen Anforderungen BAG 19. April 2012 - 6 AZR 677/10 - Rn. 11). Sie setzt sich mit beiden das angegriffene Urteil selbstständig tragenden Begründungen ausreichend auseinander.

10

I. Der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht dahinstehen lassen, ob er behindert sei. Bereits diese Rüge, mit der der Kläger sinngemäß geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe sich mit seiner Begründung den Blick auf den richtigen Prüfungsmaßstab verstellt, stellt das angefochtene Urteil ausreichend in Frage, soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung als wirksam angesehen hat. Ob diese Auffassung materiell-rechtlich zutrifft, ist für die Zulässigkeit der Revision unerheblich.

11

II. Die Revision ist auch zulässig, soweit der Kläger seinen Antrag auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiter verfolgt. Die Begründetheit dieses Anspruchs hängt im Ausgangspunkt denknotwendig davon ab, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfolgt ist. § 15 Abs. 2 AGG ist eine Rechtsfolgenbestimmung(Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 49). Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem Anspruch auf Entschädigung nicht gesondert befasst, sondern nur angenommen, die Beklagte sei nicht zur Entschädigung verpflichtet, weil die Kündigung den Kläger nicht diskriminiere. Vom Rechtsmittelführer kann nicht mehr an Begründung verlangt werden als vom Gericht seinerseits aufgewendet (BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 11, BAGE 126, 237). Für die Zulässigkeit der Revision genügt deshalb insoweit bereits die ausreichende Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Wirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 18. November 2010 - 6 AZR 273/10 - Rn. 34).

12

B. Der Senat hat das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG) e.V., Berlin, als Beistand des Klägers nach § 23 AGG zugelassen. Der Satzungszweck, das diskriminierungsfreie Zusammenleben ua. durch die kostenlose Unterstützung und Beratung bei Diskriminierungen insbesondere in Gerichtsverfahren zur Durchsetzung des Rechtsschutzes Betroffener zu fördern, genügt der Legaldefinition in § 23 Abs. 1 Satz 1 AGG. Das BUG hat nachgewiesen, dass es die nach § 23 Abs. 1 Satz 2 AGG erforderliche Mindestanzahl an Mitgliedern hat.

13

C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger werde nicht wegen einer Behinderung benachteiligt. Die für seine Hilfsbegründung, jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 8 AGG erfüllt, erforderlichen Tatsachen hat es nicht festgestellt. Dabei hat es insbesondere nicht geprüft, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen einen Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Damit trägt auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht, die Kündigung sei nicht nach § 242 BGB unwirksam. Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Der Senat kann nicht selbst feststellen, ob die Kündigung gemäß § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam ist, weil der Kläger wegen seiner Behinderung diskriminiert worden ist. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

I. Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen.

15

1. Welche Bedeutung der Vorschrift des § 2 Abs. 4 AGG zukommt, nach der „für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“ gelten, ist umstritten.

16

a) Für Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, ist diese Frage durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2008 (- 2 AZR 523/07 - Rn. 34 ff., BAGE 128, 238) geklärt. Bei der Prüfung der Wirksamkeit solcher Kündigungen sind die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und die darin vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit zu beachten (vgl. auch BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 24; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 15).

17

b) Nach wie vor kontrovers wird jedoch beurteilt, wie § 2 Abs. 4 AGG im Hinblick auf Kündigungen, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, zu verstehen ist. Einigkeit besteht insoweit nur dahin, dass die Antidiskriminierungsrichtlinien, namentlich die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG), auch einen Schutz vor diskriminierenden Kündigungen gebieten (vgl. EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 37, Slg. 2006, I-6467) und dass dieser Schutz auch Arbeitnehmer außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes erfasst.

18

aa) Die Frage ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt. Die Entscheidungen des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2008 (- 2 AZR 523/07 - Rn. 34, BAGE 128, 238) sowie des Achten Senats vom 22. Oktober 2009 (- 8 AZR 642/08 -) beziehen sich nur auf Kündigungen im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Soweit das Bundesarbeitsgericht vor Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes diskriminierende Kündigungen am Maßstab des § 242 BGB gemessen hat(vgl. BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - für eine auf kulturelle und religiöse Gründe gestützte Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers, der einer Sinti-Familie angehörte; 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128 für eine auf Homosexualität gestützte Kündigung), ist diese Rechtsprechung durch die geänderte Rechtslage überholt.

19

bb) Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum nimmt an, die Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sowie die Beweislastverteilung nach § 22 AGG müssten bei der Prüfung, ob die Kündigung nach den zivilrechtlichen Generalklauseln(§§ 138, 242 BGB) unwirksam sei, berücksichtigt werden (KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 17, 19; KR/Griebeling § 1 KSchG Rn. 26a; ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 2 AGG Rn. 18; vHH/L/Krause 15. Aufl. § 1 Rn. 238, 242; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 230; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 62; v. Roetteken AGG Stand März 2011 § 2 Rn. 69; Blessing Rechtsfolgen diskriminierender Kündigungen unter Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes S. 147). Ein Teil des Schrifttums vertritt dabei die Auffassung, die Bestimmungen der Antidiskriminierungsrichtlinien seien bei der Prüfung, ob die Kündigung nach den zivilrechtlichen Generalklauseln unwirksam sei, unmittelbar zu berücksichtigen, die unionsrechtlich geforderte Beweislastverteilung müsse durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 138 Abs. 2 ZPO gewährleistet werden(APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen J Rn. 71f, 71g; ähnlich Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 112 ff.).

20

cc) Ein anderer Teil des Schrifttums hält § 2 Abs. 4 AGG für unvereinbar mit Unionsrecht. Eine unionsrechtskonforme Auslegung sei wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht möglich, widerspreche aber jedenfalls dem unionsrechtlichen Transparenzgebot (dazu EuGH 10. Mai 2001 - C-144/99 - [Kom-mission/Niederlande] Rn. 17, Slg. 2001, I-3541). § 2 Abs. 4 AGG sei deshalb nicht anwendbar, stattdessen fänden die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unmittelbare Anwendung(Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 256 ff., 263 mwN).

21

dd) Teils wird - mit unterschiedlichen Ansätzen - angenommen, § 2 Abs. 4 AGG erfasse Kündigungen während der Wartezeit und im Kleinbetrieb nicht(HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 147 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 63; Stein in Wendeling-Schröder AGG § 2 Rn. 48; wohl auch Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. Vor § 1 Rn. 28).

22

2. Zutreffend ist die letztgenannte Auffassung. § 2 Abs. 4 AGG regelt für Kündigungen nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen. Die zivilrechtlichen Generalklauseln werden dagegen von § 2 Abs. 4 AGG nicht erfasst. Der Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geht insoweit diesen Klauseln vor und verdrängt diese. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Zweck des § 2 Abs. 4 AGG. Der Wortlaut der Bestimmung steht dem nicht entgegen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt allerdings nicht selbst, welche Rechtsfolge eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unzulässige Benachteiligung hat. Diese Rechtsfolge ergibt sich erst aus § 134 BGB(vgl. Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. Vor § 1 Rn. 25; Düwell jurisPR-ArbR 47/2006 Anm. 6).

23

a) Der Gesetzgeber wollte mit § 2 Abs. 4 AGG für Kündigungen nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen, zu denen die zivilrechtlichen Generalklauseln in §§ 138, 242 BGB nicht gehören, regeln. Das folgt aus der Gesetzgebungsgeschichte.

24

aa) § 2 Abs. 4 AGG ist erst während des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt worden. In der vom Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgeschlagenen Fassung sollte die Bestimmung wie folgt gefasst werden:

„Für Kündigungen gelten vorrangig die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes.“

25

Damit sollte klargestellt werden, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unberührt blieben. Der Praxis sollte verdeutlicht werden, dass Rechtsstreite bei Kündigungen auch in Zukunft vorwiegend nach dem Kündigungsschutzgesetz zu entscheiden seien (BT-Drucks. 15/5717 S. 5, 36).

