Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 23. März 2017 - 5 Sa 454/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0323.5SA454.15.0A
bei uns veröffentlicht am23.03.2017

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2015, Az. 11 Ca 3473/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zu zahlen.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Sie ist nicht tarifgebunden. Im April 2014 beschäftigte sie insgesamt 270 eigene Arbeitnehmer, darunter 110 Männer und 160 Frauen. Ein Betriebsrat besteht seit Herbst 2014. Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der F. Schuhproduktion GmbH, seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin in Vollzeit beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 an die in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Ab 01.01.2013 zahlte sie weiblichen und männlichen Produktionskräften einen Stundenlohn von € 9,86 brutto. Im Januar 2013 teilte die Beklagte der Klägerin und anderen Frauen in einem Schreiben - auszugsweise - folgendes mit:

3

"Liebe Frau …,
wie Sie wissen, wurden in unserem Unternehmen Frauen bislang geringer entlohnt als Männer. Diese Unterscheidung ist nach unserer Auffassung nicht mehr zeitgemäß. Daher schaffen wird sie ab. Wir möchten den kürzlich erfolgten Gesellschafterwechsel zum Anlass nehmen, künftig möglichst rasch klare und nachvollziehbare Gehaltsstrukturen zu schaffen. Der Grundlohn in unserem Unternehmen beträgt ab dem 1. Januar 2013 9,86 Euro brutto.
Hiermit heben wir Ihren Lohn ab dem Januargehalt auf 9,86 Euro brutto an. …"

4

In zahlreichen Prozessen, die seit dem Jahr 2013 vor dem Arbeitsgericht Koblenz und dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz anhängig sind und waren, haben weibliche Produktionskräfte die Differenzbeträge zum Arbeitsentgelt männlicher Produktionskräfte für die Zeit bis zum 31.12.2012 eingeklagt. In zahlreichen Prozessen wurde den Klägerinnen neben der Entgeltdifferenz eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. € 6.000,00 zugesprochen. Der Klägerin wurde im ersten Vorprozess (LAG Rheinland-Pfalz 13.05.2015 - 5 Sa 440/13) für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 ein Bruttonachzahlungsbetrag iHv. € 10.149,50 sowie eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 und im zweiten Vorprozess (LAG Rheinland-Pfalz 21.07.2016 - 5 Sa 412/15) für die noch unverjährte Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 ein Bruttonachzahlungsbetrag von € 14.475,48 zuerkannt.

5

Am 10.04.2014 stellte die Beklagte der Belegschaft in einer Mitarbeiterveranstaltung ein neues Vergütungssystem mit fünf Entgeltgruppen (EG) für Produktionsmitarbeiter vor. Die EG gliedern sich - stark vereinfacht dargestellt - wie folgt:

6

EG    

Bezeichnung

01    

Beschicken von Maschinen
unter Aufsicht

02    

Beschicken von Maschinen
oder kompliziertere Einzeltätigkeit

03    

qualifiziertes Beschicken
von Maschinen oder Qualitätssicherung

04    

Betreuung von Maschinen,
Anlagen oder Instandhalter

05    

Leitung von Teams

7

Der von der Beklagten angebotene neue Grundlohn beträgt bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden für Vollzeitkräfte (brutto):

8

EG    

Grundlohn/Monat

02    

€ 1.851,10

03    

€ 1.903,00

9

Am 10.04.2014 bot die Beklagte den Produktionsmitarbeitern neue Arbeitsverträge an. Der Klägerin bot sie einen Arbeitsvertrag als "Produktionsmitarbeiter" mit einer Entlohnung nach EG 02 an. Die Vertragsangebote verteilten sich auf die weiblichen und männlichen Produktionskräfte (lt. Sitzungsniederschrift vom 21.07.2016) wie folgt:

10

EG    

von 160 Frauen

von 110 Männern

02 oder niedriger

117

16

03 oder höher

43

94

11

Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin lehnte das Angebot mit Schreiben vom 10.06.2014, das der Beklagten am selben Tag zuging, ab. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe nach seinem Kenntnisstand nahezu allen Männern, die sie als "Produktionsmitarbeiter" beschäftige, ein Vertragsangebot mit einer Entlohnung nach EG 03 unterbreitet, während sie dem ganz überwiegenden Teil der Frauen, die sie ebenfalls als "Produktionsmitarbeiter" beschäftige, einen Vertrag mit einer geringeren Entlohnung nach EG 02 angeboten habe. Hierin liege offensichtlich erneut eine geschlechtsspezifische Benachteiligung. Er forderte die Beklagte auf, der Klägerin ebenfalls ein Vertragsangebot mit einer Entlohnung nach EG 03 zu unterbreiten. Nach Eingang eines entsprechenden Angebots werde die Klägerin über dessen Annahme entscheiden. Außerdem machte er Ansprüche auf "gleiche zukünftige Vergütung etc." geltend und verlangte verschiedene Auskünfte. Schließlich forderte er die Beklagte auf, an die Klägerin einen immateriellen Schadensersatz iHv. mindestens drei Bruttomonatslöhnen zu zahlen. Mit Anwaltsschreiben vom 03.07.2014 lehnte die Beklagte das Begehren mit der Begründung ab, alle Eingruppierungen seien ausschließlich tätigkeitsbezogen erfolgt, so dass eine Diskriminierung ausgeschlossen sei. Mit ihrer am 10.09.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin (nur) ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung gerichtlich weiter.

12

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12.08.2015 Bezug genommen.

13

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

14

die Beklagte zu verurteilen, an sie wegen lohnbezogener Geschlechtsdiskriminierung bei Änderung des Arbeitsvertrages einen angemessenen immateriellen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch € 6.000,00 nicht unterschreiten sollte.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.08.2015 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, das Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG sei unbegründet, denn die Beklagte habe die Klägerin bei Unterbreitung des Vertragsangebots mit einer Entlohnung nach EG 02 nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Zwar könne bereits die Versagung einer Verdienstchance - hier einer Entlohnung nach EG 03 - eine Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG darstellen. Die Klägerin befinde sich jedoch nicht in einer "vergleichbaren Situation" mit den in EG 03 eingestuften Produktionsmitarbeitern. Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin habe nicht dargetan, dass die von ihr ausgeübte Tätigkeit mit der Tätigkeit einer männlichen Produktionskraft, die von der Beklagten nach EG 03 entlohnt werde, vergleichbar sei. Aus dem Umstand, dass die Beklagte vor Einführung des neuen Vergütungssystems im April 2014 in der Zeit ab 01.01.2013 an weibliche und männliche Produktionskräfte einen einheitlichen Stundenlohn gezahlt habe, könne die Klägerin nichts für sich herleiten, denn es stehe dem Arbeitgeber frei, auch qualitativ unterschiedliche Arbeitsleistungen gleich zu vergüten. Der Ansatz, dass aus einer gleichen Vergütung auch die Vergleichbarkeit der Tätigkeit folgen müsse, greife zu kurz. Auch aus den vorangegangen Diskriminierungsprozessen könne die Klägerin keine Benachteiligung bei der Unterbreitung des Vertragsangebots im April 2014 herleiten. In diesen Prozessen habe die Beklagte nicht vorgetragen, dass zwischen den Tätigkeiten der einzelnen Produktionsmitarbeiter inhaltliche Unterschiede bestanden hätten. Dies sei im vorliegenden Rechtsstreit anders. Die Beklagte habe vorgetragen, dass sie auf der Grundlage ihrer "Kriterien für die Zuordnung - Entgeltgruppen" (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 26.01.2015) zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Produktionsmitarbeiter jedenfalls in Teilen unterschiedliche Tätigkeiten ausübten. Dem sei die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Vortrag, die von ihr ausgeübten Tätigkeiten seien "selbstverständlich" qualitativ gleichwertig mit denen eines in EG 03 eingestuften Produktionsmitarbeiters genüge nicht, um ihrer Darlegungslast gerecht zu werden. Auch die Erwägungen der Klägerin zur statistischen Geschlechterverteilung seien nicht geeignet, um die erforderliche "vergleichbare Situation" darzulegen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 12.08.2015 Bezug genommen.

18

Gegen das ihr am 03.09.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.10.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 27.11.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 27.11.2015 begründet.

19

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe sie aufgrund ihres Geschlechts bei der Unterbreitung des Vertragsangebots mit einer Entlohnung nach EG 02 im April 2014 benachteiligt. Die Diskriminierung werde bereits dadurch deutlich, dass die Beklagte 117 von 160 weiblichen Produktionskräften keinen Arbeitsvertrag mit einer Entlohnung nach EG 03 angeboten habe, während sie 94 von 110 Männern ein derartiges Angebot unterbreitet habe, ohne die Auswahlkriterien darzulegen. Die arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten seien im Zeitpunkt der Angebote unterschiedlicher Verträge bei männlichen und weiblichen "Produktionsmitarbeitern" gleich gewesen. Die "Produktionsmitarbeiter" seien von der Beklagten seit dem 01.01.2013 gleich vergütet und mit vertraglich gleich geschuldeten Arbeitsleistungen beschäftigt worden. Alle von der Beklagten in die späteren Entgeltgruppen 02 oder 03 eingestuften Arbeitnehmer seien "Produktionsmitarbeiter", die arbeitsvertraglich allesamt verpflichtet gewesen seien, alle Produktionsarbeiten zu erledigen, wenn sie von der Beklagten in Ausübung des Direktionsrechts hierzu aufgefordert worden wären. Sie schulde der Beklagten vor und nach dem 10.04.2014 keine andere Arbeitsleistung als ein männlicher Mitarbeiter, dem die Beklagte ein Angebot mit einer Entlohnung nach EG 03 unterbreitet habe. Die von der Beklagten in erster Instanz vorgelegten "Kriterien für die Zuordnung - Entgeltgruppen" (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 26.01.2015) seien als Unterscheidungskriterien nicht Gegenstand des Vertragsangebots gewesen. Die Beklagte habe dem Angebot auch keine nähere Definition des Umfangs des Direktionsrechts oder eine Tätigkeitsbeschreibung beigefügt. Da ihr die Kriterien für eine Zuordnung von Tätigkeiten zu EG 02 oder EG 03 im Zeitpunkt des Vertragsangebots nicht bekannt gewesen seien, könnten diese die unterschiedliche Behandlung weiblicher und männlicher Produktionskräfte auch nicht rechtfertigen. Die Beklagte habe ihr Vergütungssystem in erster Instanz nicht ansatzweise dargelegt. Die vorgelegte Anlage 1, die ohne Zuordnung zu einer bestimmten Tätigkeit lediglich abstrakte und nicht nachvollziehbare Unterscheidungskriterien enthalte, stelle kein sachlich begründetes Vergütungssystem dar.

20

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12.08.2015, Az. 11 Ca 3473/14, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie wegen lohnbezogener Geschlechtsdiskriminierung bei Änderung des Arbeitsvertrages einen angemessenen immateriellen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch € 6.000,00 nicht unterschreiten sollte.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Sie macht im Wesentlichen geltend, sie habe die Klägerin bei Unterbreitung des Vertragsangebotes im April 2014 nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Die Klägerin arbeite in der Produktion und verrichte dort Tätigkeiten, die nach EG 02 zu bewerten seien. Eine Vergleichbarkeit mit männlichen Produktionskräften, die eine Tätigkeit nach EG 03 ausübten, liege also nicht vor. Nachdem es in der Vergangenheit wegen des Geschlechts zu Benachteiligungen von Frauen bei der Entlohnung gekommen sei, habe ihre neue Geschäftsführung diesen Zustand ab 01.01.2013 abgestellt, indem sie allen Produktionsmitarbeitern in einem ersten Schritt sofort einen vergleichbaren Stundensatz gezahlt habe. Sie habe in einem zweiten Schritt in den Jahren 2013/2014 sämtliche in der Produktion anfallenden Tätigkeiten mit fachkundiger Unterstützung einer externen Unternehmensberatung erfasst, analysiert und bewertet und sodann ein unternehmensspezifisches Vergütungssystem entwickelt, das aus fünf Entgeltgruppen bestehe. Für jede Entgeltgruppe seien Kerntätigkeiten analysiert und pro Entgeltgruppe geprüft worden, ob und wenn ja, wie selbstständig und mit welchen Unterweisungen die Mitarbeiter die Tätigkeiten in der jeweiligen Entgeltgruppe ausübten. Anschließend sei die Zuordnung der einzelnen Mitarbeiter zu den jeweiligen Entgeltgruppen aufgrund der prägenden Tätigkeiten des jeweiligen Mitarbeiters erfolgt. Bei mehreren regelmäßigen Haupttätigkeiten (bspw. bei Springern) sei die Zuordnung über die höher eingruppierte Rolle erfolgt. Sie habe im April 2014 am Betriebsstandort St. 194 Personen (sämtlichen aktiven Lohnempfängern, die zu dem Zeitpunkt tatsächlich am Standort beschäftigt gewesen seien) neue Verträge angeboten. Konkret habe sie folgende Angebote unterbreitet (lt. Schriftsatz vom 20.09.2016):

25

EG    

von 130 Frauen

von 64 Männern

01    

8

3

02    

85

7

03    

27

49

04    

8

4

05    

2

1

26

Die Angebote seien streng nach den ausgeübten Tätigkeiten erfolgt. Die Tatsache, dass sie mehr Frauen, die ohnehin zwei Drittel der Belegschaft stellten, als Männern Angebote nach EG 02 unterbreitet habe, liege daran, dass sie Tätigkeiten, die der EG 02 zugeordnet seien, ausübten. Die Klägerin streiche Lederteile mit einem Klebstoff ein. Diese kompliziertere Einzeltätigkeit sei der EG 02 zugeordnet. Um eine Vergütung nach EG 03 zu erzielen, müsste die Klägerin regelmäßig weitere, höher qualifizierte Aufgaben übernehmen, bspw. das Schleifen oder Besohlen oder die Tätigkeit am Packtisch, incl. SAP-Buchungen, oder das Zwicken bei Clogs oder geschlossenen Schuhen. Nichts davon habe die Klägerin getan oder mache sie derzeit.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die ge-wechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

28

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

29

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, an die Klägerin eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen. Die Klägerin ist nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden, weil ihr die Beklagte im April 2014 ein Vertragsangebot mit einer Entlohnung nach EG 02 unterbreitet hat. Aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles befand sich die Klägerin nicht in einer vergleichbaren Situation mit männlichen Produktionskräften, denen die Beklagte ein Angebot mit einer höheren Entlohnung nach EG 03 angetragen hat.

30

1. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Die Klägerin ist Beschäftigte (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG) und die Beklagte Arbeitgeber (§ 6 Abs. 2 AGG). Ebenso ist der sachliche Anwendungsbereich des AGG gegeben. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unterliegen die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt der Diskriminierungskontrolle des AGG. Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

31

2. Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sind nicht gegeben. Im Streitfall liegt im April 2014 keine geschlechtsspezifische Diskriminierung der Klägerin vor.

32

a) Nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus und ist verschuldensunabhängig. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Geschlechts.

33

§ 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Geschlechts, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

34

Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (vgl. BAG 11.08.2016 - 8 AZR 406/14- Rn. 27 mwN).

35

§ 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. BAG 11.08.2016 - 8 AZR 406/14 - Rn. 28 mwN).

36

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin im April 2014 bei Unterbreitung eines Vertragsangebots mit einer Entlohnung nach EG 02 von der Beklagten nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden.

37

aa) Mit der Unterbreitung eines Vertragsangebots nach EG 02 hat die Klägerin eine weniger günstige Behandlung als die Produktionsmitarbeiter erfahren, denen die Beklagte einen Vertrag mit einer Entlohnung nach EG 03 angeboten hat. In Betracht kommt eine unmittelbare oder auch mittelbare Benachteiligung der Klägerin iSd. § 3 AGG, wenn diese Behandlung wegen ihres Geschlechts erfolgt sein sollte. Die Benachteiligung läge dann in der Versagung einer Chance auf eine um € 51,90 (monatlich brutto) höhere Entlohnung nach EG 03. Als Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG gilt auch die Versagung einer Chance (vgl. BAG 23.08.2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 22; BAG 16.02.2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 29 mwN). Eine mittelbare Geschlechterdiskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG wäre dann anzunehmen, wenn ein wesentlich geringerer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen Arbeitnehmer die durch das neu eingeführte Vergütungssystem aufgestellten Voraussetzungen erfüllen können (vgl. BAG 18.09.2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 38 mwN).

38

bb) Die Klägerin hat iSd. § 22 AGG hinreichende Indizien vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen.

39

Die Rechtsvorgänger der Beklagten haben - was in zahlreichen Diskriminierungsprozessen (vgl. ua. LAG Rheinland-Pfalz 4 Sa 517/13; 4 Sa 12/14; 4 Sa 616/14; 5 Sa 440/13; 5 Sa 412/15) unstreitig war, den in der Produktion beschäftigten Frauen jahrzehntelang bis 31.12.2012 bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern gezahlt. Auch die Anwesenheitsprämie (5% des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40% des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5% des Bruttolohns) ist für Frauen bis 31.12.2012 - was ebenfalls unstreitig war - auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns berechnet worden. Die Beklagte hat die regelhafte Benachteiligung von Frauen wegen des Geschlechts bei der Entlohnung in der Vergangenheit erst ab 01.01.2013 abgestellt, und den Stundenlohn für Frauen auf € 9,86 brutto angehoben. In ihrem Schreiben, das sie im Januar 2013 an die Klägerin und andere Frauen gerichtet hat, hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten eingeräumt, dass sie Frauen bislang geringer entlohnt habe als Männer. Sie teilte mit, dass sie diesen Zustand abschaffen wolle, weil er nach ihrer Auffassung "nicht mehr zeitgemäß" sei.

40

Bei dieser Vorgeschichte besteht die Vermutung der erneuten Benachteiligung der Frauen, wenn die Beklagte bereits 15 Monate nach Einführung eines einheitlichen Stundenlohns für Frauen und Männer ab April 2014 ein neues, mangels Tarifbindung einseitig festgelegtes, Vergütungssystem anwenden will, das erneut zu einer ungleichen Bezahlung von Produktionskräften führt. Der Umstand, dass die Beklagte Produktionstätigkeiten, die sie ab 01.01.2013 einheitlich mit einem Stundenlohn von € 9,86 vergütet hat, ab 01.04.2014 in Tätigkeiten unterschiedlicher Wertigkeit nach EG 02 und EG 03 aufgespalten hat, legt die Vermutung nahe, dass diese Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern nicht gerechtfertigt sein könnte. Diese Vermutung wird dadurch verstärkt, dass die Beklagte - was sie in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2016 auf Befragen zu Protokoll erklärt hat - im April 2014 117 von 160 Frauen ein Vertragsangebot nach EG 02 unterbreitet hat, jedoch nur 16 von 110 Männern einen Vertrag nach EG 02 oder niedriger (einem Mann EG 01), während sie 94 von 110 Männern eine Entlohnung nach EG 03 oder höher, aber nur 43 vom 160 Frauen einen Vertrag nach EG 03 oder höher angeboten hat.

41

Aus diesen statistischen Daten, die die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2016 relativiert hat, ergibt sich, dass ein wesentlich größerer Prozentsatz der männlichen als der weiblichen "Produktionsmitarbeiter", die durch das neue Vergütungssystem aufgestellten Voraussetzungen für eine höhere Entlohnung nach EG 03 erfüllen. Nach den Angaben der Beklagten in der Sitzung vom 21.06.2016 erfüllen 85% der Männer (94 von 100), aber nur 27% der Frauen (43 von 160) die Tätigkeitsmerkmale der EG 03 oder höher, nach den Angaben im Schriftsatz vom 20.09.2016 84% der Männer (54 von 64) und lediglich 28% der Frauen (37 von 130). Zwar ist die bloße Unterrepräsentation einer Gruppe nicht zwingend ein Indiz für eine Diskriminierung bei der Entlohnung, jedoch kann sich aus aussagekräftigen statistischen Daten, die sich - wie hier - konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen, eine Vermutung für ein regelhaft die Frauen benachteiligendes Verhalten ergeben (vgl. BAG 18.09.2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 38 mwN).

42

Die Vermutung wird vorliegend auch dadurch bestärkt, dass noch in erster Instanz unklar war, worin sich die Tätigkeiten nach EG 01, EG 02 und EG 03 aufgrund der von der Beklagten als Anlage 1 zum erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26.01.2015 vorgelegten "Kriterien für die Zuordnung - Entgeltgruppen" überhaupt unterscheiden sollen. Dieser Kriterienkatalog, den die Beklagte einseitig aufgestellt hat, lautet wie folgt:

43

Entgeltgruppe

EG 01 

EG 02 

EG 03 

Bezeichnung

Beschicken von Maschinen
unter Aufsicht

Beschicken von Maschinen oder
kompliziertere Einzeltätigkeiten

Qualifiziertes Beschicken von
Maschinen oder
Qualitätssicherung

Anlernen

kurze Unterweisung
(wenige Stunden)

kurze Unterweisung
(2-3 Stunden)

Schulung
(bis 6 Monate oder Facharbeiter)

Rüsten

nein   

einfach

ja    

Störungsbeseitigung

extern

einfach

einfach

Q-Prüfung

einfach/Sicht

einfaches Bewerten

messen oder
qualifizierte Bewertung

Fehleranalyse

nein   

kann   

ja    

Aussortieren

begrenzt

ja    

ja    

BDE-Buchung

möglich

möglich

ja    

Material einlegen

ja    

ja    

ja    

Wartung

nein   

nach Vorgabe

nach Vorgabe

Personaleinteilung
im Team

nein   

nein   

nein   

Personalverantwortung
disziplinarisch

nein   

nein   

nein   

Sonderaufgaben und
Beauftragungen

im kleineren
Umfang

im kleineren
Umfang

im kleineren
Umfang

44

Aus diesen Kriterien wird nicht deutlich, weshalb die Beklagte Produktionstätigkeiten, die sie seit 01.01.2013 diskriminierungsfrei mit einem Stundenlohn von € 9,86 brutto vergütet hat, ab April 2014 durch ihr neues Vergütungssystem (wieder) unterschiedlich gewichten und entweder nach EG 02 oder nach EG 03 entlohnen will. Den Zuordnungskriterien lässt sich insbesondere nicht entnehmen, worin der sachliche Unterschied zwischen "Beschicken von Maschinen" und "qualifiziertem Beschicken von Maschinen" liegen und was eine "kompliziertere Einzeltätigkeit" sein soll. Es ist auch nicht nachvollziehbar, worin der Unterschied zwischen einer kurzen Unterweisung "wenige Stunden" zu einer kurzen Unterweisung "2-3 Stunden" oder einer "Schulung" bestehen soll. Schließlich ist unklar, worin der sachliche Unterschied zwischen "Qualitätssicherung" und "Q-Prüfung" sowie zwischen "Rüsten einfach" und "Rüsten ja" bestehen soll. Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, worin bei der sog. Q-Prüfung der sachliche Unterschied zwischen "einfaches Bewerten" oder "qualifizierte Bewertung" oder "Messen" bestehen soll.

45

c) Die Beklagte hat jedoch die aus den Indizien folgende Vermutung, dass sie die jahrzehntelange Diskriminierung der Frauen beim Arbeitsentgelt, die sie erst ab 01.01.2013 durch Einführung eines einheitlichen Stundenlohnes iHv. € 9,86 brutto für weibliche und männliche Produktionskräfte abgestellt hatte, durch das von ihr neu entwickelte Vergütungssystems ab April 2014 wieder eingeführt hat, entkräftet.

46

aa) Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2016 nachvollziehbar dargelegt, dass ausschließlich nicht auf das Geschlecht bezogene Gründe zu einer unterschiedlichen Entlohnung der Produktionskräfte führen. Das im April 2014 neu eingeführte Vergütungssystem ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten benachteiligungsfrei.

47

Die Beklagte hat zunächst die Art der in ihrem Betrieb zu verrichtenden Tätigkeiten detailliert geschildert, ohne dass die Klägerin dem entgegengetreten ist. Danach findet im Produktionsbereich die sog. Endmontage der Bestandteile der Schuhe statt. Die Endmontage wird von insgesamt 18 Teams, bestehend aus jeweils (pro Team) sieben Arbeitsplätzen und damit sieben unterschiedlichen Tätigkeiten ausgeführt. An einem Arbeitsplatz wird die Tätigkeit "Leder einstreichen" verrichtet. Die dort eingesetzten Beschäftigten bestreichen vorgefertigte Lederteile, die für die weitere Endmontage benötigt werden, mit einem speziellen Klebstoff. Der Klebstoff muss mit einem Pinsel manuell auf das Leder aufgetragen werden. Die Arbeiten sind nicht in den taktgenauen Anlagenrhythmus eingebunden und können zeitlich unabhängig vom maschinellen Montageprozess verrichtet werden. Die Klägerin übt diese Tätigkeit - unstreitig - ausschließlich aus.

48

Die maschinelle Endmontage besteht nach dem unstreitigen Tatsachenvortrag der Beklagten aus fünf getrennten Tätigkeiten. Der erste Schritt ist das "Auflegen des Fußbettes" auf montierte Leisten. Hier muss eine Produktionskraft aus einer bereitgestellten Warenmenge das vorproduzierte Fußbett umgekehrt auf die auf einem Fließband laufenden Leisten auflegen. Die zweite Tätigkeit ist "Leder auflegen". An diesem Arbeitsplatz sind die auf einem Tablett bereitgelegten Lederteile, die zuvor mit Klebstoff eingestrichen worden sind, auf das Fließband mit den heranfahrenden Leisten aufzulegen. Die folgende Tätigkeit ist das "Ankleben des Leders". Hier klebt ein Beschäftigter das zuvor aufgelegte Lederstück an das davor aufgelegte Fußbett. Die nächste Tätigkeit in der Anlage ist das "Schleifen". Durch das Aufbringen des Leders befindet sich Klebstoff am Fußbett, das Ledermaterial ist noch glatt. Da in dieser Fassung keine Sohle aufgeklebt werden kann, ist ein vorheriger Schleifprozess erforderlich. Hierfür wird das vorproduzierte Stück vom Leisten genommen, manuell gesichtet, auf Fehler geprüft und sodann an der Schleifmaschine, die in der Anlage fest montiert sei, abgeschliffen. Diese Tätigkeit ist körperlich sehr anstrengend, weil das Werkstück mit großem Druck gegen die Schleifmaschine gepresst werden muss. Der vorletzte Arbeitsschritt ist das "Besohlen". Hier wird die Sohle aufgeklebt, die angepasst und teilweise auch "hineingepresst" werden muss, was eine komplexere und anstrengende Tätigkeit darstellt. Vor dem Einsetzen der Sohle ist eine Qualitätsprüfung durchzuführen. Der siebte und letzte Arbeitsplatz ist der "Packtisch & Endkontrolle". Das fertig produzierte Stück ist zu sichten und auf Qualitätsmängel zu kontrollieren, korrigierbare Fehler sind zu beheben. Das Leder und der Kunststoff können noch einmal angewärmt und damit weichgemacht werden, so dass überschüssige oder überstehende Materialien eingerückt, abgeschnitten, verschoben und geschliffen werden können. Produkte mit nicht behebbaren Mängeln sind auszusortieren. Einwandfreie Produkte sind zu verpacken und an den Kunden zu versenden. Am Packtisch sind auch Buchungen im SAP-System vorzunehmen.

49

Die Beklagte hat weiter unwidersprochen vorgetragen, dass sie in den Jahren 2013/2014 gemeinsam mit einer beauftragten Unternehmensberatung die "Kriterien für die Zuordnung - Entgeltgruppen" entwickelt habe. Motiv hierfür sei die Einführung des Mindestlohns und die hierdurch erforderlich werdenden Anpassungen des Vergütungssystems sowie die gerichtsbekannten historischen "Altlasten" zum Thema Vergütung gewesen. Ziel des neuen Entgeltsystems sei auch, die Vergütung gesellschaftsübergreifend zu vereinheitlichen, Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu schaffen, den Fokus dabei auf die Produktion zu legen, wobei die Tätigkeit der Mitarbeiter Ausgangspunkt der Vergütung sein solle und gute Leistungen oder weitere Zielerreichungen über dieses Vergütungssystem auch honoriert werden sollen. Es sei schließlich auch darum gegangen, ein diskriminierungsfreies Vergütungssystems zu entwickeln, und allen Beschäftigten anzubieten. Bei der Entwicklung des Entgeltsystems sei die Beratungsgesellschaft nach dem summarischen Verfahren vorgegangen; sie habe eine summarische Arbeitsbewertung mit analytischen Komponenten durchgeführt. Zunächst sei der Produktionsablauf und -prozess in allen Produktionsgesellschaften der Unternehmensgruppe analysiert und geprüft worden, welche Tätigkeiten in welchen Arbeitsschritten zu vollziehen seien. Anschließend sei die Anzahl der Entgeltgruppen definiert worden (hier fünf). Die Anzahl habe sich nach der Art der Tätigkeiten in allen Gesellschaften und Werken und danach gerichtet, wie viele Gruppen zusammengefasst werden können und müssen, um dem unterschiedlichen Tätigkeitsniveau gerecht zu werden. Sodann seien die Überschriften für die einzelnen Entgeltgruppen entwickelt worden, die aus einer groben Beschreibung der Aufgaben resultierten, aber nicht abschließend seien. Die Überschriften seien bewusst so weit gefasst worden, dass sie für die diversen Produktionsgesellschaften und die dort unterschiedlichen Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten passten. Anschließend seien Rollen je Produktionsgesellschaft und Werk definiert worden, dh. einzelne Tätigkeiten, auf Basis bestehender Stellenbeschreibungen. Hieraus resultiere ein umfassender Rollenkatalog für alle Tätigkeiten im Produktionsbereich der Unternehmensgruppe. Dieser Rollenkatalog definiere Tätigkeiten, verbunden mit einer kurzen Arbeitsplatzbeschreibung und der vorgesehenen Eingruppierung in die jeweilige Entgeltgruppe. Ein entsprechender Rollenkatalog sei auch für die Fertigung in ihrer Endmontage erstellt worden. Dieser Rollenkatalog habe als eine Art "Gebrauchsanweisung" gedient, mit der die Personalabteilung gemeinsam mit den Werksleitern vor Ort die jeweiligen Beschäftigten direkt anhand der ihnen zugewiesenen Tätigkeiten eingruppieren können.

50

In der Endmontage gebe es folgende Rollen/Tätigkeiten:

51

Teamleiter Endmontage

stellvertretender Teamleiter Endmontage

Maschinenpersonal Endmontage (Ankleben Obermaterial)

Endmontage schleifen und Sohlen setzen

Maschinenpersonal Einstreichautomat

Packtisch Endkontrolle, Nacharbeiten

Transporteur Endmontage

Zwicken (Clogs und Geschlossene)

Zehensteg-Modelle vorbereiten

Maschinenpersonal einfach (nur Bettungen und Obermaterial auflegen)

Maschinenpersonal Einstreichen manuell

Fußbettungen lochen

Zehenstege einziehen

Fußbettungen anzeichnen

Bettungen auflegen

Obermaterial auflegen

fertige Schuhe abnehmen

52

Bei der sodann erforderlichen Bewertung der Tätigkeiten habe die Beratungsgesellschaft den Fokus auf die niveauprägenden Elemente gelegt. Für jede Entgeltgruppe (EG 01 bis EG 05) habe sie Kerntätigkeiten analysiert und pro Entgeltgruppe geprüft, ob und wenn ja, wie selbstständig und mit welchen Unterweisungen die Mitarbeiter die Tätigkeiten in der jeweiligen Entgeltgruppe ausübten. Anschließend sei durch ein eigenes Team die Zuordnung der einzelnen Mitarbeiter zu den jeweiligen Entgeltgruppen anhand der aufgeführten prägenden Tätigkeiten des jeweiligen Mitarbeiters erfolgt. Ihr Vergütungssystem orientiere sich nicht an Berufsausbildungen, Lehrberufen oder theoretischen Fähigkeiten, sondern ausschließlich an den tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten und Arbeitsaufgaben. Diese Tätigkeiten würden entsprechend des Schwierigkeitsgrades in unterschiedlichen Zeitfenstern auf unterschiedlichem Weg erlernt, nicht jedoch im Rahmen einer klassischen Berufsausbildung. Eine spezielle Ausbildung, zB. als Schuster oder Schuhfertiger, sei nicht erforderlich.

53

Die in den Zuordnungskriterien zu EG 01 mit "Beschicken von Maschinen" schlagwortartig überschriebene Arbeitsaufgabe sei die Tätigkeit "Auflegen des Fußbettes" und "Leder auflegen" an der maschinellen Endmontageanlage. Diese Tätigkeiten seien einfach und wenig variabel, sie erfolgten nach kurzer Einweisung (in der Regel reichten wenige Stunden, es handele sich um einen klassischen "Ferienjob" für Schüler). Die Produktionskräfte legten ausschließlich manuell die Bettungen bzw. das Leder auf den Leisten bzw. das Fließband. Dies sei das "einfache Rüsten" bzw. "Beschicken". Die Beschäftigten müssten keine sonstigen Rüstarbeiten an den Maschinen/der Anlage ausführen. Sie führten auch keine Qualitätsprüfung an dem von ihnen aufgelegten Stück durch. Wenn sie einmal einen ganz groben Fehler am Produkt entdeckten, sortierten sie es aus. Das sei aber ein Ausnahmefall und nicht niveauprägend für diese Tätigkeit.

54

Die in den Zuordnungskriterien zu EG 02 mit "Beschicken von Maschinen" oder "kompliziertere Einzeltätigkeiten" bezeichneten Aufgaben seien die Tätigkeiten "Leder einstreichen" sowie "Ankleben des Leders" in der Endmontage. Das Einstreichen des Leders sei eine kompliziertere Einzeltätigkeit, die nicht an der Maschinenanlage erbracht werde, sondern an einem einzelnen Arbeitsplatz. Das Ankleben des Leders bei der maschinellen Endmontage erfolge an der Maschine. Beide Tätigkeiten erforderten genaues Augenmaß, geschicktes Aufbringen des Werkstoffes (Klebstoff bzw. Leder an das Fußbett). Es sei eine Anlernzeit von ein bis sechs Wochen erforderlich. In ihren Kriterienkatalog habe sich zur Anlernzeit ("2-3 Stunden") ein Fehler eingeschlichen. Eine derartige Einarbeitungszeit gebe es nicht, sondern nur eine Anlernzeit von wenigen Stunden für die Tätigkeiten nach EG 01 und von einer bis sechs Wochen für die Tätigkeiten nach EG 02.

55

Bei den in den Zuordnungskriterien zu EG 03 mit "qualifiziertes Beschicken von Maschinen oder Qualitätssicherung" beschriebenen Arbeitsaufgaben handele es sich um das Schleifen und Besohlen an der Endmontageanlage sowie die Tätigkeiten am Packtisch, einschließlich Endkontrolle. Beim Schleifen müsse das Werkstück vom Leisten abgenommen und wieder aufgelegt werden (qualifiziertes Beschicken), zudem müsse das Werkstück geschliffen werden. Dies erfordere zuvor eine genaue und sehr schnelle Qualitätssichtung (wieviel Klebstoff liegt genau wo auf, wieviel muss geschliffen werden, wie glatt ist das Leder, kann das Stück überhaupt weiter bearbeitet werden?). Das Schleifen erfordere Kraft und Geschick. Das Stück müsse mit Gegendruck an die Schleifmaschine gehalten werden, es dürfe nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich geschliffen werden. Diese Tätigkeit erfordere eine Einarbeitungszeit von bis zu sechs Monaten. Beim Besohlen müsse das Werkstück fertiggestellt und die Sohle aufgebracht werde. Diese müsse eingepasst werden. Durch die verschiedenen Vorproduktionsschritte könne es hier zu vielen unterschiedlichen Anforderungen kommen (ist alles richtig verklebt, geschliffen, passt die Sohle, kann man alles noch passend machen?). Die Sohle müsse oft mit viel Kraft manuell "hineingepresst" werden. Dies erfordere einen Beurteilungsspielraum des Beschäftigten, ob die Sohle passt oder eingepasst werden kann, Geschick beim Einpassen und ein geschultes Auge bei der Qualitätssicherung, ob das Besohlen möglich ist. Das Besohlen erfordere wie das Schleifen eine Einarbeitungszeit von bis zu sechs Monaten. Am Packtisch erfolge eine abschließende Endkontrolle/Qualitätssichtung durch die Beschäftigten. Hier werde die Entscheidung gefällt, ob das Produkt, also der fertige Schuh, so an den Kunden versandt werden könne. Soweit möglich müsse der Schuh nachgebessert werden, andernfalls sei er auszusortieren. Auch für diese Tätigkeit sei eine Einarbeitungszeit von bis zu sechs Monaten erforderlich.

56

bb) Diesem umfangreichen Vortrag der Beklagten ist die Klägerin - trotz hinreichender Gelegenheit zur Stellungnahme - nicht entgegengetreten. Ihr Prozessbevollmächtigter hat in der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer lediglich erwidert, dass nach der einschlägigen EU-Richtlinie eine Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht nur bei gleicher, sondern auch bei "gleichwertiger" Arbeit verboten sei. Dem ist beizupflichten. Es sind jedoch im Streitfall keine Tatsachen dafür ersichtlich, dass die Klägerin eine Tätigkeit ausübt, die mit einer Tätigkeit, die nach dem neuen Vergütungssystem der Beklagten mit EG 03 bewertet wird, gleichwertig ist. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ihr im April 2014 eingeführtes Vergütungssystem, das sie im Einzelnen darstellt hat, so ausgestaltet haben könnte, dass eine Entgeltgleichheit von Frauen und Männern nicht gewährleistet wäre.

57

(1) Das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist in Art. 157 Abs. 1 AEUV und in der Richtlinie 2006/54/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) fest verankert. Das Entgeltgleichheitsgebot ist zugleich ein wesentlicher Ausfluss der grundrechtlich geschützten Gleichberechtigung von Männern und Frauen nach Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG. Wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, muss dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen werden (Art. 4 Abs. 2 RL 2006/54/EG).

58

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG handelt es sich um "gleiche Arbeit", wenn Arbeitnehmer an verschiedenen oder nacheinander an denselben technischen Arbeitsplätzen identische oder gleichartige Tätigkeiten ausüben. Ob die Arbeit gleich ist, ist durch einen Gesamtvergleich der Tätigkeiten zu ermitteln. Dabei kommt es auf die jeweiligen Arbeitsvorgänge und das Verhältnis dieser Vorgänge zueinander an. Soweit Tätigkeiten oder ihre Merkmale voneinander abweichen, ist auf die jeweils überwiegend auszuübende Tätigkeit abzustellen. Einzelne gleiche Arbeitsvorgänge für sich allein genügen nicht für die Annahme, die insgesamt jeweils geschuldete Arbeitstätigkeit sei gleich. Arbeiten sind "gleichwertig", wenn sie nach objektiven Maßstäben der Arbeitsbewertung denselben Arbeitswert haben. Dabei können die Praxis der Tarifvertragsparteien und die allgemeine Verkehrsanschauung Anhaltspunkte geben. Für die Frage der Gleichwertigkeit ist auf den Gegenstand der Arbeitsleistung abzustellen. Ob die Arbeiten gleichwertig sind, kann nur festgestellt werden, indem die geschuldeten Tätigkeiten insgesamt miteinander verglichen werden. Für die qualitative Wertigkeit einer Arbeit ist unter anderem das Maß der erforderlichen Vorkenntnisse und Fähigkeiten nach Art, Vielfalt und Qualität bedeutsam. Je größer diese Anforderungen sind, desto höher ist der Wert der Arbeit einzuschätzen (vgl. BAG 26.01.2005 - 4 AZR 171/03 - Rn. 24, 26 mwN).

59

Diese EU-konformen Definitionen sind im - inzwischen verabschiedeten - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (BT-Drs. 18/11133 vom 13.02.2017) gebündelt worden, der auch Kriterien und allgemeine Maßstäbe für geschlechtsneutrale Entgeltsysteme (§ 4 Abs. 4 EntgTranspG) enthält. Nach diesem Entwurf muss ein Entgeltsystem als Ganzes und auch die einzelnen Entgeltbestandteile so ausgestaltet sein, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts ausgeschlossen ist. Dazu muss es insbesondere die Art der zu verrichtenden Tätigkeit objektiv berücksichtigen, auf für weibliche und männliche Beschäftigte gemeinsamen Kriterien beruhen, die einzelnen Differenzierungskriterien diskriminierungsfrei gewichten sowie insgesamt durchschaubar sein.

