Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 21. Juli 2016 - L 15 SB 97/15

bei uns veröffentlicht am21.07.2016
vorgehend
Sozialgericht München, S 14 SB 221/13, 25.03.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2015, berichtigt mit Beschluss vom 27. Mai 2015, wird abgeändert und der Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung seines Bescheids vom 12. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Januar 2013 ab 12. September 2012 einen GdB von 50 festzustellen.

II.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin infolge einer Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustands ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 gemäß § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zusteht.

Die Klägerin ist im Jahr 1994 geboren. Sie leidet insbesondere an erheblichen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule.

Wegen einer dysplastischen Spondylolisthesis und einer rechtskonvexen Thorakalskoliose mit Rückenschmerzen wurde bei der Klägerin im Klinikum K. am 03.08.2011 eine Spondylodese L5/S1 und am 11.10.2011 eine Spondylodese BWK 6 - 12 durchgeführt.

Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 30.01.2012 stellte der Beklagte einen GdB von 30 fest und legte dem die Gesundheitsstörung einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule zugrunde.

Mit Antrag vom 12.09.2012 begehrte die Klägerin die Erhöhung des GdB auf wenigstens 60 und die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G.

Beigelegt war dem Antrag ein Abschlussbericht über einen Aufenthalt in der Klinik M. Bad W. vom 07.05.2012 bis zum 01.06.2012. Darin wurde angegeben, dass die Klägerin über tagesformabhängige große Schmerzen berichtet habe. Die HWS-Beweglichkeit sei frei gewesen, die LWS-Beweglichkeit sei nicht geprüft worden, aber schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Sensibilitätsstörungen oder motorische Störungen seien nicht feststellbar gewesen.

Der Operateur aus dem Jahr 2011 berichtete in einem Arztbrief vom 04.09.2012 darüber, dass eine erhebliche Einschränkung der Belastbarkeit der Wirbelsäule vorliege. Dies drücke sich jetzt in einer massiven Verspannung der LWS-Muskulatur sowie auch in Verspannungen im Schultergürtelbereich aus. Weiterhin sei als klares Zeichen der Überbelastung als Folge der Operation eine deutliche Reizung des Iliosakralgelenks nachzuweisen. Neurologische Ausfälle hätten sich nicht gezeigt. Die ausgesprochene „MdE“ von 30 entspreche in keiner Weise der Situation der Wirbelsäule. Dabei sei zu beachten, dass die langstreckige Versteifung im Bereich der BWS und die Versteifung im Bereich L5/S1 eine sehr ungünstige Kombination darstellen würden, da der Bewegungsverlust im Bereich der BWS nur bedingt durch die LWS kompensiert werden könne. Dadurch erkläre sich auch die klare Überbeanspruchung der Lendenmuskulatur, die auf dem Boden der Überbelastung nach Versteifung in den beiden Wirbelsäulenabschnitten klar zu erklären sei.

Mit Bescheid vom 12.10.2012 lehnte es der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme ab, eine Neufeststellung zu treffen.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit dem Ziel eines GdB von mindestens 50. Der Widerspruch wurde im Schreiben vom 31.10.2012 damit begründet, dass die Behinderungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Zudem leide die Klägerin an einem schweren psychischen Belastungssyndrom und neurologischen Ausfällen im linken Bein und chronischen Schmerzen, die bislang völlig unberücksichtigt geblieben seien.

Vorgelegt wurde eine ärztliche Bescheinigung des behandelnden Orthopäden H. vom 19.10.2012, wonach allein auf orthopädischem Fachgebiet die Behinderung mit „mindestens 40 - 50%“ anzugeben sei. Der Finger-Boden-Abstand wurde mit 50 cm beschrieben, der Lasègue beidseits bei 20° als positiv. Reflexe wurden als beidseits auslösbar und die Großzehenheberparese als unauffällig angegeben.

Im Attest vom 25.10.2012 beschrieb die Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin H. eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit der gesamten Wirbelsäule mit persistierenden Schmerzen sowie ein ausgeprägtes statomuskuläres Defizit. Dieser Schaden sei - so die Ärztin H. - mit einem GdB von 50 - 70 zu bewerten; darüber hinaus könne auch für die chronische Schmerzkrankheit eine Bewertung (bis 30) zusätzlich festgestellt werden.

Weiter wurde ein Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 17.12.2012 übersandt, in dem darüber berichtet wurde, dass ein Anhaltspunkt für eine funktionell bedeutsame Schädigung der Nervenwurzeln L5 oder S1 nicht vorliege. Wegen einer Regressionsneigung mit depressiver Krankheitsverarbeitung sei eine Behandlung mit Cymbalta 30 mg morgens begonnen worden.

Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2013 zurückgewiesen. Zugrunde gelegt wurden folgende Gesundheitsstörungen:

1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule - Einzel-GdB 30

2. depressive Anpassungsstörung - Einzel-GdB 10.

Am 22.02.2013 hat die Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) München mit dem Ziel eines GdB von 50 erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die orthopädischen und psychischen Einschränkungen der Klägerin nicht zutreffend bewertet seien. Bei der Klägerin bestünden Versteifungen im Bereich der BWS und im Bereich L5/S1. Genau diese Kombination führe dazu, dass der Bewegungsverlust im Bereich der BWS kaum durch die LWS kompensiert werden könne. Hinzu kämen Depressionen und neurologische Ausfälle im linken Bein. Im Zusammenwirken der umfangreichen orthopädischen Erkrankungen komme es zu massiven und sehr schmerzhaften Bewegungs- und Mobilitätseinschränkungen. Die gesamte Beschwerdesituation führe zu enormen Einschränkungen in der gesamten Lebensführung und der Bewältigung des Alltags.

Nach der Einholung eines Befundberichts beim Hausarzt der Klägerin hat im Auftrag des SG der Chirurg Dr. L. am 25.09.2013 ein Gutachten erstellt. Darin ist er zu der Einschätzung gekommen, dass der GdB ab Antragstellung auf 40 zu erhöhen sei.

Bezüglich der Wirbelsäule hat der Sachverständige folgenden Befund erhoben:

- HWS in der Beweglichkeit frei.

- BWS: muskulärer Hartspann an der oberen BWS mit Druckdolenzen, Schulterbeweglichkeit rechts beeinträchtigt durch Narbe, endgradige Schmerzen bei der Abduktion und vor allem der Elevation.

- LWS: Druckdolenzen beidseits paravertebral ab L3 bis S1/S2 übergehend bei weitgehender Einsteifung der LWS, schmerzhafte Restbeweglichkeit bei Entfaltungsstörung, Vor-/Rückneigen 25-0-5°, passiv wegen berichteter Schmerzen nicht weiter auszuführen. Seitwärtskippen nur 10°, Rotation nach links 20°, nach rechts 25°. Finger-Boden-Abstand 40 cm, Schober 10/10. Entfaltung der unteren LWS nicht möglich.

Das Hinlegen und Wiederaufstehen sei mühsam unter Seitwärtsabrollen gewesen. Beim Aufrichten zum Sitzen habe die Klägerin Schmerzen an der unteren LWS angegeben. Muskuläre Verspannungen würden sich rechtsbetont an den Rippenansätzen unterhalb des Schulterblatts finden, linksseitig geringfügig am thorokolumbalen Übergang.

Die Stimmungslage der Klägerin hat der Sachverständige als zum depressiven Pol hin verschoben und wegen der Schmerzen niedergeschlagen beschrieben. Anamnestisch bestehe ein sozialer Rückzug.

Den GdB für die Wirbelsäule hat der Sachverständige mit 30 als zutreffend bewertet angesehen. Es bestünden erhebliche Bewegungseinschränkungen an BWS und LWS, reizlose Narben mit lokalen Beschwerden und muskuläre Verspannungen, welche noch einer weiteren Krankengymnastik zugeführt werden sollten. Die HWS sei frei beweglich. Die muskulären Verspannungen seien auch Ausdruck eines chronischen Schmerzsyndroms.

Eine Änderung habe sich gegenüber dem Bescheid des Beklagten vom 30.01.2012 insofern ergeben, als nunmehr ein chronisches Schmerzsyndrom mit depressiver Anpassungsstörung und einem Einzel-GdB von 20 vorliege. Die derzeit geschilderten Schmerzen seien durchaus als organisch zu begreifen und würden ursächlich zu einer depressiven Rückzugstendenz führen. Bei aktuell noch geringer therapeutischer Frequenz ohne laufende Schmerztherapie sei hier ein GdB von wenigstens 20 anzuerkennen, der rückwirkend ab Juni 2012 (Manifestierung des dauerhaften Leidens sowohl der depressiven Störung als auch der anhaltenden Schmerzen) vorgesehen werde. Es liege eine ungünstige Wechselwirkung der Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule und des chronischen Schmerzsyndroms mit depressiver Anpassungsstörung vor; dadurch würden sich die Reizsymptomatik und die Bewegungsschmerzen und Belastungsschmerzen verstärken.

Der Beklagte hat sich der Einschätzung des Gutachters angeschlossen und mit Schreiben vom 28.10.2013 vergleichsweise einen GdB von 40 ab dem 12.09.2012 angeboten. Dieses Angebot hat die Klägerin nicht angenommen, weil - so ihre Ansicht - der Problematik der Wirbelsäulenoperation in keiner Weise Rechnung getragen sei (Schreiben vom 20.11.2013).

Nach Einholung eines Befundberichts bei Dr. P. hat der Neurologe und Psychiater Dr. K. im Auftrag des SG am 03.09.2014 ein Gutachten erstellt. Darin ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass der GdB ab September 2012 40 betrage. Dem hat er zugrunde gelegt, dass die bei der Klägerin bestehende seelische Störung als Anpassungsstörung zu interpretieren sei, die mit einem GdB von 20 einzustufen sei. Eigene weitergehende Feststellungen zur Wirbelsäulenproblematik hat der Sachverständige nicht getroffen, sondern die Einschätzung des chirurgischen Vorgutachters zugrunde gelegt.

Mit Urteil vom 25.03.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.05.2015 ist der Beklagte verpflichtet worden, ab dem 12.09.2012 den GdB mit 40 zu bewerten.

Gegen das am 04.05.2015 zugestellte Urteil hat die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 21.05.2015 Berufung eingelegt mit dem Ziel eines GdB von 50 ab dem 12.09.2012. Die Berufung hat sie wie folgt begründet:

Ein GdB von 40 berücksichtige die Einschränkungen der Klägerin nicht ausreichend. Sofern das SG annehme, die Klägerin habe überwiegend Beschwerden im Bereich der LWS und somit keine Beschwerden in mehr als einem Abschnitt der Wirbelsäule, verkenne es den vorliegenden Befund. Nach den Operationen zur Korrektur der Skoliose bestünden weitere Beschwerden im Bereich der BWS. Zum einen sei die Skoliose nicht vollständig korrigiert worden, zum anderen bestünden auch nach der Operation starke Schmerzen. Es sei auch keineswegs so, dass eine Korrektur einer Skoliose dazu führe, dass die Klägerin in einem Zustand, wie ihn eine gesunde Person habe, sei. Die Bewegungsfreiheit sei durch die Versteifungsoperationen massiv eingeschränkt. Laut der Versorgungsmedizin-Verordnung gebe es für Wirbelsäulenschäden „mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule ...)“ einen GdB von 50 bis 70. Gerade eine solche Versteifung der Wirbelsäule liege bei der Klägerin vor. Allein durch diese Einschränkung sei ein GdB von 50 bereits gerechtfertigt und zuzuerkennen. Selbst wenn man dies anders sehen würde, läge hier zumindest ein Wirbelsäulenschaden „mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten“ vor, welcher mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten und sicherlich am oberen Rand einzuordnen sei. Die Klägerin leide unter Einschränkungen und Schmerzen in fast der gesamten Wirbelsäule. Dazu kämen noch die durch Dr. K. festgestellten psychischen Störungen in Form einer Anpassungsstörung, welche mit einem GdB von 20 zu bewerten seien.

In der Folge angesetzte Erörterungstermine (für den 23.02.2016, 29.02.2016, 26.04.2016 und 29.04.2016) mussten allesamt wegen Verlegungsanträgen der Bevollmächtigten der Klägerin abgesetzt werden.

Einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag (Schreiben vom 27.04.2016), mit dem ein GdB von 50 vorgeschlagen worden war, hat sich der Beklagte nicht zu eigen gemacht. Er hat mit Schreiben vom 24.05.2016 die Ansicht vertreten, dass ein höherer GdB als 40 nicht vorliege und sich dabei auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. K. vom 19.05.2016 gestützt.

In dieser versorgungsärztlichen Stellungnahme ist Folgendes ausgeführt:

Gemäß Seite 26 des Gutachtens treffe kein höherer Einzel-GdB als 30 für die Wirbelsäule „im Abschnitt BWS/LWS“ zu, da keine sensomotorischen radikulären Nervenausfälle vorlägen. Da die HWS der Klägerin frei beweglich gewesen sei, seien starke Beeinträchtigungen der Wirbelsäule „im Abschnitt BWS/LWS“ mit einem GdB von 30 bereits umfassend berücksichtigt. „Zweifelsfrei“ liege bei der Klägerin „zusätzlich ein chronisches Schmerzsyndrom“ vor. Diese zweite Behinderung „depressive Anpassungsstörung, chronisches Schmerzsyndrom“ wirke sich „aufgrund ihrer negativ wechselseitigen Verstärkung mit der orthopädischen Gesundheitsstörung erhöhend auf den Gesamt-GdB aus,“ so dass in der Gesamtsicht ein höherer GdB von 40 vorliege. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Tatsache, dass sich die seelische Störung zusammen mit einem somatoformen Schmerzsyndrom erhöhend auf den GdB von 30 für die Wirbelsäule auswirke, „im übertragenen Sinne bereits ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule berücksichtigt ist, das gemäß den Vorgaben der V.-Verordnung B 18.9 S. 107 (unten) einen höheren GdB als 30 für die Wirbelsäule begründet, was durch die zusammenfassende Beurteilung des Gutachtens Doktor L. verwirklicht wurde. Denn die bei der Klägerin nachgewiesene depressive Anpassungsstörung wäre alleine nicht geeignet, einen GdB von 20 auszufüllen. Erst die Zusammenfassung der (reaktiven) depressiven Anpassungsstörung mit einem somatoformen Schmerzsyndrom ist geeignet, einen GdB von 20 so gut auszufüllen, dass sich dieser erhöhend auf den Gesamt-GdB auswirken kann.“ Ein GdB von 50 sei nicht vertretbar.

Anschließend ist am 24.06.2016 für den 21.07.2016 zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat wegen eines bereits vorher geladenen anderweitigen Gerichtstermins (vor dem Amtsgericht - AG - M-Stadt, später mit Schreiben vom 06.07.2016 korrigiert auf W-Stadt) mit Eingang bei Gericht am 04.07.2016 erneut Terminsverlegung beantragt. Eine Verlegung ist mit gerichtlichem Schreiben vom 08.07.2016 abgelehnt und die Bevollmächtigte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgefordert worden, einen Unterbevollmächtigten zu entsenden. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat ihren Verlegungsantrag mit Schreiben vom 11.07.2016 mit der Begründung aufrechterhalten, dass die Klägerin eine Vertretung durch sie persönlich wünsche, und für den Fall, dass das Gericht ihrem Verlangen nach einer Terminsverlegung nicht nachkomme, angekündigt, es „müsste über einen Befangenheitsantrag nachgedacht werden“. Nachdem dazu das Gericht mit Telefax vom 13.07.2016 mitgeteilt hatte, dass eine Terminsverlegung nicht erfolge, hat die Bevollmächtigte mit einem auf den 19.07.2016 datierten, bei Gericht aber erst am Sitzungstag um 10.11 Uhr per Fax eingegangenen Schreiben einen Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter gestellt und ihren Terminsverlegungsantrag nochmals wiederholt. Der Befangenheitsantrag ist durch Beschluss in der Sitzung vom 21.07.2016 abgelehnt worden.

Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 21.05.2015),

das Urteil des SG München vom 24.03.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin einen GdB von 50 ab 12.09.2012 zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

Es ist eine Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin gegenüber den Verhältnissen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid vom 30.01.2012 zugrunde gelegen haben, nachgewiesen. Der GdB ist infolge der Verschlimmerung ab Antrag auf 50 und nicht nur auf 40 festzusetzen.

1. Besetzung des Senats bei der Entscheidung durch Urteil am 21.07.2016

Der Berichterstatter des Senats, den die Bevollmächtigte der Klägerin mit einem auf den 19.07.2016 datierten, aber erst am 21.07.2016 (Sitzungstag) per Telefax gesandten Schreiben wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte, hat an der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 und dem Urteil vom selben Tag mitwirken können, weil der Befangenheitsantrag bereits zuvor in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss des Senats rechtskräftig abgelehnt worden war. Das den als befangen abgelehnten Richter treffende Handlungsverbot gemäß § 47 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) endete mit der rechtskräftigen zurückweisenden Erledigung des Befangenheitsantrags durch den in der mündlichen Verhandlung am 21.07.2016 verkündeten Beschluss.

Die Frage, ob die Klägerin von diesem Beschluss Kenntnis gehabt hat, ist rechtlich irrelevant (vgl. BSG, Beschluss vom 30.06.2008, Az.: B 2 U 1/08 RH - dort zur Kenntnis des abgelehnten Richters). Sie könnte sich nicht darauf berufen, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung durch Urteil mangels Kenntnis von dem in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 ergangenen Beschluss zur Befangenheit davon ausgegangen sei, dass der Befangenheitsantrag noch offen sei und dies einer abschließenden Entscheidung durch Urteil entgegen stehe. Auf ihre Kenntnis des vor Erlass des Urteils ergangenen Beschlusses zum Befangenheitsantrag kommt es nicht an. Dieser Beschluss ist bereits mit der Verkündung in der mündlichen Verhandlung wirksam und mangels Rechtsbehelfsmöglichkeit auch rechtskräftig geworden - und zwar unabhängig von der Kenntnis der Klägerin. Zwar werden Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung nach § 142 Abs. 1 i. V. m. § 133 SGG erst mit Zustellung wirksam. Eine derartige Situation liegt aber hier nicht vor. Vielmehr hat der Senat angesichts des von der Klägerin zu vertretenden Zeitdrucks von der dem Senat durch § 142 Abs. 1 SGG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, über den Befangenheitsantrag in der mündlichen Verhandlung zu entscheiden und den Beschluss dort gemäß § 142 Abs. 1 i. V. m. § 132 SGG zu verkünden. Ein solcher, in der mündlichen Verhandlung verkündeter Beschluss wird mit der Verkündung existent und damit wirksam (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 142, Rdnr. 3c, § 135, Rdnr. 3, § 132, Rdnr. 1a, § 125, Rdnr. 4). Auf die Frage, wann die Klägerin vom Beschluss zum Befangenheitsantrag Kenntnis erlangt, kommt es nicht an, da eine personenbezogene und kenntnisbegründete Teilwirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen dem Grundsatz der durch Verkündung begründeten Öffentlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung fremd ist (vgl. Urteile des Senats vom 25.09.2014, Az.: L 15 VK 6/12, L 15 VK 3/13, L 15 VK 6/13, und L 15 VK 7/13). Die gemäß § 142 Abs. 1 i. V. m. § 135 SGG gebotene Zustellung des Protokolls mit dem Beschluss zum Befangenheitsantrag an die Klägerin hat dabei keine Bedeutung für die Wirksamkeit des gerichtlichen Beschlusses, sondern ist vom Gesetzgeber wegen des Beginns etwaiger Rechtsmittelfristen - die es hier nicht gibt - vorgesehen worden (vgl. Keller, a. a. O., § 135, Rdnr. 3). Mit dem Wirksamwerden des Beschlusses zur Befangenheit im ersten Teil der mündlichen Verhandlung am 21.07.2016 ist auch dessen Rechtskraft eingetreten, da gemäß § 177 SGG eine Beschwerde ausgeschlossen ist.

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass, auch wenn die Frage des Wirksamwerdens eines Beschlusses in einer mündlichen Verhandlung offen gelassen würde, die Mitwirkung des abgelehnten Berichterstatters in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 und beim Urteil vom selben Tag nicht zu einem angreifbaren Rechtsfehler führen würde. Denn ein derartiger Verfahrensfehler würde nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Zustellung des vor Erlass des Urteils gefassten Beschlusses über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs geheilt (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 19.05.1953, Az.: 2 StR 445/52, und vom 15.07.2004, Az.: IX ZB 280/03; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 17.10.1996, Az.: XI R 13/96; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.12.1999, Az.: 9 AZN 739/99; BSG, Beschluss vom 01.08.2000, Az.: B 9 SB 24/00 B).

2. Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 trotz Abwesenheit der Klägerin und ihrer Bevollmächtigten

Der Senat hat in Abwesenheit der Klägerin und deren bevollmächtigter Rechtsanwältin verhandeln und entscheiden können, da letztere über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen eines Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG).

Einer Entscheidung in der mündlichen Verhandlung stand auch nicht entgegen, dass die Bevollmächtigte der Klägerin einen Verlegungsantrag und anschließend am Tag der mündlichen Verhandlung noch einen Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter des Senats gestellt hat, über den erst in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte. Die Bevollmächtigte der Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung ausfallen würde.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat eine Terminsverlegung nicht geboten.

2.1. Keine Terminsverlegung wegen der Terminsverlegungsanträge

Es bestand kein Grund, dem am 04.07.2016 eingegangenen und mit Eingang am 12.07.2016 sowie am Sitzungstag wiederholten Antrag der Bevollmächtigten der Klägerin auf Terminsverlegung in den auf den 01., 11. und 19.07.2016 datierten Schreiben stattzugeben.

