Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Apr. 2015 - 5 Sa 701/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0416.5SA701.14.0A
bei uns veröffentlicht am16.04.2015

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 6. November 2014, Az. 7 Ca 280/14, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 28. März 2014 aufgelöst worden ist.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von fristlosen, hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigungen der Beklagten.

2

Der 1975 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder) war seit 16.06.2008 bei der Beklagten als Physiotherapeut zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt € 2.391,91 beschäftigt. Beim Kläger ist aufgrund einer schweren Sehbeeinträchtigung ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" festgestellt. Die Beklagte beschäftigt in ihrer Klink in B-Stadt ca. 200 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers betrug 38,5 Wochenstunden. Seine Arbeitszeit, die um 07:00 Uhr begann, wurde mit einer elektronischen Stechuhr erfasst.

3

Die Beklagte gehört zur X-Gruppe. Zu dieser Gruppe gehört auch das Gesundheitsstudio "X Y Z" in B-Stadt, das ua. von Physiotherapeuten betreutes Gerätetraining ambulant anbietet. Seit 01.05.2013 ging der Kläger mit Genehmigung der Beklagten einer Nebentätigkeit in diesem Studio nach. Er schloss mit der X. Holding GmbH einen Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte als Aufsicht/Therapeut mit einer Arbeitszeit von maximal 28 Monatsstunden zu einer Stundenvergütung von € 16,00 brutto/netto. Der Fußweg zwischen Klinik und Studio beträgt ca. drei Minuten.

4

Seit Oktober 2013 arbeitete der Kläger im Einverständnis mit seinem Vorgesetzten montags, mittwochs und freitags in der Regel von 10:00 bis 12:00 Uhr im Gesundheitsstudio. Er hatte beim Verlassen der Klinik die Stempeluhr zu betätigen (Gehen-Buchung) und bei seiner Rückkehr (Kommen-Buchung) erneut zu stempeln. Die Arbeitszeit im Studio trug der Kläger manuell in Stundennachweise ein. In der ersten Märzwoche 2014 kam der Verdacht auf, dass der Kläger beim Verlassen der Klinik, um seiner Nebentätigkeit nachzugehen, mehrfach die Stechuhr nicht betätigt haben könnte. Außerdem bestand der Verdacht, dass er im Gesundheitsstudio die Stundennachweise nicht wahrheitsgemäß ausgefüllt haben könnte. Ein Abgleich der Daten des Zeiterfassungssystems der Beklagten mit den im Studio geführten Stundennachweisen ergab, dass der Kläger an folgenden Tagen die Arbeitsunterbrechung bei der Beklagten nicht gestempelt hat:

5

Datum 

Studiodienst laut
Stundennachweis

Fehlzeit ohne
Stechuhr

02.01.2014

10:00 - 12:00 h

120 Min.

17.01.2014

10:00 - 11:30 h

 90 Min.

14.02.2014

10:00 - 12:00 h

120 Min.

26.02.2014

10:00 - 12:00 h

120 Min.

03.03.2014

10:00 - 12:00 h

120 Min.

04.03.2014

10:00 - 12:00 h

120 Min.

6

Darüber hinaus stimmten an mehreren Tagen die Daten der Zeiterfassung bei der Beklagten nicht mit den Stundennachweisen des Studios überein, beispielsweise am 27.12.2013 wie folgt:

7

Datum 

Studiodienst laut
Stundennachweis

Zeiterfassung laut
Stechuhr

27.12.2013

10:00 - 11:30 h

09:42 h Gehen
11:08 h Kommen

8

Am 07.03.2014 führte der Vorstand der Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger. Zum Teilnehmerkreis gehörte ua. der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, der auch stellvertretender Schwerbehindertenvertreter ist. Der Vorstand konfrontierte den Kläger mit dem Vorwurf, dass er seit Oktober 2013 wiederholt seiner Nebentätigkeit im Gesundheitsstudio nachgegangen sei, ohne die erforderliche Gehen-Buchung von seiner Hauptbeschäftigung vorzunehmen. Im Gesprächsprotokoll ist ua. folgendes vermerkt:

9

"Herr A. gibt zu, dass er, beim ersten Mal unbeabsichtigt, dann jedoch vorsätzlich die erforderlichen Zeitbuchungen nicht vorgenommen hat. Er versuchte, sein Fehlverhalten zu erklären. Seine Arbeitszeit im Akutzentrum mit 38,5 Stunden und seine Nebentätigkeit mit ca. 6 Stunden wöchentlich, dazu die Renovierung seines Hauses in Eigenregie habe dazu geführt, dass er mit seinem Zeitkonto zunehmend in Minusstunden gerutscht sei. So sei er der Versuchung erlegen, hin und wieder keine Zeitbuchungen vorzunehmen."

10

Mit zwei Schreiben vom 11.03.2014 hörte die Beklagte sowohl den Betriebsrat gem. § 102 BetrVG als auch die Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX an. Im Eingangssatz heißt es jeweils:

11

"Wir beabsichtigen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn A. aus verhaltensbedingten Gründen durch Ausspruch einer fristlosen Tat- und Verdachtskündigung … unverzüglich zu beenden."

12

"Wir beabsichtigen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn A. aus verhaltensbedingten Gründen durch Ausspruch einer ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung … zu beenden. Die ordentliche Kündigung soll hilfsweise zu einer fristlosen Kündigung erfolgen, zu der eine separate Anhörung erfolgen wird."

13

In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 12.03.2014 teilten der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung mit, dass sie der beabsichtigten fristlosen, ersatzweise ordentlichen Kündigung nicht zustimmen.

14

Ebenfalls mit Schreiben vom 11.03.2014 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamtes zur fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers. Die Beklagte führte ua. aus:

15

"Wir beabsichtigen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn A. aus verhaltensbedingten Gründen durch Ausspruch einer fristlosen, hilfsweisen ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung zu beenden."

16

Das Integrationsamt hat mit Bescheid vom 27.03.2014 der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt. Der Widerspruchsausschuss hat den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 30.10.2014 zurückgewiesen. Der Bescheid ist bestandskräftig.

17

Das Integrationsamt hat mit Bescheid vom 08.04.2014 auch der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt. Der Widerspruchsausschuss hat mit Bescheid vom 30.10.2014 den Bescheid des Integrationsamtes vom 08.04.2014 aufgehoben und die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung versagt. Dagegen hat die Beklagte Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz erhoben (Az. 3 K1 064/14. KO). Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

18

Mit Schreiben vom 28.03.2014, das dem Kläger am selben Tag von einem Boten zugestellt worden ist, kündigte die Beklagte wegen "schuldhaft begangenen Arbeitszeitbetrugs" das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Mit weiterem Schreiben vom 28.03.2014, vom Boten gleichzeitig zugestellt, kündigte sie wegen des "dringenden Verdachts des Arbeitszeitbetrugs" das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Die zwei Kündigungsschreiben, die ansonsten wortgleich sind, waren in einem Umschlag. Der Kläger unterzeichnete dem Boten folgendes -vorbereitetes- Zustellungsprotokoll:

19

"Heute hat mich die Personalleiterin der W. Kliniken Rheinland-Pfalz AG beauftragt, als Bote zwei Schreiben zu überbringen. Es handelt sich dabei um die diesem Protokoll in Ablichtung beigehefteten und mir bekannten Kündigungsschreiben der W. Kliniken Rheinland-Pfalz AG vom 28.03.2014 an Herrn A..

20

Hiermit bestätige ich den Empfang des o.a. Schreibens.
B., den _________        _________________"
                                          A.

21

Ebenfalls mit zwei Schreiben vom 28.03.2014 kündigte die X. Holding GmbH das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger (Nebentätigkeit im Gesundheitsstudio) außerordentlich wegen "schuldhaft begangenen Arbeitszeitbetrugs" und wegen des "dringenden Verdachts des Arbeitszeitbetrugs". Die zwei Kündigungsschreiben, die am 28.03.2014 zeitgleich vom Botendienst zugestellt worden sind, waren in einem zweiten Umschlag. Auch hier unterzeichnete der Kläger ein vorbereitetes Zustellungsprotokoll mit entsprechendem Inhalt.

22

Der Kläger erhob mit am 04.04.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Klage und beantragte zunächst nur, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 28.03.2014 beendet worden ist. Der Klageschrift fügte er das Kündigungsschreiben wegen "schuldhaft begangenen Arbeitszeitbetrugs" bei. Im Gütetermin vom 30.04.2014 teilte die Beklagte mit, dass sie dem Kläger am 28.03.2014 nicht nur eine Tat-, sondern auch eine Verdachtskündigung erklärt habe. Den Empfang von zwei Kündigungen habe der Kläger dem Boten bestätigt. Die fristlose Verdachtskündigung sei wirksam geworden, weil sie der Kläger nicht rechtzeitig gerichtlich angegriffen habe.

23

Mit Schreiben vom 11.04.2014, am selben Tag von einem Boten zugestellt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2014 wegen "des dringenden Verdachts des Arbeitszeitbetrugs". Mit Klageerweiterung vom 15.04.2014 wehrte sich der Kläger gegen die ordentliche Kündigung.

24

Mit weiterem Schreiben vom 11.04.2014, ebenfalls am 11.04.2014 vom Botendienst zugestellt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen "schuldhaft begangenen Arbeitszeitbetrugs" außerordentlich. Diese Erklärung soll nach dem Willen der Beklagten eine ordentliche Kündigung sein.

25

Mit Klageerweiterung vom 02.05.2014 machte der Kläger die Unwirksamkeit der außerordentlichen Verdachtskündigung vom 28.03.2014 und der "außerordentlichen" Kündigung vom 11.04.2014 geltend. Zusätzlich stellte er einen allgemeinen Feststellungsantrag, der - ausdrücklich - auch mögliche weitere Kündigungen erfassen sollte.

26

Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei nicht aufgefallen, dass ihm der Bote am 28.03.2014 zwei außerordentliche Kündigungen der Beklagten zugestellt habe. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um identische Kündigungserklärungen handele. Er sei juristisch nicht ausgebildet und habe wegen seiner hochgradigen Sehbehinderung die Unterschiede in der Formulierung der Tat- und Verdachtskündigung nicht erkannt.

27

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 06.11.2014 Bezug genommen.

28

Der Kläger hat erstinstanzlich -zuletzt- beantragt,

29

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 28.03.2014 beendet worden ist,

30

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung vom 11.04.2014 zum 30.06.2014 aufgelöst wird,

31

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 11.04.2014 aufgelöst wurde,

32

4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die außerordentliche fristlose Verdachtskündigung vom 28.03.2014 aufgelöst wurde,

33

5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 28.03.2014 fortbesteht.

34

Die Beklagte hat beantragt,

35

die Klage abzuweisen.

36

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.11.2014 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die zwei Kündigungen vom 28.03.2014 noch durch die zwei Kündigungen vom 11.04.2014 aufgelöst worden sei. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt, der Kläger könne sich in analoger Anwendung des § 6 KSchG nach Ablauf von drei Wochen noch auf die Unwirksamkeit der fristlosen Verdachtskündigung vom 28.03.2014 berufen. Die fristlosen Kündigungen seien unwirksam. Der Kläger habe die Beklagte zwar über seine Arbeitszeit getäuscht und dadurch unberechtigte Vergütung für 13 Stunden iHv. € 185,50 brutto erlangt. Er habe bei seiner Anhörung am 07.03.2014 eingeräumt, dass er lediglich beim ersten Mal aus Versehen die Stechuhr nicht bedient habe. Danach habe er vorsätzlich gehandelt. Der Beklagten sei jedoch zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist bis zum 30.06.2014 einzuhalten. Die ordentliche Kündigung vom 11.04.2014 sei rechtsunwirksam, weil es nach dem Ergebnis des Widerspruchsverfahrens an der gem. § 85 SGB IX erforderlichen Zustimmung des Integrationsamtes fehle. Wegen weiterer Einzelheiten wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

37

Die Beklagte hat gegen das am 05.12.2014 zugestellte Urteil mit am 22.12.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 05.02.1015 begründet.

38

Sie ist der Ansicht, ihre außerordentliche Verdachtskündigung vom 28.03.2014 gelte wegen Nichteinhaltung der dreiwöchigen Klagefrist gem. § 7 KSchG als von Anfang an wirksam. § 6 KSchG sei nicht analog anzuwenden. Die fristlosen Kündigungen seien jedenfalls nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam. Das Arbeitsgericht hätte bei der Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigen dürfen, dass er vor seinem eigentlichen Arbeitsbeginn um 7:00 Uhr, täglich bereits seit 6:20 Uhr "betriebsnützliche" Tätigkeiten verrichtet habe. Es sei zwar unstreitig, dass der Kläger die Klinik bereits um 6:20 Uhr betreten habe. Die frühe Anwesenheit sei den schlechten Zugverbindungen vom Wohnort des Klägers zur Klinik geschuldet. Ihr pauschales Bestreiten, dass der Kläger vor 7:00 Uhr "betriebsnützliche" Tätigkeiten verrichtet habe, sei zulässig. Es sei nicht ihre Sache im Haus zu recherchieren, womit der Kläger die Zeit vor 7:00 Uhr verbracht habe. Die Annahme des Arbeitsgerichts, sie habe dem Kläger eine monatliche Zulage iHv. € 150,00 gezahlt, um überobligatorische Arbeitsleistungen vor 7:00 Uhr zu honorieren, sei unrichtig. Die Zulage habe vielmehr eine Gehaltserhöhung dargestellt, die sie auf Wunsch des Klägers gezahlt habe, weil sie mit seiner Arbeitsleistung zufrieden gewesen sei.

39

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

40

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 06.11.2014, Az. 7 Ca 280/14, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

41

Der Kläger beantragt,

42

die Berufung zurückzuweisen.

43

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 11.03.2015 als zutreffend. Die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe sein überobligatorisches Engagement durch Zahlung einer monatlichen Zulage iHv. € 150,00 ausdrücklich gewürdigt. Er habe sich keinen Vermögensvorteil zu Lasten der Beklagten verschafft, denn er habe in der Zeit vom 02.10.2013 bis 05.03.2014 Mehrarbeit von 258 Minuten geleistet. In seiner Aufstellung habe er die Wegezeit von der Klinik zum Gesundheitsstudio mit 5 Minuten berücksichtigt. Bei 50 Arbeitstagen mache dies 250 Minuten aus, so dass kein Betrug vorliege.

44

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

45

Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 7 Ca 291/14. In dem Rechtsstreit des Klägers gegen die X. Holding GmbH hat das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 06.11.2014 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis (Nebentätigkeit im Gesundheitsstudio) zwar nicht durch die fristlosen Tat- und Verdachtskündigungen der Arbeitgeberin vom 28.03.2014, wohl aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 11.04.2014 zum 15.05.2014 aufgelöst worden ist.

Entscheidungsgründe

A.

46

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

B.

47

Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Tat- und Verdachtskündigung der Beklagten vom 28.03.2014 aufgelöst worden ist. Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die "außerordentliche" Kündigung vom 11.04.2014 aufgelöst worden. Allerdings hat die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.04.2014 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2014 beendet. Die Berufung führt deshalb zur teilweisen Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

I.

48

Die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 28.03.2014 sind unwirksam.

49

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger sowohl gegen die außerordentliche Tatkündigung als auch gegen die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 28.03.2014 rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage erhoben hat. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Verdachtskündigung wird - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht gem. § 7 KSchG fingiert.

50

a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine schriftliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist. Wegen § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung. Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt diese gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage muss als unbegründet abgewiesen werden.

51

b) Selbst wenn die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 28.03.2014 als eigenständig zu betrachten wäre, hat der Kläger auch gegen diese rechtzeitig mit seiner Klage gegen die außerordentliche Tatkündigung vom 28.03.2014, die am 04.04.2014 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, Klage erhoben.

52

Einen dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden gesonderten Antrag hat der Kläger gegen die Verdachtskündigung vom 28.03.2014 allerdings erstmals mit Klageerweiterung vom 02.05.2014 angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Klagefrist von drei Wochen, die mit dem Zugang des Kündigungsschreibens am 28.03.2014 begann, verstrichen. Dennoch hat der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG - zumindest in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG - gewahrt, obwohl er innerhalb der Klagefrist keinen allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO angekündigt hat.