60

(2) Die Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen nach welchen Kriterien und Maßstäben sie die fünf Entgeltgruppen, die sie ab April 2014 neu eingeführt hat, für die Beschäftigten in der Endmontage festgelegt hat. Anhaltspunkte für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung der Klägerin bestehen nicht. Nach den unbestrittenen Ausführungen der Beklagten streicht die Klägerin Lederteile mit einem Klebstoff ein. Die Beklagte hat sachlich einleuchtende Gründe dafür dargelegt, dass die Tätigkeit "Leder einstreichen" nicht gleich oder gleichwertig mit den Tätigkeiten "Schleifen" oder "Besohlen" an der Endmontageanlage sowie den Tätigkeiten am "Packtisch & Endkontrolle" ist. Allein aus der Behauptung der Klägerin, es liege eine gleichwertige Tätigkeit vor, lässt sich nicht folgern, dass dem so ist. Nach alledem hat die Beklagte die Vermutung, dass ihr neu eingeführtes Vergütungssystem nicht diskriminierungsfrei sein könnte, entkräftet.

III.

61

Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

62

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 15 Entschädigung und Schadensersatz


(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Wegen eines Schadens,

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. (2) Bestim

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 6 Persönlicher Anwendungsbereich


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(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf: 1. die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger

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Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung

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(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

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Tenor

1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27. August 2013, Az. 9 Ca 376/13, unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziff. I.2 und Ziff. I.3 abgeändert und i n s o w e i t wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 zu zahlen.

Die Auskunftsklage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Zahlung von Differenzlohn für die Jahre von 2009 bis 2012, einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie um Auskunftsansprüche.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die 1953 geborene Klägerin ist bei ihr seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5 % des Bruttolohns) berechnete die Beklagte für Frauen bis 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns. Die Vergütungsdifferenz im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 betrug - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - € 10.149,50 brutto.

3

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob sie bereits seit einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dieser Ungleichbehandlung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

4

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2012 machte die Klägerin Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Ansonsten erhob sie in dem von der Klägerin am 29.01.2013 anhängig gemachten vorliegenden Klageverfahren die Einrede der Verjährung.

5

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013 Bezug genommen.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Berufung von Bedeutung - erstinstanzlich beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen,

8

1. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG rückständigen Lohn iHv. € 11.458,84 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,

9

2. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens € 9.194,50 belaufen soll, zu zahlen,

10

3. …

11

4. ihr umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 27.08.2013 - soweit für die Berufung von Bedeutung - der Klage teilweise stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte in Ziff. I.1 des Tenors verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 Differenzvergütung iHv. € 10.149,50 brutto zu zahlen. Außerdem hat es der Klägerin in Ziff. I.2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zugesprochen und in Ziff. I.3 der Auskunftsklage (Antrag zu 4) stattgegeben.

15

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe gem. § 15 Abs. 1 AGG einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Lohndifferenzen für 2009 bis 2012. Die Beklagte habe die Klägerin unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, weil sie den weiblichen Produktionsbeschäftigten bis zum Jahresende 2012 bei gleicher Tätigkeit einen niedrigeren Lohn gezahlt habe als den männlichen. Die Klägerin habe die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt, denn sie habe erst in der Betriebsversammlung im September 2012 von der Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts Kenntnis erlangt. Die Beklagte habe eine frühere Kenntniserlangung nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerin habe Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil sie von der Beklagten wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Für die erlittene jahrelange Diskriminierung sei eine Entschädigung iHv. drei durchschnittlichen Monatslöhnen angemessen, aber auch ausreichend. Der Auskunftsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts für die Zeit vor dem 01.01.2009 sei begründet, denn sie sei in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang ihres Rechts im Ungewissen. Die Klägerin habe keine Zugriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Lohndaten der vergleichbar beschäftigten Männer, während die Beklagte in der Lage sei, die begehrte Auskunft unschwer zu erteilen. Der Auskunftsanspruch sei nicht verjährt, denn er sei erst im September 2012 mit Kenntnis der Klägerin von ihrer Lohndiskriminierung entstanden. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 27.08.2013 Bezug genommen. Gegen das im September 2013 zugestellte Urteil haben beide Parteien teilweise Berufung eingelegt.

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Mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilte die Beklagte der Klägerin die Auskunft, dass sie auch vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Stundenlohns und der übrigen Vergütungsbestandteile (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) weibliche Produktionsbeschäftigte geringer entlohnt habe als männliche. Der Stundenlohn eines typischen männlichen Produktionsmitarbeiters habe im Jahr 1995 € 7,76, ab 01.01.2002 € 9,56 und ab 01.01.2004 € 9,66 brutto betragen. Die Klägerin hat zwischenzeitlich vor dem Arbeitsgericht Koblenz eine neue Zahlungsklage gegen die Beklagte erhoben und Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 geltend gemacht.

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Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, die Anträge auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen und einer Entschädigung seien unbegründet, weil die Klägerin die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt habe. Ihr sei bereits seit ihrer Einstellung und während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung positiv bekannt gewesen, dass die männlichen Produktionsmitarbeiter einen höheren Lohn erhielten als die weiblichen. Die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede seien in ihrem Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Arbeitsgericht auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht ausreichend berücksichtigt. Eine offene Ungleichbehandlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndiskriminierung. Der Klägerin stehe auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Der Antrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig. Er sei jedenfalls unbegründet, weil Zahlungsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2009 verjährt seien.

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Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

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I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, wie folgt teilweise abzuändern:

20

Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat,

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1. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.12.2012 zu zahlen,

22

2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zu zahlen,

23

3. der Klägerin umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.09.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand;

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die Klage ebenfalls abzuweisen,

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II. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

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Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

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I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

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der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von € 7.778,28 nicht unterschreiten soll,

29

II. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu niedrig bemessen. Das Arbeitsgericht habe drei durchschnittliche Bruttomonatslöhne für angemessen erachtet, der Berechnung der Entschädigung jedoch nur den Grundlohn zugrunde gelegt. Sie halte eine Entschädigung von mindestens vier Bruttomonatslöhnen für angemessen, wobei in die Durchschnittsberechnung auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Anwesenheitsprämie einfließen müssten.

31

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 iHv. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen. Darüber hinaus kann sie von der Beklagten eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 wegen Geschlechtsdiskriminierung beanspruchen. Die Auskunftsklage ist unzulässig.

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1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn sowie sonstiger Vergütungsbestandteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) und der Vergütung hat, die die Beklagte in diesem Zeitraum an die männlichen Produktionsmitarbeiter gezahlt hat. Der Gesamtbetrag beläuft sich - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - auf den vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1 des Tenors) ausgeurteilten Betrag von € 10.149,50 brutto. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB, weil sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.11.2012 seit dem 12.12.2012 mit der Leistung in Verzug befand.

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a) Die Beklagte hat den weiblichen Produktionsbeschäftigten im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn, ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gezahlt als den männlichen. Die niedrigere Entlohnung beruhte – unstreitig - allein auf dem Geschlecht und stellte daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

35

Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1. des Tenors) ausgeurteilten Differenzbeträge. Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Das gilt zunächst nach dem AGG. Die bei der Entgeltzahlung unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung - hier der individualrechtlichen Vereinbarung - einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (vgl. BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Teilzeit Nr. 39). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (vgl. BAG 11.12.2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45 mwN, AP AGG § 2 Nr. 1). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

36

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Nach dieser Vorschrift muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden.

37

aa) Die Klägerin macht keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Leistungsanspruch ist ein Erfüllungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Für Ansprüche aus § 7 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 16 mwN, AP AGG § 3 Nr. 3) auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe gewährt wurden, gilt § 15 Abs. 4 AGG nicht (vgl. BAG 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 23, AP BetrAVG § 16 Nr. 72; BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; MüKoBGB/ Thüsing 6. Aufl. AGG § 15 Rn. 32; BeckOK ArbR/Roloff Stand 01.06.2014 AGG § 15 Rn. 12).

38

bb) Selbst wenn man - im Sinne der Beklagten - in der Vergütungsdifferenz einen nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Schaden sehen wollte, auf den § 15 Abs. 4 AGG Anwendung fände, hätte die Ausschlussfrist erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen begonnen. Die Frist wäre mit dem Schreiben vom 09.11.2012 gewahrt worden.

39

Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 für gleiche Arbeit eine geringere Vergütung gezahlt als den männlichen Produktionsmitarbeitern. Somit lag ein Dauertatbestand vor, der fortlaufend bis einschließlich Dezember 2012 anhielt, weil sich Monat für Monat eine neue Benachteiligung der Frauen realisiert hat. Wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (vgl. BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 60 mwN, AP AGG § 3 AGG Nr. 2).

40

c) Die geltend gemachten Erfüllungsansprüche für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 sind nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den auf das Jahr 2009 entfallenden Teil der geltend gemachten Ansprüche. Zwar hat die Klägerin ihre Klage erst im Januar 2013 erhoben. Die Beklagte hat jedoch unstreitig am 18.12.2012 wirksam auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren, verzichtet. Für Ansprüche aus 2009 wäre die regelmäßige Verjährungsfrist frühestens am 31.12.2012 abgelaufen. Im Streitfall kann deshalb dahinstehen, ob der Klägerin ihre geschlechtsspezifische Diskriminierung beim Entgelt schon seit vielen Jahren iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB positiv bekannt bzw. grob fahrlässig nicht bekannt war, wie die Beklagte behauptet.

41

2. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag jedoch auf € 6.000,00 zu erhöhen.

42

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar beim Entgelt benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen. Die geringere Vergütung der Klägerin und einer Vielzahl weiterer weiblicher Produktionsbeschäftigten für gleiche oder gleichwertige Arbeit bis zum 31.12.2012 war nicht gerechtfertigt. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

43

b) § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insb. eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44 mwN, Juris).

44

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis zum 31.12.2012 jahrelang bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer der vorliegenden Benachteiligung gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrags, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (vgl. BAG 18.3.2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 43, NZA 2010, 1129). Überdies ist von einem vorsätzlichen und nicht nur fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der bei ihr beschäftigten Frauen aufgrund ihres Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern in ihrem Produktionsbetrieb nicht verdeckt erfolgt, sondern jederzeit "offen kommuniziert" worden sei. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt, die die Beklagte bis 31.12.2012 fortgesetzt hat, war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung nach dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Betrieb offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.

45

Die Höhe des Bruttomonatsentgelts der Klägerin ist für die Bemessung der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt kann ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG) sein. Vorliegend erfolgte die Diskriminierung jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (vgl. BAG 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 84, AP AGG § 15 Nr. 1).

46

Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (vgl. BAG 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 38 mwN, NZA 2014, 372; KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen, ua. wegen der Arbeitszeiten, für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau in gleicher Weise erheblich. Deshalb hält die Berufungskammer die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrags von € 6.000,00 für angemessen.

47

c) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 09.11.2012 rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Die Frist begann - wie oben ausgeführt - erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen, weil ein sog. Dauertatbestand vorlag, der bis einschließlich Dezember 2012 anhielt.

48

d) Die Klägerin hat auch die Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt, weil sie ihre Klage auf Zahlung einer Entschädigung am 29.01.2013 und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs beim Arbeitsgericht eingereicht hat.

49

3. Die Klage auf Auskunft, ob und inwieweit die Klägerin bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, ist unzulässig. Der Klägerin fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den prozessual selbständigen Auskunftsanspruch, weil sie inzwischen Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 erhoben hat. Die Klägerin hat sich in der Lage gesehen, ihren Anspruch zu beziffern, obwohl sie die Auskunft der Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2013 nicht für ausreichend erachtet. Dies spricht dafür, dass sie zur Durchsetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf die begehrte Auskunft nicht (mehr) zwingend angewiesen ist, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage fehlt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient nicht (mehr) der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens (vgl. BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8, NJW 2011, 1815).

III.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

51

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2.
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister.

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 2014 - 3 Sa 27/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sowie Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG zu zahlen.

2

Der 1969 geborene Kläger ist Diplom-Betriebswirt mit dem Schwerpunkt Personalmanagement. Die Beklagte ist eine international tätige Personalberatung.

3

Am 9. November 2011 veröffentlichte die Beklagte im Internet die folgende Stellenanzeige:

        

„Wir sind eine international tätige Personalberatung für Unternehmen und Bewerber, die überwiegend im produzierenden, mittelständischen Umfeld national und international tätig sind. Mit unseren Standorten in Deutschland, Europa und Mittelamerika bieten wir ein flächendeckendes Netzwerk. Unsere Arbeit zeichnet sich durch einen schnellen, zuverlässigen und qualitativ hochwertigen Service aus.

        

Für unsere Zentrale in M suchen wir zum sofortigen Einstieg eine/n

        

Junior-Consultant

        

für den Bereich Executive Search / Personalberatung.

        

Das erwartet Sie:

        

Eine intensive Einarbeitung in den verschiedenen Abteilungen einer modernen Personalberatung und Vorbereitung auf eigenständige Personalprojekte in einem professionellen Umfeld mit einem jungen dynamischen Team.

        

Folgende Aufgabenschwerpunkte kommen auf Sie zu:

        

- Durchführung von detaillierten Recherchen in verschiedenen Medien

        

- Erstellung von Zielfirmenlisten für die Researcher

        

- Gezielte Identifizierung von Kandidaten für unsere Projekte sowie Erstansprache identifizierter Kandidaten

        

- Durchführung von Telefoninterviews und persönlichen Kandidatengesprächen

        

- Erstellung von Kandidatenprofilen

        

- Projekte ‚step by Stepp‘ mit den Partnern begleiten und später eigenverantwortlich übernehmen

        

- Bestehende Kunden betreuen und neue Projekte akquirieren

        

Kurzum, die komplette Bandbreite einer modernen Personalberatung kennen lernen und Schritt für Schritt in die Verantwortung hineinwachsen, mit dem Ziel eigene Projekte durchzuführen.

        

Was erwarten wir:

        

- Abgeschlossenes kaufmännisches oder betriebswirtschaftliches Studium (Uni oder FH)

        

- Eigendynamik und Initiative

        

- Den unbedingten Willen mehr zu wollen

        

- Sehr gute Englische Sprachkenntnisse in Wort und Schrift

        

- Teamorientierung und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit

        

- Gutes persönliches Auftreten

        

Treffen die oben genannten Punkte auf Sie zu? Haben Sie Interesse an einer interessanten Herausforderung in einem erfolgreichen Unternehmen mit einem freundlichen Team? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbungsunterlagen (tabellarischer Lebenslauf, Kopien aussagekräftiger Zeugnisse). Senden Sie diese bitte unter Angabe der Referenznummer […], Ihrer Gehaltsvorstellungen und eines möglichen Eintritttermins an: …“

4

Der Kläger bewarb sich mit E-Mail vom 11. November 2011 bei der Beklagten auf diese Stelle. In seinem Anschreiben, dem weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt waren, heißt es:

        

„... an der von Ihnen o.g. Stellenausschreibung bin ich sehr interessiert. Im Folgenden eine kurze Darstellung meiner Person:

        

Ich bin 42 Jahre alt, Diplom-Betriebswirt (FH) - mit Studienschwerpunkt Personalmanagement, und arbeitete zuletzt als Lehrkraft an einer privaten Fachoberschule für Wirtschaftsfächer in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Zudem war ich in der Vergangenheit u.a. als Existenzgründerberater, Vermittlungscoach und Ausbilder für kaufmännische Berufe tätig. Die modernen HR-Tools sind mir daher bestens vertraut. Was zeichnet mich ferner für die ausgeschriebene Stelle aus?

                 

▪       

Erfahrung im Bewerbermanagement, Bewerberauswahl, Vertragswesen, in der Personalbeschaffung, -betreuung und -planung

                 

▪       

Sehr gute Kenntnisse in Verwaltungsarbeiten und im Büromanagement

                 

▪       

sehr gute MS-Office- (Word, Excel, Power-Point, Outlook) und Englischkenntnisse

                 

▪       

Erfahrung in der Personaladministration, in Projektarbeiten und der Führung/Aufbereitung von Bewerberinterviews

                 

▪       

Sehr gute Kenntnisse in Controlling, Marketing sowie im Lohnsteuer-, Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht

                 

▪       

Erfahrung in der konzeptionellen Planung, Durchführung und Evaluation von schulischen und betrieblichen Lehr-Lernarrangements (Personalentwicklungskonzepte)

                 

▪       

analytisches, erfolgsorientiertes Denk- und Handlungsvermögen

                 

▪       

geschult in Pädagogik und Arbeits- und Organisationspsychologie

        

Sehr gern würde ich daher zukünftig in Ihrem Unternehmen als Junior-Consultant tätig werden. Ich könnte viel meiner Erfahrungen einbringen und mich rasch in neue besonders anspruchsvolle Aufgabengebiete einarbeiten. Gerade die Betreuung des Bewerbermanagements und die Neukundenakquise würden mich fachlich sehr reizen. Sie gewinnen einen kommunikativen, flexiblen und engagierten teamfähigen Mitarbeiter. Zudem bin ich selbständiges, genaues und strukturiertes Arbeiten durch meine bisherigen Tätigkeiten gewohnt.

        

Meine Gehaltsvorstellungen liegen bei ca. 3.300,00 Euro p.m.

        

Da ich ortsungebunden bin, könnte ich kurzfristig mein Wirkungsfeld nach M verlagern.

        

Über eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch freue ich mich.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

aus R …“

5

Mit E-Mail vom 17. November 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

        

„… wir danken Ihnen für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse, welches Sie unserem Unternehmen entgegengebracht haben.

        

Nach eingehender Prüfung der eingegangenen Bewerbungen mussten wir eine Auswahl treffen, bei der sich nicht vermeiden ließ, auch Interessenten mit guten Voraussetzungen eine Absage zu erteilen. Dies sollten Sie nicht als persönliche Wertung Ihrer Qualifikationen ansehen. Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen keinen positiven Bescheid geben können.

        

Ihre Unterlagen behalten wir gerne in unserer Datenbank und kontaktieren Sie bei weiteren interessanten Angeboten! Wir wünschen Ihnen für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

        

...“   

6

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16. Januar 2012 forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung und Schadensersatz. In diesem Schreiben heißt es:

        

„in der obigen Angelegenheit zeigen wir an, dass wir die rechtlichen Interessen von Herrn K, R wahrnehmen. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichern wir anwaltlich.

        

Gegenstand unserer Beauftragung sind Ansprüche nach dem AGG wegen einer Benachteiligung wegen des Alters bei der Stellenbesetzung. Am 17.11.2011 hatten Sie unserem Mandanten mitgeteilt, dass er für die Stelle als ‚Junior Consultant für den Bereich Executive Search/Personalberatung‘ nicht in Frage käme. Da unser Mandant für diese von Ihnen ausgeschriebene Stelle als Diplom-Betriebswirt mit dem Studienschwerpunkt Personal sehr gut qualifiziert war, ist wenig verständlich, warum er innerhalb von wenigen Tagen bereits eine Bewerbungsabsage erhielt. Wir gehen daher davon aus, dass auch sachfremde Erwägungen bei Ihrer ablehnenden Entscheidung eine Rolle gespielt haben dürften.

        

Ausweislich Ihrer Stellenausschreibung haben Sie sich selbst als ‚junges dynamisches Team hervorgehoben‘, so dass wir die Vermutung des § 22 AGG für die Vermutung einer altersbedingten Benachteiligung gegenüber unserem Mandanten als gegeben erachten müssen.

        

Wir machen daher namens und im Auftrag unseres Mandanten dessen Ansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG auf materiellen Schadensersatz sowie auf eine immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend:

        

1.)     

        

Zunächst dürfen wir sie auffordern, uns Auskunft über die Qualifikationen und den beruflichen Werdegang des letztlich erfolgreichen Bewerbers zu erteilen. Ferner beanspruchen wir Auskunft über die Höhe der durchschnittlich für die ausgeschriebene Stelle zu erwartende Bruttomonatsvergütung. Bitte vergessen Sie hierbei nicht Gratifikationen, Boni, vermögenswirksame Leistungen und geldwerte Vorteile.

        

2.)     

        

Da unser Mandant auf die ausgeschriebene Stelle sprichwörtlich wie die Faust aufs Auge passt und wir die Qualifikationen des letztlich eingestellten Bewerbers noch nicht kennen, machen wir den Anspruch auf materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG dem Grunde nach geltend. Eine Bezifferung dieses Anspruchs behalten wir uns bis zum Vorliegen der entsprechenden Auskünfte vor.

        

3.)     

        

Ferner machen wir für unseren Mandanten einen Anspruch auf eine immaterielle Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von vier Bruttomonatsgehältern geltend. Bei der Höhe der zu erwartenden durchschnittlichen Vergütung gehen wir von EUR 4.000,- aus, da dies für die ausgeschriebene Stelle angemessen erscheint und uns anderweitige Informationen nicht vorliegen. Höchst vorsorglich machen wir sie darauf aufmerksam, dass wir hiermit auch den Anspruch des § 15 Abs. 2 Satz AGG geltend machen.

        

Für die Erfüllung dieser Ansprüche haben wir uns den

        

30.01.2012

        

vorgemerkt. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist müssten wir unserem Mandanten anraten, den Arbeitsgerichtsweg zu beschreiten.

        

Mit freundlichen Grüßen …“

7

Zum Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers beschäftigte die Beklagte keinen „Senior-Consultant“. Sie besetzte die ausgeschriebene Stelle mit dem damals 28 Jahre alten Mitbewerber W.

8

Mit seiner am 12. April 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 18. April 2012 zugestellten Klage hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des materiellen Schadens sowie auf Zahlung einer Entschädigung weiter verfolgt.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung seiner Bewerbung beruhe auf einer Benachteiligung wegen seines Alters. Mit der Stellenanzeige habe die Beklagte nach einem „Junior-Consultant“ gesucht und die Tätigkeit in einem „jungen dynamischen Team“ angeboten. Dieser Umstand begründe mangels sachlicher Rechtfertigung die Vermutung, dass er wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Der Begriff „Junior“ könne nicht als neutrale Bezeichnung einer niedrigeren Hierarchieebene verstanden werden. Es komme hinzu, dass die Beklagte keinen „Senior-Consultant“ beschäftige. Mit dem Angebot einer Tätigkeit in einem „jungen dynamischen“ Team habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auch die künftige Zusammensetzung des Teams so vorstelle. Dass er wegen seines Alters abgelehnt worden sei, zeige sich auch daran, dass der eingestellte 28-jährige Mitbewerber jünger sei als er.

10

Da er als diplomierter Betriebswirt mit dem Studienschwerpunkt „Personalmanagement“ die Idealbesetzung für die ausgeschriebene Stelle sei, hätte er diese bei benachteiligungsfreier Auswahl erhalten müssen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der eingestellte Mitbewerber sei wegen seiner Kenntnisse in der Branche der Personalberatung und des Headhunting sowie wegen seiner Erfahrungen im Vertrieb besser geeignet als er, da diese Anforderungen in der Stellenausschreibung nicht genannt seien. Zudem seien einige der von der Beklagten in der Stellenausschreibung aufgeführten Anforderungen als sogenannte „soft skills“ anzusehen, deren Erfüllung allenfalls im Rahmen eines Vorstellungstermins hätte überprüft werden können. Dies gelte insbesondere für die Team- und Kommunikationsfähigkeit. Jedenfalls sei er als erfahrene Lehrkraft sowohl team- als auch kommunikationsfähig.

11

Der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Nachdem er Ende August 2011 seinen vorherigen Arbeitsplatz verloren habe, sei er auf der Suche nach einem neuen Arbeitsverhältnis gewesen. Ein solches habe er erst zum 10. September 2012 mit einer monatlichen Arbeitsvergütung iHv. 2.200,00 Euro brutto begründen können. Damit werde sein Arbeitsentgelt vermutlich bis zum Eintritt in den Ruhestand unterhalb des ihm der Höhe nach nicht bekannten, aber auf durchschnittlich 4.000,00 Euro geschätzten Entgelts liegen, welches er bei der Beklagten hätte erzielen können. Die von ihm beanspruchte Entschädigung solle vier Bruttomonatsgehälter nicht unterschreiten.

12

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt:

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden, die ihm aufgrund der unterlassenen Einstellung der Beklagten vom 17. November 2011 entstanden sind und künftig entstehen werden, zu ersetzen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 16.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31. Januar 2012 nicht unterschreiten sollte.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Verlangen des Klägers nach Entschädigung und Schadensersatz sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Der Kläger habe sich nicht subjektiv ernsthaft, sondern nur beworben, um eine Ablehnung zu provozieren und Ansprüche nach dem AGG geltend zu machen. Dies ergebe die Gesamtschau verschiedener Indizien. Der Kläger lasse sich durch einen - offenbar mit ihm verwandten - Prozessbevollmächtigten vertreten, der sich im Bereich des AGG spezialisiert habe und dafür bekannt sei, dass er entschieden für die Rechte aus dem AGG eintrete. Bereits dieser Umstand verdeutliche, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung nur darum gegangen sei, Ansprüche nach dem AGG einzuklagen. Zudem habe der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben an prominenter Stelle auf sein Alter und zudem insgesamt viermal auf seinen Wohnort in R und damit sehr deutlich auf die Entfernung zwischen seinem Wohnort und der angebotenen Arbeitsstelle hingewiesen. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Kläger sich mit dem Ziel beworben habe, möglichst abgelehnt und schon gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Zudem ergebe sich ua. aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M, dass der Kläger auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG verfolge und dabei systematisch vorgehe.

14

Soweit mit der Stellenanzeige ein „Junior-Consultant“ gesucht werde, liege darin kein Indiz für eine Benachteiligung des Klägers wegen des Alters. Der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich lediglich auf die Stellung in der betrieblichen Hierarchie; gemeint sei die Unterstellung unter höherrangige Mitarbeiter im Team und damit verbunden ein geringerer Verantwortungsbereich sowie eine geringere Entscheidungskompetenz. Auch wenn es bei ihr nicht ausdrücklich die Position eines „Senior-Consultant“ gebe, so sei ihr Geschäftsbereichsleiter dennoch als solcher anzusehen. Auch in der lediglich unter der Rubrik „Das erwartet Sie“ verwendeten Formulierung „mit einem jungen dynamischen Team“ liege kein Indiz, das eine Benachteiligung des Klägers wegen des Alters vermuten lasse. Ein junges Team könne „jung geblieben“ oder auch ein Team sein, das noch nicht lange Zeit bestehe. Letzteres treffe hier zu, da das Team in seiner konkreten Zusammensetzung zum Zeitpunkt der Stellenanzeige erst gut ein Jahr bestanden habe.

15

Der Kläger könne bei der Auswahlentscheidung im Übrigen nicht wegen seines Alters benachteiligt worden sein. Zum einen sei er damals mit 42 Jahren noch selbst „jung“ gewesen, zum anderen seien zum Zeitpunkt seiner Bewerbung in der betroffenen Abteilung Direct Search sechs Personen im Alter von 26, 28, 28, 35, 51 und 56 Jahren beschäftigt gewesen. Damit sei jeder dritte Mitarbeiter deutlich älter gewesen als der Kläger. Zudem habe sie zum 1. Juni 2012 einen weiteren Berater eingestellt, der zu diesem Zeitpunkt 49 Jahre alt gewesen sei; dieser habe im Übrigen die gleichen Tätigkeiten zu verrichten wie der Inhaber der Stelle, auf die sich der Kläger beworben habe. Eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters folge auch nicht daraus, dass der letztlich eingestellte Bewerber zufällig jünger als der Kläger sei.

16

Der Kläger sei bei der Bewerberauswahl auf die ausgeschriebene Stelle, für die insgesamt 46 Bewerbungen eingegangen seien, aus inhaltlichen Gründen nicht berücksichtigt worden. Sie habe sehr gute Englischkenntnisse, Teamorientierung und Kommunikationsfähigkeit erwartet. Aus den bisherigen Tätigkeiten des Klägers (zuletzt als Lehrkraft an einer privaten Fachoberschule, zuvor als Berater für Existenzgründer, Integrationscoach, Ausbilder für kaufmännische Berufe sowie als Dozent) sei jedoch zu ersehen, dass der Kläger durchgängig weniger im Team als eher auf sich gestellt tätig gewesen sei. Zudem habe sie einschlägige Kenntnisse in der Branche der Personalberatung und des Headhunting sowie Vertriebserfahrung positiv bewertet. Allein schon aufgrund ihrer Branchen- und Vertriebserfahrung seien von den anderen 45 Bewerbern/innen insgesamt 19 für die ausgeschriebene Stelle besser geeignet gewesen als der Kläger, dem diese Kenntnisse und Erfahrungen fehlten. Der letztlich eingestellte W verfüge über ein abgeschlossenes kaufmännisches Studium, sehr gute Englischkenntnisse, Teamorientierung, Kommunikationsfähigkeit, einschlägige Kenntnisse der Branche sowie über Vertriebserfahrung. Er sei zuvor bei der p AG und davor bei der M GmbH beschäftigt gewesen, einem Unternehmen, das eine der größten Online-Stellenbörsen unterhalte. Im Rahmen weiterer Anstellungsverhältnisse sei Herr W zudem in der Neukundenakquise tätig gewesen, sodass er auch über die notwendige Vertriebserfahrung verfüge.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage - unter Klageabweisung im Übrigen - teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung an den Kläger iHv. 6.000,00 Euro nebst Zinsen seit dem 31. Januar 2012 verurteilt. Hiergegen haben die Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten - unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden; den Parteien ist zudem Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

19

A. Die Revision ist zulässig, insbesondere wurde sie entgegen der Auffassung der Beklagten ordnungsgemäß begründet.

20

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. ua. BAG 17. Februar 2016 - 10 AZR 600/14 - Rn. 11; 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 15 mwN, BAGE 153, 111; 24. September 2014 - 4 AZR 559/12 - Rn. 11).

21

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Der Kläger wendet sich damit gegen die Auslegung der in der Stellenanzeige enthaltenen Begriffe bzw. Formulierungen „Junior-Consultant“ sowie „junges dynamisches Team“ durch das Landesarbeitsgericht, die mit § 22 AGG und dem zugrundeliegenden Unionsrecht nicht zu vereinbaren seien. Er legt dar, welche Gesichtspunkte das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen habe und weshalb daraus ein anderes Ergebnis folge. Im Fall ihrer Begründetheit wäre diese Sachrüge geeignet, das Berufungsurteil erfolgreich anzugreifen. Das reicht als Revisionsangriff aus.

22

B. Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

23

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe bereits dem Grunde nach gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG noch auf Ersatz eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG. Die Beklagte habe den Kläger bei der Stellenbesetzung nicht wegen seines Alters benachteiligt. Es lägen schon keine Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters vermuten ließen. Als Anknüpfungspunkte für die Vermutung einer Benachteiligung des Klägers wegen des Alters kämen lediglich die Formulierungen in der Stellenausschreibung in Betracht, mit denen die Beklagte einen „Junior-Consultant“ gesucht habe sowie unter „Das erwartet Sie“ ausgeführt habe, „…in einem professionellen Umfeld mit einem jungen dynamischen Team“. Damit habe die Beklagte aber weder direkt noch indirekt auf das Alter des Bewerbers abgestellt. Der Begriff „Junior“ beziehe sich im Zusammenhang mit „Consultant“ auf fehlende bzw. geringe spezifische Berufserfahrung und eine damit verbundene niedrigere Stellung in der betrieblichen Hierarchie; dass es bei der Beklagten keinen „Senior-Consultant“ gebe, ändere daran nichts. Fehlende einschlägige Berufserfahrung sei indes nicht mit einem bestimmten Alter verbunden; auch Quereinsteiger in vorgerücktem Alter könnten dieses Kriterium erfüllen. Mit der Formulierung „mit einem jungen dynamischen Team“ sei keine Angabe zum gewünschten Alter der Stellenbewerber/innen verbunden gewesen. Das Adjektiv „jung“ beziehe sich auf das Team als solches, nicht auf seine Mitglieder. Falls dennoch die Teammitglieder gemeint sein sollten, liege darin lediglich eine Beschreibung des „Ist-Zustands“, keine Erwartung an eine zukünftige Zusammensetzung des Teams mit jungen Menschen.

24

II. Mit dieser Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde.

25

1. Sowohl der Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG als auch der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzen einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters.

26

a) Dabei verbietet § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

27

b) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN).

28

c) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).

29

d) Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden.

30

aa) Das AGG knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung oder Schadensersatz auch nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben.

31

bb) Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG aus, so kann dies allerdings die Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes iSv. § 1 AGG benachteiligt wurde. Zwar verweist § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG; dennoch muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder die unmittelbare Benachteiligung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen iSd. AGG der Fall ist. Dies hat zur Folge, dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken, ein Verstoß gegen § 11 AGG nicht vorliegt, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist und dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann ausscheidet, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Enthält eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, kann dies nach alledem die Vermutung nach § 22 AGG begründen, der/die erfolglose Bewerber/in sei im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden.

32

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe dem Grunde nach gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG noch auf Ersatz eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG, weil schon keine Indizien vorlägen, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters vermuten ließen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde. Soweit das Landesarbeitsgericht die Stellenausschreibung dahin ausgelegt hat, der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich auf fehlende bzw. geringe Berufserfahrung, hat es im Übrigen zu Unrecht eine mittelbare Verknüpfung iSv. § 3 Abs. 2 AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verneint.

33

a) Die Auslegung des Textes veröffentlichter Stellenanzeigen durch das Landesarbeitsgericht unterliegt - wie die Auslegung typischer Willenserklärungen bzw. Allgemeiner Geschäftsbedingungen - der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. Unter einer Ausschreibung iSv. § 11 AGG ist die an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Aufforderung eines Arbeitgebers zu verstehen, sich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben(vgl. Suckow in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 11 Rn. 13; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 11 Rn. 10). Danach ist die Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (vgl. etwa BAG 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 12).

34

b) Die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, bewirkt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

35

Mit dem Begriff „jung“ wird unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt wird diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „dynamisch“, der eine Eigenschaft beschreibt, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird. Wird in einer Stellenausschreibung - wie hier - darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, enthält dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber/innen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch sind. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass damit nicht nur - wie das Landesarbeitsgericht meint - ein „Istzustand“ beschrieben werden soll, sondern dass der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, dass er einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Andernfalls wäre die so formulierte Passage der Stellenausschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig.

36

c) Es kann vorliegend zwar dahinstehen, ob die in der Stellenausschreibung enthaltene Passage, mit der ein „Junior-Consultant“ gesucht wird, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Soweit das Landesarbeitsgericht die Stellenausschreibung allerdings dahin ausgelegt hat, der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich auf fehlende bzw. geringe Berufserfahrung, hat es zu Unrecht eine mittelbare Verknüpfung iSv. § 3 Abs. 2 AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verneint. Bei der Berufserfahrung handelt es sich um ein Kriterium, das dem Anschein nach neutral ist iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Unmittelbar wird damit nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen. Jedoch ist das Kriterium der Berufserfahrung mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfängern/innen und gegenüber Bewerbern/innen mit erster oder kurzer Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Daran ändert es nichts, dass es gelegentlich - und eben nicht typischerweise - Quereinsteiger gibt.

37

C. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die zulässige Klage sei unbegründet, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

38

I. Die Klage ist zulässig.

39

1. Für den auf § 15 Abs. 1 AGG gestützten, auf Feststellung gerichteten Klageantrag zu 1. ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Dies gilt sowohl, soweit der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger als auch bereits entstandener Schäden begehrt.

40

Wird Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden erhoben, liegt ein Feststellungsinteresse vor, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 20; 12. April 2011 - 9 AZR 229/10 - Rn. 36; 19. August 2010 - 8 AZR 315/09 - Rn. 29; offenlassend, ob „die bloße Möglichkeit“ genügt: BGH 2. April 2014 - VIII ZR 19/13 - Rn. 18). Dies ist vorliegend der Fall.

41

Soweit der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz bereits entstandener Schäden begehrt, steht der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags auch dann nicht entgegen, wenn der Kläger die Klage wegen eines Teils des sich entwickelnden Schadens schon bei Klageerhebung hätte beziffern können. Eine Partei ist nicht gehalten, ihre Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn ein Teil des Schadens schon entstanden ist und - wie hier - mit der Entstehung eines weiteren Schadens nach ihrem Vortrag noch zu rechnen ist (BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 20; vgl. auch BGH 6. März 2012 - VI ZR 167/11 - Rn. 3; 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02 - zu II 1 der Gründe).

42

2. Der auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete Klageantrag zu 2. ist ebenfalls zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Der Kläger hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung, die er mit nicht unter 16.000,00 Euro bestimmt hat, angegeben (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags: vgl. etwa BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 16; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16).

43

II. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG.

44

Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG einen formalen Bewerberbegriff. Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Senats zusätzlich die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ gefordert wurde (ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 28; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 50, BAGE 131, 232; vgl. jedoch offenlassend oder entgegengesetzt ua.: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 51 bis 56; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32), hält der Senat hieran nicht fest. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 25; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).

45

III. Der Kläger wurde dadurch, dass er von der Beklagten nicht eingestellt wurde, auch unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren, als der letztlich von der Beklagten eingestellte Bewerber.

46

IV. Der Kläger hat den Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht (§ 15 Abs. 4 AGG) sowie den Entschädigungsanspruch fristgerecht eingeklagt (§ 61b Abs. 1 ArbGG).

47

V. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist nicht dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt. Die von der Beklagten insoweit vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

48

1. Sowohl ein Entschädigungsverlangen eines/einer erfolglosen Bewerbers/Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG als auch sein/ihr Verlangen nach Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG können dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch wäre anzunehmen, sofern ein/e Kläger/in sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm/ihr darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

49

a) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor(etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

50

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).

51

b) Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen(vgl. etwa BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 53 mwN; vgl. auch BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 33, BVerwGE 139, 135).

52

Nach § 1 AGG ist es das Ziel des AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, sondern auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG.

53

Bereits mit diesen Bestimmungen hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das AGG vermittelten Schutz berufen kann; sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber(vgl. etwa EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.

54

c) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

55

aa) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 37; 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).

56

bb) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.

57

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. iÜ etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 - [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52 und 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75, aaO). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).

58

cc) Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird(ua. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).

59

Damit handelt eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

60

2. Die von der Beklagten bislang vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

61

a) Die Beklagte kann den Rechtsmissbrauchseinwand nicht mit Erfolg darauf stützen, der Kläger lasse sich durch einen - offenbar mit ihm verwandten - Prozessbevollmächtigten vertreten, der sich im Bereich des AGG spezialisiert habe und dafür bekannt sei, dass er entschieden für die Rechte aus dem AGG eintrete und dass bereits dieser Umstand verdeutliche, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung nur darum gegangen sei, Ansprüche nach dem AGG einzuklagen. Es ist abwegig, Umstände, wie ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen einem Prozessbevollmächtigten und seinem Mandanten, eine Spezialisierung des Prozessbevollmächtigten in einem bestimmten rechtlichen Bereich oder einen entschiedenen Einsatz des Prozessbevollmächtigten für die Rechte seiner Mandanten mit dem Rechtsmissbrauchseinwand zu verknüpfen.

62

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen die Angaben des Klägers in seinem Bewerbungsschreiben zu seinem Alter und zu seinem derzeitigen Wohnort ebenfalls keinen Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu, zumal der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben ausdrücklich ausgeführt hat, ortsungebunden zu sein.

63

c) Die Beklagte kann sich letztlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch sei auch deshalb dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt, weil der Kläger - wie sich aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M ergebe - auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG verfolge und dabei systematisch vorgehe. Insoweit hat sie schon keine konkreten objektiven Umstände dargetan, die im Streitfall den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zulassen könnten.

64

Zum einen kann auf Rechtsmissbrauch nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt. Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger gehe hierbei „systematisch“ vor, bleibt völlig offen, was sie hierunter verstehen möchte. Die Beklagte hat insoweit ihre Bewertung des Vorgehens des Klägers nicht im Ansatz durch substantiierten Tatsachenvortrag unterlegt.

65

D. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG sowie ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht und in welcher Höhe ggf. der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag zu 2. begründet ist. Zudem ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

66

I. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht weitergehend geprüft, ob der Kläger entgegen den Bestimmungen des AGG im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

67

1. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit zunächst zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, dann bestünde, wenn die Beklagte die Stelle, auf die sich der Kläger bei dieser beworben hat, entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters(§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG) ausgeschrieben hat.

