"Erbschaft gemäß dem Berliner Testament mit Wiederverheiratungsklausel..."
Die Formulierung Erbeinsetzung/Erbschaft gemäß dem Berliner Testament mit Wiederverheiratungsklausel ist aufgrund der vielzähligen Gestaltungsmöglichkeiten bei einem Berliner Testament (Einheits- oder Trennungslösung) und der Wiederverheiratungsklausel zu allgemein und führt daher nicht zu einer wirksamen testamentarischen Erbeinsetzung mit der Folge, dass die gesetzliche Erbfolge greift.
Das war geschehen:
Ein Erblasser in zweiter Ehe verheiratet mit zwei Kindern aus erster Ehe errichtete ein (Einzel)Testament mit folgendem Wortlaut:
„Mein Testament Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem „Berliner Testament“ erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel. [Datum, Unterschrift]“
Nach dem Tod des Erblassers gab es im Rahmen des Erbscheinverfahrens Streit darüber, ob die Ehefrau des Erblassers aufgrund des (Einzel)Testaments Alleinerbin geworden war.
Die Ehefrau hatte beim zuständigen Nachlassgericht einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Hiergegen wehrten sich die Kinder des Erblassers aus erster Ehe mit dem Argument, dass das Testament ihres Vaters keine Erbeinsetzung beinhalte und damit die gesetzliche Erbfolge greife,d.h. die Ehefrau zu ½ und die beiden Kinder je zu ¼ Erben geworden sind – was sich dementsprechend dann auch im Erbschein widerzuspiegeln hat.
Das Oberlandesgericht, welches sich mit der Beschwerde gegen den zurückgewiesenen Erbscheinantrag der vermeintlichen Alleinerbin (Ehefrau) durch das Nachlassgericht auseinander zu setzen hatte, gab den Kindern des Erblassers Recht.
Gründe:
Nach Auffassung des Gerichts lässt sich dem Testament des Erblassers keine ausdrückliche Regelung entnehmen, dass seine Ehefrau ihn allein beerben soll.
Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Regelung, ist zu prüfen, ob sich ein derartiger Wille des Erblassers im Wege der Auslegung des Testaments entnehmen lässt.
Die Auslegung letztwilliger Verfügungen zählt zu den schwierigsten Aufgaben in der Juristerei, da es nicht auf den Verständnishorizont eines verständigen Dritten ankommt, sondern auf das Verständnis des Erblassers selbst.
Bei der Auslegung von Testamenten ist grundsätzlich der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, d.h. was wollte der Erblasser mit seinen Worten sagen?
Dabei darf sich der Richter nicht nur auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können.
Erst wenn sich der Richter trotz Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen kann, muss er sich notfalls mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht.
Diesem Testament lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht entnehmen, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Er wollte nach dem Wortlaut seines Testaments zwar, dass sich die Erbfolge nach dem Berliner Testament richtet und auch eine Wiederverheiratungsklausel gelten soll.
Was er (inhaltlich) unter einem „Berliner Testament“ verstand, erschließt sich aus diesem Text nach Auffassung des Gerichts nicht, da dem Testament weder entnommen werden kann, dass er seine Ehefrau zu seiner Alleinerbin einsetzen wollte, noch wer ihn wie (d.h. als Alleinerbe, Vorerbe, Miterbe, Schlusserbe oder Nacherbe) beerben sollte und was im Fall der Wiederverheiratung eintreten soll.
Das Berliner Testament als ein gemeinschaftliches Ehegattentestament dürfte bei Laien in der Form der sog. Einheitslösung bekannt sein. Danach setzen sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben (Vollerben) ein und bestimmten gemeinsam, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an den oder die gemeinsam bestimmten Schlusserben fallen soll, was in der Regel die Kinder sind.
Damit wäre zwar die Ehefrau Alleinerbin des Erblassers und seine Kinder die Schlusserben. Insofern könnte im Wege der Auslegung der mutmaßliche Wille des Erblassers ansetzbar erkennbar sein. Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass es sich nicht um ehegemeinschaftliche Kinder handelte, sondern um Kinder aus erster Ehe (Patchwork-Familie). Es käme also auch eine Erbeinsetzung des Berliner Testaments nach der Trennungslösung in Betracht. Aber ob der Erblasser diese juristischen Feinheiten kannte...???