Den Terminsverlegungsantrag begründete die derzeit wieder als Einzelanwältin tätige Bevollmächtigte der Klägerin zunächst mit Schreiben vom 01.07.2016 mit einem kollidierenden Gerichtstermin vor dem AG M-Stadt, dann mit Schreiben vom 06.07.2016 korrigiert auf das AG W-Stadt. Anschließend trug sie zur Begründung des Verlegungsantrags mit Schreiben vom 11.07.2016 Folgendes vor:

„Die Unterzeichnerin hat an diesem Tag nicht nur um 13:30 Uhr vor dem Amtsgericht W-Stadt einen nach § 155 FamFG vorrangigen Termin wahrzunehmen, sondern auch um 09:30 Uhr einen früher angesetzten Gerichtstermin vor dem Familiengericht K-Stadt und im Anschluss daran um 11:30 Uhr einen Termin vor dem Familiengericht in C-Stadt.

Selbst wenn der Termin um 13:30 Uhr in W-Stadt nicht stattfinden würde, wäre es der Unterzeichnerin nicht möglich, die Strecke von C-Stadt nach München nach dem Termin in C-Stadt so schnell hinter sich zu bringen, dass sie pünktlich zum Termin in München erscheinen könnte.

Es kann nicht der Unterzeichnerin angelastet werden, dass andere Gerichte früher terminieren als das Bayerische Landessozialgericht.

Auch besteht die Klägerin auf eine Vertretung durch die Unterzeichnerin.

Ganz unabhängig davon, ist es der Klägerin und auch der Unterzeichnerin unzumutbar, irgendeinen Vertreter zu entsenden. Fachanwälte für Sozialrecht sind gerade nicht so flächendeckend greifbar wie Fachanwälte in anderen Bereichen.

Gegebenenfalls müsste über einem Befangenheitsantrag nachgedacht werden, der letztendlich vermutlich keinem etwas bringt.

Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass das Verfahren ordnungsgemäß zu Ende gebracht wird.“

Dem Antrag der Bevollmächtigten der Klägerin auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung am 21.07.2016 gemäß § 202 SGG i. V. m. § 227 ZPO ist, wie ihr bereits mit Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 08.07.2016 und 13.07.2016, nachweislich der Faxprotokolle jeweils am selben Tag der Bevollmächtigten der Klägerin zugeleitet, mitgeteilt worden war, aus folgenden Gründen nicht nachzukommen gewesen:

- Eine gerichtliche Terminskollision begründet regelmäßig keinen Anspruch auf Verlegung eines Gerichtstermins. Dies gilt auch dann, wenn in einer Sozietät keine Vertretung durch ein Mitglied der Sozietät möglich ist oder - wie hier - die Bevollmächtigte als Einzelanwältin in eigener Kanzlei tätig ist.

Beispielhaft verweist der Senat auf den Beschluss des BSG vom 15.06.1992, Az.: 7 BAr 90/91, in dem Folgendes ausgeführt worden ist:

„Die Pflicht des Prozessbevollmächtigten, gleichzeitig einen anderen Termin wahrzunehmen, ist demzufolge regelmäßig nicht geeignet, einen Anspruch auf Terminsänderung auszulösen. Vielmehr muss der Prozessbevollmächtigte in einem solchen Fall, wenn - wie hier - auch ein Sozietätskollege nicht zur Verfügung steht, einen anderen Prozessbevollmächtigten heranziehen, da sonst der Zweck des § 227 ZPO, den Prozess zu straffen, vereitelt werden könnte (BVerfGE 14, 195 f; BVerwG DVBl 1963, 672; BVerwGE 43, 288, 290; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., Anm 3 D a). Anders kann zu entscheiden sein, wenn nicht mehr rechtzeitig für eine Vertretung gesorgt werden kann, etwa wegen plötzlicher Erkrankung des Prozessbevollmächtigten (BVerwG Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 141; Kopp, VwGO, 7. Aufl. 1986, § 102 Rz. 5 m. w. N.).“

- Einen allgemeinen Grundsatz, wonach ein Beteiligter einen Anspruch darauf hätte, bei Gerichtsterminen immer durch den von ihm ausgewählten Bevollmächtigten persönlich und nicht durch einen anderen unterbevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten zu werden, gibt es nicht.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör und in diesem Zusammenhang auf Vertretung durch einen Anwalt in der mündlichen Verhandlung beinhaltet nur einen Anspruch auf anwaltliche Vertretung an sich, nicht aber durch einen bestimmten Rechtsanwalt der eigenen Wahl (vgl. BSG, Beschlüsse vom 31.05.1990, Az.: 11 BAr 153/89, vom 15.06.1992, Az.: 7 BAr 90/91, vom 25.11.1992, Az.: 2 BU 159/92, und Urteil vom 22.09.1999, Az.: B 5 RJ 22/98 R). Anderenfalls könnte ein Beteiligter dadurch, dass er einen Einzelanwalt beauftragt, auf den Verfahrensablauf und insbesondere die Durchführung der verfahrensabschließenden mündlichen Verhandlung erheblich mehr Einfluss ausüben, als es bei Beauftragung einer großen Kanzlei der Fall wäre. Dies würde nicht nur eine erhebliche Erschwernis des Ablaufs des gerichtlichen Verfahrens bedeuten, sondern auch eine massive Benachteiligung von Rechtsanwaltssozietäten gegenüber Einzelanwälten.

- Aufgrund des vergleichsweise einfach gelagerten Berufungsverfahrens ergibt sich im Sinn der Gewährung rechtlichen Gehörs auch kein ausnahmsweiser Anspruch der Klägerin auf eine Vertagung, um sicherzustellen, dass ihre Bevollmächtigte den Gerichtstermin persönlich wahrnehmen kann.

Lediglich dann, wenn besondere Umstände vorliegen, also z. B. aufgrund der Schwierigkeit zugrundeliegender Rechts- oder Sachfragen oder des Umfangs des Verfahrens oder sonstiger besonderer Umstände die Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt - sei es durch einen anderen Anwalt der Kanzlei, sei es durch einen unterbevollmächtigten Anwalt aus einer anderen Kanzlei - nicht zumutbar ist, und diese besonderen Umstände das Interesse des Gerichts an der Beschleunigung des Verfahrens überwiegen (vgl. BSG, Beschluss vom 20.04.2009, Az.: B 9 SB 63/08 B), kann ein Anspruch auf Terminsverlegung gegeben sein (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1999, Az.: B 5 RJ 22/98 R). Derartiges ist vorliegend weder ersichtlich noch von der Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragen worden. Vielmehr handelt es sich vorliegend um ein schwerbehindertenrechtliches Verfahren von nicht mehr als durchschnittlicher Schwierigkeit und eher unterdurchschnittlichen Umfangs. Irgendwelche besonderen Sach- oder Verfahrensfragen sind mit dem Berufungsverfahren nicht verbunden. Der Aktenumfang des vorliegenden Berufungsverfahrens ist mit Sicherheit unterdurchschnittlich. Es ist somit kein einziger Gesichtspunkt ersichtlich, der einer Unterbevollmächtigung für den Tag der mündlichen Verhandlung entgegengestanden hätte.

- Dem Terminsverlegungsantrag war nicht aus Zeitgründen insofern, als dass es der Bevollmächtigten der Klägerin nicht mehr möglich gewesen wäre, eine anwaltliche Vertretung sicherzustellen, nachzukommen.

Die Ladung für die mündliche Verhandlung am 21.07.2016 ist der Bevollmächtigten rund dreieinhalb Wochen vor dem Termin zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt war ihr bereits bekannt, dass ein anderweitiger kollidierender Gerichtstermin für sie bestand. Innerhalb eines Zeitraums von dreieinhalb Wochen wäre es der Bevollmächtigten zumutbar und ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, einen anwaltlichen Vertreter für die mündliche Verhandlung am 21.07.2016 zu beauftragen, wenn sie dies denn gewollt hätte.

- Einer Unterbevollmächtigung steht nicht entgegen, dass es der Bevollmächtigten nicht möglich gewesen wäre, einen Fachanwalt für Sozialrecht, wie sie es auch ist, als Vertreter für die mündliche Verhandlung vom 21.07.2016 zu finden. Wenn sie der Meinung ist, dass Fachanwälte für Sozialrecht nicht so flächendeckend „greifbar“ wie Fachanwälte in anderen Bereichen seien, ist dem zweierlei entgegenzuhalten: Zum einen ist der vorliegende Rechtsstreit aus dem Schwerbehindertenrecht sowohl sachlichmedizinisch als auch rechtlich nicht so schwierig, als dass nicht auch eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt möglich wäre, der nicht Fachanwalt für Sozialrecht ist. Zum anderen würde die Argumentation der Bevollmächtigten der Klägerin darauf hinauslaufen, dass Terminsverlegungsanträgen in sozialgerichtlichen Verfahren in einem weitaus größeren Umfang stattgegeben werden müssten als in anderen Rechtsbereichen. Diese Ansicht ist bereits unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht vertretbar und wird auch vom BSG nicht geteilt, das eine Vertretung auch durch einen fachfremden Rechtsanwalt grundsätzlich für zumutbar erachtet (vgl. BSG, Beschluss vom 22.09.1999, Az.: B 5 RJ 22/98 R).

- Gegen eine Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung hat auch der im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtende Beschleunigungsgrundsatz gesprochen, der sich für das gerichtliche Verfahren aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG ableitet (vgl. Roller, Richterliche Möglichkeiten zur Beschleunigung des sozialgerichtlichen Verfahrens, SGb 2010, S. 636 ff.).

Dem Beschleunigungsgebot für das sozialgerichtliche Berufungsverfahren kommt im vorliegenden Fall eine über das ohnehin schon gebotene Maß der Prozessförderung durch Gericht und Parteien hinausgehende erhöhte Bedeutung zu, weil bereits mehrfach, nämlich viermal, Gerichtstermine zur Erörterung der Sach- und Rechtslage wegen von der Bevollmächtigten der Klägerin angegebener Terminskollisionen abgesetzt werden mussten (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2008, Az.: VI ZR 317/07, und Beschluss vom 07.06.2010, Az.: II ZR 233/09).

Schließlich ist auch von einem erhöhten Beschleunigungsbedarf auszugehen, wenn - wie hier, nicht aber im kollidierenden amtsgerichtlichen Verfahren - ein Rechtsmittel eingelegt ist und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits ohnehin schon weiter hinausgeschoben wird (vgl. BGH, Beschluss vom 07.06.2010, Az.: II ZR 233/09).

Insofern spricht prima vista ohnehin Vieles dafür, dass einem Gerichtstermin in einem zweitinstanzlichen Verfahren oft Priorität gegenüber einem solchen in einem erstinstanzlichen Verfahren zuzumessen ist; jedenfalls im vorliegenden Verfahren ist dies der Fall.

- Dazu kommt im vorliegenden Verfahren noch, dass - wie dies in schwerbehindertenrechtlichen Verfahren mit Neufeststellungs- oder Verschlimmerungsanträgen typisch ist - vom Gericht sicherzustellen ist, dass die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten noch den auch zur mündlichen Verhandlung vorliegenden gesundheitlichen Zustand des Antragstellers widerspiegeln. Denn maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wie hier der der letzten mündlichen Verhandlung. Insofern besteht in den genannten schwerbehindertenrechtlichen Verfahren immer die Gefahr, dass während des laufenden Gerichtsverfahrens eine Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beteiligten mit der Konsequenz eintritt, dass möglicherweise erneut eine Begutachtung erforderlich wird, um der Amtsermittlungspflicht gerecht zu werden. Das Gericht ist daher in solchen Verfahren immer gehalten, zwecks Vermeidung des Eintritts einer Unverwertbarkeit von bereits eingeholten Gutachten und einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 103 SGG (vgl. BSG, Urteile vom 19.10.1961, Az.: 12/3 RJ 44/59, und vom 20.07.1962, Az.: 12 RJ 164/62, sowie Beschluss vom 07.11.2001, Az.: B 9 SB 51/00 B) auf eine möglichst umgehende Terminierung und Entscheidung hinzuwirken.

- Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin die Ansicht vertritt, dass der von ihr als vorrangig benannte Gerichtstermin vor dem AG einen Terminsverlegungsantrag begründen würde, weil dieser Termin zeitlich früher geladen und zudem gemäß § 155 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vorrangig wäre, kann der Senat dem nicht folgen.

Es gibt keinen Grundsatz, wonach zwingend der zuerst geladene Gerichtstermin einem später geladenen, was die Priorität der Terminswahrnehmung angeht, vorgehen würde. Es mag zwar zutreffen, dass in der Regel - insbesondere aus richterlichkollegialer Rücksicht heraus - dem zuerst geladenen Termin der Vorrang gegeben wird. Dabei handelt es sich aber nicht um einen verbindlichen Grundsatz. Vielmehr ist im Einzelfall abzuwägen, welcher Termin leichter zu verlegen und in welchem Rechtsstreit eine Verzögerung eher zu vertreten ist (vgl. BFH, Beschluss vom 09.12.1992, Az.: IV B 154/92).

Von einem vorrangigen Termin beim AG kann im vorliegenden Fall auch im Übrigen nicht ausgegangen werden. Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin diesen amtsgerichtlichen Termin als nach § 155 FamFG vorrangigen Termin bezeichnet hat, hat sie dies bloß behauptet, nicht aber substantiiert, wie dies ihre Pflicht angesichts der vergleichsweise kurzfristig nachgeschobenen Begründung des Terminsverlegungsantrags gewesen wäre (vgl. BSG, Beschlüsse vom 03.07.2013, Az.: B 12 R 38/12 B, und vom 27.05.2014, Az.: B 4 AS 459/13 B). Auch aus dem von ihr vorgelegten Ladungsschreiben für den amtsgerichtlichen Termin ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um ein gemäß § 155 FamFG vorrangiges Verfahren handeln würde.

- Im vorliegenden Verfahren spricht schließlich gegen eine Terminsverlegung, dass das Verhalten der Prozessbevollmächtigten den Eindruck entstehen hat lassen, dass sie an einem zügigen Abschluss des Verfahrens nicht interessiert ist.

Bei der Frage, ob einem Antrag auf Terminsverlegung stattzugeben ist, ist auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten bzw. des Beteiligten während des Verfahrens und die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten oder andere Umstände berücksichtigen, die auf das Bestehen einer Prozessverschleppungsabsicht schließen lassen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 24.04.2006, Az.: VII B 78/05, und vom 21.08.2014, Az.: IX B 39/14).

In Anbetracht der Tatsache, dass bereits vier vom Senat angesetzte Erörterungstermine wegen von der Bevollmächtigten der Klägerin angegebener Terminskollisionen wieder aufgehoben werden mussten, ohne dass sich die Bevollmächtigte ersichtlich darum bemüht hätte, einen der Gerichtstermine zu ermöglichen, ist eine Prozessverschleppungsabsicht nicht auszuschließen. Jedenfalls liegt bei dem jetzt zum fünften Mal im Berufungsverfahren gestellten Terminsverlegungsantrag eine aus einem objektiven Blickwinkel heraus vorliegende Verschleppung nahe.

- Im Übrigen - darauf weist der Senat lediglich der Vollständigkeit halber hin - hat sich eine Pflicht zur Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung am 21.07.2016 auch nicht aus § 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO ergeben. Danach ist zwar grundsätzlich ein für die Zeit vom 01.07. bis 31.08. bestimmter Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Diese Regelung ist aber gemäß § 110 Abs. 3 SGG für das sozialgerichtliche Verfahren nicht anwendbar. Denn § 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist als Ersatz für die abgeschafften Gerichtsferien eingeführt worden, die es in der Sozialgerichtsbarkeit nie gegeben hat (vgl. Keller, a. a. O., § 110 Rdnr. 3; Bayer. LSG, Beschluss vom 31. 07.2001, Az.: L 5 AR 105/01 U).

Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin mit Eingang am Sitzungstag erneut eine Terminsverlegung beantragt hat, ohne dies auch nur ansatzweise zu begründen, ist dieser Antrag schon wegen der fehlenden Begründung abzulehnen. Denn bei einem kurzfristig gestellten Verlegungsantrag muss der Verlegungsgrund so dargelegt und belegt werden, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob ein Verlegungsgrund auch tatsächlich besteht (vgl. BFH, Beschluss vom 25.10.2010, Az.: X B 130/12; BSG, Beschluss vom 27.05.2014, Az.: B 4 AS 459/13 B). Einer derart erhöhten Substantiierungspflicht (vgl. BFH, Beschluss vom 09.11.2009, Az.. VIII B 94/09) kann der schon gar nicht begründete Antrag nicht gerecht werden.

2.2. Keine Terminsverlegung wegen des am Sitzungstag gestellten Befangenheitsantrags gegen den Berichterstatter des Senats

Auch mit Blick auf den rund vier Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag der Klägerin hat unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG kein Anlass und erst recht keine Pflicht bestanden, in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 wegen des Nichterscheinens der Bevollmächtigten der Klägerin nicht durch Urteil zu entscheiden und den Termin zu verlegen. Dies hat das BSG in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem zusammen mit dem Befangenheitsantrag ein Terminsverlegungsantrag gestellt worden war, im Beschluss vom 01.08.2000, Az.: B 9 SB 24/00, wie folgt begründet:

„Entgegen seinem Vorbringen durfte der Kläger nicht schon aufgrund seines Ablehnungsgesuchs mit einer Verlegung des Termins rechnen. Er musste vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das LSG über dieses noch am Terminstag - ggf. in anderer Besetzung - durch verkündeten und sofort rechtskräftigen (§ 177 SGG) Beschluss aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden würde. Bei einem Erfolg des Ablehnungsgesuchs hätte dann eine mündliche Verhandlung der Hauptsache unter Leitung des stellvertretenden Senatsvorsitzenden stattfinden können. Für den Fall der Zurückweisung oder Verwerfung (wie geschehen) des Gesuchs durfte das LSG sogar in unveränderter Besetzung zur Hauptsache mündlich verhandeln und entscheiden (die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs hätte es sogar ebenfalls in gleicher Besetzung vornehmen können vgl. Zöller a. a. O. RdNr. 4 zu § 45 ZPO m. w. N.). Darum konnte der Kläger auch nicht damit rechnen, dass seinem Terminsverlegungsantrag stattgegeben werden würde. Denn das hätte das Vorliegen eines erheblichen Grundes erfordert (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, RdNr. 4b zu § 110). Ein solcher erheblicher Grund war aus den oben dargelegten Gründen in dem Ablehnungsgesuch nicht zu sehen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

3. Keine Terminsverlegung wegen Vertrauens darauf, dass wegen des am Sitzungstag wiederholten Verlegungsantrags nicht in Abwesenheit der Bevollmächtigten entschieden werde

Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass der Senat wegen der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nicht in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 in der Sache entscheiden werde, auch wenn sie am Sitzungstag den Verlegungsantrag nochmals wiederholt hat, ohne diesen zu begründen.

Ganz abgesehen davon, dass diesem Antrag schon mangels Begründung nicht stattzugeben ist (vgl. oben Ziff. 2.1. a.E.), kann daraus auch kein Vertrauenstatbestand darauf erwachsen, dass nicht in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 entschieden werde.

Insofern kann zunächst auf die gleichgelagerte Konstellation wie bei einem kurzfristig gestellten Befangenheitsantrag verwiesen werden (vgl. oben Ziff. 2.2.).

Sofern das BSG über die Geltendmachung eines substantiierten Verlegungsgrunds hinaus auch dann unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG) einen Anlass für eine Verlegung sieht, „wenn der Beteiligte vor der Verhandlung einen Terminverlegungsantrag gestellt hat und davon ausgehen durfte, dass auf die anberaumte mündliche Verhandlung hin wegen seiner Eingabe jedenfalls keine ihm nachteilige instanzabschließende Entscheidung ergehen würde“ (vgl. BSG, Beschluss vom 17.02.2010, Az.: B 1 KR 112/09 B), ist diese Entscheidung des BSG vorliegend nicht einschlägig. Denn diese Entscheidung bezieht sich nur auf Fälle, in denen der Beteiligte nicht rechtskundig vertreten ist (vgl. Urteil des Senats vom 29.09.2015, Az.: L 15 VK 7/11). Denn jedenfalls in Fällen mit anwaltlicher Vertretung ist bei kurzfristig gestellten Verlegungsanträgen ein substantiiert vorgetragener, einen Verlegungsanspruch begründender Verlegungsgrund erforderlich (vgl. BSG, Beschlüsse vom 13.10.2010, Az.: B 6 KA 2/10 B, und vom 27.05.2014, Az.: B 4 AS 459/13 B). Fehlt wie hier ein substantiierter Vortrag, warum der Termin verlegt werden sollte, völlig, steht einer Entscheidung des Rechtsstreits nichts entgegen, auch kein Vertrauen darauf, dass das Gericht nicht entscheiden werde, zumal vorliegend der Bevollmächtigten der Klägerin bereits mit gerichtlichen Schreiben vom 08.07.2016 und ausführlicher Begründung sowie nochmals vom 13.07.2016 mitgeteilt worden ist, dass eine Terminsverlegung mit Blick auf die vorgebrachten Gründe nicht erfolgen werde.

4. Zur Entscheidung in der Sache

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neufeststellung des GdB gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 69 Abs. 1 SGB IX, dieser wiederum i. V. m. den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung, (VG), weil sich eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gegenüber dem Bescheid vom 30.01.2012, mit dem zuletzt bestandskräftig ein GdB von 30 festgestellt worden war, ergeben hat. Infolge dieser Veränderung steht der Klägerin ein GdB von 50 ab Antragstellung zu.