26

bb) Wortlaut und Begründung des § 2 Abs. 4 AGG-E griff die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 8. Juni 2006 auf (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Die Empfehlung des Bundesrats zu diesem Entwurf vom 6. Juni 2006 sah vor, § 2 Abs. 4 AGG wie folgt zu fassen(BR-Drucks. 329/1/06 S. 1):

„Liegt die Benachteiligung in einer Kündigung, finden im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ausschließlich dessen Bestimmungen Anwendung. …“

27

Mit dieser Regelung sollte das Verhältnis beider Gesetze (dh. von AGG und KSchG) präzisiert werden. Das mit dieser Vorschrift verbundene Anliegen - Vorrang der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes - komme in der bisherigen Fassung nicht hinreichend klar zum Ausdruck (BR-Drucks. 329/1/06 S. 2).

28

cc) Der Rechtsausschuss schlug in seiner Beschlussempfehlung vom 28. Juni 2006 die Gesetz gewordene Fassung vor. In seiner Begründung (BT-Drucks. 16/2022 S. 12) griff er ausdrücklich das Anliegen des Bundesrats auf. Das Verhältnis „beider Gesetze“ (von AGG und KSchG) solle präzisiert werden. Es erscheine sachgerechter, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz Anwendung fänden, weil „diese Regelungen speziell auf Kündigungen zugeschnitten“ seien. Die wesentlichen Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes fänden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch sowie im ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes. Bestimmungen zum besonderen Kündigungsschutz enthielten der Zweite Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes und zB § 9 Abs. 3 MuSchG und §§ 18 f. BEEG.

29

b) Aus dieser Entstehungsgeschichte folgt zugleich der Zweck des § 2 Abs. 4 AGG.

30

aa) Mit dem Bezug auf die „Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz“ wollte der Gesetzgeber nicht regeln, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für sämtliche Kündigungen nicht gelten sollte. Es sollte lediglich das Verhältnis von Kündigungsschutzgesetz und Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz „präzisiert“ und das Anliegen des Bundesrats, den Vorrang der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes klarzustellen, aufgegriffen werden. Außerdem sollte den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Regelungen Anwendungsvorrang zukommen. Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sollten in diese Bestimmungen eingepasst werden und Kohärenz zwischen dem Antidiskriminierungsrecht des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf der einen und den von § 2 Abs. 4 AGG erfassten Kündigungsschutzbestimmungen auf der anderen Seite hergestellt werden(vgl. BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 37, 39 f., BAGE 128, 238). Neben das Kündigungsschutzgesetz und die speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes sollte kein „zweites“, durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vermitteltes Kündigungsschutzrecht treten. Eine Sperrwirkung für Kündigungen, für die wie die hier streitbefangene Wartezeitkündigung das Kündigungsschutzgesetz (noch) nicht gilt und für die weder spezielle Kündigungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches wie § 626 und § 613a Abs. 4 BGB noch besondere Kündigungsschutzbestimmungen in Betracht kommen, war nicht bezweckt(vgl. HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 148 f.). Bedeutung kommt § 2 Abs. 4 AGG für solche Kündigungen nur insofern zu, als es zB bei der Anwendbarkeit der Klagefrist des § 4 KSchG und der Rechtsfolgen des § 7 KSchG im Fall ihrer Versäumung bleibt(Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 2 Rn. 38; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 240).

31

bb) Bei ordentlichen Kündigungen, auf die das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet und bei denen der Arbeitnehmer geltend macht, die Kündigung diskriminiere ihn, besteht kein nach diesem Gesetzeszweck zu vermeidender Konflikt zwischen zwei ausdifferenzierten Kündigungsschutzsystemen. Das Kündigungsschutzgesetz verlangt Gründe, die die Kündigung rechtfertigen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 56 sprechen von einer „Positivliste“). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht dagegen davon aus, dass Kündigungen grundsätzlich zulässig sind, es sei denn, es liegt eine Diskriminierung vor (Bauer/Göpfert/Krieger aaO sprechen hier von einer „Negativliste“). Für ordentliche Kündigungen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, auf die keine speziellen Kündigungsverbote Anwendung finden, gilt von vornherein nur eine „Negativliste“: Diese Kündigungen sind grundsätzlich wirksam. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise und nur dann, wenn sie diskriminierend, treu- oder sittenwidrig sind oder gegen höherrangiges Recht verstoßen. Es tritt also nicht neben einen - gänzlich anders strukturierten - Kündigungsschutz ein zweites Schutzsystem mit anderen Parametern, sondern es bleibt bei der „Negativliste“, die um weitere Punkte und vor allem eine abweichende Beweislastverteilung ergänzt wird. Eine „Verzahnung“ des Kündigungsschutzrechts und des Antidiskriminierungsrechts ist in derartigen Konstellationen nicht erforderlich und wird darum auch nicht durchbrochen (aA KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 18).

32

c) Der Wortlaut des § 2 Abs. 4 AGG steht diesem aus der Entstehungsgeschichte und dem Gesetzeszweck hergeleiteten Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar ordnet § 2 Abs. 4 AGG unterschiedslos für alle „Kündigungen“ an, dass für sie ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Die Anwendung der Norm ist jedoch hinsichtlich des materiellen Kündigungsschutzes im Wege der teleologischen Reduktion auf Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz, speziell auf Kündigungen zugeschnittene Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches oder besondere Kündigungsschutzbestimmungen gelten, zu beschränken. Nur so wird die nach dem Wortlaut zu weit gefasste Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG ihrem Zweck gerecht. Für ordentliche Kündigungen in der Wartezeit und in Kleinbetrieben gelten grundsätzlich keine Bestimmungen des „allgemeinen Kündigungsschutzes“ iSd. § 2 Abs. 4 AGG.

33

aa) Die teleologische Reduktion von Vorschriften auch gegen deren Wortlaut gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89 ua. - zu C II 2 der Gründe, BVerfGE 88, 145). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass andere Indizien deutlich belegen, dass der Sinn der Norm im Text nur unzureichend Ausdruck gefunden hat (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 22/93 - [Kleinbetriebsklausel II] zu B I 5 der Gründe, BVerfGE 97, 186) und die weiteren Auslegungsmethoden die wahre Bedeutung der Norm freilegen (vgl. BVerfG 19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72 - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 35, 263). Diese Befugnis des Richters beruht darauf, dass die Auslegung gerade der Ermittlung des im Gesetz objektivierten Willens des Gesetzgebers dient (vgl. BVerfG 4. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 ua. - [Dienstbeschädigungsausgleich] Rn. 99, BVerfGE 131, 88).

34

bb) Unter „allgemeinem Kündigungsschutz“ wird - entsprechend der Überschrift des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes - im fachbezogenen Sprachgebrauch der Kündigungsschutz nach diesem Abschnitt verstanden (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 49, BAGE 128, 73; 8. Juli 1998 - 7 AZR 245/97 - zu II 1 der Gründe, BAGE 89, 216; HaKo/Mayer 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 147). Zwar hat der Gesetzgeber in seiner Begründung zu der Gesetz gewordenen Fassung weiter gehend angenommen, die wesentlichen Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes fänden sich auch „im Bürgerlichen Gesetzbuch“ (BT-Drucks. 16/2022 S. 12). Er hat aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er mit den Bestimmungen des „allgemeinen Kündigungsschutzes“ nur solche Bestimmungen meint, die speziell auf Kündigungen zugeschnitten sind. Das sind im Bürgerlichen Gesetzbuch vor allem §§ 613a, 622 und 626 BGB. Die für den Kündigungsschutz im Kleinbetrieb und in der Wartezeit maßgeblichen zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138 und 242 BGB sind dagegen - wie schon ihre Bezeichnung zeigt - gerade nicht speziell auf Kündigungen zugeschnitten, sondern Auffangtatbestände, die zudem erst unter Berücksichtigung verfassungs- oder unionsrechtlicher Vorgaben(vgl. dazu BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - Rn. 27) ihren Bedeutungsgehalt für Kündigungen gewinnen. Deshalb sind nach dem Verständnis des Gesetzgebers die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB keine „Bestimmungen zum allgemeinen Kündigungsschutz“ iSd. § 2 Abs. 4 AGG(Kittner/Däubler/Zwanziger/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 63; HaKo/Mayer aaO).