53

Für die Beklagte war bereits aufgrund des Antrags nach § 4 Satz 1 KSchG, der sich gegen die außerordentliche Tatkündigung vom 28.03.2014 richtete, erkennbar, dass der Kläger auch andere Beendigungstatbestände nicht gegen sich gelten lassen wollte, die eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewirken könnten. Die Klage gegen die Tatkündigung vom 28.03.2014 konnte nur dann Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Verdachtskündigung vom 28.03.2014 fristlos beendet würde. Mit dem gegen die Tatkündigung vom 28.03.2014 gerichteten Antrag wurde damit die Frist für eine Klage gegen die Verdachtskündigung vom 28.03.2014 zumindest deshalb gewahrt, weil der Kläger deren Unwirksamkeit noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausdrücklich geltend gemacht und auch sie mit einem § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Klageantrag angegriffen hat (vgl. ausführlich BAG 18.12.2014 - 2 AZR 163/14 - Juris). § 6 KSchG zielt auch in der geltenden Fassung darauf ab, den Arbeitnehmer davor zu bewahren, seinen Kündigungsschutz aus formalen Gründen zu verlieren.

54

In einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG liegt - für den beklagten Arbeitgeber in der Regel erkennbar - zugleich der Angriff gegen solche Kündigungen, die dem Arbeitnehmer noch während des Laufs der von der ersten Kündigung ausgelösten Auflösungsfrist zugehen und innerhalb dieser Frist oder zeitgleich mit ihrem Ablauf Wirkung entfalten sollen (BAG 18.12.2014 - 2 AZR 163/14 Rn. 23, aaO). Ergibt sich weder aus der Klagebegründung noch aus sonstigen Erklärungen des Arbeitnehmers oder in den Rechtsstreit eingeführten Umständen, dass er den Gegenstand der Kündigungsschutzklage auf die Wirksamkeit der konkret angegriffenen Kündigung beschränken will, muss der Arbeitgeber davon ausgehen, der Arbeitnehmer wende sich mit seiner Klage zugleich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch mögliche andere Tatbestände bis zu dem in der angegriffenen Kündigung vorgesehenen Auflösungstermin.

55

c) Danach war hier vom Streitgegenstand der Klage gegen die Tatkündigung vom 28.03.2014 das Begehren umfasst, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die außerordentliche Verdachtskündigung vom 28.03.2014 nicht aufgelöst wird. Der Kläger hat durch seine am 04.04.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage zu verstehen gegeben, dass er sich gegen die fristlose Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 28.03.2014 wehre. Dieses Begehren betrifft die Tat- und die Verdachtskündigung. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder objektiv ersichtlich, dass der Kläger die Verdachtskündigung mit der Klage nicht erfassen wollte. Im Gegenteil: Für die Beklagte war deutlich, dass der Kläger mit seiner am 04.04.2014 eingegangenen Klage jedwede Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.03.2014 in Abrede stellen wollte. Die Klage gegen die Tatkündigung wäre sinnlos gewesen, wenn der Kläger die Verdachtskündigung hätte hinnehmen wollen.

56

2. Die außerordentlichen Kündigungen (Tat- oder Verdachtskündigung) der Beklagten vom 28.03.2014 haben das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

57

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 13 mwN, Juris).

58

b) Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen "an sich" wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt, weil er seine Arbeitszeit in der Klinik der Beklagten an sechs Tagen nicht korrekt dokumentiert hat.

59

aa) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, kommt als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Frage. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer „Stempeluhr“ ebenso wie für das vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Mitarbeiter vertrauen können. Dies gilt erst recht, wenn diese nicht an feste Arbeitszeiten gebunden sind. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer entsprechende Formulare vorsätzlich falsch aus, liegt darin in aller Regel ein schwerer Vertrauensmissbrauch. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht (BAG 09.06.2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 14 mwN, NZA 2011, 1027). Darauf, ob dem Arbeitgeber durch das Verhalten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist oder das Verhalten des Arbeitnehmers auf andere - nicht wirtschaftliche - Vorteile ausgerichtet war, kommt es grundsätzlich nicht an (BAG 26.09.2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 54 mwN, NZA 2014, 443).

60

bb) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger seine Arbeitspflichten erheblich verletzt. Er hat bewusst und willentlich über die tatsächliche Arbeitszeit in der Klinik der Beklagten getäuscht und zu diesem Zweck die Stempeluhr nicht betätigt, wenn er die Klinik verlassen hat, um im Gesundheitsstudio zu arbeiten. Es ist unstreitig, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz in der Klinik der Beklagten am 02.01.2014 von 10:00 bis 12:00 Uhr, am 17.01.2014 von 10:00 bis 11:30 Uhr, am 14.02.2014 von 10:00 bis 12:00 Uhr, am 26.02.2014 von 10:00 bis 12:00 Uhr, am 03.03.2014 von 10:00 bis 12:00 Uhr und am 04.03.2014 von 10:00 bis 12:00 Uhr verlassen hat, ohne die Stempeluhr zu betätigen. Durch das Nichtbetätigen der Stempeluhr hat er sich auf seinem Arbeitszeitkonto ohne Gegenleistung eine Zeitgutschrift für 11,5 Stunden erschlichen. Dadurch hat er gegenüber der Beklagten einen Gehaltsanspruch für 11,5 Stunden vorgetäuscht, für die ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch zustand.

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cc) Die Gründe, die der Kläger zu seiner Rechtfertigung vorbringt, sind nicht geeignet, sein Verhalten - nämlich die vorsätzliche Falschangabe der geleisteten Arbeitszeit in der Klinik der Beklagten - zu entschuldigen.

62

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts erscheint das Fehlverhalten des Klägers bei der Arbeitszeiterfassung nicht in einem milderen Licht, weil er morgens schon um 06:20 Uhr in der Klinik eingetroffen ist, obwohl die bezahlte Arbeitszeit erst um 07:00 Uhr begann. Wenn der Kläger der Rechtsansicht war, die Beklagte sei verpflichtet, ihm die Anwesenheitszeit vor dem "offiziellen" Dienstbeginn als Arbeitszeit auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, weil er bereits "betriebsnützliche" Tätigkeiten verrichtet haben will, hätte er seinen vermeintlichen Anspruch gegenüber der Beklagten geltend machen und ggf. in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit verfolgen können. Selbst wenn ihm für diese Zeit Arbeitsentgelt zugestanden haben sollte, wofür wenig spricht, war der Kläger keinesfalls berechtigt, seine vermeintlichen Entgeltansprüche - quasi im Wege der Selbsthilfe - dadurch zu realisieren, dass er den Arbeitsplatz vormittags mehrere Stunden ohne Betätigung der Stempeluhr verlässt.

63

Auch die Ausführungen des Klägers zu vermeintlicher Mehrarbeit, rechtfertigen sein Verhalten nicht. Der Kläger war verpflichtet, in der Klinik der Beklagten wöchentlich 38,5 Stunden zu arbeiten. Seine Nebentätigkeit, die ihm mit € 16,- netto pro Stunde vergütet wurde, erforderte einen zusätzlichen wöchentlichen Zeitaufwand von 6 Stunden. Die Tätigkeit im Gesundheitsstudio, die der Kläger aufgrund eines gesonderten Arbeitsvertrags mit einer anderen Arbeitgeberin im Rahmen eines Mini-Jobs leistete, stellte offensichtlich keine Mehrarbeit im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten dar. Die Arbeitsleistung im Gesundheitsstudio wurde von einem anderen Arbeitgeber - noch dazu netto - vergütet. Entgegen der Ansicht des Klägers gehörte die Zeit für den Fußweg von der Klinik der Beklagten zum Gesundheitsstudio und zurück (je 3 Minuten) nicht zur Arbeitszeit. Die Arbeitszeit beginnt und endet an der jeweiligen Arbeitsstelle. Den Weg zwischen zwei Arbeitsstellen in zwei Arbeitsverhältnissen bei zwei Arbeitgebern muss der Arbeitnehmer in seiner Freizeit zurücklegen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte dem Kläger gestattete, seine Arbeitszeit in ihrer Klinik an drei Wochentagen vormittags zu unterbrechen, um in der Zeit von 10:00 -12:00 Uhr seiner Nebentätigkeit im Gesundheitsstudio nachzugehen.

64

Es vermag den Kläger auch nicht zu entlasten, dass er Zeit benötigte, um sich auf die Therapie mit den Patienten des Gesundheitsstudios vorzubereiten. Die erforderliche Vor- oder Nachbereitungszeit für das Training mit diesen Patienten hatte ihm das Gesundheitsstudio zu vergüten. Unabhängig davon konnte der Kläger nicht ernsthaft annehmen, er könne sich seine Arbeitsleistung in der Zeit von 10:00 bis 11:30 Uhr oder 12:00 Uhr doppelt bezahlen lassen. Dem Kläger musste vollkommen klar sein, dass er für ein zusätzliches Arbeitsentgelt iHv. wöchentlich € 96,- netto (€ 16,- x 6 Std.) zusätzlich zu den 38,5 Wochenstunden bei der Beklagten auch 6 Wochenstunden im Gesundheitsstudio arbeiten musste. Wenn ihm eine Arbeitszeit von 44,5 Wochenstunden zzgl. der Wegezeiten von 18 Minuten (3 Tage x 2 x 3 Min.) für den Hin- und Rückweg zu viel war, durfte er sich nicht für berechtigt halten, bei der Beklagten seine Abwesenheitszeit nicht auszustempeln, um auf seinem Zeitkonto nicht "ins Minus zu rutschen".

65

c) Der Beklagten war es nach den Umständen des Streitfalls gleichwohl zuzumuten, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.06.2014 weiterzubeschäftigen.

66

aa) Liegt - wie hier - ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung „an sich“ vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn mildere Mittel als Reaktion auf die eingetretene Vertragsstörung ausscheiden. Mildere Mittel sind insbesondere die Abmahnung und die ordentliche Kündigung (BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21 mwN, Juris). Im Hinblick darauf ist die ausgesprochene außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig.

67

bb) Dies ist sie nicht deshalb, weil es vorrangig einer Abmahnung bedurft hätte.

68

Zwar gilt das durch § 314 Abs. 2 BGB konkretisierte Erfordernis einer Abmahnung grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Die Abmahnung ist aber, wie § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB zeigt, unter besonderen Umständen entbehrlich. Das ist der Fall, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 25.10.2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15, 16 mwN, Juris).

69

Danach war im Streitfall eine Abmahnung entbehrlich. Der Kläger konnte keinesfalls damit rechnen, dass die Beklagte die Täuschung über die erbrachte Arbeitszeit billigen oder seinen Falschangaben bei der Arbeitszeiterfassung lediglich mit einer Abmahnung begegnen würde. Eine Hinnahme des vorsätzlichen und systematischen Missbrauchs der Stempeluhr durch die Beklagte war - auch für den Kläger erkennbar - aufgrund der Schwere seiner Pflichtverletzungen unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen.

70

cc) Dennoch erweist sich die fristlose Kündigung als unwirksam. Der Beklagten war es unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls und der gebotenen Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zuzumuten, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der maßgebenden Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB) fortzusetzen. Zugunsten des Klägers fällt seine Schwerbehinderung mit einem GdB von 100 entscheidend ins Gewicht. Denn aufgrund seiner hochgradigen Sehbehinderung ist der Kläger in besonderem Maße sozial schutzbedürftig.

II.

71

Die "außerordentliche" Kündigung der Beklagten vom 11.04.2014 wäre ebenfalls rechtsunwirksam. Es fehlt - wie oben ausgeführt - an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Im Übrigen hätte die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt.

72

Diese Kündigung war nach dem Vortrag der Beklagten als hilfsweise ordentliche Kündigung gewollt. Auch wenn für den Kläger als Erklärungsempfänger - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht offensichtlich war, dass seiner Arbeitgeberin bei der Formulierung ein Fehler unterlaufen ist, und bei Kündigungserklärungen das Bestimmtheitsgebot gilt (BAG 20.06.2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14-15, NZA 2013, 1137), hat die Beklagte gegenüber dem Kläger durch ihr prozessuales Verhalten deutlich gemacht, dass sie mit dieser Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung, sondern unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.06.2014 beenden wollte. Hieran muss sie sich festhalten lassen.

III.

73

Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.04.2014 hat das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2014 aufgelöst.

74

1. Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung scheitert - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - nicht daran, dass der Widerspruchsausschuss beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes mit Bescheid vom 30.10.2014 aufgehoben hat.

75

Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Eine ohne wirksame Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB nichtig.

76

Im Streitfall hatte das Integrationsamt die erforderliche Zustimmung zur ordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 08.04.2014 vor Abgabe der Kündigungserklärungen vom 11.04.2014 erteilt. Der Beklagten war damit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gestattet. Diese Wirkung des Zustimmungsbescheides ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht dadurch entfallen, dass der Widerspruchsausschuss den Bescheid aufgehoben hat. Die Aufhebung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes ist nicht bestandskräftig, weil die Beklagte vor dem Verwaltungsgericht Koblenz Anfechtungsklage (Az. 3 K 1064/14.KO) erhoben hat.

77

Gem. § 88 Abs. 4 SGB IX haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die durch das Integrationsamt einmal erteilte Zustimmung zur Kündigung - vorbehaltlich ihrer Nichtigkeit - so lange Wirksamkeit entfaltet, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist. Für die Berechtigung des Arbeitgebers, auf der Grundlage des Zustimmungsbescheides die Kündigung zunächst zu erklären, ist es folglich ohne Bedeutung, ob die Zustimmung vom Widerspruchsausschuss oder einem Gericht aufgehoben wird, solange die betreffende Entscheidung nicht bestands- bzw. rechtskräftig ist (BAG 23.05.2013 - 2 AZR 991/11 - NZA 2013, 1373).

78

2. Die ordentliche Kündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

79

Die Pflichtverletzung des Klägers im Zusammenhang mit der falschen Dokumentation seiner Arbeitszeit in der Klinik der Beklagten rechtfertigt aus den oben angeführten Gründen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Abmahnung war, wie ausgeführt, entbehrlich. Besondere Umstände des Einzelfalls, die ein anderes Ergebnis rechtfertigten, sind nicht ersichtlich.

80

Die Pflichtverletzungen des Klägers sind von solchem Gewicht, dass sie auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und aller Umstände des vorliegenden Falls zum Überwiegen des berechtigten Interesses der Beklagten führen, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden. Wie bereits oben ausgeführt fällt zu Gunsten des Klägers seine Schwerbehinderung mit einem GdB von 100 erheblich ins Gewicht. Zu seinen Gunsten sprechen auch seine Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und zwei Kindern. Der Kläger war zwar mehr als fünf Jahre unbeanstandet bei der Beklagten beschäftigt, allerdings ist diese Betriebszugehörigkeit noch nicht derart lang, dass von einem generell erhöhten Bestandsschutz ausgegangen werden muss. Der Kläger war zum Kündigungszeitpunkt 38 Jahre alt. In diesem Alter ist es - trotz der hochgradigen Sehbehinderung - nicht ausgeschlossen, eine vergleichbare Anstellung als Physiotherapeut zu finden.

81

Zu Lasten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er gravierend gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, weil er beim Verlassen der Klinik in mindestens sechs Fällen absichtlich die Stempeluhr nicht betätigt hat, wenn er seiner Nebentätigkeit im Gesundheitsstudio nachgegangen ist. Damit wollte sich der Kläger vorsätzlich einen Vermögensvorteil verschaffen, weil ihm auf seinem Arbeitszeitkonto 11,5 Stunden gutgeschrieben worden sind, die er nicht für die Beklagte gearbeitet hat. Durch dieses Verhalten hat der Kläger das in ihn gesetzte Vertrauen, seine Arbeitszeiten wahrheitsgemäß anzugeben, nachhaltig zerstört. Die Beklagte braucht es nicht hinzunehmen, in absehbarer Zukunft ihr Vermögen durch weitere ähnliche Pflichtverletzungen des Klägers zu gefährden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte auf wahrheitsgemäße Angaben des Klägers angewiesen ist, weil sie nicht alle Arbeitsbereiche - insbesondere die Zeiterfassung - so kontrollieren kann, dass Pflichtverletzungen der Arbeitnehmer zwingend aufgedeckt würden. Der Beklagten ist deshalb nicht zuzumuten, den Kläger über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus, weiterzubeschäftigen.