Rechtsgrundlage für die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung und des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit den seit 01.01.2009 maßgeblichen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Die VG haben die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) abgelöst, die für die Zeit vor 01.01.2009 weiterhin als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind (vgl. BSG, Urteile vom 18.09.2003, Az.: B 9 SB 3/02 R, und vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 10/06 R; BVerfG, Beschluss vom 06.03.1995, Az.: 1 BvR 60/95). Die AHP und nunmehr die VG sind ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im Bundesgebiet bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient.

Bei seiner Einschätzung stützt sich der Senat auf die von den im sozialgerichtlichen Verfahren beauftragten Gutachtern Dr. L. (Chirurg) und Dr. K. (Neurologe und Psychiater) erhobenen Befunde, die Berichte der die Klägerin behandelnden Ärzte, insbesondere des Wirbelsäulenoperateurs, dessen Angaben zu dem bei der Klägerin vorliegenden Befund nicht von den Feststellungen des chirurgischen Sachverständigen abweichen, und auch die Ausführungen des Versorgungsarztes Dr. K. im Berufungsverfahren. Alle Ärzte sind davon ausgegangen, dass infolge des Hinzutretens einer seelischen Störung eine Verschlimmerung der funktionellen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustands der Klägerin eingetreten ist. Der Gesundheitszustand ist mit einem GdB von 50 zu bewerten.

Im Einzelnen ist zu den bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und der Bewertung des GdB Folgendes festzuhalten:

4.1. Wirbelsäule

Der GdB für die aus der Wirbelsäulenerkrankung resultierenden funktionellen Einschränkungen der Klägerin beträgt 40.

Die VG enthalten in Teil B Nr. 18.9, für Wirbelsäulenschäden u. a. GdB-Werte für folgende Konstellationen:

„Wirbelsäulenschäden ...

- mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) - GdB 30

- mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten - GdB 30 bis 40

- mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [zum Beispiel Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70 Grad nach Cobb]) - GdB 50 bis 70

Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkung auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörung) sind zusätzlich zu berücksichtigen.

Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen ein GdS über 30 in Betracht kommen.“

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind die bei der Klägerin aus der Spondylodese L5/S1 und der Spondylodese BWK 6 - 12 resultierenden funktionellen Einschränkungen nach der Überzeugung des Senats mit einem GdB von 40 zu bewerten.

Es liegt nach der Diktion der VG ein Wirbelsäulenschaden mit „mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten“ vor, für dessen GdB ein Beurteilungsspielraum von 30 bis 40 eröffnet ist. Bei dem bei der Klägerin vorliegenden Zustand ist es geboten, diesen Beurteilungsspielraum voll auszuschöpfen; mit einem GdB von 40 ist der Wirbelsäulenschaden keinesfalls zu großzügig beurteilt.

Bei der Klägerin liegt infolge der zwei Versteifungsoperation im Jahr 2011 eine langstreckige Versteifung im Bereich der BWS und eine Versteifung im Segment L5/S1, das als Vermittler vom Übergang der LWS in das Becken von entscheidender funktioneller Bedeutung ist, eine sehr ungünstige Kombination vor, da der Bewegungsverlust im Bereich der BWS nur bedingt durch die LWS kompensiert werden kann. Dabei stützt sich der Senat auf die Berichte des Operateurs in seinem Schreiben vom 18.12.2011 und vom 04.09.2012. Die von diesem berichteten Befunde finden ihre Bestätigung auch in den Befundberichten des behandelnden Orthopäden H. vom 19.10.2012 und der Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin H. vom 25.10.2012 sowie im Gutachten des Dr. L. vom 25.09.2013.

Letzter hat eine erhebliche Bewegungseinschränkung der LWS in Form einer weitgehenden Einsteifung, beschrieben. Die bei der LWS verbliebene schmerzhafte Restbeweglichkeit bei Entfaltungsstörung (Vor-/Rückneigen 25-0-5°, Seitwärtskippen 10°, Rotation nach links 20°, nach rechts 25°, Finger-Boden-Abstand 40 cm, Schober 10/10, fehlende Entfaltung der unteren LWS) belegt ohne jeden Zweifel schwere funktionelle Einschränkungen im Bereich des Wirbelsäulenabschnitts der LWS, zumal auch beiderseits Druckdolenzen vorliegen. Weiter hat der Sachverständige neben der auch durch die Operation nicht vollständig korrigierten Skoliose eine erhebliche Einschränkung der Belastbarkeit und eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit der BWS samt muskulärem Hartspann, Druckdolenzen und einer eingeschränkten Schulterbeweglichkeit rechts beschrieben. Dies bedeutet eine schwere funktionelle Auswirkung des Wirbelsäulenschadens in einem weiteren Abschnitt der Wirbelsäule, nämlich der BWS.

Auch der Versorgungsarzt Dr. K. hat in seiner im Berufungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 19.05.2016 diese schweren funktionellen Auswirkung der Wirbelsäulenschäden in zwei Abschnitten der Wirbelsäule bestätigt, wenn er davon ausgeht, dass bei der Klägerin „starke Beeinträchtigungen der Wirbelsäule im Abschnitt BWS/LWS“, also nicht nur mittelgradige funktionelle Auswirkungen, und damit in den zwei Abschnitten LWS und BWS vorliegen.

Zu berücksichtigen ist für die aus der Wirbelsäule resultierenden funktionellen Beeinträchtigungen, wie dies auch Dr. K. zutreffend festgehalten hat, weiter ein chronisches Schmerzsyndrom. Ein derartiges Schmerzsyndrom haben nicht nur die behandelnden Ärzte, sondern auch der chirurgische Gutachter Dr. L., der die von der Klägerin angegebenen und glaubhaften besonderen Schmerzen als organisch bedingt beschrieben hat, bestätigt. Da nach den übereinstimmenden Einschätzungen des chirurgischen Gutachters und des Versorgungsarztes Dr. K. die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen über die üblicherweise vorhandenen Schmerzen deutlich hinausgehen, worauf auch die angewendete Schmerzmedikation deutlich hinweist, gebietet auch dieser Gesichtspunkt unter Beachtung der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil A Nr. 2 Buchst. i) die Zugrundelegung eines Einzel-GdB für die Wirbelsäule von zumindest 40 mit Tendenz zu 50. Um diesen Irrtum zu erkennen, hat es keiner besonderen medizinischen Fachkenntnisse des Senats bedurft, die nur aufgrund einer medizinischen Ausbildung erworben werden könnten.

Die von sämtlichen vorgenannten Ärzten zugrunde gelegten funktionellen Beeinträchtigungen der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule können keinesfalls mit einem niedrigeren GdB als 40 bewertet werden. Sofern der Sachverständige Dr. L. und der Versorgungsarzt Dr. K. von einem GdB von 30 ausgegangen sind, haben sie offensichtlich die VG falsch angewandt. In der Stellungnahme des Dr. K. wird dies schon daraus ersichtlich, dass er offenkundig davon ausgeht, dass es sich beim „Abschnitt BWS/LWS“ um einen einzigen Wirbelsäulenabschnitt handelt, nicht um zwei. Es mag zwar durchaus so sein, dass mit Blick auf potentielle funktionelle Beeinträchtigungen der BWS regelmäßig weniger Bedeutung zukommt als der LWS. Aus diesem Grund können jedoch LWS und BWS nicht als ein Abschnitt zusammengefasst werden. Denn nach der eindeutigen Formulierung des Verordnungsgebers in den VG, Teil B Nr. 18.9 („mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. ..., die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst“), geht der Verordnungsgeber ersichtlich von drei Wirbelsäulenabschnitten aus, nicht von zwei, wie dies Dr. K. irrtümlicherweise tut. Vermutlich ist auch der gerichtliche Sachverständige Dr. L. von diesem Irrtum ausgegangen; anders lässt sich seine Einschätzung mit einem GdB von 30 für die Wirbelsäule anhand der von ihm erhobenen und als schwerwiegend beschriebenen Befunde nicht erklären.

Dass bei der Klägerin neurologische Ausfälle im Bereich der Wirbelsäule nicht (sicher) nachgewiesen sind, steht der Bewertung mit einem GdB von 40 nicht entgegen. Denn wie sich dem ersten Absatz zu den Hinweisen für Wirbelsäulenschäden in den VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.9) entnehmen lässt, ergibt sich der GdB „primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte.“ Fehlende neurologische Ausfälle stellen daher kein Ausschlusskriterium für einen höheren GdB als 30 dar, was im Übrigen auch aus dem Hinweis in den VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.9) darauf zu entnehmen ist, dass bei „außergewöhnlichen Schmerzsyndromen ... auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen“ ein GdB von über 30 in Betracht kommt.

Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin damit argumentiert, dass bei der Klägerin eine Versteifung großer Teile der Wirbelsäule erfolgt sei mit der Konsequenz, dass von einem Wirbelsäulenschaden „mit besonders schweren Auswirkungen ... - GdB 50 bis 70“ auszugehen sei, kann sich der Senat dem nicht anschließen. Die Bevollmächtigte übersieht, dass in den VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.9) eine Versteifung großer Teile der Wirbelsäule nur als Beispiel dafür genannt ist, wann ein Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen vorliegen kann. Der Gesetzgeber hat aber insofern nicht von der Formulierungstechnik anhand von Regelbeispielen Gebrauch gemacht, bei denen unwiderleglich vermutet von einem bestimmten GdB (oder dem Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen von Merkzeichen) auszugehen wäre. Der Verordnungsgeber hat vielmehr den GdB nach wie vor daran festgemacht, dass besonders schwere funktionelle Auswirkungen erforderlich sind. Einen Automatismus zwischen Versteifung großer Teile der Wirbelsäule und besonders schweren Auswirkungen hat er aber nicht gesehen. Vielmehr ist in jedem Einzelfall anhand der vorliegenden funktionellen Einschränkungen festzustellen, ob bereits besonders schwere Auswirkungen vorliegen oder nicht.

Davon, dass im vorliegenden Fall von besonders schweren Auswirkungen auszugehen wäre, hat sich der Senat angesichts der von den Sachverständigen erhobenen und auch von den behandelnden Ärzten bestätigten objektiven Befunde nicht überzeugen können. Das von den Sachverständigen geschilderte Bewegungsmuster ist jedenfalls noch nicht so weit eingeschränkt, wie dies typischerweise der Fall ist, wenn eine Rumpforthese getragen werden muss, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst und in den VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.9) als Beispiel für „besonders schweren Auswirkungen“, die mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten sind, genannt ist.

4.2. Anpassungsstörung

Neben den aus der Wirbelsäule resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen liegt bei der Klägerin eine Anpassungsstörung vor, die mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten ist.

Der dem Senat als sehr erfahren bekannte psychiatrische und neurologische Sachverständige Dr. K. ist in seinem Gutachten vom 03.09.2014 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine seelische Störung vorliegt, die als Anpassungsstörung zu interpretieren ist. In Übereinstimmung mit dem chirurgischen Gutachter Dr. L. hat er dafür einen GdB von 20 angenommen.

Diese Einschätzung des nervenärztlichen Sachverständigen hält der Senat bei Beachtung der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 3.7) für angemessen, aber auch nicht für zu hoch. Angesichts des von der Klägerin beschriebenen sozialen Rückzugs, des von ihr angegebenen leidensbedingt deutlich eingeschränkten Tagesablaufs und der entsprechenden Beschreibung des psychischen Befunds der Klägerin durch den Sachverständigen ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. K. der Einschätzung, dass der für die Beurteilung von leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen zur Verfügung stehende Beurteilungsspielraum als an der oberen Grenze von 20 richtig bewertet zu betrachten ist.

Sofern der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten und auch der chirurgische Gutachter davon ausgehen, dass die seelische Störung der Klägerin als depressive Anpassungsstörung und chronisches Schmerzsyndrom zu bezeichnen sei, kann sich der Senat dieser Einschätzung in Übereinstimmung mit dem nervenärztlichen Gutachter nicht anschließen. Insbesondere ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, warum der Versorgungsarzt in seiner Stellungnahme vom 19.05.2016 nach wie vor von der fachfremd vom Chirurgen Dr. L. gestellten Diagnose einer depressiven Anpassungsstörung ausgeht, obwohl der nervenärztliche Gutachter Dr. K. im Rahmen der Erhebung des psychiatrischen Untersuchungsbefundes überzeugend dargestellt hat, dass sich eine depressive Symptomatik nicht nachweisen lasse. Der Senat geht daher mit dem nervenärztlichen Gutachter Dr. K. davon aus, dass der Einzel-GdB allein für die Anpassungsstörung mit 20 anzunehmen ist, ohne dass dabei ein chronisches Schmerzsyndrom mitumfasst wäre.

4.3. Bildung des Gesamt-GdB

Der GdB beträgt insgesamt 50.

Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist zum einen von einem Einzel-GdB von 40 mit Tendenz zu 50 für die Wirbelsäule auszugehen, der neben einem Wirbelsäulenschaden mit schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten auch ein chronisches Schmerzsyndrom umfasst. Zum anderen kommt ein ausgefüllter Einzel-GdB von 20 für eine Anpassungsstörung hinzu.

Nach übereinstimmender Einschätzung aller Sachverständigen und des Versorgungsarztes Dr. K. ist von einer ungünstigen Wechselwirkung des Wirbelsäulenschadens einerseits und der seelischen Störung andererseits auszugehen, was daher nach übereinstimmender Einschätzung der vorgenannten Ärzte zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen muss.

Der Gesundheitszustand der Klägerin ist seit dem Zeitpunkt der Antragstellung weitgehend unverändert geblieben und damit seit Antragstellung mit einem GdB von 50 zu bewerten.

Die Klägerin hat daher mit ihrer Berufung vollen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

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(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

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(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. (2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Verta

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(1) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mit. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kan

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 155 Vorrang- und Beschleunigungsgebot


(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen. (2) Das Gericht erörtert in Verfahren

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(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es wird grundsätzlich in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Ausnahmsweise kann das Urteil in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus anges

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 133


Bei Urteilen, die nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch Zustellung ersetzt. Dies gilt für die Verkündung von Beschlüssen entsprechend.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 135


Das Urteil ist den Beteiligten unverzüglich zuzustellen.

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(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

Bei Urteilen, die nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch Zustellung ersetzt. Dies gilt für die Verkündung von Beschlüssen entsprechend.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es wird grundsätzlich in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Ausnahmsweise kann das Urteil in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll, verkündet werden. Eine Ladung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

(2) Das Urteil wird durch Verlesen der Urteilsformel verkündet. Bei der Verkündung soll der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe mitgeteilt werden, wenn Beteiligte anwesend sind.

Das Urteil ist den Beteiligten unverzüglich zuzustellen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

(1) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mit. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann.

(2) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(3) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.

(3) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten zu dem Termin anordnen.

(4) Hat das Gericht ein Verfahren nach Absatz 1 zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ausgesetzt, nimmt es das Verfahren in der Regel nach drei Monaten wieder auf, wenn die Beteiligten keine einvernehmliche Regelung erzielen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 317/07 Verkündet am:
25. November 2008
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Prozessbevollmächtigter, der infolge Erkrankung an der Wahrnehmung eines
Termins zur mündlichen Verhandlung gehindert ist, hat alle erforderlichen
und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um das Gericht rechtzeitig von seiner
Verhinderung zu unterrichten.
BGH, Urteil vom 25. November 2008 - VI ZR 317/07 - OLG München
LG Augsburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das zweite Versäumnisurteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 14. November 2007 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin durch Versäumnisurteil vom 9. Mai 2007 zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Einspruch eingelegt. Der Senatsvorsitzende beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache auf Mittwoch, den 14. November 2007, 9:30 Uhr an. Auf den Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass er am selben Tag um 9:00 Uhr bereits einen Termin vor dem Amtsgericht F. und um 13:15 Uhr einen Termin vor dem OLG M. wahrzunehmen habe, verlegte der Vorsitzende den Verhandlungstermin von 9:30 Uhr auf 11:20 Uhr. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. November 2007 erneut Terminverlegung, weil sich ihr Prozessbevollmächtigter nicht in der Lage sehe, an diesem Tag einen dritten Termin zu dieser Uhrzeit wahrzunehmen. Diesen Antrag wies der Vorsitzende am 6. November 2007 zurück, wobei er u. a. darauf hinwies, dass es sich in dieser Sache um das sechste Verlegungsgesuch des Klägervertreters handele. Mit Fax vom 12. November 2007 bat die Klägerin, über die erbetene Terminverlegung einen Senatsbeschluss herbeizuführen. Dies lehnte der Vorsitzende mit einem an den Prozessbevollmächtigten übermittelten Fax vom selben Tage ab. Daraufhin lehnte die Klägerin den Vorsitzenden mit Fax vom 13. November 2007 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Gesuch wies der Senat mit Beschluss vom selben Tage als unbegründet zurück. Die Entscheidung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14. November 2007 um 7:28 Uhr per Fax übermittelt. Mit einem um 9:16 Uhr eingegangenen Fax beantragte die Klägerin die Verlegung des Termins mit der Begründung, ihr Prozessbevollmächtigter sei erkrankt. Um 10:00 Uhr teilte der Vorsitzende dem Prozessbevollmächtigten per Fax mit, der Termin werde nicht verlegt, weil eine Erkrankung mit Verhandlungsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei.
2
Da in der mündlichen Verhandlung nach Aufruf der Sache um 11:30 Uhr für die Klägerin kein anwaltlicher Vertreter erschien, wurde ihr Einspruch auf Antrag des Beklagten gegen 12:00 Uhr durch zweites Versäumnisurteil verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe den Termin schuldhaft versäumt. Sie müsse sich das Fernbleiben ihres Prozessbevollmäch- tigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO als eigenes Verschulden zurechnen lassen. Dieser sei weder aufgrund anderer Termine noch krankheitsbedingt verhindert gewesen , den Termin wahrzunehmen. Die um 9:16 Uhr eingegangene Mitteilung, er sei erkrankt und leide unter Schnupfen und Halsschmerzen, sei nicht geeignet , sein Fernbleiben zu entschuldigen. Das um 11:31 Uhr bei der Einlaufstelle des Gerichts eingegangene weitere Fax seines Bürokollegen habe dem Senat bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils noch nicht vorgelegen und deshalb bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden können.

II.