35

cc) Für ordentliche Kündigungen in der Wartezeit und in Kleinbetrieben, für die keine speziell auf Kündigungen zugeschnittene Bestimmungen gelten, war nach dem Verständnis des Gesetzgebers gerade keine Regelung dazu erforderlich, in welchem Verhältnis das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die auf solche Kündigungen Anwendung findenden Generalklauseln stehen sollten. Soweit § 2 Abs. 4 AGG gleichwohl seinem Wortlaut nach auch solche Kündigungen erfasst, entspricht dies nicht dem Zweck, den der Gesetzgeber mit dieser Norm verfolgte.

36

d) Diese Auslegung führt nicht dazu, dass Kündigungen außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes insbesondere wegen der möglichen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG stärker sanktioniert würden als Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz gilt(so aber KR/Treber 10. Aufl. § 2 AGG Rn. 18; Bauer/Thüsing/Schunder NZA 2006, 774, 777). Auch bei Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, scheidet eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht von vornherein aus.

37

aa) Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte diese Frage zunächst offengelassen (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 16; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 33, BAGE 128, 238; zum Streitstand Wenckebach AuR 2010, 499, 501). Er hatte jedoch schon darauf hingewiesen, dass eine Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG neben der Sanktionsfolge der Unwirksamkeit nicht systemwidrig erscheine. Auch Entschädigungen für immaterielle Schäden infolge einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Zusammenhang mit der Erklärung einer unwirksamen Kündigung seien nicht ausgeschlossen (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 16 unter Hinweis auf BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 -). Er hatte weiter angenommen, es sei vom Vorliegen eines immateriellen Schadens iSd. § 15 Abs. 2 AGG auszugehen, wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot feststehe(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 74, BAGE 129, 181). Mit Urteil vom 12. Dezember 2013 hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts nun einer schwangeren Arbeitnehmerin, der unter Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz gekündigt worden war, wegen Geschlechtsdiskriminierung einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zuerkannt(- 8 AZR 838/12 - Pressemitteilung Nr. 77/13).

38

bb) Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar(KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN; vgl. auch BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen(vgl. Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 190; Blessing Rechtsfolgen diskriminierender Kündigungen unter Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes S. 173). Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von der Frage sanktioniert werden, ob nach einer unwirksamen Kündigung das Arbeitsverhältnis fortbesteht (vgl. Blessing aaO S. 193). Ausgehend davon kann allenfalls angenommen werden, die Unwirksamkeit der Kündigung sei eine Naturalrestitution iSd. § 15 Abs. 1 AGG. Die Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG kann dagegen nicht mit der Begründung abgelehnt werden, diese Rechtsfolge sei eine hinreichende Sanktion iSd. Antidiskriminierungsrichtlinien (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 54; Wenckebach AuR 2010, 499, 502). Die Unwirksamkeit der Kündigung kann die bei einer Diskriminierung nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Regel vorliegende Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht kompensieren. Dies gilt insbesondere in dem in der Praxis häufig vorkommenden Fall, dass der Arbeitnehmer auch nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt.

39

cc) Darüber hinaus kommt bei unwirksamen Abmahnungen oder Versetzungen, die kündigungsrechtlich gesehen mildere Maßnahmen im Vergleich zu einer Kündigung darstellen, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ohne Weiteres in Betracht(vgl. für die Versetzung BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181), obwohl auch diese Maßnahmen bei Diskriminierungen iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unwirksam sind und Abmahnungen zusätzlich noch aus der Personalakte zu entfernen sind. Dann muss erst recht bei diskriminierenden Kündigungen, die typischerweise tiefer in das Persönlichkeitsrecht eingreifen, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG möglich sein(Wenckebach AuR 2010, 499, 502; Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 262a).

40

dd) § 2 Abs. 4 AGG steht einem solchen Verständnis des § 15 Abs. 2 AGG nicht entgegen. Damit wird nur der Weg beschrieben, auf dem die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in das Kündigungsschutzrecht einzupassen sind. Die Frage, wie Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu sanktionieren sind, ist nicht berührt (vgl. Wenckebach AuR 2010, 499, 502).

41

e) Die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes führt - insbesondere wegen der Beweislastregel des § 22 AGG(vgl. KR/Treber 10. Aufl. § 22 AGG Rn. 6; Däubler/Bertzbach/Bertzbach AGG 3. Aufl. § 22 Rn. 48 mwN) - in Fällen, in denen das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, dazu, dass die Rechtsstellung von Arbeitnehmern bei potentiell diskriminierenden Kündigungen gegenüber der von Arbeitnehmern, bei denen keine Diskriminierung in Betracht kommt, verbessert wird. Dies ist jedoch nur die Konsequenz der Überlagerung des nationalen Kündigungsschutzrechts durch das Antidiskriminierungsrecht der Europäischen Union.

42

II. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob der Kläger behindert iSd. § 1 AGG ist, sondern hat dies ausdrücklich offengelassen. Beide Begründungen, mit denen es die Kündigung unabhängig von der Frage der Behinderung des Klägers als wirksam angesehen hat, tragen nicht. Es ist deshalb von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob die symptomlose HIV-Infektion des Klägers eine Behinderung iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes darstellt.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe den Kläger durch die streitbefangene Kündigung nicht wegen einer etwaigen Behinderung benachteiligt. Mit dieser Begründung durfte es eine Behinderung nicht dahinstehen lassen.

44

a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Überlegungen können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigungserklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Dieser Zusammenhang kann sich aus der Kündigungsbegründung oder anderen Umständen ergeben (BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 34). Dabei bedarf es allerdings keiner subjektiven Komponente im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Es reicht aus, wenn eine Anknüpfung der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommt (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 28). Dies ist hier unstreitig der Fall, weil die Beklagte die HIV-Infektion als Ausschlussmerkmal für einen Einsatz im Reinraum ansieht. Auch unberechtigte Stereotypisierungen können zu (unabsichtlichen) Diskriminierungen führen (vgl. Schiek/Schiek AGG § 3 Rn. 16; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 3 Rn. 13). Darauf, ob die Beklagte glaubte, das für sie geltende Regelwerk gebiete die Kündigung, kommt es deshalb entgegen der von ihr vertretenen Auffassung nicht an.

45

b) Die Beklagte macht geltend, sie habe dem Kläger allein deshalb gekündigt, weil er an einer ansteckenden Krankheit im Sinne ihrer SOP leide und deshalb die Anforderungen an eine Beschäftigung im Reinraum nicht erfülle, nicht aber, weil er HIV-infiziert sei. Sie hätte genauso gehandelt, wenn der Kläger an Hepatitis B oder C bzw. einer chronischen Hauterkrankung an den Armen, Unterarmen, Händen oder im Gesicht gelitten hätte. Das Landesarbeitsgericht ist dem unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 2011 (- 8 AZR 515/10 - Rn. 34) gefolgt. Das ist rechtsfehlerhaft. Die vom Landesarbeitsgericht angeführte Entscheidung betrifft andere Fallkonstellationen als die vorliegende.