82

3. Die Beklagte hat die ordentliche Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats gem. § 622 Abs. 2 Ziff. 2 BGB eingehalten. Die Kündigung vom 11.04. zum 30.06.2014 wahrt diese Frist.

83

4. Die Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

84

Die Beklagte hat erstinstanzlich auf einfaches Bestreiten des Klägers unter Vorlage des Anhörungsschreibens schlüssig vorgetragen, den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung angehört zu haben. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO im Einzelnen darzulegen, inwieweit die Betriebsratsanhörung gleichwohl unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sein soll. Hieran fehlt es, so dass der Vortrag der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Ein materieller Rechtsfehler ist angesichts der Schlüssigkeit des Vorbringens der Beklagten nicht zu erkennen (zum Erfordernis einer solchen Schlüssigkeitsprüfung BAG 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 48 ff., NZA 2013, 137).

C.

85

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

86

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 2010 - 9 Sa 1913/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

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(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. Januar 2014 - 9 Sa 728/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und zweier hilfsweise erklärter ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist die deutsche Zweigniederlassung einer Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts. Der 1971 geborene Kläger war bei ihr seit dem 17. August 1998 als Lagerarbeiter/Kommissionierer im „Importlager West“ beschäftigt. In dem Betrieb wurden Logistikarbeiten für verschiedene Fachzentren der Unternehmensgruppe ausgeführt. Die Beklagte beschäftigte dort etwa 80 Arbeitnehmer.

3

Am 21. November 2012 hielt sich der Kläger bei einer in B ansässigen Kundenfirma auf, um dort für die Beklagte Inventuraufträge durchzuführen. In einer Arbeitspause unterhielt er sich mit den dortigen Arbeitnehmern.

4

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Sie warf dem Kläger vor, sich gegenüber Arbeitnehmern ihrer Kundin geschäftsschädigend über sie geäußert zu haben. Das Kündigungsschreiben wurde am 12. Dezember 2012 um 07:35 Uhr in den Briefkasten der ehemals gemeinsamen Wohnung des Klägers und seiner Ehefrau eingeworfen. Der Kläger arbeitete zunächst im Betrieb der Beklagten weiter.

5

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 19. Dezember 2012 zu.

6

Mit seiner am 21. Dezember 2012 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 10. Dezember 2012 geltend gemacht. Er hat vorgetragen, er habe von der Kündigung erst am 15. Dezember 2012 tatsächlich Kenntnis erlangt. Dem angekündigten Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG war der Halbsatz „… und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht“ angefügt. Mit einem am 25. Januar 2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat der Kläger geltend gemacht, es solle auch die Unwirksamkeit der Kündigung vom 17. Dezember 2012 festgestellt werden. In dem Schriftsatz heißt es:

        

„[…] wird ergänzend zur Klageschrift vom 21.12.2012 vorgetragen, dass der zweite Teil des dort gestellten Feststellungsantrags sich nicht nur auf die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2012 bezieht, sondern ein allgemeiner Feststellungsantrag ist, der auch mögliche weitere Kündigungen abdecken soll. Dieser Feststellungsantrag wurde in den Klageantrag aufgenommen, weil weitere Kündigungen durch den Arbeitgeber zu befürchten waren. Diese Befürchtung hat sich in der Zwischenzeit bewahrheitet.“

7

Der Kläger hat gemeint, die Kündigungen vom 10. und 17. Dezember 2012 seien unwirksam. Für die außerordentlichen Kündigungen fehle es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG. Der Kläger hat bestritten, sich anlässlich seiner Tätigkeit bei der Kundenfirma geschäftsschädigend über die Beklagte geäußert zu haben.

8

Er hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2012 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012 aufgelöst worden ist und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet hat.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat dem Kläger vorgeworfen, am 21. November 2012 eine Reihe von Mitarbeitern ihrer Kundin verunsichert zu haben, indem er erklärt habe, die Geschäftsbeziehungen der beiden Firmen würden in der nächsten Zeit beendet, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter der Kundin seien daher gefährdet. Aufgrund dieser Bemerkungen sei eine erhebliche Unruhe entstanden. Dies habe ein Mitarbeiter der Kundin ihrem Logistikleiter am 6. Dezember 2012 mitgeteilt. Die Beklagte hat gemeint, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe spätestens mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 17. Dezember 2012 sein Ende gefunden. Der Kläger habe diese Kündigung nicht rechtzeitig gerichtlich angegriffen.

10

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch „die Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2012“ nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 aufgelöst worden. Einer Entscheidung darüber, ob die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung vom 10. Dezember 2012 wirksam sei, bedürfe es daher nicht.

11

Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis „auch durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012“ nicht aufgelöst worden ist.

12

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe weder aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012 noch aufgrund einer der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 10. und 17. Dezember 2012 geendet. Dass es nicht schon durch die außerordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 aufgelöst worden ist, stand mangels Berufung der Beklagten rechtskräftig fest.

14

I. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012 ist unwirksam.

15

1. Die Wirksamkeit der Kündigung wird nicht gemäß § 7 KSchG fingiert. Der Kläger hat gegen sie rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage erhoben.

16

a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine schriftliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist. Wegen § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung(BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 26, BAGE 146, 161; 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - Rn. 17). Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt diese gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage muss als unbegründet abgewiesen werden (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO; 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - aaO mwN).

17

b) Das Landesarbeitsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 erneut eigenständig gekündigt und nicht nur die Kündigung vom 10. Dezember 2012 ein weiteres Mal verlautbart (zur Abgrenzung vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 38; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 38). Gegen dieses Verständnis haben die Parteien keine Einwände erhoben. Ob es zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat auch gegen eine als eigenständig zu betrachtende außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 rechtzeitig Klage erhoben.

18

aa) Einen dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag hat der Kläger gegen die Kündigung vom 17. Dezember 2012 allerdings erstmals mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Klagefrist von drei Wochen, die mit dem Zugang des Kündigungsschreibens am 19. Dezember 2012 begann, verstrichen.

19

bb) Dennoch hat der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG - zumindest in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG - gewahrt.

20

(1) Dies beruht nicht schon darauf, dass der Kläger innerhalb der Klagefrist einen allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO angekündigt hätte. Ein solcher Antrag ist der gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 gerichteten Klage entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Der Kläger hat den Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG zwar ergänzt um den Zusatz „… und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht“ angekündigt. Es wird aus der Klageschrift aber nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um einen eigenen Sachantrag handeln sollte. Der Zusatz war dem Kündigungsschutzantrag unmittelbar angefügt und von diesem optisch nicht abgesetzt. Er konnte ebenso gut als gleichsam redaktionelle Bekräftigung ohne eigenständigen Inhalt zu verstehen sein (vgl. dazu BAG 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B II 3 der Gründe; 16. März 1994 - 8 AZR 97/93 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 76, 148). Ein Hinweis, dass ein allgemeiner Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO gestellt werden solle, ließ sich weder der Klagebegründung noch sonstigen Umständen entnehmen, die dies innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung vom 17. Dezember 2012 deutlich gemacht hätten (vgl. für einen solchen Hinweis vor Zugang einer weiteren Kündigung BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 85, 262). Der Kläger hat erstmals mit der Klageerweiterung vom 25. Januar 2013 und damit nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG mitgeteilt, der Zusatz zu dem mit der Klageschrift angekündigten Feststellungsantrag beziehe sich nicht nur auf die Kündigung vom 10. Dezember 2012, sondern verstehe sich als allgemeiner Feststellungsantrag, der auch mögliche weitere Kündigungen erfassen solle.

21

(2) Stattdessen war bereits aufgrund des Antrags nach § 4 Satz 1 KSchG, der sich gegen die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 richtete, erkennbar, dass der Kläger auch andere Beendigungstatbestände nicht gegen sich gelten lassen wollte, die eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses noch vor oder bis zu dem mit dieser Kündigung angestrebten Termin bewirken könnten. Die Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 konnte nur dann Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis bis zu dem fraglichen Termin auch nicht durch einen anderen Auflösungstatbestand - etwa eine weitere Kündigung - beendet würde. Mit dem gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 gerichteten Antrag wurde damit die Frist für eine Klage gegen die Kündigung vom 17. Dezember 2012 zumindest deshalb gewahrt, weil der Kläger deren Unwirksamkeit noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausdrücklich geltend gemacht und auch sie mit einem § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Klageantrag angegriffen hat.

22

(a) Von einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist regelmäßig auch das Begehren umfasst festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1071/12 - Rn. 17; 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 18). Zwar ist Gegenstand und Ziel einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die bestimmte, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Falls der Klage stattgegeben wird, steht aber zugleich fest, dass das Arbeitsverhältnis vor oder bis zu diesem Termin auch nicht aufgrund irgendeines anderen Umstands sein Ende gefunden hat. Die einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebende Entscheidung enthält zugleich die Feststellung, dass zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch bestanden hat(sog. erweiterter punktueller Streitgegenstandsbegriff, vgl. BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111; zur Vorgängerregelung des § 3 Satz 1 KSchG 1951 vgl. BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - zu III 3 der Gründe, BAGE 7, 36). Mit Rechtskraft einer solchen Entscheidung steht fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vorgesehenen Auflösungstermin auch nicht durch mögliche andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, selbst wenn diese von keiner Seite in den Prozess eingeführt wurden (BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - aaO; vgl. auch BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - aaO). Ein Verständnis, wonach Gegenstand des Antrags nach § 4 Satz 1 KSchG lediglich - rein punktuell - die Wirksamkeit der angegriffenen Kündigung ist, würde dem weitergehenden Wortlaut des Gesetzes nicht gerecht und könnte das Ziel der Rechtskraft, Rechtsfrieden herzustellen und Rechtsgewissheit zu schaffen, nicht erreichen(BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - aaO; vgl. auch BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - aaO). Etwas anderes gilt, wenn der Kläger selbst den Gegenstand eines Kündigungsschutzantrags in dieser Weise (konkludent) begrenzt hat und das Gericht auf die Unwirksamkeit einer später wirkenden Kündigung erkennt, ohne dass der Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer früher wirkenden Kündigung bereits rechtskräftig entschieden wäre (vgl. dazu BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 20).

23

(b) Daraus folgt, dass in einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG - für den beklagten Arbeitgeber in der Regel erkennbar - zugleich der Angriff gegen solche Kündigungen liegt, die dem Arbeitnehmer noch während des Laufs der von der ersten Kündigung ausgelösten Auflösungsfrist zugehen und innerhalb dieser Frist oder zeitgleich mit ihrem Ablauf Wirkung entfalten sollen(offen gelassen BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 29, BAGE 146, 161; vgl. auch Gallner FS Wank 2014 S. 117, 124 f.). Ergibt sich weder aus der Klagebegründung noch aus sonstigen Erklärungen des Arbeitnehmers oder in den Rechtsstreit eingeführten Umständen, dass er den Gegenstand der Kündigungsschutzklage auf die Wirksamkeit der konkret angegriffenen Kündigung beschränken will, muss der Arbeitgeber davon ausgehen, der Arbeitnehmer wende sich mit seiner Klage zugleich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch mögliche andere Tatbestände bis zu dem in der angegriffenen Kündigung vorgesehenen Auflösungstermin.

24

(c) Demgegenüber ist Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO die Frage, ob das Arbeitsverhältnis über den durch eine Kündigung bestimmten Auflösungstermin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestanden hat(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1071/12 - Rn. 18; 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 31, BAGE 146, 161). Die Klage soll, soweit sie neben der Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben wird, klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1071/12 - aaO; 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO).

25

(d) Danach war hier vom Streitgegenstand der Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 das Begehren umfasst festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 nicht aufgelöst wird.

26

(aa) Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 fristlos, hilfsweise „fristgerecht zum nächstmöglichen Termin“ gekündigt. Der Kläger hat mit seiner Klage ausdrücklich die Unwirksamkeit sowohl der fristlosen als auch der ordentlichen Kündigung geltend gemacht. Er hat damit zu verstehen gegeben, dass er sich gegen die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses sowohl zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als auch zum Ablauf der Kündigungsfrist wehre. Dies schließt das Begehren ein, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 hinaus festzustellen.

27

(bb) Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder objektiv ersichtlich, dass der Kläger andere Beendigungstatbestände, die bis zu dem in der Kündigung vom 10. Dezember 2012 vorgesehenen Auflösungstermin Wirksamkeit erlangen könnten, mit der Klage nicht erfassen wollte. Im Gegenteil spricht die Antragsergänzung „… und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht“ gerade für das Verständnis seiner Kündigungsschutzklage im dargestellten Sinne. Der Umstand, dass dem Kläger die Kündigung vom 17. Dezember 2012 bei Erhebung der Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 bereits zugegangen war, verlangt keine andere Würdigung. Der Klagebegründung lassen sich auch angesichts dessen keine Anzeichen dafür entnehmen, der Kläger wolle die weitere Kündigung gegen sich gelten lassen.

28

(3) Eine Kündigungsschutzklage wahrt die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG für eine Folgekündigung, die vor dem oder bis zum Termin der ersten Kündigung wirksam werden soll, jedenfalls dann, wenn der Kläger ihre Unwirksamkeit - wie hier - noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz explizit geltend gemacht und mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG erfasst hat. Dies folgt aus einer analogen Anwendung von § 6 KSchG. Ob ein solcher Antrag dafür tatsächlich erforderlich ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung (bejahend bei einem ursprünglich allgemeinen Feststellungsantrag BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 85, 262; Spinner in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 4 Rn. 105 ff.; ablehnend Gallner FS Wank 2014 S. 117, 125).

29

(a) § 6 KSchG zielt auch in der geltenden Fassung darauf ab, den Arbeitnehmer davor zu bewahren, seinen Kündigungsschutz aus formalen Gründen zu verlieren(BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 35, BAGE 146, 161). Trotz seiner (zu) engen Formulierung ist die Bestimmung weiterhin nicht nur auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe anzuwenden. Die Neufassung des § 6 KSchG sollte der bisherigen Regelung entsprechen und lediglich auf die Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Bedacht nehmen(BT-Drs. 15/1509, 15/1204 S. 13; BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24 mwN). Eine entsprechende Anwendung von § 6 KSchG kommt deshalb - wie schon vor der Gesetzesnovelle - in Betracht, wenn der Arbeitnehmer mit einer Leistungsklage Lohnansprüche oder Weiterbeschäftigung für die Zeit nach Zugang der Kündigung bzw. Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht hat (BAG 15. Mai 2012 - 7 AZR 6/11 - Rn. 23; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 23). Das durch § 4 Satz 1, § 7 KSchG geschützte Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird in diesen Fällen durch die „Verlängerung“ der Anrufungsfrist nicht stärker berührt als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 6 Satz 1 KSchG(BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 36, BAGE 146, 161). Diese Erwägungen treffen auch auf Kündigungen zu, die vom Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage gegen eine frühere Kündigung zwar erfasst, aber nicht schon selbst explizit in den Prozess eingeführt sind. Für Folgekündigungen, die dem Arbeitnehmer schon vor Erhebung der Klage gegen die frühere Kündigung zugegangen sind, gilt nichts Anderes (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 37, aaO). Ein sachlicher Grund, bezüglich ihrer an die Klageanträge des Arbeitnehmers weitergehende Anforderungen zu stellen als bezüglich solcher Kündigungen, die erst während des schon laufenden Rechtsstreits erklärt wurden, ist nicht erkennbar (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO). Die Frage, ob durch einen Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG die Frist zur Klage gegen eine Folgekündigung gewahrt wird, ist auch in diesem Fall danach zu beantworten, ob die weitere Kündigung vom Streitgegenstand der ursprünglichen Klage erfasst wird.