4
1. Das Rechtsmittel ist statthaft, denn gegen ein zweites Versäumnisurteil eines Berufungsgerichts findet die Revision ohne Zulassung statt (BGH, Beschluss vom 3. März 2008 - II ZR 251/06 - NJW-RR 2008, 876).
5
2. Die Revision ist jedoch nicht zulässig.
6
a) Nach § 565 i.V.m. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil , gegen das - wie hier gemäß § 345 ZPO - der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Revision insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Das trifft unter anderem zu, wenn der Termin zur mündlichen Verhandlung, auf die das zweite Versäumnisurteil erging, von der betroffenen Partei unverschuldet versäumt wurde (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 1981 - III ZR 85/80 - VersR 1982, 268; vom 27. September 1990 - VII ZR 135/90 - NJW 1991, 42, 43 und vom 19. November 1998 - IX ZR 152/98 - VersR 2000, 121 f.; Beschluss vom 24. Januar 1985 - I ZR 113/84 - VersR 1985, 542, 543). Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen soll, muss vollständig in der Rechtsmittelbe- gründung vorgetragen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 1967 - VII ZB 13/66 - NJW 1967, 728; Urteile vom 27. September 1990 - VII ZR 135/90 - aaO und vom 22. März 2007 - IX ZR 100/06 - NJW 2007, 2047 m.w.N.). Bei §§ 565, 514 Abs. 2 ZPO ist die Schlüssigkeit des Sachvortrags - anders als sonst - bereits Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. zu § 513 Abs. 2 ZPO a.F.; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1975 - VII ZR 242/73 - VersR 1976, 76, 68; Beschluss vom 23. September 1987 - III ZB 15/87 - BGHR ZPO § 513 Abs. 2 S. 1, Säumnis 1 m.w.N.). Daraus folgt, dass das Revisionsgericht nicht an den Informationsstand gebunden ist, über den das Berufungsgericht bei Erlass seiner Entscheidung verfügte.
7
b) Die Klägerin hat nicht schlüssig dargetan, dass ein Fall unverschuldeter Säumnis nicht vorgelegen habe. Ihre Säumnis im Termin vom 14. November 2007 beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sich die Klägerin als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO).
8
aa) Die Säumnis der Klägerin war nicht deshalb unverschuldet, weil das Berufungsgericht ihren Anträgen, den auf 11:20 Uhr anberaumten Verhandlungstermin wegen anderweitiger Termine ihres Prozessbevollmächtigten zu verlegen, nicht entsprochen hat. Voraussetzung jeder Terminverlegung ist, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung vertagt wird (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - X ZR 212/02 - GRUR 2004, 354; BVerwG, NJW 1992, 2042; NJW 1995, 1231; Buchholz 303, § 227 ZPO, Nr. 29). Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Die Ablehnung der Ter- minverlegung lässt einen Ermessensfehler nicht erkennen. Angesichts der Tatsache , dass der Verhandlungstermin schon mehrfach verlegt worden war, kam dem Beschleunigungsgebot vorliegend ein erhöhtes Gewicht zu. Dass das Berufungsgericht bei dieser Sachlage an das Vorliegen eines erheblichen Grunds im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO strenge Anforderungen gestellt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
9
Entgegen der Auffassung der Revision verletzt die Ablehnung der Terminverlegung nicht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Dass wegen der von ihr dargelegten Kollision des Verhandlungstermins mit zwei weiteren Terminen ihres Prozessbevollmächtigten an anderen Gerichten eine Aufhebung des Termins gerade in der vorliegenden Sache unerlässlich gewesen wäre, hat die Klägerin weder im Berufungsrechtszug noch mit der Revisionsbegründung aufgezeigt. Angesichts der in diesem Rechtsstreit schon mehrfach erfolgten Terminverlegungen war es dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zumutbar, zunächst in den anderen Verfahren eine Verlegung des Termins zu erbitten. Dass er dies unter Hinweis auf die Terminkollision versucht habe, macht die Revision nicht geltend.
10
bb) Die Säumnis der Klägerin ist auch nicht deshalb unverschuldet, weil ihr Prozessbevollmächtigter erkrankt war.
11
Für die Entscheidung kann unterstellt werden, dass Rechtsanwalt R. am 14. November 2007 wegen einer Grippeerkrankung mit hohem Fieber nicht verhandlungsfähig und nicht in der Lage war, von M. zur mündlichen Verhandlung nach A. zu reisen. Dieser Umstand genügt aber nicht für die Annahme, die Klägerin habe den Termin unverschuldet versäumt. Zwar ist die Frage des Verschuldens im Falle der Versäumung eines Termins grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 514, Rn. 8 m.w.N. in Fn. 11). Eine schuldhafte Säumnis im Sinne von § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegt aber auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte, der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen (BGH, Urteile vom 3. November 2005 - I ZR 53/05 - NJW 2006, 448, 449 und vom 22. März 2007 - IX ZR 100/06 - aaO; vgl. zu § 513 ZPO a.F. BAG, AP Nr. 5 zu § 513 ZPO; BAG, NJW 1972, 790 f.; BGH, Urteil vom 19. November 1998 - IX ZR 152/98 - VersR 2000, 121, 122; vgl. auch Musielak /Stadler, aaO, § 337, Rn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl., § 337, Rn. 3, jeweils m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Soweit die Klägerin mit der Revision geltend macht, ihr Prozessbevollmächtigter habe alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um das Berufungsgericht rechtzeitig von seiner Verhinderung zu unterrichten, kann dem nicht gefolgt werden. Die Bemühungen von Rechtsanwalt R. waren vielmehr unzureichend.
12
Das um 9:16 Uhr beim Berufungsgericht eingegangene Fax des Prozessbevollmächtigten der Klägerin konnte dessen Fernbleiben nicht entschuldigen. Es enthielt neben der Mitteilung, dass er erkrankt sei, lediglich einen Verweis auf das Fax vom 13. November 2007, in dem Rechtsanwalt R. erklärt hatte , unter Schnupfen und Halsschmerzen zu leiden. Dass das Berufungsgericht in dieser Befindlichkeitsstörung keinen erheblichen Grund für eine Verlegung des Termins gesehen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
Das um 11.31 Uhr in der Einlaufstelle des Gerichts eingegangene Fax des Bürokollegen des Klägervertreters enthielt zwar neben näheren Ausführungen zur Erkrankung von Rechtsanwalt R. und einer beigefügteneidesstattlichen Versicherung auch einen Hinweis auf Dringlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin angesichts der auf 11:20 Uhr ange- setzten Terminzeit aber nicht mehr damit rechnen, dass dieses in seinem Auftrag versandte Fax den zuständigen Senat noch rechtzeitig vor Aufruf der Sache oder aber zumindest noch während der Verhandlung erreichen würde. Um dem Berufungsgericht sein krankheitsbedingtes Fernbleiben rechtzeitig mitzuteilen , hätte Rechtsanwalt R. den Grund seiner Verhinderung vor Beginn des Termins in ausreichender Weise darlegen bzw. durch Anruf bei der Geschäftsstelle oder in anderer Weise sicherstellen müssen, dass das Gericht von seiner Verhinderung benachrichtigt wurde. Nachdem der Vorsitzende des Berufungsgerichts ihm um 10:00 Uhr mit Fax mitgeteilt hatte, dass der Termin nicht verlegt werde, weil eine Erkrankung mit Verhandlungsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei, hätte Rechtsanwalt R. unmittelbar hierauf reagieren und sich sofort telefonisch oder per Fax an das Gericht wenden müssen. Sein erst um 11:31 Uhr eingegangenes Fax war verspätet und vermag die Säumnis der Klägerin daher nicht zu entschuldigen.

III.

14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Entscheidung vom 21.09.2006 - 3 O 3094/05 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 14.11.2007 - 27 U 704/06 -

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.

(3) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten zu dem Termin anordnen.

(4) Hat das Gericht ein Verfahren nach Absatz 1 zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ausgesetzt, nimmt es das Verfahren in der Regel nach drei Monaten wieder auf, wenn die Beteiligten keine einvernehmliche Regelung erzielen.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten - so das LSG - über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung eines Zuschusses zu den Aufwendungen des beklagten Rentenversicherungsträgers für die Krankenversicherung.

2

Der Kläger ist Rechtsanwalt und vertritt sich in eigener Sache selbst. Durch Gerichtsbescheid vom 17.1.2012 hat das SG die gegen die Bescheide der Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 20.1.2012 zugestellt worden. Mit einem per Telefax an das SG am 21.2.2012 (Dienstag) übermittelten Schreiben vom 21.2.2012 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt. Das Telefax ist mit Schreiben vom 24.2.2012 an das LSG weitergeleitet worden. Auf den Hinweis des LSG auf die mögliche Nichteinhaltung der Berufungsfrist hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt: Aufgrund seiner gesundheitlichen Situation sei er wiederholt in stationärer Behandlung gewesen. Als er am 27.1.2012 in seiner Kanzlei gewesen sei, habe er den Gerichtsbescheid des SG vorgefunden und das auf dem Umschlag handschriftlich vermerkte Datum der Zustellung als "26.01.12" gelesen. Es sei eindeutig, dass es sich bei der Tagesangabe um die Ziffern 26 und nicht um die Ziffern 20 handele, da sich der Schriftzug an der zweiten Stelle der Tagesangabe von dem Schriftzug der Ziffer 0 in der Monatsangabe unterscheide, weil er keinen geschlossenen Kreis bilde, sondern rechts offen sei.

3

Das LSG hat einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.6.2012 um 9.30 Uhr bestimmt und die Beteiligten hierüber durch Schreiben vom 25.5.2012, das dem Kläger am 26.5.2012 zugestellt worden ist, informiert. Der Kläger ist darin darauf hingewiesen worden, dass es ihm frei stehe, zur Verhandlung zu erscheinen.

4

Mit Schreiben vom 22.6.2012 hat der Kläger beantragt, den Termin am "26.4.2012" aufzuheben. Unter der Datumsangabe enthält es den Zusatz "Bitte sofort vorlegen! Termin: 26-06-2012!". Zur Begründung hat er angeführt, derzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, einen so frühen Termin wahrzunehmen. Die Erledigung der vor Verlassen der Wohnung anstehenden "Notwendigkeiten etc." nehme mehrere Stunden in Anspruch. Erforderliche fremde Hilfe sei so früh am Tage nicht verfügbar. Vor allem sei es ihm aufgrund der Wirkungen der "notwendigen starken Schmerzmittel (Schläfrigkeit)" nicht möglich, so früh eine Reise zu unternehmen und einen Gerichtstermin wahrzunehmen. Dies sei allenfalls für einen Termin am späten Vormittag einrichtbar. Die persönliche Wahrnehmung des Termins halte er für notwendig, auch deshalb, um den Umschlag im Original vorzulegen, mit dem der Gerichtsbescheid des SG übersandt und auf dem handschriftlich das Datum der Zustellung vermerkt worden sei.

5

Nach den Feststellungen des LSG ist das Schreiben des Klägers vom 22.6.2012 per Telefax am 22.6.2012 (Freitag) um 20.38 Uhr beim LSG eingegangen. Das in den Akten befindliche Originalschreiben trägt den Eingangsstempel des LSG vom 25.6.2012 (Montag). Am 26.6.2012 (Dienstag) hat das LSG in Abwesenheit des Klägers eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Dem Sitzungsvertreter der Beklagten ist eine Kopie des Schriftsatzes des Klägers vom 22.6.2012 überreicht worden.

6

Durch Urteil vom 26.6.2012 hat das LSG die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Es habe trotz des Vertagungsantrags des Klägers in dessen Abwesenheit verhandeln und entscheiden können, weil dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen sei, da er die geltend gemachten Vertagungsgründe schon nicht glaubhaft gemacht habe. Die Berufung sei wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Insbesondere hätte der Kläger bei einer nicht sicheren Lesbarkeit des Zustellungsvermerks zB beim SG nachfragen müssen, welches Datum richtig sei.

7

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er rügt ua die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

8

II. 1. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Ihre Begründung genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Insbesondere bezeichnet sie die Tatsachen, aus denen sich der geltend gemachte Verfahrensmangel (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ergibt. Weitergehender Ausführungen zum Beruhen der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler bedarf es nicht, wenn - wie hier - ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl BSG Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - Juris RdNr 10; BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62).

9

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das LSG-Urteil ist schon deshalb verfahrensfehlerhaft, weil das LSG den Antrag des Klägers auf Terminsaufhebung vom 22.6.2012 nicht ordnungsgemäß beschieden hat.

10

Gemäß § 124 Abs 1 SGG entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Dieser Mündlichkeitsgrundsatz räumt den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten das Recht ein, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und mit ihren Ausführungen gehört zu werden. Dem Grundsatz kommt im Berufungsverfahren besondere Bedeutung zu, wenn - wie vorliegend - erstinstanzlich ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wurde (zum Ausschluss der Möglichkeit der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss in einem solchen Fall vgl § 153 Abs 4 S 1 SGG). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in einer mündlichen Verhandlung umfasst auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten oder auf Vertagung eines bereits begonnenen Termins, wenn dies aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 227 Abs 2 ZPO iVm § 202 SGG). Über einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag hat der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 227 Abs 4 S 1 Halbs 1 ZPO iVm § 202 SGG). Ein Antrag auf Terminsaufhebung bzw -verlegung ist förmlich (kurz) zu bescheiden, sofern dies noch technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist (zB OLG Karlsruhe MDR 1991, 1195; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl 2013, § 227 RdNr 56 mwN). Über die Entscheidung sind die Beteiligten (formlos) in Kenntnis zu setzen (vgl § 329 Abs 2 S 1 ZPO iVm § 202 SGG). Kommt der Vorsitzende seiner Verpflichtung zur Bescheidung eines Terminsaufhebungs- bzw -verlegungsantrags bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung nicht nach, leidet das Verfahren wegen der Versagung rechtlichen Gehörs an einem wesentlichen Mangel (vgl BSG Beschluss vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - Juris RdNr 8; Beschluss vom 13.11.2012 - B 2 U 269/12 B - Juris RdNr 10 jeweils mwN). Dies ist hier anzunehmen.

11

a) Der Antrag auf Terminsaufhebung ist per Telefax am Freitag, den 22.6.2012, und per Post am Montag, den 25.6.2012, beim LSG eingegangen. Ob er dem Senatsvorsitzenden zeitnah vorgelegt oder dem erkennenden Senat des LSG erst nach Beginn der mündlichen Verhandlung von der Geschäftsstelle zugeleitet wurde, wofür seine Qualifizierung als "Vertagungsantrag" in den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils spricht, kann offenbleiben: Zum einen ist davon auszugehen, dass der Kläger durch die Zuleitung des Antrags per Telefax am Freitagabend vor der für Dienstagvormittag anberaumten Sitzung das seinerseits Erforderliche getan hatte, um eine rechtzeitige Entscheidung über seinen Terminsaufhebungsantrag noch vor dem Termin zu ermöglichen. Zum anderen lag das Schreiben jedenfalls spätestens in der mündlichen Verhandlung vor, da ausweislich der Sitzungsniederschrift dem Sitzungsvertreter der Beklagten eine Abschrift ausgehändigt wurde.

12

b) Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Entscheidung über den Antrag auf Terminsaufhebung vor Durchführung der mündlichen Verhandlung und dem Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Kläger am Vortag der mündlichen Verhandlung entgegengestanden hätten. Eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden war möglich und zumutbar. Sie war auch nicht entbehrlich: Der Kläger hatte einen Antrag auf Terminsaufhebung ausdrücklich gestellt und hierfür ua gesundheitliche Gründe - unbeachtlich ihrer Qualität - angegeben. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob dem Antrag zu folgen gewesen wäre. Es ist durchaus zweifelhaft, ob der Kläger den oben genannten gesetzlichen Anforderungen entsprechend erhebliche Gründe für eine Terminsaufhebung glaubhaft gemacht hat. Wird eine Terminsaufhebung bzw -verlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw Reisefähigkeit besteht. Im Falle eines erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungs- bzw Verlegungsantrags ist das Gericht - jedenfalls bei einem anwaltlich vertretenen Kläger - grundsätzlich weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 RdNr 12 f mwN). Der Fall einer solchen fehlenden Handlungsnotwendigkeit des Gerichts liegt hier nach den Umständen nicht vor, denn die vom Kläger vorgetragenen Umstände schlossen jedenfalls nicht von vornherein aus, dass seine Verhandlungsunfähigkeit bestand. Demzufolge durfte das LSG den Terminsaufhebungsantrag auch nicht erst in seinem Urteil vom 26.6.2012 abhandeln.

13

c) Nach Aktenlage ist auf den Terminsaufhebungsantrag des Klägers vom 22.6.2012 vor Durchführung der mündlichen Verhandlung seitens des LSG keine Entscheidung und keine Reaktion gegenüber dem Kläger erfolgt. In diesem Zusammenhang stehende verfahrensleitende Verfügungen oder Vermerke sind der Gerichtsakte nicht zu entnehmen. Selbst wenn der Antrag des Klägers dem erkennenden Senat des LSG von der Geschäftsstelle erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung zugeleitet worden wäre, hätte das LSG angesichts der spätestens dann erkennbaren zeitlichen Abläufe zur Vermeidung eines Verfahrensfehlers den Rechtsstreit vertagen können und müssen.

14

3. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

15

4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. September 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin Z., G., beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Streitig sind die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seinem Sohn für den streitigen Zeitraum anstelle der geltend gemachten tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 652,85 Euro, KdU in Höhe von 372 Euro. Mit seiner Berufung hat sich der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 29.10.2010 gewandt, das davon ausgegangen ist, dass er tatsächlich keinen Mietzinsforderungen ausgesetzt war. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bat der Berichterstatter um Mitteilung zu den Einzelheiten einer Eigentumsübertragung (Schreiben vom 19.9.2013). Mit Fax vom 24.9.2013 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Verhandlungstermin am 25.9.2013 wahrzunehmen. Diesen Antrag hat des LSG mit Fax vom gleichen Tag abgelehnt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 25.9.2013).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde des Klägers, für deren Durchführung er die Bewilligung von PKH begehrt. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil dem Antrag seiner Bevollmächtigten auf Vertagung nicht stattgegeben worden sei. Das Berufungsgericht habe nicht verlangt, dass deren gesundheitsbedingte Verhinderung glaubhaft gemacht werde. Eine Entscheidung ohne seine Anhörung habe nicht ergehen dürfen, zumal noch sechs Tage vor dem mündlichen Verhandlungstermin mit Verfügung vom 19.9.2013 um Mitteilung der näheren Umstände zu einer Eigentumsübertragung gebeten worden sei. Aufgrund der kurzen Zeitspanne bis zum mündlichen Verhandlungstermin habe er diese Anfrage nicht mehr schriftlich, sondern hätte diese erst im Termin beantworten können. Die angefochtene Entscheidung könne hierauf beruhen.

4

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

5

Die Prozessbevollmächtigte hat den Terminsverlegungsantrag hier erst am 24.9.2013 gestellt und ihre Erkrankung weder durch Attest nachgewiesen noch weitere Erläuterungen gegeben oder Nachweise angeboten. Gleiches gilt für den (wiederholten) Verlegungsantrag vom 25.9.2013. Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 mwN; BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B -, Juris RdNr 12). Bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (sa BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 7; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 6).

6

Jedenfalls - wie hier - bei einem anwaltlich vertretenen Kläger ist das Gericht bei einem erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungs- bzw Verlegungsantrags im Regelfall weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 RdNr 12 f mwN). Nach den Gesamtumständen lagen hier keine Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise gegebene Nachfragepflicht des LSG vor. Das Berufungsgericht hat unverzüglich auf den Verlegungsantrag der Bevollmächtigten reagiert und durch Faxmitteilung vom 24.9.2013 klar erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass es dem Verlegungsantrag in der gestellten Form nicht stattgeben werde. Vor diesem Hintergrund hätte diese erkennen können und müssen, dass eine ggf kurzfristig eingetretene Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachzuweisen ist.

7

Die Bewilligung von PKH war abzulehnen, weil die Beschwerde aus den zuvor dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

(2) Das Gericht erörtert in Verfahren nach Absatz 1 die Sache mit den Beteiligten in einem Termin. Der Termin soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Das Gericht hört in diesem Termin das Jugendamt an. Eine Verlegung des Termins ist nur aus zwingenden Gründen zulässig. Der Verlegungsgrund ist mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen.

(3) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten zu dem Termin anordnen.

(4) Hat das Gericht ein Verfahren nach Absatz 1 zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung ausgesetzt, nimmt es das Verfahren in der Regel nach drei Monaten wieder auf, wenn die Beteiligten keine einvernehmliche Regelung erzielen.

Gründe

1

Die primär auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) in Gestalt der Ablehnung des Antrags auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2014 gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. November 2013 IX B 71/13, BFH/NV 2014, 175). Ob im Einzelfall eine Terminverlegung gerechtfertigt ist, hat das Finanzgericht (FG) anhand sämtlicher ihm bekannter Umstände zu beurteilen. Dabei kann es auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten während des Verfahrens und die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten oder andere Umstände berücksichtigen, die auf das Bestehen einer Prozessverschleppungsabsicht schließen lassen (BFH-Beschluss vom 24. April 2006 VII B 78/05, BFH/NV 2006, 1668, m.w.N.). Die Änderung eines Termins kann abgelehnt werden, wenn das FG nach der Gesamtwürdigung der Umstände zu der Auffassung gelangt, dass die Absicht einer Prozessverschleppung offensichtlich ist oder dass der Kläger seine prozessuale Mitwirkungspflicht in anderer Weise erheblich verletzt hat.

3

Im Streitfall begegnet die Zurückweisung des Antrags auf Terminverlegung keinen rechtlichen Bedenken. Das FG hat die Ablehnung der Terminverlegung ausführlich und schlüssig begründet. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der einen Tag vor Ausstellung des ärztlichen Attests zu einem "ausgeprägten grippalen Infekt" gestellte Terminverlegungsantrag vom 22. Januar 2014 diesen grippalen Infekt als Verlegungsgrund nicht einmal erwähnt, sowie darauf, dass die Konsultation des Arztes über eine Entfernung von 83 km vom Wohnort des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) möglich sein sollte, nicht aber die Reise zum Termin.

4

Im Übrigen hat das FG die Ablehnung der Terminverlegung auch darauf gestützt, dass es die Überzeugung einer Prozessverschleppungsabsicht gewonnen habe. Diese Annahme hat das FG wiederum ausführlich begründet. Gegen die hierzu angestellten Erwägungen haben die Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben, die einen Verfahrensmangel der Gehörsverletzung belegen könnten.

5

Soweit die Kläger meinen, das FG hätte ggf. eine Stellungnahme eines Amtsarztes einholen müssen, wenn es den Feststellungen des Hausarztes des Klägers nicht geglaubt habe, so ist dem nicht zu folgen. Denn das fragliche ärztliche Attest vom 23. Januar 2014 wurde erst am 27. Januar 2014 um 21:59 Uhr, d.h. erst in der Nacht vor der mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2014, dem Gericht zur Kenntnis gebracht. Gründe dafür, dass das ärztliche Attest nicht bereits mit seiner Ausstellung an das FG gefaxt wurde, haben die Kläger nicht vorgetragen. Weiter ist nicht vorgetragen, weshalb der Tod des Sohnes im Oktober 2013 den Kläger daran gehindert hat, den Termin am 28. Januar 2014 wahrzunehmen.

6

2. Mit der Darlegung, das FG habe eine Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung zu Unrecht abgelehnt, werden keine Revisionszulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt. Auch eine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zum Beschluss des BFH vom 16. Oktober 2013 IX B 73/13 (BFH/NV 2014, 178) liegt nicht vor. Darin judiziert der Senat, dass eine Klage, welche auf die Berücksichtigung eines höheren Verlustes "bei der Einkommensteuer" abziele und dahin gehe, den Einkommensteuerbescheid "wie beantragt" zu ändern, dahin gehend auszulegen sein könne, dass sie gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer gerichtet sei. Dies betrifft die Auslegung einer Prozesserklärung, wofür der BFH zuständig ist. Demgegenüber machen die Kläger vorliegend eine ihrer Meinung nach sachlich unrichtige Auslegung von Schreiben des Steuerberaters der Kläger geltend, die keine Prozesserklärungen beinhalten. Insoweit betrifft die Auslegung die finanzgerichtliche Tatsachenwürdigung. Angriffe gegen deren materiell-rechtliche Unrichtigkeit können die Revisionszulassung nicht rechtfertigen.

7

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO abgesehen.

8

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

(1) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mit. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann.