68

a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass - wie unter Rn. 34 f. ausgeführt - die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in ein Tätigwerden in einem professionellen Umfeld mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG bewirkt, sodass es im Hinblick auf die Frage, ob die Stelle entgegen den Anforderungen des § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, nur noch darauf ankommt, ob die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Sollte dies der Fall sein, wäre auch eine etwaige mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt, da die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 62, 65, 66, Slg. 2009, I-1569; BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35 mwN, BAGE 131, 298). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob mit dem Begriff „Junior-Consultant“ in der Stellenausschreibung eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG verbunden ist.

69

b) Das Landesarbeitsgericht wird ferner - auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das von dieser im Bestreitensfall zu beweisen wäre - zu prüfen haben, ob die mit der Formulierung in der Stellenausschreibung, mit der dem/der Bewerber/in ein Tätigwerden in einem professionellen Umfeld mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, bewirkte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG nach § 8 AGG oder nach § 10 AGG zulässig ist.

70

aa) Sowohl § 8 AGG als auch § 10 AGG stellen sich als für den Arbeitgeber günstige Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Alters, dar(vgl. hierzu etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 72 und 81, Slg. 2011, I-8003; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569), weshalb den Arbeitgeber - hier die Beklagte - bereits nach den allgemeinen Regeln des nationalen Rechts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in den Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen trifft (zur Darlegungs- und Beweislast nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vgl. etwa EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 83, Slg. 2011, I-6919).

71

bb) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

72

§ 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur gerechtfertigt, wenn sämtliche in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Stellt ein Merkmal, das insbesondere mit dem Alter zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, kann eine unterschiedliche Behandlung zudem nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 71, Slg. 2011, I-8003).

73

Das Landesarbeitsgericht wird bei der Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG zudem zu beachten haben, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann und dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(vgl. etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 35, Slg. 2010, I-1; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34, BAGE 148, 158).

74

cc) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 40 , BAGE 129, 181 ).

75

Bei der Anwendung von § 10 AGG wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

76

(1) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht(dazu auch BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279), wobei die Richtlinie ihrerseits das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 2 BvR 1989/12 - Rn. 63, BVerfGE 139, 19) sowie das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 38, Slg. 2011, I-8003; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - aaO). § 10 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen(dazu auch BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, BAGE 149, 315; 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 32; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 40).

77

(2) § 10 Satz 1 AGG definiert nicht, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Für die Konkretisierung des Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dh. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind - obgleich die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003) - wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich „Sozialpolitik“ (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 81, aaO; dazu auch BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als legitim iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - aaO).

78

(3) Nach § 10 Satz 1 AGG reicht es - ebenso wie nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG - für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nicht aus, dass der Arbeitgeber mit der unterschiedlichen Behandlung ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG verfolgt; hinzukommen muss nach § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen (vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 43; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 55 f.). Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden(vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 56) und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 59; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65 mwN, Slg. 2005, I-9981).

79

(4) Um darzutun, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber allgemein behauptet, dass die die unterschiedliche Behandlung bewirkende Maßnahme oder Regelung geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen. Derartige allgemeine Behauptungen lassen nämlich nicht den Schluss zu, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 77, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 35, BAGE 131, 61). Der Arbeitgeber hat hierzu vielmehr substantiierten Sachvortrag zu leisten (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 82, aaO).

80

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Stelle, auf die der Kläger sich beworben hat, von der Beklagten unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagte Tatsachen vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen hat, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

81

a) Solche Gründe können zwar in der Regel nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt (vgl. im Einzelnen BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN). Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 13 mwN, BVerfGK 9, 218). Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zB weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, in dessen Verlauf die klagende Partei hätte diskriminiert werden können.

82

b) Entsprechendes kann gelten, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 42). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

83

c) Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, aber auch dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies kann zum Beispiel anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

84

Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Wird beispielsweise mit einer Stellenausschreibung eine Person gesucht, die über eine „herausragende“, „hervorragende“ oder „erstklassige“ Qualifikation verfügt, ist es jedenfalls dem privaten Arbeitgeber unbenommen, all die Bewerber/innen, die eine bestimmte Studien-/Ausbildungsabschlussnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Auswahlverfahren auszunehmen. Jede/r Bewerber/in muss in einem solchen Fall bereits aufgrund der Stellenausschreibung damit rechnen, dass in einem Stellenbesetzungsverfahren, insbesondere wenn viele Bewerbungen eingehen, womöglich nur die Bewerbungen mit bestimmten Abschlussnoten eine Vorsichtung erfolgreich durchlaufen. Gleiches würde gelten, wenn für eine Tätigkeit in der Personalberatung in einer ersten Sichtung ausnahmslos Bewerber/innen mit Vorkenntnissen in den Bereichen Personalberatung und Headhunting vorausgesucht und all die Bewerber/innen ohne solche Vorkenntnisse von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausgenommen wurden, da sich insofern der erforderliche „Anklang“ ohne Weiteres aus der angebotenen auszuübenden Tätigkeit ergibt. Allerdings ist zu beachten, dass Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, vom Arbeitgeber - soweit es um die Widerlegung der Vermutung geht - seiner Vorauswahl nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 43 mwN, BAGE 131, 86).

85

d) Soweit der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit/des Berufs an sich ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb; in einem solchen Fall besteht demzufolge in der Regel kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund.

86

e) Beruft sich der Arbeitgeber - wie hier die Beklagte - darauf, er habe bei einer weiteren, späteren Einstellung einen älteren Bewerber berücksichtigt, im Übrigen seien in dem fraglichen Tätigkeitsbereich (auch) ältere Personen tätig, so ist dieses Vorbringen allerdings von vornherein nicht geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters iSv. § 22 AGG zu widerlegen. Beide Umstände sagen nichts über das den konkreten Rechtsstreit betreffende Auswahlverfahren aus. Andererseits sagt - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - auch allein der Umstand, dass die letztlich eingestellte Person jünger als der Kläger ist, für sich betrachtet nichts darüber aus, ob der Kläger wegen seines Alters benachteiligt worden ist.

87

3. Sollte sich ergeben, dass nicht ausschließlich andere Gründe als das Alter zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben, wird das Landesarbeitsgericht auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das im Bestreitensfall zu beweisen wäre, auch der Frage nachzugehen haben, ob die unmittelbare Benachteiligung, die der Kläger durch seine Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren wegen seines Alters erfahren hat, ausnahmsweise nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Wegen der insoweit maßgebenden Vorgaben von § 8 Abs. 1 und § 10 AGG wird auf die Ausführungen unter Rn. 69 ff. Bezug genommen.

88

4. Im Übrigen hält der Senat den Hinweis für geboten, dass sich die Beklagte gegenüber den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG nicht mit Erfolg darauf berufen könnte, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet.

89

a) Zwar befindet sich eine Person nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur dann in einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle „objektiv geeignet“ ist(vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offengelassen neuerdings von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 21; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

90

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat allerdings nicht fest.

91

aa) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ausgeführt hat, spricht gegen das Erfordernis der „objektiven Eignung“ bereits der Umstand, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Denn auch bei „benachteiligungsfreier Auswahl“ würden die Bewerber nicht eingestellt, denen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

92

bb) Könnte nur ein „objektiv geeigneter“ Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG oder materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG beanspruchen, würde dies auch dazu führen, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: durch die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28) durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht, jedenfalls aber übermäßig erschwert würde.

93

(1) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde den Entschädigungs- und Schadensersatzprozess mit der schwierigen Abgrenzung der „objektiven Eignung“ von der „individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation“ belasten und dadurch die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren.

94

Insoweit hat der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgeführt, dass maßgeblich für die objektive Eignung nicht allein das formelle Anforderungsprofil sei, welches der Arbeitgeber erstellt habe, sondern dass es insoweit auf die Anforderungen ankomme, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber zulässigerweise stellen dürfe. Der Arbeitgeber dürfe an den/die Bewerber/in keine Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt seien (vgl. etwa BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 21 mwN; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08  - Rn. 55). Die objektive Eignung sei allerdings zu unterscheiden von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund iSv. § 1 AGG eine Rolle spiele. Damit werde gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei entscheiden könne, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebiete, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber/innen die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen könne. Denn auch Bewerber/innen, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien (vgl. etwa BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55).

95

(2) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde aber auch aus einem anderen Grund sowohl die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG sowie die eines Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG übermäßig erschweren.

96

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ebenfalls ausgeführt hat, kann die Frage, ob eine vergleichbare Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG vorliegt, nicht ohne Vergleichsbetrachtung beantwortet werden. Denn an einer vergleichbaren Situation oder vergleichbaren Lage würde es - soweit es um die „objektive Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers geht - nur dann fehlen, wenn diese/r die geforderte „objektive Eignung“ nicht aufweist, während andere Bewerber/innen, jedenfalls aber der/die ausgewählte Bewerber/in objektiv geeignet sind. Das aus dem Merkmal der vergleichbaren Situation abgeleitete Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Bewerbers würde mithin zu einer Verengung des Vergleichsmaßstabs führen. Hierdurch würde die Geltendmachung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 2 und Abs. 1 AGG übermäßig erschwert. Dies gilt zunächst, soweit den/die Bewerber/in für das Vorliegen einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG die volle Darlegungs- und Beweislast treffen sollte. Dies gilt aber auch dann, wenn vor dem Hintergrund, dass dem/der Bewerber/in in der Regel nicht bekannt ist, wer sich außer ihm/ihr mit welcher Qualifikation/Eignung auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat und für welchen Bewerber/welche Bewerberin der potentielle Arbeitgeber sich entschieden hat und er/sie gegen diesen auch keinen dahingehenden Auskunftsanspruch hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH 19. April 2012 C-415/10  - [Meister] Rn. 46 f.), von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen wäre, wonach es ausreichen würde, wenn der/die Bewerber/in die objektive Eignung anderer Bewerber/innen oder des/der letztlich eingestellten Bewerbers/Bewerberin bestreitet mit der Folge, dass der Arbeitgeber dann jedenfalls zur objektiven Eignung dieser Personen substantiiert vorzutragen hätte. In diesem Fall würde der Prozess bereits im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Situation in der Regel mit einer aufwändigen Tatsachenfeststellung und Klärung der Eignung oder Nichteignung der anderen Bewerber/innen, jedenfalls aber des/der ausgewählten Bewerbers/Bewerberin belastet, ohne dass sich in den Bestimmungen des AGG und den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in denen der Richtlinie 2000/78/EG für die Zulässigkeit einer solchen Verengung des Vergleichsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte finden (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 21; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 23).

97

(3) Es kommt hinzu, dass das Erfordernis der „objektiven Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 Abs. 2 und Abs. 1 AGG dann nahezu praktisch unmöglich machen würde, wenn diese/r die/der einzige Bewerber/in um die Stelle war. In diesem Fall existiert nämlich keine konkrete Vergleichsperson; vielmehr würde es nach § 3 Abs. 1 AGG auf eine hypothetische Vergleichsperson ankommen, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe.

98

II. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt, wird es Folgendes zu beachten haben:

99

1. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen, § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“ (hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen (BT-Drs. 16/1780 S. 38; vgl. auch BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 16; 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 26 mwN; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 33 mwN, BAGE 127, 367).

100

2. Im Hinblick auf den auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichteten Klageantrag zu 2. wird das Landesarbeitsgericht bei der Bestimmung der Höhe einer Entschädigung Folgendes zu beachten haben:

101

a) Auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen(vgl. ua. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63 mwN; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Dass nach dem AGG neben der Entschädigung für Nichtvermögensschäden (§ 15 Abs. 2 AGG) auch der Ersatz materieller Schäden (§ 15 Abs. 1 AGG) verlangt werden kann, führt nicht zu einer Kürzung der Entschädigung für den Nichtvermögensschaden (vgl. BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 73, BGHZ 193, 110).

102

b) Soweit der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG über die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG angegebene Höhe hinaus geltend macht - der Kläger fordert vorliegend eine Entschädigung iHv. vier Bruttomonatsgehältern à 4.000,00 Euro -, obliegt es der Beklagten, sofern sie sich auf die Höchstgrenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG berufen möchte, im Einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der wegen eines Grundes nach § 1 AGG benachteiligte Kläger auch bei diskriminierungsfreier Auswahl die ausgeschriebene Stelle nicht erhalten hätte(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 78; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 62 mwN). Insoweit hätte die Beklagte, die über sämtliche eingereichten Bewerbungsunterlagen verfügt, zu beweisen, dass der Kläger die zu besetzende Position auch dann nicht erhalten hätte, wenn keine Diskriminierung stattgefunden hätte (EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 36, Slg. 1997, I-2195). Dabei kommt es, da die ausgeschriebene Stelle tatsächlich mit einem Mitbewerber besetzt wurde, im Hinblick auf die Frage der „Besteignung“ nicht allein auf eine Vergleichsbetrachtung mit den Anforderungen der Stellenausschreibung an, sondern insbesondere auf eine Vergleichsbetrachtung mit dem/der tatsächlich eingestellten Bewerber/in (ebenso im Ergebnis ErfK/Schlachter 16. Aufl. § 15 AGG Rn. 4 im Hinblick auf § 15 Abs. 1 AGG).

103

3. Im Hinblick auf den auf § 15 Abs. 1 AGG gestützten Klageantrag zu 1. (Feststellungsantrag) wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

104

a) Nach § 252 BGB gehört zu dem nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Vermögensschaden auch entgangenes Arbeitsentgelt(vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 25; 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 26; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 75; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110).

105

b) Streiten die Parteien - wie hier - darüber, ob der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 AGG zum Ersatz eines Vermögensschadens in Form entgangenen Arbeitsentgelts verpflichtet ist, hat der/die Anspruchsteller/in die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Er/Sie muss demnach darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Benachteiligung für die Ablehnung der entsprechenden Bewerbung ursächlich geworden ist, er/sie also die Stelle bei benachteiligungsfreier Auswahl erhalten hätte (ua. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 76; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110). Dabei können dem/der Anspruchsteller/in allerdings Beweiserleichterungen nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen und Vorschriften zugutekommen.

106

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers führt der Umstand, dass er als Anspruchsteller im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität hat, auch nicht zu einem Wertungswiderspruch innerhalb des Gesetzes im Hinblick auf die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zum Entschädigungsanspruch getroffene Bestimmung(vgl. hierzu Ausführungen unter Rn. 102). § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG macht nur für den Entschädigungsanspruch eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen hat, während der Anspruchsgegner die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale darlegen und ggf. beweisen muss. Diese Regelung kann nicht auf den Fall des Ersatzes von Vermögensschäden nach § 15 Abs. 1 AGG übertragen werden(vgl. etwa BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 77 ff.). Für eine derartige Übertragung ist weder im nationalen Recht eine Rechtsgrundlage noch im Unionsrecht eine entsprechende Verpflichtung enthalten (vgl. im Ergebnis auch BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110).

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Roloff    

        

        

        

    Wroblewski    

        

    Wein    

                 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Februar 2014 - 3 Sa 27/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sowie Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG zu zahlen.

2

Der 1969 geborene Kläger ist Diplom-Betriebswirt mit dem Schwerpunkt Personalmanagement. Die Beklagte ist eine international tätige Personalberatung.

3

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4

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Sehr gute Kenntnisse in Controlling, Marketing sowie im Lohnsteuer-, Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht

                 

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analytisches, erfolgsorientiertes Denk- und Handlungsvermögen

                 

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geschult in Pädagogik und Arbeits- und Organisationspsychologie

        

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Da ich ortsungebunden bin, könnte ich kurzfristig mein Wirkungsfeld nach M verlagern.

        

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Mit freundlichen Grüßen

        

aus R …“

5

Mit E-Mail vom 17. November 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

        

„… wir danken Ihnen für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse, welches Sie unserem Unternehmen entgegengebracht haben.

        

Nach eingehender Prüfung der eingegangenen Bewerbungen mussten wir eine Auswahl treffen, bei der sich nicht vermeiden ließ, auch Interessenten mit guten Voraussetzungen eine Absage zu erteilen. Dies sollten Sie nicht als persönliche Wertung Ihrer Qualifikationen ansehen. Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen keinen positiven Bescheid geben können.

        

Ihre Unterlagen behalten wir gerne in unserer Datenbank und kontaktieren Sie bei weiteren interessanten Angeboten! Wir wünschen Ihnen für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

        

...“   

6

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16. Januar 2012 forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung und Schadensersatz. In diesem Schreiben heißt es:

        

„in der obigen Angelegenheit zeigen wir an, dass wir die rechtlichen Interessen von Herrn K, R wahrnehmen. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichern wir anwaltlich.

        

Gegenstand unserer Beauftragung sind Ansprüche nach dem AGG wegen einer Benachteiligung wegen des Alters bei der Stellenbesetzung. Am 17.11.2011 hatten Sie unserem Mandanten mitgeteilt, dass er für die Stelle als ‚Junior Consultant für den Bereich Executive Search/Personalberatung‘ nicht in Frage käme. Da unser Mandant für diese von Ihnen ausgeschriebene Stelle als Diplom-Betriebswirt mit dem Studienschwerpunkt Personal sehr gut qualifiziert war, ist wenig verständlich, warum er innerhalb von wenigen Tagen bereits eine Bewerbungsabsage erhielt. Wir gehen daher davon aus, dass auch sachfremde Erwägungen bei Ihrer ablehnenden Entscheidung eine Rolle gespielt haben dürften.

        

Ausweislich Ihrer Stellenausschreibung haben Sie sich selbst als ‚junges dynamisches Team hervorgehoben‘, so dass wir die Vermutung des § 22 AGG für die Vermutung einer altersbedingten Benachteiligung gegenüber unserem Mandanten als gegeben erachten müssen.

        

Wir machen daher namens und im Auftrag unseres Mandanten dessen Ansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG auf materiellen Schadensersatz sowie auf eine immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend:

        

1.)     

        

Zunächst dürfen wir sie auffordern, uns Auskunft über die Qualifikationen und den beruflichen Werdegang des letztlich erfolgreichen Bewerbers zu erteilen. Ferner beanspruchen wir Auskunft über die Höhe der durchschnittlich für die ausgeschriebene Stelle zu erwartende Bruttomonatsvergütung. Bitte vergessen Sie hierbei nicht Gratifikationen, Boni, vermögenswirksame Leistungen und geldwerte Vorteile.

        

2.)     

        

Da unser Mandant auf die ausgeschriebene Stelle sprichwörtlich wie die Faust aufs Auge passt und wir die Qualifikationen des letztlich eingestellten Bewerbers noch nicht kennen, machen wir den Anspruch auf materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG dem Grunde nach geltend. Eine Bezifferung dieses Anspruchs behalten wir uns bis zum Vorliegen der entsprechenden Auskünfte vor.

        

3.)     

        

Ferner machen wir für unseren Mandanten einen Anspruch auf eine immaterielle Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von vier Bruttomonatsgehältern geltend. Bei der Höhe der zu erwartenden durchschnittlichen Vergütung gehen wir von EUR 4.000,- aus, da dies für die ausgeschriebene Stelle angemessen erscheint und uns anderweitige Informationen nicht vorliegen. Höchst vorsorglich machen wir sie darauf aufmerksam, dass wir hiermit auch den Anspruch des § 15 Abs. 2 Satz AGG geltend machen.

        

Für die Erfüllung dieser Ansprüche haben wir uns den

        

30.01.2012

        

vorgemerkt. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist müssten wir unserem Mandanten anraten, den Arbeitsgerichtsweg zu beschreiten.

        

Mit freundlichen Grüßen …“

7

Zum Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers beschäftigte die Beklagte keinen „Senior-Consultant“. Sie besetzte die ausgeschriebene Stelle mit dem damals 28 Jahre alten Mitbewerber W.

8

Mit seiner am 12. April 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 18. April 2012 zugestellten Klage hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des materiellen Schadens sowie auf Zahlung einer Entschädigung weiter verfolgt.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung seiner Bewerbung beruhe auf einer Benachteiligung wegen seines Alters. Mit der Stellenanzeige habe die Beklagte nach einem „Junior-Consultant“ gesucht und die Tätigkeit in einem „jungen dynamischen Team“ angeboten. Dieser Umstand begründe mangels sachlicher Rechtfertigung die Vermutung, dass er wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Der Begriff „Junior“ könne nicht als neutrale Bezeichnung einer niedrigeren Hierarchieebene verstanden werden. Es komme hinzu, dass die Beklagte keinen „Senior-Consultant“ beschäftige. Mit dem Angebot einer Tätigkeit in einem „jungen dynamischen“ Team habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auch die künftige Zusammensetzung des Teams so vorstelle. Dass er wegen seines Alters abgelehnt worden sei, zeige sich auch daran, dass der eingestellte 28-jährige Mitbewerber jünger sei als er.

10

Da er als diplomierter Betriebswirt mit dem Studienschwerpunkt „Personalmanagement“ die Idealbesetzung für die ausgeschriebene Stelle sei, hätte er diese bei benachteiligungsfreier Auswahl erhalten müssen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der eingestellte Mitbewerber sei wegen seiner Kenntnisse in der Branche der Personalberatung und des Headhunting sowie wegen seiner Erfahrungen im Vertrieb besser geeignet als er, da diese Anforderungen in der Stellenausschreibung nicht genannt seien. Zudem seien einige der von der Beklagten in der Stellenausschreibung aufgeführten Anforderungen als sogenannte „soft skills“ anzusehen, deren Erfüllung allenfalls im Rahmen eines Vorstellungstermins hätte überprüft werden können. Dies gelte insbesondere für die Team- und Kommunikationsfähigkeit. Jedenfalls sei er als erfahrene Lehrkraft sowohl team- als auch kommunikationsfähig.

11

Der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Nachdem er Ende August 2011 seinen vorherigen Arbeitsplatz verloren habe, sei er auf der Suche nach einem neuen Arbeitsverhältnis gewesen. Ein solches habe er erst zum 10. September 2012 mit einer monatlichen Arbeitsvergütung iHv. 2.200,00 Euro brutto begründen können. Damit werde sein Arbeitsentgelt vermutlich bis zum Eintritt in den Ruhestand unterhalb des ihm der Höhe nach nicht bekannten, aber auf durchschnittlich 4.000,00 Euro geschätzten Entgelts liegen, welches er bei der Beklagten hätte erzielen können. Die von ihm beanspruchte Entschädigung solle vier Bruttomonatsgehälter nicht unterschreiten.

12

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt:

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden, die ihm aufgrund der unterlassenen Einstellung der Beklagten vom 17. November 2011 entstanden sind und künftig entstehen werden, zu ersetzen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von 16.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31. Januar 2012 nicht unterschreiten sollte.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Verlangen des Klägers nach Entschädigung und Schadensersatz sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Der Kläger habe sich nicht subjektiv ernsthaft, sondern nur beworben, um eine Ablehnung zu provozieren und Ansprüche nach dem AGG geltend zu machen. Dies ergebe die Gesamtschau verschiedener Indizien. Der Kläger lasse sich durch einen - offenbar mit ihm verwandten - Prozessbevollmächtigten vertreten, der sich im Bereich des AGG spezialisiert habe und dafür bekannt sei, dass er entschieden für die Rechte aus dem AGG eintrete. Bereits dieser Umstand verdeutliche, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung nur darum gegangen sei, Ansprüche nach dem AGG einzuklagen. Zudem habe der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben an prominenter Stelle auf sein Alter und zudem insgesamt viermal auf seinen Wohnort in R und damit sehr deutlich auf die Entfernung zwischen seinem Wohnort und der angebotenen Arbeitsstelle hingewiesen. Dies lasse nur den Schluss zu, dass der Kläger sich mit dem Ziel beworben habe, möglichst abgelehnt und schon gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Zudem ergebe sich ua. aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M, dass der Kläger auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG verfolge und dabei systematisch vorgehe.

14

Soweit mit der Stellenanzeige ein „Junior-Consultant“ gesucht werde, liege darin kein Indiz für eine Benachteiligung des Klägers wegen des Alters. Der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich lediglich auf die Stellung in der betrieblichen Hierarchie; gemeint sei die Unterstellung unter höherrangige Mitarbeiter im Team und damit verbunden ein geringerer Verantwortungsbereich sowie eine geringere Entscheidungskompetenz. Auch wenn es bei ihr nicht ausdrücklich die Position eines „Senior-Consultant“ gebe, so sei ihr Geschäftsbereichsleiter dennoch als solcher anzusehen. Auch in der lediglich unter der Rubrik „Das erwartet Sie“ verwendeten Formulierung „mit einem jungen dynamischen Team“ liege kein Indiz, das eine Benachteiligung des Klägers wegen des Alters vermuten lasse. Ein junges Team könne „jung geblieben“ oder auch ein Team sein, das noch nicht lange Zeit bestehe. Letzteres treffe hier zu, da das Team in seiner konkreten Zusammensetzung zum Zeitpunkt der Stellenanzeige erst gut ein Jahr bestanden habe.

15

Der Kläger könne bei der Auswahlentscheidung im Übrigen nicht wegen seines Alters benachteiligt worden sein. Zum einen sei er damals mit 42 Jahren noch selbst „jung“ gewesen, zum anderen seien zum Zeitpunkt seiner Bewerbung in der betroffenen Abteilung Direct Search sechs Personen im Alter von 26, 28, 28, 35, 51 und 56 Jahren beschäftigt gewesen. Damit sei jeder dritte Mitarbeiter deutlich älter gewesen als der Kläger. Zudem habe sie zum 1. Juni 2012 einen weiteren Berater eingestellt, der zu diesem Zeitpunkt 49 Jahre alt gewesen sei; dieser habe im Übrigen die gleichen Tätigkeiten zu verrichten wie der Inhaber der Stelle, auf die sich der Kläger beworben habe. Eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters folge auch nicht daraus, dass der letztlich eingestellte Bewerber zufällig jünger als der Kläger sei.

16

Der Kläger sei bei der Bewerberauswahl auf die ausgeschriebene Stelle, für die insgesamt 46 Bewerbungen eingegangen seien, aus inhaltlichen Gründen nicht berücksichtigt worden. Sie habe sehr gute Englischkenntnisse, Teamorientierung und Kommunikationsfähigkeit erwartet. Aus den bisherigen Tätigkeiten des Klägers (zuletzt als Lehrkraft an einer privaten Fachoberschule, zuvor als Berater für Existenzgründer, Integrationscoach, Ausbilder für kaufmännische Berufe sowie als Dozent) sei jedoch zu ersehen, dass der Kläger durchgängig weniger im Team als eher auf sich gestellt tätig gewesen sei. Zudem habe sie einschlägige Kenntnisse in der Branche der Personalberatung und des Headhunting sowie Vertriebserfahrung positiv bewertet. Allein schon aufgrund ihrer Branchen- und Vertriebserfahrung seien von den anderen 45 Bewerbern/innen insgesamt 19 für die ausgeschriebene Stelle besser geeignet gewesen als der Kläger, dem diese Kenntnisse und Erfahrungen fehlten. Der letztlich eingestellte W verfüge über ein abgeschlossenes kaufmännisches Studium, sehr gute Englischkenntnisse, Teamorientierung, Kommunikationsfähigkeit, einschlägige Kenntnisse der Branche sowie über Vertriebserfahrung. Er sei zuvor bei der p AG und davor bei der M GmbH beschäftigt gewesen, einem Unternehmen, das eine der größten Online-Stellenbörsen unterhalte. Im Rahmen weiterer Anstellungsverhältnisse sei Herr W zudem in der Neukundenakquise tätig gewesen, sodass er auch über die notwendige Vertriebserfahrung verfüge.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage - unter Klageabweisung im Übrigen - teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung an den Kläger iHv. 6.000,00 Euro nebst Zinsen seit dem 31. Januar 2012 verurteilt. Hiergegen haben die Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten - unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden; den Parteien ist zudem Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

19

A. Die Revision ist zulässig, insbesondere wurde sie entgegen der Auffassung der Beklagten ordnungsgemäß begründet.

20

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung und die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. ua. BAG 17. Februar 2016 - 10 AZR 600/14 - Rn. 11; 22. Oktober 2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 15 mwN, BAGE 153, 111; 24. September 2014 - 4 AZR 559/12 - Rn. 11).

21

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Der Kläger wendet sich damit gegen die Auslegung der in der Stellenanzeige enthaltenen Begriffe bzw. Formulierungen „Junior-Consultant“ sowie „junges dynamisches Team“ durch das Landesarbeitsgericht, die mit § 22 AGG und dem zugrundeliegenden Unionsrecht nicht zu vereinbaren seien. Er legt dar, welche Gesichtspunkte das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen habe und weshalb daraus ein anderes Ergebnis folge. Im Fall ihrer Begründetheit wäre diese Sachrüge geeignet, das Berufungsurteil erfolgreich anzugreifen. Das reicht als Revisionsangriff aus.

22

B. Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

23

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe bereits dem Grunde nach gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG noch auf Ersatz eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG. Die Beklagte habe den Kläger bei der Stellenbesetzung nicht wegen seines Alters benachteiligt. Es lägen schon keine Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters vermuten ließen. Als Anknüpfungspunkte für die Vermutung einer Benachteiligung des Klägers wegen des Alters kämen lediglich die Formulierungen in der Stellenausschreibung in Betracht, mit denen die Beklagte einen „Junior-Consultant“ gesucht habe sowie unter „Das erwartet Sie“ ausgeführt habe, „…in einem professionellen Umfeld mit einem jungen dynamischen Team“. Damit habe die Beklagte aber weder direkt noch indirekt auf das Alter des Bewerbers abgestellt. Der Begriff „Junior“ beziehe sich im Zusammenhang mit „Consultant“ auf fehlende bzw. geringe spezifische Berufserfahrung und eine damit verbundene niedrigere Stellung in der betrieblichen Hierarchie; dass es bei der Beklagten keinen „Senior-Consultant“ gebe, ändere daran nichts. Fehlende einschlägige Berufserfahrung sei indes nicht mit einem bestimmten Alter verbunden; auch Quereinsteiger in vorgerücktem Alter könnten dieses Kriterium erfüllen. Mit der Formulierung „mit einem jungen dynamischen Team“ sei keine Angabe zum gewünschten Alter der Stellenbewerber/innen verbunden gewesen. Das Adjektiv „jung“ beziehe sich auf das Team als solches, nicht auf seine Mitglieder. Falls dennoch die Teammitglieder gemeint sein sollten, liege darin lediglich eine Beschreibung des „Ist-Zustands“, keine Erwartung an eine zukünftige Zusammensetzung des Teams mit jungen Menschen.

24

II. Mit dieser Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die Formulierung in der Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde.

25

1. Sowohl der Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG als auch der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzen einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters.

26

a) Dabei verbietet § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

27

b) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN).

28

c) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).

29

d) Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden.

30

aa) Das AGG knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung oder Schadensersatz auch nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben.

31

bb) Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG aus, so kann dies allerdings die Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes iSv. § 1 AGG benachteiligt wurde. Zwar verweist § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG; dennoch muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder die unmittelbare Benachteiligung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen iSd. AGG der Fall ist. Dies hat zur Folge, dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken, ein Verstoß gegen § 11 AGG nicht vorliegt, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist und dass bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann ausscheidet, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Enthält eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, kann dies nach alledem die Vermutung nach § 22 AGG begründen, der/die erfolglose Bewerber/in sei im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden.

32

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe dem Grunde nach gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG noch auf Ersatz eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG, weil schon keine Indizien vorlägen, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters vermuten ließen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb geeignet, die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde. Soweit das Landesarbeitsgericht die Stellenausschreibung dahin ausgelegt hat, der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich auf fehlende bzw. geringe Berufserfahrung, hat es im Übrigen zu Unrecht eine mittelbare Verknüpfung iSv. § 3 Abs. 2 AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verneint.

33

a) Die Auslegung des Textes veröffentlichter Stellenanzeigen durch das Landesarbeitsgericht unterliegt - wie die Auslegung typischer Willenserklärungen bzw. Allgemeiner Geschäftsbedingungen - der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. Unter einer Ausschreibung iSv. § 11 AGG ist die an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Aufforderung eines Arbeitgebers zu verstehen, sich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben(vgl. Suckow in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 11 Rn. 13; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 11 Rn. 10). Danach ist die Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen potentiellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (vgl. etwa BAG 16. Dezember 2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 12).

34

b) Die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, bewirkt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

35

Mit dem Begriff „jung“ wird unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt wird diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „dynamisch“, der eine Eigenschaft beschreibt, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben wird. Wird in einer Stellenausschreibung - wie hier - darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, enthält dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber/innen, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch sind. Eine solche Angabe in einer Stellenanzeige kann aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, dass damit nicht nur - wie das Landesarbeitsgericht meint - ein „Istzustand“ beschrieben werden soll, sondern dass der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, dass er einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Andernfalls wäre die so formulierte Passage der Stellenausschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig.

36

c) Es kann vorliegend zwar dahinstehen, ob die in der Stellenausschreibung enthaltene Passage, mit der ein „Junior-Consultant“ gesucht wird, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen kann iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Soweit das Landesarbeitsgericht die Stellenausschreibung allerdings dahin ausgelegt hat, der Begriff „Junior-Consultant“ beziehe sich auf fehlende bzw. geringe Berufserfahrung, hat es zu Unrecht eine mittelbare Verknüpfung iSv. § 3 Abs. 2 AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verneint. Bei der Berufserfahrung handelt es sich um ein Kriterium, das dem Anschein nach neutral ist iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Unmittelbar wird damit nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen. Jedoch ist das Kriterium der Berufserfahrung mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfängern/innen und gegenüber Bewerbern/innen mit erster oder kurzer Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Daran ändert es nichts, dass es gelegentlich - und eben nicht typischerweise - Quereinsteiger gibt.

37

C. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die zulässige Klage sei unbegründet, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

38

I. Die Klage ist zulässig.

39

1. Für den auf § 15 Abs. 1 AGG gestützten, auf Feststellung gerichteten Klageantrag zu 1. ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Dies gilt sowohl, soweit der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftiger als auch bereits entstandener Schäden begehrt.

40

Wird Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden erhoben, liegt ein Feststellungsinteresse vor, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 20; 12. April 2011 - 9 AZR 229/10 - Rn. 36; 19. August 2010 - 8 AZR 315/09 - Rn. 29; offenlassend, ob „die bloße Möglichkeit“ genügt: BGH 2. April 2014 - VIII ZR 19/13 - Rn. 18). Dies ist vorliegend der Fall.

41

Soweit der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz bereits entstandener Schäden begehrt, steht der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit des Feststellungsantrags auch dann nicht entgegen, wenn der Kläger die Klage wegen eines Teils des sich entwickelnden Schadens schon bei Klageerhebung hätte beziffern können. Eine Partei ist nicht gehalten, ihre Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn ein Teil des Schadens schon entstanden ist und - wie hier - mit der Entstehung eines weiteren Schadens nach ihrem Vortrag noch zu rechnen ist (BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 20; vgl. auch BGH 6. März 2012 - VI ZR 167/11 - Rn. 3; 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02 - zu II 1 der Gründe).

42

2. Der auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete Klageantrag zu 2. ist ebenfalls zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger durfte die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Der Kläger hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung, die er mit nicht unter 16.000,00 Euro bestimmt hat, angegeben (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags: vgl. etwa BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 16; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16).

43

II. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG.

44

Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG einen formalen Bewerberbegriff. Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Senats zusätzlich die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ gefordert wurde (ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 28; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 50, BAGE 131, 232; vgl. jedoch offenlassend oder entgegengesetzt ua.: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 51 bis 56; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32), hält der Senat hieran nicht fest. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 25; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).

45

III. Der Kläger wurde dadurch, dass er von der Beklagten nicht eingestellt wurde, auch unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren, als der letztlich von der Beklagten eingestellte Bewerber.

46

IV. Der Kläger hat den Schadensersatz- und Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht (§ 15 Abs. 4 AGG) sowie den Entschädigungsanspruch fristgerecht eingeklagt (§ 61b Abs. 1 ArbGG).

47

V. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist nicht dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt. Die von der Beklagten insoweit vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in einer Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

48

1. Sowohl ein Entschädigungsverlangen eines/einer erfolglosen Bewerbers/Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG als auch sein/ihr Verlangen nach Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG können dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch wäre anzunehmen, sofern ein/e Kläger/in sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm/ihr darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

49

a) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor(etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

50

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).

51

b) Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen(vgl. etwa BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 53 mwN; vgl. auch BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 33, BVerwGE 139, 135).

52

Nach § 1 AGG ist es das Ziel des AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, sondern auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG.

53

Bereits mit diesen Bestimmungen hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das AGG vermittelten Schutz berufen kann; sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber(vgl. etwa EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.

54

c) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

55

aa) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 37; 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).

56

bb) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.

57

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. iÜ etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 - [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52 und 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75, aaO). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).

58

cc) Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird(ua. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).

59

Damit handelt eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

60

2. Die von der Beklagten bislang vorgetragenen Umstände lassen weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

61

a) Die Beklagte kann den Rechtsmissbrauchseinwand nicht mit Erfolg darauf stützen, der Kläger lasse sich durch einen - offenbar mit ihm verwandten - Prozessbevollmächtigten vertreten, der sich im Bereich des AGG spezialisiert habe und dafür bekannt sei, dass er entschieden für die Rechte aus dem AGG eintrete und dass bereits dieser Umstand verdeutliche, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung nur darum gegangen sei, Ansprüche nach dem AGG einzuklagen. Es ist abwegig, Umstände, wie ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen einem Prozessbevollmächtigten und seinem Mandanten, eine Spezialisierung des Prozessbevollmächtigten in einem bestimmten rechtlichen Bereich oder einen entschiedenen Einsatz des Prozessbevollmächtigten für die Rechte seiner Mandanten mit dem Rechtsmissbrauchseinwand zu verknüpfen.

62

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen die Angaben des Klägers in seinem Bewerbungsschreiben zu seinem Alter und zu seinem derzeitigen Wohnort ebenfalls keinen Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu, zumal der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben ausdrücklich ausgeführt hat, ortsungebunden zu sein.

63

c) Die Beklagte kann sich letztlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch sei auch deshalb dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt, weil der Kläger - wie sich aus einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M ergebe - auch in anderen Fällen Entschädigungsansprüche nach dem AGG verfolge und dabei systematisch vorgehe. Insoweit hat sie schon keine konkreten objektiven Umstände dargetan, die im Streitfall den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zulassen könnten.

64

Zum einen kann auf Rechtsmissbrauch nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt. Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger gehe hierbei „systematisch“ vor, bleibt völlig offen, was sie hierunter verstehen möchte. Die Beklagte hat insoweit ihre Bewertung des Vorgehens des Klägers nicht im Ansatz durch substantiierten Tatsachenvortrag unterlegt.

65

D. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG sowie ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht und in welcher Höhe ggf. der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag zu 2. begründet ist. Zudem ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

66

I. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht weitergehend geprüft, ob der Kläger entgegen den Bestimmungen des AGG im Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

67

1. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit zunächst zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, dann bestünde, wenn die Beklagte die Stelle, auf die sich der Kläger bei dieser beworben hat, entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters(§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG) ausgeschrieben hat.

68

a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass - wie unter Rn. 34 f. ausgeführt - die Passage in der Stellenausschreibung, in der dem/der Bewerber/in ein Tätigwerden in einem professionellen Umfeld mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG bewirkt, sodass es im Hinblick auf die Frage, ob die Stelle entgegen den Anforderungen des § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, nur noch darauf ankommt, ob die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Sollte dies der Fall sein, wäre auch eine etwaige mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt, da die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 62, 65, 66, Slg. 2009, I-1569; BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35 mwN, BAGE 131, 298). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob mit dem Begriff „Junior-Consultant“ in der Stellenausschreibung eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG verbunden ist.

69

b) Das Landesarbeitsgericht wird ferner - auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das von dieser im Bestreitensfall zu beweisen wäre - zu prüfen haben, ob die mit der Formulierung in der Stellenausschreibung, mit der dem/der Bewerber/in ein Tätigwerden in einem professionellen Umfeld mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten wird, bewirkte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG nach § 8 AGG oder nach § 10 AGG zulässig ist.

70

aa) Sowohl § 8 AGG als auch § 10 AGG stellen sich als für den Arbeitgeber günstige Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Alters, dar(vgl. hierzu etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 72 und 81, Slg. 2011, I-8003; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569), weshalb den Arbeitgeber - hier die Beklagte - bereits nach den allgemeinen Regeln des nationalen Rechts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in den Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen trifft (zur Darlegungs- und Beweislast nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vgl. etwa EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 83, Slg. 2011, I-6919).

71

bb) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

72

§ 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur gerechtfertigt, wenn sämtliche in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Stellt ein Merkmal, das insbesondere mit dem Alter zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, kann eine unterschiedliche Behandlung zudem nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 71, Slg. 2011, I-8003).