30

(b) Der Kläger hat mit dem Schriftsatz vom 25. Januar 2013 noch in erster Instanz die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 ausdrücklich geltend gemacht und auch insoweit einen dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag angekündigt. Jedenfalls in analoger Anwendung von § 6 KSchG hat er damit die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auch für die fristlose Kündigung vom 17. Dezember 2012 gewahrt. Diese Kündigung war vom Streitgegenstand der Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 bereits erfasst.

31

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, für die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 fehle es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat gegen sie keine Einwände erhoben.

32

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Auffassung des Arbeitsgerichts, für die außerordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 habe kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen, sei zutreffend und gelte auch für die aus demselben Grund ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012.

33

b) Es kann dahinstehen, ob die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 nicht schon als sog. Wiederholungskündigung unwirksam ist. Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 840/12 - Rn. 13; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 37).

34

c) Selbst wenn die fristlose Kündigung vom 17. Dezember 2012 trotz der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts über die fristlose Kündigung vom 10. Dezember 2012 einer eigenen materiellen Überprüfung unterläge, hat die Beklagte Umstände, die es ihr iSv. § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar gemacht hätten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, nicht dargelegt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

35

aa) Zwar kann eine bewusste und gewollte Geschäftsschädigung, die geeignet ist, bei Geschäftspartnern des Arbeitgebers Misstrauen in dessen Zuverlässigkeit hervorzurufen, einen wichtigen Grund zur Kündigung bilden ( BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 41; 6. Februar 1997 -  2 AZR 38/96  - zu II 1 e der Gründe). Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich jedoch nicht, dass die behauptete Äußerung des Klägers eine Geschäftsschädigung mit sich gebracht hätte. Von ihr war nach dem Vortrag der Beklagten nur das Betriebsklima bei der Kundenfirma negativ betroffen. Welche Rückwirkung dies auf ihr Geschäft gehabt habe, hat die Beklagte nicht dargelegt. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht keine Umstände dafür festgestellt, dass dem Kläger der mögliche geschäftsschädigende Charakter seiner Äußerung hätte bewusst sein müssen. Verfahrensrügen hat die Beklagte nicht erhoben.

36

bb) Soweit in den behaupteten Äußerungen des Klägers unabhängig von einer möglichen geschäftsschädigenden Wirkung eine Verletzung seiner Pflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten liegen sollte, weil es erkennbar nicht in deren Interesse liegen konnte, bei den Mitarbeitern ihrer Geschäftspartnerin Unruhe zu erzeugen, wäre eine Abmahnung vorrangig gewesen. Die Pflichtverletzung wäre weder so schwer wiegend, dass auf eine Abmahnung hätte verzichtet werden können, noch ist vorgetragen oder objektiv ersichtlich, dass eine Abmahnung das Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht positiv hätte beeinflussen können.

37

II. Die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 10. Dezember 2012 und 17. Dezember 2012 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien ebenfalls nicht aufgelöst. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, sie seien nicht iSv. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

38

1. Das Landesarbeitsgericht hat die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 zu Recht in die Prüfung einbezogen. Der Streit über ihre Wirksamkeit ist in der Berufungsinstanz angefallen.

39

a) Zwar hat das Arbeitsgericht im Tenor seiner Entscheidung ausgesprochen, das Arbeitsverhältnis sei durch „die Kündigung“ vom 10. Dezember 2012 nicht aufgelöst worden. Falls damit die Unwirksamkeit nicht nur der außerordentlichen, sondern auch der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 10. Dezember 2012 festgestellt worden wäre, wäre dies in Rechtskraft erwachsen. Die Beklagte hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung keine Berufung eingelegt.

40

b) Das Arbeitsgericht hat jedoch in seiner Begründung ausgeführt, auf die Wirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 10. Dezember 2012 komme es nicht an. Das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 aufgelöst worden. Ob es damit den Kündigungsschutzantrag gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 als nicht mehr angefallen erachtet oder ob es angenommen hat, die Klage sei insoweit ohne Weiteres abzuweisen, bedarf keiner Klärung. In beiden Fällen ist die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 aufgrund der Berufung des Klägers Gegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens geworden. Dass das Landesarbeitsgericht ihre Unwirksamkeit nicht noch einmal gesondert im Tenor ausgesprochen hat, ist unschädlich.

41

2. Weder die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 noch die ordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 sind wirksam.

42

a) Die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG. Wie ausgeführt, kann nicht angenommen werden, dass der Kläger die Beklagte bewusst und gewollt hat schädigen wollen. Eine leichtfertige Beunruhigung der Mitarbeiter der Kundenfirma durch entsprechende Äußerungen des Klägers hätte zuvor abgemahnt werden müssen.

43

b) Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 wird auch nicht nach § 7 KSchG fingiert. Der Kläger hat sie - zumindest bei der gebotenen entsprechenden Anwendung von § 6 KSchG - rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angegriffen. Bereits aufgrund der Klage gegen die zum 31. Mai 2013 erklärte Kündigung vom 10. Dezember 2012 war erkennbar, dass der Kläger die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch einen anderen zum selben Termin wirkenden Beendigungstatbestand ebenso wenig hinnehmen wollte.

44

aa) Durch eine Kündigungsschutzklage sind in der Regel auch solche Auflösungstatbestände mit angegriffen, die zu demselben Termin wirken sollen. Eine Klage nach § 4 Satz 1 KSchG ist - wie ausgeführt - auch auf die Feststellung gerichtet, dass zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis noch bestanden hat(BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111; vgl. auch BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - zu III 3 der Gründe, BAGE 7, 36). Dies setzt voraus, dass es bis zu eben diesem Auflösungszeitpunkt - einschließlich seiner selbst - durch keinen anderen Tatbestand geendet hat (ebenso KR/Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 265; zweifelnd KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 393 unter Hinweis auf ArbRBGB/Corts 2. Aufl. § 626 Rn. 273). In einem Kündigungsschutzprozess nach § 4 Satz 1 KSchG wird (auch) darüber gestritten, ob ein Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin sein Ende gefunden hat oder nicht(zur Vorgängerregelung des § 3 Satz 1 KSchG 1951 vgl. BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - aaO). Mit einer Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erstrebt der Arbeitnehmer deshalb der Sache nach die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis über den in der Kündigung vorgesehenen Auflösungstermin hinaus fortbesteht. Dafür spricht nicht zuletzt der Wortlaut der §§ 11 und 12 KSchG. Ihm zufolge „besteht“ nach der einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung „das Arbeitsverhältnis fort“. Einer Kündigungsschutzklage kann demnach trotz ihres grundsätzlich punktuellen Charakters nicht stattgegeben werden, wenn zwar nicht die angegriffene Kündigung, aber ein anderer Beendigungstatbestand das Arbeitsverhältnis zu demselben Termin auflöst; dabei kann dahinstehen, ob die Klage in diesem Fall bereits unzulässig oder ob sie unbegründet ist. Ein Arbeitnehmer, der mit einer Kündigungsschutzklage Erfolg haben will, muss deshalb zugleich nicht nur alle vor dem fraglichen Auflösungszeitpunkt wirkenden, sondern auch alle zum selben Zeitpunkt wirkenden Auflösungstatbestände angreifen. Auch letztere sind damit regelmäßig Streitgegenstand einer Klage nach § 4 Satz 1 KSchG.

45

bb) Danach hat der Kläger die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 - zumindest in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG - rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht. Diese Kündigung sollte zu demselben Termin wirken wie die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012, die ihrerseits mit der ursprünglichen Kündigungsschutzklage schon angegriffen war. Die Beklagte hatte beide Kündigungen fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt erklärt. Dies war beide Male der 31. Mai 2013. Nach Ziff. 5 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 14. August 1998 - dessen Bedingungen in das ab dem 17. August 1999 unbefristete Arbeitsverhältnis übernommen worden waren - galt die maßgebliche gesetzliche Kündigungsfrist. Diese betrug im Zeitpunkt beider Kündigungen gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB fünf Monate zum Monatsende.

46

III. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    F. Löllgen     

        

    Gerschermann    

                 

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. Januar 2014 - 9 Sa 728/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und zweier hilfsweise erklärter ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist die deutsche Zweigniederlassung einer Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts. Der 1971 geborene Kläger war bei ihr seit dem 17. August 1998 als Lagerarbeiter/Kommissionierer im „Importlager West“ beschäftigt. In dem Betrieb wurden Logistikarbeiten für verschiedene Fachzentren der Unternehmensgruppe ausgeführt. Die Beklagte beschäftigte dort etwa 80 Arbeitnehmer.

3

Am 21. November 2012 hielt sich der Kläger bei einer in B ansässigen Kundenfirma auf, um dort für die Beklagte Inventuraufträge durchzuführen. In einer Arbeitspause unterhielt er sich mit den dortigen Arbeitnehmern.

4

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Sie warf dem Kläger vor, sich gegenüber Arbeitnehmern ihrer Kundin geschäftsschädigend über sie geäußert zu haben. Das Kündigungsschreiben wurde am 12. Dezember 2012 um 07:35 Uhr in den Briefkasten der ehemals gemeinsamen Wohnung des Klägers und seiner Ehefrau eingeworfen. Der Kläger arbeitete zunächst im Betrieb der Beklagten weiter.

5

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 19. Dezember 2012 zu.

6

Mit seiner am 21. Dezember 2012 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 10. Dezember 2012 geltend gemacht. Er hat vorgetragen, er habe von der Kündigung erst am 15. Dezember 2012 tatsächlich Kenntnis erlangt. Dem angekündigten Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG war der Halbsatz „… und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht“ angefügt. Mit einem am 25. Januar 2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat der Kläger geltend gemacht, es solle auch die Unwirksamkeit der Kündigung vom 17. Dezember 2012 festgestellt werden. In dem Schriftsatz heißt es:

        

„[…] wird ergänzend zur Klageschrift vom 21.12.2012 vorgetragen, dass der zweite Teil des dort gestellten Feststellungsantrags sich nicht nur auf die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2012 bezieht, sondern ein allgemeiner Feststellungsantrag ist, der auch mögliche weitere Kündigungen abdecken soll. Dieser Feststellungsantrag wurde in den Klageantrag aufgenommen, weil weitere Kündigungen durch den Arbeitgeber zu befürchten waren. Diese Befürchtung hat sich in der Zwischenzeit bewahrheitet.“

7

Der Kläger hat gemeint, die Kündigungen vom 10. und 17. Dezember 2012 seien unwirksam. Für die außerordentlichen Kündigungen fehle es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG. Der Kläger hat bestritten, sich anlässlich seiner Tätigkeit bei der Kundenfirma geschäftsschädigend über die Beklagte geäußert zu haben.

8

Er hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2012 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012 aufgelöst worden ist und auch nicht durch andere Beendigungstatbestände geendet hat.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat dem Kläger vorgeworfen, am 21. November 2012 eine Reihe von Mitarbeitern ihrer Kundin verunsichert zu haben, indem er erklärt habe, die Geschäftsbeziehungen der beiden Firmen würden in der nächsten Zeit beendet, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter der Kundin seien daher gefährdet. Aufgrund dieser Bemerkungen sei eine erhebliche Unruhe entstanden. Dies habe ein Mitarbeiter der Kundin ihrem Logistikleiter am 6. Dezember 2012 mitgeteilt. Die Beklagte hat gemeint, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe spätestens mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 17. Dezember 2012 sein Ende gefunden. Der Kläger habe diese Kündigung nicht rechtzeitig gerichtlich angegriffen.

10

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch „die Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2012“ nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 aufgelöst worden. Einer Entscheidung darüber, ob die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung vom 10. Dezember 2012 wirksam sei, bedürfe es daher nicht.

11

Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis „auch durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012“ nicht aufgelöst worden ist.

12

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe weder aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012 noch aufgrund einer der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 10. und 17. Dezember 2012 geendet. Dass es nicht schon durch die außerordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 aufgelöst worden ist, stand mangels Berufung der Beklagten rechtskräftig fest.

14

I. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Dezember 2012 ist unwirksam.

15

1. Die Wirksamkeit der Kündigung wird nicht gemäß § 7 KSchG fingiert. Der Kläger hat gegen sie rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage erhoben.

16

a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine schriftliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang Klage auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch sie nicht aufgelöst worden ist. Wegen § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung(BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 26, BAGE 146, 161; 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - Rn. 17). Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt diese gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage muss als unbegründet abgewiesen werden (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO; 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - aaO mwN).

17

b) Das Landesarbeitsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 17. Dezember 2012 erneut eigenständig gekündigt und nicht nur die Kündigung vom 10. Dezember 2012 ein weiteres Mal verlautbart (zur Abgrenzung vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 38; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 38). Gegen dieses Verständnis haben die Parteien keine Einwände erhoben. Ob es zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat auch gegen eine als eigenständig zu betrachtende außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 rechtzeitig Klage erhoben.

18

aa) Einen dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag hat der Kläger gegen die Kündigung vom 17. Dezember 2012 allerdings erstmals mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Klagefrist von drei Wochen, die mit dem Zugang des Kündigungsschreibens am 19. Dezember 2012 begann, verstrichen.

19

bb) Dennoch hat der Kläger die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG - zumindest in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG - gewahrt.

20

(1) Dies beruht nicht schon darauf, dass der Kläger innerhalb der Klagefrist einen allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO angekündigt hätte. Ein solcher Antrag ist der gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 gerichteten Klage entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen. Der Kläger hat den Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG zwar ergänzt um den Zusatz „… und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht“ angekündigt. Es wird aus der Klageschrift aber nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um einen eigenen Sachantrag handeln sollte. Der Zusatz war dem Kündigungsschutzantrag unmittelbar angefügt und von diesem optisch nicht abgesetzt. Er konnte ebenso gut als gleichsam redaktionelle Bekräftigung ohne eigenständigen Inhalt zu verstehen sein (vgl. dazu BAG 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B II 3 der Gründe; 16. März 1994 - 8 AZR 97/93 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 76, 148). Ein Hinweis, dass ein allgemeiner Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO gestellt werden solle, ließ sich weder der Klagebegründung noch sonstigen Umständen entnehmen, die dies innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung vom 17. Dezember 2012 deutlich gemacht hätten (vgl. für einen solchen Hinweis vor Zugang einer weiteren Kündigung BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 85, 262). Der Kläger hat erstmals mit der Klageerweiterung vom 25. Januar 2013 und damit nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG mitgeteilt, der Zusatz zu dem mit der Klageschrift angekündigten Feststellungsantrag beziehe sich nicht nur auf die Kündigung vom 10. Dezember 2012, sondern verstehe sich als allgemeiner Feststellungsantrag, der auch mögliche weitere Kündigungen erfassen solle.

21

(2) Stattdessen war bereits aufgrund des Antrags nach § 4 Satz 1 KSchG, der sich gegen die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 richtete, erkennbar, dass der Kläger auch andere Beendigungstatbestände nicht gegen sich gelten lassen wollte, die eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses noch vor oder bis zu dem mit dieser Kündigung angestrebten Termin bewirken könnten. Die Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 konnte nur dann Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis bis zu dem fraglichen Termin auch nicht durch einen anderen Auflösungstatbestand - etwa eine weitere Kündigung - beendet würde. Mit dem gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 gerichteten Antrag wurde damit die Frist für eine Klage gegen die Kündigung vom 17. Dezember 2012 zumindest deshalb gewahrt, weil der Kläger deren Unwirksamkeit noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausdrücklich geltend gemacht und auch sie mit einem § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Klageantrag angegriffen hat.