Es ist weder andeutungsweise, noch versteckt erkennbar, welchen Inhalt das Berliner Testament nach der Vorstellung des Erblassers haben soll.
Erschwerend kommt in diesem Fall ferner hinzu, dass der Erblasser offensichtlich nicht wusste, dass ein „Berliner Testament“ nicht als Einzeltestament errichtet werden kann, sondern nur als gemeinschaftliches Testament. Da es auch mehrere Varianten bei der Wiederverheiratungsklausel gibt, ist es auch hier schwierig nachzuvollziehen, was der Erblasser wollte.
Alles in allem ist der Wortlaut des Testaments zu ungenau für die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten des Berliner Testaments und damit auch für eine hinreichende Erbeinsetzung.
Eine vorsorgende Rechtsgestaltung kann Konflikte vermeiden!
Diese Entscheidung zeigt sehr anschaulich, dass die Testamentsgestaltung eine Menge Schwierigkeiten bereiten kann und Fallstricke in sich birgt, die ein Laie so nicht kennt bzw. erkennt, so dass ein fachlicher Rat vor dem Verfassen seines letzten Willens häufig ratsam ist.
Quelle: Beschluss des Oberlandesgericht Hamm vom 22.07.2014, Az.: 15 W 98/14
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Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 1) auferlegt einschließlich etwa entstandener außergerichtlicher Kosten der Beteiligten zu 2) und 3) im Beschwerdeverfahren.
Der Geschäftswert wird auf 100.000 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 1) in zweiter Ehe verheiratet. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Kinder aus erster Ehe, die geschieden worden ist.
4Am 28.08.2012 errichtete der Erblasser ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament, das folgenden Wortlaut hat:
5„Mein Testament
6Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem „Berliner Testament“ erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel.“
7Die Beteiligte zu 1) meint, ihr verstorbener Ehemann habe sie damit zur Alleinerbin bestimmt. Sie hat daher beantragt, ihr zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs einen Erbschein auszustellen, der sie als Alleinerbin ausweist. Der Nachlass bestehe im Wesentlichen aus dem bebauten Grundstück in N, das dem Erblasser allein gehört habe.
8Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten. Sie vertreten die Auffassung, das Testament enthalte keinen hinsichtlich der Erbfolge auslegungsfähigen Inhalt, und haben einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, nach dem sie aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu je ¼ Anteil und die Beteiligte zu 1) zu ½ Anteil Erben des Erblassers seien.
9Mit Beschluss vom 09.01.2014 hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 16.01.2014 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 12.02.2014 bei dem Amtsgericht eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 1), der das Nachlassgericht durch Beschluss vom 20.02.2014 nicht abgeholfen hat.
10II.
11Die Beschwerde ist nach § 58 FamFG statthaft und in der rechten Form und Frist eingelegt, §§ 63, 64 FamFG. Die Beteiligte zu 1) ist nach § 59 FamFG beschwerdebefugt. Der Beschwerdewert ist erreicht, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt, § 61 Abs. 1 FamFG.
12In der Sache ist die Beschwerde unbegründet, weil das Amtsgericht zutreffend den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen hat. Denn das vom Erblasser hinterlassene Testament enthält weder ausdrücklich eine Berufung der Beteiligten zu 1) als Alleinerbin noch kann diese der letztwilligen Verfügung im Wege der Auslegung entnommen werden.
13Bei der Auslegung eines jeden Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB), selbst in den - seltenen - Fällen „klaren und eindeutigen“ Wortlauts ist der Auslegung eines Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt. Dabei darf sich der Richter nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu „hinterfragen“. Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Richter gerade die Bedeutung auffinden und ihr die rechtliche Wirkung zukommen lassen, die der Erklärende seiner Willenserklärung „wirklich“ beilegen wollte (BGH NJW 1993, 256; Senat in ständiger Rechtsprechung, z.B. FamRZ 2012, 1091). Demgemäß hat der BGH wiederholt ausgesprochen, dass der Richter auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden ist, wenn der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 86, 41).