73

Das Landesarbeitsgericht wird bei der Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG zudem zu beachten haben, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann und dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(vgl. etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 35, Slg. 2010, I-1; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34, BAGE 148, 158).

74

cc) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 40 , BAGE 129, 181 ).

75

Bei der Anwendung von § 10 AGG wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

76

(1) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht(dazu auch BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279), wobei die Richtlinie ihrerseits das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 2 BvR 1989/12 - Rn. 63, BVerfGE 139, 19) sowie das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 38, Slg. 2011, I-8003; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - aaO). § 10 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen(dazu auch BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, BAGE 149, 315; 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 32; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 40).

77

(2) § 10 Satz 1 AGG definiert nicht, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Für die Konkretisierung des Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dh. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind - obgleich die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003) - wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich „Sozialpolitik“ (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 81, aaO; dazu auch BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als legitim iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - aaO).

78

(3) Nach § 10 Satz 1 AGG reicht es - ebenso wie nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG - für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nicht aus, dass der Arbeitgeber mit der unterschiedlichen Behandlung ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG verfolgt; hinzukommen muss nach § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen (vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 43; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 55 f.). Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden(vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 56) und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 59; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65 mwN, Slg. 2005, I-9981).

79

(4) Um darzutun, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber allgemein behauptet, dass die die unterschiedliche Behandlung bewirkende Maßnahme oder Regelung geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen. Derartige allgemeine Behauptungen lassen nämlich nicht den Schluss zu, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 77, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 35, BAGE 131, 61). Der Arbeitgeber hat hierzu vielmehr substantiierten Sachvortrag zu leisten (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 82, aaO).

80

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Stelle, auf die der Kläger sich beworben hat, von der Beklagten unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagte Tatsachen vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen hat, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

81

a) Solche Gründe können zwar in der Regel nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt (vgl. im Einzelnen BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN). Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 13 mwN, BVerfGK 9, 218). Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zB weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, in dessen Verlauf die klagende Partei hätte diskriminiert werden können.

82

b) Entsprechendes kann gelten, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 42). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

83

c) Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, aber auch dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies kann zum Beispiel anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

84

Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Wird beispielsweise mit einer Stellenausschreibung eine Person gesucht, die über eine „herausragende“, „hervorragende“ oder „erstklassige“ Qualifikation verfügt, ist es jedenfalls dem privaten Arbeitgeber unbenommen, all die Bewerber/innen, die eine bestimmte Studien-/Ausbildungsabschlussnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Auswahlverfahren auszunehmen. Jede/r Bewerber/in muss in einem solchen Fall bereits aufgrund der Stellenausschreibung damit rechnen, dass in einem Stellenbesetzungsverfahren, insbesondere wenn viele Bewerbungen eingehen, womöglich nur die Bewerbungen mit bestimmten Abschlussnoten eine Vorsichtung erfolgreich durchlaufen. Gleiches würde gelten, wenn für eine Tätigkeit in der Personalberatung in einer ersten Sichtung ausnahmslos Bewerber/innen mit Vorkenntnissen in den Bereichen Personalberatung und Headhunting vorausgesucht und all die Bewerber/innen ohne solche Vorkenntnisse von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausgenommen wurden, da sich insofern der erforderliche „Anklang“ ohne Weiteres aus der angebotenen auszuübenden Tätigkeit ergibt. Allerdings ist zu beachten, dass Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, vom Arbeitgeber - soweit es um die Widerlegung der Vermutung geht - seiner Vorauswahl nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 43 mwN, BAGE 131, 86).

85

d) Soweit der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit/des Berufs an sich ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb; in einem solchen Fall besteht demzufolge in der Regel kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund.

86

e) Beruft sich der Arbeitgeber - wie hier die Beklagte - darauf, er habe bei einer weiteren, späteren Einstellung einen älteren Bewerber berücksichtigt, im Übrigen seien in dem fraglichen Tätigkeitsbereich (auch) ältere Personen tätig, so ist dieses Vorbringen allerdings von vornherein nicht geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters iSv. § 22 AGG zu widerlegen. Beide Umstände sagen nichts über das den konkreten Rechtsstreit betreffende Auswahlverfahren aus. Andererseits sagt - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - auch allein der Umstand, dass die letztlich eingestellte Person jünger als der Kläger ist, für sich betrachtet nichts darüber aus, ob der Kläger wegen seines Alters benachteiligt worden ist.

87

3. Sollte sich ergeben, dass nicht ausschließlich andere Gründe als das Alter zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben, wird das Landesarbeitsgericht auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das im Bestreitensfall zu beweisen wäre, auch der Frage nachzugehen haben, ob die unmittelbare Benachteiligung, die der Kläger durch seine Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren wegen seines Alters erfahren hat, ausnahmsweise nach § 8 Abs. 1 oder § 10 AGG zulässig ist. Wegen der insoweit maßgebenden Vorgaben von § 8 Abs. 1 und § 10 AGG wird auf die Ausführungen unter Rn. 69 ff. Bezug genommen.

88

4. Im Übrigen hält der Senat den Hinweis für geboten, dass sich die Beklagte gegenüber den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG nicht mit Erfolg darauf berufen könnte, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht geeignet.

89

a) Zwar befindet sich eine Person nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur dann in einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle „objektiv geeignet“ ist(vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offengelassen neuerdings von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 21; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

90

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat allerdings nicht fest.

91

aa) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ausgeführt hat, spricht gegen das Erfordernis der „objektiven Eignung“ bereits der Umstand, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Denn auch bei „benachteiligungsfreier Auswahl“ würden die Bewerber nicht eingestellt, denen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

92

bb) Könnte nur ein „objektiv geeigneter“ Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG oder materiellen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG beanspruchen, würde dies auch dazu führen, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: durch die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28) durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht, jedenfalls aber übermäßig erschwert würde.

93

(1) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde den Entschädigungs- und Schadensersatzprozess mit der schwierigen Abgrenzung der „objektiven Eignung“ von der „individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation“ belasten und dadurch die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren.

94

Insoweit hat der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgeführt, dass maßgeblich für die objektive Eignung nicht allein das formelle Anforderungsprofil sei, welches der Arbeitgeber erstellt habe, sondern dass es insoweit auf die Anforderungen ankomme, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber zulässigerweise stellen dürfe. Der Arbeitgeber dürfe an den/die Bewerber/in keine Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt seien (vgl. etwa BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 21 mwN; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08  - Rn. 55). Die objektive Eignung sei allerdings zu unterscheiden von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund iSv. § 1 AGG eine Rolle spiele. Damit werde gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei entscheiden könne, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebiete, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber/innen die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen könne. Denn auch Bewerber/innen, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien (vgl. etwa BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55).

95

(2) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde aber auch aus einem anderen Grund sowohl die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG sowie die eines Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG übermäßig erschweren.

96

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ebenfalls ausgeführt hat, kann die Frage, ob eine vergleichbare Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG vorliegt, nicht ohne Vergleichsbetrachtung beantwortet werden. Denn an einer vergleichbaren Situation oder vergleichbaren Lage würde es - soweit es um die „objektive Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers geht - nur dann fehlen, wenn diese/r die geforderte „objektive Eignung“ nicht aufweist, während andere Bewerber/innen, jedenfalls aber der/die ausgewählte Bewerber/in objektiv geeignet sind. Das aus dem Merkmal der vergleichbaren Situation abgeleitete Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Bewerbers würde mithin zu einer Verengung des Vergleichsmaßstabs führen. Hierdurch würde die Geltendmachung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 2 und Abs. 1 AGG übermäßig erschwert. Dies gilt zunächst, soweit den/die Bewerber/in für das Vorliegen einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG die volle Darlegungs- und Beweislast treffen sollte. Dies gilt aber auch dann, wenn vor dem Hintergrund, dass dem/der Bewerber/in in der Regel nicht bekannt ist, wer sich außer ihm/ihr mit welcher Qualifikation/Eignung auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat und für welchen Bewerber/welche Bewerberin der potentielle Arbeitgeber sich entschieden hat und er/sie gegen diesen auch keinen dahingehenden Auskunftsanspruch hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH 19. April 2012 C-415/10  - [Meister] Rn. 46 f.), von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen wäre, wonach es ausreichen würde, wenn der/die Bewerber/in die objektive Eignung anderer Bewerber/innen oder des/der letztlich eingestellten Bewerbers/Bewerberin bestreitet mit der Folge, dass der Arbeitgeber dann jedenfalls zur objektiven Eignung dieser Personen substantiiert vorzutragen hätte. In diesem Fall würde der Prozess bereits im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Situation in der Regel mit einer aufwändigen Tatsachenfeststellung und Klärung der Eignung oder Nichteignung der anderen Bewerber/innen, jedenfalls aber des/der ausgewählten Bewerbers/Bewerberin belastet, ohne dass sich in den Bestimmungen des AGG und den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in denen der Richtlinie 2000/78/EG für die Zulässigkeit einer solchen Verengung des Vergleichsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte finden (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 21; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 23).

97

(3) Es kommt hinzu, dass das Erfordernis der „objektiven Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 Abs. 2 und Abs. 1 AGG dann nahezu praktisch unmöglich machen würde, wenn diese/r die/der einzige Bewerber/in um die Stelle war. In diesem Fall existiert nämlich keine konkrete Vergleichsperson; vielmehr würde es nach § 3 Abs. 1 AGG auf eine hypothetische Vergleichsperson ankommen, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe.

98

II. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt, wird es Folgendes zu beachten haben:

99

1. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen, § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“ (hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen (BT-Drs. 16/1780 S. 38; vgl. auch BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 16; 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 26 mwN; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 33 mwN, BAGE 127, 367).

100

2. Im Hinblick auf den auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichteten Klageantrag zu 2. wird das Landesarbeitsgericht bei der Bestimmung der Höhe einer Entschädigung Folgendes zu beachten haben:

101

a) Auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen(vgl. ua. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63 mwN; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Dass nach dem AGG neben der Entschädigung für Nichtvermögensschäden (§ 15 Abs. 2 AGG) auch der Ersatz materieller Schäden (§ 15 Abs. 1 AGG) verlangt werden kann, führt nicht zu einer Kürzung der Entschädigung für den Nichtvermögensschaden (vgl. BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 73, BGHZ 193, 110).

102

b) Soweit der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG über die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG angegebene Höhe hinaus geltend macht - der Kläger fordert vorliegend eine Entschädigung iHv. vier Bruttomonatsgehältern à 4.000,00 Euro -, obliegt es der Beklagten, sofern sie sich auf die Höchstgrenze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG berufen möchte, im Einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der wegen eines Grundes nach § 1 AGG benachteiligte Kläger auch bei diskriminierungsfreier Auswahl die ausgeschriebene Stelle nicht erhalten hätte(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 78; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 62 mwN). Insoweit hätte die Beklagte, die über sämtliche eingereichten Bewerbungsunterlagen verfügt, zu beweisen, dass der Kläger die zu besetzende Position auch dann nicht erhalten hätte, wenn keine Diskriminierung stattgefunden hätte (EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 36, Slg. 1997, I-2195). Dabei kommt es, da die ausgeschriebene Stelle tatsächlich mit einem Mitbewerber besetzt wurde, im Hinblick auf die Frage der „Besteignung“ nicht allein auf eine Vergleichsbetrachtung mit den Anforderungen der Stellenausschreibung an, sondern insbesondere auf eine Vergleichsbetrachtung mit dem/der tatsächlich eingestellten Bewerber/in (ebenso im Ergebnis ErfK/Schlachter 16. Aufl. § 15 AGG Rn. 4 im Hinblick auf § 15 Abs. 1 AGG).

103

3. Im Hinblick auf den auf § 15 Abs. 1 AGG gestützten Klageantrag zu 1. (Feststellungsantrag) wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

104

a) Nach § 252 BGB gehört zu dem nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Vermögensschaden auch entgangenes Arbeitsentgelt(vgl. BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 25; 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 26; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 75; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110).

105

b) Streiten die Parteien - wie hier - darüber, ob der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 AGG zum Ersatz eines Vermögensschadens in Form entgangenen Arbeitsentgelts verpflichtet ist, hat der/die Anspruchsteller/in die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Er/Sie muss demnach darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Benachteiligung für die Ablehnung der entsprechenden Bewerbung ursächlich geworden ist, er/sie also die Stelle bei benachteiligungsfreier Auswahl erhalten hätte (ua. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 76; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110). Dabei können dem/der Anspruchsteller/in allerdings Beweiserleichterungen nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen und Vorschriften zugutekommen.

106

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers führt der Umstand, dass er als Anspruchsteller im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität hat, auch nicht zu einem Wertungswiderspruch innerhalb des Gesetzes im Hinblick auf die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zum Entschädigungsanspruch getroffene Bestimmung(vgl. hierzu Ausführungen unter Rn. 102). § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG macht nur für den Entschädigungsanspruch eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen hat, während der Anspruchsgegner die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale darlegen und ggf. beweisen muss. Diese Regelung kann nicht auf den Fall des Ersatzes von Vermögensschäden nach § 15 Abs. 1 AGG übertragen werden(vgl. etwa BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 77 ff.). Für eine derartige Übertragung ist weder im nationalen Recht eine Rechtsgrundlage noch im Unionsrecht eine entsprechende Verpflichtung enthalten (vgl. im Ergebnis auch BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 63, BGHZ 193, 110).

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Roloff    

        

        

        

    Wroblewski    

        

    Wein    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2010 - 17 Sa 1410/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den der Kläger geltend macht, weil er sich wegen seines Alters bei einer Bewerbung benachteiligt sieht.

2

Unter dem 22. Juni 2009 schrieb die Beklagte Stellen über ein Internetportal aus. In der Stellenanzeige heißt es ua. (wörtliche Wiedergabe):

        

„Die Firma M GmbH entwickelt seit 1995 kundenspezifische Datenbanklösungen basierend auf dem MS SQL Server (2000/2005) vorwiegend für industrielle Prozessanwendungen (z. B. Betriebsdatenerfassung, SAP, Leitsysteme etc.).

        

Unsere Kundenschaft gehört zu den im bundesweit und international agierenden Top500-Unternehmen.

        

Für unsere aktuelle Projekte suchen wir zur Unterstützung zwei freiberufliche Mitarbeiter (bei Eignung auch Festanstellung möglich) zwischen 25 und 35 Jahren

        

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.Net Entwickler (m/w)

        

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SQL Datenbankentwickler

        

Ihre Aufgaben:

        

Sie sind zuständig für die Entwicklung von Bedienoberflächenentwicklungen unter VB.Net sowie die Entwicklung von Datenbankmodellen unter dem MS SQL Server 2000/2005.

        

Wir erwarten von den Bewerbern einen kommunikativen, dynamischen Charakter sowie eine gute Teamfähigkeit.“

3

Der am 27. März 1956 geborene Kläger bewarb sich erfolglos auf eine der Stellen. Nachdem die Beklagte zumindest einen Bewerber aus Berlin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, sah sie letztlich von einer Einstellung von Mitarbeitern ab.

4

Mit der am 27. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 26.400,00 Euro in Anspruch genommen.

5

Er behauptet, die Beklagte habe ihn wegen seines Alters benachteiligt. Dafür spreche der Inhalt der Stellenausschreibung. Für die ausgeschriebenen Stellen sei er objektiv geeignet gewesen.

6

Der Kläger beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.400,00 Euro zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie bestreitet, den Kläger wegen dessen Alters benachteiligt zu haben. Dieser habe in der ihr vorgelegten Projekthistorie lediglich sieben Monate Projekterfahrung mit der erforderlichen Software VB.Net und der Datenbank MS SQL Server 2005 vorweisen können. Andere Bewerber hätten mehr Erfahrung als der Kläger gehabt. Die weiteren vom Kläger nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten seien weder notwendig noch durch die Ausschreibung gefordert gewesen. Dem Kläger fehle daher die objektive Eignung für die ausgeschriebenen Stellen. Auch habe sich der Kläger nicht subjektiv ernsthaft beworben, was sich daraus ergebe, dass bei einer ernsthaften Bewerbung die Bewerbungsunterlagen ausführlicher gewesen und stärker die Vorzüge des Klägers dargelegt worden wären. Auch sei deshalb von einem „AGG-Hopping“ auszugehen, weil der Kläger überzogene Vergütungsvorstellungen habe, wie sich aus der Klageforderung mit einem vermeintlich entgangenen Gehalt von 8.800,00 Euro brutto monatlich ergebe. Letztlich sei der Kläger auch aufgrund seines Wohnsitzes für die ausgeschriebene „Stelle“ nicht infrage gekommen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Entschädigungsklage mit einer nicht tragfähigen Begründung abgewiesen.

10

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Dem Kläger stehe ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG nicht zu. Eine unmittelbare Benachteiligung eines nicht zum Zuge gekommenen Stellenbewerbers iSd. § 3 Abs. 1 AGG setze ua. voraus, dass die ausgeschriebene Stelle tatsächlich besetzt wurde. Eine gegen § 1 AGG verstoßende Stellenausschreibung bedeute für sich genommen noch keine Benachteiligung. Deshalb könne dahinstehen, ob der Kläger für die Stelle objektiv geeignet gewesen wäre, da er keine schlechtere Behandlung als die übrigen Bewerber erfahren habe, die ebenfalls nicht eingestellt worden seien.

11

B. Die Revision des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist sie ausreichend iSd. § 551 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG begründet.

12

Die Revisionsbegründung enthält zwar keine Auseinandersetzung mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts. Der Kläger durfte allerdings auf die Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde Bezug nehmen (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

13

Soll eine solche Bezugnahme zur Zulässigkeit der Revision führen, muss zum einen die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung entsprechen, zum anderen muss diese Bezugnahme innerhalb der Zweimonatsfrist des § 72a Abs. 6 Satz 3 iVm. § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bei Gericht eingehen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 875/08 - AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 54).

14

Die Revisionsbegründung, welche die Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält, ist innerhalb der Zweimonatsfrist nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses des Senats an den Kläger eingegangen. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde führt der Kläger unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Senats aus, dass eine ungünstigere Behandlung bereits in der Versagung einer Chance liegen könne, sodass es auf die anschließende Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers nicht mehr ankomme. Dies stellt eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts dar.

15

C. Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen werden.

16

I. Zunächst ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruch um einen solchen nach § 15 Abs. 2 AGG handelt. Ob ein solcher jedoch besteht, konnte der Senat aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

17

1. Als Bewerber ist der Kläger nach § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AGG „Beschäftigter“ und fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Unerheblich ist, dass sich die Ausschreibung vorrangig auf eine „freiberufliche Mitarbeit“ bezog und ein Arbeitsverhältnis nur für den Fall der Eignung in Aussicht gestellt wurde (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - AP AGG § 7 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 6). § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AGG bezieht in die durch das AGG geschützten Beschäftigungsverhältnisse nämlich auch arbeitnehmerähnliche Personen ein. Außerdem erstreckt § 6 Abs. 3 AGG die Anwendbarkeit der §§ 7 bis 18 AGG auch auf Selbständige, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft.

18

Für den persönlichen Anwendungsbereich nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG ist es unerheblich, ob der Bewerber für die in Aussicht genommene Stelle objektiv geeignet ist(vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - EzA AGG § 15 Nr. 16; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12). Für den Bewerberstatus ist zudem die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung keine Voraussetzung. Vielmehr kann die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit allenfalls den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB begründen(vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - aaO).

19

2. Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passivlegitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist also derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11).

20

3. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. Für die Voraussetzungen des Anspruchs ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen(vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21). Entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts scheitert eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers nicht allein daran, dass die Beklagte auf die ausgeschriebenen Stellen letztlich niemanden eingestellt hat.

21

a) Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine weniger günstige Behandlung erfordert das Zufügen eines Nachteils. Eine bloße Ungleichbehandlung genügt hierfür nicht (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - BAGE 133, 265 = AP AGG § 3 Nr. 3 = EzA AGG § 10 Nr. 3). Ob die Zufügung eines Nachteils vorliegt, bestimmt sich objektiv aus der Sicht eines verständigen Dritten (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - EzA AGG § 3 Nr. 7) und in Relation zur Vergleichsperson.

22

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, bereits dann vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - mwN, NZA 2012, 667). Wie sich aus § 15 Abs. 2 AGG ergibt, ist auch dann, wenn der Bewerber selbst bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, ein Entschädigungsanspruch nicht ausgeschlossen, sondern nur der Höhe nach begrenzt. Selbst eine später vorgenommene Einstellung oder tatsächliche Beschäftigung eines zuvor benachteiligten Bewerbers beseitigt dessen ungünstigere Behandlung nicht (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).

23

Da die ungünstigere Behandlung bereits in der Versagung einer Chance liegt, ist es irrelevant, ob es im Zuge des Auswahlverfahrens später tatsächlich zu einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers kommt (vgl. MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 15 AGG Rn. 20; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 51; MünchKommBGB/Müller-Glöge 4. Aufl. 2005 § 611a BGB Rn. 64; aA LAG Rheinland-Pfalz 30. November 2006 - 4 Sa 727/06 -; LAG Düsseldorf 1. Februar 2002 - 9 Sa 1451/01 - NZA-RR 2002, 345). Die Auslegung der Norm darf nicht dazu führen, dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch geeignete Verfahrensgestaltung, etwa das vorläufige Absehen von einer Stellenbesetzung, die Chancen von Bewerbern wegen ihrer Merkmale nach § 1 AGG so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - BVerfGK 9, 218 = AP BGB § 611a Nr. 24 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 4 für geschlechtsbezogene Benachteiligungen). Der Bewerber hat Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren (vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15), der unabhängig von dessen Ausgang besteht (vgl. MüKoBGB/Thüsing aaO; MünchKommBGB/Müller-Glöge aaO).

24

b) Nach diesen Grundsätzen liegt eine ungünstigere Behandlung des Klägers vor. Diese besteht darin, dass der Kläger aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden und er anders als mindestens ein anderer Bewerber von der Beklagten nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Dem Kläger wurde damit bereits im Vorfeld der eigentlichen Besetzungsentscheidung die Chance auf Einstellung genommen. Dies stellt eine ungünstigere Behandlung dar, unabhängig davon, ob der Kläger bei „passendem“ Alter eingestellt worden wäre (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - mwN, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7). Unerheblich ist es deshalb, dass sich die Beklagte später entschlossen hat, keinen Bewerber einzustellen. Hierdurch wurde die bereits zuvor erfolgte Benachteiligung des Klägers nicht beseitigt.

25

II. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Frage der objektiven Eignung des Klägers für die ausgeschriebenen Stellen dahinstehen lassen und hierzu auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die fehlenden Feststellungen wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen und bei der Frage der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG ua. Folgendes zu beachten haben:

26

1. Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - EzA AGG § 15 Nr. 16). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12).

27

2. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber über den der Stelle zuzuordnenden Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stellenbewerbers frei entscheiden. Durch das Stellen von Anforderungen an Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf der Arbeitgeber aber die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2). Deshalb ist für die objektive Eignung nicht (allein) das Anforderungsprofil maßgeblich, welches der Arbeitgeber erstellt hat, sondern die Anforderungen, welche an die jeweilige Tätigkeit nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung gestellt werden (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Im Übrigen ist die objektive Eignung von der individuellen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers zu trennen, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - aaO). Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürfen des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung sind (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12). Ebenfalls keinen Einfluss auf die Beurteilung der Vergleichbarkeit der Situation kann aus gesetzessystematischen Erwägungen das Vorliegen des verbotenen Merkmals selbst haben (BAG 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2).

28

3. Unter Berücksichtigung der für den Nachweis der objektiven Eignung geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 49) wird das Landesarbeitsgericht unter Beachtung der genannten Maßstäbe zu prüfen haben, ob der Kläger für die ausgeschriebenen Stellen objektiv geeignet war.

29

4. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger für die ausgeschriebenen Stellen objektiv geeignet war und damit nach § 3 Abs. 1 AGG unmittelbar benachteiligt wurde, wird es weiter zu prüfen haben, ob dies - wie vom Kläger behauptet - wegen seines Alters, dh. wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist.

30

a) Eine weniger günstige Behandlung wegen des Alters ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch sie motiviert ist. Ausreichend ist, dass das Alter Bestandteil eines Motivbündels war, das die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10).

31

b) Das Landesarbeitsgericht wird zu beachten haben, dass hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen ist, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt.

32

aa) Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3).

33

bb) Die Verletzung der Verpflichtung, einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben(§ 11 AGG), kann die Vermutung begründen, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten Merkmals erfolgt (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10).

34

cc) Wenn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals iSd. § 1 AGG(hier: des Alters) vermuten lassen, trägt die Beklagte nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorgelegen hat. Sie muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung des Klägers nicht (auch) auf dessen Alter beruht hat. Damit muss sie Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung des Klägers geführt haben (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10) und in ihrem Motivbündel dessen Alter keine Rolle gespielt hat.

35

5. Das Landesarbeitsgericht wird ggf. weiter zu prüfen haben, ob der Kläger den von ihm geltend gemachten Entschädigungsanspruch rechtzeitig nach § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und seine Klage innerhalb der Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG erhoben hat.

36

6. Sollte das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch des Klägers dem Grunde nach bejahen, so wird es auch zu prüfen haben, ob der Entschädigungsanspruch des Klägers ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB)ausgeschlossen ist.

37

Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG können unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles dann wegen Verstoßes gegen das Verbot des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB ausgeschlossen sein, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgt ist, um Entschädigungsansprüche zu erlangen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Bewerber nicht ernsthaft beworben hat und der Anspruch nach § 15 AGG sonach ausnahmsweise ausgeschlossen ist, trägt der Arbeitgeber. Er muss dafür Indizien vortragen, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - EzA AGG § 15 Nr. 16).

38

7. Sollte sich danach ergeben, dass dem Kläger ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, wird das Berufungsgericht auch über die Höhe der Entschädigung zu befinden haben. Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist auch der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen wäre, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und dass sie in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - AP AGG § 7 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 6; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - mwN, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

39

8. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision mitzuentscheiden haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Der ehrenamtliche Richter Brückmann ist wegen Ende der Amtszeit an der Unterschriftsleistung verhindert.
Hauck    

        

    Bloesinger    

        

        

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2010 - 13 Sa 488/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2010 - 13 Sa 488/10 - klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Januar 2010 - 11 Ca 7932/09 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 2.700,00 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2010 - 13 Sa 488/10 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben Kläger und Beklagte je zur Hälfte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung bei einer Bewerbung.

2

Der Kläger war nach dem Abschluss der Berufsausbildung zum Elektroinstallateur ua. als Pförtner und Fahrer von Oktober 1987 bis Dezember 1990 tätig. In den Folgejahren arbeitete er ua. als Monteur, legte die Meisterprüfung als Elektroinstallateur ab und arbeitete als Haushandwerker und Fahrer von Juli 1999 bis Dezember 2006. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60.

3

Am 18. März 2004 hatte das Bundesministerium des Innern (BMI) mit der Hauptschwerbehindertenvertretung des BMI, der Hauptschwerbehindertenvertretung des Bundesgrenzschutzes (BGS), den jeweiligen Hauptpersonalräten, der Schwerbehindertenvertretung des BMI, dem Personalrat des BMI und der Gleichstellungsbeauftragten eine „Rahmenvereinbarung zur Integration schwerbehinderter und diesen gleichgestellten behinderten Menschen im Bundesministerium des Innern und den Behörden seines Geschäftsbereichs (einschließlich BGS) gemäß § 83 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX)“(im Folgenden: Rahmenintegrationsvereinbarung) geschlossen. In dieser Rahmenvereinbarung ist ua. das Folgende geregelt:

        

1. Präambel

        

(1) Schwerbehinderte Menschen im Bundesministerium des Innern und den Behörden seines Geschäftsbereichs (einschl. BGS)1 sind wie alle anderen Beschäftigten leistungsfähig und leistungsbereit. ...

        

(2) Mit dieser Rahmenintegrationsvereinbarung werden die Maßnahmen und Möglichkeiten aufgezeigt, die die beruflichen Chancen und die konkreten Arbeitsbedingungen dieser Kolleginnen und Kollegen in der Dienststelle weiter verbessern sollen. ...

        

(3) Alle beteiligten Stellen und Personen sind verpflichtet, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der vorhandenen Möglichkeiten den Anliegen der schwerbehinderten Menschen verständnisvoll, sach- und behindertengerecht zu begegnen. Soweit der Dienststelle vom Gesetzgeber ein Ermessensspielraum zugestanden wird, sollte dieser im Interesse der schwerbehinderten Beschäftigten möglichst großzügig gehandhabt werden.

                 
        

2. Ziele

        

(1) Nach Art. 3 Abs. 3 GG unterliegen behinderte Menschen dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Die Dienststelle wahrt die Rechte der schwerbehinderten Beschäftigten und berücksichtigt ihre Belange bei allen Maßnahmen, von denen sie berührt sind.

        

(2) Schwerbehinderte Beschäftigte dürften bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Dienst-, Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg oder bei einer Kündigung nicht wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt werden. ...

                 
        

4. Personalmanagement

        

…       

        

4.2.4 Einstellung

        

…       

        

(3) Hinsichtlich der sonstigen Eignung, insbesondere der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, gilt uneingeschränkt das Leistungsprinzip im Wettbewerb mit anderen nichtbehinderten Bewerbern.

        

…       

        

(5) Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber sind zu Auswahlverfahren zuzulassen, es sei denn, dass sie nach den vorgelegten Unterlagen für eine Verwendung auf Grund bestehender Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen offensichtlich nicht geeignet erscheinen. Von einer Einladung zum Auswahlverfahren ist abzusehen, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass die Bewerberin oder der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Der Personalrat ist vor dieser Entscheidung anzuhören.

        

…       

        

(7) Die Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wird durch andere gesetzliche Verpflichtungen zur bevorzugten Einstellung und Beschäftigung bestimmter Personengruppen nicht berührt (§ 122 SGB IX).

        

…       

        

12 Schlussbestimmungen und Inkrafttreten

        

...     

        

(2) Rechtsvorschriften und tarifliche Regelungen werden durch diese Vereinbarung nicht berührt.“

4

Die dem Bundesministerium des Innern unterstellte B schrieb am 13. März 2009 eine Stelle als Pförtner/in, Wächter/in aus. In der Ausschreibung heißt es:

        

„...   

        

Die B hat zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Dienstposten für Tarifbeschäftigte im Sachbereich 37 (Zentraler Dienst) für den Pförtner- und Wachdienst zu besetzen und sucht deshalb

        

eine Pförtnerin/Wächterin bzw. einen Pförtner/Wächter.

        

Die Tätigkeit ist mit der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) bewertet.

        

Das Aufgabengebiet beinhaltet:

        

•       

Kontrolle des ein- und ausgehenden Personenverkehrs sowie des ein- und ausfahrenden Kfz-Verkehrs einschließlich Kontrolle der entsprechenden Ausweise sowie der Berechtigung zum Aufenthalt in der Liegenschaft

        

•       

Empfang und Anmeldung von Besuchern, Erteilen von Auskünften

        

•       

Bestreifung des Geländes der Liegenschaft F

                 
        

Anforderungen:

        

•       

Bereitschaft zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung in Form eines Regeldienstes rund um die Uhr (Früh-, Spät- und Nachtdienst)

        

•       

gepflegtes Erscheinungsbild, überzeugendes und sicheres Auftreten sowie gute Umgangsformen

        

•       

körperliche Eignung

        

•       

gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift

        

•       

Erfahrungen oder Ausbildung im Bereich des Wach- und Sicherheitsdienstes vorteilhaft

        

•       

Bereitschaft zum Führen einer Schusswaffe

        

•       

Führungszeugnis ohne Eintrag (braucht in der Bewerbung noch nicht vorgelegt werden!)

                 
        

Eine Besetzung mit Teilzeitkräften ist grundsätzlich möglich. Bereitschaft zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung gemäß den dienstlichen Erfordernissen wird vorausgesetzt.

        

Die B ist bestrebt, den Frauenanteil zu erhöhen. Bewerbungen von Frauen sind besonders erwünscht. Bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung werden Frauen nach Maßgabe des Bundesgleichstellungsgesetzes bevorzugt berücksichtigt.

        

Im Rahmen der Stellenbesetzungen werden die Gleichstellungsbeauftragte und die Vertrauensperson der Schwerbehinderten beteiligt. Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt, es wird ein Mindestmaß an körperlicher Eignung verlangt.

        

...“   

5

Mit Schreiben vom 16. März 2009 bewarb sich der Kläger um die ausgeschriebene Stelle. Auszugsweise lautet die Bewerbung des Klägers wie folgt:

        

„Ich bin 43 Jahre alt und habe ausreichend Berufserfahrung im Fahr- und Pfortendienst inclusive Personen- und Zugangskontrolle. Durch diese Berufserfahrung und meine bisherigen Qualifikationen fühle ich mich bestens geeignet, die von Ihnen ausgeschriebene Stelle ideal zu besetzen.

        

Bereits bei meiner Tätigkeit als Fahrer/Pförtner beim S in Be, habe ich die Hauptaufgaben in diesem Arbeitsbereich frühzeitig kennen gelernt. Durch meine langjährige Berufserfahrung verfüge ich über umfangreiche Kenntnisse in der Personen- und Fahrzeugkontrolle sowie in der mündlichen bzw. telefonischen Auskunftserteilung und als Lotse bezüglich der Besuchereinweisung vor Ort innerhalb der Liegenschaften. Aufgaben, wie die Zustellung und Beförderung der Post, sowie der Personentransport im städtischen und ländlichen Bereich, gehörten auch zu meinen täglichen Schwerpunktaufgaben. Ich bin im Besitz aller Führerscheinklassen.

        

Wörter, wie Diskretion, Verlässlich- und Pünktlichkeit sind keinesfalls fremd für mich, genauso wie ein gepflegtes Äußeres und ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Loyalität. Meine vorhandene Schwerbehinderung mit einem GdB von 60 würde mich weder körperlich noch geistig für die geforderten Aufgaben in Ihrem Hause einschränken, so dass ich gerne meine Fähig- und Fertigkeiten bei Ihnen einbringen würde.

        

Der von Ihnen beschriebene Arbeitseinsatz im Schichtdienst kommt meiner derzeitigen Lebenssituation entgegen.“

6

Zu den dem Bewerbungsschreiben beigefügten Unterlagen gehörte ua. auch eine Kopie des Schwerbehindertenausweises des Klägers. Auf dem Ausweis ist maschinenschriftlich ein GdB von 50 befristet bis März 2007 und handschriftlich ein GdB von 60 seit dem 29. Juni 2004 mit einem eingestempelten Gültigkeitsdatum bis Januar 2022 vermerkt.

7

Im Rahmen des Auswahlverfahrens für die zu besetzende Stelle beteiligte das BMI seine Zentralabteilung, die Schwerbehindertenvertretung, die Gleichstellungsbeauftragte sowie den Personalrat. Zwischen diesen herrschte Einvernehmen darüber, dass der Kläger für die Stelle wegen offensichtlich fehlender Eignung nicht in Betracht komme. Von seiner Einladung zu einem Vorstellungsgespräch wurde deshalb abgesehen. Zu Vorstellungsgesprächen wurden neben fünf Männern auch fünf Frauen eingeladen. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zum Bewerbungsverfahren bewarben sich auf die ausgeschriebene Stelle neben dem Kläger auch weitere schwerbehinderte bzw. gleichgestellte Bewerber, die ebenfalls nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden.

8

Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 teilte die B dem Kläger mit, dass man sich im Auswahlverfahren für eine Bewerberin entschieden habe.

9

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 29. Mai 2009 die B aufgefordert hatte, ihn bei der Besetzung der Stelle zu berücksichtigen, machte er mit Schreiben vom 18. Juni 2009 Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche iHv. sechs Monatsgehältern wegen der Nichteinstellung geltend. Dem trat die Beklagte mit Schreiben vom 10. Juli 2009 entgegen.

10

Mit seiner am 15. September 2009 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der Beklagten am 28. September 2009 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern der Entgeltgruppe 3, Stufe 2, des TVöD in Anspruch.

11

Der Kläger vertritt die Ansicht, die nicht erfolgte Einladung zum Vorstellungsgespräch sei ein Indiz dafür, dass er wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei. Da ihm die fachliche Eignung nicht offensichtlich gefehlt habe, wäre er einzuladen gewesen. Auf das Absehen von einer Einladung aufgrund Ziff. 4.2.4 Abs. 5 der Rahmenintegrationsvereinbarung vom 18. März 2004 könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, da sonst § 82 SGB IX umgangen würde.

12

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.723,28 Euro zu zahlen.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

14

Sie macht geltend, der Kläger habe im Bewerbungsverfahren seine Schwerbehinderteneigenschaft nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Außerdem seien wegen § 19 Haushaltsgesetz 2009 Versetzungsbewerber und wegen § 7 BGleiG bevorzugt Frauen zu berücksichtigen gewesen, da diese unterrepräsentiert gewesen seien. Der Kläger sei zudem deshalb nicht eingeladen worden, weil den Unterlagen kein Hinweis auf eine Sachkundeprüfung nach § 34a(Bewachungsgewerbe) GewO zu entnehmen gewesen sei. Vor allem habe eine Einladung zum Vorstellungsgespräch deshalb unterbleiben dürfen, weil nach Ziff. 4.2.4 Abs. 5 der Rahmenintegrationsvereinbarung vom 18. März 2004 Einvernehmen bestanden habe, dass der Kläger für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht komme. Jedenfalls treffe die Beklagte weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 2.700,00 Euro verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger erstrebt mit seiner Anschlussrevision die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.723,28 Euro.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, während die Anschlussrevision des Klägers unzulässig ist.

17

A. Sein Urteil, mit dem es die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700,00 Euro an den Kläger verurteilt hat, hat das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger sei wegen eines Merkmals iSd. § 1 AGG, nämlich seiner Behinderung, benachteiligt worden(§ 7 Abs. 1 AGG). Dafür habe er mit der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch (§ 82 SGB IX) ein ausreichendes Indiz vorgetragen. Die fachliche Eignung habe dem Kläger nicht offensichtlich gefehlt, da er das nach der Stellenausschreibung erforderliche Anforderungsprofil erfülle. Eine Sachkundeprüfung nach § 34a(Bewachungsgewerbe) GewO werde dort nicht verlangt. Die Beklagte habe die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung nicht entkräftet. Insbesondere könne sie sich nicht erfolgreich darauf berufen, die am Einstellungsverfahren Beteiligten seien übereinstimmend der Auffassung gewesen, der Kläger sei offensichtlich nicht geeignet. Die Rahmenintegrationsvereinbarung sei nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, da mit ihr in unzulässiger Weise der Rechtsschutz schwerbehinderter Menschen beschnitten werde. Es werde mit Ziff. 4.2.4 Abs. 5 der Rahmenintegrationsvereinbarung der Eindruck erweckt, eine gerichtliche Überprüfung der Voraussetzungen einer offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung sei nicht mehr möglich. Dies unterlaufe den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Auch § 15 Abs. 3 AGG sei zugunsten der Beklagten nicht einschlägig. Ob § 15 Abs. 3 AGG gegen EU-Richtlinien verstoße, könne dahinstehen, denn die Beklagte treffe jedenfalls der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens. Die Beklagte habe an der Rahmenintegrationsvereinbarung selbst mitgewirkt. Sie hätte erkennen müssen, dass kollektiv-rechtliche Regelungen, die den Zugang zu den Gerichten beschneiden, verfassungswidrig sind.

18

In Anbetracht von Art und Schwere der Benachteiligung, ihrer Dauer, ihrer Folgen, des Anlasses und des Beweggrundes des Handelns, des Grades der Verantwortlichkeit und der Genugtuungsfunktion sowie der Notwendigkeit einer abschreckenden Wirkung der zuzusprechenden Entschädigung sei vorliegend eine solche in Höhe von 2.700,00 Euro angemessen.

19

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält nicht in allen Teilen der Begründung, wohl aber im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

20

B. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

21

I. Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens (§ 15 Abs. 2 AGG) und nicht ein auf Ersatz eines Vermögensschadens gerichteter Schadensersatzanspruch (§ 15 Abs. 1 AGG). Zwar verwendet der Kläger zur Begründung der Klage wiederholt den Begriff „Schadensersatz“, jedoch macht er ausweislich der von ihm gegebenen Begründung keinen Schadensersatzanspruch geltend. Insbesondere kann der Klagebegründung nicht entnommen werden, dass der Kläger einen konkreten Verdienstausfall für einen bestimmten Zeitraum wegen unterbliebener Einstellung begehrt. Auch behauptet er nicht, er wäre als am besten geeigneter Bewerber von der Beklagten einzustellen gewesen. Mit der von ihm angegebenen Klageforderung von 5.723,28 Euro hat der Kläger ausdrücklich drei Monatsgehälter ersichtlich als Entschädigung iSv. § 15 Abs. 2 AGG gefordert.