46

aa) Wäre der Kläger wegen seiner symptomlosen HIV-Infektion behindert, stellte die streitbefangene Kündigung eine unmittelbare Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG in Form einer sog. verdeckten unmittelbaren Ungleichbehandlung dar. Eine solche Ungleichbehandlung ist gegeben, wenn nach einem scheinbar objektiven, nicht diskriminierenden Kriterium (ansteckende Krankheit) unterschieden wird, das jedoch in untrennbarem Zusammenhang mit einem in § 1 AGG genannten Grund(Behinderung) steht und damit kategorial ausschließlich Träger eines Diskriminierungsmerkmals trifft (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 23, BAGE 138, 107; vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23, Slg. 2010, I-9343; vgl. zu der für die Schwangerschaft klarstellenden Normierung dieser Rechtsfigur in § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 20 f., BAGE 137, 80). Das ist hier der Fall. Kündigungsgrund ist die Unfähigkeit des Klägers, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Diese nach Auffassung der Beklagten bestehende Unfähigkeit ergab sich allein aus der HIV-Infektion des Klägers. Nach ihrer SOP ist die HIV-Infektion ebenso wie chronische Hauterkrankungen im Bereich der Arme, Unterarme, Hände und Gesicht oder eine chronisch verlaufende Hepatitis B und C ein Ausschlusskriterium für die Tätigkeit im Reinraum (vgl. S. 2 der Beauftragung des Betriebsarztes zur Durchführung von GMP-Untersuchungen vom 1. April 2010). Weitere absolute Ausschlussgründe sieht die SOP nicht vor. Ansteckende Erkrankungen wie Husten und Schnupfen, wiederholtes Erbrechen, Durchfall oder offene Ekzeme sind nach der SOP nur anzeigepflichtig und ziehen, wie die Beklagte selbst vorträgt, nur den vorübergehenden Ausschluss von der Tätigkeit im Reinraum nach sich. Führte bei chronischen Erkrankungen der Ausschluss von bestimmten Teilen des Berufsfelds dazu, dass eine Behinderung iSd. § 1 AGG vorliegt, wäre dies in allen drei in der SOP der Beklagten aufgeführten Fällen anzunehmen. Eine Kündigung, die wegen einer der in der SOP angeführten ansteckenden Krankheiten, die zum dauerhaften Ausschluss von der Tätigkeit im Reinraum führen, erklärt wird, wäre dann in allen drei Fällen wegen eines Merkmals iSd. § 1 AGG erfolgt. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn ein Arbeitgeber einer befristet eingestellten Frau kündigt, die wegen ihrer Schwangerschaft während der gesamten Dauer der Befristung einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot unterliegt (vgl. EuGH 4. Oktober 2001 - C-109/00 - [Tele Danmark] Rn. 20, 31, Slg. 2001, I-6993), oder wenn er einem Rollstuhlfahrer kündigt, weil die geschuldete Arbeit von einem Rollstuhlfahrer nicht verrichtet werden könne, denn nur Behinderte sind dauerhaft an den Rollstuhl gebunden (vgl. Kamanabrou RdA 2006, 321, 324). In all diesen Fällen beruht die Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erfüllen, letztlich auf einem Diskriminierungsmerkmal.

47

bb) Daraus folgt zugleich, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten, die Kündigung beruhe letztlich auf der aus dem Regelwerk der Beklagten folgenden, auf einer ansteckenden Krankheit beruhenden fehlenden Einsetzbarkeit des Klägers und benachteilige diesen deshalb jedenfalls nicht wegen einer etwaigen Behinderung, nicht trägt. Ob tatsächlich der Einsatz des Klägers im Reinraum dauerhaft unmöglich und deshalb die Kündigung wirksam war, ist eine Frage, die ausschließlich auf der Ebene der Rechtfertigung unter Berücksichtigung der Möglichkeit, angemessene Vorkehrungen zu treffen, zu entscheiden ist, nicht aber bereits die Annahme einer Benachteiligung wegen der Behinderung von vornherein ausschließt.

48

cc) Der Kläger würde gegenüber Personen in einer vergleichbaren Situation benachteiligt (zu diesem Erfordernis BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 29, BAGE 138, 107). Die Feststellung der Vergleichbarkeit der Situation erfordert, dass es außer der anderen Ausprägung des Diskriminierungsmerkmals keine wesentlichen Unterschiede zwischen der benachteiligten und der Vergleichsperson gibt (Schiek/Schiek AGG § 3 Rn. 11). Einem nicht behinderten chemisch-technischen Assistenten in einer sonst mit der Situation des Klägers vergleichbaren Lage wäre nicht gekündigt worden (vgl. in diesem Sinne auch EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 77). Darin liegt der Unterschied zu der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 2011 (- 8 AZR 515/10 -). Das Argument der Beklagten, auch einem an einer chronisch verlaufenden Hepatitis B bzw. C oder an einer chronischen Hauterkrankung an den Armen, Unterarmen, Händen oder im Gesicht leidenden Arbeitnehmer hätte sie gekündigt, trägt nicht. Auch diese Arbeitnehmer wären, wie unter Rn. 46 ausgeführt, behindert.

49

2. Die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts, das Fehlen einer HIV-Infektion stelle eine berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG dar, greift zu kurz.

50

a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass sich der Arbeitgeber, der eine Kündigung darauf stützt, dass er den Arbeitnehmer wegen seiner Behinderung nicht einsetzen könne, nur dann auf den Rechtfertigungsgrund des § 8 Abs. 1 AGG berufen kann, wenn auch angemessene Vorkehrungen iSd. Art. 5 RL 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - UN-Behin-dertenrechtskonvention (UN-BRK) - nicht zu einer Einsatzmöglichkeit führen. Unterlässt der Arbeitgeber die danach gebotenen Vorkehrungen und kann er den Arbeitnehmer deshalb nicht einsetzen, ist dieser Umstand regelmäßig nicht auf die Behinderung des Arbeitnehmers, sondern auf die Untätigkeit des Arbeitgebers zurückzuführen. Die Kündigung ist dann nicht gerechtfertigt (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, Slg. 2006, I-6467).

51

aa) Der Kläger ist mit einem GdB von 10 allenfalls „einfach“ Behinderter. Für diesen Personenkreis ist Art. 5 RL 2000/78/EG, demzufolge der Arbeitgeber angemessene Vorkehrungen zu ergreifen hat, um Behinderten ua. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen, sofern diese Maßnahmen ihn nicht unverhältnismäßig belasten, nicht in nationales Recht umgesetzt worden (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 34 ff.). Eine vergleichbare Verpflichtung sieht Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i UN-BRK vor, wonach die Vertragsstaaten sicherstellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen (reasonable accommadation) für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Was unter „angemessenen Vorkehrungen“ iSd. UN-BRK zu verstehen ist, ist in Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK festgelegt.

52

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen Entscheidungen vom 4. Juli 2013 (- C-312/11 - [Kommission/Italien]) und vom 11. April 2013 (- C-335/11 ua. - [Ring]) ausgeführt, dass und wie Art. 5 RL 2000/78/EG nach der Genehmigung der UN-BRK durch den Rat im Namen der Europäischen Gemeinschaft(Beschluss 2010/48/EG vom 26. November 2009 ABl. EU L 23 vom 27. Januar 2010 S. 35) unter Beachtung und in Übereinstimmung mit der UN-BRK auszulegen ist. Der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ ist weit zu verstehen und umfasst die Beseitigung der verschiedenen Barrieren, die die volle und wirksame, gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben behindern. Gemeint sind nicht nur materielle, sondern auch organisatorische Maßnahmen, wobei die Aufzählung der möglichen Vorkehrungen im 20. Erwägungsgrund der RL 2000/78/EG nicht abschließend ist (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 53 bis 56). Ob solche Vorkehrungen den jeweiligen Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten, haben die nationalen Gerichte festzustellen, wobei sie insbesondere den damit verbundenen finanziellen und sonstigen Aufwand unter Berücksichtigung der Größe und der Finanzkraft des Arbeitgebers sowie der Möglichkeit, öffentliche Mittel oder andere Unterstützungen in Anspruch zu nehmen, in die Abwägung einzubeziehen haben (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 59 f.). Die Mitgliedstaaten müssen aufgrund von Art. 5 RL 2000/78/EG iVm. Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK die Arbeitgeber verpflichten, die im konkreten Einzelfall jeweils erforderlichen angemessenen Vorkehrungen zu ergreifen. Das bloße Schaffen von Anreiz- und Hilfsmaßnahmen genügt nicht (EuGH 4. Juli 2013 - C-312/11 - [Kommission/Italien] Rn. 60 ff. der franz. Fassung; Beyer/Wocken DB 2013, 2270).