(2) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(3) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. September 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin Z., G., beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Streitig sind die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seinem Sohn für den streitigen Zeitraum anstelle der geltend gemachten tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 652,85 Euro, KdU in Höhe von 372 Euro. Mit seiner Berufung hat sich der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 29.10.2010 gewandt, das davon ausgegangen ist, dass er tatsächlich keinen Mietzinsforderungen ausgesetzt war. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bat der Berichterstatter um Mitteilung zu den Einzelheiten einer Eigentumsübertragung (Schreiben vom 19.9.2013). Mit Fax vom 24.9.2013 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Verhandlungstermin am 25.9.2013 wahrzunehmen. Diesen Antrag hat des LSG mit Fax vom gleichen Tag abgelehnt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 25.9.2013).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde des Klägers, für deren Durchführung er die Bewilligung von PKH begehrt. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil dem Antrag seiner Bevollmächtigten auf Vertagung nicht stattgegeben worden sei. Das Berufungsgericht habe nicht verlangt, dass deren gesundheitsbedingte Verhinderung glaubhaft gemacht werde. Eine Entscheidung ohne seine Anhörung habe nicht ergehen dürfen, zumal noch sechs Tage vor dem mündlichen Verhandlungstermin mit Verfügung vom 19.9.2013 um Mitteilung der näheren Umstände zu einer Eigentumsübertragung gebeten worden sei. Aufgrund der kurzen Zeitspanne bis zum mündlichen Verhandlungstermin habe er diese Anfrage nicht mehr schriftlich, sondern hätte diese erst im Termin beantworten können. Die angefochtene Entscheidung könne hierauf beruhen.

4

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

5

Die Prozessbevollmächtigte hat den Terminsverlegungsantrag hier erst am 24.9.2013 gestellt und ihre Erkrankung weder durch Attest nachgewiesen noch weitere Erläuterungen gegeben oder Nachweise angeboten. Gleiches gilt für den (wiederholten) Verlegungsantrag vom 25.9.2013. Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 mwN; BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B -, Juris RdNr 12). Bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (sa BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 7; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 6).

6

Jedenfalls - wie hier - bei einem anwaltlich vertretenen Kläger ist das Gericht bei einem erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungs- bzw Verlegungsantrags im Regelfall weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 RdNr 12 f mwN). Nach den Gesamtumständen lagen hier keine Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise gegebene Nachfragepflicht des LSG vor. Das Berufungsgericht hat unverzüglich auf den Verlegungsantrag der Bevollmächtigten reagiert und durch Faxmitteilung vom 24.9.2013 klar erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass es dem Verlegungsantrag in der gestellten Form nicht stattgeben werde. Vor diesem Hintergrund hätte diese erkennen können und müssen, dass eine ggf kurzfristig eingetretene Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachzuweisen ist.

7

Die Bewilligung von PKH war abzulehnen, weil die Beschwerde aus den zuvor dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Tatbestand

1

Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger, der - wie aus den Akten eines Vorprozesses hervorgeht - an den Folgen von HIV leidet, ist mit seinem (von den Vorinstanzen so ausgelegten) Begehren, die Beklagte zu verpflichten, über Leistungs- und Akteneinsichtsanträge sowie Auskunftsersuchen der Jahre 1994 bis 2002 zu entscheiden und ihm Ablichtungen der Verwaltungsakten herauszugeben, bislang ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Berufung gegen den in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Gerichtsbescheid zurückgewiesen, weil die Klage unzulässig sei: Der Kläger habe nicht schlüssig vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 88 Abs 1 Satz 1 SGG gegeben seien; es werde nicht deutlich, welche Anträge er gestellt haben wolle (Urteil vom 13.2.2009).

2

Nach Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet sich der Kläger nunmehr gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Er rügt ua die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Entscheidungsgründe

3

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), der den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügend gerügt worden ist. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG) verletzt, weil das Gericht am 13.2.2009 in der Sache entschieden hat, obwohl der Kläger annehmen durfte, eine instanzbeendende Entscheidung werde jedenfalls an diesem Tag nicht ergehen.

5

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es allerdings keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl Bundessozialgericht SozR 4-1500 § 158 Nr 2 RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 62). Wird einem Beteiligten zB ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen (BSGE 44, 292, 295 = SozR 1500 § 124 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; Beschluss des Senats vom 14.12.2006 - B 1 KR 113/06 B). Gleichermaßen wird einem Verfahrensbeteiligten das Recht auf mündliche Verhandlung versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache abschließend entscheidet, obwohl der Beteiligte zuvor gemäß § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG einen Terminverlegungsantrag gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem derartigen Fall bei ordnungsgemäßem Vorgehen verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen oder zu vertagen (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG, Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 303/07 B). Nichts anderes kann gelten, wenn der Beteiligte vor der Verhandlung einen Terminverlegungsantrag gestellt hat und davon ausgehen durfte, dass auf die anberaumte mündliche Verhandlung hin wegen seiner Eingabe jedenfalls keine ihm nachteilige instanzabschließende Entscheidung ergehen würde. So verhält es sich hier.

6

Das LSG war zwar nach § 227 Abs 2 ZPO iVm § 202 SGG berechtigt, den (unvertretenen) Kläger auf die von ihm wegen seines "sehr schlechten Gesundheitszustandes" geltend gemachte Hinderung der Teilnahme am Verhandlungstermin vom 13.2.2009 und auf seinen Terminverlegungsantrag hin (Schreiben vom 9.2.2009) aufzufordern, seine krankheitsbedingte Verhinderung glaubhaft zu machen sowie zum Termin ein qualifiziertes ärztliches Attest einzureichen. Das ist auf eine richterliche Eilt-Verfügung vom 11.2.2009 hin geschehen, die einen Absendevermerk der Geschäftsstelle vom selben Tag trägt. In der Verhandlung am 13.2.2009 durfte allerdings - selbst bei unterstellten "normalen" postalischen Verhältnissen - nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dem Kläger diese Mitteilung rechtzeitig vor dem Termin zugegangen war. Der Kläger macht geltend, er habe das Schreiben des LSG mit seiner werktäglichen Post erst am 13.2.2009 um 14.00 Uhr erhalten, also zu einem Zeitpunkt, als der für 11.30 Uhr angesetzte Termin bereits beendet gewesen sei. Diese Behauptung ist nicht zu widerlegen, insbesondere wird sie durch andere Indizien nicht erschüttert. Vielmehr ist nach den Umständen anzunehmen, dass er aus ihm nicht vorwerfbar zuzurechnenden Gründen gehindert war, zur mündlichen Verhandlung am 13.2.2009 zu erscheinen.

7

Wollte das LSG bei der gegebenen Sachlage am 13.2.2009 über die Berufung entscheiden, hätte es jedenfalls sicherstellen müssen, dass der Kläger die Auflage überhaupt rechtzeitig zur Kenntnis nehmen und sich entsprechend verhalten konnte. Da dies hier nicht der Fall war, hatte der Kläger berechtigten Grund zu der Annahme, dass er jedenfalls keine Rechtsnachteile aus seinem - noch nicht beschiedenen - Terminverlegungsantrag erleiden würde. Ein Gericht muss einen solchen Antrag förmlich (kurz) bescheiden, sofern dies noch technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist (zB OLG Karlsruhe MDR 1991, 1195; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl 2008, § 227 RdNr 56 mwN). Es muss zudem Sorge dafür tragen, dass dem Betroffenen die Entscheidung zumindest formlos mitgeteilt wird (vgl § 329 Abs 2 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG). Kann dagegen nicht gewährleistet werden, dass der Betroffene Kenntnis von den Voraussetzungen erlangt hatte, unter denen das Gericht von einer Verhinderung ausgehen würde, ist es gehalten, den Rechtsstreit zur Vermeidung eines Verfahrensfehlers zu vertagen. Das war hier der Fall.

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Es fehlen Hinweise darauf, dass dem Kläger eine Mitteilung über die beabsichtigte Durchführung des Termins vom 13.2.2009 und die Voraussetzungen der Anerkennung seiner Verhinderung tatsächlich rechtzeitig zugänglich gemacht wurden, insbesondere befindet sich kein Zustellungs- oder Zugangsnachweis darüber in den Akten. Am 13.2.2009 hat das Gericht ausweislich der Sitzungsniederschrift eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der vorangegangenen Verfügung nicht positiv feststellen können. In der Niederschrift heißt es lediglich, "dass dem Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2009 mitgeteilt worden ist, dass die durch Krankheit bedingte Verhinderung glaubhaft zu machen ist und zwar durch Vorlage eines Attestes". Sodann wird nur noch festgestellt, dass ein Attest bislang nicht bei Gericht eingegangen sei; anschließend ist die mündliche Verhandlung eröffnet, durchgeführt und auf sie hin über die Berufung durch das angegriffene Urteil entschieden worden.

9

Unter den dargestellten Gegebenheiten durfte das LSG indessen nicht über die Berufung entscheiden, sondern hätte eine Vertagung beschließen müssen. Dabei fällt besonders ins Gewicht, dass wegen des ergangenen Gerichtsbescheides schon in erster Instanz keine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte und der Kläger in der Vorkorrespondenz mit dem LSG ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hatte. Zudem sah das LSG nach den Entscheidungsgründen des Urteils selbst Klärungsbedarf dafür, welche Anträge der Kläger eigentlich stellen wollte. Obwohl die Mitteilung des LSG über die Voraussetzungen einer Terminverlegung nicht formgebunden war und keiner förmlichen Zustellung bedurfte, entband dies nicht von dem Erfordernis, entweder zu gewährleisten, dass der Kläger tatsächlich rechtzeitig vor der Verhandlung von der richterlichen Verfügung Kenntnis erlangte oder aber im Termin eine Vertagung des Rechtsstreits zu beschließen. Da beides nicht erfolgte, liegt die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.

10

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

11

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

I.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 11. August 2011 wird insofern aufgehoben, als die Klage gegen den Bescheid vom 21. April 2010 abgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Pflegezulage nach § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Bei der im Jahr 1936 geborenen Klägerin wurden zuletzt folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anerkannt und mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v. H. bewertet (Bescheid vom 09.02.2006):

1. Teilverlust des linken Oberschenkels

2. Narben nach Knochenmarksentzündung an beiden Oberarmen

3. Weichteilnarbe am rechten Unterschenkel

4. Teilverlust des rechten Wadenbeins

5. Verschleißveränderungen des rechten Kreuz-/Darmbeingelenks

6. Funktionseinschränkung des rechten Handgelenks mit mäßiger Fehlstellung.

Die wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen erforderliche Hilfe erhält die Klägerin durch ihren Sohn; eine entgeltliche (Fremd-)Betreuung erfolgt nicht.

Wegen eines nach ihren Angaben am 09.02.2007 erfolgten Sturzes wurde die Klägerin am 12.02.2007 ambulant in der Klinik A-Stadt behandelt. Bei der Untersuchung beklagte die Klägerin Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, des linken Brustkorbs und der linken Leiste. Diagnostiziert wurde eine Prellung der Lendenwirbelsäule, des Hemithorax links und des linken Beckens. Eine Fraktur wurde nicht festgestellt (Bericht der Klinik vom 21.02.2007). Diesen Bericht leitete die Klägerin dem Beklagten im Rahmen eines Widerspruchs gegen den hier nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 20.03.2007 mit Schreiben vom 23.04.2007 zu, wobei sie darin darauf hinwies, dass sie infolge des Sturzes „im Februar und März 2007 erkrankt und teilweise sogar immobil“ gewesen sei.

Mit Schreiben vom 06.06.2007 beantragte die Klägerin „die Zahlung der Pflegezulage nach der Stufe I nach dem Bundesversorgungsgesetz für die drei Monate der Rekonvaleszenz“ wegen des Sturzes am 09.02.2007 und wies dabei darauf hin, dass sie wegen des Sturzes „teils immobil“ gewesen sei.

Im Fragebogen des Beklagten zum Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage gab die Klägerin am 15.10.2007 u. a. an, dass der zeitliche Pflegeaufwand täglich ca. drei Stunden betrage und nach dem Sturz „2 Monate Bettlager (Immobilität)“ bestanden habe. Beigelegt war auch eine Aufstellung über die erforderlichen Hilfeleistungen samt Zeitaufwand („fortlaufend für 2007“), wobei der von der Klägerin angegebene Zeitaufwand insgesamt maximal 192 Minuten betrug.

Anschließend wurde die Klägerin am 07.04.2008 beim Beklagten durch Dr. R. begutachtet, nachdem zwei zunächst angesetzte Begutachtungen mit Hausbesuch von der Klägerin abgesagt worden waren. Im Gutachten vom 09.04.2008 kam Dr. R. zu der Einschätzung, dass es „gut nachvollziehbar“ sei, dass, wie von der Klägerin und ihrem Sohn angegeben, für etwa zwei Monate nach dem Sturz am 09.02.2007 eine weitgehende Bettlägerigkeit bestanden habe. Für diesen Zeitraum könne von weitgehender Rollstuhlgebundenheit ausgegangen werden. Ein außergewöhnliches Pflegebedürfnis habe nicht bestanden. Es sei angemessen, für den Zeitraum dieser hochgradigen Mobilitätseinschränkung eine Pflegezulage der Stufe I zu gewähren. Von Hilflosigkeit könne vom Zeitpunkt des Sturzereignisses am 09.02.2007 bis etwa Mitte April 2007 ausgegangen werden.

Mit Bescheid vom 30.04.2008 gewährte der Beklagte der Klägerin antragsgemäß eine Pflegezulage der Stufe I in der Zeit vom 01.02.2007 bis zum 30.04.2007.

Mit Schreiben vom 08.05.2008 legte die Klägerin Widerspruch ein. Dabei trug sie Folgendes vor: „Für die Passagen von Febr. bis Oktober 2001 und von Febr. bis März 2008 ist noch eine Pflegezulage gewähren.“ Hilfsweise stelle sie den Antrag auf weitere Gewährung der Pflegezulage für das Jahr 2008. Zeitdauer und Höhe der Stufe der bewilligten Pflegezulage stellte die Klägerin nicht infrage. Zur Begründung ihres Begehrens legte sie eine „Stellungnahme zur Vorlage beim Versicherungsträger“ durch Dr. W. vom 25.03.2008 vor, der angab, dass im Februar 2008 die Stumpfbeschwerden zuletzt so ausgeprägt gewesen seien, dass die Klägerin „3 Tage komplett Immobilisiert werden musste.“

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 wies der Beklagte den Widerspruch nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme zurück. Soweit sich die Klägerin gegen den angefochtenen Bescheid mit der Feststellung wende, dass ihr nicht für weitere Zeiträume (Februar bis Oktober 2001, Februar bis März 2008) Pflegezulage gewährt worden sei, sei festzuhalten, dass sich außer dem Zeitraum vom 01.02.2007 bis zum 30.04.2007 keine weiteren Zeiträume feststellen lassen würden, für die ein Anspruch auf Pflegezulage bejaht werden könnte. Zwar könne dem Bericht vom 25.03.2008 entnommen werden, dass seit Jahren eine schmerzambulante Behandlung nötig sei; andererseits würden die vorliegenden Befunde keine dauerhafte Pflegebedürftigkeit für die Monate Februar und März 2008 nachweisen, sondern lediglich eine zwei Tage andauernde völlige Immobilisierung. Der im Widerspruchverfahren geltend gemachte Zeitraum von Februar bis Oktober 2001 sei bereits Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens gewesen, welches durch Vergleich abgeschlossen worden sei, wobei nur eine vorübergehende Pflegezulagengewährung ab Juli 2003 vorgesehen gewesen sei. Für den jetzt geltend gemachten Zeitraum sei bereits damals trotz umfangreicher Befundlage keine Hilflosigkeit angenommen worden.

Dagegen hat die Klägerin am 26.10.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben.

Der Klagebegründung vom 08.04.2009 ist zu entnehmen, dass die Klägerin der Meinung ist, dass ihr für den bewilligten Zeitraum Pflegegeld nach Stufe II und nicht nur nach Stufe I zustehe, da ihr ein dauerndes Krankenlager attestiert worden sei. Die anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schreiben vom 30.09.2009 mitgeteilt, dass streitgegenständlich der Anspruch der Klägerin auf Pflegezulage für den Zeitraum von Februar bis Oktober 2001 und Februar bis März 2008 sowie fortlaufend für das Jahr 2008 sei. Sie haben unter Anführung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) darauf hingewiesen, dass von Hilflosigkeit dann auszugehen sei, wenn der Zeitaufwand mindestens zwei Stunden täglich erreiche. Nach den Angaben der Klägerin im Verwaltungsverfahren betrage der Zeitaufwand mindestens drei Stunden täglich.

Mit parallel zum Gerichtsverfahren ergangenem Bescheid vom 21.04.2010 hat der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.12.2009 eine Pflegezulage nach Stufe I wegen eines Sturzes vom 21.10.2009 zugesprochen. In der Rechtsbehelfsbelehrung zu diesem Bescheid ist auf die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, hingewiesen worden.

Das SG hat ein Gutachten des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 05.07.2007 zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch beigezogen. Danach beträgt der Zeitbedarf der Grundpflege der Klägerin täglich 25 Minuten, der hauswirtschaftlichen Versorgung 45 Minuten. Pflegebedürftigkeit bestehe - so der Gutachter - nicht. Weiter ist ein Pflegegutachten des Herrn W. vom 20.08.2008 beigezogen worden, das in einem pflegeversicherungsrechtlichen Rechtsstreit der Klägerin beim SG Augsburg eingeholt worden war. Der Gutachter hat die Zeitangaben im Gutachten des MDK und die dortige Einschätzung, dass „der bestehende Hilfebedarf keiner Pflegestufe entspricht“, im Wesentlichen bestätigt. Er hat explizit darauf hingewiesen, dass die Zeitangaben der Klägerin im Pflegetagebuch „in der Pflegeminutenanzahl deutlich überzogen und der Hilfebedarf ...in großen Teilen ... nicht nachvollziehbar“ seien.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2011 hat das SG die Klage unter Einbeziehung auch des Bescheids vom 21.04.2010 sowohl betreffend die Höhe der bewilligten Pflegezulage als auch die Dauer der zu gewährenden Pflegezulage abgewiesen.

Mit Schreiben vom 16.09.2011 hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Sie hat mit Schreiben vom 09.11.2011 die Berufung mit Hinweis auf die Klagebegründung vom 08.04.2009 begründet. Zudem hat sie vorgetragen, dass ihre Gesundheitsstörung so schwer sei, dass sie ein dauerndes Krankenlager erfordere, und daher die Pflegezulage nach den Stufen II bis VI zu erhöhen sei. Auch seien in ihrer Person die Vorgaben der Rechtsprechung des BSG „größtenteils“ erfüllt. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. B. vom 21.04.2005 (im früher vor dem SG Augsburg durchgeführten sozialgerichtlichen Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 V 15/01), der den Hilfebedarf beim An- und Auskleiden und bei der Körperpflege auf eine Stunde täglich eingeschätzt und dabei noch nicht die Begleitzeiten für die Gänge außer Haus berücksichtigt habe.

Auf Nachfrage des Beklagten hat der Senat mitgeteilt, dass der Bescheid vom 21.04.2010 nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ins Verfahren einzubeziehen sei und der Gerichtsbescheid insofern aufgehoben werden müsse.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schreiben vom 21.11.2012 zur Klarstellung darauf hingewiesen, „dass die Klägerin folgende Pflegezeiten anstrebt:

a) ab Antragstellung vom 01.05.2007 laufend bis heute Pflegezulage der Stufe I auf Dauer

b) vom 01.02.2007 bis 30.04.2007 Pflegezulage der Stufe II wegen festgestelltem Krankenlager durch den Versorgungsarzt Herrn Dr. R.

c) über die Gewährung der Schwerstbeschädigtenzulage nach dem BVG.“

Zu einem ersten, für den 16.12.2014 angesetzten Erörterungstermin ist es nicht gekommen, weil die Bevollmächtigten der Klägerin kurz zuvor telefonisch mitgeteilt hatten, dass die Klägerin am Erörterungstermin nicht erscheinen werde und ein Erscheinen auch ihren Bevollmächtigten untersagt habe. Zuvor hatte der Sohn der Klägerin telefonisch beim Senat nachgefragt, ob ein persönliches Erscheinen der Klägerin denn wirklich notwendig sei.

Zu einem zweiten Erörterungstermin am 03.02.2015, für den der Senat der Klägerin die Anordnung des persönlichen Erscheinens im Termin für den Fall zugesagt hatte, dass sie auch persönlich zum Termin komme, ist die Klägerin nicht erschienen. Die Bevollmächtigten der Klägerin hatten kurz zuvor mit Schreiben vom 30.01.2015 das Mandat niedergelegt.

Mit Schreiben vom 03.02.2015 hat der Senat einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag gemacht und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vergleichsvorschlag für die Klägerin ausgesprochen günstig und im Fall eines Urteils nicht mit einem für die Klägerin so günstigen Ergebnis zu rechnen sei.

Diesen Vergleichsvorschlag hat der Beklagte zwar als sehr großzügig, aber noch vertretbar bezeichnet und sein Einverständnis dazu mit Schreiben vom 24.02.2015 erklärt.

Die Klägerin hat wegen des Vergleichsvorschlags mit Schreiben vom 13.03.2015 um Fristverlängerung gebeten, da sie sich „mit einem neuen Bevollmächtigten abstimmen“ müsse. Anschließend hat sie sich trotz wiederholter gerichtlicher Nachfragen (Schreiben vom 16.03.2015, 08.05.2015 und 17.07.2015) nicht mehr inhaltlich dazu geäußert.

