Pflichtteil - alles was Vererber, Erben und Enterbte wissen müssen

erstmalig veröffentlicht: 07.01.2022, letzte Fassung: 19.10.2022

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Autoren

Rechtsanwalt

Bernfried Rose

Wird ein naher Angehöriger durch Testament ganz oder teilweise enterbt, können Pflichtteilsansprüche entstehen. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und kann vom Erben als Geldbetrag gefordert werden. Der Erbe muss dabei umfassend über den Nachlass und dessen Wert Auskunft geben und auch zu Lebzeiten verschenktes Vermögen kann noch für den Pflichtteil relevant werden.

Was ist der Pflichtteil vom Erbe?

Wird ein pflichtteilsberechtigter gesetzliche Erbe durch eine letztwillige Verfügung, also durch ein Testament oder einen Erbvertrag, vollständig oder zum Teil enterbt, steht ihm der Pflichtteil zu. Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen den oder die Erben und ist auf eine Geldzahlung gerichtet. Der Pflichtteil ist zwar eine Mindestteilhabe an der Erbschaft, der Pflichtteilsberechtigte wird aber nicht etwa Bestandteil der Erbengemeinschaft.

Welche Angehörigen haben im Falle der Enterbung Pflichtteilsansprüche?

Pflichtteilsberechtigt sind nur bestimmte gesetzliche Erben. Hierzu zählen vor allem Abkömmlinge, also Kinder und (soweit sie gesetzliche Erben wären) auch Enkel. Außerdem hat der Ehegatte ein Pflichtteilsrecht und auch die Eltern des Erblasser - diese aber nur, wenn sie auch als gesetzliche Erben zum Zuge kommen würden.

Wie wird der Pflichtteil ermittelt und eingefordert?

Ist der Erbteil eingetreten und erlangt der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall und der Enterbung Kenntnis erlangt, hat er drei Jahre Zeit, Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Diese dreijährige Verjährungsfrist beginnt aber erst zu dem auf den Erbfall folgenden Jahreswechsel und endet daher stets an einem 31. Dezember.

Zunächst wird der Erbe aufgefordert, durch ein Nachlassverzeichnis und gegebenenfalls Wertgutachten über den Bestand des Nachlasses so Auskunft zu geben, dass der Enterbte die Pflichtteilsansprüche beziffern kann. Bei der Berechnung des Pflichtteils wird die Pflichtteilsquote mit dem pflichtteilsrelevanten Nachlass multipliziert. Die Pflichtteilsquote beträgt dabei die Hälfte der gesetzlichen Erbquote.

Was sind Pflichtteilsergänzungsansprüche?

Wurde der Nachlass zu Lebzeiten des Erblasser von diesem gemindert, weil Vermögenswerte verschenkt wurden, können sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen. Schenkungen, die beim Erbfall noch keine 10 Jahre zurückliegen, werden hierfür ganz oder teilweise berücksichtigt. Dabei werden mit jedem Jahr, das nach der Schenkung vergeht, 10 Prozent vom Schenkungswert gestrichen, so dass zum Beispiel eine Schenkung 6 Jahre später noch mit 40 Prozent für die Pflichtteilsermittlung herangezogen wird.

Achtung: Wird Vermögen an einen Ehegatten verschenkt oder bleibt der Schenker weiter der wirtschaftliche Eigentümer, indem er sich etwa ein Nießbrauchsrecht vorbehält, beginnt die 10-Jahresfrist nicht zu laufen und die Schenkung gehört dauerhaft zum Nachlass.

Wie kann man den Pflichtteil ausschließen oder mindern?

Wer Angehörige möglichst weitreichend enterben will, wird versuchen, auch den Pflichtteil möglichst klein zu halten. Neben den der rechtzeitigen Verschenkung von Vermögenswerten gibt es noch eine Reihe anderer Optionen. Am wirksamsten wird häufig ein notarieller Pflichtteilsverzicht sein. Seltener wird sich die Möglichkeit für eine Pflichtteilsentziehung per Testament ergeben. Effektiv, aber auch im Übrigen sehr folgenreich, sind eine Heirat oder eine Adoption, um die Erb- und Pflichtteilsquote des Enterbten zu reduzieren. Auch eine Veränderung des Güterstands per Ehevertrag kann helfen.

 

Ausführliche Informationen zum Pflichtteilsrecht - zusammengestellt von unseren Fachanwälten für Erbrecht - finden Sie auf der ROSE & PARTNER-Website: https://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/pflichtteil-enterbung-beratung-und-vertretung.html

 

 

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