53

cc) Die Bestimmungen der UN-BRK sind integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 28 ff.). Dadurch sind sie zugleich Bestandteil des - ggf. unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts. Im Hinblick auf die durch den Gerichtshof der Europäischen Union unter Beachtung der UN-BRK vorgenommene Auslegung des Art. 5 RL 2000/78/EG ist Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK weder unmittelbar anzuwenden (aA v. Roetteken jurisPR-ArbR 33/2013 Anm. 1 unter D; zur unmittelbaren Anwendung von Völkerrecht vgl. Schmahl JuS 2013, 961, 965; Aichele AnwBl. 2011, 727, 728) noch sind §§ 7 und 8 AGG völkerrechtskonform auszulegen. Die Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen ergibt sich vielmehr bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB aus dieser Bestimmung(vgl. zu dieser Vorschrift BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - BAGE 131, 325; 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - BAGE 134, 296; vgl. auch Beyer/Wocken DB 2013, 2270, 2272).

54

b) Eine Kündigung eines behinderten Arbeitnehmers wegen fehlender Einsatzmöglichkeiten ist demnach nur wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, das infolge der Behinderung vorliegende Beschäftigungshindernis durch angemessene Vorkehrungen zu beseitigen (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 57; Däubler/Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 8 Rn. 33; KR/Treber 10. Aufl. § 8 AGG Rn. 29; Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 30). Dies hat der Arbeitgeber darzulegen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 43; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 33 f.; Stiebert/Pötters aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO Rn. 33 f.). Beurteilungsgrundlage für die Rechtfertigungsprüfung ist dabei nicht der ursprüngliche (ausgeschriebene) Arbeitsplatz, sondern der mit verhältnismäßigem Aufwand geänderte Arbeitsplatz. Anderenfalls könnte - wie die Argumentation der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts eindrücklich belegen - der Arbeitgeber stets berufsbezogen argumentieren und behinderte Arbeitnehmer berechtigt von der Teilhabe am Berufsleben ausschließen (vgl. Däubler/Bertzbach/Brors aaO Rn. 33; KR/Treber aaO). Genau das will Art. 5 RL 2000/78/EG verhindern, dessen Befolgung im nationalen Recht § 241 Abs. 2 BGB sicherstellt. Kann der Arbeitsplatz mit zumutbaren Anstrengungen angepasst werden, ist der Arbeitnehmer für die geschuldete Tätigkeit geeignet. Auf eine Rechtfertigung nach § 8 AGG kommt es dann grundsätzlich nicht mehr an. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer zwar auf dem zumutbar angepassten Arbeitsplatz eingesetzt werden kann, aber trotzdem wegen der Behinderung schlechter gestellt wird, zB weil er nicht im Schichtbetrieb eingesetzt wird und deshalb eine Schichtzulage nicht erhält, kann noch eine Rechtfertigung dieser gleichwohl erfolgenden Benachteiligung nach § 8 Abs. 1 AGG in Betracht kommen. Erst in einem solchen Fall muss der Arbeitgeber darlegen, dass und warum gerade im Hinblick auf den angepassten Arbeitsplatz ein berufsbezogener weiterer Grund eine Benachteiligung des Behinderten rechtfertigt (ähnlich Däubler/Bertzbach/Brors aaO).

55

III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

56

1. Die symptomlose HIV-Infektion des Klägers hat eine Behinderung iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zur Folge. Eine Diskriminierung des Klägers durch die angegriffene Kündigung kommt deshalb in Betracht.

57

a) Eine Behinderung iSd. § 1 AGG liegt unter Berücksichtigung des maßgeblichen supranationalen Rechts vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch - in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren(Barrieren) - seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, substantiell beeinträchtigt sein kann. Auf einen bestimmten GdB kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32). Ob eine Behinderung vorliegt, ist unter Beachtung dieses Begriffsverständnisses im Einzelfall festzustellen (Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 40), wobei auch zu beachten ist, dass das Verständnis von Behinderung nicht statisch ist (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 37).

58

aa) Der Begriff der Behinderung iSd. § 1 AGG entspricht nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 3 BGG(BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32; BR-Drucks. 329/06 S. 31). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Gesetzgeber hat sich damit für einen modernen Behindertenbegriff entschieden, der an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anknüpft (BT-Drucks. 14/5074 S. 98; vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 20, BAGE 122, 54). Bei diesem bio-psycho-sozialen Behindertenbegriff wird Behinderung nicht durch die individuelle Funktionsstörung, sondern durch die Beeinträchtigung der (gesellschaftlichen) Teilhabe definiert. Eine Behinderung liegt vor, wenn sich die Beeinträchtigung auf die Partizipation in einem oder mehreren Lebensbereichen auswirkt (BT-Drucks. 14/5074 S. 98). Ob eine Beeinträchtigung relevant ist, ergibt sich demnach erst aus dem Zusammenwirken von behindernden sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) und individueller Gesundheitsstörung (Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 37; Welti DÖV 2013, 795, 797). Eine Gesundheitsstörung kann auch darin liegen, dass die (gesellschaftliche) Teilhabe durch das Verhalten anderer beeinträchtigt wird (Schiek/Welti aaO Rn. 43). Behinderung ist nach diesem Verständnis sowohl persönliche Eigenschaft als auch soziales Verhältnis (Schiek/Welti aaO Rn. 37, vgl. auch v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 159b). Eine Behinderung in diesem Sinne kann demnach auch erst durch das „Behindern“ eines Menschen durch seine Umwelt entstehen.

59

bb) In seinen Entscheidungen vom 11. April 2013 (- C-335/11 ua. - [Ring]) und vom 4. Juli 2013 (- C-312/11 - [Kommission/Italien]) hat der Gerichtshof der Europäischen Union seine Auslegung des Begriffs der „Behinderung“ iSd. RL 2000/78/EG in Anpassung an Art. 1 Unterabs. 2 UN-BRK modifiziert (zur bisherigen Auslegung siehe EuGH 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 37, Slg. 2006, I-6467). Erfasst sind Einschränkungen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sind, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, sofern die körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen langfristig sind. Das schließt einen Zustand ein, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit die vorgenannten Einschränkungen mit sich bringt. Anderenfalls fällt eine Krankheit nicht unter den Begriff der Behinderung iSd. RL 2000/78/EG. Behinderung und Krankheit sind nach wie vor nicht gleichzusetzen (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 41 f., 47, 75).

60

cc) Damit haben sich die unionsrechtliche Konzeption und die des nationalen Rechts angenähert. Aus den unterschiedlichen Definitionen ergeben sich jedoch nach wie vor Unterschiede im Begriffsverständnis, die für die vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Erfassten teils günstiger, teils ungünstiger sind.

61

(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat den Begriff der Behinderung im Hinblick auf den Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG auf Beeinträchtigungen der wirksamen Teilhabe am Berufsleben beschränkt (zur Kritik an dieser Beschränkung siehe Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 24 bis 27), während die Behindertenbegriffe des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der UN-BRK auf die gesellschaftliche Teilhabe abstellen. Darüber hinaus sind nach dem nationalen Verständnis bereits Abweichungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern, als langfristig anzusehen, während nach dem Verständnis des Unionsrechts die nationalen Gerichte im Einzelfall entscheiden müssen, wann eine Einschränkung „langfristig“ ist.

62

(2) Demgegenüber ist der nationale Behindertenbegriff zulasten der Behinderten enger als das supranationale Begriffsverständnis, soweit er eine Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand verlangt, alterstypische Einschränkungen also stets nicht als Behinderung ansieht (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161 f.; Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 42). Darüber hinaus verlangt der nationale Behindertenbegriff, dass die Beeinträchtigung der Teilhabe bereits eingetreten ist, während es nach dem von der UN-BRK geleiteten unionsrechtlichen Behindertenbegriff bereits ausreicht, dass eine solche Beeinträchtigung eintreten kann.

63

dd) Der Behindertenbegriff des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist maßgeblich, soweit das nationale Recht von einem weiteren Behindertenbegriff als das supranationale Recht ausgeht. Im Übrigen ist der Behindertenbegriff des Unionsrechts zugrunde zu legen.