22

(a) Von einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist regelmäßig auch das Begehren umfasst festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt noch bestanden hat(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1071/12 - Rn. 17; 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 18). Zwar ist Gegenstand und Ziel einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die bestimmte, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Falls der Klage stattgegeben wird, steht aber zugleich fest, dass das Arbeitsverhältnis vor oder bis zu diesem Termin auch nicht aufgrund irgendeines anderen Umstands sein Ende gefunden hat. Die einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebende Entscheidung enthält zugleich die Feststellung, dass zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch bestanden hat(sog. erweiterter punktueller Streitgegenstandsbegriff, vgl. BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111; zur Vorgängerregelung des § 3 Satz 1 KSchG 1951 vgl. BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - zu III 3 der Gründe, BAGE 7, 36). Mit Rechtskraft einer solchen Entscheidung steht fest, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vorgesehenen Auflösungstermin auch nicht durch mögliche andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist, selbst wenn diese von keiner Seite in den Prozess eingeführt wurden (BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - aaO; vgl. auch BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - aaO). Ein Verständnis, wonach Gegenstand des Antrags nach § 4 Satz 1 KSchG lediglich - rein punktuell - die Wirksamkeit der angegriffenen Kündigung ist, würde dem weitergehenden Wortlaut des Gesetzes nicht gerecht und könnte das Ziel der Rechtskraft, Rechtsfrieden herzustellen und Rechtsgewissheit zu schaffen, nicht erreichen(BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - aaO; vgl. auch BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - aaO). Etwas anderes gilt, wenn der Kläger selbst den Gegenstand eines Kündigungsschutzantrags in dieser Weise (konkludent) begrenzt hat und das Gericht auf die Unwirksamkeit einer später wirkenden Kündigung erkennt, ohne dass der Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer früher wirkenden Kündigung bereits rechtskräftig entschieden wäre (vgl. dazu BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 20).

23

(b) Daraus folgt, dass in einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG - für den beklagten Arbeitgeber in der Regel erkennbar - zugleich der Angriff gegen solche Kündigungen liegt, die dem Arbeitnehmer noch während des Laufs der von der ersten Kündigung ausgelösten Auflösungsfrist zugehen und innerhalb dieser Frist oder zeitgleich mit ihrem Ablauf Wirkung entfalten sollen(offen gelassen BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 29, BAGE 146, 161; vgl. auch Gallner FS Wank 2014 S. 117, 124 f.). Ergibt sich weder aus der Klagebegründung noch aus sonstigen Erklärungen des Arbeitnehmers oder in den Rechtsstreit eingeführten Umständen, dass er den Gegenstand der Kündigungsschutzklage auf die Wirksamkeit der konkret angegriffenen Kündigung beschränken will, muss der Arbeitgeber davon ausgehen, der Arbeitnehmer wende sich mit seiner Klage zugleich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch mögliche andere Tatbestände bis zu dem in der angegriffenen Kündigung vorgesehenen Auflösungstermin.

24

(c) Demgegenüber ist Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO die Frage, ob das Arbeitsverhältnis über den durch eine Kündigung bestimmten Auflösungstermin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestanden hat(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1071/12 - Rn. 18; 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 31, BAGE 146, 161). Die Klage soll, soweit sie neben der Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben wird, klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1071/12 - aaO; 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO).

25

(d) Danach war hier vom Streitgegenstand der Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 das Begehren umfasst festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 nicht aufgelöst wird.

26

(aa) Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 fristlos, hilfsweise „fristgerecht zum nächstmöglichen Termin“ gekündigt. Der Kläger hat mit seiner Klage ausdrücklich die Unwirksamkeit sowohl der fristlosen als auch der ordentlichen Kündigung geltend gemacht. Er hat damit zu verstehen gegeben, dass er sich gegen die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses sowohl zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als auch zum Ablauf der Kündigungsfrist wehre. Dies schließt das Begehren ein, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 hinaus festzustellen.

27

(bb) Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder objektiv ersichtlich, dass der Kläger andere Beendigungstatbestände, die bis zu dem in der Kündigung vom 10. Dezember 2012 vorgesehenen Auflösungstermin Wirksamkeit erlangen könnten, mit der Klage nicht erfassen wollte. Im Gegenteil spricht die Antragsergänzung „… und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht“ gerade für das Verständnis seiner Kündigungsschutzklage im dargestellten Sinne. Der Umstand, dass dem Kläger die Kündigung vom 17. Dezember 2012 bei Erhebung der Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 bereits zugegangen war, verlangt keine andere Würdigung. Der Klagebegründung lassen sich auch angesichts dessen keine Anzeichen dafür entnehmen, der Kläger wolle die weitere Kündigung gegen sich gelten lassen.

28

(3) Eine Kündigungsschutzklage wahrt die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG für eine Folgekündigung, die vor dem oder bis zum Termin der ersten Kündigung wirksam werden soll, jedenfalls dann, wenn der Kläger ihre Unwirksamkeit - wie hier - noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz explizit geltend gemacht und mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG erfasst hat. Dies folgt aus einer analogen Anwendung von § 6 KSchG. Ob ein solcher Antrag dafür tatsächlich erforderlich ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung (bejahend bei einem ursprünglich allgemeinen Feststellungsantrag BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 85, 262; Spinner in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 4 Rn. 105 ff.; ablehnend Gallner FS Wank 2014 S. 117, 125).

29

(a) § 6 KSchG zielt auch in der geltenden Fassung darauf ab, den Arbeitnehmer davor zu bewahren, seinen Kündigungsschutz aus formalen Gründen zu verlieren(BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 35, BAGE 146, 161). Trotz seiner (zu) engen Formulierung ist die Bestimmung weiterhin nicht nur auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe anzuwenden. Die Neufassung des § 6 KSchG sollte der bisherigen Regelung entsprechen und lediglich auf die Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Bedacht nehmen(BT-Drs. 15/1509, 15/1204 S. 13; BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24 mwN). Eine entsprechende Anwendung von § 6 KSchG kommt deshalb - wie schon vor der Gesetzesnovelle - in Betracht, wenn der Arbeitnehmer mit einer Leistungsklage Lohnansprüche oder Weiterbeschäftigung für die Zeit nach Zugang der Kündigung bzw. Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht hat (BAG 15. Mai 2012 - 7 AZR 6/11 - Rn. 23; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 23). Das durch § 4 Satz 1, § 7 KSchG geschützte Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird in diesen Fällen durch die „Verlängerung“ der Anrufungsfrist nicht stärker berührt als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 6 Satz 1 KSchG(BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 36, BAGE 146, 161). Diese Erwägungen treffen auch auf Kündigungen zu, die vom Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage gegen eine frühere Kündigung zwar erfasst, aber nicht schon selbst explizit in den Prozess eingeführt sind. Für Folgekündigungen, die dem Arbeitnehmer schon vor Erhebung der Klage gegen die frühere Kündigung zugegangen sind, gilt nichts Anderes (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 37, aaO). Ein sachlicher Grund, bezüglich ihrer an die Klageanträge des Arbeitnehmers weitergehende Anforderungen zu stellen als bezüglich solcher Kündigungen, die erst während des schon laufenden Rechtsstreits erklärt wurden, ist nicht erkennbar (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - aaO). Die Frage, ob durch einen Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG die Frist zur Klage gegen eine Folgekündigung gewahrt wird, ist auch in diesem Fall danach zu beantworten, ob die weitere Kündigung vom Streitgegenstand der ursprünglichen Klage erfasst wird.

30

(b) Der Kläger hat mit dem Schriftsatz vom 25. Januar 2013 noch in erster Instanz die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 ausdrücklich geltend gemacht und auch insoweit einen dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag angekündigt. Jedenfalls in analoger Anwendung von § 6 KSchG hat er damit die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auch für die fristlose Kündigung vom 17. Dezember 2012 gewahrt. Diese Kündigung war vom Streitgegenstand der Klage gegen die Kündigung vom 10. Dezember 2012 bereits erfasst.

31

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, für die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 fehle es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat gegen sie keine Einwände erhoben.

32

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Auffassung des Arbeitsgerichts, für die außerordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 habe kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen, sei zutreffend und gelte auch für die aus demselben Grund ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012.

33

b) Es kann dahinstehen, ob die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 nicht schon als sog. Wiederholungskündigung unwirksam ist. Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 840/12 - Rn. 13; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 37).

34

c) Selbst wenn die fristlose Kündigung vom 17. Dezember 2012 trotz der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts über die fristlose Kündigung vom 10. Dezember 2012 einer eigenen materiellen Überprüfung unterläge, hat die Beklagte Umstände, die es ihr iSv. § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar gemacht hätten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, nicht dargelegt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

35

aa) Zwar kann eine bewusste und gewollte Geschäftsschädigung, die geeignet ist, bei Geschäftspartnern des Arbeitgebers Misstrauen in dessen Zuverlässigkeit hervorzurufen, einen wichtigen Grund zur Kündigung bilden ( BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 41; 6. Februar 1997 -  2 AZR 38/96  - zu II 1 e der Gründe). Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich jedoch nicht, dass die behauptete Äußerung des Klägers eine Geschäftsschädigung mit sich gebracht hätte. Von ihr war nach dem Vortrag der Beklagten nur das Betriebsklima bei der Kundenfirma negativ betroffen. Welche Rückwirkung dies auf ihr Geschäft gehabt habe, hat die Beklagte nicht dargelegt. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht keine Umstände dafür festgestellt, dass dem Kläger der mögliche geschäftsschädigende Charakter seiner Äußerung hätte bewusst sein müssen. Verfahrensrügen hat die Beklagte nicht erhoben.

36

bb) Soweit in den behaupteten Äußerungen des Klägers unabhängig von einer möglichen geschäftsschädigenden Wirkung eine Verletzung seiner Pflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten liegen sollte, weil es erkennbar nicht in deren Interesse liegen konnte, bei den Mitarbeitern ihrer Geschäftspartnerin Unruhe zu erzeugen, wäre eine Abmahnung vorrangig gewesen. Die Pflichtverletzung wäre weder so schwer wiegend, dass auf eine Abmahnung hätte verzichtet werden können, noch ist vorgetragen oder objektiv ersichtlich, dass eine Abmahnung das Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht positiv hätte beeinflussen können.

37

II. Die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 10. Dezember 2012 und 17. Dezember 2012 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien ebenfalls nicht aufgelöst. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, sie seien nicht iSv. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

38

1. Das Landesarbeitsgericht hat die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 zu Recht in die Prüfung einbezogen. Der Streit über ihre Wirksamkeit ist in der Berufungsinstanz angefallen.

39

a) Zwar hat das Arbeitsgericht im Tenor seiner Entscheidung ausgesprochen, das Arbeitsverhältnis sei durch „die Kündigung“ vom 10. Dezember 2012 nicht aufgelöst worden. Falls damit die Unwirksamkeit nicht nur der außerordentlichen, sondern auch der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 10. Dezember 2012 festgestellt worden wäre, wäre dies in Rechtskraft erwachsen. Die Beklagte hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung keine Berufung eingelegt.

40

b) Das Arbeitsgericht hat jedoch in seiner Begründung ausgeführt, auf die Wirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 10. Dezember 2012 komme es nicht an. Das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 aufgelöst worden. Ob es damit den Kündigungsschutzantrag gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 als nicht mehr angefallen erachtet oder ob es angenommen hat, die Klage sei insoweit ohne Weiteres abzuweisen, bedarf keiner Klärung. In beiden Fällen ist die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 aufgrund der Berufung des Klägers Gegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens geworden. Dass das Landesarbeitsgericht ihre Unwirksamkeit nicht noch einmal gesondert im Tenor ausgesprochen hat, ist unschädlich.

41

2. Weder die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012 noch die ordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2012 sind wirksam.

42

a) Die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG. Wie ausgeführt, kann nicht angenommen werden, dass der Kläger die Beklagte bewusst und gewollt hat schädigen wollen. Eine leichtfertige Beunruhigung der Mitarbeiter der Kundenfirma durch entsprechende Äußerungen des Klägers hätte zuvor abgemahnt werden müssen.

43

b) Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 wird auch nicht nach § 7 KSchG fingiert. Der Kläger hat sie - zumindest bei der gebotenen entsprechenden Anwendung von § 6 KSchG - rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angegriffen. Bereits aufgrund der Klage gegen die zum 31. Mai 2013 erklärte Kündigung vom 10. Dezember 2012 war erkennbar, dass der Kläger die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch einen anderen zum selben Termin wirkenden Beendigungstatbestand ebenso wenig hinnehmen wollte.

44

aa) Durch eine Kündigungsschutzklage sind in der Regel auch solche Auflösungstatbestände mit angegriffen, die zu demselben Termin wirken sollen. Eine Klage nach § 4 Satz 1 KSchG ist - wie ausgeführt - auch auf die Feststellung gerichtet, dass zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis noch bestanden hat(BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111; vgl. auch BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - zu III 3 der Gründe, BAGE 7, 36). Dies setzt voraus, dass es bis zu eben diesem Auflösungszeitpunkt - einschließlich seiner selbst - durch keinen anderen Tatbestand geendet hat (ebenso KR/Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 265; zweifelnd KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 393 unter Hinweis auf ArbRBGB/Corts 2. Aufl. § 626 Rn. 273). In einem Kündigungsschutzprozess nach § 4 Satz 1 KSchG wird (auch) darüber gestritten, ob ein Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin sein Ende gefunden hat oder nicht(zur Vorgängerregelung des § 3 Satz 1 KSchG 1951 vgl. BAG 13. November 1958 - 2 AZR 573/57 - aaO). Mit einer Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erstrebt der Arbeitnehmer deshalb der Sache nach die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis über den in der Kündigung vorgesehenen Auflösungstermin hinaus fortbesteht. Dafür spricht nicht zuletzt der Wortlaut der §§ 11 und 12 KSchG. Ihm zufolge „besteht“ nach der einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung „das Arbeitsverhältnis fort“. Einer Kündigungsschutzklage kann demnach trotz ihres grundsätzlich punktuellen Charakters nicht stattgegeben werden, wenn zwar nicht die angegriffene Kündigung, aber ein anderer Beendigungstatbestand das Arbeitsverhältnis zu demselben Termin auflöst; dabei kann dahinstehen, ob die Klage in diesem Fall bereits unzulässig oder ob sie unbegründet ist. Ein Arbeitnehmer, der mit einer Kündigungsschutzklage Erfolg haben will, muss deshalb zugleich nicht nur alle vor dem fraglichen Auflösungszeitpunkt wirkenden, sondern auch alle zum selben Zeitpunkt wirkenden Auflösungstatbestände angreifen. Auch letztere sind damit regelmäßig Streitgegenstand einer Klage nach § 4 Satz 1 KSchG.

45

bb) Danach hat der Kläger die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 17. Dezember 2012 - zumindest in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG - rechtzeitig innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht. Diese Kündigung sollte zu demselben Termin wirken wie die ordentliche Kündigung vom 10. Dezember 2012, die ihrerseits mit der ursprünglichen Kündigungsschutzklage schon angegriffen war. Die Beklagte hatte beide Kündigungen fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt erklärt. Dies war beide Male der 31. Mai 2013. Nach Ziff. 5 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 14. August 1998 - dessen Bedingungen in das ab dem 17. August 1999 unbefristete Arbeitsverhältnis übernommen worden waren - galt die maßgebliche gesetzliche Kündigungsfrist. Diese betrug im Zeitpunkt beider Kündigungen gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB fünf Monate zum Monatsende.

46

III. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    F. Löllgen     

        

    Gerschermann    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

15

1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

16

2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

17

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Januar 2010 - 9 Sa 1913/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit September 2001 als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 15. Oktober 1991 (MDK-T) Anwendung. Die Beklagte rechnete der Klägerin nach § 14 MDK-T eine Vorbeschäftigungszeit seit Januar 1991 an. Die Klägerin war deshalb gem. § 34 Abs. 1 MDK-T nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

3

Bei der Beklagten besteht eine Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit. Die Mitarbeiter, die an der Gleitzeit teilnehmen, können danach in der Zeit von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen. Nach Nr. VII der Dienstvereinbarung sind von jedem Mitarbeiter Beginn und Ende der Anwesenheitszeit minutengenau zu dokumentieren. Dies geschieht durch Eingabe in ein elektronisches Zeiterfassungssystem mit Hilfe des PCs am Arbeitsplatz. Nach § 12 Abs. 9 MDK-T beginnt und endet die Arbeitszeit „an der Arbeitsstelle“. Unter Nr. IX der Dienstvereinbarung heißt es zu „Unregelmäßigkeiten und Missbrauch“:

        

„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die in dieser Dienstvereinbarung und den Verwaltungsanordnungen enthaltenen Grundsätze und Bestimmungen nicht einhalten, können mit Zustimmung der Personalvertretung von der GLAZ ausgeschlossen werden.