22

II. Die Klage ist in Höhe des ausgeurteilten Betrags (2.700,00 Euro) begründet.

23

1. Die Beklagte hat bei der Besetzung der Stelle eines Pförtners/Wächters bzw. einer Pförtnerin/Wächterin im Frühjahr 2009 gegen das Verbot verstoßen, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, §§ 7, 1 AGG). Der Kläger hat als benachteiligter schwerbehinderter Beschäftigter nach § 81 Abs. 2 SGB IX, § 15 Abs. 2 AGG Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld.

24

a) Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ im Sinne des AGG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Für den Bewerberbegriff kommt es dabei weder auf die objektive Eignung (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12) noch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung an. An der subjektiven Ernsthaftigkeit bestehen unabhängig davon keine Zweifel. Das Fehlen einer solchen würde auch nur zum Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers führen (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/11 -).

25

b) Die Beklagte ist als „Arbeitgeber“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist also derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11). Dies trifft auf die Beklagte aufgrund der Stellenausschreibung zu.

26

2. Der Kläger hat seinen Anspruch innerhalb der Fristen des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht.

27

a) Die Ablehnung der Bewerbung wurde dem Kläger mittels Schreibens der B vom 11. Mai 2009 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 18. Juni 2009 machte der Kläger Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche geltend. Damit hat er die Zweimonatsfrist für die schriftliche Geltendmachung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG gewahrt. Unerheblich ist, ob der Kläger sein Schreiben vom 18. Juni 2009 unterschrieben hat. Das Schriftformgebot des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG verlangt nicht die gesetzliche Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB, ausreichend ist vielmehr die Textform nach § 126b BGB(vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3). Für die Textform nach § 126b BGB muss zwar - neben der Nennung der Person des Erklärenden - der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Hierzu genügt aber eine Grußformel oder die Nennung des Namens am Textende (vgl. MüKoBGB/Einsele 6. Aufl. § 126b BGB Rn. 6; Palandt/Ellenberger BGB 71. Aufl. § 126b Rn. 5). Diesen Erfordernissen genügt das Schreiben vom 18. Juni 2009 mit der Grußformel am Textende unter Namensnennung. Nicht erforderlich war, dass der Kläger die Entschädigungsforderung bezifferte (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12).

28

b) Die am 15. September 2009 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangene Klage, die der Beklagten am 28. September 2009 zugestellt wurde, hat die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt. Sie wurde innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben. Für die Fristwahrung genügte gemäß § 167 ZPO der Eingang der Klage beim Arbeitsgericht, weil deren Zustellung demnächst erfolgte(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6, zu § 611a BGB aF).

29

3. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen lassen einen Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vermuten.

30

a) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung, jedoch ist für die Voraussetzungen des Anspruchs auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - BVerwGE 139, 135; BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21).

31

b) Der Kläger hat eine Benachteiligung im Hinblick auf seine Behinderung erfahren.

32

aa) Der Begriff der Behinderung im Sinne von § 1 AGG, wegen der gemäß § 7 AGG Beschäftigte nicht benachteiligt werden dürfen, entspricht den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 3 BGG(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Auf einen bestimmten Grad der Behinderung kommt es nicht an (vgl. BAG 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - BAGE 122, 54 = AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15). Der Kläger, für den seit dem 10. April 2003 ein Grad der Behinderung von 50 und seit dem 29. Juni 2004 ein Grad der Behinderung von 60, dh. eine Schwerbehinderung, festgestellt ist, unterfällt dem Behindertenbegriff des § 1 AGG.

33

bb) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als die eingestellte Bewerberin. Weniger günstig war auch die Behandlung des Klägers im Vergleich mit den zu Vorstellungsgesprächen eingeladenen Bewerbern/innen. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung, liegt bereits vor, wenn der Beschäftigte - wie hier der Kläger - nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgenommen wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21).

34

cc) Der Kläger und die letztlich eingestellte Bewerberin befanden sich auch in einer vergleichbaren Situation.

35

Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12).

36

Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an den Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Diese Grundsätze gelten allerdings bei der Besetzung von Stellen öffentlicher Arbeitgeber nur eingeschränkt. Während der private Arbeitgeber im Rahmen der oben dargelegten Grundsätze frei ist, welche Anforderungen er in seiner Stellenausschreibung an Bewerber stellt und ob er dann bei seiner Auswahlentscheidung von einzelnen dieser geforderten Qualifikationen abweicht, hat der öffentliche Arbeitgeber Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Hiernach besteht nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die mit Arbeitern und Angestellten besetzt werden. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen(sog. Bestenauslese), zum anderen trägt er dem berechtigten Interesse des Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung. Art. 33 Abs. 2 GG begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in der Regelung - hier der Stellenausschreibung - genannten Auswahlkriterien(sog. Bewerbungsverfahrensanspruch; vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - aaO).

37

Die in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung sind die allein maßgeblichen Kriterien für die Bewerberauswahl; andere Kriterien sind nicht zulässig. Allerdings bestimmt Art. 33 Abs. 2 GG nicht, auf welchen Bezugspunkt sich diese Kriterien beziehen. Dies folgt erst aus dem Anforderungsprofil, welches als Funktionsbeschreibung des Dienstpostens objektiv die Kriterien bestimmt, die der künftige Stelleninhaber erfüllen muss. Über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten entscheidet grundsätzlich der Dienstherr nach seinen organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Es obliegt daher auch seinem organisatorischen Ermessen, wie er einen Dienstposten zuschneiden will und welche Anforderungen demgemäß der Bewerberauswahl zugrunde zu legen sind. Erst aus diesem Zuschnitt des zu vergebenden Amtes oder Dienstpostens werden daher die Anforderungen bestimmt, an denen konkurrierende Bewerber zu messen sind (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

38

Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen (vgl. BVerfG 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 - BVerfGK 12, 284). Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - BVerwGE 139, 135). Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX(vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - aaO).

39

Für die Dauer des Auswahlverfahrens bleibt der Arbeitgeber an das in der veröffentlichten Stellenbeschreibung bekannt gegebene Anforderungsprofil gebunden (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

40

Unter Beachtung dieser Grundsätze bestehen unter Zugrundelegung des Anforderungsprofils in der Stellenausschreibung vom 13. März 2009 an der objektiven Eignung des Klägers für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle keine Zweifel. Die Beklagte hat mit ihrer Ausschreibung eine Pförtnerin/Wächterin bzw. einen Pförtner/Wächter gesucht und dazu ein Anforderungsprofil aufgestellt, wonach die Bereitschaft zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung, ein gepflegtes Erscheinungsbild, ein überzeugendes und sicheres Auftreten, gute Umgangsformen, körperliche Eignung, gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, die Bereitschaft zum Führen einer Schusswaffe und ein Führungszeugnis ohne Eintrag verlangt wurde. Erfahrungen oder eine Ausbildung im Bereich des Wach- und Sicherheitsdienstes waren nach dem Anforderungsprofil nicht vorausgesetzt, sondern nur vorteilhaft. Fachliche Voraussetzungen werden mit dem Anforderungsprofil nicht aufgestellt. Der Kläger hatte in der Vergangenheit bereits als Pförtner gearbeitet und ausweislich seines Bewerbungsschreibens umfangreiche Kenntnisse im Bereich von Personen- und Fahrzeugkontrollen. Im Hinblick auf die vom Kläger in der Vergangenheit verrichteten Tätigkeiten und ausweislich der Angaben des Klägers im Bewerbungsschreiben ist auch von seiner körperlichen Eignung auszugehen. Auch die Beklagte zieht diese nicht in Zweifel. Dass der Kläger zum Zeitpunkt der Bewerbung keine Sachkundeprüfung nach § 34a Abs. 1 Satz 5 GewO abgelegt hatte, ist im Hinblick auf das verbindliche Anforderungsprofil der Beklagten nicht relevant. Auch ist davon auszugehen, dass der Kläger die Anforderungen im Erscheinungsbild und Auftreten erfüllt, zumal etwaige Defizite in diesen Bereichen nur in einem Vorstellungsgespräch hätten festgestellt werden können.

41

c) Die Beklagte behandelte den Kläger auch wegen seiner Behinderung weniger günstig.

42

aa) Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32 zu § 3 Abs. 1 AGG). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund, dh. die Behinderung, das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die Behinderung Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3).

43

bb) Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist. Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat(BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3).

44

cc) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen oder unstreitigen Tatsachen eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einer Behinderung und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich, in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3).

45

dd) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht zunächst angenommen, als ein Indiz für einen Kausalzusammenhang stelle sich die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch dar.

46

Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies eine geeignete Hilfstatsache nach § 22 AGG(vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - BVerwGE 139, 135; BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

47

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Pflicht, den Kläger zum Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht aufgrund der Ausnahmevorschrift des § 82 Satz 3 SGB IX wegen offensichtlich fehlender fachlicher Eignung entfallen war.

48

Ein schwerbehinderter Bewerber muss bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Selbst wenn sich der öffentliche Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl komme, muss er den schwerbehinderten Bewerber nach dem Gesetzesziel einladen. Der schwerbehinderte Bewerber soll den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, liegt darin eine weniger günstige Behandlung als sie das Gesetz zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen Bewerbern für erforderlich hält. Der Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ist eine Benachteiligung, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

49

Auch für die Frage, ob dem Bewerber die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, ist im öffentlichen Dienst auf die veröffentlichte Stellenbeschreibung abzustellen (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1), denn mit dem veröffentlichten Anforderungsprofil bestimmt der öffentliche Arbeitgeber den Umfang seiner verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX(vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - BVerwGE 139, 135).

50

Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger habe die fachliche Eignung nicht offensichtlich gefehlt, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger erfüllt die Anforderungen der Stellenbeschreibung, die keine besonderen Anforderungen an Fähigkeiten und Kenntnisse stellt. Auch die Beklagte behauptet nicht, der Kläger erfülle eine oder mehrere Anforderungen der veröffentlichten Stellenbeschreibung nicht. Auf eine fehlende Sachkundeprüfung nach § 34a Abs. 1 Satz 5 GewO kann sich die Beklagte nicht erfolgreich berufen, da in der Stellenausschreibung eine solche nicht verlangt wird.

51

Dem Landesarbeitsgericht ist jedoch nicht dahin zu folgen, dass Ziff. 4.2.4 Abs. 5 Satz 2 der Rahmenintegrationsvereinbarung wegen § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist. Vielmehr ergibt sich im Wege der Auslegung, dass die Rahmenintegrationsvereinbarung keine zuungunsten des schwerbehinderten Bewerbers von § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX abweichende Regelung enthält. Weder nach § 82 Satz 3 SGB IX noch nach Ziff. 4.2.4 Abs. 5 der Rahmenintegrationsvereinbarung durfte eine Einladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch unterbleiben.

52

Das Landesarbeitsgericht hat Ziff. 4.2.4 Abs. 5 Satz 2 der Rahmenintegrationsvereinbarung zu Unrecht entnommen, abweichend von § 82 Satz 3 SGB IX sei dort der Beklagten die Befugnis eingeräumt, von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch abzusehen, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt.

53

Nach Ziff. 4.2.4 Abs. 5 Satz 1 der Rahmenintegrationsvereinbarung sind schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber zu Auswahlverfahren zuzulassen, es sei denn, dass sie nach den vorgelegten Unterlagen für eine Verwendung aufgrund bestehender Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen offensichtlich nicht geeignet erscheinen. Damit knüpft Ziff. 4.2.4 Abs. 5 Satz 1 der Rahmenintegrationsvereinbarung an die bestehende Rechtslage nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX an. Die die Rahmenintegrationsvereinbarung abschließenden Parteien gehen vom gesetzlichen Regel-/Ausnahmeverhältnis aus. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch/Die Zulassung zum Auswahlverfahren ist der Regelfall, der Ausschluss wegen offensichtlicher Nichteignung die Ausnahme. Dabei wird auch die gesetzliche Terminologie der offensichtlich fehlenden Eignung aufgegriffen, sodass davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien den gesetzlichen Begriff der offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung aus § 82 Satz 3 SGB IX zugrunde gelegt und dieses Begriffsverständnis zum Inhalt der Rahmenintegrationsvereinbarung gemacht haben. Damit ist die Eignung am veröffentlichten Stellenprofil zu messen. Die in der Rahmenintegrationsvereinbarung angesprochenen Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen können daher nur dann maßgeblich sein, wenn diese in das veröffentlichte Stellenprofil Eingang gefunden haben.

54

Ziff. 4.2.4 Abs. 5 Satz 2 der Rahmenintegrationsvereinbarung schränkt dies nicht ein, sondern soll den gesetzlich bestehenden Schutz vielmehr erweitern. Zwar ist nach Satz 2 von einer Einladung zum Auswahlverfahren abzusehen, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Diese Regelung ist aber nicht so zu verstehen, dass auch bei Nichtvorliegen einer offensichtlichen Nichteignung aufgrund eines Einvernehmens der genannten Stellen von einer Einladung zum Auswahlverfahren/Vorstellungsgespräch abgesehen werden darf. Schon in Abs. 2 der Präambel der Rahmenintegrationsvereinbarung ist ausgeführt, dass mit dieser die beruflichen Chancen und konkreten Arbeitsbedingungen in der Dienststelle „weiter verbessert“ werden sollen. In Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 der Rahmenintegrationsvereinbarung ist ausgeführt, dass die Dienststelle die Rechte der schwerbehinderten Beschäftigten wahrt und bei allen Maßnahmen deren Belange berücksichtigt. Hieraus ergibt sich, dass der gesetzliche Mindestschutz des § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX nicht unterschritten, sondern durch die Rahmenintegrationsvereinbarung ein höheres Schutzniveau gewährleistet werden soll. Vor allem ergibt sich dies aus deren Ziff. 12 Abs. 2. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass Rechtsvorschriften und tarifliche Regelungen durch die Rahmenintegrationsvereinbarung nicht berührt werden. Dadurch haben die Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass ein Abweichen von gesetzlichen Vorschriften zuungunsten Schwerbehinderter - unabhängig davon, inwieweit dies überhaupt rechtlich zulässig wäre - nicht beabsichtigt ist. Damit kommt es auch nach der Rahmenintegrationsvereinbarung für die Frage der offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung auf das veröffentlichte Anforderungsprofil an. Von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch darf nach Ziff. 4.2.4 Abs. 5 Satz 2 der Rahmenintegrationsvereinbarung deshalb nur dann abgesehen werden, wenn zusätzlich zur offensichtlich vorliegenden fehlenden Eignung Einvernehmen zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter über diese Nichteignung besteht. Da dem Kläger aber die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlte, war der Kläger auch nach den Regeln der Rahmenintegrationsvereinbarung einzuladen.

55

ee) Eine Pflichtverletzung nach § 82 Satz 2 SGB IX ist als Indiz im Sinne von § 22 AGG nur dann geeignet, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung des Bewerbers bekannt gewesen ist oder sich der Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis hätte verschaffen können. Andernfalls ist der Pflichtenverstoß dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen (vgl. BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19). Es obliegt dem abgelehnten Bewerber deshalb darzulegen, dass dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung bekannt gewesen ist oder er sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis jedenfalls hätte verschaffen können.

56

Dies hat der Kläger getan. Er hatte die Beklagte auf die bestehende Schwerbehinderteneigenschaft in seinem Bewerbungsschreiben hingewiesen. Dort heißt es, dass ihn die „vorhandene Schwerbehinderung mit einem GdB von 60“ weder körperlich noch geistig für die Aufgaben einschränkt. Auch die Beklagte hatte den Kläger im Bewerbungsverfahren als schwerbehinderten Menschen geführt, wie sich aus den von ihr vorgelegten Unterlagen zur Erfassung der Bewerber ergibt.

57

ff) Die Beklagte hat die Vermutung der Benachteiligung des Klägers wegen dessen Behinderung nicht widerlegt.

58

Wenn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf der Behinderung beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10), und in seinem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war.

59

Für die Frage, welche Tatsachen geeignet sind, die Vermutung der Benachteiligung zu widerlegen, sind die Besonderheiten des Bewerbungsverfahrens für ein öffentliches Amt iSv. Art. 33 Abs. 2 GG(vgl. BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19) und die gesetzlichen Regelungen des SGB IX zu beachten. Für den nach § 22 AGG möglichen Nachweis, dass für die Nichteinladung eines Bewerbers entgegen § 82 Satz 2 SGB IX ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, können nur solche Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Hierfür enthält die in § 82 Satz 3 SGB IX geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der „offensichtlichen“ Nichteignung eine abschließende Regelung. Sie prägt auch die Anforderungen, die bei Verstößen im Bewerbungsverfahren bei auf die fachliche Eignung bezogenen Erwägungen für den Gegenbeweis zugrunde zu legen wären. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 82 Satz 2 SGB IX, der das Recht schwerbehinderter Menschen und der ihnen gleichgestellten behinderten Menschen auf ein benachteiligungsfreies Bewerbungsverfahren schützt(vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - BVerwGE 139, 135). Die Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren, wenn nicht sowieso bereits eine offensichtlich fehlende fachliche Eignung iSd. § 82 Satz 3 SGB IX vorgelegen und deshalb die Einladung entbehrlich gemacht hat. Dies folgt aus dem insoweit abschließenden Charakter des § 82 Satz 3 SGB IX. Der öffentliche Arbeitgeber darf daher von der Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers im Hinblick auf die fachliche Eignung nur dann absehen, wenn er vorab ein diskriminierungsfreies und sachlich gerechtfertigtes Anforderungsprofil erstellt hat (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - aaO) und der Bewerber dieses offensichtlich nicht erfüllt.

60

Für eine mögliche Widerlegung der Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung ist auch die in § 122 SGB IX getroffene Regelung zu beachten, wonach die Verpflichtungen zur bevorzugten Einstellung und Beschäftigung bestimmter Personenkreise nach anderen Gesetzen den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach den besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen entbinden. Die Vorschrift regelt das Verhältnis der Regelungen des SGB IX über die Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen zu entsprechenden rechtlichen Verpflichtungen für andere besonders schutzbedürftige Personen (vgl. FKS-SGB IX-Faber 2. Aufl. § 122 Rn. 1). § 122 SGB IX stellt klar, dass sich der Arbeitgeber nicht dadurch von seinen Verpflichtungen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen entlasten kann, dass er auf seine gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber anderen schutzbedürftigen Personen verweist(vgl. Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 122 Rn. 3). Die Regelung spricht zwar nur von „Beschäftigung“ schwerbehinderter Menschen - im Gegensatz zur „Einstellung und Beschäftigung“ der anderen Personenkreise - jedoch ist der Begriff „Beschäftigung“ nach Sinn und Zweck der Norm weit zu verstehen. Er umfasst daher auch die Besetzung von Arbeitsplätzen und die Einstellung von Arbeitnehmern (vgl. Trenk-Hinterberger aaO Rn. 5; Faber aaO Rn. 4; Lampe GK-SGB IX Stand Januar 2012 § 122 Rn. 12; Masuch in Hauck/Noftz SGB IX Stand November 2011 K § 122 Rn. 4). Damit konkretisiert § 122 SGB IX das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG(vgl. Masuch aaO). Ob § 122 SGB IX eine Vorrangregelung zugunsten Schwerbehinderter darstellt(dagegen: ErfK/Rolfs 12. Aufl. § 122 SGB IX Rn. 1; Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 122 Rn. 3; aA Düwell in LPK-SGB IX 2. Aufl. § 122 Rn. 6), kann dahinstehen. Jedenfalls folgt aus § 122 SGB IX das Verbot, die Pflichten gegenüber schwerbehinderten Menschen aus Anlass von Verpflichtungen gegenüber anderen Personen zu missachten(vgl. Trenk-Hinterberger aaO Rn. 10; Masuch aaO Rn. 6; Faber aaO Rn. 6). Das hat zur Folge, dass der öffentliche Arbeitgeber nicht mit der Begründung, allein die Förderung anderer Personenkreise habe seine Entscheidung motiviert und die Behinderung sei daher in keiner Weise ein Kriterium für den Ausschluss eines schwerbehinderten Bewerbers vom Vorstellungsgespräch gewesen, den Entlastungsbeweis nach § 22 AGG führen kann.

61

Zunächst kann sich die Widerlegung der Benachteiligungsvermutung nicht aus einer besseren Eignung der tatsächlich eingestellten Bewerberin ergeben. Denn die bessere Eignung schließt die Benachteiligung nicht aus. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. Danach ist selbst dann eine Entschädigung zu leisten, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Im Übrigen bewirken Fragen der fachlichen Eignung keine Entlastung des Arbeitgebers nach § 22 AGG, weil § 82 Satz 3 AGG insoweit eine abschließende Regelung enthält(vgl. oben).

62

Die Einlassung der Beklagten, ausschlaggebend für die Nichteinladung des Klägers sei gewesen, dass sie § 19 Haushaltsgesetz 2009 und § 7 Bundesgleichstellungsgesetz(BGleiG) zu beachten hatte, ist nicht geeignet nachzuweisen, dass die Einladung aufgrund von nicht diskriminierenden Umständen unterblieben ist. In § 19 Haushaltsgesetz 2009, wonach freie Planstellen und Stellen vorrangig mit Bediensteten zu besetzen sind, die bei anderen Behörden der Bundesverwaltung wegen Aufgabenrückgangs oder wegen Auflösung der Behörde nicht mehr benötigt werden, ist eine Verpflichtung zur bevorzugten Einstellung und Beschäftigung eines bestimmten Personenkreises iSv. § 122 SGB IX getroffen. Diese entbindet die Beklagte nicht von ihrer Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX(vgl. oben). Gleiches gilt für die in §§ 7, 8, 9 BGleiG und die dort zugunsten von Frauen getroffenen Regelungen(vgl. Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 122 Rn. 7; FKS-SGB IX-Faber 2. Aufl. § 122 Rn. 5). § 7 BGleiG ordnet an, dass bei der Besetzung von Arbeitsplätzen in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, zu Vorstellungsgesprächen oder besonderen Auswahlverfahren mindestens ebenso viele Frauen wie Männer einzuladen sind, welche die in der Ausschreibung vorgegebene Qualifikation aufweisen, sofern Bewerbungen von Frauen in ausreichender Zahl vorliegen. Damit war die Beklagte nach § 122 SGB IX aufgefordert, sowohl ihre Einladungspflicht nach § 7 BGleiG als auch nach § 82 Satz 2 SGB IX zu erfüllen. Die Beklagte kann sich nicht durch einen Verweis auf ihre Pflicht zur Frauenförderung gegenüber dem schwerbehinderten Bewerber entlasten.

63

4. Ein Ausschluss der Haftung der Beklagten folgt nicht aus der Haftungsprivilegierung des § 15 Abs. 3 AGG. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte bei der Anwendung der Rahmenintegrationsvereinbarung grob fahrlässig gehandelt hat, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen. Vorliegend ist bereits der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 AGG nicht eröffnet.

64

Nach § 15 Abs. 3 AGG ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Unabhängig davon, ob eine Integrationsvereinbarung nach § 83 SGB IX eine kollektivrechtliche Vereinbarung im Sinne von § 15 Abs. 3 AGG darstellt und unabhängig von der Frage der Europarechtswidrigkeit des § 15 Abs. 3 AGG(offengelassen: BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1) kommt eine Anwendung von § 15 Abs. 3 AGG nach Sinn und Zweck deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger durch die falsche Anwendung der nicht diskriminierenden kollektivrechtlichen Regelung - nämlich der Rahmenintegrationsvereinbarung - benachteiligt worden ist(vgl. Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 63; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 AGG Rn. 89a). Denn Grund für die in § 15 Abs. 3 AGG enthaltene Privilegierung ist, dass der Arbeitgeber für die Folgen einer diskriminierenden kollektivrechtlichen Vereinbarung, die er anwendet, nicht(allein) verantwortlich sein soll. Die falsche Anwendung einer diskriminierungsfreien Kollektivvereinbarung wird von § 15 Abs. 3 AGG dagegen nicht erfasst.

65

5. Der Ausschluss des Klägers vom Vorstellungsgespräch lässt sich auch nicht mit einer Förderung von Frauen nach §§ 7 ff. BGleiG als positive Maßnahme nach § 5 AGG rechtfertigen.

66

Zwar ermöglicht § 5 AGG kompensatorische Maßnahmen, um bestehende Nachteile wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes auszugleichen. Soweit dabei aber mit der Förderung einer Gruppe von Merkmalsträgern nach § 1 AGG zugleich eine Zurücksetzung einer anderen Gruppe verbunden ist, sind gesetzliche Konkurrenzregelungen zu beachten. Im Falle von schwerbehinderten bzw. diesen gleichgestellten Menschen hat der Gesetzgeber in § 122 SGB IX eine solche Konkurrenzregelung getroffen, die eine Zurücksetzung dieser Gruppe zugunsten einer anderen Gruppe von Merkmalsträgern nach § 1 AGG ausschließt(vgl. MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 5 AGG Rn. 13; Schleusener/Suckow/Voigt-Voigt AGG 3. Aufl. Rn. 14; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 5 Rn. 4). In der Rahmenintegrationsvereinbarung wird hierauf in Ziff. 4.2.4 Abs. 7 Bezug genommen. Eine Förderung von Frauen unter Missachtung der Regelungen der §§ 81, 82 SGB IX ist folglich ausgeschlossen.

67

6. Das Landesarbeitsgericht hat die dem Kläger zustehende angemessene Entschädigung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit 2.700,00 Euro bemessen.

68

a) § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein. Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

69

Da die Höhe der Entschädigung von einem Beurteilungsspielraum abhängt, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Festsetzung der angemessenen Entschädigung obliegt demnach nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dabei ist revisionsrechtlich zu überprüfen, ob das Urteil das Bemühen um eine angemessene Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände erkennen lässt und ob es gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - aaO).

70

b) Zwischen den Parteien war in den Tatsacheninstanzen nicht streitig, dass der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, sodass die Entschädigungshöhe nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG auf maximal drei Monatsgehälter begrenzt ist. Der Kläger hat seine Klageforderung hieran ausgerichtet und drei Monatsgehälter á 1.907,76 Euro (Entgeltgruppe 3, Stufe 2 TVöD Bund) gefordert. Dies hat das Landesarbeitsgericht beachtet und im Übrigen Art und Schwere des Verstoßes, Folgen und Bedeutung für den Kläger und das Nichtvorliegen eines Wiederholungsfalles zutreffend gewürdigt und auf dieser Grundlage - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - etwa die Hälfte der vom Kläger begehrten Entschädigung für angemessen erachtet.

71

C. Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Die Revisionsbegründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

72

I. Die Anschlussrevision ist zwar in der Anschlussschrift vom 4. Februar 2011 begründet worden (§ 554 Abs. 3 ZPO). Für den notwendigen Inhalt dieser Begründung gelten dieselben Grundsätze wie für die Begründung der Revision. So müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG, § 554 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt. Die Revisionsbegründung hat sich deshalb mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen. Dadurch soll ua. sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil auf das Rechtsmittel hin überprüft und die Rechtslage genau durchdenkt. Die Revisionsbegründung soll durch ihre Kritik an dem angefochtenen Urteil außerdem zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - NZA 2011, 878; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - BAGE 130, 119 - AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 346/10 - aaO; 13. Oktober 2009 - 9 AZR 875/08 - AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 54).

73

II. Diesen Anforderungen wird die Begründung der Anschlussrevision nicht gerecht.

74

Das Landesarbeitsgericht hat dargelegt, aus welchen Gründen es dem Kläger eine Entschädigung iHv. von 2.700,00 Euro zugesprochen hat.

75

Die Anschlussschrift setzt sich insoweit mit den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts nicht auseinander. Zunächst wiederholt der Kläger nur bereits in den Vorinstanzen geäußerte Rechtsauffassungen in zusammengefasster Form, denen das Landesarbeitsgericht in weiten Teilen gefolgt war. Zur Entschädigungshöhe ist in der Anschlussschrift lediglich ausgeführt, diese müsse angemessen und geeignet sein, eine abschreckende Wirkung haben und im Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen. Erstmals macht der Kläger in der Anschlussrevision geltend, es könne nicht gesagt werden, ob der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht hätte eingestellt werden müssen, weshalb von drei Monatsgehältern als Entschädigungsleistung auszugehen sei. Es wird nicht erläutert, worin der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts liegen soll, dem der Gesetzgeber als Tatsachengericht bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, und in welcher Weise das Landesarbeitsgericht diesen Beurteilungsspielraum verkannt bzw. gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen haben soll.

76

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schuckmann    

        

    Mallmann    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. Juni 2013 - 11 Sa 335/13 - teilweise aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den die Klägerin aufgrund einer Benachteiligung als Frau bei einer Bewerbung geltend macht.

2

Die Klägerin ist gelernte Verwaltungsfachfrau. Sie ist verheiratet und Mutter eines schulpflichtigen Kindes, das im Zeitpunkt der Bewerbung sieben Jahre alt war. Die Beklagte, die in S einen Radiosender betreibt, suchte per Zeitungsanzeige für eine Vollzeitstelle eine/n „Buchhalter/-in“ mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Mit Schreiben vom 14. April 2012 bewarb sich die Klägerin unter Beifügung ihres Lebenslaufes. Sie erhielt unter dem 2. Mai 2012 eine Absage, der die Beklagte zu ihrer Entlastung die Bewerbungsunterlagen beifügte. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf fand die Klägerin neben ihrer Textzeile „verheiratet, ein Kind“ den handschriftlich hinzugesetzten Vermerk „7 Jahre alt!“. Die so entstehende Wortfolge „ein Kind 7 Jahre alt!“ war durchgängig unterstrichen worden.

3

Mit Schreiben vom 6. Juni 2012 machte die Klägerin bei der Beklagten eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG geltend, was die Beklagte unter dem 21. Juni 2012 ablehnte. Am 20./23. Juli 2012 ging beim Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung einer Entschädigung iHv. 3.000,00 Euro ein. Diese wurde der Beklagten am 1. August 2012 zugestellt. Am Ende der Klagebegründung wurde für die Klägerin ausgeführt, sie mache „gegenwärtig einen Anspruch von insgesamt 3.000,00 Euro geltend“. Im September 2012 teilte die Beklagte mit, das Bruttomonatsentgelt der fraglichen Stelle betrage 2.027,00 Euro. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2012 die Klage auf 6.081,00 Euro erweitert.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, wegen des handschriftlichen Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf sei davon auszugehen, ihre Bewerbung sei abgelehnt worden, weil sie ein siebenjähriges Kind zu betreuen habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sie im Lebenslauf das Alter ihres Kindes gar nicht angegeben habe, sondern die Beklagte sich dies selbst aus den Bewerbungsunterlagen errechnet haben müsse. Die Notiz indiziere, dass die Beklagte das Vorhandensein eines Kindes mit einer Vollzeittätigkeit nicht für kompatibel halte. Davon seien vorrangig Frauen betroffen. Die Indizwirkung werde nicht dadurch widerlegt, dass die Beklagte tatsächlich eine junge, nicht schwangere Frau eingestellt habe. Die Beklagte habe nicht erklären können, weshalb es zu dem Vermerk gekommen sei, wenn die Tatsache ihrer Mutterschaft und des Kindesalters bei der Einstellungsentscheidung keine Bedeutung gehabt haben solle.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.081,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2012 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags darauf verwiesen, dass sie eine Buchhalterin gesucht und schließlich eine junge verheiratete Frau befristet eingestellt habe, die neben einer Ausbildung zur Bankkauffrau über Kenntnisse zur Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung verfügt habe. Die eingestellte Bewerberin habe über eine Weiterbildung als Bilanzbuchhalterin verfügt. Die Auswahlentscheidung sei allein nach der Qualifikation und unter fachlichen Gesichtspunkten getroffen worden. Familienstand und Betreuungspflicht gegenüber Kindern hätten keine Bedeutung gehabt. Die Notiz sei als Hilfestellung erfolgt, weil man so festgehalten habe, dass das Kind der Klägerin schon in der Schule und damit eine Vollzeitbeschäftigung möglich sei. Dass verheiratete Mütter auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Einstellungschancen hätten, träfe nicht zu.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht in Höhe von 3.000,00 Euro entsprochen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit der nur von der Beklagten eingelegten Revision will diese das erstinstanzliche Urteil wiederherstellen lassen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet. Die vom Landesarbeitsgericht für seine Entscheidung gegebene Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden.

9

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Benachteiligung der Klägerin durch Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung stelle keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Das Merkmal der „Mutterschaft“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG umfasse nur Umstände, die unmittelbar mit der Schwangerschaft und der Geburt zusammenhängen. Jedoch sei die Klägerin mittelbar wegen ihres Geschlechts iSd. § 3 Abs. 2 AGG benachteiligt worden. Mit der Anmerkung der Beklagten auf dem Lebenslauf der Klägerin sei die Frage der Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und Betreuung eines minderjährigen Kindes im Grundschulalter in den Blick genommen worden. In der Literatur, insbesondere aber aufgrund des Befundes des Mikrozensus 2010 stehe fest, dass wesentlich weniger verheiratete Frauen mit versorgungsberechtigten Kindern in Vollzeit arbeiteten als dies bei verheirateten Vätern der Fall sei. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stelle vor allem für Frauen eine besondere Herausforderung dar. Somit sei der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung zu bejahen. Einen über 3.000,00 Euro hinausgehenden Entschädigungsanspruch habe die Klägerin nicht binnen der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingeklagt.

10

B. Die Begründung des Berufungsurteils ist nicht frei von Rechtsfehlern.

11

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

12

1. Als Bewerberin ist die Klägerin „Beschäftigte“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Da die Beklagte um Bewerbungen für das von ihr angestrebte Beschäftigungsverhältnis nachgesucht hat, ist sie „Arbeitgeberin“ iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG(vgl. BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 17 und 20; 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 17 und 18, BAGE 142, 143; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 23).

13

2. Ihren auf eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts gestützten Entschädigungsanspruch hat die Klägerin jedenfalls, soweit er in die Revision gelangt ist, innerhalb der Fristen des § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht und eingeklagt.

14

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist grundsätzlich mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG) zu laufen, nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt hat (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 55, BAGE 141, 48 = AP AGG § 15 Nr. 11).

15

Die Klägerin erhielt unter dem 2. Mai 2012 von der Beklagten die Absage, der die Bewerbungsunterlagen mit dem problematischen handschriftlichen Vermerk beigefügt waren. Unstreitig hat die Klägerin sodann schriftlich unter dem 6. Juni 2012 eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG verlangt, was die Beklagte am 21. Juni 2012 ablehnte. Diese Geltendmachung wahrt die Frist des § 15 Abs. 4 AGG.

16

b) Nach der Ablehnung hat die Klägerin mit Eingang beim Arbeitsgericht am 20./23. Juli 2012 eine Entschädigungszahlung iHv. 3.000,00 Euro eingeklagt. Diese Klage, in deren Begründung die Klägerin ausführen lässt, sie mache „gegenwärtig einen Anspruch von insgesamt 3.000,00 Euro geltend“, wurde der Beklagten am 1. August 2012 zugestellt, womit auch die Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wurde.

17

c) Die Abweisung der darüber hinausgehenden Klage durch die Vorinstanzen ist rechtskräftig. Der Senat hat daher nicht darüber zu entscheiden, ob die Begründung des Berufungsgerichts, die spätere Klageerweiterung sei nach Ablauf der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG erfolgt und daher „aus den Gründen des § 61b Abs. 1 ArbGG abzuweisen“, rechtsfehlerhaft ist.

18

II. Das Berufungsgericht, das ausschließlich auf eine mittelbare Diskriminierung abgestellt hat, hat verkannt, dass eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung oder Äußerung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem Lebenslauf einer Frau von dem Verbot unmittelbarer Benachteiligung erfasst sein kann (§ 3 Abs. 1 AGG). Eine solche verbotene unmittelbare Benachteiligung ist stets vorrangig zu prüfen (vgl. EuGH 20. Oktober 2011 - C-123/10 - [Brachner] Rn. 55, Slg. 2011, I-10003; 6. Dezember 2007 - C-300/06 - [Voß] Rn. 26, Slg. 2007, I-10573; 9. September 2003 - C-25/02 - [Rinke] Rn. 32, Slg. 2003, I-8349; 9. Februar 1999 - C-167/97 - [Seymour-Smith und Perez] Rn. 53, Slg. 1999, I-623).

19

1. Die Beklagte hat die Klägerin mit der Bewerbungsablehnung benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Im Verhältnis zur tatsächlich eingestellten, erfolgreichen Person wurde die Klägerin weniger günstig behandelt.

20

2. Die Klägerin befand sich mit der letztlich ausgewählten Person in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Zwar hat die Beklagte vorgetragen, ihre Einstellungsentscheidung hätte ausschließlich fachliche Gesichtspunkte gehabt. Damit hat sie jedoch nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen wäre. In der Stellenausschreibung wurde (nur) ein/e Buchhalter/in mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung gesucht. Spezielle Kenntnisse der Bilanzbuchhaltung wurden in der Ausschreibung nicht verlangt.

21

3. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem durch § 1 AGG verbotenen Anknüpfungsmerkmal muss ein Kausalzusammenhang bestehen. § 22 AGG trifft dabei hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verbotenem Merkmal eine Beweislastregelung, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Nach § 22 Halbs. 1 AGG genügt eine Person, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die diese Benachteiligung vermuten lassen(BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25 f. mwN; EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 34 ff.; vgl. auch Art. 19 Abs. 1 RL 2006/54/EG). Bei der Prüfung eines solchen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42 ff.; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158). Die vorgetragenen Tatsachen müssen darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 32; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, aaO). Ist eine solche Vermutung für eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu bejahen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.

22

4. Für die Vermutungswirkung des § 22 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund „Bestandteil eines Motivbündels“ ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Wie die von Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG genannten „Merkmale“ dürfen auch die „Gründe“ des § 1 AGG nicht als Anknüpfungspunkt für eine benachteiligende rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden(vgl. BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 85, 191). Es ist nicht erforderlich, dass der von Verfassungs oder Gesetzes wegen als Anknüpfungspunkt verbotene Grund ausschließliches oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25). Sollte die Beklagte vorliegend also an das Geschlecht der Klägerin bei ihrer benachteiligenden Behandlung angeknüpft haben, so musste dies nicht der vorherrschende Beweggrund, ihr Hauptmotiv oder die „Triebfeder“ ihres Verhaltens sein.

23

5. Bei der Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, sind die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder -gepflogenheiten maßgebend (RL 2006/54/EG, 30. Erwägungsgrund). Die Beweiskraft der vorgelegten Beweismittel ist nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 79, 82, Slg. 2011, I-6919). Maßgebend für die Beweiswürdigung ist die freie Überzeugung des Tatsachengerichts unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßes des § 22 AGG, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Gerichte haben dabei darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der RL 2006/54/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 39).

24

6. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, ist nur eingeschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal - hier das Geschlecht der Klägerin - und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 28; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36).

25

7. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG liegt nicht schon deswegen vor, weil die Klägerin bei ihrer Bewerbung wegen ihrer „Mutterschaft“ ungünstiger behandelt worden wäre.

26

a) Schwangerschaft und Mutterschaft sind untrennbar mit dem Geschlecht verbunden, sie können als Differenzierungsmerkmale ausschließlich Frauen nachteilig treffen. Das hat Eingang in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207/EWG) idF der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (RL 2002/73/EG) sowie später in Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der die Richtlinie 76/207/EWG ablösenden Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) gefunden (siehe nur Erwägungsgrund 23 RL 2006/54/EG). Der EuGH hat stets mit seiner Rechtsprechung unterstrichen, dass jede im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft erfolgende Schlechterstellung von Frauen eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt (EuGH 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Rn. 14, Slg. 1990, I-3941; 4. Oktober 2001 - C-438/99 - [Jiménez Melgar] Rn. 46, Slg. 2001, I-6915; vgl. 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 35 f., Slg. 2004, I-11143). Unter „Mutterschaft“ ist aber nur der besondere Schutz der Frau im Zusammenhang mit einer kurz bevorstehenden oder gerade erfolgten Entbindung zu verstehen.