64

(1) Die RL 2000/78/EG stellt gemäß Art. 8 Abs. 1 nur Mindestanforderungen auf. Es bleibt daher den Mitgliedstaaten unbenommen, Regelungen einzuführen oder beizubehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die Vorschriften der Richtlinie sind. Davon hat die Bundesrepublik Deutschland im genannten Rahmen Gebrauch gemacht (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161e, 165; Däubler/ Bertzbach/Däubler AGG 3. Aufl. § 1 Rn. 75; aA KR/Treber 10. Aufl. § 1 AGG Rn. 49; BeckOK ArbR/Roloff Stand 1. Dezember 2013 AGG § 1 Rn. 7). Der Gesetzgeber des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes hat ausdrücklich auf den weitreichenden Behindertenbegriff in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und in § 3 BGG abgestellt. Ein gesetzgeberisches Versehen ist damit auszuschließen (gegen eine gespaltene Auslegung des Behindertenbegriffs gleichwohl Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 33).

65

(2) Soweit das nationale Recht hinter dem supranationalen Recht zurückbleibt, ist dagegen der Behindertenbegriff des Unionsrechts zugrunde zu legen (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 161f). Damit reicht es insbesondere aus, dass Beeinträchtigungen eintreten „können“.

66

ee) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt ein solches Begriffsverständnis nicht dazu, dass Ursache und Wirkung vertauscht würden, wenn der Umgang des Arbeitgebers mit einer Beeinträchtigung eine Behinderung zur Folge haben kann. Bei der Feststellung, ob eine Behinderung vorliegt, geht es gerade darum, objektive Barrieren zu erkennen, die sich nicht zuletzt im Verhalten des Arbeitgebers manifestieren können.

67

ff) Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass ein so verstandener Behindertenbegriff zu einer „Entgrenzung“ des Begriffs (siehe dazu Stiebert/Pötters Anm. EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 31 S. 27, die darauf hinweisen, dass etwa 40 % der Bevölkerung in Deutschland an Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Arthrose oder Rheuma leiden; zur Häufigkeit chronischer Krankheiten siehe auch Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 16) führen und dadurch der Schutz für „schwer“ Behinderte sinken kann. Sind alle oder jedenfalls die Mehrzahl der vergleichbaren Personen ebenfalls behindert, droht der Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (weitgehend) leer zu laufen (vgl. Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 67). Zumindest ist der Behindertenschutz dann kein Minderheitenschutz mehr, es kommt zu einer Majorisierung der „normal Gesunden“ durch die Behinderten.

68

(1) Eine solche mögliche Entgrenzung lässt sich jedoch dadurch einschränken, dass die Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Teilhabe und das Vorliegen einer Benachteiligung wegen dieser nicht pauschal, sondern für die betroffenen Gruppen behinderter Menschen konkret geprüft wird. So kann etwa ein an Diabetes mellitus erkrankter Arbeitnehmer, der „gut eingestellt“ ist, an der gesellschaftlichen Teilhabe so geringfügig beeinträchtigt sein, dass er als nicht behindert anzusehen ist, während ein „schlecht einzustellender“ Diabetiker behindert sein kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Personen mit gleichartigen Beeinträchtigungen in verschiedenen Kontexten unterschiedlich in ihrer Teilhabe beeinträchtigt sein können. Ob und welche Barrieren vorliegen, beeinflusst die Annahme einer Behinderung. Die ICF, an deren Definition sich der nationale Behindertenbegriff orientiert, klassifiziert individuelle Behinderungen und berücksichtigt dabei Umweltfaktoren sowohl auf der Ebene des Individuums als auch auf der der Gesellschaft (Welti DÖV 2013, 795, 797; vgl. auch ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 21 f. unter 4.3; Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 68). Wer ungeachtet bestehender Beeinträchtigungen die Möglichkeit hat, gleichberechtigt am Leben in der Gemeinschaft und im Beruf teilzuhaben, ist nicht behindert (v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 159a, 164).

69

(2) Der Gefahr übermäßiger Belastung der Arbeitgeber durch einen solchen weiten Behindertenbegriff wird zudem dadurch entgegengewirkt, dass Behinderungen, die sich im Arbeitsverhältnis nicht auswirken, idR weder zu Benachteiligungen noch zu Diskriminierungen von Arbeitnehmern wegen einer Behinderung führen können. Dabei wird allerdings vielfach erst auf der Ebene der angemessenen Vorkehrungen entschieden werden können, ob und wie sich eine Behinderung im Arbeitsleben auswirkt. Dessen ungeachtet hat die Feststellung der Behinderung der Beurteilung, welche Vorkehrungen dem Arbeitgeber im konkreten Fall zumutbar sind, vorauszugehen. Sie sind Folge und nicht Tatbestandsmerkmal einer Behinderung (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 45 f.).

70

b) Der Kläger ist aufgrund seiner symptomlosen HIV-Infektion chronisch erkrankt. Diese Beeinträchtigung wirkt sich auf seine Teilhabe sowohl im Leben in der Gemeinschaft als auch in seinem Berufsfeld aus. Er ist deshalb behindert iSd. § 1 AGG. Das gilt so lange, wie das gegenwärtig auf eine solche Infektion zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten und die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern (ebenso Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 72 f., 77 f.; Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 43; aA nur bei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis: Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 135; v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 164; nur unter Berücksichtigung künftiger Beeinträchtigungen: Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 54; auf den Einzelfall abstellend: Antwort der Bundesregierung BT-Drucks. 17/7283 S. 4 f.).

71

aa) Die HIV-Infektion ist unheilbar. Sie hat eine Verminderung der zellulären Immunität und damit einen Immundefekt zur Folge (Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 265. Aufl. Stichwort: HIV-Erkrankung). Diese Abweichung vom allgemein anerkannten Standard des biomedizinischen Zustands (vgl. zu dieser Definition die ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 18 unter 4.1 Ziff. 5) führt zu einer Beeinträchtigung der Funktion des Körpers iSd. Behindertenbegriffs des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

72

bb) Auf den Grund der Behinderung oder ihre Art kommt es nicht an. Auch chronische Krankheiten werden vom Begriffsverständnis der Behinderung iSd. § 1 AGG erfasst. Das setzt allerdings voraus, dass die erforderliche Beeinträchtigung der Teilhabe vorliegt (BT-Drucks. 14/5074 S. 98; v. Roetteken AGG Stand Oktober 2013 § 1 Rn. 164b). Eine chronische Erkrankung, die solche Beeinträchtigungen nicht mit sich bringen kann, führt nicht zu einer Behinderung iSd. § 1 AGG(vgl. für die RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 42).

73

cc) Der Kläger wird durch seine HIV-Infektion im erforderlichen Maß an der Teilhabe am Leben beeinträchtigt. Unerheblich ist dabei, dass seine Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Es genügt, dass er in interpersonellen Beziehungen und bei der Arbeit Stigmatisierungen ausgesetzt sein kann (vgl. ausdrücklich für eine HIV-Infektion ICF Stand Oktober 2005 Einführung S. 24 unter 5.1; vgl. auch Schiek/Welti AGG § 1 Rn. 43). Diese Vorurteile und Stigmatisierungen seiner Umwelt machen ihn zu einem Behinderten iSv. § 1 AGG.