        

Jedes bewusste Unterlassen der Zeiterfassung oder jede sonstige Manipulation des Zeiterfassungsverfahrens stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die mit dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen dar. Der Missbrauch hat grundsätzlich disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Folge.“

4

Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen „Arbeitszeitbetrugs“ im Zeitraum vom 26. Mai bis 2. Juni 2008, zumindest wegen eines entsprechenden Verdachts außerordentlich.

5

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Arbeitszeit beginne jeweils bereits dann, wenn sie die Parkplatzeinfahrt durchfahren habe. Sie hat behauptet, es habe keine Anweisung bestanden, dass maßgeblich die Uhr im Eingangsbereich sei. Sie habe häufig viel Zeit mit der Suche nach einem Parkplatz verbracht, für 50 Mitarbeiter hätten nur 27 Parkplätze zur Verfügung gestanden.

6

Die Klägerin hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 nicht beendet wird;

        

2.    

im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat in den Rechtsstreit weitere fehlerhafte Arbeitszeitabrechnungen der Klägerin für den 3. und 4. Juni 2008 eingeführt. Sie hat behauptet, die Klägerin habe an der gleitenden Arbeitszeit teilgenommen und an insgesamt sieben Arbeitstagen jeweils mindestens 13 Minuten, an einigen Tagen sogar mehr als 20 Minuten als Arbeitszeiten dokumentiert, obwohl sie noch nicht im Betrieb gewesen sei oder den Betrieb bereits verlassen hätte.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

10

I. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. Juni 2008 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst.

11

1. Ein wichtiger Grund iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T, § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

12

a) Das Arbeitsverhältnis eines nach § 34 Abs. 1 MDK-T ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der Begriff des wichtigen Grundes iSv. § 34 Abs. 1 MDK-T ist inhaltsgleich mit dem des § 626 Abs. 1 BGB(BAG 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 16, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, NZA 2010, 1227; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist. Bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ist dabei auf die „fiktive“ Kündigungsfrist abzustellen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 24).

13

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Verhalten der Klägerin rechtfertige an sich eine außerordentliche Kündigung.

14

aa) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264). Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch (BAG 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 832/98 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 51 = EzA BGB § 123 Nr. 53). Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - aaO). Nicht anders zu bewerten ist es, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).

15

bb) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe für den 26., 27., 28. und 29. Mai, sowie den 2., 3. und 4. Juni 2008 jeweils mindestens 13 Minuten, einmal 28 Minuten - insgesamt 135 Minuten - vorsätzlich fehlerhaft zu Lasten der Beklagten als Arbeitszeiten in der Zeiterfassung dokumentiert. Angesichts der nicht unerheblichen Abweichungen zwischen den angegebenen Arbeitszeiten und dem tatsächlichen Betreten des Dienstgebäudes könne es sich bei den Falschangaben nicht nur um fahrlässiges Handeln oder ein Versehen gehandelt haben. Die Klägerin habe im Zeitraum der Beobachtung täglich und damit systematisch fehlerhafte Angaben gemacht. Dabei sei zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass die Uhr im Eingangsbereich im Einzelfall um einige Minuten falsch gegangen sein könnte. Ihr Vorbringen zu einer rechtlichen Information von dritter Seite über Beginn und Ende der zu dokumentierenden Anwesenheitszeit sei nicht geeignet, ihren Vorsatz in Frage zu stellen. So erklärten sich die Arbeitszeitdifferenzen von 15 bis zu 28 Minuten selbst dann nicht, wenn man mit der Klägerin das Durchfahren der Parkplatzeinfahrt zu Tagesbeginn und -ende als maßgeblich zugrunde lege.

16

cc) Gegen diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Fehlverhaltens der Klägerin als vorsätzlich lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21, NZA 2011, 571; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Zwar war in der Dienstvereinbarung keine Definition enthalten, wann die zu dokumentierende Anwesenheitszeit beginnt bzw. endet, und auch der Begriff der „Arbeitsstelle“ in § 12 Abs. 9 MDK-T ist auslegungsfähig. Hierauf kam es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aber nicht an, da die Angaben der Klägerin selbst bei weitest möglichem Begriffsverständnis nicht zu erklären seien.

17

c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei im Streitfall entbehrlich gewesen, und seine weitere Interessenabwägung sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, NZA 2010, 1227). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, NZA 2011, 571; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33 mwN, aaO).

19

bb) Eine Abmahnung war demnach im Streitfall entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht schon deswegen entbehrlich, weil das Fehlverhalten der Klägerin den Vertrauensbereich betrifft. Seine Entscheidung erweist sich im Ergebnis aber als richtig, da eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Beklagte offensichtlich - auch für die Klägerin erkennbar - ausgeschlossen war.

20

Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu Lasten der Beklagten an mehreren Tagen hintereinander systematisch und vorsätzlich um jeweils mindestens 13 Minuten - insgesamt 135 Minuten - falsche Arbeitszeiten angegeben und damit in beträchtlichem Umfang über die erbrachte Arbeitszeit zu täuschen versucht. Dieses auf Heimlichkeit angelegte, vorsätzliche und systematische Fehlverhalten wiegt besonders schwer. Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, andere Mitarbeiter hätten sie ohne Weiteres beobachten können, wenn sie noch in ihrem Pkw saß, um zu rauchen oder auf ihre Tochter zu warten, ändert dies nichts daran, dass ihre Falschangaben bei der Arbeitszeiterfassung nicht offen erfolgten. Aus den angegeben Arbeitszeiten als solchen ließ sich nicht ersehen, dass sie nicht korrekt waren. Die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage erscheint angesichts dessen auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar. Eine Hinnahme des vorsätzlichen und systematischen Fehlverhaltens durch die Beklagte war - auch für die Klägerin erkennbar - aufgrund der Schwere ihrer Pflichtverletzung unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen.

21

cc) Auch im Übrigen hält die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

22

(1) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, NZA 2010, 1227; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39).

23

(2) Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des durch sie bewirkten Vertrauensverlusts war es der Beklagten nicht zumutbar, die Klägerin auch nur bis zum Ablauf einer „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Die längste ordentliche Kündigungsfrist hätte nach § 33 MDK-T zwölf Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres betragen. Auch die langjährige unbeanstandete Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut 17 Jahren, ihr Alter sowie die von ihr angegebene Unterhaltspflicht für eine Person führen angesichts des mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruchs nicht zu einer Interessenabwägung zu ihren Gunsten. Die Klägerin hat nicht nur einmal in etwa nur geringem Umfang, sondern an sieben Arbeitstagen hintereinander systematisch und vorsätzlich ihre Arbeitszeit im Umfang von jeweils 13 bis 28 Minuten zu Lasten der Beklagten falsch angegeben. Die Störung des Vertrauensverhältnisses durch ihren Täuschungsversuch wiegt besonders schwer, und zwar unabhängig davon, ob eine Wiederholungsgefahr dadurch ausgeschlossen werden könnte, dass die Klägerin aus der Gleitzeit herausgenommen würde. Das Verschulden der Klägerin ist so erheblich, dass es der Beklagten nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist fortzusetzen. Aus Nr. IX der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit lässt sich nicht etwa die Abrede entnehmen, ein Missbrauch könne allenfalls zu einer Herausnahme des Arbeitnehmers aus der gleitenden Arbeitszeit führen. Dort ist vielmehr für diesen Fall ausdrücklich auf die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Schritte hingewiesen.

24

2. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt und den Personalrat ordnungsgemäß angehört. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

25

II. Der Weiterbeschäftigungsantrag für die Dauer des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Der Rechtsstreit ist abgeschlossen.

26

III. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Roeckl    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. November 2011 - 5 Sa 467/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 2. Februar 2011 - 2 Ca 1411/10 - hinsichtlich der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 6. Oktober 2010 zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienstleistungen auf dem Gebiet der Versicherungswirtschaft an. Die 1965 geborene Klägerin war bei ihr seit März 2001 als Firmenkundenberaterin tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme ein zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Haustarifvertrag Anwendung.

3

Der Ehemann der Klägerin war seit Anfang 1999 bei der Beklagten in unterschiedlichen Führungspositionen beschäftigt. Seine Arbeitszeit richtete sich laut Arbeitsvertrag „nach den Erfordernissen, der Funktion und den übertragenen Aufgaben“. Im Jahr 2009 entband die Beklagte ihn von seinen Leitungsaufgaben. In einem Personalgespräch äußerte sie die Erwartung, dass er künftig „sein geringes Engagement durch Einsatz und Leistungsbereitschaft vergessen“ mache. Er habe seine neue Aufgabe als „Fulltime-Job“ zu begreifen; seine Arbeitszeit beginne fortan „grundsätzlich um 8.00 Uhr“ an ihrem Hauptsitz. Sie erwarte, dass er sich seinen Aufgaben mindestens acht Stunden am Tag widme. Einen hierüber gefertigten Vermerk zeichnete der Ehemann der Klägerin ab. Anfang Dezember führte die Beklagte ein Zeiterfassungssystem ein. Sie wies beide Eheleute an, ihre Arbeitszeit durch dessen Benutzung zu dokumentieren.

4

In der Woche vom 20. bis zum 24. September 2010 erschien die Klägerin jeweils kurz vor 8.00 Uhr im Betrieb am Hauptsitz der Beklagten. Sie bediente jedes Mal das Zeiterfassungsterminal für sich selbst und - mit dessen Stempelkarte - auch für ihren Ehemann. Daraufhin betrat sie das Büro ihres Mannes und schaltete Licht und Computer an. Anschließend begab sie sich an ihren eigenen Arbeitsplatz. Ihr Ehemann erschien jeweils zwischen 18 und 20 Minuten später im Betrieb. In das Dienstgebäude gelangte er an einzelnen Tagen durch einen Nebeneingang. Ein Zeiterfassungsgerät war dort nicht angebracht.

5

Mit Schreiben vom 27. September 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Anhörung des Betriebsrats - fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2011. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe am 20., 21. und 22. September 2010 unter Verwendung der Stempelkarte ihres Ehemannes einen „Arbeitszeitbetrug“ zu dessen Gunsten begangen. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2011. Darin wiederholte sie den Vorwurf, die Klägerin habe sie gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann - dem gegenüber sie gleichfalls gekündigt hatte - mehrfach über dessen Arbeitszeit getäuscht. Sie verwies darauf, die Klägerin habe die Stempelkarte ihres Ehemannes auch am 23. und 24. September 2010 benutzt.

6

Die Klägerin hat mit ihrer am 15. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klageschrift den Antrag (Nr. 1) angekündigt „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch hilfsweise ordentlich erklärte Kündigung der Beklagten vom 27.09.2010 seine Beendigung findet, sondern unverändert fortbesteht“. Daneben hat sie für den Fall des Obsiegens mit diesem Begehren einen Antrag (Nr. 2) auf vorläufige Weiterbeschäftigung angebracht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der letzte Halbsatz des Feststellungsbegehrens enthalte eine allgemeine Feststellungsklage. Sie könne nicht ausschließen, dass sich die Beklagte für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf weitere Beendigungstatbestände als die Kündigung vom 27. September 2010 berufe.

7

In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 2. Februar 2011 hat die Beklagte das Kündigungsschreiben vom 6. Oktober 2010 zur Gerichtsakte gereicht. Die Klägerin hat sodann einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG gegen die darin erklärte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung gestellt. Anschließend haben die Parteien den Rechtsstreit wegen des Weiterbeschäftigungsantrags übereinstimmend für erledigt erklärt. Grund hierfür war, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 erneut gekündigt hatte. Dagegen hat die Klägerin in einem getrennten Verfahren Kündigungsschutzklage erhoben.

8

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigungen vom 27. September 2010 und 6. Oktober 2010, die sie mit ihrer vorliegenden Klage rechtzeitig angegriffen habe, seien unwirksam. Kündigungsgründe lägen nicht vor. Der Vorwurf, sie habe sich an einem „Arbeitszeitbetrug“ ihres Ehemannes beteiligt, treffe schon deshalb nicht zu, weil dieser gegenüber der Beklagten an feste Arbeitszeiten nicht gebunden gewesen sei. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Auch habe die Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. September 2010, noch durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Oktober 2010 aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien wirksam. Die Klägerin habe an verschiedenen Tagen in kollusivem Zusammenwirken mit ihrem Ehemann bewusst Arbeitszeiten vorgespiegelt, die dieser tatsächlich nicht geleistet habe. Unabhängig davon werde die Wirksamkeit der Kündigung vom 6. Oktober 2010 nach § 7 KSchG fingiert. Das betreffende Schreiben sei noch an diesem Tag in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen worden. Der in der Klageschrift angekündigte allgemeine Feststellungsantrag habe die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG nicht gewahrt.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht lediglich hinsichtlich des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung vom 6. Oktober 2010 zugelassenen Revision beantragt die Beklagte, die Klage insoweit abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist zulässig (A.) und begründet (B.). Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

13

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist nicht über den Umfang ihrer Zulassung hinaus eingelegt worden. Die Beklagte hat sie ordnungsgemäß begründet.

14

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Wirksamkeit der fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 6. Oktober 2010. Die Revision ist nur insoweit zugelassen und eingelegt worden. Soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 27. September 2010 für unwirksam erachtet hat, ist sein Urteil rechtskräftig.

15

1. Das Bundesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Beklagten die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts „hinsichtlich der Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Oktober 2010“ zugelassen. „Im Übrigen“ hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Die Zulassung erfasst folglich - nach Tenor und Begründung des Beschlusses - nicht die Entscheidung über die Kündigung(en) vom 27. September 2010.

16

2. Die Revision wendet sich dementsprechend nur gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit der Kündigung(en) vom 6. Oktober 2010. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich einen unbeschränkten Revisionsantrag angekündigt. Schon die Revisionsbegründung setzt sich aber nur mit der Entscheidung zu diesen Kündigung(en) auseinander. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte überdies erklärt, die Revision werde „nicht über den Umfang ihrer Zulassung hinaus“ erhoben.

17

3. Die damit einhergehende Rechtskraft des Berufungsurteils hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 27. September 2010 steht dieser Würdigung nicht entgegen. Mit ihr ist nicht bindend festgestellt, dass im Zeitpunkt des Ablaufs der für diese Kündigung maßgebenden Frist - am 31. März 2011 - ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat und deshalb die Revision der Beklagten, mit der diese eine frühere Beendigung erreichen möchte, von vorneherein ohne Erfolg bleiben müsste. Dabei kommt es nicht darauf an, wie weit die Rechtskraft einer stattgebenden Entscheidung über einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG generell reicht. Die Frage, ob und ggf. wann das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung vom 6. Oktober 2010 aufgelöst worden ist, war nicht Streitgegenstand der gegen die Kündigung vom 27. September 2010 erhobenen Klage.

18

a) Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 13 mwN; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111).

19

b) Ob die einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebende Entscheidung zugleich die Feststellung enthält, dass das Arbeitsverhältnis auch zum vorgesehenen Auflösungstermin noch bestanden hat und nicht durch ein zeitlich früher wirkendes Ereignis aufgelöst worden ist(in diesem Sinne BAG 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111; die Frage für mehrere zum gleichen Termin wirkende Kündigungen offenlassend: BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 46, BAGE 131, 155), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Zwar schließt im Verhältnis der Parteien zueinander die Rechtskraft einer Entscheidung gemäß § 322 ZPO eine von ihr abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren grundsätzlich aus(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 13; 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 19). Eine solche Kollision tritt aber nicht ein, wenn der Gegenstand der Kündigungsschutzklage auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt worden ist und damit die Frage, ob auch noch im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, gerade nicht Streitgegenstand der betreffenden Klage war (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 14 mwN; 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166). Von einer solchen Beschränkung des Gegenstands der Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 27. September 2010 ist auszugehen.