27

b) Die Tatsache, dass die Klägerin Mutter eines siebenjährigen Kindes ist, fällt nicht unter „Mutterschaft“, wie sie das AGG und das Unionsrecht unter besonderen Schutz stellen. Eine unmittelbare Diskriminierung in diesem Sinne liegt nicht vor.

28

8. Eine unmittelbare Benachteiligung einer Frau wegen ihres Geschlechts ist aber nicht auf die Fälle einer ungünstigeren Behandlung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft begrenzt. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG sieht bei diesen Umständen „auch“ eine unmittelbare Benachteiligung, was klarstellt, dass eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht vom Gesetzgeber gewollt war(vgl. dazu die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/1780 S. 32). Zwar geht es bei der unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts um einen Grund, der ausschließlich Arbeitnehmer eines der beiden Geschlechter betrifft (EuGH 18. März 2014 - C-167/12 - [CD] Rn. 46 f.; 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Rn. 33, Slg. 2000, I-10997). Solche Gründe sind jedoch nicht auf biologische Tatsachen zu reduzieren, die Männer und Frauen nicht in gleicher Weise betreffen können, wie sich zum einen an dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG („auch“), aber auch an der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ablesen lässt(vgl. EuGH 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Slg. 1990, I-3941; vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 32).

29

a) Eine arbeitgeberseitige Äußerung, die dem anderen Geschlecht gegenüber nicht gemacht worden wäre, kann einen Grund iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG darstellen, wenn ausschließlich Arbeitnehmer eines der beiden Geschlechter davon betroffen sind. Darunter können auch Äußerungen fallen, die von tradierten Rollenmustern ausgehen und diese als Grundlage der Personalauswahl verdeutlichen. Dies kann auch eine arbeitgeberseitige Bezugnahme auf die tradierte Rollenverteilung in Familien einschließlich der damit einhergehenden pauschalen Annahme sein, eines der beiden Geschlechter sei hauptsächlich für die Kinderbetreuung zuständig und als Arbeitskraft deshalb weniger flexibel oder nur mit Einschränkungen verfügbar.

30

b) Ob die Anmerkung der Beklagten auf dem zurückgesandten Lebenslauf für die Personalauswahl und die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin in diesem Sinne Teil des Motivbündels war, obliegt der Beurteilung durch das Tatsachengericht und kann vom Senat nicht entschieden werden, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

31

aa) Eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“, kann an sich auf einem Lebenslauf bezüglich der in § 1 AGG genannten Gründe neutral sein, wenn sie bei allen sich bewerbenden Eltern gemacht würde, unabhängig vom Geschlecht und aus einer Motivation heraus, die mit dem AGG offensichtlich in Einklang steht, § 5 AGG. Dies etwa bei einem Arbeitgeber, der sich besonders für die berufliche Entwicklung von Eltern stark macht und bevorzugt diese bei Einstellungen berücksichtigt. Wird dagegen eine solche Anmerkung nur auf Lebensläufen weiblicher Elternteile gemacht, liegt darin eine direkte Benachteiligung „als Frau“, wenn die Äußerung auf die herkömmliche Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen bezogen ist und die Problematik der Vereinbarung von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit demgemäß nur als Einstellungshindernis für Frauen und Mütter negativ in den Blick genommen wird. In einem solchen Fall ist eine dahin gehende Anmerkung des Arbeitgebers nicht neutral, sondern unmittelbar auf die Bewerberin als Frau bezogen. Ob ein solcher Fall unmittelbarer Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliegt, ist eine Frage der zu prüfenden Indizwirkung. Es ist nicht Aufgabe der Personalpolitik, die gesellschaftliche Rollenverteilung zu ändern (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 32; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 74). Sie darf jedoch in der konkreten Personalentscheidung auch nicht zu Lasten einer Bewerberin an solche gesellschaftlichen Rollenverteilungen anknüpfen und sie in die Motivation der ablehnenden Entscheidung einbeziehen. Das Landesarbeitsgericht wird tatrichterlich zu entscheiden haben, ob beispielsweise in Ansehung des Mikrozensus 2010 vorliegend ein solches Vorgehen der Beklagten zu bejahen oder zu verneinen ist.

32

bb) Das Landesarbeitsgericht wird auch zu prüfen haben, ob die Art der Anmerkung und ihr Zustandekommen darauf hindeuten, dass darin tatsächlich eine solche unzulässige Motivation der Beklagten zum Ausdruck kommt. Es wird dabei die Betonung durch Unterstreichung und Ausrufezeichen sowie die Tatsache zu würdigen haben, dass die Klägerin bei ihrer Bewerbung das Alter ihres Kindes nicht angegeben hat, sondern dieses - aufwändig - von der Beklagten selbst errechnet wurde.

33

cc) Sofern das Landesarbeitsgericht bei erneuter Prüfung eine durch Hilfstatsachen ausgelöste Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts bejaht, hat die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast - mit dem Beweismaß des Vollbeweises, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO - dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Darzulegen und zu beweisen ist, dass die auf dem Lebenslauf der Klägerin vermerkte handschriftliche Ergänzung keine Anknüpfung an das Geschlecht beinhaltet, auch nicht im Sinne der dargestellten Rechtsprechung zum „Motivbündel“. Insofern hat das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend schon überlegt, dass weder eine vermeintlich bessere Qualifikation der eingestellten Bewerberin von Bedeutung ist, noch der Umstand, dass die bevorzugte Bewerberin keine Kinder hat. Dass sich die Beklagte auf letztere Tatsache bisher berufen hat, deutet im Gegenteil eher darauf hin, dass bei der Beklagten geschlechtsbezogene Überlegungen bei der Einstellungsentscheidung durchaus eine Rolle gespielt haben können.

34

III. Die Begründung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Klägerin bei der Ablehnung ihrer Bewerbung mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, was durch die Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem zurückgesandten Lebenslauf indiziert werde, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, da das statistische Material des Mikrozensus 2010 darauf bezogen nicht aussagekräftig ist.

35

1. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

36

a) Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung setzt das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus. Neutral iSv. § 3 Abs. 2 AGG sind die bezeichneten Regelungen stets dann, wenn sie nicht an einen verbotenen Anknüpfungsgrund nach § 1 AGG unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen. Als neutrale Regelungen kommen neben allen individual- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen auch solche Einzelmaßnahmen - etwa in Gestalt von Weisungen - in Betracht, die auf die Aufstellung oder die Anwendung einer allgemeinen Regel bzw. eines verallgemeinernden Kriteriums zurückgehen (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - Rn. 36 f., BAGE 138, 166; HWK/Rupp 6. Aufl. § 3 AGG Rn. 6; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 3 Rn. 74; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 21 f., die von einseitiger Aufstellung von Maßstäben oder Voraussetzungen durch den Arbeitgeber sprechen).

37

b) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG ist ein statistischer Nachweis nicht zwingend erforderlich, dass Personen, bei denen eines der Merkmale des § 1 AGG vorliegt, im Verhältnis zu Personen, bei denen dies nicht der Fall ist, zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden, wenn das Kriterium dazu typischerweise geeignet ist. Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut und entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet-utile, wonach die Regelungen einer Richtlinie innerhalb ihres Geltungsbereichs tatsächliche Wirksamkeit entfalten sollen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, BAGE 134, 160; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 29, BAGE 131, 342).

38

c) Nach der Rechtsprechung des EuGH wie des Senats können sich auch aus Statistiken grundsätzlich Indizien für eine Geschlechterdiskriminierung ergeben, also dafür, dass im Sinne einer mittelbaren Diskriminierung scheinbar neutrale Regelungen/Vorschriften, Kriterien, Leistungen oder Maßnahmen tatsächlich nur eine Gruppe von Merkmalsträgern, zB nur das eine Geschlecht überwiegend betreffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine mittelbare Diskriminierung etwa dann anzunehmen, wenn sich aus den verfügbaren statistischen Daten ergibt, dass ein wesentlich geringerer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen Arbeitnehmer die durch diese Regelung aufgestellten Voraussetzungen erfüllen kann (siehe EuGH 6. Dezember 2007 - C-300/06 - [Voß] Rn. 41, Slg. 2007, I-10573; 9. Februar 1999 - C-167/97 - [Seymour Smith und Perez] Rn. 59, Slg. 1999, I-623). Dabei ist es Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob die statistischen Daten über die Situation bei den Arbeitskräften aussagefähig sind und ob es sie berücksichtigen kann, ob sie sich auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und ob sie, generell gesehen, aussagekräftig erscheinen (EuGH 27. Oktober 1993 - C-127/92 - [Enderby] Rn. 17, Slg. 1993, I-5535).

39

2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechts infolge des handschriftlichen Zusatzes auf ihrem Lebenslauf nicht auf die statistischen Daten des Mikrozensus 2010 des Statistischen Bundesamtes gestützt werden.

40

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“ als eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift oder als ein solches Differenzierungskriterium angesehen.

41

b) Bei einer mittelbaren Diskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG können Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die dem Anschein nach neutral sind, jedoch eine Gruppe von Merkmalsträgern wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber einer anderen Gruppe in besonderer Weise benachteiligten, auch durch nicht arbeitgeberbezogene Statistiken belegt werden(vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, BAGE 134, 160; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 29, BAGE 131, 342).

42

c) Im Grundsatz ist es daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht den Mikrozensus 2010 als nicht arbeitgeberbezogene Statistik für die Beurteilung eines von ihm so verstandenen „dem Anschein nach neutralen Verhaltens“ herangezogen hat. Insoweit ist die Statistik des Mikrozensus jedoch vorliegend nicht aussagekräftig.

43

aa) Der Mikrozensus 2010 präsentiert Ergebnisse für verschiedene Lebensformen. Dem liegt das Lebensformenkonzept des Berichtsjahrs 2005 zugrunde, nach dem einerseits traditionelle Formen des (Zusammen-)Lebens wie Ehepaare oder Alleinstehende, andererseits alternative Lebensformen wie beispielsweise nichteheliche Lebensgemeinschaften oder Alleinerziehende unterschieden werden (Keller/Haustein Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ergebnisse des Mikrozensus 2010, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Januar 2012 S. 30). In dem Lebensformenkonzept wird die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung grundsätzlich entlang zweier „Achsen“ statistisch erfasst: Erstens der Elternschaft und zweitens der Partnerschaft. Die Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern sind als Anteil der aktiv erwerbstätigen Mütter und Väter an allen Müttern bzw. Vätern definiert. Die Vollzeitquote drückt den Anteil an allen aktiv Erwerbstätigen aus (vgl. Keller/Haustein aaO S. 31). Aus dem Mikrozensus geht hervor, dass Ehefrauen mit Kindern zu 60 %, verheiratete Väter zu 85 % berufstätig waren. Gravierende Unterschiede bestehen hinsichtlich des Umfangs der ausgeübten Tätigkeit, da nur 25 % der erwerbstätigen, verheirateten Mütter in Vollzeit arbeiteten im Gegensatz zu 95 % der verheirateten Väter (Keller/Haustein aaO S. 36/37).

44

bb) Von diesen Daten kann nicht auf eine mittelbare Benachteiligung der Klägerin als Bewerberin geschlossen werden. Der Mikrozensus untersucht nur, aufgeteilt in Lebensformen, die jeweilige Quote der Beschäftigung und in diesem Zusammenhang auch die Verteilung auf die Geschlechter. Vorliegend geht es jedoch nicht um eine Beschäftigung, sondern um eine angestrebte Beschäftigung, also um die Frage der Behandlung von Bewerbungen. Den Ergebnissen des Mikrozensus können keine Zahlenangaben/Geschlechterquoten hinsichtlich des Erfolges oder Misserfolges von Bewerbungen oder angestrebten Beschäftigungen in Vollzeitarbeit entnommen werden.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Burr    

        

    Bloesinger    

                 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.


Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.11.2013 - 2 Ca 360/13 - unter Ziffer 2. des Urteilstenors wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 6.000,00 € zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Die Berufung der Beklagten wird insgesamt zurückgewiesen.

IV. Die Klägerin hat 36 % und die Beklagte 64 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 23 % der Klägerin und zu 77 % der Beklagten auferlegt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich im Wesentlichen über Ansprüche der Klägerin aufgrund geschlechtsspezifischer Benachteiligung.

2

Die am …1959 geborene Klägerin ist seit dem 09.02.1998 als Produktionsmitarbeiterin im Schuhfabrikationsbetrieb der Beklagten beschäftigt.

3

Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohnes), das Weihnachtsgeld (40 % eines Monatslohnes) sowie das Urlaubsgeld (46,5 % eines Monatslohnes) berechnete die Beklagte für Frauen bis zum 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage deren niedrigeren Stundenlohnes. Die hieraus resultierende Vergütungsdifferenz beläuft sich, wie zwischen den Parteien zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig geworden ist, für die Jahre 2009 bis 2012 auf insgesamt 11.016,30 EUR brutto.

4

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dieser Ungleichbehandlung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit ab dem 01.01.2009 sowie einen diesbezüglichen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und wegen dieser und anderer Ansprüche mit ihrem am 28.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Schriftsatz Klage erhoben.

6

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.11.2013 (Bl. 351 bis 359 d. A.).

7

Die Klägerin hat beantragt,

8

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz rückständigen Lohn in Höhe von 12.156,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,

9

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 9.194,50 EUR belaufen soll, zu zahlen,

10

3. die nachzuzahlen Löhne für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2012 ordnungsgemäß abzurechnen und der Klägerpartei entsprechende Gehaltsabrechnungen zu erteilen

11

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob die Klägerpartei auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohnes und der übrige Vergütungsbestandteile, insbesondere des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

12

5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr zu gewähren,

13

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 2.000,00 EUR belaufen soll, zu zahlen,

14

7. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei eine von der Geschäftsführung der Beklagten unterzeichnete Niederschrift über die zwischen den Parteien geltenden Arbeitsvertragsbedingungen zu erteilen, die folgenden Inhalt hat:

15

a) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 40 % des Bruttolohns, welches gemeinsam mit dem Gehalt für den Monat November gezahlt wird.

16

b) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich ein Urlaubsgeld in Höhe von 46,5 % des Bruttolohns. Das Urlaubsgeld wird in zwei Teilbeträgen à 23,25 % des Bruttogehalts gemeinsam mit den Gehältern für die Monate Juli und Oktober des Kalenderjahrs gezahlt.

17

c) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich eine Anwesenheitsprämien in Höhe von 5 % des monatlichen Bruttolohns, die gemeinsam mit dem Gehalt für den jeweils abgelaufenen Monat ausgezahlt wird.

18

Die Gewährung von Erholungsurlaub im fraglichen Kalendermonat führt nicht zu einer Reduzierung der Anwesenheitsprämie.

19

d) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich eine stückzahlabhängige Leistungsprämie.

20

e) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei bei Bestehen eines gültigen Vertrages über vermögenswirksame Leistungen verbindlich und unwiderruflich einen Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen i.H.v. 19,94 EUR brutto monatlich.

21

f) Die Beklagte gewährt der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr. Im laufenden Kalenderjahr nicht in Anspruch genommener Erholungsurlaub kann ins folgende Kalenderjahr übertragen werden. Der Anspruch auf Gewährung des übertragenen Erholungsurlaubs verfällt nicht, insbesondere nicht zum 31. März des Folgejahres.

22

8. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Klägerpartei die Zusammensetzung und Höhe der mit der Klägerpartei vereinbarten stückzahlabhängigen Leistungsprämien sowie deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen.

23

Die Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.11.2013 dem Klageantrag zu 1) teilweise i. H. v. 11.016,30 EUR brutto, dem Klageantrag zu 2) teilweise i. H. v. 5.129,04 EUR brutto sowie den Klageanträgen zu 3), zu 7) d und zu 8) in vollem Umfang stattgegeben. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 10 bis 27 dieses Urteils (= Bl. 359 bis 376 d. A.) verwiesen.

26

Gegen das ihr am 13.12.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.01.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 06.02.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.03.2014 begründet.

27

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.12.2013 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 13.01.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 11.02.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.03.2014 begründet.

28

Die Berufungsschrift der Klägerin ist zunächst am 13.01.2014 per Telefax in unvollständiger Form beim Berufungsgericht eingegangen. Das betreffende Telefax enthält lediglich die erste Seite der Berufungsschrift, auf der unter der Überschrift "Berufung" zwar die Parteien sowie deren Prozessbevollmächtigten, jedoch weder das erstinstanzliche Gericht noch das erstinstanzliche Aktenzeichen angegeben sind und auf der sich keine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin befindet. Das Original der Berufungsschrift ist sodann in vollständiger und vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichneter Fassung am 15.01.2014 beim Berufungsgericht eingegangen.

29

Nachdem die Klägerin mit Schreiben des Gerichts vom 30.01.2014 auf die Unvollständigkeit der per Telefax eingereichten Berufungsschrift hingewiesen worden war, hat sie am 06.02.2014 beantragt, ihr wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und diesen Antrag zugleich begründet. Wegen des Inhalts der Begründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.02.2014 (Bl. 414 bis 418 d. A.) sowie auf die eidesstattliche Versicherung der beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten M. (Bl. 419 bis 421 d. A.) Bezug genommen.

30

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, die Anträge auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen und auf Zahlung einer Entschädigung seien bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt habe. Der Klägerin sei während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung positiv bekannt gewesen, dass die männlichen Produktionsmitarbeiter einen höheren Lohn erhielten als die weiblichen. Die geschlechtsbezogenen Lohnunterschiede seien im Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Arbeitsgericht auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht ausreichend berücksichtigt. Eine offene Ungleichbehandlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndiskriminierung. Der Antrag der Klägerin auf Erteilung ordnungsgemäßer Abrechnungen sei bereits in Ermangelung der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit unzulässig.

31

Die Beklagte beantragt,

32
1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
33
2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
34

Die Klägerin beantragt (zuletzt, nach teilweiser Berufungsrücknahme),

35
1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und
36
a) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin wegen erfolgter Lohndiskriminierung und Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 AGG sowie aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu zahlen, die sich jedoch mindestens auf 7.735,72 EUR belaufen soll,
37
b) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerpartei Auskunft darüber zu erteilen, ob und seit wann die Klägerpartei in Ausübung ihrer Tätigkeit als festangestellte, nicht nach Tarifvertrag beschäftigte, nach dem Arbeitsvertrag als gewerbliche "Produktionsmitarbeiterin" der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmerin in dem von ihr tatsächlich ausgeübten Umfang der Beschäftigung in der Zeit seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.12.2008 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile, insbesondere des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der Anwesenheitsprämie, sowie eventueller Überstundenzuschläge im Verhältnis zu männlichen Arbeitskollegen mit gleicher Beschäftigung - d.h. laut Arbeitsvertrag als Produktionsmitarbeiter eingestellt und beschäftigt - ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Vergütung als bei den männlichen Kollegen stattfand und wie hoch der Stundenlohn, das Weihnachtsgeld, das Urlaubsgeld und die Anwesenheitsprämie sowie der Überstundenzuschlag der männlichen Produktionsmitarbeiter jeweils war.
38
2. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
39

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu niedrig bemessen, indem es eine Entschädigung in Höhe dreier Bruttomonatslöhne für angemessen erachtet und bei der Berechnung nur den Grundlohn zugrunde gelegt habe. Sie - die Klägerin - halte eine Entschädigung in Höhe von mindestens vier Bruttomonatslöhnen für angemessen, wobei je in die Durchschnittsberechnung auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Anwesenheitsprämie einfließen müssten. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hinreichend bestimmt. Es treffe auch nicht zu, dass der Klage insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

40

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

41

I. 1. Die statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig.

42

Zwar hat die Klägerin die einmonatige Berufungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG versäumt, da die noch innerhalb der Berufungsfrist beim Berufungsgericht per Telefax eingegangene Berufungsschrift unvollständig, insbesondere nicht unterzeichnet, und die vollständige Berufungsschrift erst am 15.01.2014, somit nach Ablauf der Berufungsfrist bei Gericht eingegangen ist. Der Klägerin war jedoch auf ihren Antrag hin wegen der Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

43

Der fristgerechte Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie ohne eigenes Verschulden sowie auch ohne ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten.

44

Die Versäumung der Berufungsfrist beruht - unter Zugrundelegung des glaubhaft gemachten Vorbringens der Klägerin - ausschließlich auf dem Umstand, dass die mit der Versendung des die Berufungsschrift beinhaltenden Telefaxes und der Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Übermittlung beauftragte Rechtsanwaltsfachangestellte M. es entgegen der in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers bestehenden eindeutigen Weisung versäumte, das Sendeprotokoll nicht nur auf das Vorhandensein eines OK-Vermerks, sondern auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten hin zu überprüfen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte seinerseits mit der allgemeinen Weisung, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls insbesondere auch zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig an den richtigen Empfänger erfolgt ist, seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze genüge getan (vgl. BGH v. 14.05.2008 - XII ZB 34/07 - NJW 2008, 2508). Ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Organisationsverschulden liegt daher nicht vor.

45

Die auch form- sowie fristgerecht begründete und somit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nur zum Teil begründet.

46

2. Die statthafte Berufung der Beklagten ist zum Teil unzulässig.

47

Zwar hat die Beklagte ihre Berufung form- und fristgerecht eingelegt und diese auch fristgerecht begründet. Soweit die Beklagte jedoch mit ihrem Berufungsantrag das erstinstanzliche Urteil auch insoweit anficht, als das Arbeitsgericht den auf Erteilung eines Nachweises gerichteten erstinstanzlichen Klageanträgen zu 7) d und 8) stattgegeben hat, so genügt die Berufungsbegründung nicht den in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO normieren Voraussetzungen. Nach dieser Vorschrift muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Vorliegend enthält die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten bezüglich des vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Anspruchs der Klägerin auf Erteilung eines Nachweises keinerlei Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils. Insoweit fehlt es vielmehr an jeglichen Ausführungen.

48

Die Berufung der Beklagten war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Urteilstenor gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

49

Die im Übrigen insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

50

II. 1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.12.2012 einen Anspruch hat auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn sowie sonstiger Vergütungsbestandteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) und derjenigen Vergütung, welche die Beklagte in diesem Zeitraum an ihre männlichen Produktionsmitarbeiter gezahlt hat. Der Gesamtbetrag beläuft sich - wie zwischen den Parteien in zweiter Instanz unstreitig geworden ist - auf den vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Betrag von 11.016,30 EUR brutto. Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 22.11.2012 ab dem 12.12.2012 mit der Leistung in Verzug befand.

51

a) Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn und dementsprechend auch niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

52

Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der in rechnerischer Hinsicht unstreitigen Differenzbeträge in Höhe von insgesamt 11.016,30 EUR brutto. Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs.1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz wider-sprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 BGB Abs. 3 BGB a.F. stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG v. 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Teilzeit). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG v. 11.02.2007 - 3 AZR 249/06 - AP Nr. 1 zu § 2 AGG). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" er-folgen.

53

b) Die Ansprüche der Klägerin sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Nach dieser Vorschrift muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Erfüllungsanspruch unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG (BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - AP Nr. 72 zu § 16 BetrAVG Nr. 72, Rz. 23; BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - NZA 2010, 159, Rz. 37; MüKoBGB/Thüsing, 6. Auflage, AGG § 15, Rz. 32; BeckOK ArbR/Roloff, AGG, § 15, Rz. 12).

54

c) Die geltend gemachten Erfüllungsansprüche für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.12.2012 sind nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den auf das Jahr 2009 entfallenden Teil der geltend gemachten An-sprüche. Zwar hat die Klägerin ihre Klage erst am 28.01.2013 eingereicht. Die Parteien haben jedoch unstreitig am 18.12.2012 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt die Beklagte auf die Einrede der Verjährung bezüglich solcher Ansprüche verzichtete, die nicht bereits bei Abschluss der betreffenden Vereinbarung verjährt waren. Eine Verjährung der vorliegend streitbefangenen Erfüllungsansprüche war, auch soweit sie noch aus dem Jahr 2009 resultieren, am 18.12.2012 noch nicht eingetreten.

55

2. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag jedoch auf 6.000,00 EUR zu erhöhen.

56

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar bei der Entgeltzahlung benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 1 AGG verstoßen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.

57

b) Hinsichtlich der Höhe des hieraus resultierenden Entschädigungsanspruchs räumt § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG dem Gericht einen Beurteilungsspielraum ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechten gewährleisten. Die Härte der Sank-tion muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (BAG v. 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - zitiert nach juris).

58

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung in Höhe von 6.000,00 EUR für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis zum 31.12.2012 über Jahre hinweg bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer dieser Benachteiligung gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrages, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (BAG v. 18.03.2010 - 8 AZR 1044/08 - NZA 2010, 1129). Überdies ist von einem vorsätzlichen und nicht nur lediglich fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der bei ihr beschäftigten Frauen aufgrund des Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass - unter Zugrundelegung ihrer Behauptungen - die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern im Betrieb nicht verdeckt erfolgte, sondern jederzeit "offen kommuniziert" wurde. Die geschlechtsbezogene, bis zum 31.12.2012 fortgesetzte Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen beim Entgelt war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung nach dem Vorbringen der Beklagten offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.

59

Die Höhe der Arbeitsvergütung der Klägerin ist für die Bemessung der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt ist zwar ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG). Vorliegend erfolgte die Diskriminierung jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (BAG v. 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - AP Nr. 1 zu § 15 AGG).

60

Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BAG v. 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - NZA 2014, 372; KR/Treber, 10. Auflage, § 15 AGG, Rz. 27, m. w. N.). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Monatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen u. a. wegen der Arbeitszeiten für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, so ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau in gleicher Weise erheblich. Die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrages von 6.000,00 EUR erscheint daher angemessen.

61

c) Die Klägerin hat ihren Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 22.11.2012 rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 für gleiche Arbeit eine geringere Vergütung gezahlt als den männlichen Produktionsmitarbeitern. Somit lag ein Dauertatbestand vor, mit der Folge, dass die Ausschlussfrist erst mit dessen Beseitigung ab Jahresanfang 2013 begann. Wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - AP Nr. 2 zu § 3 AGG).

62

Die Klägerin hat auch die Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG gewahrt, indem sie ihre Klage auf Zahlung von Entschädigung am 28.01.2013 und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs beim Arbeitsgericht eingereicht hat.

63

3. Die Klage auf Erteilung von Gehaltsabrechnungen (erstinstanzlicher Klageantrag zu 3) ist zulässig und begründet.

64

Das Berufungsgericht folgt insoweit uneingeschränkt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter III. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

65

4. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren weiterverfolgte Klage auf Erteilung einer Auskunft darüber, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, ist unzulässig.

66

Der Auskunftsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dies ergibt sich bereits da-raus, dass die Klägerin zwischenzeitlich eine Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 erhoben hat. Die Klägerin hat sich demnach in der Lage gesehen, ihren Anspruch zu beziffern. Dies spricht dafür, dass sie zur Durchsetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf die begehrte Auskunft nicht (mehr) zwingend angewiesen ist, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage fehlt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient nicht (mehr) der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens (vgl. BGH v. 29.03.2011 - VI ZR 117/10 - NJW 2011, 1815).

67

III. Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

68

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 516 Abs. 3 ZPO.

69

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.


Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6.8.2014 - 2 Ca 3713/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.374,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.8.2013 zu zahlen.
2) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat 67 % und die Beklagte 33 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 10 % der Klägerin und zu 90 % der Beklagten auferlegt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aufgrund geschlechtsspezifischer Benachteiligung.

2

Die Klägerin war seit dem 01.12.1994 als Produktionsmitarbeiterin im Schuhfabrikationsbetrieb der Beklagten beschäftigt.

3

Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 einen Stundenlohn von 8,45 €, danach einen Stundenlohn von 8,61 €. Demgegenüber belief sich der Stundenlohn der Männer, die mit der gleichen Arbeit wie die Klägerin betraut waren, vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2003 auf 9,56 € und danach auf 9.66 €.

4

Ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund bestand unstreitig nicht. Auch die ihren Mitarbeitern gewährte Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohnes) sowie das Weihnachtsgeld (Berechnungsformel: 172 Stunden x Stundengrundlohn x 40 %) und das Urlaubsgeld (Berechnungsformel: 28 Tage x Stundengrundlohn x 8 Stunden x 46,5 %) berechnete die Beklagte für die bei ihr beschäftigten Frauen bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage deren niedrigeren Stundenlohnes.

5

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung - jedenfalls betreffend die Zeit ab dem 01.01.2009 - ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt von dieser Ungleichbehandlung Kenntnis hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

6

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit ab dem 01.01.2009 sowie einen diesbezüglichen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und die Beklagte darüber hinaus aufgefordert, "umfassend" Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich ihrer Arbeitsvergütung und sonstiger Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Im Rahmen eines zwischen den Parteien außergerichtlich geführten Schriftwechsels haben diese am 18.12.2012 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt die Beklagte auf die Einrede der Verjährung diesbezüglicher Ansprüche verzichtete, die nicht bereits bei Abschluss der betreffenden Vereinbarung verjährt waren. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über die Höhe der Arbeitsvergütung der Männer, die mit der gleichen Tätigkeit wie die Klägerin beschäftigt sind, hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2002 mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilt,

7

Mit einer am 28.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage (ArbG Koblenz, Az. 2 Ca 359/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz Az., 4 Sa 13/14) hat die Klägerin die Beklagte u.a. auf Nachzahlung für die Zeit ab dem 01.01.2009, auf Zahlung einer Entschädigung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Klage war hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche überwiegend erfolgreich, die Klage auf Auskunftserteilung blieb hingegen erfolglos.

8

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.07.2013 forderte die Klägerin von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung die Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Anwesenheitsprämien sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 31.12.2008 und erklärte zugleich, dass sie die betreffenden Beträge für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als "Entgeltfortzahlungsansprüche, Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend mache.

9

Mit ihrer am 09.10.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Anwesenheitsprämien, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses einschließlich 31.12.2008 sowie darüber hinaus mit klageerweiternden Schriftsatz vom 30.05.2014 auch auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderter Krankengeldzahlungen ihrer Krankenkasse in Anspruch genommen.

10

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Ansprüche der Klägerin seien nach § 15 Abs. 4 AGG ausgeschlossen. Jedenfalls jedoch seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Arbeitsvergütung sei bereits vor dem 01.01.2009 im Betrieb allgemein und auch der Klägerin bekannt gewesen.

11

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.08.2014 (Bl. 491 - 501 d.A.).

12

Die Klägerin hat erstinstanzlich (zuletzt, nach teilweiser Klagerücknahme) beantragt,

13

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.946,85 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.08.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus den Zeiten vor 2009 seien verjährt, da spätestens zum 31.12.2008 zumindest von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von den ihre Ansprüche begründenden Umständen auszugehen sei. Wegen aller Einzelheiten der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 501 - 513 d.A. verwiesen.

17

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.10.2014 zugestellte Urteil am Montag, dem 17.11.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 16.12.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 16.01.2015 begründet.

18

Die Klägerin, die im Berufungsverfahren ihre Klage auf den Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 beschränkt hat, macht im Wesentlichen geltend, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG komme nicht zum Tragen, da es vorliegend nicht um Schadensersatz -, sondern um Erfüllungsansprüche gehe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die geltend gemachten Ansprüche auch nicht verjährt. Dies gelte jedenfalls für die nunmehr noch weiterverfolgten Ansprüche aus der Zeit ab dem 01.12.2002, da die Beklagte (unstreitig) am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich solcher Ansprüche verzichtet habe, die nicht bereits bei Erklärung dieses Verzichts verjährt gewesen seien. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass die Beklagte nicht ansatzweise substantiiert dargetan habe, dass ihr - der Klägerin - bereits vor der Betriebsversammlung im September 2012 bekannt gewesen sei, dass sie die bei ihr beschäftigten Frauen generell schlechter vergüte als Männer. Erstmals in der Betriebsversammlung im September 2012 habe sie erfahren, dass dies - jedenfalls ab dem Jahr 2009 - der Fall gewesen sei. Sämtlicher Sachvortrag der Beklagten bezüglich einer früheren Kenntniserlangung sei unsubstantiiert bzw. unerheblich. Es treffe auch keineswegs zu, dass sie - die Klägerin - infolge grober Fahrlässigkeit von den anspruchsbegründenden Umständen keine Kenntnis genommen habe. Wegen ihrer geschlechtsbezogenen Diskriminierung habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto. Dieser Betrag errechne sich unter Zugrundelegung der in der von der Beklagten für den Monat Dezember 2002 für den betreffenden Monat und in den Dezemberabrechnungen der Jahre 2003 bis 2008 jeweils für das vorangegangene Kalenderjahr ausgewiesenen, auf Stundenbasis bemessenen Gesamt-Vergütung (zusammengesetzt aus Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und der diesen Beträgen jeweils zugrundeliegenden Anzahl vergüteter Stunden. Des Weiteren habe sie gegen die Beklagte für die Jahre 2003 bis 2008 infolge der Diskriminierung und auf Grundlage der unstreitigen Berechnungsformeln Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto und Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto. Auch bezüglich der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter allmonatlich ausgezahlten Anwesenheitsprämie von 5 % der Summe aus Bruttogrundlohn und (eventuellem) Urlaubsentgelt stehe ihr ein Nachzahlungsanspruch zu. Diesbezüglich sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte diese Anwesenheitszulage in der Vergangenheit vollständig gestrichen habe, wenn der betreffende Arbeitnehmer auch nur einen Tag im Monat krankheitsbedingt gefehlt habe. Diese Verfahrensweise verstoße gegen § 3 EFZG, da es sich bei der Anwesenheitszulage um eine laufende Lohnleistung handele. Der auf der Diskriminierung beruhende Nachzahlungsanspruch sei daher ohne die krankheitsbedingte Kürzung zu berechnen und belaufe sich auf insgesamt 525,47 €. Letztlich habe sie gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung von 1.479,45 Euro, der daraus resultiere, dass sie in den Jahren 2005 und 2008 von ihrer Krankenkasse ein lediglich auf Grundlage der von der Beklagten gezahlten, zu geringen Arbeitsvergütung errechnetes Krankengeld bezogen habe.

19

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 16.01.2015 (Bl. 610 - 673 d.A.), insbesondere auf die dort enthaltene Berechnung der geltend gemachten Ansprüche (Bl. 663 - 673 d.A.) sowie auf den ergänzenden Schriftsatz der Klägerin vom 08.01.2016 (Bl. 1042 - 1061 d.A.) Bezug genommen.

20

Die Klägerin beantragt (nach teilweiser Berufungsrücknahme),

21

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.888,46 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 04.05.2015 (Bl. 888 - 907 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

25

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg.

26

II.1. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

27

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klage die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Jeder Anspruch muss identifizierbar sein. Der angegebene Grund muss erkennen lassen, aus welchem Lebenssachverhalt der geltend gemachte Anspruch herrührt. Der zugrundeliegende Sachverhalt darf nicht beliebig sein (BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 160/01 - AP Nr. 40 zu § 253 ZPO).

28

Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in einem Gesamtbetrag zusammengefasst hat, ohne diese Ansprüche jeweils einzelnen Zeitabschnitten (Zeiten der Arbeitsleistung, Urlaubszeiten, Krankheitszeiten) zuzuordnen. Die Klage richtet sich insoweit erkennbar auf Nachzahlung eines bestimmten Differenzbetrages wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung für jede von der Beklagten in der Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 auf Basis eines bestimmten Stundenlohnes und einer bestimmten Anzahl von Stunden gezahlte Vergütung, sei es Arbeitslohn, Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit sind sowohl Gegenstand als auch Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt.

29

2. Die Klage ist, soweit sie die Klägerin mit ihrer Berufung weiterverfolgt, überwiegend begründet.

30

Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in Höhe von insgesamt 11.667,89 € brutto, auf Nachzahlung von Urlaubsgeld in Höhe von 778,08 € brutto, auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 437,57 € brutto und auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien in Höhe von 491,40 € brutto. Soweit die Klägerin bezüglich der Anwesenheitsprämien die Nachzahlung eines höheren Betrages begehrt, erweist sich die Klage als unbegründet. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges besteht nicht.

31

a) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin beruhen auf geschlechtsbezogener Diskriminierung.

32

Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Dementsprechend hat die Beklagte (ebenfalls unstreitig) auf Basis des geringeren Stundenlohnes der Klägerin auch niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld, niedrigere Krankenvergütung sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gewährt als den in der Produktion beschäftigten Männern. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

33

Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB a.F. stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG v. 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Teilzeit). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG v. 11.02.2007 - 3 AZR 249/06 - AP Nr. 1 zu § 2 AGG). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

34

b) Die im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Ansprüche der Klägerin sind - mit Ausnahme des Anspruchs auf Zahlung von Schadensersatz wegen verminderten Krankengeldbezuges - nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.

35

aa) Nach § 15 Abs. 4 AGG muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Erfüllungsanspruch unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG (BAG v. 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - AP Nr. 72 zu § 16 BetrAVG Nr. 72, Rz. 23; BAG v. 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - NzA 2010, 159, Rz. 37; MüKoBGB/Thüsing, 6. Aufl., AGG § 15, Rz. 32; BeckOK ArbR/Roloff, AGG § 15, Rz. 12).

36

bb) Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der aufgrund der zu geringen Lohnzahlung der Beklagten eingetretenen Verringerung des von der Krankenkasse geleisteten Krankengeldes. Dieser Anspruch unterfällt zweifellos der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG. Die Klägerin hat diese Frist nicht gewahrt.

37

Hinsichtlich des Fristbeginns, d.h. der Frage, wann Kenntniserlangung von der Benachteiligung vorliegt, kann auf die Maßstäbe des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Maßgabe zurückgegriffen werden, dass wegen des Wortlauts von § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht genügt. Kenntnis von der Benachteiligung hat der Arbeitnehmer daher dann, wenn er Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat. Für Schadensersatzansprüche ist anerkannt, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist darauf ankommt, ob der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - erheben kann, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen soviel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist. Diese Grundsätze können im Wesentlichen auf den Fristbeginn des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG bzgl. eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG übertragen werden (BAG vom 15.03.2012 - 8 AZR 160/11 -, juris). Hiervon ausgehend begann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG vorliegend im Zeitpunkt der im September 2012 bei der Beklagten stattgefundenen Betriebsversammlung. Bei dieser hat die Klägerin - unter Zugrundelegung ihres eigenen Sachvortrages - Kenntnis davon erlangt, dass sie jedenfalls seit dem 01.01.2009 hinsichtlich der Arbeitsvergütung wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden war. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, dass diese Diskriminierung nicht auch schon bereits vor dem Jahr 2009 stattgefunden hat, sind nicht ansatzweise ersichtlich. Der Klägerin war es daher ab dem Tag der Betriebsversammlung zumutbar, ihren Schadensersatzanspruch zumindest - was ausreichend gewesen wäre - in unbezifferter Form schriftlich gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

38

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 enthält keine Geltendmachung der vorliegend auf das Krankengeld bezogenen streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche. Das betreffende Schreiben bezieht sich seinem Inhalt nach vielmehr ausschließlich auf die diskriminierungsbedingten Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche der Klägerin für die Zeit ab dem 01.01.2009. Zwar wurde die Beklagte zugleich aufgefordert, darüber Auskunft zu erteilen, ob die Klägerin auch bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Dies stellt jedoch keine Geltendmachung im Sinne von §§ 15 Abs. 4 AGG des vorliegend streitbefangenen Schadensersatzanspruchs dar. Eine solche Geltendmachung erfordert zwar keine Bezifferung des Anspruchs. Notwendig ist jedoch dessen hinreichende Individualisierung (BeckOK Arbeitsrecht/Roloff, AGG § 15 Rz. 14 m.w.N.). Diesem Erfordernis wird das Geltendmachungsschreiben vom 23.11.2012 hinsichtlich des von der Klägerin nunmehr geforderten Schadensersatzes nicht gerecht. Dem Schreiben lässt sich nicht ansatzweise der Wille der Klägerin entnehmen, neben den Erfüllungsansprüchen weitere Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

39

Eine erstmalige schriftliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erfolgte mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.07.2013, in welchem dieser erklärte, die diskriminierungsbedingten Ansprüche für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses auch als "Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG bereits abgelaufen.

40

c) Die streitgegenständlichen Nachzahlungs- bzw. Erfüllungsansprüche sind (lediglich) insoweit verjährt, als die Klägerin die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für diejenigen Monate begehrt, für welche die Beklagte diese Prämie wegen Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat. Ansonsten ist keine Verjährung eingetreten.