74

(1) Die gesellschaftliche Teilhabe auch von symptomlos HIV-Infizierten wird nach wie vor typischerweise durch zahlreiche Stigmatisierungen (zum Begriff des Stigmas Stürmer/Salewski in Beelmann/Jonas Diskriminierung und Toleranz S. 263, 267 f.; vgl. auch Empfehlung 200 der ILO vom 17. Juni 2010 unter I Ziff. 1 Buchst. d) und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt, die auf die Furcht vor einer Infektion zurückzuführen sind, auch wenn die Ausgrenzung in Westeuropa im Rückgang begriffen ist (Stürmer/Salewski aaO S. 264 f., 273; vgl. auch EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 79 ff.; EGMR 10. März 2011 - 2700/10 - [Kiyutin/Russland] Rn. 64). Insbesondere soll HIV-Infizierten signifikant häufig ärztliche Behandlung verweigert werden (Pärli/Naguib/Kuratli Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit 2012 S. 27), ebenso soll es zu Nachteilen bei Abschlüssen von Versicherungen, speziell Krankenversicherungen, kommen (Stürmer/Salewski aaO S. 273; Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 25). Darüber hinaus soll Vermeidungsverhalten zu beobachten sein, das sich nicht immer sogleich als Ausgrenzung und Diskriminierung erkennen lässt, zB in Form von Diskrepanzen zwischen verbalem und nonverbalem Verhalten (Stürmer/Salewski aaO S. 272 f.). Auch solche Stigmatisierungen und Vorurteile sind benachteiligende gesellschaftliche Kontextfaktoren (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 37 f.; Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 70). Diskriminierung ist letztlich der Endpunkt von Stigmatisierung (vgl. Pärli/Naguib/Kuratli aaO S. 35). Diese nach wie vor fest verwurzelten Vorurteile gegen HIV-Infizierte haben dazu geführt, dass in den Mitgliedstaaten des Europarats eine klare Gesamttendenz erkennbar ist, HIV-Infizierte, wenn nicht durch spezielle Vorschriften, so doch durch die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften, die Schutz vor Diskriminierung etwa wegen Behinderung bieten, vor Ungleichbehandlungen am Arbeitsplatz, insbesondere vor diskriminierenden Kündigungen, zu schützen (EGMR 3. Oktober 2013 - 552/10 - Rn. 39, 82 f. unter Hinweis auf eine in dreißig Mitgliedstaaten des Europarats durchgeführte Vergleichsstudie). Auch die Empfehlung 200 der ILO vom 17. Juni 2010 sieht unter III. Ziff. 3 Buchst. c sowie unter IV. Ziff. 9 bis Ziff. 11 den Schutz vor Diskriminierungen und Kündigungen wegen einer HIV-Infektion vor und strebt unter IV. Ziff. 13 an, dass HIV-Infizierte ihre Arbeit ggf. mit angemessenen Vorkehrungen fortsetzen können.

75

(2) Auch im konkreten Fall des Klägers liegen derartige Stigmatisierungen, die HIV-Infizierte erfahren und/oder befürchten, vor. Dies wird eindrücklich dadurch belegt, dass der Kläger über seinen Beistand mitgeteilt hat, er nehme zwar an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat teil, halte sich aber unter den Zuhörern auf, um seine Anonymität zu wahren. Außerdem hat er laut einem bereits während des Instanzenzugs erfolgten Pressebericht (faz.net vom 10. Januar 2012) erklärt, er habe sich entschieden, „im Job“ seine Infektion nicht mehr zu erwähnen. Er arbeite seit Mai (2011) wieder in einer „Medizin-Firma“, auch im Reinraum. Er verweigere Tests und Fragebögen. Gerade diese Reaktion des Klägers, künftig seine HIV-Infektion im Berufsleben zu verschweigen, leistet wiederum Vorurteilen gegenüber HIV-Infizierten Vorschub. So kommt es zu einem sich gegenseitig hochschaukelnden Wechselspiel von Reaktion und Gegenreaktion. Die gegenwärtig noch andauernde Stigmatisierung wird auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte ausdrücklich geltend macht, die Beschäftigung des Klägers führe zu einer Rufschädigung.

76

(3) Darüber hinaus liegt im konkreten Fall des Klägers auch eine Beeinträchtigung im Berufsleben vor, wie der vorliegende Rechtsstreit deutlich macht. Die Beklagte spricht dem Kläger unter Berufung auf das für sie geltende Regelwerk von vornherein die Eignung für den vertraglich geschuldeten Einsatz im Reinraum ab. Dem Kläger als chemisch-technischen Assistenten ist dadurch der Zugang zu einem nicht unerheblichen Teil seines Berufsfeldes verwehrt. Das räumt letztlich auch die Beklagte ein, wenn sie annimmt, der Kläger könne seinen Beruf weiterhin ausüben. Ihm sei lediglich ein Einsatz in der aseptischen Medikamentenherstellung versagt.

77

2. Die SOP der Beklagten entbindet diese - anders als sie meint und unterschwellig auch das Landesarbeitsgericht annimmt - nicht von der Pflicht, im zumutbaren Rahmen angemessene Vorkehrungen zur Beschäftigung des behinderten Klägers im Reinraum zu treffen. Entgegen der Annahme der Beklagten steht bisher nicht fest, dass die HIV-Infektion des Klägers mit diesem Regelwerk nicht im Einklang steht bzw. nicht zumindest damit in Einklang zu bringen ist.

78

a) Allerdings ist nach dem EG-GMP Leitfaden, auf den Ziff. 5 der SOP verweist, ein System der Qualitätssicherung erforderlich, das der Erreichung des Ziels dient, Patienten keiner Gefahr wegen unzureichender Sicherheit, Qualität oder Wirksamkeit auszusetzen (Kapitel 1 Qualitätsmanagement - Grundsätze). Dieses Sicherungssystem soll sicherstellen, dass Herstellungs- und Prüfverfahren klar spezifiziert sind und die Regeln der Guten Herstellungspraxis beinhalten (Ziff. 1.2 Satz 4 Unterabs. ii des EG-GMP Leitfadens). Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens verlangt, dass Vorkehrungen getroffen werden „sollten“, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist. Diese Vorschrift zwingt - anders als die Beklagte annimmt - den Arzneimittelhersteller nicht dazu, HIV-Infizierte ungeachtet der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Produktionsbedingungen und Tätigkeiten des HIV-Infizierten, von einer Tätigkeit im Reinraum auszuschließen. Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens führt die HIV-Infektion nicht als Tatbestand, der eine Tätigkeit im Reinraum absolut und in jedem Fall ausschließt, auf, sondern enthält lediglich eine Generalklausel, die einem HIV-Infizierten den Einsatz im Reinraum abhängig von den Umständen des Einzelfalls verwehrt.

79

aa) Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens als Mussvorschrift zu verstehen ist, ist dieser im Rang einer Verordnung stehende Leitfaden unionsrechtskonform, dh. im Hinblick auf § 241 Abs. 2 BGB gesetzeskonform zu interpretieren. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/94/EG der Kommission vom 8. Oktober 2003 zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate (RL 2003/94/EG) dient der EG-GMP Leitfaden der Auslegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis. Art. 7 Abs. 5 RL 2003/94/EG, den Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens auslegt, verlangt nur, dass Hygieneprogramme, die den durchzuführenden Tätigkeiten angepasst sind und insbesondere Vorschriften zur Gesundheit des Personals enthalten, erstellt und befolgt werden. Bei Beachtung dieses Anwendungsbefehls, der ausdrücklich auf die durchzuführende und damit konkrete Tätigkeit abstellt, fordert Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens im hier vorliegenden Zusammenhang nur, dass Vorkehrungen zu treffen sind, die - soweit praktisch möglich - sicherstellen, dass die Beschäftigten nicht an einer ansteckenden Krankheit leiden, deren Ansteckungsgefahr sich auf die konkrete Tätigkeit auswirkt. Nur dann, wenn bezogen auf die konkrete Tätigkeit eine Ansteckungs- bzw. Kontaminationsgefahr besteht, soll also eine Tätigkeit des Erkrankten unterbunden werden.

80

bb) In dieser Auslegung meinen Art. 5 RL 2000/78/EG und Ziff. 2.15 des EG-GMP Leitfadens bezogen auf den vorliegenden Fall letztlich dasselbe: Der Arbeitgeber muss bei einem Behinderten, der an einer ansteckenden Krankheit leidet, die ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um einerseits dem Behinderten eine (leidensgerechte) Tätigkeit zu ermöglichen, andererseits aber Ansteckungsgefahren für Kollegen oder Dritte, insbesondere die Empfänger der erzeugten Arzneimittel, mit der erforderlichen Sicherheit verhindern zu können.