14Der Erblasserwille ist als sogenannte innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich und geht, wenn er feststeht und formgerecht erklärt ist, jeder anderen Interpretation vor (BGHZ 86, 41). Kann der Richter sich aber trotz Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen, dann muss er sich - wiederum unter Auswertung von Wortlaut und allen Umständen - notfalls mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht. Von diesem durch Wortlaut und Umständen nahegelegten Verständnis darf er nur dann abgehen, wenn weitere Umstände mit mindestens annähernd gleich großem Gewicht für ein Verständnis in einem anderen Sinne dargetan und bewiesen sind (vgl. zu allem BGH NJW 1993, 256; Senat ZErb 2014, 167).
15Vorliegend lässt sich nicht feststellen, was der Erblasser mit den von ihm gewählten Worten sagen wollte. Nach dem Wortlaut seines Testaments - „Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem „Berliner Testament“ erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel“ - hat der Erblasser nur einen Wunsch ausgedrückt, nämlich den, dass sich die Erbfolge nach dem Berliner Testament richten und auch eine Wiederverheiratungsklausel gelten soll. Was er unter einem „Berliner Testament“ verstand, erschließt sich aus diesem Text nicht, insbesondere kann ihm nicht entnommen werden, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1) zu seiner Alleinerbin einsetzen wollte. Da er offensichtlich nicht wusste, dass ein „Berliner Testament“ nicht als Einzeltestament errichtet werden kann, sondern nur als gemeinschaftliches Testament, das abzuschließen Eheleuten nach § 2269 BGB vorbehalten ist, kann nicht festgestellt werden, welche Vorstellungener inhaltlich mit einem „Berliner Testament“ verband, zumal er nicht andeutungsweise im Testament geschrieben hat, wer ihn beerben sollte, geschweige denn, ob als Alleinerbe, Vorerbe, Miterbe, Schlusserbe oder Nacherbe, und was geschehen soll, wenn der Fall der Wiedeverheiratung eintritt. Nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1) soll er u.a. gegenüber der als Zeugin benannten Frau T gesagt haben, „alles im Sinn seiner Ehefrau und künftigen Witwe geregelt zu haben“. Auch diese Aussage, deren Richtigkeit unterstellt werden kann, bietet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass dem Erblasser klar war, dass ein Berliner Testament den Inhalt hat, dass sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Erblasser den juristischen Begriff „Wiederverheiratungsklausel“ verwandt hat. Denn auch insoweit ist nicht klar, was der Erblasser hierunter verstanden hat, zumal er nur den Begriff benutzt hat, ohne auch nur andeutungsweise zu bestimmen, welchen Inhalt die Klausel haben soll.
16Da ein Wille des Erblassers, seine Ehefrau als Alleinerbin einzusetzen, in dem Testament auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist und auch sonst nicht festgestellt werden kann, welchen Inhalt ein „Berliner Testament“ und eine Wiederverheiratungsklausel nach seiner Vorstellung hat, kann dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) nicht stattgegeben werden.
17Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 84 FamFG. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, von dem gesetzlichen Regelfall der Erstattungspflicht des unterlegenen Rechtsmittelführers abzusehen.
18Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61, 40 Abs. 1 GNotKG. Für den gemäß § 40 Abs. 1 GNotKG zu bestimmenden Geschäftswert der Beschwerde ist die Bedeutung des Rechtsmittels für die Beschwerdeführerin maßgebend. Diese erstrebt eine alleinige Erbenstellung. Da sie nach der gesetzlichen Regelung Miterbin zu ½ Anteil ist, beträgt der Wert der Beschwerde ½ des Nachlasswertes. Auf der Grundlage der Angaben der Beteiligten zu dem zu berücksichtigenden Immobilienwert schätzt der Senat den Wert ihres Interesses auf 100.000 €.
19Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.