41

aa) Die streitgegenständlichen Erfüllungsansprüche unterfallen der zehnjährigen Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB. Da die Beklagte am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich derjenigen diskriminierungsbedingten Nachzahlungsansprüche der Klägerin verzichtet hat, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, reicht die Verjährungshöchstfrist vorliegend zurück bis auf den 18.12.2002 mit der Folge, dass sie auch noch die Ansprüche der Klägerin für Dezember 2002 umfasst, da diese erst mit Ablauf des betreffenden Monats fällig geworden und damit im Sinne von § 199 Abs. 4 BGB entstanden sind. Zwar unterliegen die Zahlungsansprüche der Klägerin der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, diese hat jedoch nicht vor dem 01.01.2009 zu laufen begonnen. Denn die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht dargetan, dass die Klägerin vor dem 01.01.2009 gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den ihren Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

42

(1) Die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BAG v. 20.11.2013 - 5 AZR 767/12 -, juris). Bloße Vermutungen, Gerüchte oder ein Verdacht hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände reichen jedoch nicht aus (BGH v. 15.10.1992 - IX ZR 43/92 - NJW 1993, 684).

43

Kenntnis von den einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung begründenden Umständen hat eine Arbeitnehmerin - auch unter Berücksichtigung der Beweislastregel des § 22 AGG - dann, wenn sie weiß, dass ihr Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten Frauen generell schlechter vergütet als die Männer. Nicht ausreichend ist insoweit jedoch die Kenntnis davon, dass etwa nur einige, d. h. eine begrenzte Anzahl der beschäftigten Männer eine höhere Arbeitsvergütung erhalten als eine oder mehrere mit vergleichbaren Arbeitstätigkeiten betrauten Frauen, da sich hieraus noch nicht der Rückschluss ziehen lässt, dass die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen auf einem generalisierenden Prinzip beruht.

44

Hiervon ausgehend erweist sich das Vorbringen der Beklagten bezüglich einer den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB bereits vor dem 01.01.2009 auslösenden Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen als unzureichend. Dem gesamten Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten Gespräche, Erklärungen, Ereignisse oder sonstigen Umständen gerade (auch) die Klägerin Kenntnis davon erlangt haben könnte, dass die im Betrieb beschäftigten Frauen generell eine geringere Arbeitsvergütung erhielten als Männer.

45

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bereits im Rahmen ihres Einstellungsgesprächs auf die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen hingewiesen wurde. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die Produktionsmitarbeiterinnen hiervon "in aller Regel" bereits bei der Einstellung in Kenntnis gesetzt zu haben. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass dies gerade auch bei der Einstellung der Klägerin der Fall war. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Lohnstrukturen im Unternehmen seien stets bekannt und Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Konflikte gewesen, so lässt sich hieraus nichts für den konkreten Kenntnisstand der Klägerin ableiten. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, die Lohnstrukturen seien stets "offen kommuniziert" worden. Dieses Vorbringen steht im Übrigen in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte (unstreitig) auch Arbeitsverträge verwendet, die hinsichtlich der Arbeitsvergütung eine Verschwiegenheitsklausel enthalten. Auch wenn es - wie von der Beklagten behauptet - Beschwerden einzelner Frauen, u. U. sogar der Klägerin selbst, darüber gab, weniger zu verdienen als ein oder mehrere vergleichbare Männer, so ergibt sich hieraus noch nicht, dass die Frauen Kenntnis davon hatten, dass diese Ungleichbehandlung auf einem generalisierenden Prinzip beruhte. Diese gilt erst Recht für die Behauptung der Beklagten, die Ungleichbehandlung sei Gegenstand einer Vielzahl von Gesprächen zwischen Mitarbeitern im Betrieb gewesen. Der Umstand, dass am Standort der Beklagten im Jahr 2006 anlässlich der Einführung des AGG eine Schulung gemäß § 12 Abs. 2 AGG stattgefunden hat, ist für die Beurteilung des Kenntnisstandes der Klägerin ohne Belang. Zum einen ist die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten, wonach diese an der betreffenden Schulung selbst überhaupt nicht teilgenommen hat. Zum anderen kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Betrieb der Beklagten Gegenstand dieser Schulung war. Völlig unerheblich ist auch der Hinweis der Beklagten auf einen Zeitungsartikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit" aus dem Jahr 1996, dessen Inhalt Rückschlüsse auf eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen innerhalb der der Beklagten zugehörigen Unternehmensgruppe zulässt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von diesem Zeitungsartikel vor dem 01.01.2009 Kenntnis erlangt hat. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Erklärungen anderer Mitarbeiterinnen berufen, wonach die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen "allen" Beschäftigten "stets" bekannt gewesen sei. Aus den betreffenden Erklärungen ergibt sich nämlich weder, auf welche konkreten Tatsachen bzw. Informationen die Mitarbeiterinnen, die eine solche Erklärung abgegeben haben, ihre Erkenntnis stützen, noch, wann und auf welche Weise der Klägerin das Wissen von der generellen Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen vermittelt worden sein soll. Eine diesbezügliche Wissensvermittlung lässt sich auch ansonsten dem gesamten Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen.

46

Dem Antrag der Beklagten, die Klägerin als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, sie - die Klägerin - habe aus zahlreichen Gesprächen mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen seit ihrer Einstellung Kenntnis davon, dass weibliche Produktionsmitarbeiter im Betrieb grundsätzlich niedrigere Löhne erhielten als männliche Produktionsmitarbeiter, war nicht zu entsprechen. Denn bei diesem, auf die Feststellung einer inneren Tatsachen bezogenen Beweisantrag handelt es sich in Ermangelung jeglicher Angaben, aufgrund welcher konkreten Gespräche die Klägerin die behauptete Kenntnis erhalten haben soll, sowie in Ermangelung ausreichender Indizien, die für eine solche Kenntniserlangung sprechen könnten, um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Erst aufgrund der Erhebung des angebotenen Beweises, d. h. der Parteivernehmung der Klägerin könnte die Beklagte möglicherweise in die Lage versetzt werden, den ihr obliegenden substantiierten Tatsachenvortrag zu liefern.

47

(2) Die Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen beruhte auch nicht auf grober Fahrlässigkeit i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Eine solche liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH v. 23.09.2008 - XI ZR 395/07 - NJW 2009, 587, m.w.N.). Danach kann vorliegend eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin vor dem 01.01.2009 davon, dass die Beklagte Frauen generell geringer vergütete als Männer, nicht bejaht werden. Diesbezüglich ist nämlich zu berücksichtigen, dass es der Klägerin selbst dann, wenn sie von der vergütungsmäßigen Besserstellung einzelner oder einiger Männer gegenüber den Frauen im Betrieb Kenntnis hatte, nicht zumutbar war, eigene Nachforschungen über die Lohnstrukturen im Betrieb anzustellen, um zu ermitteln, ob eine generalisierende Schlechterstellung von Frauen gegeben war. Ein Betriebsrat, an den sich die Klägerin hätte wenden können, existierte bei der Beklagten unstreitig bis 2013 nicht. Erkundigungen der Klägerin bei all ihren Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen über die Höhe der Arbeitsvergütung wären naturgemäß zumindest teilweise auf Unverständnis gestoßen und im Falle einer gewissen Beharrlichkeit der Klägerin auch geeignet gewesen, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen.

48

bb) Verjährt sind die Nachzahlungsansprüche der Klägerin jedoch insoweit, als sie die Zahlung einer Anwesenheitsprämie auch für solche Monate bis einschließlich 2008 begehrt, für welche die Beklagte ihr wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten diese Anwesenheitsprämie überhaupt nicht ausgezahlt hat.

49

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB begann insoweit gemäß § 199 Abs. 1 BGB jeweils mit Schluss des Kalenderjahres, innerhalb dessen die Beklagte die Anwesenheitsprämie der Klägerin für einzelne Monate wegen Fehlzeiten gestrichen hat. Die Klägerin hatte auch, geht man mit ihr von einer Unzulässigkeit der Verfahrensweise der Beklagten aus, Kenntnis von den Umständen, die einen hieraus resultierenden Nachzahlungsanspruch begründen könnten. Eine Unkenntnis der Klägerin über die Rechtslage ist insoweit unerheblich. Auf den von der Beklagten am 18.12.2012 erklärten Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann sich die Klägerin nicht berufen, da Ansprüche aus ungerechtfertigter Kürzung der Anwesenheitsprämie nicht Gegenstand dieses Verzichts waren. Dieser bezog sich erkennbar ausschließlich auf Nachzahlungsansprüche der Klägerin wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung.

50

Etwaige Ansprüche der Klägerin wegen ungerechtfertigter Nichtgewährung der Anwesenheitsprämie für einzelne Monate bis einschließlich 2008 waren daher bereits bei Klageeinreichung am 09.10.2013 verjährt.

51

d) Hinsichtlich der Höhe der nach Maßgabe vorstehender Ausführungen dem Grunde nach begründeten Ansprüche der Klägerin gilt Folgendes:

52

aa) Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 in Höhe von insgesamt 11.667,89 EUR brutto.

53

Bezüglich der Zusammensetzung dieses Betrages im Einzelnen wird auf die zutreffende tabellarische Berechnung der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 54 f. = Bl. 663 f. d. A.) Bezug genommen. Soweit die Klägerin bei ihrer Berechnung dort für das Jahr 2005 fälschlicherweise einen Entgeltfortzahlungsbetrag in Ansatz gebracht hat, so hat sie ihre Berufung insoweit, d. h. in Höhe eines Teilbetrages von 74,29 EUR zurückgenommen.

54

Die Klägerin hat bei ihrer Berechnung - unter Zugrundelegung und Vorlage der maßgeblichen Lohnabrechnungen - die von der Beklagten geleisteten Gesamtsummen (zusammengesetzt aus Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung) durch den jeweils gezahlten Stundenlohn dividiert, die sich hieraus ergebende Anzahl vergüteter Stunden mit der infolge Diskriminierung geschuldeten Stundenlohn-Differenz multipliziert und auf diese Weise den nachzuzahlenden Betrag errechnet. Gegen diese Berechnungsweise bestehen keine Bedenken, zumal die Beklagte - ausweislich der Lohnabrechnungen - nicht nur bei der Arbeitsvergütung und der Entgeltfortzahlung, sondern auch beim Urlaubsentgelt durchweg eine bestimmte Stundenzahl in Ansatz gebracht hat.

55

Soweit die Beklagte die Richtigkeit der Berechnung der Klägerin pauschal bestreitet, so erweist sich dieses Bestreiten in Ansehung der Vorschriften des § 138 ZPO als unzureichend. Sowohl das sich aus den Abrechnungen ergebende Zahlenmaterial als auch die Höhe des jeweiligen Differenzbetrages zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen hinsichtlich ihrer Tätigkeit vergleichbaren Männer sind unstreitig. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass in der Berufungsbegründungsschrift - erkennbar versehentlich - an der ein oder anderen Stelle ein falscher Betrag genannt ist. Entscheidend ist insoweit ausschließlich, dass die am Ende der Berufungsbegründungsschrift in tabellarischer Form vorgenommene Berechnung von den zutreffenden, unstreitigen Werten ausgeht.

56

bb) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2003 bis 2008 beläuft sich auf 778,08 EUR brutto, derjenige auf Nachzahlung von Weihnachtsgeld für diese Jahre auf 437,57 EUR brutto. Insoweit wird auf die zutreffenden Berechnungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift (dort S. 56 ff. = Bl. 665 ff. d. A.) Bezug genommen, die auf den unstreitigen Berechnungsformeln für diese Zusatzleistungen und der unstreitigen Differenz zwischen der Arbeitsvergütung der Klägerin und derjenigen vergleichbarer Männer basieren.

57

cc) Der Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung von Anwesenheitsprämien besteht nicht in der geltend gemachten Höhe von 525,47 EUR, sondern beläuft sich auf lediglich 491,40 EUR.

58

Da - wie bereits ausgeführt - infolge Verjährung kein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Anwesenheitsprämien für diejenigen Monate mehr besteht, für die die Beklagte die Prämie wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten nicht ausgezahlt hat, kann für die Berechnung des Nachzahlungsanspruchs nur auf die jeweils tatsächlich gezahlten Beträge abgestellt werden. Diese ergeben sich nicht aus den tabellarischen Berechnungen der Klägerin, können jedoch den mit der Berufungsbegründungsschrift vorgelegten Lohnabrechnungen entnommen werden.

59

Ausweislich der maßgeblichen Verdienstabrechnungen hat die Klägerin im Dezember 2002 75,21 EUR (Abrechnung 12/2002, Bl. 791 d. A.) im Jahr 2003 891,47 EUR (Abrechnung 12/2003, Bl. 790 d. A.), im Jahr 2004 779,96 EUR (Abrechnung 12/2004, Bl. 789 d. A.), im Jahr 2005 378,73 EUR (Abrechnung 12/2005, Bl. 788 d. A.), im Jahr 2006 834,84 EUR (Abrechnung 12/2006, Bl. 787 d. A.), im Jahr 2007 612,81 EUR (Abrechnung 12/2007, Bl. 786 d. A.) und im Jahr 2008 380,34 EUR (Abrechnung 12/2008, Bl. 784 d. A.) an Anwesenheitsprämien erhalten. Bis zum 31.12.2003 betrug die Differenz zwischen dem Lohn der Klägerin und dem vergleichbarer Männer 1,11 EUR (9,56 EUR minus 8,45 EUR), demnach 13,14 Prozent; ab dem 01.01.2004 1,05 EUR (9,66 EUR minus 8,61 EUR), somit 12,20 Prozent. Bringt man diese Prozentzahlen bei den jeweiligen Anwesenheitsprämien in Ansatz, so ergibt sich hieraus ein Nachzahlungsanspruch von insgesamt 491,40 EUR brutto.

60

dd) Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.07.2013 ab dem 10.08.2013 mit der Leistung in Verzug befindet.

61

III. Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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Tenor

1. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27. August 2013, Az. 9 Ca 376/13, unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziff. I.2 und Ziff. I.3 abgeändert und i n s o w e i t wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 zu zahlen.

Die Auskunftsklage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Zahlung von Differenzlohn für die Jahre von 2009 bis 2012, einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie um Auskunftsansprüche.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die 1953 geborene Klägerin ist bei ihr seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5 % des Bruttolohns) berechnete die Beklagte für Frauen bis 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns. Die Vergütungsdifferenz im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 betrug - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - € 10.149,50 brutto.

3

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob sie bereits seit einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dieser Ungleichbehandlung hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

4

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.11.2012 machte die Klägerin Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Ansonsten erhob sie in dem von der Klägerin am 29.01.2013 anhängig gemachten vorliegenden Klageverfahren die Einrede der Verjährung.

5

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013 Bezug genommen.

6

Die Klägerin hat - soweit für die Berufung von Bedeutung - erstinstanzlich beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen,

8

1. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG rückständigen Lohn iHv. € 11.458,84 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,

9

2. ihr wegen Verstoßes gegen das AGG eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens € 9.194,50 belaufen soll, zu zahlen,

10

3. …

11

4. ihr umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 27.08.2013 - soweit für die Berufung von Bedeutung - der Klage teilweise stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte in Ziff. I.1 des Tenors verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 Differenzvergütung iHv. € 10.149,50 brutto zu zahlen. Außerdem hat es der Klägerin in Ziff. I.2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zugesprochen und in Ziff. I.3 der Auskunftsklage (Antrag zu 4) stattgegeben.

15

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe gem. § 15 Abs. 1 AGG einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Lohndifferenzen für 2009 bis 2012. Die Beklagte habe die Klägerin unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, weil sie den weiblichen Produktionsbeschäftigten bis zum Jahresende 2012 bei gleicher Tätigkeit einen niedrigeren Lohn gezahlt habe als den männlichen. Die Klägerin habe die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt, denn sie habe erst in der Betriebsversammlung im September 2012 von der Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts Kenntnis erlangt. Die Beklagte habe eine frühere Kenntniserlangung nicht substantiiert dargelegt. Die Klägerin habe Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil sie von der Beklagten wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei. Für die erlittene jahrelange Diskriminierung sei eine Entschädigung iHv. drei durchschnittlichen Monatslöhnen angemessen, aber auch ausreichend. Der Auskunftsanspruch der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts für die Zeit vor dem 01.01.2009 sei begründet, denn sie sei in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang ihres Rechts im Ungewissen. Die Klägerin habe keine Zugriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Lohndaten der vergleichbar beschäftigten Männer, während die Beklagte in der Lage sei, die begehrte Auskunft unschwer zu erteilen. Der Auskunftsanspruch sei nicht verjährt, denn er sei erst im September 2012 mit Kenntnis der Klägerin von ihrer Lohndiskriminierung entstanden. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 27.08.2013 Bezug genommen. Gegen das im September 2013 zugestellte Urteil haben beide Parteien teilweise Berufung eingelegt.

16

Mit Schreiben vom 06.11.2013 erteilte die Beklagte der Klägerin die Auskunft, dass sie auch vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Stundenlohns und der übrigen Vergütungsbestandteile (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) weibliche Produktionsbeschäftigte geringer entlohnt habe als männliche. Der Stundenlohn eines typischen männlichen Produktionsmitarbeiters habe im Jahr 1995 € 7,76, ab 01.01.2002 € 9,56 und ab 01.01.2004 € 9,66 brutto betragen. Die Klägerin hat zwischenzeitlich vor dem Arbeitsgericht Koblenz eine neue Zahlungsklage gegen die Beklagte erhoben und Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 geltend gemacht.

17

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, die Anträge auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen und einer Entschädigung seien unbegründet, weil die Klägerin die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt habe. Ihr sei bereits seit ihrer Einstellung und während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung positiv bekannt gewesen, dass die männlichen Produktionsmitarbeiter einen höheren Lohn erhielten als die weiblichen. Die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede seien in ihrem Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Arbeitsgericht auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht ausreichend berücksichtigt. Eine offene Ungleichbehandlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndiskriminierung. Der Klägerin stehe auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Der Antrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit bereits unzulässig. Er sei jedenfalls unbegründet, weil Zahlungsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2009 verjährt seien.

18

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

19

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, wie folgt teilweise abzuändern:

20

Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat,

21

1. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.12.2012 zu zahlen,

22

2. eine Entschädigung iHv. € 5.167,62 zu zahlen,

23

3. der Klägerin umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob sie auch bereits vor dem 01.09.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohns und der übrigen Vergütungsbestandteile, insb. des Weihnachtsgelds, des Urlaubsgelds und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand;

24

die Klage ebenfalls abzuweisen,

25

II. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

26

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

27

I. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.08.2013, Az. 9 Ca 376/13, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

28

der Klägerin eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von € 7.778,28 nicht unterschreiten soll,

29

II. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu niedrig bemessen. Das Arbeitsgericht habe drei durchschnittliche Bruttomonatslöhne für angemessen erachtet, der Berechnung der Entschädigung jedoch nur den Grundlohn zugrunde gelegt. Sie halte eine Entschädigung von mindestens vier Bruttomonatslöhnen für angemessen, wobei in die Durchschnittsberechnung auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Anwesenheitsprämie einfließen müssten.

31

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32

Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 iHv. € 10.149,50 brutto nebst Zinsen. Darüber hinaus kann sie von der Beklagten eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 wegen Geschlechtsdiskriminierung beanspruchen. Die Auskunftsklage ist unzulässig.

33

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn sowie sonstiger Vergütungsbestandteile (Weihnachts- und Urlaubsgeld, Anwesenheitsprämie) und der Vergütung hat, die die Beklagte in diesem Zeitraum an die männlichen Produktionsmitarbeiter gezahlt hat. Der Gesamtbetrag beläuft sich - was zweitinstanzlich rechnerisch unstreitig ist - auf den vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1 des Tenors) ausgeurteilten Betrag von € 10.149,50 brutto. Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB, weil sich die Beklagte aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.11.2012 seit dem 12.12.2012 mit der Leistung in Verzug befand.

34

a) Die Beklagte hat den weiblichen Produktionsbeschäftigten im streitigen Zeitraum einen niedrigeren Stundenlohn, ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gezahlt als den männlichen. Die niedrigere Entlohnung beruhte – unstreitig - allein auf dem Geschlecht und stellte daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war.

35

Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der vom Arbeitsgericht (in Ziff. I.1. des Tenors) ausgeurteilten Differenzbeträge. Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Das gilt zunächst nach dem AGG. Die bei der Entgeltzahlung unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung - hier der individualrechtlichen Vereinbarung - einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (vgl. BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 611 Teilzeit Nr. 39). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (vgl. BAG 11.12.2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45 mwN, AP AGG § 2 Nr. 1). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

36

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Nach dieser Vorschrift muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden.

37

aa) Die Klägerin macht keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Leistungsanspruch ist ein Erfüllungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Für Ansprüche aus § 7 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 16 mwN, AP AGG § 3 Nr. 3) auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe gewährt wurden, gilt § 15 Abs. 4 AGG nicht (vgl. BAG 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 23, AP BetrAVG § 16 Nr. 72; BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37, NZA 2010, 159; MüKoBGB/ Thüsing 6. Aufl. AGG § 15 Rn. 32; BeckOK ArbR/Roloff Stand 01.06.2014 AGG § 15 Rn. 12).

38

bb) Selbst wenn man - im Sinne der Beklagten - in der Vergütungsdifferenz einen nach § 15 Abs. 1 AGG zu ersetzenden Schaden sehen wollte, auf den § 15 Abs. 4 AGG Anwendung fände, hätte die Ausschlussfrist erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen begonnen. Die Frist wäre mit dem Schreiben vom 09.11.2012 gewahrt worden.

39

Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Vorliegend hat die Beklagte der Klägerin aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 für gleiche Arbeit eine geringere Vergütung gezahlt als den männlichen Produktionsmitarbeitern. Somit lag ein Dauertatbestand vor, der fortlaufend bis einschließlich Dezember 2012 anhielt, weil sich Monat für Monat eine neue Benachteiligung der Frauen realisiert hat. Wenn ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vorliegt, beginnt die Ausschlussfrist nicht vor dessen Beendigung zu laufen (vgl. BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 60 mwN, AP AGG § 3 AGG Nr. 2).

40

c) Die geltend gemachten Erfüllungsansprüche für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 sind nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dies gilt auch für den auf das Jahr 2009 entfallenden Teil der geltend gemachten Ansprüche. Zwar hat die Klägerin ihre Klage erst im Januar 2013 erhoben. Die Beklagte hat jedoch unstreitig am 18.12.2012 wirksam auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren, verzichtet. Für Ansprüche aus 2009 wäre die regelmäßige Verjährungsfrist frühestens am 31.12.2012 abgelaufen. Im Streitfall kann deshalb dahinstehen, ob der Klägerin ihre geschlechtsspezifische Diskriminierung beim Entgelt schon seit vielen Jahren iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB positiv bekannt bzw. grob fahrlässig nicht bekannt war, wie die Beklagte behauptet.

41

2. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Auf die Berufung der Klägerin ist der vom Arbeitsgericht festgesetzte Entschädigungsbetrag jedoch auf € 6.000,00 zu erhöhen.

42

a) Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts jahrelang unmittelbar beim Entgelt benachteiligt und damit gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen. Die geringere Vergütung der Klägerin und einer Vielzahl weiterer weiblicher Produktionsbeschäftigten für gleiche oder gleichwertige Arbeit bis zum 31.12.2012 war nicht gerechtfertigt. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

43

b) § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein. Bei der Höhe einer festzusetzenden Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass sie nach § 15 Abs. 2 AGG angemessen sein muss. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insb. eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls - wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns - und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44 mwN, Juris).

44

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält die Berufungskammer unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Entschädigung iHv. € 6.000,00 für angemessen. Die Beklagte hat die Klägerin und eine Vielzahl weiterer Frauen bis zum 31.12.2012 jahrelang bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als Männer. Art, Schwere und Dauer der vorliegenden Benachteiligung gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrags, denn es handelte sich um eine unmittelbare Benachteiligung, die schwerer wiegt als eine bloß mittelbare (vgl. BAG 18.3.2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 43, NZA 2010, 1129). Überdies ist von einem vorsätzlichen und nicht nur fahrlässigen Verhalten der Beklagten bei der Benachteiligung der bei ihr beschäftigten Frauen aufgrund ihres Geschlechts auszugehen. Entgegen ihrer Ansicht vermag es die Beklagte nicht zu entlasten, dass die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern in ihrem Produktionsbetrieb nicht verdeckt erfolgt, sondern jederzeit "offen kommuniziert" worden sei. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt, die die Beklagte bis 31.12.2012 fortgesetzt hat, war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung nach dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Betrieb offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.

45

Die Höhe des Bruttomonatsentgelts der Klägerin ist für die Bemessung der Entschädigung im Streitfall unerheblich. Das Bruttomonatsentgelt kann ein geeigneter Maßstab bei der Festlegung der Entschädigungshöhe im Zusammenhang mit Nichteinstellungen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Entlassungen (vgl. § 10 KSchG) sein. Vorliegend erfolgte die Diskriminierung jedoch im bestehenden Arbeitsverhältnis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwingend Einfluss auf die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG haben muss (vgl. BAG 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 84, AP AGG § 15 Nr. 1).

46

Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen des Geschlechts regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (vgl. BAG 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 38 mwN, NZA 2014, 372; KR/Treber 10. Aufl. § 15 AGG Rn. 27 mwN). Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen. Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von den materiellen Ansprüchen sanktioniert werden. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, die Höhe der Entschädigung vom durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt der Klägerin abzukoppeln. Die Beklagte hat in ihrem Betrieb alle weiblichen Produktionsbeschäftigten jahrelang wegen ihres Geschlechts geringer vergütet als die männlichen. Wenn auch die Vergütungsdifferenzen, ua. wegen der Arbeitszeiten, für jede Frau unterschiedlich hoch ausfallen, ist doch die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau in gleicher Weise erheblich. Deshalb hält die Berufungskammer die Festsetzung eines einheitlichen Entschädigungsbetrags von € 6.000,00 für angemessen.

47

c) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 09.11.2012 rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Die Frist begann - wie oben ausgeführt - erst zu Jahresbeginn 2013 zu laufen, weil ein sog. Dauertatbestand vorlag, der bis einschließlich Dezember 2012 anhielt.

48

d) Die Klägerin hat auch die Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt, weil sie ihre Klage auf Zahlung einer Entschädigung am 29.01.2013 und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs beim Arbeitsgericht eingereicht hat.

49

3. Die Klage auf Auskunft, ob und inwieweit die Klägerin bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, ist unzulässig. Der Klägerin fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den prozessual selbständigen Auskunftsanspruch, weil sie inzwischen Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungsdifferenzen für die Zeit bis zum 31.12.2008 erhoben hat. Die Klägerin hat sich in der Lage gesehen, ihren Anspruch zu beziffern, obwohl sie die Auskunft der Beklagten mit Schreiben vom 06.11.2013 nicht für ausreichend erachtet. Dies spricht dafür, dass sie zur Durchsetzung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf die begehrte Auskunft nicht (mehr) zwingend angewiesen ist, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage fehlt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch dient nicht (mehr) der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens (vgl. BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8, NJW 2011, 1815).

III.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

51

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 8. Juli 2015, Az. 11 Ca 3724/13, abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 10. September 2014 verurteilt, an die Klägerin € 14.475,48 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 % zu tragen. Von den Kosten zweiter Instanz hat die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzlohnansprüche der Klägerin wegen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am … 1953 geborene Klägerin ist bei ihr seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 den in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Klägerin erhielt seit 01.01.2002 einen Stundenlohn von € 8,45 und seit 01.01.2004 einen Stundenlohn von € 8,61. Demgegenüber belief sich der Stundenlohn der Männer, die mit der gleichen Arbeit wie die Klägerin betraut waren, seit 01.01.2002 auf € 9,56 und seit 01.01.2004 auf € 9,66. Ein diese Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund bestand unstreitig nicht. Auch die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns) sowie das Weihnachtsgeld (Berechnungsformel: 172 Stunden x Stundengrundlohn x 40 %) und das Urlaubsgeld (Berechnungsformel: 28 Tage x Stundengrundlohn x 8 Stunden x 46,5 %) berechnete die Beklagte für die bei ihr beschäftigten Frauen bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage der niedrigeren Stundenlöhne.

3

Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Entlohnung (jedenfalls für die Zeit ab 01.01.2009) ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, bekannt. Ob die Klägerin bereits seit einem früheren Zeitpunkt von dieser Ungleichbehandlung Kenntnis hatte, ist zwischen den Parteien streitig.

4

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 08.11.2012 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten bezifferte Nachzahlungsansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 sowie einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht und die Beklagte darüber hinaus aufgefordert, "umfassend" Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit sie bereits vor dem 01.01.2009 hinsichtlich des Lohnes und sonstiger Vergütungsbestandteile aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurde. Am 18.12.2012 verzichtete die Beklagte in einer Vereinbarung mit der Klägerin auf die Einrede der Verjährung für Ansprüche, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Die von der Klägerin begehrte Auskunft über die Höhe der Arbeitsvergütung der Männer, die mit der gleichen Tätigkeit wie sie beschäftigt sind, hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2002 am 19.09.2013 erteilt.

5

Mit einer am 29.01.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage (ArbG Koblenz 9 Ca 376/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 440/13) hat die Klägerin die Beklagte ua. auf Zahlung der Differenzvergütung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012, einer Entschädigung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Klage war hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche überwiegend erfolgreich, die Klage auf Auskunftserteilung blieb hingegen erfolglos (LAG Rheinland-Pfalz 13.05.2015 - 5 Sa 440/13).

6

Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09.07.2013 forderte die Klägerin von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung die Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Anwesenheitsprämien sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 31.12.2008 und erklärte zugleich, dass sie die betreffenden Beträge für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als "Entgeltfortzahlungsansprüche, Krankengeld oder sonstige Lohnersatzleistungen" geltend mache. Mit ihrer am 09.10.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage verfolgt sie die Ansprüche - zuletzt - für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 gerichtlich weiter.

7

Die Beklagte hat sich erstinstanzlich im Wesentlichen auf die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG berufen und außerdem die Einrede der Verjährung erhoben. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Entlohnung sei schon seit jeher im Betrieb allgemein und auch der Klägerin bekannt gewesen.

8

Weil die Klägerin im Kammertermin vom 10.09.2014 keinen Sachantrag gestellt hat, hat das Arbeitsgericht Koblenz ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Gegen das am 19.09.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.09.2014 Einspruch eingelegt.

9

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.07.2015 Bezug genommen.

10

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

11

das Versäumnisurteil vom 10.09.2014, Az. 11 Ca 3724/13, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 16.993,60 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.08.2013 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

14

Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil mit Urteil vom 08.07.2015 aufrechterhalten und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Nachzahlungsansprüche aus der Zeit bis zum 31.12.2008 seien verjährt. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB sei vor Klageerhebung am 09.10.2013 abgelaufen gewesen. Spätestens zum 31.12.2008 sei zumindest von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von der Entgeltdiskriminierung iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auszugehen. Es sei in der Belegschaft bekannt gewesen, dass die Beklagte den männlichen Produktionsmitarbeitern bei gleicher Tätigkeit einen höheren Stundenlohn als den Frauen gewährte. Sollte die Klägerin hiervon keine Kenntnis gehabt haben, sei dies durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 08.07.2015 Bezug genommen.

15

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.08.2015 zugestellte Urteil am Montag, dem 14.09.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 13.10.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.11.2015 begründet.

16

Die Klägerin meint, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG greife nicht ein, weil sie keine Schadensersatz-, sondern Erfüllungsansprüche geltend mache. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die - zuletzt - geltend gemachten Ansprüche für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 nicht verjährt. Eine grob fahrlässige Unkenntnis von der Diskriminierung der Frauen aufgrund ihres Geschlechts könne ihr nicht vorgeworfen werden. Die Beklagte habe nicht ansatzweise dargelegt, dass ihr bereits vor der Betriebsversammlung im September 2012 bekannt gewesen sei, dass sie die in der Produktion beschäftigten Frauen generell schlechter vergüte als Männer. Der Sachvortrag der Beklagten zu einer früheren Kenntniserlangung sei unsubstantiiert bzw. unerheblich. Es treffe auch keineswegs zu, dass sie infolge grober Fahrlässigkeit von den anspruchsbegründenden Umständen keine Kenntnis genommen habe.

17

Wegen ihrer geschlechtsbezogenen Diskriminierung habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung iHv. insgesamt € 14.960,76 brutto. Dieser Betrag errechne sich auf Grundlage der Lohnabrechnungen für die Monate Dezember 2002 bis der Dezember 2008 und der den abgerechneten Bruttobeträgen jeweils zu Grunde liegenden Anzahl vergüteter Stunden. Des Weiteren habe sie gegen die Beklagte für die Jahre 2002 bis 2008 auf Grundlage der unstreitigen Berechnungsformeln Anspruch auf Nachzahlung von Urlaubsgeld iHv. insgesamt € 778,08 brutto und Weihnachtsgeld iHv. insgesamt € 513,94 brutto. Außerdem könne sie die Nachzahlung der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter monatlich ausgezahlten Anwesenheitsprämie von 5 % der Summe aus Bruttogrundlohn und (eventuellem) Urlaubsentgelt iHv. € 740,82 brutto beanspruchen. Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2015, insbesondere auf die dortige Berechnung der geltend gemachten Ansprüche, Bezug genommen.

18

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

19

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.07.2015, Az. 11 Ca 3724/13, sowie das Versäumnisurteil vom 10.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 16.993,60 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.08.2013 zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Beklagte meint, die Berufung sei unzulässig, weil sich die Klägerin nicht hinreichend mit den Urteilsgründen für den zur Entscheidung stehenden Fall auseinandergesetzt habe. Die Berufung sei jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien wegen Unbestimmtheit der Klageforderung unzulässig. So habe die Klägerin in der Klageschrift Lohndifferenzen iHv. € 38.361,92 brutto geltend gemacht, die Klage später auf € 40.969,10 erweitert und anschließend auf € 17.189,61, zuletzt auf nunmehr € 16.993,60 reduziert. Es sei nicht zweifelsfrei erkennbar, in welcher Höhe die Klägerin welche Ansprüche zurückgenommen habe und in welcher Höhe welche Ansprüche noch streitgegenständlich sein sollen. Auch im Übrigen fehle es dem Vortrag der Klägerin in weiten Teilen an der erforderlichen Bestimmtheit. Die Zahlungsanträge beruhten auf bloßen Schätzungen, Mutmaßungen und Musterberechnungen. Die Klage sei unbegründet, denn die geltend gemachten Ansprüche seien im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt gewesen. Insoweit verteidigt die Beklagte das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 25.01.2016, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Um keine Kenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehabt zu haben, hätte die Klägerin konsequent über ihre gesamte Beschäftigungszeit hinweg die Augen vor der generellen geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verschließen müssen, obwohl sich diese geradezu aufgedrängt habe.

23

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

25

Der Einwand der Beklagten, es fehle an einer hinreichenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil, greift nicht durch. Gegenstand und Richtung des Berufungsangriffs sind erkennbar. Die Klägerin hat die Gesichtspunkte aufgezeigt, die aus ihrer Sicht gegen das erstinstanzliche Urteil und für das mit der Berufung angestrebte Ergebnis sprechen. Sie macht insbesondere deutlich, dass ihre Ansprüche für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht verjährt seien. Gerügt wird die Verkennung der Begriffe "Kenntnis" bzw. "grob fahrlässige Unkenntnis" von den "den Anspruch begründenden Umständen" iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Berufung setzt sich damit inhaltlich mit der angefochtenen Entscheidung hinreichend auseinander.

II.

26

Die Berufung ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Vergütungsdifferenzen iHv. insgesamt € 14.475,48 brutto für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 nebst Zinsen. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

27

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag entgegen der Ansicht der Beklagten hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

28

a) Gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Sie hat den Streitgegenstand dazu so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Bei mehreren im Wege einer objektiven Klagehäufung gem. § 260 ZPO in einer Klage verbundenen Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt. Genügt die Klage diesen Anforderungen nicht, ist sie unzulässig (BAG 18.02.2016 - 6 AZR 629/14 - Rn. 21 mwN).

29

b) Die Klägerin hat entgegen der Ansicht der Beklagten den von ihr - zuletzt - geforderten Betrag von € 16.993,60 brutto für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 in einer Weise aufgeschlüsselt, der sich nachvollziehbar entnehmen lässt, wie sich die Gesamtsumme auf die verschiedenen Einzelansprüche verteilt.

30

Die tabellarische Darstellung der Forderung in der Berufungsbegründungsschrift genügt, weil ihr entnommen werden kann, welche Beträge für die einzelnen Monate des Klagezeitraums beansprucht werden. Die Klage ist auch nicht deshalb unbestimmt, weil die Klägerin ihre Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) in einem Gesamtbetrag zusammengefasst hat, ohne diese Ansprüche jeweils einzelnen Zeitabschnitten (Zeiten der Arbeitsleistung, Urlaubszeiten, Krankheitszeiten) zuzuordnen. Die Klage richtet sich - erkennbar - auf Nachzahlung eines bestimmten Differenzbetrages wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung für jede von der Beklagten in der Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 auf Basis eines bestimmten Stundenlohnes und einer bestimmten Anzahl von Stunden gezahlte Vergütung, sei es Arbeitslohn, Urlaubsentgelt oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit sind sowohl Gegenstand als auch Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 28).

31

2. Die Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Krankenvergütung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) iHv. € 12.647,73 brutto, von zusätzlichem Urlaubsgeld iHv. € 662,46 brutto, von Weihnachtsgeld iHv. € 437,57 brutto und von Anwesenheitsprämien iHv. € 727,72 brutto nebst Zinsen. Der Rest der in der Berufungsinstanz noch anhängigen Gesamtforderung iHv. € 2.518,12 war abzuweisen.

32

a) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin beruhen auf geschlechtsbezogener Diskriminierung.

33

Die Beklagte hat der Klägerin, ebenso wie allen anderen weiblichen Produktionsbeschäftigten, bis zum 31.12.2012 - also auch im streitigen Zeitraum vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 - einen niedrigeren Stundenlohn gezahlt als den männlichen Produktionsbeschäftigten. Auf Basis des geringeren Stundenlohnes hat sie der Klägerin auch ein niedrigeres Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine niedrigere Anwesenheitsprämie gewährt als den in der Produktion beschäftigten Männern. Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung dar, die nicht gerechtfertigt war (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.05.2015 - 5 Sa 440/13 - im Vorprozess der Parteien).

34

Alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geben der unerlaubt benachteiligten Arbeitnehmerin einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Das gilt zunächst nach dem AGG. Die bei der Entgeltzahlung unerlaubt benachteiligte Arbeitnehmerin hat entsprechend der zugrunde liegenden Regelung - hier der individualrechtlichen Vereinbarung - einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung. Aus der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG ergibt sich, dass bei einer diesem Gesetz widersprechenden Diskriminierung eine Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeiten gegeben ist. Auch § 612 Abs. 3 BGB stellte, trotz seiner Formulierung als Verbotsnorm, eine Anspruchsgrundlage für die vorenthaltenen Entgeltbestandteile dar (BAG 20.08.2002 - 9 AZR 710/00 - Rn. 21 mwN). Ebenso gibt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz den benachteiligten Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf die Leistungen, die ihnen aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten wurden (BAG 11.12.2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 45 mwN). Die Beseitigung der Diskriminierung bei der Entgeltzahlung kann nur durch eine "Anpassung nach oben" erfolgen.

35

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen.

36

Nach § 15 Abs. 4 AGG muss ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin macht jedoch, soweit sie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen begehrt, keinen Schadensersatz-, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen geltend. Sie verlangt eine Gleichbehandlung mit den männlichen Produktionsmitarbeitern, denen die Beklagte bei gleicher Tätigkeit aufgrund ihres Geschlechts bis zum 31.12.2012 eine höhere Vergütung gezahlt hat als den Frauen. Dieser Leistungsanspruch ist ein Erfüllungs- und kein Schadensersatzanspruch. Für Ansprüche aus § 7 Abs. 1 AGG (BAG 25.02.2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 16 mwN) auf Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe gewährt wurden, gilt § 15 Abs. 4 AGG nicht (BAG 30.11.2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 23; BAG 24.09.2009 - 8 AZR 636/08 - Rn. 37; BeckOK ArbR/ Roloff Stand 01.06.2016 AGG § 15 Rn. 12; MüKo BGB/Thüsing bis zur 6. Aufl. AGG § 15 Rn. 32; wohl aA ders. ab 7. Aufl. AGG § 15 Rn. 47).

37

c) Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin ab 01.12.2002 sind nicht nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt.