81

b) Damit wird von der Beklagten nicht verlangt, sehenden Auges ein messbares, ernsthaftes Risiko einzugehen, mit HI-Viren kontaminierte Präparate in den Verkehr zu bringen und sich damit erheblichen, uU die Existenz des Betriebs gefährdenden Schadensersatzrisiken auszusetzen. Deshalb ist auch ihre unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht in Frage gestellt. Dementsprechend räumt der Kläger ausdrücklich ein, dass sein Einsatz im Reinraum ausgeschlossen sein dürfte, wenn eine Übertragungswahrscheinlichkeit bestehe. Bisher ist aber - und das rügt die Revision mit Recht - weder vorgetragen, geschweige denn festgestellt, dass es überhaupt ein messbares Risiko einer Kontamination gibt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz will gerade solchen, aus bloß diffusen Befürchtungen und der Weigerung des Arbeitgebers, die konkreten Risiken zu ermitteln und mögliche Änderungen der Arbeitsabläufe auch nur in Erwägung zu ziehen, resultierenden Benachteiligungen entgegenwirken. Der Arbeitgeber darf sich, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, gerade nicht darauf beschränken, ohne konkrete Prüfung der Umstände und Risiken den „sicheren Weg“ zu wählen.

82

3. Der Umstand, dass es unstreitig und vom Landesarbeitsgericht festgestellt ist, dass keine anderweitige Einsatzmöglichkeit des Klägers außerhalb des Reinraums bestand, entbindet die Beklagte nicht von der Darlegung, inwieweit keine angemessenen Vorkehrungen getroffen werden konnten, die dem Kläger einen Einsatz auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz im Reinraum ermöglicht hätten.

83

IV. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Ob die Klage begründet ist, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat die zur Beurteilung der Wirksamkeit der Wartezeitkündigung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Dies wird es unter Beachtung nachstehender Erwägungen nachzuholen haben.

84

1. Die Beklagte hat zu ihren Produkten, den Produktionsbedingungen und der Tätigkeit des Klägers im Reinraum bisher nicht hinreichend konkret vorgetragen. Sie beruft sich im Kern darauf, dass ihr ein noch so geringes Risiko nicht zuzumuten sei, ohne vorzutragen, ob überhaupt ein messbares Risiko bestand, dass es durch den Kläger zu einer Verunreinigung der Produkte der Beklagten mit HI-Viren kommt. Es fehlt somit bereits am erforderlichen Ausgangspunkt für die Prüfung, ob und welche angemessene(n) Vorkehrungen ihr zumutbar sind.

85

a) Die Beklagte hat bisher lediglich vorgetragen, sie produziere radioaktive Medikamente für Krebspatienten, die intravenös verabreicht würden. Aus der von ihr vorgelegten Herstellungserlaubnis ergibt sich, dass es sich dabei um Arzneimittel für die Positronen-Emissions-Tomographie mit zwei verschiedenen Wirkstoffen handelt. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, ihre Produkte seien nur zehn Stunden wirksam, so dass eine Überprüfung auf eine mikrobielle oder virale Verunreinigung vor der Anwendung unmöglich sei. Sie fertige im Rahmen einer sog. „aseptischen Herstellung“ und müsse deshalb mit sterilen Materialien arbeiten. Die Produktion des Medikaments, von dem sie mehr als 6,5 Millionen Einheiten im Jahr herstelle, erfordere die Arbeit mit angeschliffenen Hohlkanülen, Glasfläschchen und Aluminiumdeckeln, so dass Schnitt- und Stichverletzungen möglich seien, wobei es denkbar sei, dass diese nicht sofort bemerkt würden. Verletzungen der Arbeitnehmer und Verunreinigungen der Medikamente mit Blut seien möglich.

86

b) Zur Tätigkeit des Klägers hat die Beklagte nur vorgetragen, dass er Gefäße, in die das Medikament abgefüllt wird, sowie Produktionskassetten vorzubereiten hatte, die mit sterilen Gläschen mittels Spritzen befüllt und mittels nadelartiger Spikes entlüftet werden.

87

2. Das Landesarbeitsgericht wird vor seiner erneuten Entscheidung der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, diesen Vortrag zu substantiieren und insbesondere zur Möglichkeit, angemessene Vorkehrungen hinsichtlich des Einsatzes des Klägers im Reinraum zu treffen, vorzutragen.

88

a) Die Beklagte stellt in ihrem Vortrag bisher ausschließlich auf das Risiko ab, Patienten, denen von ihr produzierte Medikamente injiziert werden, könnten sich mit HI-Viren infizieren. Aus dem bisherigen Vortrag ergibt sich jedoch nicht, welche Maßnahmen die Beklagte trifft, wenn es zu den von ihr angesprochenen blutenden Schnitt- oder Stichverletzungen kommt. Eine aseptische Herstellung erscheint in diesen Fällen - unabhängig davon, ob der betroffene Arbeitnehmer an einer ansteckenden Krankheit, insbesondere HIV, leidet - ausgeschlossen. Die fraglichen Medikamente dürften zu vernichten sein.

89

b) Erforderlich ist konkreter Vortrag dazu, inwieweit bei blutenden Verletzungen - insbesondere bei den von der Beklagten angesprochenen geringfügigen Verletzungen - oder auf andere Weise konkret und messbar das Risiko besteht, dass es zu (nicht entdeckbaren) Kontaminationen der hergestellten Medikamente kommen kann, und zusätzlich das Risiko besteht, dass ein solchermaßen verunreinigtes Medikament zu einer HIV-Infektion von Patienten führen kann, denen das Medikament injiziert wird. Dabei wird auch darzulegen sein, welches Risiko besteht, dass es überhaupt zu den von der Beklagten genannten (schwach) blutenden Verletzungen kommt, ob und wie dieses Risiko - etwa durch das Tragen von Spezialhandschuhen - ausgeschlossen werden kann, ob es bei bestimmten Tätigkeiten im Reinraum höher ist als bei anderen und - falls ja - ob der Kläger mit anderen als solchen besonders risikobehafteten Tätigkeiten im Reinraum beschäftigt werden konnte.

90

3. Nach Maßgabe des ergänzten Vortrags der Beklagten wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch wirksame und praktikable, die Beklagte nicht unverhältnismäßig belastende Maßnahmen, den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Nur wenn das nicht der Fall war, ist die Kündigung wirksam. Bei dieser Prüfung wird es sich die zum Verständnis des Parteivorbringens erforderliche Sachkunde - ggf. auch über den Sachvortrag hinaus (vgl. BGH 7. Dezember 1994 - VIII ZR 153/93 - zu II 3 c der Gründe) - durch ein im Rahmen des Ermessens nach § 144 ZPO anzuordnendes Sachverständigengutachten verschaffen müssen. Sollte es bei seiner Entscheidung auf die Zumutbarkeit der Kosten der von der Beklagten zu veranlassenden Maßnahmen ankommen, wird es neben der Finanzkraft der Beklagten und der Frage, ob sie öffentliche Mittel in Anspruch hätte nehmen können, zu berücksichtigen haben, dass der Kläger erst kurz bei der Beklagten beschäftigt war und diese für seine Behinderung nicht verantwortlich ist. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verlangt nicht, dass die Einstellung und Beschäftigung eines Behinderten für den Arbeitgeber zum „Zuschussgeschäft“ wird (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [Ring] Rn. 59 f.; zur Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten bei der Frage der angemessenen Vorkehrungen allgemein vgl. Däubler/ Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 8 Rn. 34). Das gilt insbesondere in der Wartezeit.

91

V. Ob dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Reiner Koch    

        

    Hoffmann    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.

8
a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet. Die Besonderheit der Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt, bzw. muss das Auskunftsbegeh- ren gerade der Vorbereitung der auf der letzten Stufe noch nachzuholenden bestimmten Angabe dienen (MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 254 Rn. 6 f.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 254 Rn. 2; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 254 Rn. 1). Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller /Greger, ZPO, 28. Aufl., § 254 Rn. 6). Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH, Urteile vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1646 und vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953).

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.