Nachdem die Klägerin zur mündlichen Verhandlung am 29.09.2015 geladen worden war, hat sie mit Schreiben vom 07.09.2015 die Aufhebung dieses Termins mit der Begründung beantragt, dass sie wegen Art und Schwere der Kriegsbeschädigung nur mit PKW oder Taxi und einer Begleitperson anreisen könne. Um ihr Grundrecht auf das gerichtliche Gehör zu wahren, bedürfe es ihrer Anwesenheit. Ihr Erscheinen sei aber nicht angeordnet, weswegen sie sich in ihren Rechten verletzt sehe. Hilfsweise beantrage sie „die Begutachtung nach § 109 SGG, sollte das Gericht keine weiteren Beweise mehr erheben.“ Dazu ist der Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom 14.09.2015 mitgeteilt worden, dass mit Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand von der Anordnung des persönlichen Erscheinens abgesehen worden sei. Sollte sie aber erscheinen, werde zugesagt, das persönliche Erscheinen anzuordnen, um eine Entschädigung zu ermöglichen.

Mit Schreiben vom 20.09.2009 hat die Klägerin einen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung gestellt. Sie beantrage die Terminsverlegung aus gesundheitlichen Gründen. Zudem hat sie „die Begutachtung nach § 109 SGG“ beantragt. Dazu ist der Klägerin mit gerichtlichem Schreiben vom 23.09.2015 mitgeteilt worden, dass Anlass für eine Terminsverlegung nicht bestehe, zumal mit einer Besserung ihres Gesundheitszustands in der Zukunft nicht zu rechnen sei.

Mit Schreiben vom 28.09.2015 hat die Klägerin einen Vertagungsantrag gestellt und diesen wie folgt begründet. Die gerichtliche Begründung für die Aufrechterhaltung des Termins erscheine ihr nicht schlüssig. Sie lasse den Schluss darauf zu, dass ihre Rechte auf persönliches Gehör umgangen werden könnten. Sie sehe sich in ihren Grundrechten als behinderte Frau verletzt. In der Kürze der Zeit könne sie eine Vertretung nicht entsenden. Der Vertagungsantrag ist mit Beschluss des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015 abgelehnt worden.

Die Klägerin beantragt (Schreiben vom 21.11.2012), den Gerichtsbescheid vom 11.08.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 30.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 zu verurteilen, ihr folgende Leistungen zu gewähren:

ab 01.05.2007 laufend bis heute eine Pflegezulage der Stufe I,

vom 01.02.2007 bis 30.04.2007 eine Pflegezulage der Stufe II,

Schwerstbeschädigtenzulage nach dem BVG.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit sie gegen den Bescheid vom 30.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 gerichtet ist.

Der Senat hat die Akten des Beklagten, auch in der schwerbehindertenrechtlichen Angelegenheit der Klägerin, und des SG Augsburg (mit den Aktenzeichen KB 749/1955, S 11 V 8/74, S 10 V 243/75, S 11 V 330/77, S 10 V 111/89, S 2 Kg 50/92, S 2 Kg 47/93, S 10 Kg 18/95, S 8 V 19/96, S 11 V 15/01, S 5 V 5/08) beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nur insofern begründet, als das SG in seine klageabweisende Entscheidung vom 11.08.2011 den Bescheid vom 21.04.2010 nicht einbeziehen hätte dürfen. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 30.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 ist nicht zu beanstanden.

1. Zur Zulässigkeit einer Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015

Der Senat war nicht gehindert, trotz Ausbleibens der Klägerin mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. Dem Vertagungsantrag war nicht stattzugeben. Es konnte auch in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden.

1.1. Vertagungsantrag

Da kein Grund bestand, dem Vertagungsantrag der Klägerin stattzugeben, hat der Senat diesen zu Beginn der mündlichen Verhandlung abgelehnt und anschließend in der Sache entschieden.

Zu den Anträgen der Klägerin auf Aufhebung des Termins der mündlichen Verhandlung in den Schreiben vom 07.09.2015 und vom 20.09.2009, mit denen die Klägerin die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens erreichen wollte, hat der Senat der Klägerin jeweils mitgeteilt, dass ein Vertagungsgrund aus ihren Schreiben nicht ersichtlich werde. Ihr ist aber die von ihr angestrebte Anordnung des persönlichen Erscheinens in der mündlichen Verhandlung zugesagt worden, sollte sie bei der mündlichen Verhandlung erscheinen, so dass ihr für die Fahrt zum LSG eine Entschädigung zustehen würde. Der Klägerin musste daher klar sein, dass, sofern kein weiterer neuer Vortrag zu einem potentiellen Vertagungsgrund ihrerseits erfolgen werde, der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015 entschieden werde, wie dies dann auch erfolgt ist

Den am Tag vor der mündlichen Verhandlung mit um 18.00 Uhr beim LSG eingegangenem Fax gestellten Vertagungsantrag der Klägerin vom 28.09.2015 hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015 mit Beschluss zurückgewiesen. Denn ein Vertagungsgrund ist von der Klägerin nicht in dem dafür erforderlichen Umfang vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht worden.

Wegen der Gründe für die Ablehnung des Vertagungsantrags nimmt der Senat zunächst Bezug auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Ergänzend weist er auf Folgendes hin:

Der Begründung zum Vertagungsantrag vom 28.09.2015 ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die Klägerin diesen Antrag darauf stützt, dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, am 29.09.2015 zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, ob sie damit die fehlende Anordnung des persönlichen Erscheinens beanstanden will oder ob sie eine Terminsverlegung begehrt, um sich noch anwaltlichen Rat einzuholen. All dies ist aber nicht geeignet, einen Vertagungsantrag zu begründen.

1.1.1. Gesundheitliche Gründe

Soweit der Vertagungsantrag als ein solcher aus gesundheitlichen Gründen zu deuten ist, fehlt ihm eine hinreichende Substantiierung eines Vertagungsgrunds.

Zwar ist mit dem BSG davon auszugehen, dass bei nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten die grundsätzlich hohen Anforderungen an die bei einem kurzfristig gestellten Vertagungsantrag weitreichende Substantiierungspflicht und an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschlüsse vom 09.11.2009, Az.: VIII B 94/09, und vom 26.09.2011, Az.: VIII B 162/09; BSG, Beschlüsse vom 13.10.2010, Az.: B 6 KA 2/10 B, und vom 27.05.2014, Az.: B 4 AS 459/13 B) gegenüber einem anwaltlich vertretenen Beteiligten reduziert sind (vgl. BSG, Beschluss vom 07.07.2011, Az.: B 14 AS 35/11 B). Ob diese Reduzierung der Anforderungen an einen von einem nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten gestellten Vertagungsantrag dazu führt, dass nicht mehr - wie ansonsten grundsätzlich geboten - die Gründe für die Verhinderung so darzulegen und durch ein ärztliches Attest zu untermauern sind, dass das Gericht die Frage, ob der betroffene Beteiligte verhandlungs- und/oder reisefähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann (ständige Rspr. vgl. z. B. BFH, Beschluss vom 25.10.2012, Az.: X B 130/12; BSG, Beschlüsse vom 24.10.2013, Az.: B 13 R 230/13 B, und vom 27.05.2014, Az.: B 4 AS 459/13 B), kann vorliegend offen bleiben. Denn der von der Klägerin angegebene Vertagungsgrund, ihr schlechter Gesundheitszustand, würde, auch wenn er so als gegeben betrachtet würde, einen Anspruch auf eine Vertagung nicht begründen. Denn die Klägerin verweist lediglich auf den bereits seit langem bekannten, dauerhaft reduzierten Gesundheitszustand, der - so ihr Vortrag - einem Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung entgegenstehe, behauptet aber keinen plötzlich (vgl. BFH, Beschluss vom 03.08.2005, Az.: II B 47/04) und akut verschlechterten Gesundheitszustand, der von nur vorübergehender Art wäre und der lediglich einem Erscheinen bei der jetzt durchgeführten mündlichen Verhandlung, nicht aber bei einem etwaigen späteren Termin entgegenstehen würde. Bei dem jetzt von der Klägerin vorgetragenen Gesundheitszustand handelt es sich also um einen Dauerzustand, der, folgt man der Einschätzung der Klägerin zu ihrer Reisefähigkeit zum Gericht, nicht nur in der Vergangenheit einem persönlichen Erscheinen entgegen gestanden ist, sondern ein Erscheinen auch in der Zukunft aus Sicht der Klägerin unmöglich machen wird. Damit könnte mit einem Vertagungsantrag dem Sinn und Zweck eines derartigen Antrags, nämlich die Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) sicherzustellen, nicht Rechnung getragen werden, da auch in der Zukunft ein Erscheinen der Klägerin bei Gericht und damit die Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs nicht möglich wäre. Würde der Ansicht der Klägerin gefolgt, dass ihr dauerhaft und ohne Besserungsaussicht vorliegender Gesundheitszustand einen Anspruch auf Vertagung begründen würde, wäre der vorliegende Rechtsstreit nie entscheidbar, da eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung aufgrund der gesetzlichen Regelungen und des fehlenden Einverständnisses der Klägerin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausgeschlossen ist.

1.1.2. Erzwingung der Anordnung des persönlichen Erscheinens

Hat die Klägerin mit dem Vertagungsantrag die Anordnung des persönlichen Erscheinens erzwingen wollen, ist die nicht erfolgte Anordnung des persönlichen Erscheinens kein Vertagungsgrund.

Das einem Beteiligten zustehende Recht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, erzeugt keinen Anspruch auf Anordnung des persönlichen Erscheinens, um eine Kostenübernahme gemäß § 191 SGG sicherzustellen (vgl. BSG, Beschluss vom 21.08.2008, Az.: B 13 R 109/08 B; Müller, in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 2014, § 111, Rdnr. 6).

1.1.3. Einholung anwaltlichen Rats

Sofern der Vertagungsantrag dahingehend zu verstehen ist, dass die Klägerin eine Terminsverschiebung begehrt, um noch anwaltlichen Rat einzuholen und gegebenenfalls eine anwaltliche Vertretung für eine später anzusetzende mündliche Verhandlung sicherzustellen, stellt auch dies vorliegend keinen Vertagungsgrund dar.

Auch wenn die Rechtsprechung des BSG insofern mit Blick auf das rechtliche Gehör durchaus großzügig ist und es daher keinen strengen Maßstab anlegt (vgl. BSG, Beschluss vom 04.11.2014, Az.: B 2 U 144/14 B), ist jedenfalls dann kein Vertagungsgrund gegeben, wenn es dem Verfahrensbeteiligten möglich und zumutbar gewesen wäre, rechtzeitig einen Bevollmächtigten zu beauftragen (vgl. BSG, Urteil vom 27.10.1955, Az.: 4 RJ 6/54). Dies ist vorliegend der Fall. Die ehemaligen Bevollmächtigten der Klägerin haben - wohl aus von der Klägerin zu vertretenden Gründen, weil diese ihren Bevollmächtigten das Erscheinen bei dem vom Gericht angesetzten ersten Erörterungstermin am 16.12.2014 untersagt hat - das Mandat bereits im Januar 2015 niedergelegt. Wie das Schreiben der Klägerin vom 13.03.2015 belegt oder zumindest glauben machen will, plante sie bereits damals, einen neuen Bevollmächtigten zu beauftragen. Auch das Schreiben der Klägerin vom 28.04.2015 vermittelt den Eindruck, sie bemühe sich um neue anwaltliche Hilfe für das Berufungsverfahren. Die Klägerin kann sich daher nicht Ende September 2015 darauf berufen, dass es ihr nicht rechtzeitig möglich gewesen wäre, einen neuen Bevollmächtigten zu beauftragen, und dann eine Terminsverlegung zu erfolgen hätte. Vielmehr ist es einzig und allein dem Verhalten der Klägerin zuzurechnen, dass sie es innerhalb eines Zeitraums von annähernd einem dreiviertel Jahr nicht geschafft - oder nicht gewollt - hat, einen neuen Bevollmächtigten zu bestellen. Der Vortrag der Klägerin hinsichtlich einer noch zu erfolgenden anwaltlichen Beauftragung kann wohl nur als manipulatives und damit rechtsmissbräuchliches Instrument zur Verhinderung eines von der Klägerin aus unerfindlichen Gründen offenbar nicht gewünschten Entscheidungstermins gesehen werden und geht ins Leere. Eine Terminsverlegung war aus diesem Grund nicht angezeigt.

1.2. Entscheidung in Abwesenheit der Klägerin

Es konnte auch in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden; die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass der Senat nicht in ihrer Abwesenheit entscheiden würde.

1.2.1. Hinweis im Ladungsschreiben

In der ordnungsgemäßen Ladung, die der Klägerin am 07.09.2015 zugestellt worden ist, ist ein korrekter Hinweis auf die Folgen ihres Fernbleibens enthalten.

1.2.2. Kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, dass nicht in ihrer Abwesenheit entschieden werde. Einer Entscheidung in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2015 stand auch nicht entgegen, dass über den kurzfristig gestellten Vertagungsantrag der Klägerin nicht vor der mündlichen Verhandlung entschieden worden ist.

Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass der Senat wegen der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nicht in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015 in der Sache entscheiden werde.

Das BSG sieht über die Geltendmachung eines substantiierten Vertagungsgrunds hinaus auch dann unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention, § 62 SGG) einen Anlass für eine Vertagung, „wenn der Beteiligte vor der Verhandlung einen Terminverlegungsantrag gestellt hat und davon ausgehen durfte, dass auf die anberaumte mündliche Verhandlung hin wegen seiner Eingabe jedenfalls keine ihm nachteilige instanzabschließende Entscheidung ergehen würde“ (vgl. BSG, Beschluss vom 17.02.2010, Az.: B 1 KR 112/09 B). Diese Entscheidung kann sich nur auf Fälle beziehen, in denen der Beteiligte nicht rechtskundig vertreten ist. Denn in Fällen mit anwaltlicher Vertretung verlangt die Rechtsprechung des BSG einen substantiiert vorgetragenen Vertagungsgrund (vgl. oben Ziff. 1.1.1.). Fehlt ein solcher Vertagungsgrund, steht einer Entscheidung nichts entgegen, auch kein Vertrauen darauf, dass das Gericht nicht entscheiden werde.

Ob ein so kurzfristig wie hier gestellter Vertagungsantrag überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen darauf erzeugen kann, dass nicht im angesetzten Termin entschieden wird, mit der Folge, dass wegen des Gebots des rechtlichen Gehörs eine Entscheidung im Termin nicht erfolgen kann, hält der Senat grundsätzlich für fraglich. Denn dies hätte zur Folge, dass bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten selbst ein auch nicht ansatzweise ausreichend substantiierter Vertagungsantrag ausreichen würde, eine Terminsverlegung zu erzwingen - zwar nicht wegen eines begründeten Vertagungsantrags, aber wegen des schutzwürdigen Vertrauens unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs. Dies erscheint dem Senat als über die Maßen weitgehend, da damit einer Terminsmanipulation durch kurzfristig gestellte und nicht ausreichend substantiierte Befangenheitsanträge Tür und Tor geöffnet wäre. Auch würden so nicht rechtskundig vertretene Beteiligte bei der Bewertung von kurzfristig vor einem Gerichtstermin eingebrachten Vertagungsanträgen weitaus besser gestellt als anwaltlich vertretene Beteiligte. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der insbesondere gegenüber einer unvertretenen Partei bestehenden Fürsorgepflicht des Gerichts, die sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz und dem Gebot des fairen Verfahrens ergibt (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 20.06.1995, Az.: 1 BvR 166/93; BSG, Beschlüsse vom 07.10.2004, Az.: B 3 KR 14/04 R, und vom 02.10.2008, Az.: B 9 VS 3/08 B; Urteil des Senats vom 20.12.2011, Az.: L 15 SB 123/10), nicht begründbar. Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich auch das Gebot der Rechtsschutzgleichheit, also dass alle Prozessbeteiligten gleich zu behandeln sind und nicht aus einer in ihrer Person liegenden Eigenschaft Vorteile gegenüber anderen Beteiligten in der gleichen Situation ziehen dürfen (elementarer Grundsatz, wie er beispielsweise in der Rspr. des BVerfG zur Prozesskostenhilfe deutlich wird: vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1979, Az.: 1 BvL 97/78). Einer weiteren Auseinandersetzung mit der aufgezeigten Problematik bedarf es jedoch nicht.

Vorliegend liegt ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, dass in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2015 wegen ihres Vertagungsantrags nicht in der Sache entschieden wird, zweifellos nicht vor. Auch wenn über den am Tag vor der Sitzung gestellten Vertagungsantrag noch nicht vor der Sitzung entschieden worden war, war der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung aufgrund der gerichtlichen Schreiben vom 14.09.2015 und 23.09.2015, die sie beide, wie sich aus ihren Schreiben vom 20.09.2015 und 28.09.2015 ergibt, nachweislich erhalten hat, bereits bekannt, welche Gesichtspunkte aus Sicht des Gerichts keinen Vertagungsgrund darstellen. Es war daher gewährleistet, dass die Klägerin davon Kenntnis hatte, was keinen Vertagungsgrund begründen würde. Sie durfte daher nicht davon ausgehen, dass der Senat auf einen kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag den anberaumten Sitzungstermin aufheben würde, wenn sich der Vertagungsantrag wieder nur auf das frühere, vom Senat bereits als unzureichend erklärte Vorbringen stützen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 17.02.2010, Az.: B 1 KR 112/09 B). Gleichwohl hat die Klägerin den zuletzt mit Schreiben vom 28.09.2015 gestellten Vertagungsantrag genauso begründet wie ihre zuvor geäußerten Bitten nach Terminsverlegung, auf die hin die gerichtlichen Schreiben vom 14.09.2015 und 23.09.2015 ergangen waren. Die Klägerin durfte daher nicht darauf vertrauen, dass der Termin der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015 noch verlegt wird (ähnlich zu einem kurzfristig gestellten Befangenheitsantrag: BSG, Beschluss vom 01.08.2000, Az.: B 9 SB 24/00 B).

Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass es auch bei einem Beschluss über den erst am Abend bei Gericht eingegangenen Vertagungsantrag vom 28.09.2015 noch am selben Tag objektiv unmöglich gewesen wäre, die Klägerin von der Ablehnung des Vertagungsantrags zu informieren. Die Klägerin hat dem Senat weder ihre Telefonnummer noch eine Faxnummer mitgeteilt. Offenbar besteht bei der Klägerin auch nur eine ganz eingeschränkte telefonische Erreichbarkeit, wie dies ihre Bevollmächtigten dem Senat im Zusammenhang mit dem vergeblichen Versuch, den Erörterungstermin vom 16.12.2014 auf eine der Klägerin vermeintlich genehmere Uhrzeit zu verlegen, bestätigt haben. Sofern sich die Klägerin per Telefax an den Senat gewendet hat, waren die Absendenummern zweifelsfrei nicht einem persönlichen Anschluss der Klägerin zuzuordnen, sondern einem Gewerbebetrieb („K. BUEROSERVICE“), einer GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Handel mit Büromöbeln und Büroartikeln sowie die damit zusammenhängenden Dienstleistungs- und Servicetätigkeiten sind (vgl. http://www.firmenwissen.de/az/firmeneintrag//8270224684/K._BUEROSERVICE_GMBH.html). An eine derartige Firma können zur Wahrung des Sozialgeheimnisses gerichtliche Schreiben oder Beschlüsse nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Klägerin verschickt werden.

2. Streitgegenstand

Streitgegenstand ist ausschließlich die Frage, ob der Klägerin eine Pflegezulage im Jahr 2008 zusteht.

Nicht Streitgegenstand sind

die Höhe der Pflegezulage in den Monaten Februar bis April 2007,

die Gewährung einer Pflegezulage in den Monaten Februar bis Oktober 2001,

die Gewährung einer Pflegezulage ab Mai 2007 bis Ende 2007 und von Januar 2009 bis heute, und

die Gewährung einer Schwerstbeschädigtenzulage nach dem BVG.

Bei der Bestimmung des Streitgegenstands sind folgende Grundsätze zu beachten:

Maßgebend für die Bestimmung des Streitgegenstands ist der geltend gemachte prozessuale Anspruch, d. h. Klageantrag und Klagegrund im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt (vgl. BSG, Urteil vom 28.3.2013, Az.: B 4 AS 12/12 R - m. w. N.). Hiervon ausgehend wird der Streitgegenstand durch den objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und das im Prozess geltend gemachte Begehren bestimmt. Der Streitgegenstand ist also die Schnittmenge von bescheidsmäßig getroffenen Regelungen einerseits und dem prozessualen Begehren eines Klägers andererseits.

Maßstab der Auslegung eines angefochtenen Bescheids ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2010, Az.: B 9 V 2/10 R).

Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen ist ebenfalls der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 17/13), wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 29.11.1995, Az.: X B 328/94). Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, Az.: B 1 KR 10/10 R), um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02, und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:

2.1. Bescheidsmäßig getroffene Regelungen

2.1.1. Bescheid vom 30.04.2008

Der Bescheid vom 30.04.2008 trifft ausschließlich eine Regelung zur Pflegezulage im Zeitraum Februar bis April 2007, wie es auch dem Antrag der Klägerin entspricht.

Mit Schreiben vom 06.06.2007 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ihren Sturz am 09.02.2007 und ihr Schreiben vom 23.04.2007 „die Zahlung der Pflegezulage nach der Stufe I nach dem Bundesversorgungsgesetz für die drei Monate der Rekonvaleszenz“. Über diesen, für einen beschränkten Zeitraum und konkret geltend gemachten Anspruch hat der Beklagte mit Bescheid vom 30.04.2008 entschieden und der Klägerin antragsgemäß für den Zeitraum von Februar bis April 2007 eine Pflegezulage nach der Stufe I gewährt.