20

aa) Die Klägerin hat gegen sämtliche Kündigungen in den Schreiben der Beklagten vom 27. September 2010 und 6. Oktober 2010 Klage erhoben. Im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat sie ihre Anträge nebeneinander zur Entscheidung gestellt. Die Beklagte hat jeweils Klageabweisung beantragt. Das spricht dafür, dass schon die Klägerin die Kündigungen unabhängig voneinander auf ihre Wirksamkeit überprüft wissen wollte. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Antragsverständnis seiner Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt, weil es trotz der Möglichkeit der Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde und deren nach Anträgen unterschiedlichen Erfolgs über sämtliche Kündigungen gleichzeitig entschieden hat.

21

bb) Jedenfalls ist das Bundesarbeitsgericht im Rahmen seines Zulassungsbeschlusses ersichtlich von diesem Antragsverständnis und der entsprechenden Eingrenzung des Gegenstands der Klage gegen „die Kündigung vom 27. September 2010“ ausgegangen. Die Zulassung der Revision nur für den Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung(en) vom 6. Oktober 2010 wäre unverständlich, wenn aus seiner Sicht dieser Streit nicht aus dem Gegenstand der Klage gegen die ordentliche Kündigung vom 27. September 2010 „ausgeklammert“ worden wäre. Dieses Antragsverständnis ist deshalb auch dem vorliegenden Revisionsverfahren zugrunde zu legen.

22

II. Die im eingelegten Umfang statthafte Revision ist auch ansonsten zulässig. Die Beklagte hat ihr Rechtsmittel ordnungsgemäß begründet. Unschädlich ist, dass sich die Revisionsbegründung nicht mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Fehlen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung vom 6. Oktober 2010 und dem Fehlen der sozialen Rechtfertigung der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung auseinandersetzt. Die Beklagte rügt, das Landesarbeitsgericht habe die gegen „die Kündigung vom 6. Oktober 2010“ gerichtete Klage nicht iSv. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG als rechtzeitig erhoben ansehen dürfen. Es habe deshalb bereits die fristlose Kündigung wegen § 7 KSchG als von Anfang an wirksam erachten müssen. Die Rüge ist - ihre Berechtigung unterstellt - geeignet, die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Umfang der Anfechtung insgesamt zu Fall zu bringen. Das ist ausreichend.

23

B. Die Revision ist begründet.

24

I. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage gegen die fristlose Kündigung vom 6. Oktober 2010 mit der von ihm gegebenen Begründung nicht stattgeben. Zwar gilt die Kündigung nicht gemäß § 7 KSchG als wirksam. Die Klägerin hat die dreiwöchige Frist zur Klageerhebung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG) nicht versäumt (1.). Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen aber nicht das von ihm gefundene Ergebnis, ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB liege nicht vor(2.).

25

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der Fiktion des § 7 KSchG mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 6. Oktober 2010 geendet. Die Klägerin hat die Frist des § 4 Satz 1 KSchG durch den mit der Klageschrift angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag und ihre im Termin vom 2. Februar 2011 abgegebenen Prozesserklärungen gewahrt.

26

a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus „anderen Gründen“ rechtsunwirksam, muss er gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die betreffende Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Aufgrund der Verweisung in § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt diese Frist auch für die Klage gegen eine außerordentliche Kündigung(BAG 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - Rn. 17). Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt diese gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage muss deshalb als unbegründet abgewiesen werden (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 403/07 - aaO mwN).

27

b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe die Kündigung vom 6. Oktober 2010 - hinsichtlich beider darin enthaltener Kündigungserklärungen - mit einer Klage nach § 13 Abs. 1 Satz 2, § 4 Satz 1 KSchG gesondert angreifen müssen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 6. Oktober 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut und eigenständig gekündigt und nicht etwa die vorangegangene Kündigung vom 27. September 2010 lediglich ein weiteres Mal verlautbart (zur Abgrenzung vgl. BAG 22. März 2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 38; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 38). Gegen ein Verständnis der Erklärungen als eine einzige fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung spricht schon, dass sich die Beklagte in den betreffenden Kündigungsschreiben auf zwar gleichartige, aber an unterschiedlichen Tagen begangene Pflichtverletzungen der Klägerin und damit auf unterschiedliche Kündigungssachverhalte beruft.

28

c) Einen dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag hat die Klägerin bezogen auf die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 6. Oktober 2010 erstmals im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 2. Februar 2011 gestellt. Zuvor war die Kündigung überdies von keiner der Parteien konkret angesprochen worden. Das Landesarbeitsgericht hat ferner angenommen, am 2. Februar 2011 seien bereits mehr als drei Wochen seit Zugang der Kündigung verstrichen gewesen - ohne allerdings den Zeitpunkt des Zugangs exakt festzustellen. Auch unter diesen Umständen ist die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats zum erweiterten Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage (etwa BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B I 2 der Gründe; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 30 mwN) enthält - wie erwähnt - die der Kündigungsschutzklage stattgebende Entscheidung in der Regel zugleich die Feststellung, dass im maßgebenden Auflösungstermin zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Arbeitgeber kann sich dann in einem späteren Prozess nicht darauf berufen, das Arbeitsverhältnis sei bereits zuvor aufgrund anderer Beendigungstatbestände aufgelöst worden. Er ist, wenn er diese Rechtsfolge vermeiden will, gehalten, den anderen - etwa in den Lauf der Kündigungsfrist fallenden - Beendigungstatbestand von sich aus in den Kündigungsrechtsstreit einzuführen. Dem würde es entsprechen, umgekehrt in der Klage gegen eine erste Kündigung zugleich den - fristwahrenden - Angriff gegen solche späteren Kündigungen zu erblicken, die dem Arbeitnehmer noch während des Laufs der von der ersten Kündigung ausgelösten Frist zugehen und innerhalb dieser Frist Wirkung entfalten sollen.

30

bb) Im Streitfall kommt es hierauf nicht an. Die Klägerin hat mit ihrer am 15. Oktober 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage neben dem gegen die Kündigung vom 27. September 2010 gerichteten - punktuellen - Antrag zugleich einen allgemeinen Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gestellt. Zumindest dieser Antrag reichte - in Verbindung mit dem im Termin vom 2. Februar 2011 gestellten Antrag - aus, um hinsichtlich der Kündigung(en) vom 6. Oktober 2010 den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern.

31

(1) Ein Arbeitnehmer kann neben der gegen eine bestimmte Kündigung gerichteten Klage nach § 4 Satz 1 KSchG eine Klage nach § 256 ZPO gerichtet auf die Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den Kündigungsendtermin hinaus fortbestehe. Er macht auf diese Weise zwei selbständige prozessuale Ansprüche geltend. Diese kann er gemäß § 260 ZPO in einer Klage verbinden(BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B I 2 der Gründe; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 622/01 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 103, 84). Gegenstand der Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die konkrete, mit dieser Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin(sog. punktueller Streitgegenstand, vgl. BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - aaO; 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - zu B II 2 b (1) der Gründe). Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über diesen Termin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Erfasst von ihr sind deshalb alle nach dem Vortrag der Parteien in Betracht kommenden Beendigungsgründe. Die Rechtskraft eines positiven Feststellungsurteils schließt eine auf ihnen beruhende Beendigung aus (BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - aaO mwN).

32

(2) Die Feststellungsklage nach § 256 ZPO setzt ein besonderes Feststellungsinteresse voraus. Es besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmte Kündigung ausgesprochen worden und ihretwegen ein Rechtsstreit anhängig ist. Der klagende Arbeitnehmer muss vielmehr weitere streitige Beendigungstatbestände oder wenigstens deren Möglichkeit in den Prozess einführen und damit dartun, dass er an dem die Klage nach § 4 KSchG erweiternden Antrag ein rechtliches Interesse hat(BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 85, 262).

33

(3) Hat der Arbeitnehmer neben der Klage gegen eine konkret bezeichnete Kündigung iSv. § 4 Satz 1 KSchG binnen Dreiwochenfrist eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben, die sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegen jeglichen Auflösungstatbestand richtet, dessen sich der Arbeitgeber berühmen sollte, ersieht dieser daraus - entsprechend dem Sinn und Zweck des § 4 KSchG - dass der Arbeitnehmer sich auch gegen weitere(evtl. vorsorgliche) Kündigungen wenden will. Der Arbeitnehmer kann deshalb im Rahmen eines solchen allgemeinen Feststellungsantrags sonstige Kündigungen noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist in den Prozess einführen und sich auf deren Unwirksamkeit berufen (vgl. BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B II 1 b der Gründe; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 der Gründe, BAGE 85, 262; 21. Januar 1988 - 2 AZR 581/86 - zu B II 2 ff. der Gründe, BAGE 57, 231). Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 KSchG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Arbeitnehmer dabei nach Kenntnis von einer weiteren Kündigung gehalten, diese nunmehr eigens in den Prozess einzuführen und unter entsprechender Einschränkung des allgemeinen Feststellungsantrags iSv. § 264 Nr. 2 ZPO einen dem Wortlaut des § 4 KSchG angepassten Antrag zu stellen. Diese Modifikation kann er aufgrund der durch den allgemeinen Feststellungsantrag offengehaltenen Möglichkeit eines Angriffs noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vornehmen (BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 b und c der Gründe aaO). Voraussetzung ist, dass der allgemeine Feststellungsantrag in die Berufungsinstanz gelangt.

34

(4) Im Streitfall braucht nicht entschieden zu werden, ob an dieser Rechtsprechung nach der Novellierung des Kündigungsschutzgesetzes durch das Arbeitsmarktreformgesetz vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) insoweit festgehalten werden kann, als sie die Möglichkeit eröffnet, auch Kündigungen, die schon bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausgesprochen worden sind, erstmals im zweiten Rechtszug in den Prozess einzuführen (befürwortend HaKo-Gallner KSchR 4. Aufl. § 4 Rn. 52; Spinner in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 4 Rn. 105 ff., § 6 Rn. 14; Lingemann/Groneberg NJW 2013, 2809 f.; ablehnend v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 15. Aufl. § 4 Rn. 127 ff.; Bayreuther ZfA 2005, 391; zur Wahrung der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG durch einen allgemeinen Feststellungsantrag vgl. BAG 15. Mai 2012 - 7 AZR 6/11 - Rn. 26). Ein innerhalb von drei Wochen nach Zugang der (weiteren) Kündigung erhobener Antrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, mit dem der Arbeitnehmer die Wirksamkeit jeglichen Auflösungstatbestands negiert, wahrt auch nach neuer Rechtslage in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG jedenfalls dann die Frist des § 4 Satz 1 KSchG für eine erst nach deren Ablauf in den Prozess eingeführte Kündigung, wenn sich der Arbeitnehmer - wie hier - auf die Unwirksamkeit der weiteren Kündigung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz berufen und einen auf sie bezogenen, dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG angepassten Antrag gestellt hat. Auch die weitere Frage, ob es der Anpassung zwingend bedurfte, kann damit im Streitfall dahinstehen.

35

(a) § 6 KSchG zielt auch in seiner neuen Fassung darauf ab, den Arbeitnehmer davor zu bewahren, seinen Kündigungsschutz aus formalen Gründen zu verlieren. Die Frist des § 4 Satz 1 KSchG soll nicht nur durch eine punktuelle Feststellungsklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung, sondern auch dadurch eingehalten werden können, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Frist auf anderem Wege geltend macht, eine wirksame Kündigung liege nicht vor. Trotz seiner (zu) engen Formulierung ist § 6 KSchG weiterhin nicht nur auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe anzuwenden. Die Neufassung des § 6 KSchG sollte der bisherigen Regelung entsprechen und lediglich auf die Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Bedacht nehmen(BT-Drucks. 15/1509, 15/1204 S. 13; BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24 mwN). Eine entsprechende Anwendung von § 6 KSchG kommt deshalb - wie schon vor der Gesetzesnovelle - in Betracht, wenn etwa der Arbeitnehmer mit einer Leistungsklage Lohnansprüche oder Weiterbeschäftigung für die Zeit nach Zugang der Kündigung bzw. Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb von drei Wochen gerichtlich geltend gemacht hat (BAG 15. Mai 2012 - 7 AZR 6/11 - Rn. 23; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 23).

36

(b) Ist damit der Regelungszweck des § 6 Satz 1 KSchG unverändert geblieben, ist die Bestimmung auf eine allgemeine Feststellungsklage, mit der sich der Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gegen solche Beendigungstatbestände wendet, die von einem bereits gestellten punktuellen Antrag nicht erfasst sind, weiterhin entsprechend anzuwenden. Das durch § 4 Satz 1, § 7 KSchG geschützte Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird in diesen Fällen durch die „Verlängerung“ der Anrufungsfrist nicht stärker berührt als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 6 Satz 1 KSchG.

37

(5) Diese Erwägungen gelten - entgegen der Auffassung der Revision - gleichermaßen für Kündigungen, die dem Arbeitnehmer schon vor Klageerhebung zugegangen sind. Ein sachlicher Grund, bezüglich ihrer an die Klageanträge des Arbeitnehmers andere Anforderungen zu stellen als bezüglich solcher Kündigungen, die erst während des Rechtsstreits erklärt wurden, ist nicht erkennbar. Die Frage, ob über den Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt wird, ist auch in diesem Fall danach zu beantworten, ob er innerhalb der Frist gestellt worden ist.

38

(6) Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin die Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt.

39

(a) Das Landesarbeitsgericht hat den in der Klageschrift vom 14. Oktober 2010 enthaltenen Antrag zu 1. hinsichtlich seines letzten Halbsatzes zutreffend als einen selbständigen Antrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO verstanden, mit dem die Klägerin sich gegen jegliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewehrt hat. Zwar hat diese ihr betreffendes Begehren weder vollständig ausformuliert noch als gesonderten Antrag vom Kündigungsschutzantrag abgesetzt. Gleichwohl stellte - für die Beklagte erkennbar - der fragliche Halbsatz „… sondern unverändert fortbesteht“ nicht nur einen floskelhaften, unselbständigen Annex zum Kündigungsschutzantrag dar (zur Abgrenzung BAG 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - zu B II 2 der Gründe; 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 4 der Gründe, BAGE 85, 262). Das ergibt sich unzweifelhaft aus der Klagebegründung, die zur Auslegung der Anträge ergänzend heranzuziehen ist. Dort hat die Klägerin ausgeführt, mit dem letzten Halbsatz ihres Antrags zu 1. eine „allgemeine Feststellungsklage“ erheben zu wollen. Sie könne nicht ausschließen, dass die Beklagte sich auf weitere Beendigungstatbestände berufen werde. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich ihr Begehren nur auf Beendigungstatbestände beziehen sollte, die nach Anhängigkeit der Kündigungsschutzklage entstanden wären.

40

(b) Unerheblich ist, ob die Ausführungen in der Klageschrift zur Darlegung eines besonderen Feststellungsinteresses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ausreichten. Selbst wenn der Antrag anfänglich unzulässig gewesen sein sollte, hat er der Beklagten vor Augen geführt, dass die Klägerin sich gegen jeglichen Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses wenden will. Insbesondere musste die Beklagte erkennen, dass die Klägerin die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 6. Oktober 2010 nicht hinnehmen wollte, zumal andernfalls ihr gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31. März 2011 gerichteter Antrag keinen Sinn ergäbe.

41

(c) Ob die Klagefrist gemäß § 4 Satz 1 iVm. § 6 KSchG nicht auch durch den anfänglich erhobenen Weiterbeschäftigungsantrag gewahrt ist, kann offenbleiben.

42

2. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die fristlose Kündigung vom 6. Oktober 2010 sei mangels wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam.

43

a) Der Senat ist nicht gehindert, das Berufungsurteil auf mögliche Rechtsfehler im Rahmen der Ausführungen zu § 626 BGB zu überprüfen, obwohl die Beklagte diesbezüglich keine Rüge erhoben hat. Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden (§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

44

b) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der konkreten Umstände des Falls und bei der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 13; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13).

45

c) Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 16; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349).

