Testierunfähig ab mittelschwerer Demenz vom Typ Alzheimer

published on 06/02/2014 14:22
Testierunfähig ab mittelschwerer Demenz vom Typ Alzheimer
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Sandra Ruppin

"Was Du heute kannst besorgen, dass verschiebe nicht auf morgen!"

Das Sprichwort wird zur bitteren Realität, wenn man sich plötzlich nicht mehr erinnern kann, was man eigentlich auf morgen verschieben wollte.  

Es ist leider eine traurige Tatsache, dass mit zunehmendem Alter die Gedächtnisleistung nachlässt. Es fängt mit Kleinigkeiten an. Je älter man wird, desto müder wird scheinbar das Namensgedächtnis. War einem bis vor kurzem noch der Name der Schwiegertochter der Nachbarin oder von ehemaligen Schulfreunden eingefallen, so braucht es nunmehr einer angestrengten Konzentration. Auch kann es durchaus geschehen, dass Kleinigkeiten wie der Haustürschlüssel verlegt werden.   

Solche Missgeschicke passieren, man ist ja schließlich keine Zwanzig mehr und nimmt diese ersten Anzeichen an Vergesslichkeit in der Regel auch nicht sonderlich ernst.  

In zunehmendem Maße kann in diesen ersten Anzeichen der Vergesslichkeit allerdings auch der Beginn eines demenziellen Syndroms liegen.   

Geistige Schwächen oder eine unregelmäßige Nahrungsaufnahme können erste Anzeichen für eine Demenzerkrankung des Alzheimertypus sein.   

Die Demenz schleicht vielschichtig in das Leben der Betroffenen. 

Das typische Krankheitsbild der Demenz wird durch einen Ausfall von verschiedenen Fähigkeiten geprägt. Je nach Schwere kommt es im Verlauf der Krankheit zu kognitiven Störungen, Wahrnehmungsstörungen, Gedächtnisstörungen, emotionalen Störungen, Störungen bei der Entscheidungsfähigkeit, sowie zum Verlust der Fähigkeit zu vernünftigen Erwägungen.   

Anzeichen hierfür zeigen sich beispielsweise in sinnlosen Käufen oder unsinnigen Bestellungen, Teilnahme an Lotterien und Gewinnspielen, Konzentrationsschwäche bei Gesprächen durch eine gewisse Abwesenheit oder sprunghafte Gedankengänge.   

In rechtlicher Hinsicht bedeutet die Erkrankung an einer mittelschweren bis schweren Demenz, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist die Bedeutung und Tragweite seiner Handlungen und  Entscheidungen zu erfassen. In den meisten Fällen steht der Betroffene zu dieser Zeit bereits unter rechtlicher Betreuung oder hat einen Vorsorgebevollmächtigten, der in seinem Interesse seine Angelegenheiten erledigt - jedoch nur solche Angelegenheiten, wo auch eine Vertretung zulässig ist, es sich also nicht um höchstpersönliche wie z.B. die Heirat oder das eigenhändige Testament handelt.

Wer nicht mehr in der Lage ist die Bedeutung und Tragweite seiner Handlungen und Entscheidungen zu erfassen, kann auch nicht wirksam ein eigenhändiges Testament verfassen. Wurde dennoch ein eigenhändiges Testament  errichet, kann die Wirksamkeit des Testaments von "übergangenen" Erben angefochten werden.  

Wie lässt sich die Testierunfähigkeit (im Streitfall) beweisen?

Mittels einer sachverständlichen Begutachtung unter Auswertung von ärztlichen Berichten hat sich der Sachverständige mit der Frage auseinanderzusetzen, an welcher Form der Demenz und in welchem Schweregrad ein Erblasser leidet. Diese Feststellung ist für die Testierfähigkeit sehr wichtig. Wenn ein Erblasser nämlich nicht an einer mittelschweren bis schweren vaskulären Demenz sondern „nur“ an einer Mischform aus vaskulärer und rein metabolisch bedingter Alzheimer-Demenz leidet, ist es möglich, dass er in einer besonders guten Verfassung ein Testament wirksam errichtet kann.

Vaskuläre Demenz?

Bei dieser Demenzerkrankung sterben infolge von Durchblutungsstörungen die Nervenzellen im Gehirn ab. Je größer die Durchblutungsstörungen, desto ausgeprägter das Demenzleiden.

metabolisch bedingte Alzheimer-Demenz?

Diese Demenzerkrankung tritt nach Studien häufig bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z.B. durch Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes oder Stoffwechselstörungen auf. Diese Risikofaktoren lassen sich behandeln, so dass hierdurch dem geistigen Abbau entgegengewirkt werden kann. 

Wie lässt sich der Schweregrad der Demenzerkrankung ermitteln?

Zur Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen einer leichten, mittelschweren oder schweren Demenz, bedarf es einer Gesamtschau der krankheitsbedingten Ausfallerscheinungen. Also der Beurteilung der Gedächtnisleistungen, der kognitiven Leistungen, der Fähigkeit zu vernünftigen Erwägungen. Daneben ist gerade im Hinblick auf die Fähigkeit seinen letzten Willen niederzuschreiben die  Formbarkeit, d.h. Beeinflussbarkeit durch Dritte, ein ganz wesentlicher Aspekt bei der Beurteilung der Testierfähigkeit.   

Eine mittelschwere Demenz vom Alzheimertypus wird den "krankhaften Störungen der Geistestätigkeit" im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB zugeordnet.

Eine Person, die an Altersdemenz mittleren Grades mit Phasen der Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit leidet, kann nicht wirksam ein Testament errichten, weil bei einer mittelschweren bis schweren Demenz angenommen wird, dass: 

  • bei diesem Grad des Gedächtnisverlustes bzw. der Beeinträchtigung der intellektuellen, (kognitiven) Fähigkeiten davon auszugehen ist, dass der Betreffende nicht mehr uneingeschränkt in der Lage ist, eine Entscheidung hinsichtlich des Inhalts seines Testaments zu bilden,
  • er aufgrund der intellektuellen (kognitiven) Beeinträchtigungen nur noch eingeschränkt in der Lage ist, die Tragweite der letzten Verfügung zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Betroffenen zu berücksichtigen und 
  • er aufgrund seiner intellektuellen (kognitiven) Beeinträchtigungen auf fremde Hilfe angewiesen ist und somit in seinem Urteil nicht mehr frei von Einflüssen interessierter Dritter ist.

Es bedarf dieser Anforderungen an die Testierfähigkeit, weil der Erblasser in der Lage sein muss sich ein klares Bild über die Bedeutung und die Tragweite seines letzten Willens zu machen und das ohne eine Beeinflussung durch Dritte. 

Quelle: Oberlandesgericht München, Urteil vom 17.07.2013, Az.: 3 U 4789/09

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(1) Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.

(3) (weggefallen)

(4) Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.