Weitergehende Regelungen beinhaltet der vorgenannte Bescheid nicht. Insbesondere war der Beklagte nicht gehalten, auf den konkretbeschränkten Antrag der Klägerin hin eine Entscheidung darüber zu treffen, ob auch für weitere, nicht beantragte Zeiträume eine Pflegezulage zu gewähren sei. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Pflegezulage gemäß § 35 BVG eine eigenständige Versorgungsleistung im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG darstellt, deren Gewährung gemäß § 1 Abs. 1 BVG von einer entsprechenden Antragstellung abhängt und deren Leistungsbeginn gemäß § 60 Abs. 1 BVG durch die Antragstellung bestimmt wird. Ein entsprechender Antrag ist daher eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung.

Entgegen der offenbar von der Klägerin vertretenen Ansicht kann im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise von einem Antrag als materiellrechtlicher Anspruchsvoraussetzung abgesehen werden. Es ist im Rechtsbereich der Kriegsopferversorgung seit jeher unbestrittene Auffassung, dass der Anspruch auf Versorgung nicht schon allein mit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands entsteht, sondern dass als weiterer rechtsbegründender Faktor der Antrag des Berechtigten hinzukommen muss (vgl. Vogl, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 35 BVG, Rdnr. 8; ständige Rspr., vgl. z. B. BSG, Urteile vom 23.03.1956, Az.: 10 RV 385/55, und vom 25.11.1965, Az.: 9 RV 256/64). Allenfalls dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die es für den Verwaltungsträger nahelegen, dass die Voraussetzungen einer nicht beantragten Leistung erfüllt sind, kann im Ausnahmefall vom Antragserfordernis abgesehen werden (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1970, Az.: 10 RV 24/68, wobei das BSG in diesem Fall einen „Antrag auf Versorgungsbezüge“ nicht als Antrag auf Pflegezulage gesehen hat).

Eine solche Sonderkonstellation liegt hier nicht vor. Von einem Ausnahmefall könnte nur dann ausgegangen werden, wenn der Beklagte aufgrund seiner gegenüber der Klägerin bestehenden allgemeinen Betreuungspflicht gehalten gewesen wäre, die Klägerin unverzüglich zur Beantragung einer weiteren Pflegezulage anzuhalten. Denn dann würde eine schematische Bezugnahme des Versorgungsträgers auf das Antragsprinzip und § 60 Abs. 1 BVG einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1975, Az.: 9 RV 458/74). Von einer derartigen Verpflichtung des Beklagten, bei der Klägerin die Antragstellung bezüglich einer Pflegezulage für weitere Zeiträume anzuregen, kann aber nicht ausgegangen werden. Der Gesundheitszustand der Klägerin war dem Beklagten gut bekannt, nicht nur durch die jahrzehntelange Aktenführung und die von der Klägerin selbst vorgelegten medizinischen Unterlagen, sondern auch durch das Gutachten des Dr. R. vom 07.04.2008. Zudem war nach dem eigenen Vortrag der Klägerin lediglich von einer vorübergehend eingeschränkten, aber nicht aufgehobenen - dies hat die Klägerin selbst wiederholt (vgl. ihre Schreiben vom 23.04.2007 und vom 06.06.2007) angegeben - Mobilität infolge eines akuten Sturzereignisses im Februar 2007 für nicht einmal zwei - so die ersten Angaben der Klägerin im Schreiben vom 23.04.2007 - bis drei - so die späteren Angaben der Klägerin im Schreiben vom 06.06.2007 - Monate auszugehen.

2.1.2. Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008

Der Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 trifft über den Regelungsgehalt im Bescheid vom 30.04.2008 hinaus eine Regelung zur Pflegezulage im Zeitraum Februar bis Oktober 2001, im Zeitraum Februar bis März 2008, wie es auch dem Antrag der Klägerin im Widerspruchsschreiben vom 08.05.2008 entspricht, und - bei für die Klägerin wohlwollender Auslegung - auch für die restlichen Monate des Jahres 2008.

Zwar deuten die Ausführungen in den Gründen des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 darauf hin, dass der Beklagte nur über die darin ausdrücklich genannten Zeiträume, nämlich Februar bis Oktober 2001 und Februar bis März 2008 entscheiden wollte. Aus dem Empfängerhorizont, also der objektivierten Sicht der Klägerin, kann im Widerspruchsbescheid aber auch die Ablehnung der Gewährung einer Pflegezulage für das gesamte Jahr 2008 - jedenfalls bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides - gesehen werden. Dabei stützt sich der Senat darauf, dass die Klägerin im Widerspruchsschreiben hilfsweise auch die Gewährung einer Pflegezulage für das gesamte Jahr 2008 und nicht nur für die beiden Monate Februar und März beantragt hat. Aus Sicht der Klägerin ist der Widerspruchsbescheid daher dahingehend zu interpretieren, dass der Beklagte damit die Gewährung einer Pflegezulage für das gesamte Jahr 2008 abgelehnt hat. Diese klägerfreundliche Auslegung wird auch dadurch gestützt, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, dass der Klägerin „nicht für weitere Zeiträume, insbesondere von Februar bis Oktober 2001 und von Februar bis März 2008, Pflegezulage“ zu gewähren sei. Aus dem Wort „insbesondere“ kann aus Empfängersicht darauf geschlossen werden, dass auch im Übrigen dem Antrag der Klägerin, der hilfsweise auf eine Pflegezulage für das gesamte Jahr 2008 gerichtet war, nicht stattgegeben werden sollte.

Weitere Zeiträume erfasst der Widerspruchsbescheid nicht. Dies ergibt sich aus verständiger Empfängersicht daraus, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid lediglich den bei wohlwollender Sicht weitgefassten Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Pflegezulage für das gesamte Jahr 2008 umfassend abgelehnt hat. Davon, dass auch die Gewährung einer Pflegezulage für die Zeit nach dem Jahr 2008 abgelehnt werden sollte, spricht aus Sicht des Empfängerhorizonts nichts, da die Pflegezulage eine antragsabhängige Leistung ist und die Klägerin einen zeitlich auf das Jahr 2008 beschränkten und nicht als Begehren nach dauerhafter Gewährung von Pflegezulage zu verstehenden Antrag gestellt hat. Dass für den Zeitraum ab 2009 keine Regelung zur Pflegezulage getroffen werden sollte, ergibt sich schon aus dem Entscheidungszeitpunkt im Jahr 2008.

2.1.3. Bescheid vom 21.04.2010

Dieser Bescheid ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

Es liegt kein Fall des § 96 SGG vor, da der Bescheid vom 21.04.2010 den streitgegenständlichen Bescheid vom 30.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 nicht abgeändert oder ersetzt hat. Vielmehr ist damit ein vom streitgegenständlichen Bescheid unabhängiger weiterer Bescheid ergangen, der einen Zeitraum im Jahr 2009 - das Jahr 2009 war nicht Gegenstand des Bescheids vom 30.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.09.2008 (vgl. oben Ziff. 2.1.1. und 2.1.2.) - zum Gegenstand hat.

Der Bescheid vom 21.04.2010 ist auch nicht in Form einer Klageänderung gemäß § 99 SGG in das Verfahren einbezogen worden. Denn es fehlt nicht nur an einer Einwilligung der Beteiligten und der Sachdienlichkeit der Klageänderung, sondern auch an der Zulässigkeit der geänderten Klage. Denn ein Widerspruchsverfahren zum Bescheid vom 21.04.2010 ist nicht durchgeführt worden. Eine Nachholung des Widerspruchsverfahrens im gerichtlichen Verfahren war wegen des Fehlens einer Klageänderung nicht angezeigt.

2.2. Prozessuales Begehren der Klägerin

Das klägerische Begehren ergibt sich aus dem Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin vom 21.11.2012, mit dem diese die klägerischen Ziele klargestellt haben. Angestrebt wird demnach eine Pflegezulage der Stufe II anstelle der Stufe I für den Zeitraum von Februar bis April 2007, eine Pflegezulage der Stufe I ab dem 01.05.2007 bis heute und die Gewährung der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 Abs. 4 BVG.

2.3. Aus bescheidsmäßigen Regelungsgegenständen und prozessualem Begehren der Klägerin ermittelter Streitgegenstand

Streitgegenstand geworden ist als Schnittmenge von bescheidsmäßigen Regelungsgegenständen und prozessualem Begehren der Klägerin ausschließlich die Frage, ob der Klägerin eine Pflegezulage im Jahr 2008 zusteht. Denn nur insofern liegt eine vom Beklagten getroffene Regelung vor, die Gegenstand dieses Verfahrens sein kann und die von der Klägerin auch mit ihrem Klagebegehren aufgegriffen worden ist.

Nicht Streitgegenstand geworden sind hingegen die Höhe der Pflegezulage in den Monaten Februar bis April 2007, da die Klägerin dies im Rahmen ihres Widerspruchs nicht beanstandet hat und die Regelung daher insofern in Rechtskraft erwachsen ist,

die Gewährung einer Pflegezulage in den Monaten Februar bis Oktober 2001, da dies die Bevollmächtigten der Klägerin in ihrem das Klageziel klarstellenden Schreiben vom 21.11.2012 nicht mehr begehrt haben,

die Gewährung einer Pflegezulage in den Monaten Mai bis Dezember 2007, da dazu keine Regelung des Beklagten, die einer gerichtliche Entscheidung zugänglich wäre, erfolgt ist,

die Gewährung einer Pflegezulage ab dem Jahr 2009 bis heute, da der Beklagte insofern mit dem streitgegenständlichen Bescheid keine Regelung getroffen hat, die gerichtlich überprüft werden könnte, und

die Gewährung einer Schwerstbeschädigtenzulage gemäß § 31 Abs. 4 BVG, weil eine Regelung dazu erst im Bescheid vom 21.04.2010 getroffen und dieser Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

3. Materielle Prüfung

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin für das Jahr 2008, insbesondere die Monate Februar und März, eine Pflegezulage zu gewähren.

Es ist nicht im Vollbeweis nachgewiesen, dass sich die Klägerin im Jahr 2008 in einem Gesundheitszustand befunden hätte, der die Gewährung einer Pflegezulage gemäß § 35 BVG begründen könnte. Dies ergibt sich sowohl aus den eigenen Angaben der Klägerin und dem Bericht des behandelnden Arztes der Klägerin als auch aus dem vom Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. R. vom 07.04.2008 und den beigezogenen pflegeversicherungsrechtlichen Gutachten.

Die Voraussetzungen für die Gewährung der Pflegezulage hat der Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 BVG wie folgt beschrieben:

„Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 293 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, dass sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 500, 711, 912, 1.185 oder 1.457 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.“

Weitergehende Ausführungen zu den Voraussetzungen der Pflegezulage enthalten die zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (dort Teil C Nr. 13), die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 Rechtsnormcharakter haben (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2009, Az.: B 9 SB 3/08 R), bzw. die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008 (AHP 2008), die für die Zeit vor dem 01.01.2009 weiterhin als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind (vgl. BSG, Urteile vom 18.09.2003, Az.: B 9 SB 3/02 R, und vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 10/06 R; BVerfG, Beschluss vom 06.03.1995, Az.: 1 BvR 60/95). VG und AHP 2008 sind, sofern die Hinweise zur Hilflosigkeit betroffen sind, weitgehend inhaltsgleich.

Hilflos im Sinn des § 35 Abs. 1 BVG ist, wer bei den von dieser Vorschrift erfassten Verrichtungen für mindestens zwei Stunden am Tag fremder Hilfe dauernd bedarf. Bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden ist Hilflosigkeit ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege besonders hoch ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002, Az.: B 9 V 3/01 R).

Beachtlich ist ein Zeitraum der Hilfebedürftigkeit nur, wenn die Hilfebedürftigkeit über einen relevanten Zeitraum vorliegt. Relevant ist ein Zeitraum erst dann, wenn er mindestens einen Monat beträgt (vgl. Förster, in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 35 BVG, Rdnr. 14; Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz - BVGVwV - zu § 35, Nr. 11). Diese Mindestdauer begründet sich damit, dass im BVG der gesamte Regelungsbereich der Versorgungsleistungen grundsätzlich auf Monatszeiträume abstellt. Daraus ist zu schließen, dass nur kurzfristige Zustände keine Versorgungsleistung auslösen und auch kurzfristige Veränderungen der maßgebenden Verhältnisse keine Veränderungen in der Gewährung oder Nichtgewährung von Versorgungsleistungen herbeiführen können. Eine Entschädigung kann daher erst dann erfolgen, wenn der Zustand, der versorgungsrechtlich mit einer bestimmten Leistung zu entschädigen ist, mindestens einen Monat lang vorgelegen hat (vgl. BSG, Urteil vom 27.07.1965, Az.: 10 RV 9/64).

Der Senat stützt sich bei seiner Festlegung, dass eine Hilflosigkeit im Sinne des § 35 Abs. 1 BVG im Jahr 2008 nicht gegeben war, entscheidend auf die „Stellungnahme zur Vorlage beim Versicherungsträger“ des behandelnden Arztes der Klägerin Dr. W. vom 25.03.2008, aber auch auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. R., der die Klägerin am 07.04.2008 und damit unmittelbar nach dem für die Pflegezulage geltend gemachten Zeitraum begutachtet hat, und seine tatsächlichen Feststellungen. Dessen tatsächlichen Feststellungen und seine Einschätzung hält der Senat für zutreffend; er macht sie sich zu eigen. Der Senat stützt sich aber auch auf die pflegeversicherungsrechtlichen Gutachten und die Angaben der Klägerin selbst. Im Einzelnen ist Folgendes der Entscheidung zugrunde gelegt worden:

Dr. W. hat der Klägerin am 25.03.2008 attestiert, dass sie an drei Tagen im Februar 2008 immobil gewesen sei.

Der Sachverständige Dr. R. hat für das Jahr 2008 keine Hilflosigkeit der Klägerin im Sinn des § 35 Abs. 1 BVG gesehen.

Es besteht kein Hindernis, das Gutachten des Dr. R. im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung zu verwerten, weil es ein Gutachten ist, das der Beklagte und nicht der Senat in Auftrag gegeben hat. Zudem ist es nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage des Senats, sondern hat lediglich unterstützenden Charakter für die Entscheidung.

Das BSG weist in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluss vom 26.05.2000, Az.: B 2 U 90/00 B) darauf hin, dass zwar nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellte ärztliche Gutachten grundsätzlich einen anderen Beweiswert und eine andere Beweiskraft und somit eine andere Aussagekraft besitzen als gerichtliche Gutachten. Dies stellt aber kein Hindernis dar, ein Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 118 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung zu verwerten und ihm im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG zu folgen. Dabei hat das BSG klargestellt, dass es sich bei dem von einem Sozialleistungsträger gemäß §§ 20, 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingeholten Gutachten nicht um ein bloßes „Privatgutachten“ handelt, sondern um ein im Rahmen der Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben erstelltes Sachverständigengutachten, das auch die Entscheidungsgrundlage für das Gericht sein kann (vgl. BSG, Beschluss vom 12.10.1993, Az.: 13 RJ 71/92). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls dann, wenn der vom Sozialleistungsträger beauftragte Sachverständige weder dem ärztlichen Dienst des Sozialleistungsträgers angehört noch irgendwie sonst die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt (vgl. BSG, Beschluss vom 10.08.1993, Az.: 9/9a BV 185/92). Weitere Ermittlungen von Amts wegen können allenfalls dann angezeigt sein, wenn der Verfahrensbeteiligte gegen das durch den Sozialleistungsträger eingeholte Gutachten nicht unerhebliche Einwendungen vorbringt (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1986, Az.: 5b RJ 80/85). Dies ist hier nicht der Fall; irgendwelche substantiierten Einwendungen hat die Klägerin nicht erhoben. Vielmehr hat sie sich sogar selbst auf dieses Gutachten gestützt, wenn sie aus der vom Sachverständigen als plausibel bezeichneten Bettlägerigkeit für den hier nicht mehr streitgegenständlichen Zeitraum von Februar bis April 2007 eine Pflegezulage nicht nur nach der Stufe I, sondern nach Stufe II ableiten will.

Der Sachverständige Dr. R. ist unter Zugrundelegung der vorliegenden Befunde und insbesondere der Angaben der Klägerin zum Zeitraum nach dem Sturz am 09.02.2007 zu der Einschätzung gekommen, dass lediglich wegen des Sturzes am 09.02.2007 bei der Klägerin vorübergehend für einen Zeitraum von etwa drei Monaten Hilflosigkeit im Sinne von § 35 Abs. BVG vorgelegen hat. Dies hat er darauf gestützt, dass, wie von der Klägerin angegeben, ein Prothesengebrauch wegen Schmerzen am Oberschenkelstumpf nicht möglich und die Benutzung von Unterarmstützen wegen der Schmerzsymptomatik am Körperstamm weitgehend aufgehoben gewesen sei. In dem sich daran anschließenden Zeitraum und im gesamten Jahr 2008 sind keinerlei vergleichbare Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin wie nach dem Sturz vom Februar 2007 nachgewiesen; Dr. R. hat keine weiteren Zeiten einer Hilflosigkeit gesehen. Vielmehr hat der behandelnde Arzt darauf hingewiesen, dass die Klägerin an lediglich drei Tagen im Februar 2008 wegen Stumpfbeschwerden immobil gewesen sei. Ein Zustand, der bei längerem Vorliegen eine Pflegezulage begründen könnte, ist daher nur für drei Tage nachgewiesen, nicht aber für mindestens einen Monat, was Voraussetzung für die Gewährung einer Pflegezulage wäre.

Bestätigt wird die Einschätzung des Senats, dass die Voraussetzungen einer Pflegezulage im Jahr 2008 nicht gegeben sind, durch die in der pflegeversicherungsrechtlichen Angelegenheit der Klägerin eingeholten Gutachten. Sowohl im Gutachten des MDK als auch insbesondere in dem anschließend im sozialgerichtlichen Verfahren am 20.08.2008 erstellten Gutachten des Sachverständigen W. ist darauf hingewiesen worden, dass die (pflegeversicherungsrechtlichen) Voraussetzungen für eine Pflegestufe nicht erfüllt seien. Auch wenn wegen der nicht vollständig deckungsgleichen Voraussetzungen im Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung einerseits und der Kriegsopferversorgung andererseits (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002, Az.: B 9 V 3/01 R) nicht zwingend der Rückschluss von einer bestimmten Pflegestufe auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Pflegezulage gezogen werden kann, so belegen die pflegeversicherungsrechtlichen Gutachten doch eindrucksvoll, dass der bei der Klägerin erforderliche Hilfebedarf bei weitem nicht den für die Gewährung einer Pflegezulage erforderlichen Zeitaufwand von in der Regel zwei Stunden erreicht.

Sofern die Klägerin in dem von ihr ausgefüllten Fragebogen im Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage am 15.10.2007 einen zeitlichen Pflegeaufwand von täglich ca. 3 Stunden beschrieben hat, gibt dies keinen Anlass, an den oben getroffenen Feststellungen zu zweifeln. Denn dem Gutachten des Beklagten ist genauso wie dem im pflegeversicherungsrechtlichen Rechtsstreit vor dem SG Augsburg eingeholten Gutachten überzeugend zu entnehmen, dass die von der Klägerin gemachten Angaben zum zeitlichen Hilfeaufwand deutlich überzogen und in großen Teilen überhaupt nicht nachvollziehbar sind. Diese Einschätzung der Gutachter macht sich der Senat zu eigen. Es liegt für ihn, auch ohne die Hinweise der Sachverständigen, auf der Hand, dass die Angaben der Klägerin zum zeitlichen Hilfeaufwand nicht den tatsächlichen Hilfeaufwand widerspiegeln. Beispielhaft weist der Senat lediglich darauf hin, dass die Klägerin einen täglichen zeitlichen Hilfebedarf von 15 Minuten für Treppensteigen mittags angegeben hat, obwohl in dem von ihr bewohnten Haus (auf Kosten der Versorgungsverwaltung) ein Lift eingebaut worden ist und daher die Benutzung der Treppe nicht erforderlich ist. Auch die Angabe der Klägerin, Baden sei mit einem Zeitaufwand von 35 Minuten anzusetzen, ist nicht nachvollziehbar, da die Klägerin auf der anderen Seite selbst zugestanden hat, dass sie über einen Badewannenlifter nicht verfüge und ohne einen solchen die Benutzung der Badewanne nicht möglich sei.

Eine Pflegezulage steht der Klägerin daher im Jahr 2008 nicht zu.

4. Keine weiteren Ermittlungen

Weitere Ermittlungen im Sinn einer gerichtlichen Begutachtung (nach Aktenlage) waren nicht erforderlich. Das vom Beklagten bei Dr. R. eingeholte Gutachten ist zeitnah im streitgegenständlichen Zeitabschnitt erstellt worden. Der Sachverständige hat sich mit allen Aspekten sehr ausführlich - und auch für die Klägerin durchaus großzügig - befasst und diese nachvollziehbar gewürdigt. Darüber hinaus liegt auch das in einem pflegeversicherungsrechtlichen Rechtsstreit vor dem SG Augsburg eingeholte Pflegegutachten des Sachverständigen W. vor, das ebenfalls im relevanten Zeitraum erstellt worden ist und die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlichen Tatsachen und Bewertungen geliefert hat. Weiterer Ermittlungsbedarf von Amts wegen hat daher nicht bestanden.

Ein Gutachten gemäß § 109 SGG war nicht einzuholen. Die sowohl im Verfahren der ersten Instanz als auch im Berufungsverfahren über lange Zeiträume anwaltlich vertretene Klägerin hat ein solches Gutachten erst zu einem Zeitpunkt beantragt, als ein solcher Antrag bereits längst verspätet war (Schreiben vom 21.09.2015). Denn bereits mit gerichtlichem Schreiben vom 03.02.2015 war der Klägerin mitgeteilt worden, dass die Ermittlungen von Amts wegen abgeschlossen sind. Im Übrigen hat sie auch keinen Arzt namentlich benannt.

