"Erbschaft gemäß dem Berliner Testament mit Wiederverheiratungsklausel..."

bei uns veröffentlicht am24.09.2014

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwältin

Sandra Ruppin

Zusammenfassung des Autors
​Die Formulierung Erbeinsetzung/Erbschaft gemäß dem Berliner Testament mit Wiederverheiratungsklausel ist aufgrund der vielzähligen Gestaltungsmöglichkeiten bei einem Berliner Testament (Einheits- oder Trennungslösung) und der Wiederverheiratungsklausel z

Die Formulierung Erbeinsetzung/Erbschaft gemäß dem Berliner Testament mit Wiederverheiratungsklausel ist aufgrund der vielzähligen  Gestaltungsmöglichkeiten bei einem Berliner Testament (Einheits- oder Trennungslösung) und der Wiederverheiratungsklausel zu allgemein und führt daher nicht zu einer wirksamen testamentarischen Erbeinsetzung mit der Folge, dass die gesetzliche Erbfolge greift.

Das war geschehen:

Ein Erblasser in zweiter Ehe verheiratet mit zwei Kindern aus erster Ehe errichtete ein (Einzel)Testament mit folgendem Wortlaut:

„Mein Testament Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem „Berliner Testament“ erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel. [Datum, Unterschrift]“

Nach dem Tod des Erblassers gab es im Rahmen des Erbscheinverfahrens Streit darüber, ob die Ehefrau des Erblassers aufgrund des (Einzel)Testaments Alleinerbin geworden war.

Die Ehefrau hatte beim zuständigen Nachlassgericht einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Hiergegen wehrten sich die Kinder des Erblassers aus erster Ehe mit dem Argument, dass das Testament ihres Vaters keine Erbeinsetzung beinhalte und damit die gesetzliche Erbfolge greife,d.h. die Ehefrau zu ½ und die beiden Kinder je zu ¼ Erben geworden sind – was sich dementsprechend dann auch im Erbschein widerzuspiegeln hat.

Das Oberlandesgericht, welches sich mit der Beschwerde gegen den zurückgewiesenen Erbscheinantrag der vermeintlichen Alleinerbin (Ehefrau) durch das Nachlassgericht auseinander zu setzen hatte, gab den Kindern des Erblassers Recht.

Gründe:

Nach Auffassung des Gerichts lässt sich dem Testament des Erblassers keine ausdrückliche Regelung entnehmen, dass seine Ehefrau ihn allein beerben soll.

Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Regelung, ist zu prüfen, ob sich ein derartiger Wille des Erblassers im Wege der Auslegung des Testaments entnehmen lässt.

Die Auslegung letztwilliger Verfügungen zählt zu den schwierigsten Aufgaben in der Juristerei, da es nicht auf den Verständnishorizont eines verständigen Dritten ankommt, sondern auf das Verständnis des Erblassers selbst.

Bei der Auslegung von Testamenten ist grundsätzlich der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, d.h. was wollte der Erblasser mit seinen Worten sagen?

Dabei darf sich der Richter nicht nur auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können.

Erst wenn sich der Richter trotz Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen kann, muss er sich notfalls mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht.

Diesem Testament lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht entnehmen, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte.   Er wollte nach dem Wortlaut seines Testaments zwar, dass sich die Erbfolge nach dem Berliner Testament richtet und auch eine Wiederverheiratungsklausel gelten soll.

Was er (inhaltlich) unter einem „Berliner Testament“ verstand, erschließt sich aus diesem Text nach Auffassung des Gerichts nicht, da dem Testament weder entnommen werden kann, dass er seine Ehefrau zu seiner Alleinerbin einsetzen wollte, noch wer ihn wie (d.h. als Alleinerbe, Vorerbe, Miterbe, Schlusserbe oder Nacherbe) beerben sollte und was im Fall der Wiederverheiratung eintreten soll.

Das Berliner Testament als ein gemeinschaftliches Ehegattentestament dürfte bei Laien in der Form der sog. Einheitslösung bekannt sein. Danach setzen sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben (Vollerben) ein und bestimmten gemeinsam, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an den oder die gemeinsam bestimmten Schlusserben fallen soll, was in der Regel die Kinder sind.

Damit wäre zwar die Ehefrau Alleinerbin des Erblassers und seine Kinder die Schlusserben. Insofern könnte im Wege der Auslegung der mutmaßliche Wille des Erblassers ansetzbar erkennbar sein. Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass es sich nicht um ehegemeinschaftliche Kinder handelte, sondern um Kinder aus erster Ehe (Patchwork-Familie). Es käme also auch eine Erbeinsetzung des Berliner Testaments nach der Trennungslösung in Betracht. Aber ob der Erblasser diese juristischen Feinheiten kannte...???

Es ist weder andeutungsweise, noch versteckt erkennbar, welchen Inhalt das Berliner Testament nach der Vorstellung des Erblassers haben soll.

Erschwerend kommt in diesem Fall ferner hinzu, dass der Erblasser offensichtlich nicht wusste, dass ein „Berliner Testament“ nicht als Einzeltestament errichtet werden kann, sondern nur als gemeinschaftliches Testament. Da es auch mehrere Varianten bei der Wiederverheiratungsklausel gibt, ist es auch hier schwierig nachzuvollziehen, was der Erblasser wollte.

Alles in allem ist der Wortlaut des Testaments zu ungenau für die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten des Berliner Testaments und damit auch für eine hinreichende Erbeinsetzung.

Eine vorsorgende Rechtsgestaltung kann Konflikte vermeiden!

Diese Entscheidung zeigt sehr anschaulich, dass die Testamentsgestaltung eine Menge Schwierigkeiten bereiten kann und Fallstricke in sich birgt, die ein Laie so nicht kennt bzw. erkennt, so dass ein fachlicher Rat vor dem Verfassen seines letzten Willens häufig ratsam ist.

Quelle: Beschluss des Oberlandesgericht Hamm vom 22.07.2014, Az.: 15 W 98/14

 

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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 22. Juli 2014 - 15 W 98/14

bei uns veröffentlicht am 22.07.2014

Tenor Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 1) auferlegt einschließlich etwa entstandener außergerichtlicher Kosten der Beteiligten zu 2) und 3) im Beschwerdeverfahren. Der Geschäftswert wi

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Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 1) auferlegt einschließlich etwa entstandener außergerichtlicher Kosten der Beteiligten zu 2) und 3) im Beschwerdeverfahren.

Der Geschäftswert wird auf 100.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.


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