38

aa) Nach § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist regelmäßig drei Jahre und nach § 199 Abs. 4 BGB - kenntnisunabhängig - höchstens zehn Jahre. Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Diese Kenntnis hatte die Klägerin jedenfalls nicht vor der Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, so dass der Anspruch am 18.12.2012 nicht verjährt war. Da die Beklagte am 18.12.2012 auf die Einrede der Verjährung bezüglich der diskriminierungsbedingten Nachzahlungsansprüche der Klägerin verzichtet hat, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, reicht die zehnjährige Verjährungsfrist vorliegend zurück bis auf den 18.12.2002. Damit sind auch Ansprüche der Klägerin für den Monat Dezember 2002 nicht verjährt, weil der Dezemberlohn erst mit Ablauf des Monats fällig geworden und iSv. § 199 Abs. 4 BGB entstanden ist.

39

bb) Die für die erforderliche Kenntnis der Klägerin darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht darzulegen vermocht, dass die Klägerin vor der Betriebsversammlung, die im September 2012 stattfand, iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von den ihren Anspruch begründenden Umständen -"dem Diskriminierungsgeschehen"- positive Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

40

(1) Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Gläubiger die Erhebung einer Klage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Gläubiger alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BAG 20.11.2013 - 5 AZR 776/12 - Rn. 11).

41

(2) Nach diesen Maßgaben lässt sich eine positive Kenntnis der Klägerin nicht feststellen.

42

(a) Positive Kenntnis von den einen Anspruch auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung begründenden Umständen hat eine Arbeitnehmerin - auch unter Berücksichtigung der Beweislastregel des § 22 AGG - dann, wenn sie weiß, dass ihr Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten Frauen generell schlechter vergütet als die Männer. Nicht ausreichend ist insoweit die Kenntnis davon, dass etwa nur einige, dh. eine begrenzte Anzahl der in der Produktion beschäftigten Männer eine höhere Arbeitsvergütung erhalten als eine oder mehrere mit vergleichbaren Arbeitstätigkeiten betraute Frauen, da sich hieraus noch nicht der Rückschluss ziehen lässt, dass die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen auf einem generalisierenden Prinzip beruht (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 43, zu einem anderen Unternehmen der B.-Gruppe).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten Gespräche, Erklärungen, Ereignisse oder sonstigen Umständen gerade (auch) die Klägerin positive Kenntnis davon erlangt haben könnte, dass die im Betrieb beschäftigten Frauen bei gleicher Arbeit generell eine geringere Vergütung erhielten als Männer.

44

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bereits im Bewerbungs- oder Einstellungsgespräch im Jahr 1994 auf die unterschiedliche Vergütung zwischen Männern und Frauen in der Produktion hingewiesen wurde. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, die Produktionsmitarbeiterinnen hiervon "in aller Regel" bereits bei der Einstellung in Kenntnis gesetzt zu haben. Hieraus folgt jedoch nicht, dass dies gerade auch bei der Einstellung der Klägerin der Fall war. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Lohnstrukturen im Unternehmen seien stets bekannt und Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Konflikte gewesen, so lässt sich hieraus nichts für den konkreten Kenntnisstand der Klägerin ableiten. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, die Lohnstrukturen seien stets "offen kommuniziert" worden. Dieses Vorbringen steht im Übrigen in Widerspruch zu dem Umstand, dass die Beklagte (unstreitig) auch Arbeitsverträge verwendet, die hinsichtlich der Arbeitsvergütung eine Verschwiegenheitsklausel enthalten. Auch wenn es - wie von der Beklagten behauptet - Beschwerden einzelner Frauen, uU. sogar der Klägerin selbst, darüber gab, weniger zu verdienen als ein oder mehrere vergleichbare Männer, so ergibt sich hieraus noch nicht, dass die Frauen Kenntnis davon hatten, dass diese Ungleichbehandlung auf einem generalisierenden Prinzip beruhte. Diese gilt erst Recht für die Behauptung der Beklagten, die Ungleichbehandlung sei Gegenstand einer Vielzahl von Gesprächen zwischen Mitarbeitern im Betrieb gewesen. Der Umstand, dass am Standort der Beklagten im Jahr 2006 anlässlich der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Schulung gem. § 12 Abs. 2 AGG stattgefunden hat, ist für die Beurteilung des Kenntnisstandes der Klägerin ohne Belang. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Betrieb der Beklagten Gegenstand dieser Schulung war. Unerheblich ist auch der Hinweis der Beklagten auf einen Zeitungsartikel aus der Wochenzeitung "Die Zeit" aus dem Jahr 1996, dessen Inhalt Rückschlüsse auf eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen innerhalb der Unternehmensgruppe zulässt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von diesem Zeitungsartikel vor den zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Frauendiskriminierung, die ab 2012 anhängig wurden, Kenntnis erlangt hat. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Erklärungen anderer Mitarbeiterinnen berufen, wonach die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen "allen" Beschäftigten "stets" bekannt gewesen sei. Aus den betreffenden Erklärungen ergibt sich nämlich weder, auf welche konkreten Tatsachen bzw. Informationen die Mitarbeiterinnen, die eine solche Erklärung abgegeben haben, ihre Erkenntnis stützen, noch, wann und auf welche Weise der Klägerin das Wissen von der generellen Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen vermittelt worden sein soll. Eine diesbezügliche Wissensvermittlung lässt sich auch ansonsten dem Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 45).

45

Es ist auch unerheblich, dass der Ehemann der Klägerin, der in einem anderen Unternehmen der B.-Gruppe beschäftigt ist, einen höheren Stundenlohn als die Klägerin erhielt. Die Kenntnis über die Lohnhöhe des Ehemanns, lässt keinen Rückschluss auf eine strukturelle Diskriminierung der Frauen im Produktionsbereich zu.

46

Dem Antrag der Beklagten, die Klägerin als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, sie - die Klägerin - habe aus zahlreichen Gesprächen mit Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen seit ihrer Einstellung Kenntnis davon, dass weibliche Produktionskräfte im Betrieb grundsätzlich niedrigere Löhne erhielten als männliche, war nicht zu entsprechen. Denn bei diesem, auf die Feststellung einer inneren Tatsache bezogenen Beweisantrag handelt es sich in Ermangelung jeglicher Angaben, aufgrund welcher konkreten Gespräche die Klägerin die behauptete Kenntnis erhalten haben soll, sowie in Ermangelung ausreichender Indizien, die für eine solche Kenntniserlangung sprechen könnten, um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Erst aufgrund der Erhebung des angebotenen Beweises, dh. der Parteivernehmung der Klägerin, könnte die Beklagte möglicherweise in die Lage versetzt werden, den ihr obliegenden substantiierten Tatsachenvortrag zu liefern (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 46).

47

(3) Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den die geltend gemachten Ansprüche begründenden Umständen ist zu verneinen.

48

(a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. Hierbei trifft den Gläubiger aber generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (BGH 15.03.2016 - XI ZR 122/14 - Rn. 34 mwN).

49

(b) Nach diesen Maßstäben kann eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin davon, dass die Beklagte in der Produktion beschäftigte Frauen generell geringer vergütete als Männer, nicht angenommen werden. Selbst wenn die Klägerin von der vergütungsmäßigen Besserstellung einzelner oder einiger Männer (auch ihres Ehemanns) gegenüber den Frauen im Produktionsbereich Kenntnis gehabt haben sollte, war ihr nicht zuzumuten, eigene Nachforschungen über die Lohnstrukturen im Betrieb der Beklagten (oder sogar innerhalb der Unternehmensgruppe) anzustellen, um zu ermitteln, ob eine generalisierende Schlechterstellung von Frauen gegeben war. Ein Betriebsrat, an den sich die Klägerin hätte wenden können, existierte bei der Beklagten bis zum September 2014 nicht. Die Klägerin war zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit nicht verpflichtet, Ansprüchen aktiv nachzuspüren, indem sie sich etwa bei den anderen Produktionskräften über die Höhe deren Arbeitsvergütung erkundigt. Derartige Initiativen wären im Kollegenkreis auf Unverständnis gestoßen und im Falle einer gewissen Beharrlichkeit auch geeignet gewesen, den Betriebsfrieden zu beeinträchtigen (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14 - Rn. 47).

50

d) Die zweitinstanzlich noch geltend gemachten Ansprüche sind in einer Gesamtsumme von € 14.475,48 brutto der Höhe nach begründet. Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin nicht zu.

51

aa) Die Klägerin kann von der Beklagten wegen geschlechtsspezifischer Diskriminierung Nachzahlung von Arbeitsvergütung, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 iHv. insgesamt € 12.647,73 brutto beanspruchen. Darüber hinaus hat sie einen Anspruch auf Nachzahlung von zusätzlichem Urlaubsgeld für die Jahre 2003 bis 2008 iHv. insgesamt € 662,46 brutto, auf Weihnachtsgeld iHv. €437,57 brutto und auf Anwesenheitsprämien iHv. € 727,72 brutto.

52

bb) Die Klägerin hat entgegen der Ansicht der Beklagten den von ihr geforderten Gesamtbetrag in der Berufungsbegründungsschrift in einer Weise aufgeschlüsselt, der sich nachvollziehbar entnehmen lässt, wie sich die zuletzt geforderte Gesamtsumme auf die verschiedenen Einzelansprüche verteilt.

53

(1) Die tabellarische Darstellung der Forderung auf Nachzahlung von Lohndifferenzen auf den Seiten 5 bis 15 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 genügt unter Berücksichtigung der Erläuterungen im selben Schriftsatz den Anforderungen an die Substantiierungspflicht, weil ihr entnommen werden kann, welche Beträge für die einzelnen Monate des Klagezeitraums vom 01.12.2002 bis 31.12.2008 von der Klägerin beansprucht werden. Die Klägerin hat das Zahlenwerk ausführlich dargestellt. In Spalte 1 der Tabelle hat sie den jeweiligen Monat aufgeführt, für den sie die Differenz zwischen ihrem geringeren Stundenlohn und dem höheren Stundenlohn der Männer beansprucht (€ 1,11 von 2002 bis 2003; € 1,05 von 2004 bis 2008). In der Spalte 5 hat sie die Summe der ihr im jeweiligen Monat von der Beklagten tatsächlich gezahlten Arbeitsvergütung (untergliedert in Lohn, Urlaubslohn und Lohnfortzahlung) beziffert aufgeführt. Diesen Ist-Monatslohn hat sie durch den Ist-Stundenlohn dividiert und so die Anzahl der von ihr im jeweiligen Monat geleisteten und von der Beklagten vergüteten Arbeitsstunden aufgeführt (Spalte 6). Diese Stunden hat sie schließlich mit der Stundenlohndifferenz multipliziert und genannt (Spalte 7).

54

(2) Die Klägerin hat auch die geforderten Bruttodifferenzbeträge für das zusätzliche Urlaubsgeld auf Seite 16 der Berufungsbegründungsschrift schlüssig dargelegt. Sie hat die Berechnungsformel der Beklagten angewendet (28 Tage x 8 Stunden x 46,5 %) und mit der Stundenlohndifferenz von € 1,11, bzw. € 1,05 getrennt für die Jahre 2002 bis 2008 multipliziert, so dass sich für 2002 und 2003 einen Differenz jährlich von € 115,62 und für 2004 bis 2008 von jährlich € 109,37 errechnet.

55

(3) Auch die geforderten Bruttodifferenzbeträge für das Weihnachtsgeld hat die Klägerin auf Seite 18 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 so errechnet. Sie hat die Berechnungsformel der Beklagten angewendet (172 Stunden x 0,4) und mit der Stundenlohndifferenz von € 1,11, bzw. € 1,05 getrennt für die Jahre 2002 bis 2008 multipliziert, so dass sich für 2002 und 2003 einen Differenz jährlich von € 76,37 und für 2004 bis 2008 von jährlich € 72,24 errechnet.

56

(4) Schließlich ist auch der Nachzahlungsbetrag der geforderten Anwesenheitsprämie schlüssig berechnet. Diese beträgt 5 % der Summe aus Grundlohn und Urlaubslohn. In den Spalten 1 bis 8 ihrer Tabelle hat die Klägerin ihre Rechenschritte auf den Seiten 22 bis 30 der Berufungsbegründungsschrift, und zwar für jeden Monat getrennt, übersichtlich dargestellt.

57

cc) Den Darlegungen und Berechnungen der Klägerin ist die Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hinreichend entgegengetreten.

58

(1) Die Beklagte durfte sich angesichts der detaillierten Aufstellungen und Berechnungen der Klägerin nicht mit einfachem Bestreiten begnügen. Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Der Beklagten war ein substantiierter Gegenvortrag auch möglich und zumutbar. Die Lohnabrechnungen, die die Klägerin ihrem Zahlenwerk zu Grunde gelegt hat, hat sie selbst erstellt. Da die Klägerin als Anlage zu ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2015 keine Lohnabrechnungen (nur) zur Gerichtsakte gereicht hat, bestand auch kein Anlass diese der Beklagten vorzulegen. Die Beklagte war entgegen ihrer Ansicht anhand des Vortrags der Klägerin in die Lage gesetzt, deren Berechnungen nachzuvollziehen und deren Richtigkeit sachlich und rechnerisch zu überprüfen. Ebenfalls unzutreffend ist das Argument der Beklagten, die Klägerin stütze ihre in der Berufungsbegründungsschrift nochmals ausführlich dargestellten Nachzahlungsansprüche auf Pauschalierungen, Schätzungen und hypothetische Musterberechnungen.

59

(2) Von der Gesamtforderung sind insgesamt € 2.518,12 brutto abzuziehen. In der Aufstellung der Klägerin auf Seite 14 und 15 der Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2015 sind noch Differenzbeträge "Minderlohn" für die Monate Januar bis November 2002 in einer Gesamthöhe von € 2.313,03 brutto aufgelistet, obwohl die Klägerin ihre Klageforderung auf die Zeit ab 01.12.2002 beschränkt hat. Auf Seite 16 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 ist ein "Minderbetrag Urlaubsgeld" für das Jahr 2002 iHv. € 115,52 aufgeführt, der am 18.12.2012 (Datum des Verzichts auf die Einrede der Verjährung für noch unverjährte Ansprüche) bereits verjährt war, denn das Urlaubsgeld wird im Juni und Oktober eines Jahres zur Zahlung fällig. Auf Seite 18 des Schriftsatzes vom 13.11.2015 ist ein "Minderbetrag Weihnachtsgeld" iHv. € 76,37 für das Jahr 2002 aufgelistet, der am 18.12.2012 bereits verjährt war, weil das Weihnachtsgeld mit dem Novemberlohn zur Zahlung fällig wird. Schließlich ist der Beklagten zuzugeben, dass die Klägerin in ihrer Tabelle für April 2008 einen Betrag iHv. € 9,27 brutto (Seite 23) und für Mai 2004 einen Betrag iHv. € 3,83 brutto (Seite 27 des Schriftsatzes vom 13.11.2015) unter der Überschrift "diskriminierungsbedingt zu wenig gezahlte Anwesenheitsprämie" geltend macht, obwohl ihr in diesen Monaten keine Anwesenheitsprämie gezahlt worden ist.

60

dd) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befindet sich aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 09.07.2013 ab dem 10.08.2013 mit der Leistung in Verzug.

III.

61

Die Kostenentscheidung folgt für das Berufungsverfahren - bei einem Streitwert von € 16.993,60 - aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; für das erstinstanzliche Verfahren - bei einem Streitwert von € 40.969,19 - aus § 92 Abs. 1 ZPO iVm. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Eine Gebührenprivilegierung für Teilklagerücknahmen besteht nicht (BAG 23.02.2011 - 4 AZR 336/09 - Rn. 54 mwN). Dass die Klägerin die Kosten ihrer Säumnis im Termin vom 10.09.2014 gem. § 344 ZPO allein zu tragen hat, wurde versehentlich nicht in den Tenor aufgenommen.

62

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. Juni 2013 - 11 Sa 335/13 - teilweise aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den die Klägerin aufgrund einer Benachteiligung als Frau bei einer Bewerbung geltend macht.

2

Die Klägerin ist gelernte Verwaltungsfachfrau. Sie ist verheiratet und Mutter eines schulpflichtigen Kindes, das im Zeitpunkt der Bewerbung sieben Jahre alt war. Die Beklagte, die in S einen Radiosender betreibt, suchte per Zeitungsanzeige für eine Vollzeitstelle eine/n „Buchhalter/-in“ mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Mit Schreiben vom 14. April 2012 bewarb sich die Klägerin unter Beifügung ihres Lebenslaufes. Sie erhielt unter dem 2. Mai 2012 eine Absage, der die Beklagte zu ihrer Entlastung die Bewerbungsunterlagen beifügte. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf fand die Klägerin neben ihrer Textzeile „verheiratet, ein Kind“ den handschriftlich hinzugesetzten Vermerk „7 Jahre alt!“. Die so entstehende Wortfolge „ein Kind 7 Jahre alt!“ war durchgängig unterstrichen worden.

3

Mit Schreiben vom 6. Juni 2012 machte die Klägerin bei der Beklagten eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG geltend, was die Beklagte unter dem 21. Juni 2012 ablehnte. Am 20./23. Juli 2012 ging beim Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung einer Entschädigung iHv. 3.000,00 Euro ein. Diese wurde der Beklagten am 1. August 2012 zugestellt. Am Ende der Klagebegründung wurde für die Klägerin ausgeführt, sie mache „gegenwärtig einen Anspruch von insgesamt 3.000,00 Euro geltend“. Im September 2012 teilte die Beklagte mit, das Bruttomonatsentgelt der fraglichen Stelle betrage 2.027,00 Euro. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2012 die Klage auf 6.081,00 Euro erweitert.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, wegen des handschriftlichen Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf sei davon auszugehen, ihre Bewerbung sei abgelehnt worden, weil sie ein siebenjähriges Kind zu betreuen habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sie im Lebenslauf das Alter ihres Kindes gar nicht angegeben habe, sondern die Beklagte sich dies selbst aus den Bewerbungsunterlagen errechnet haben müsse. Die Notiz indiziere, dass die Beklagte das Vorhandensein eines Kindes mit einer Vollzeittätigkeit nicht für kompatibel halte. Davon seien vorrangig Frauen betroffen. Die Indizwirkung werde nicht dadurch widerlegt, dass die Beklagte tatsächlich eine junge, nicht schwangere Frau eingestellt habe. Die Beklagte habe nicht erklären können, weshalb es zu dem Vermerk gekommen sei, wenn die Tatsache ihrer Mutterschaft und des Kindesalters bei der Einstellungsentscheidung keine Bedeutung gehabt haben solle.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.081,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2012 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags darauf verwiesen, dass sie eine Buchhalterin gesucht und schließlich eine junge verheiratete Frau befristet eingestellt habe, die neben einer Ausbildung zur Bankkauffrau über Kenntnisse zur Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung verfügt habe. Die eingestellte Bewerberin habe über eine Weiterbildung als Bilanzbuchhalterin verfügt. Die Auswahlentscheidung sei allein nach der Qualifikation und unter fachlichen Gesichtspunkten getroffen worden. Familienstand und Betreuungspflicht gegenüber Kindern hätten keine Bedeutung gehabt. Die Notiz sei als Hilfestellung erfolgt, weil man so festgehalten habe, dass das Kind der Klägerin schon in der Schule und damit eine Vollzeitbeschäftigung möglich sei. Dass verheiratete Mütter auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Einstellungschancen hätten, träfe nicht zu.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht in Höhe von 3.000,00 Euro entsprochen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit der nur von der Beklagten eingelegten Revision will diese das erstinstanzliche Urteil wiederherstellen lassen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet. Die vom Landesarbeitsgericht für seine Entscheidung gegebene Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden.

9

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Benachteiligung der Klägerin durch Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung stelle keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Das Merkmal der „Mutterschaft“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG umfasse nur Umstände, die unmittelbar mit der Schwangerschaft und der Geburt zusammenhängen. Jedoch sei die Klägerin mittelbar wegen ihres Geschlechts iSd. § 3 Abs. 2 AGG benachteiligt worden. Mit der Anmerkung der Beklagten auf dem Lebenslauf der Klägerin sei die Frage der Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und Betreuung eines minderjährigen Kindes im Grundschulalter in den Blick genommen worden. In der Literatur, insbesondere aber aufgrund des Befundes des Mikrozensus 2010 stehe fest, dass wesentlich weniger verheiratete Frauen mit versorgungsberechtigten Kindern in Vollzeit arbeiteten als dies bei verheirateten Vätern der Fall sei. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stelle vor allem für Frauen eine besondere Herausforderung dar. Somit sei der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung zu bejahen. Einen über 3.000,00 Euro hinausgehenden Entschädigungsanspruch habe die Klägerin nicht binnen der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingeklagt.

10

B. Die Begründung des Berufungsurteils ist nicht frei von Rechtsfehlern.

11

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

12

1. Als Bewerberin ist die Klägerin „Beschäftigte“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Da die Beklagte um Bewerbungen für das von ihr angestrebte Beschäftigungsverhältnis nachgesucht hat, ist sie „Arbeitgeberin“ iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG(vgl. BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 17 und 20; 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 17 und 18, BAGE 142, 143; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 23).

13

2. Ihren auf eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts gestützten Entschädigungsanspruch hat die Klägerin jedenfalls, soweit er in die Revision gelangt ist, innerhalb der Fristen des § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht und eingeklagt.

14

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist grundsätzlich mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG) zu laufen, nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt hat (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 55, BAGE 141, 48 = AP AGG § 15 Nr. 11).

15

Die Klägerin erhielt unter dem 2. Mai 2012 von der Beklagten die Absage, der die Bewerbungsunterlagen mit dem problematischen handschriftlichen Vermerk beigefügt waren. Unstreitig hat die Klägerin sodann schriftlich unter dem 6. Juni 2012 eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG verlangt, was die Beklagte am 21. Juni 2012 ablehnte. Diese Geltendmachung wahrt die Frist des § 15 Abs. 4 AGG.

16

b) Nach der Ablehnung hat die Klägerin mit Eingang beim Arbeitsgericht am 20./23. Juli 2012 eine Entschädigungszahlung iHv. 3.000,00 Euro eingeklagt. Diese Klage, in deren Begründung die Klägerin ausführen lässt, sie mache „gegenwärtig einen Anspruch von insgesamt 3.000,00 Euro geltend“, wurde der Beklagten am 1. August 2012 zugestellt, womit auch die Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wurde.

17

c) Die Abweisung der darüber hinausgehenden Klage durch die Vorinstanzen ist rechtskräftig. Der Senat hat daher nicht darüber zu entscheiden, ob die Begründung des Berufungsgerichts, die spätere Klageerweiterung sei nach Ablauf der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG erfolgt und daher „aus den Gründen des § 61b Abs. 1 ArbGG abzuweisen“, rechtsfehlerhaft ist.

18

II. Das Berufungsgericht, das ausschließlich auf eine mittelbare Diskriminierung abgestellt hat, hat verkannt, dass eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung oder Äußerung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem Lebenslauf einer Frau von dem Verbot unmittelbarer Benachteiligung erfasst sein kann (§ 3 Abs. 1 AGG). Eine solche verbotene unmittelbare Benachteiligung ist stets vorrangig zu prüfen (vgl. EuGH 20. Oktober 2011 - C-123/10 - [Brachner] Rn. 55, Slg. 2011, I-10003; 6. Dezember 2007 - C-300/06 - [Voß] Rn. 26, Slg. 2007, I-10573; 9. September 2003 - C-25/02 - [Rinke] Rn. 32, Slg. 2003, I-8349; 9. Februar 1999 - C-167/97 - [Seymour-Smith und Perez] Rn. 53, Slg. 1999, I-623).

19

1. Die Beklagte hat die Klägerin mit der Bewerbungsablehnung benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Im Verhältnis zur tatsächlich eingestellten, erfolgreichen Person wurde die Klägerin weniger günstig behandelt.

20

2. Die Klägerin befand sich mit der letztlich ausgewählten Person in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Zwar hat die Beklagte vorgetragen, ihre Einstellungsentscheidung hätte ausschließlich fachliche Gesichtspunkte gehabt. Damit hat sie jedoch nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen wäre. In der Stellenausschreibung wurde (nur) ein/e Buchhalter/in mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung gesucht. Spezielle Kenntnisse der Bilanzbuchhaltung wurden in der Ausschreibung nicht verlangt.

21

3. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem durch § 1 AGG verbotenen Anknüpfungsmerkmal muss ein Kausalzusammenhang bestehen. § 22 AGG trifft dabei hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verbotenem Merkmal eine Beweislastregelung, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Nach § 22 Halbs. 1 AGG genügt eine Person, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die diese Benachteiligung vermuten lassen(BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25 f. mwN; EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 34 ff.; vgl. auch Art. 19 Abs. 1 RL 2006/54/EG). Bei der Prüfung eines solchen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42 ff.; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158). Die vorgetragenen Tatsachen müssen darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 32; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, aaO). Ist eine solche Vermutung für eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu bejahen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.

22

4. Für die Vermutungswirkung des § 22 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund „Bestandteil eines Motivbündels“ ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Wie die von Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG genannten „Merkmale“ dürfen auch die „Gründe“ des § 1 AGG nicht als Anknüpfungspunkt für eine benachteiligende rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden(vgl. BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 85, 191). Es ist nicht erforderlich, dass der von Verfassungs oder Gesetzes wegen als Anknüpfungspunkt verbotene Grund ausschließliches oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25). Sollte die Beklagte vorliegend also an das Geschlecht der Klägerin bei ihrer benachteiligenden Behandlung angeknüpft haben, so musste dies nicht der vorherrschende Beweggrund, ihr Hauptmotiv oder die „Triebfeder“ ihres Verhaltens sein.

23

5. Bei der Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, sind die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder -gepflogenheiten maßgebend (RL 2006/54/EG, 30. Erwägungsgrund). Die Beweiskraft der vorgelegten Beweismittel ist nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 79, 82, Slg. 2011, I-6919). Maßgebend für die Beweiswürdigung ist die freie Überzeugung des Tatsachengerichts unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßes des § 22 AGG, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Gerichte haben dabei darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der RL 2006/54/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 39).

24

6. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, ist nur eingeschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal - hier das Geschlecht der Klägerin - und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 28; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36).

25

7. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG liegt nicht schon deswegen vor, weil die Klägerin bei ihrer Bewerbung wegen ihrer „Mutterschaft“ ungünstiger behandelt worden wäre.

26

a) Schwangerschaft und Mutterschaft sind untrennbar mit dem Geschlecht verbunden, sie können als Differenzierungsmerkmale ausschließlich Frauen nachteilig treffen. Das hat Eingang in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207/EWG) idF der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (RL 2002/73/EG) sowie später in Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der die Richtlinie 76/207/EWG ablösenden Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) gefunden (siehe nur Erwägungsgrund 23 RL 2006/54/EG). Der EuGH hat stets mit seiner Rechtsprechung unterstrichen, dass jede im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft erfolgende Schlechterstellung von Frauen eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt (EuGH 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Rn. 14, Slg. 1990, I-3941; 4. Oktober 2001 - C-438/99 - [Jiménez Melgar] Rn. 46, Slg. 2001, I-6915; vgl. 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 35 f., Slg. 2004, I-11143). Unter „Mutterschaft“ ist aber nur der besondere Schutz der Frau im Zusammenhang mit einer kurz bevorstehenden oder gerade erfolgten Entbindung zu verstehen.

27

b) Die Tatsache, dass die Klägerin Mutter eines siebenjährigen Kindes ist, fällt nicht unter „Mutterschaft“, wie sie das AGG und das Unionsrecht unter besonderen Schutz stellen. Eine unmittelbare Diskriminierung in diesem Sinne liegt nicht vor.

28

8. Eine unmittelbare Benachteiligung einer Frau wegen ihres Geschlechts ist aber nicht auf die Fälle einer ungünstigeren Behandlung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft begrenzt. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG sieht bei diesen Umständen „auch“ eine unmittelbare Benachteiligung, was klarstellt, dass eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht vom Gesetzgeber gewollt war(vgl. dazu die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/1780 S. 32). Zwar geht es bei der unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts um einen Grund, der ausschließlich Arbeitnehmer eines der beiden Geschlechter betrifft (EuGH 18. März 2014 - C-167/12 - [CD] Rn. 46 f.; 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Rn. 33, Slg. 2000, I-10997). Solche Gründe sind jedoch nicht auf biologische Tatsachen zu reduzieren, die Männer und Frauen nicht in gleicher Weise betreffen können, wie sich zum einen an dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG („auch“), aber auch an der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ablesen lässt(vgl. EuGH 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Slg. 1990, I-3941; vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 32).

29

a) Eine arbeitgeberseitige Äußerung, die dem anderen Geschlecht gegenüber nicht gemacht worden wäre, kann einen Grund iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG darstellen, wenn ausschließlich Arbeitnehmer eines der beiden Geschlechter davon betroffen sind. Darunter können auch Äußerungen fallen, die von tradierten Rollenmustern ausgehen und diese als Grundlage der Personalauswahl verdeutlichen. Dies kann auch eine arbeitgeberseitige Bezugnahme auf die tradierte Rollenverteilung in Familien einschließlich der damit einhergehenden pauschalen Annahme sein, eines der beiden Geschlechter sei hauptsächlich für die Kinderbetreuung zuständig und als Arbeitskraft deshalb weniger flexibel oder nur mit Einschränkungen verfügbar.

30

b) Ob die Anmerkung der Beklagten auf dem zurückgesandten Lebenslauf für die Personalauswahl und die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin in diesem Sinne Teil des Motivbündels war, obliegt der Beurteilung durch das Tatsachengericht und kann vom Senat nicht entschieden werden, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

31

aa) Eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“, kann an sich auf einem Lebenslauf bezüglich der in § 1 AGG genannten Gründe neutral sein, wenn sie bei allen sich bewerbenden Eltern gemacht würde, unabhängig vom Geschlecht und aus einer Motivation heraus, die mit dem AGG offensichtlich in Einklang steht, § 5 AGG. Dies etwa bei einem Arbeitgeber, der sich besonders für die berufliche Entwicklung von Eltern stark macht und bevorzugt diese bei Einstellungen berücksichtigt. Wird dagegen eine solche Anmerkung nur auf Lebensläufen weiblicher Elternteile gemacht, liegt darin eine direkte Benachteiligung „als Frau“, wenn die Äußerung auf die herkömmliche Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen bezogen ist und die Problematik der Vereinbarung von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit demgemäß nur als Einstellungshindernis für Frauen und Mütter negativ in den Blick genommen wird. In einem solchen Fall ist eine dahin gehende Anmerkung des Arbeitgebers nicht neutral, sondern unmittelbar auf die Bewerberin als Frau bezogen. Ob ein solcher Fall unmittelbarer Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliegt, ist eine Frage der zu prüfenden Indizwirkung. Es ist nicht Aufgabe der Personalpolitik, die gesellschaftliche Rollenverteilung zu ändern (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 32; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 74). Sie darf jedoch in der konkreten Personalentscheidung auch nicht zu Lasten einer Bewerberin an solche gesellschaftlichen Rollenverteilungen anknüpfen und sie in die Motivation der ablehnenden Entscheidung einbeziehen. Das Landesarbeitsgericht wird tatrichterlich zu entscheiden haben, ob beispielsweise in Ansehung des Mikrozensus 2010 vorliegend ein solches Vorgehen der Beklagten zu bejahen oder zu verneinen ist.

32

bb) Das Landesarbeitsgericht wird auch zu prüfen haben, ob die Art der Anmerkung und ihr Zustandekommen darauf hindeuten, dass darin tatsächlich eine solche unzulässige Motivation der Beklagten zum Ausdruck kommt. Es wird dabei die Betonung durch Unterstreichung und Ausrufezeichen sowie die Tatsache zu würdigen haben, dass die Klägerin bei ihrer Bewerbung das Alter ihres Kindes nicht angegeben hat, sondern dieses - aufwändig - von der Beklagten selbst errechnet wurde.

33

cc) Sofern das Landesarbeitsgericht bei erneuter Prüfung eine durch Hilfstatsachen ausgelöste Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts bejaht, hat die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast - mit dem Beweismaß des Vollbeweises, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO - dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Darzulegen und zu beweisen ist, dass die auf dem Lebenslauf der Klägerin vermerkte handschriftliche Ergänzung keine Anknüpfung an das Geschlecht beinhaltet, auch nicht im Sinne der dargestellten Rechtsprechung zum „Motivbündel“. Insofern hat das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend schon überlegt, dass weder eine vermeintlich bessere Qualifikation der eingestellten Bewerberin von Bedeutung ist, noch der Umstand, dass die bevorzugte Bewerberin keine Kinder hat. Dass sich die Beklagte auf letztere Tatsache bisher berufen hat, deutet im Gegenteil eher darauf hin, dass bei der Beklagten geschlechtsbezogene Überlegungen bei der Einstellungsentscheidung durchaus eine Rolle gespielt haben können.

34

III. Die Begründung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Klägerin bei der Ablehnung ihrer Bewerbung mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, was durch die Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem zurückgesandten Lebenslauf indiziert werde, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, da das statistische Material des Mikrozensus 2010 darauf bezogen nicht aussagekräftig ist.

35

1. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

36

a) Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung setzt das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus. Neutral iSv. § 3 Abs. 2 AGG sind die bezeichneten Regelungen stets dann, wenn sie nicht an einen verbotenen Anknüpfungsgrund nach § 1 AGG unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen. Als neutrale Regelungen kommen neben allen individual- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen auch solche Einzelmaßnahmen - etwa in Gestalt von Weisungen - in Betracht, die auf die Aufstellung oder die Anwendung einer allgemeinen Regel bzw. eines verallgemeinernden Kriteriums zurückgehen (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - Rn. 36 f., BAGE 138, 166; HWK/Rupp 6. Aufl. § 3 AGG Rn. 6; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 3 Rn. 74; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 21 f., die von einseitiger Aufstellung von Maßstäben oder Voraussetzungen durch den Arbeitgeber sprechen).

37

b) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG ist ein statistischer Nachweis nicht zwingend erforderlich, dass Personen, bei denen eines der Merkmale des § 1 AGG vorliegt, im Verhältnis zu Personen, bei denen dies nicht der Fall ist, zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden, wenn das Kriterium dazu typischerweise geeignet ist. Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut und entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet-utile, wonach die Regelungen einer Richtlinie innerhalb ihres Geltungsbereichs tatsächliche Wirksamkeit entfalten sollen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, BAGE 134, 160; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 29, BAGE 131, 342).

38

c) Nach der Rechtsprechung des EuGH wie des Senats können sich auch aus Statistiken grundsätzlich Indizien für eine Geschlechterdiskriminierung ergeben, also dafür, dass im Sinne einer mittelbaren Diskriminierung scheinbar neutrale Regelungen/Vorschriften, Kriterien, Leistungen oder Maßnahmen tatsächlich nur eine Gruppe von Merkmalsträgern, zB nur das eine Geschlecht überwiegend betreffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine mittelbare Diskriminierung etwa dann anzunehmen, wenn sich aus den verfügbaren statistischen Daten ergibt, dass ein wesentlich geringerer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen Arbeitnehmer die durch diese Regelung aufgestellten Voraussetzungen erfüllen kann (siehe EuGH 6. Dezember 2007 - C-300/06 - [Voß] Rn. 41, Slg. 2007, I-10573; 9. Februar 1999 - C-167/97 - [Seymour Smith und Perez] Rn. 59, Slg. 1999, I-623). Dabei ist es Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob die statistischen Daten über die Situation bei den Arbeitskräften aussagefähig sind und ob es sie berücksichtigen kann, ob sie sich auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und ob sie, generell gesehen, aussagekräftig erscheinen (EuGH 27. Oktober 1993 - C-127/92 - [Enderby] Rn. 17, Slg. 1993, I-5535).

39

2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechts infolge des handschriftlichen Zusatzes auf ihrem Lebenslauf nicht auf die statistischen Daten des Mikrozensus 2010 des Statistischen Bundesamtes gestützt werden.

40

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“ als eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift oder als ein solches Differenzierungskriterium angesehen.

41

b) Bei einer mittelbaren Diskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG können Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die dem Anschein nach neutral sind, jedoch eine Gruppe von Merkmalsträgern wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber einer anderen Gruppe in besonderer Weise benachteiligten, auch durch nicht arbeitgeberbezogene Statistiken belegt werden(vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, BAGE 134, 160; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 29, BAGE 131, 342).

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c) Im Grundsatz ist es daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht den Mikrozensus 2010 als nicht arbeitgeberbezogene Statistik für die Beurteilung eines von ihm so verstandenen „dem Anschein nach neutralen Verhaltens“ herangezogen hat. Insoweit ist die Statistik des Mikrozensus jedoch vorliegend nicht aussagekräftig.

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aa) Der Mikrozensus 2010 präsentiert Ergebnisse für verschiedene Lebensformen. Dem liegt das Lebensformenkonzept des Berichtsjahrs 2005 zugrunde, nach dem einerseits traditionelle Formen des (Zusammen-)Lebens wie Ehepaare oder Alleinstehende, andererseits alternative Lebensformen wie beispielsweise nichteheliche Lebensgemeinschaften oder Alleinerziehende unterschieden werden (Keller/Haustein Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ergebnisse des Mikrozensus 2010, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Januar 2012 S. 30). In dem Lebensformenkonzept wird die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung grundsätzlich entlang zweier „Achsen“ statistisch erfasst: Erstens der Elternschaft und zweitens der Partnerschaft. Die Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern sind als Anteil der aktiv erwerbstätigen Mütter und Väter an allen Müttern bzw. Vätern definiert. Die Vollzeitquote drückt den Anteil an allen aktiv Erwerbstätigen aus (vgl. Keller/Haustein aaO S. 31). Aus dem Mikrozensus geht hervor, dass Ehefrauen mit Kindern zu 60 %, verheiratete Väter zu 85 % berufstätig waren. Gravierende Unterschiede bestehen hinsichtlich des Umfangs der ausgeübten Tätigkeit, da nur 25 % der erwerbstätigen, verheirateten Mütter in Vollzeit arbeiteten im Gegensatz zu 95 % der verheirateten Väter (Keller/Haustein aaO S. 36/37).

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bb) Von diesen Daten kann nicht auf eine mittelbare Benachteiligung der Klägerin als Bewerberin geschlossen werden. Der Mikrozensus untersucht nur, aufgeteilt in Lebensformen, die jeweilige Quote der Beschäftigung und in diesem Zusammenhang auch die Verteilung auf die Geschlechter. Vorliegend geht es jedoch nicht um eine Beschäftigung, sondern um eine angestrebte Beschäftigung, also um die Frage der Behandlung von Bewerbungen. Den Ergebnissen des Mikrozensus können keine Zahlenangaben/Geschlechterquoten hinsichtlich des Erfolges oder Misserfolges von Bewerbungen oder angestrebten Beschäftigungen in Vollzeitarbeit entnommen werden.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Burr    

        

    Bloesinger    

                 

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Weibliche und männliche Beschäftigte üben eine gleiche Arbeit aus, wenn sie an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführen.

(2) Weibliche und männliche Beschäftigte üben eine gleichwertige Arbeit im Sinne dieses Gesetzes aus, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren gehören unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen. Es ist von den tatsächlichen, für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen Anforderungen auszugehen, die von den ausübenden Beschäftigten und deren Leistungen unabhängig sind.

(3) Beschäftigte in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen nach § 5 Absatz 2 können untereinander nicht als vergleichbar nach Absatz 1 oder als in einer vergleichbaren Situation nach Absatz 2 befindlich angesehen werden.

(4) Verwendet der Arbeitgeber für das Entgelt, das den Beschäftigten zusteht, ein Entgeltsystem, müssen dieses Entgeltsystem als Ganzes und auch die einzelnen Entgeltbestandteile so ausgestaltet sein, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts ausgeschlossen ist. Dazu muss es insbesondere

1.
die Art der zu verrichtenden Tätigkeit objektiv berücksichtigen,
2.
auf für weibliche und männliche Beschäftigte gemeinsamen Kriterien beruhen,
3.
die einzelnen Differenzierungskriterien diskriminierungsfrei gewichten sowie
4.
insgesamt durchschaubar sein.

(5) Für tarifvertragliche Entgeltregelungen sowie für Entgeltregelungen, die auf einer bindenden Festsetzung nach § 19 Absatz 3 des Heimarbeitsgesetzes beruhen, gilt eine Angemessenheitsvermutung. Tätigkeiten, die aufgrund dieser Regelungen unterschiedlichen Entgeltgruppen zugewiesen werden, werden als nicht gleichwertig angesehen, sofern die Regelungen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.

(6) Absatz 5 ist sinngemäß auch auf gesetzliche Entgeltregelungen anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.