5. Hinweise über den Streitgegenstand hinaus

Ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, weist der Senat die Klägerin auf Folgendes hin, wobei die Hinweise lediglich das Ziel verfolgen, einen falschen Eindruck bei der Klägerin zu vermeiden, sie sei lediglich aus formalen Gründen in diesem Rechtsstreit unterlegen:

Die Gewährung einer Pflegezulage im Jahr 2001 (und auch im Jahr 2000) würde in der Sache schon daran scheitern, dass darüber bereits im gerichtlichen Verfahren vor dem SG Augsburg mit dem Aktenzeichen S 11 V 15/01 befunden und insofern eine vergleichsweise Regelung getroffen worden ist, die den Zeitraum bis zum Jahr 2005 abdeckt. Einer rückwirkenden Gewährung einer Pflegezulage würde daher der rechtliche Gesichtspunkt des § 44 Abs. 4 SGB X entgegenstehen. Im Übrigen gäbe es auch keinerlei tatsächlichen Feststellungen, die das Begehren nach einer Pflegezulage in diesem Zeitraum tragen würden. Insbesondere kann die Klägerin nicht aus dem von ihr angeführten Gutachten des Dr. B. vom 21.04.2005 die Voraussetzungen einer Pflegezulage ableiten. Ganz abgesehen davon, dass dieser Gutachter nicht die maßgeblichen Vorgaben für die Feststellung von Hilflosigkeit beachtet hat und das Gutachten insofern nicht ansatzweise nachvollziehbar ist, geht Dr. B. auch nicht von einem zeitlichen Hilfebedarf in einem Umfang aus, wie er für die Gewährung einer Pflegezulage erforderlich wäre.

Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage nach Stufe II - statt Stufe I - für die Monate Februar bis April 2007 erfüllt sind. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Gutachten des Dr. R.. Sofern dieser eine Bettlägerigkeit in diesem Zeitraum als „plausibel“ angesehen hat, hat der Senat überhaupt Zweifel daran, dass die Bettlägerigkeit auch im Sinn des dafür erforderlichen Vollbeweises nachgewiesen ist; denn eine bloße Plausibilität reicht dafür nicht unbedingt aus. Bei seinen Zweifeln stützt sich der Senat auf die eigenen Angaben der Klägerin, die selbst wiederholt nur von einer „teilweisen“ Immobilität berichtet hat (vgl. ihre Schreiben vom 23.04.2007 und 06.06.2007). Ein zeitlicher Hilfebedarf von täglich vier Stunden, wie er nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 30.11.2006, Az.: B 9a V 9/05 R) für eine Pflegezulage der Stufe II erforderlich wäre, ist jedenfalls nicht nachgewiesen; auch die überzogenen (vgl. oben Ziff. 3.) Angaben der Klägerin im Fragebogen des Beklagten stützen einen derartigen Zeitaufwand nicht. Zudem stünde der Gewährung einer Pflegezulage nach einer höheren Stufe als nach Stufe I auch entgegen, dass ein möglicherweise erhöhter Pflege- und Hilfeaufwand nicht auf Entgeltbasis erbracht worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 04.02.1998, Az.: B 9 V 28/96 R, und vom 02.12.2010, Az.: B 9 V 2/10 R; vgl. auch BVGVwV zu § 35, Nr. 4).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es ihm ausgesprochen großzügig erscheint, dass der Beklagte auch für April 2007 eine Pflegezulage gewährt hat. Der Beklagte hat sich bei dieser Leistungserbringung offenbar darauf gestützt, dass der Sachverständige Dr. R. die Angaben der Klägerin zu einer rund dreimonatigen Bettlägerigkeit für „plausibel“ erachtet und daher die Gewährung einer Pflegezulage nach Stufe I für diese drei Monate empfohlen hat. Der Senat hat aber nicht unerhebliche Zweifel daran, dass im April 2007 die Voraussetzungen einer Pflegezulage noch erfüllt gewesen sind. Diese Zweifel stützen sich auf die eigenen Angaben der Klägerin. Denn diese hat selbst in ihrem Schreiben vom 23.04.2007 darauf hingewiesen, dass sie lediglich „im Februar und März 2007 ... teilweise sogar immobil“ gewesen sei. Von einer auch nur (teilweisen) Immobilität im April 2007 war in ihrem zeitnahen Schreiben vom 23.04.2007 keine Rede. Dies liefert einen nicht ungewichtigen Hinweis darauf, dass im April 2007 tatsächlich kein erhöhter Hilfebedarf mehr gegeben war, der eine Pflegezulage rechtfertigen hätte können.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Klägerin ab dem Jahr 2009 - mit Ausnahme des wiederum sturzbedingten vorübergehenden Zeitraums von zwei Monaten im Februar und März 2009 - in ihrem Gesundheitszustand so eingeschränkt gewesen wäre, dass die Voraussetzungen für eine Pflegezulage erfüllt gewesen wären.

Die Klägerin hat daher mit ihrer Berufung nur dahingehend Erfolg, dass der Gerichtsbescheid insofern aufzuheben ist, als vom SG fehlerhaft der Bescheid vom 21.04.2010 in die Entscheidung einbezogen worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Keine Berücksichtigung zugunsten der Klägerin kann dabei finden, dass das SG fälschlicherweise den Bescheid vom 21.04.2010 in seine Entscheidung einbezogen hat, da dies vom Beklagten nicht zu vertreten ist.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. November 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9264 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise, wobei der Kläger die Verfahrensweise des Beschwerdeausschusses für grundsätzlich klärungsbedürftig hält.

2

Der Kläger war seit 1990 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die Abrechnungswerte je Fall lagen bei ihm - bei weit unterdurchschnittlichen Fallzahlen - in den geprüften Quartalen um 61 %, 63 % und 49 % über den Durchschnittswerten der Gruppe der Allgemeinzahnärzte. Der Prüfungsausschuss beließ dem Kläger das 1,4-fache der durchschnittlichen Gesamtfallwerte; die darüber hinausgehenden Beträge reduzierte er mit Rücksicht darauf, dass das Honorar ohnehin aufgrund von Honorarverteilungsbemessungsgrenzen gekappt worden war. Es verblieb eine Honorarkürzung von ca 9260 Euro.

3

Der Kläger erhob Widerspruch. Nach Erhalt der Ladung des beklagten Beschwerdeausschusses zur Sitzung am 8.12.2004 - 13 Uhr - bejahten seine Bevollmächtigten zunächst mit Empfangsbekenntnis vom 17.11.2004 die Teilnahme der Klägerseite. Dann beantragten sie aber die Verlegung des Termins wegen einer bereits langfristig geplanten Verpflichtung des Klägers (Telefax am 23.11.2004). Die Reaktion des Beklagten, dass diese Angabe zum Verhinderungsgrund nicht ausreichend substantiiert sei, um eine Terminverlegung zu rechtfertigen, blieb unbeantwortet. Die bevollmächtigte Rechtsanwältin gab in einem Telefongespräch am Vortag des Sitzungstermins, in dem sie noch um Übersendung der PAR- und ZE-Statistiken bat, ausweislich eines Aktenvermerks der Sachbearbeiterin des Beklagten auf deren Nachfrage nach der Terminwahrnehmung an, der Kläger habe gesundheitliche Probleme und sie - die Bevollmächtigte - werde daher den Termin möglicherweise allein wahrnehmen oder es werde niemand erscheinen. Am selben Tag - mit Telefax vom 7.12.2004, 11:21 Uhr - beantragte sie wiederum die Verlegung des Termins, nunmehr mit der Begründung, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen an der Sitzung nicht teilnehmen könne, aber eine persönliche Anhörung begehre, weswegen auch sie nicht teilnehmen werde. Dem war eine ärztliche Bescheinigung vom 6.12.2004 beigefügt, die von einer allgemeinärztlichen Gemeinschaftspraxis ausgestellt war und dem Kläger attestierte, aus medizinischen Gründen derzeit nicht in der Lage zu sein, sich psychischen Stresssituationen auszusetzen - dies würde sich negativ auf den Verlauf einer Krankheit, deren Diagnostik zur Zeit noch weitergeführt werde, auswirken -; er sei außer Stande, einer aufregenden psychischen Situation adäquat gegenüberzustehen.

4

An der Sitzung des Beklagten am 8.12.2004 nahmen weder der Kläger noch ein Bevollmächtigter teil. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 26.4.2005). Das vom Kläger angerufene SG hat die Klage abgewiesen, unter anderem mit Hinweis darauf, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, am 8.12.2004 in seiner Praxis gearbeitet zu haben (Urteil des SG vom 7.12.2005). Das LSG hat seine Berufung zurückgewiesen (Beschluss des LSG vom 23.11.2009).

5

Das LSG hat in seinem Beschluss auf die Urteilsgründe des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, ein Anspruch auf Terminverlegung bestehe nur bei erheblichen Gründen bzw bei ausreichender Entschuldigung. Der im Falle kurzfristiger Verlegungsanträge erhöhten Darlegungs- und Nachweispflicht trage das vorgelegte Attest nicht ausreichend Rechnung. Praktische Ärzte und Fachärzte für Allgemeinmedizin seien in der Regel nicht qualifiziert, die Verhandlungsfähigkeit fachgerecht zu beurteilen, zumal wenn - wie hier - die psychische Fähigkeit zur Sitzungsteilnahme in anwaltlicher Begleitung bei bestehender Arbeitsfähigkeit als Zahnarzt zu beurteilen sei. Der Beklagte habe nicht fernmündlich ergänzende Informationen bei den Ärzten, die die Verhandlungsunfähigkeit attestiert hätten, einholen müssen. Auch in der Sache sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keine Unterschiede der Struktur seiner Praxis im Vergleich zu einer durchschnittlichen allgemeinzahnärztlichen Praxis dargelegt, die die Kürzung des Honoraranspruchs als rechtswidrig erscheinen lassen könnten.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

7

II. Die Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen. Die von ihm erhobene Rüge grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat keinen Erfolg.

8

Der Senat lässt offen, ob das Vorbringen des Klägers, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entspricht oder ob er nicht Ausführungen dazu hätte machen müssen, inwiefern die von ihm vermisste Vertagung der Verhandlung vor dem Beschwerdeausschuss zu einem anderen inhaltlichen Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung hätte führen können. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, denn nicht alle Erfordernisse für die Revisionszulassung sind erfüllt.

9

Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN ). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage durch die vorliegende Rechtsprechung bereits geklärt ist (siehe zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3 mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (siehe die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f).

10

           

Den vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen,

        

ob praktische Ärzte und Fachärzte für Allgemeinmedizin fachlich qualifiziert sind, die Verhandlungsfähigkeit eines Patienten fachgerecht zu beurteilen, insbesondere, Stellung zur psychischen Fähigkeit zur Teilnahme an einer Sitzung des Beschwerdeausschusses zu nehmen,
und,
ob ein Ausschuss bei Vorliegen eines ärztlichen Attestes weitere Nachforschungen zur Verhandlungsunfähigkeit einer Prozesspartei anzustellen hat, soweit es die Darlegungen des Arztes für nicht ausreichend hält,

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die meisten für den Fall des Klägers einschlägigen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt (unten 1.). Soweit noch keine Klärung erfolgt ist, ist das für den Fall des Klägers irrelevant (unten 2.).

11

1. Höchstrichterliche Entscheidungen haben die zentralen Fragen im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Verlegung eines Verhandlungstermins bereits geklärt:

12

Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht bzw das Entscheidungsgremium ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw Reiseunfähigkeit besteht (vgl BFH vom 1.4.2009, ZSteu 2009, R674 = Juris RdNr 5 iVm 7 mwN; BFH vom 27.1.2010 - VIII B 221/09 - Juris RdNr 5 iVm 7; siehe auch BFH vom 7.4.2004, BFH/NV 2004, 1282, 1283 f = Juris RdNr 17; BFH vom 5.7.2004, BFH/NV 2005, 64, 66 = Juris RdNr 12; BFH vom 10.4.2006, BFH/NV 2006, 1332, 1333 f = Juris RdNr 17 iVm 20; BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 3). Dies erfordert, dass das Gericht bzw das Gremium aus der Bescheinigung Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann (vgl BFH vom 5.7.2004, BFH/NV 2005, 64, 66 = Juris RdNr 12; siehe auch BFH vom 10.4.2006, BFH/NV 2006, 1332, 1333 f = Juris RdNr 17 iVm 21; BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 3; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 4). Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 7; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 6).

13

Ist diesen Anforderungen nicht Genüge getan, so ist die Reise- bzw Verhandlungsunfähigkeit nicht dargetan. Im Falle eines erst kurz vor dem Termin gestellten Verlegungsantrags ist das Gericht bzw das Gremium weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern, noch, selbst Nachforschungen anzustellen zB durch Nachfrage bei dem Betroffenen und/oder bei dem Arzt, der die Bescheinigung ausstellte (vgl BFH vom 1.4.2009, ZSteu 2009, R674 = Juris RdNr 6; siehe auch BFH vom 7.4.2004, BFH/NV 2004, 1282, 1283 f = Juris RdNr 17; BFH vom 5.7.2004, BFH/NV 2005, 64, 66 = Juris RdNr 13; aA - vereinzelt in jeweils besonderen Fallgestaltungen - zB LSG Berlin vom 10.6.2004 - L 3 B 14/04 U - Juris RdNr 11, möglicherweise im Falle eines anwaltlich nicht vertretenen Klägers; aA ebenso zur Sonderkonstellation eines Rechtsstreits wegen der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer BVerwG vom 8.11.1989 - 6 C 42/87 - NVwZ-RR 1990, 257 = Juris RdNr 16). Nur, wenn der Verlegungsantrag früher gestellt worden wäre, wäre das Gericht bzw das Gremium zu einem Hinweis oder zur Aufforderung an den Betroffenen, seinen Vortrag zu ergänzen, oder zu eigenen Nachforschungen verpflichtet (vgl hierzu zB BFH vom 19.8.2003, DStRE 2004, 540, 541 = Juris RdNr 21 iVm 25). Dies würde weiterhin dann gelten, wenn der Betroffene nicht anwaltlich vertreten ist (zu solchen Fällen siehe zB BSG vom 28.4.1999, USK 99111 S 650 f = Juris RdNr 17 iVm 18; BSG vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 17; BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 9/09 B - Juris RdNr 5; ebenso BFH vom 19.8.2003, DStRE 2004, 540, 541 = Juris RdNr 21 iVm 25). Eine solche Fallkonstellation liegt hier indessen nicht vor, weil der Kläger im Verfahren vor dem Beklagten anwaltlich vertreten war.

14

Diese höchstrichterlich geklärten Grundsätze stellen eine abgesicherte Grundlage dafür dar, dass das LSG hat entscheiden können, dass der Beklagte den Antrag des Klägers, der die Terminverlegung wegen angeblicher Verhandlungsunfähigkeit erst 26 Stunden vor dem Beginn der Sitzung beantragt hatte, ablehnen durfte und nicht zuvor noch nähere Nachforschungen - sei es bei dem Kläger, sei es bei den Ärzten, die die Bescheinigung ausgestellt hatten - hätte anstellen müssen.

15

2. Ein weiterer Aspekt, der noch grundsätzlicher Klärung bedürfen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere bedarf es nicht mehr der Klärung der vom Kläger aufgeführten Rechtsfrage, ob praktische Ärzte und Fachärzte für Allgemeinmedizin fachlich qualifiziert sind, die Verhandlungsfähigkeit eines Patienten hinreichend zu beurteilen und insbesondere Stellung zur psychischen Fähigkeit zur Teilnahme an einer Sitzung des Beschwerdeausschusses zu nehmen (vgl dazu, dass die lediglich pauschale Angabe von Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt für Allgemeinmedizin nicht ausreicht: BFH vom 10.10.2001, BFH/NV 2002, 365, 366 = Juris RdNr 16 am Ende). Denn auf diese Frage kommt es nicht an, sodass es insoweit an der Entscheidungserheblichkeit und damit an der sog Klärungsfähigkeit fehlt.

16

Die vorliegend eingereichte ärztliche Bescheinigung wäre nämlich selbst dann unzureichend, wenn ein Facharzt sie ausgestellt hätte. Denn wenn ein Beteiligter anwaltlich vertreten ist und die Terminverlegung erst einen Tag vor der Sitzung beantragt, muss er nach den oben dargestellten Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung eine substantiierte ärztliche Bescheinigung vorlegen, aus der sich Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung in einer Weise entnehmen lassen, dass das Gericht bzw das Gremium auf ihrer Grundlage die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Diesen Anforderungen genügte die vom Kläger eingereichte ärztliche Bescheinigung erkennbar nicht. Dementsprechend durfte das LSG die geltend gemachte Verhandlungsunfähigkeit als nicht hinreichend glaubhaft gemacht ansehen.

17

Zweifel an der Glaubhaftigkeit der angeblichen krankheitsbedingten Verhinderung des Klägers drängten sich zusätzlich angesichts des wiederholt wechselnden Vortrags auf: Die Bevollmächtigten des Klägers hatten zunächst mit Empfangsbekenntnis vom 17.11.2004 eine Teilnahme an der Sitzung am 8.12.2004 angekündigt, dann aber die Verlegung des Termins unter Berufung auf eine bereits langfristig geplante Verpflichtung des Klägers beantragt, dies allerdings trotz der Beanstandung des Beklagten nicht näher substantiiert, und schließlich hatte der Kläger an dem Sitzungstag in seiner Zahnarztpraxis gearbeitet.

18

3. Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen besonderen Umstände liegt im Übrigen eine so deutliche Prägung durch den konkreten Fall vor, dass etwaige grundsätzliche Rechtsfragen überlagert wären und deshalb keine Aussicht auf eine grundsätzliche Klärung "über den Einzelfall hinaus" bestünde (vgl hierzu zB BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11; BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 39 f).

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten Beigeladener ist nicht veranlasst, weil sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16).

20

Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt entsprechend den im Berufungsurteil zugrunde gelegten Honorarkürzungsbeträgen, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden sind (vgl LSG-Beschluss S 3, aber ohne die vom LSG aaO S 13 vorgenommene Halbierung; hiergegen siehe BSG vom 23.2.2005 - B 6 KA 72/03 R - Juris RdNr 33 = Die Leistungen - Beilage Rechtsprechung - 2006, 273, 284, und Wenner/Bernard, NZS 2001, 57, 64; 2003, 568, 572; 2006, 1, 7).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. September 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin Z., G., beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Streitig sind die Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum von November 2005 bis April 2006.

2

Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seinem Sohn für den streitigen Zeitraum anstelle der geltend gemachten tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 652,85 Euro, KdU in Höhe von 372 Euro. Mit seiner Berufung hat sich der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 29.10.2010 gewandt, das davon ausgegangen ist, dass er tatsächlich keinen Mietzinsforderungen ausgesetzt war. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bat der Berichterstatter um Mitteilung zu den Einzelheiten einer Eigentumsübertragung (Schreiben vom 19.9.2013). Mit Fax vom 24.9.2013 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Verhandlungstermin am 25.9.2013 wahrzunehmen. Diesen Antrag hat des LSG mit Fax vom gleichen Tag abgelehnt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 25.9.2013).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde des Klägers, für deren Durchführung er die Bewilligung von PKH begehrt. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil dem Antrag seiner Bevollmächtigten auf Vertagung nicht stattgegeben worden sei. Das Berufungsgericht habe nicht verlangt, dass deren gesundheitsbedingte Verhinderung glaubhaft gemacht werde. Eine Entscheidung ohne seine Anhörung habe nicht ergehen dürfen, zumal noch sechs Tage vor dem mündlichen Verhandlungstermin mit Verfügung vom 19.9.2013 um Mitteilung der näheren Umstände zu einer Eigentumsübertragung gebeten worden sei. Aufgrund der kurzen Zeitspanne bis zum mündlichen Verhandlungstermin habe er diese Anfrage nicht mehr schriftlich, sondern hätte diese erst im Termin beantworten können. Die angefochtene Entscheidung könne hierauf beruhen.

4

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil der als Zulassungsgrund geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

5

Die Prozessbevollmächtigte hat den Terminsverlegungsantrag hier erst am 24.9.2013 gestellt und ihre Erkrankung weder durch Attest nachgewiesen noch weitere Erläuterungen gegeben oder Nachweise angeboten. Gleiches gilt für den (wiederholten) Verlegungsantrag vom 25.9.2013. Wird eine Terminverlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 mwN; BSG Beschluss vom 3.7.2013 - B 12 R 38/12 B -, Juris RdNr 12). Bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (sa BFH vom 9.11.2009, BFH/NV 2010, 230, 231 = Juris RdNr 7; BFH vom 26.11.2009, BFH/NV 2010, 907, 908 = Juris RdNr 6).

6

Jedenfalls - wie hier - bei einem anwaltlich vertretenen Kläger ist das Gericht bei einem erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungs- bzw Verlegungsantrags im Regelfall weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 RdNr 12 f mwN). Nach den Gesamtumständen lagen hier keine Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise gegebene Nachfragepflicht des LSG vor. Das Berufungsgericht hat unverzüglich auf den Verlegungsantrag der Bevollmächtigten reagiert und durch Faxmitteilung vom 24.9.2013 klar erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass es dem Verlegungsantrag in der gestellten Form nicht stattgeben werde. Vor diesem Hintergrund hätte diese erkennen können und müssen, dass eine ggf kurzfristig eingetretene Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachzuweisen ist.

7

Die Bewilligung von PKH war abzulehnen, weil die Beschwerde aus den zuvor dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.