46

d) Die angegriffene Entscheidung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

47

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege deshalb nicht vor, weil sich die Beklagte zu deren Rechtfertigung auf eine strafrechtlich relevante Pflichtverletzung der Klägerin berufen habe, die tatbestandlichen Voraussetzungen des einschlägigen § 263 StGB aber nicht erfüllt seien. Dies hat es damit begründet, dass der Ehemann der Klägerin an keine festen Arbeitszeiten gebunden gewesen sei und er deshalb durch das Vortäuschen von Anwesenheitszeiten keinen Vermögensvorteil auf Kosten der Beklagten habe erlangen können.

48

bb) Damit hat das Landesarbeitsgericht übersehen, dass es für die materiell-rechtliche Bewertung, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, nicht auf den subjektiven Standpunkt des Kündigenden und dessen Ansicht über eine mögliche Strafbarkeit des missbilligten Verhaltens ankommt(vgl. BAG 17. Februar 2000 - 2 AZR 927/98 - zu II 2 b der Gründe; 2. Juni 1960 - 2 AZR 91/58 - BAGE 9, 263; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 109; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. 2010 Rn. 550). Entscheidend ist der objektive Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und das Gewicht eines mit ihm verbundenen Vertrauensbruchs (st. Rspr., BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 15; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 18). Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG dem Betriebsrat gegenüber eine bestimmte strafrechtliche Bewertung des Verhaltens vorgenommen hat. Entscheidend ist auch dann der der Kündigung zugrunde liegende Lebenssachverhalt. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hinreichend unterrichtet, kommt es auf seine rechtliche Einordnung des Verhaltens nicht an (BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 44, BAGE 137, 164; BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 36).

49

(1) Zwar kann es Fälle geben, in denen der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss untrennbar mit einem Werturteil verknüpft, das etwa mit einer strafgerichtlichen Verurteilung des Arbeitnehmers verbunden ist (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 25; 29. Juli 1993 - 2 AZR 90/93 - zu II 1 c cc der Gründe). Macht er seinen Kündigungsentschluss auf diese Weise unmittelbar vom Nachweis einer Straftat abhängig, sind die Gerichte hieran gebunden. Für eine solche Abhängigkeit bedarf es aber besonderer Anhaltspunkte.

50

(2) Daran fehlt es hier. Die Beklagte mag der Auffassung gewesen sein, die Klägerin habe sich an einem (versuchten) „Arbeitszeitbetrug“ ihres Ehemanns beteiligt und insoweit strafbar gemacht. Sie hat darauf durchgängig - im Kündigungsschreiben, bei der Anhörung des Betriebsrats und im Prozess - abgestellt. Das rechtfertigt dennoch nicht den Schluss, sie habe die mit der Kündigung angestrebte Auflösung des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen wollen, dass sich ein Betrugsvorwurf im strafrechtlichen Sinne bestätige. Näher liegt die Annahme, sie habe mit der Betonung der Strafbarkeit das Gewicht der Pflichtverletzung verdeutlichen wollen. Dem entspräche es, dass das Berufungsurteil Feststellungen dazu, ob die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung eine Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden oder Strafgerichte abgewartet hat, nicht enthält. Auch Feststellungen dazu, ob die Beklagte gegen die Klägerin und ihren Ehemann zumindest Strafanzeige erstattete, hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.

51

cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch weitere relevante Aspekte nicht widerspruchsfrei berücksichtigt. Es hat seine Auffassung, der Ehemann der Klägerin habe sich durch sein Verhalten keinen Vermögensvorteil verschaffen können, damit begründet, dass er an feste Arbeitszeiten nicht gebunden gewesen sei. Daraus kann nicht gefolgert werden, der Ehemann der Klägerin habe Arbeitszeiten vorspiegeln dürfen, die er in Wirklichkeit nicht geleistet hat. Im Übrigen ist weder festgestellt, dass er tatsächlich jeglicher Bindung an Arbeitszeiten enthoben gewesen wäre und seine Vergütung unabhängig vom Umfang seiner tatsächlichen Arbeitsleistungen erhalten hätte, noch steht fest, welche Arbeitsleistungen er im fraglichen Zeitraum erbracht hat. Ohne solche Feststellungen wiederum fehlt es für die Annahme des Landesarbeitsgerichts an einer tragfähigen Grundlage. Im Übrigen kann ein wirtschaftlicher Vorteil auch in der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses als solcher liegen. Die Klägerin selbst geht davon aus, dass die Beklagte durch die falsche Dokumentation der Anwesenheitszeiten davon abgehalten werden sollte, arbeitsrechtliche Konsequenzen zum Nachteil ihres Ehemanns zu ziehen.

52

II. Das anzufechtende Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dass die Kündigung wegen Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB oder mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam wäre, kann derzeit nicht angenommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, wann das Kündigungsschreiben vom 6. Oktober 2010 der Klägerin zugegangen ist. Das gleiche gilt mit Blick auf die Anforderungen des § 102 Abs. 1 BetrVG.

53

III. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird Feststellungen zur Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB und zur Korrektheit der Betriebsratsanhörung nachzuholen haben. Falls es darauf ankommt, wird es die materielle Rechtfertigung der fristlosen Kündigung nach Maßgabe von § 626 Abs. 1 BGB erneut prüfen müssen. Dafür gibt der Senat folgende Hinweise:

54

1. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, kommt als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Frage. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer „Stempeluhr“ ebenso wie für das vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Mitarbeiter vertrauen können. Dies gilt erst recht, wenn diese nicht an feste Arbeitszeiten gebunden sind. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer entsprechende Formulare vorsätzlich falsch aus, liegt darin in aller Regel ein schwerer Vertrauensmissbrauch. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit mit Hilfe des Arbeitsplatzrechners in einer elektronischen Zeiterfassung zu dokumentieren, und er hierbei vorsätzlich falsche Angaben macht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 14). Darauf, ob dem Arbeitgeber durch das Verhalten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist oder das Verhalten des Arbeitnehmers auf andere - nicht wirtschaftliche - Vorteile ausgerichtet war, kommt es grundsätzlich nicht an.

55

2. Ein die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigender Grund kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer für einen Kollegen Kontrolleinrichtungen betätigt und dadurch den Arbeitgeber über dessen Anwesenheit am Arbeitsplatz täuscht (23. Januar 1963 - 2 AZR 278/62 - BAGE 14, 42).

56

3. Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin ihre Arbeitspflichten erheblich verletzt. Sie hat bewusst und willentlich über die tatsächliche Arbeitszeit ihres Ehemanns getäuscht und zu diesem Zweck falsche Anwesenheitszeiten dokumentiert.

57

4. Das Landesarbeitsgericht, dem insoweit ein Beurteilungsspielraum zukommt, wird auf dieser Grundlage zu prüfen und zu bewerten haben, ob in dem Verhalten der Klägerin auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der beiderseitigen Interessen ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gesehen werden kann. Die dafür relevanten Umstände sind noch nicht festgestellt. Insbesondere ist nicht erkennbar, was es mit der vom Landesarbeitsgericht angenommenen besonderen Belastungssituation des - seinerzeit gesundheitlich möglicherweise angeschlagenen - Ehemanns der Klägerin im Einzelnen auf sich hat und inwieweit diese Situation zu deren Fehlverhalten beigetragen hat.

58

IV. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt das Berufungsurteil auch insoweit, wie das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten hinsichtlich der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 6. Oktober 2010 zurückgewiesen hat. Die Entscheidung über den betreffenden Kündigungsschutzantrag der Klägerin hängt davon ab, ob sich die fristlose Kündigung im Rahmen der erneuten Sachprüfung als unwirksam erweist. Sollte das Landesarbeitsgericht zu diesem Ergebnis gelangen, wird es berücksichtigen müssen, dass seine Begründung das bisherige Ergebnis nicht trägt. Es durfte seine Annahme, die ordentliche Kündigung vom 6. Oktober 2010 sei sozial ungerechtfertigt, nicht darauf stützen, das Verhalten des Ehemanns der Klägerin sei nicht gemäß § 263 StGB strafbar gewesen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

15

1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

16

2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

17

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. April 2011 - 6 Sa 9/11 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 8. Dezember 2010 - 2 Ca 1002/10 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Die Klägerin war seit 1. August 1987 bei der E GmbH (Schuldnerin) und deren Rechtsvorgängerin als Industriekauffrau beschäftigt. Die Schuldnerin vertrieb Teppiche. Für sie waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig.

3

Der Arbeitsvertrag vom 22. November 1990 sieht ua. vor:

        

Tätigkeit und Aufgabengebiet

        

…       

        
        

2.    

Die Gesellschaft behält sich vor, dem Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens bei unveränderten Bezügen auch eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Eine Versetzung an einen anderen Ort kann nur im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter erfolgen.

        

...     

        
        

Vertragsdauer und Kündigung

        

1.    

Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Vierteljahresschluß durch schriftliche Erklärung gekündigt werden.

                 

…       

        

...“   

4

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 28. Januar 2010 die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

5

Die F GmbH, die Linoleumfußböden vertreibt, teilte der Geschäftsführung der Schuldnerin mit, bei ihr fielen erhebliche Arbeitsmengen an. Es bestehe jedoch ein Einstellungsstopp. Die Klägerin war deshalb zunächst bis 31. August 2010 in den Räumen der Schuldnerin für die F GmbH tätig und in deren Betriebsabläufe eingebunden. Das Arbeitsentgelt leistete der Beklagte an die Klägerin. Die Vergütung wurde von der F GmbH erstattet. Später begründeten die Klägerin und die F GmbH ein vom 1. September 2010 bis 31. Dezember 2010 befristetes Arbeitsverhältnis. Mittlerweile steht die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der F GmbH.

6

Am 30. April 2010 schloss der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich mit dem bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat. Dort heißt es auszugsweise:

        

„Präambel

        

Mit Beschluss des Amtsgerichts P vom 28.01.2010 wurde über das Vermögen der E GmbH (künftig Schuldnerin genannt) eine vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Es besteht gemäß dem Gutachten nach § 5 InsO eine negative Fortbestehens- und Fortführungsprognose. Da die Marken- und Lizenzrechte für wichtige Produkte an einen Wettbewerber veräußert wurden und die Produktion von Teppichfußböden in P bis spätestens zum 31.08.2010 eingestellt wird, sind sich die Beteiligten darüber einig, dass eine Betriebseinstellung unumgänglich ist.

        

Der Betriebsrat ist über die anstehende Maßnahme umfangreich informiert worden.

        

Die nachfolgenden Regelungen dienen dazu, das Verfahren nach § 122 InsO auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung bzw. einen Feststellungsantrag nach § 126 InsO zu vermeiden.

        

…       

                 
        

§ 2 Gegenstand der Betriebsänderung

        

Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin in P wird kurzfristig, spätestens bis zum 31.08.2010, stillgelegt. Alle Arbeitsplätze werden entfallen.

        

§ 3 Durchführung der Betriebsänderung - Personalmaßnahmen

        

Aufgrund der in § 2 genannten Maßnahme, die im Einzelnen gegenüber dem Betriebsrat begründet und in diesem erörtert worden ist, besteht Einigkeit darüber, dass es erforderlich ist, sämtliche Arbeitsverhältnisse/Dienstverhältnisse der Beschäftigten unter Beachtung der Kündigungsfristen gemäß § 113 InsO zu kündigen.

        

Lediglich in Einzelfällen wird sich der Arbeitgeber vorbehalten, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen in § 113 InsO auszusprechen.

        

Die Masse wird voraussichtlich nicht zur Bezahlung der Löhne während der verkürzten Kündigungsfrist ausreichen.

        

§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG

        

Der Betriebsrat erklärt mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleichs, dass er bereits im Rahmen dieser Verhandlungen im Interessenausgleich ordnungsgemäß die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen der berücksichtigten Kündigungsgründe und die Informationen zur Sozialauswahl in einer Liste sämtlicher Arbeitnehmer mit ihren relevanten Sozialdaten (Name, Funktion, Abteilung, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand, Unterhaltspflichten, lt. Lohnsteuerkarte, individuelle Kündigungsfrist, Schwerbehinderung, Verdienst) erhalten hat und so bereits ordnungsgemäß angehört wurde.

        

Der Betriebsrat hat damit auch eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer erhalten. Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen sieht.

        

...“   

7

Am 1. Mai 2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem 3. Mai 2010. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

        

„Sehr geehrte Frau B,

        

mit Beschluss des AG P vom 01.05.2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Unterzeichner als Insolvenzverwalter bestellt.

        

Als Insolvenzverwalter spreche ich hiermit die ordentliche

        

Kündigung

        

des Arbeitsvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus.

        

Der Kündigungszeitpunkt richtet sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemäß § 622 BGB. Wenn das Arbeitsverhältnis keine 2 Jahre bestanden hat, wirkt die Kündigung mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats. Bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 2 Jahren endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats und bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 5 Jahren mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Besteht das Arbeitsverhältnis mehr als 8 Jahre, so endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Bei noch älteren Arbeitsverhältnissen greift gemäß § 113 Abs. I S. 2 InsO die Kündigung ebenfalls regelmäßig mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats. Die noch längeren Fristen gemäß § 622 Abs. II BGB werden auf die Dreimonatsfrist des § 113 Abs. I S. 2 InsO reduziert. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.

        

Für ein Arbeitsverhältnis, bei dem sich zwar aus § 622 Abs. II BGB eine kürzere als eine dreimonatige Kündigungsfrist ergeben würde, bei dem jedoch einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist vereinbart ist, wirkt sich § 113 Abs. I S. 2 InsO dahingehend aus, dass die vereinbarte Frist insoweit maßgeblich ist, als sie die Dreimonatsfrist nicht überschreitet. Ist sie länger als diese, so gilt die reduzierte Dreimonatsfrist, so dass solche Arbeitsverhältnisse ebenfalls mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats enden.

        

Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis wirkt sich § 113 Abs. I InsO so aus, dass mit der Dreimonatsfrist gekündigt werden kann, sofern der Befristungszeitpunkt später liegt. Läuft die Frist vorher ab, so erlischt das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es dieser Kündigung bedarf.

        

…“    

8

Mit ihrer am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hat der Klage das Kündigungsschreiben beigefügt und die beklagte Partei als „RAe K & Partner als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ bezeichnet. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe sich auf ihren Arbeitsplatz nicht auswirken können, weil sie von der F GmbH beschäftigt worden sei. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass eine Beschäftigung über den 31. August 2010 hinaus nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei die Betriebsratsanhörung unzureichend, weil der Betriebsrat nicht über ihre Tätigkeit für die F GmbH unterrichtet worden sei.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 nicht beendet wird;

        

2.    

den Beklagten im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Industriekauffrau weiterzubeschäftigen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, wegen der Veräußerung von Marken- und Lizenzrechten durch die Konzernmutter der Schuldnerin sei es rechtlich nicht möglich gewesen, die Teppichfertigung und den Teppichvertrieb über den Stichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortzusetzen. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens habe noch eine „Ausproduktion“ stattfinden können. Diese Sach- und Rechtslage sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden und Grundlage der Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan gewesen. Die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit Zustimmung des Beklagten die Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb mit der Verfahrenseröffnung stillzulegen und das Unternehmen nach der Verfahrenseröffnung abzuwickeln. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden. Die Abwicklungstätigkeit habe mit dem 31. August 2010, dem Ende der Kündigungsfristen, geendet. Die Außendienstmitarbeiter seien im Wesentlichen durch einen Wettbewerber übernommen worden. Für die verbliebenen Arbeitnehmer sei der Beschäftigungsbedarf entfallen. Nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats seien die Arbeitsverhältnisse gekündigt worden. Dem Betriebsrat seien die Sozialdaten der Arbeitnehmer mitgeteilt worden, wie sich schon aus dem Interessenausgleich ergebe. Mit dem Betriebsrat sei über alle Arbeitnehmer gesprochen worden. Ihm sei auch der Einsatz von zwei Arbeitnehmerinnen für die F GmbH bekannt gewesen.

11

Die Parteien haben die Beklagtenbezeichnung vor dem Arbeitsgericht dahin richtiggestellt, dass sich die Klage gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin richte. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Klage weiter abgewiesen wissen.

Entscheidungsgründe

12

A. Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung vom 3. Mai 2010 beendete das Arbeitsverhältnis mit dem 31. August 2010. Der Senat hat deshalb nicht über den Weiterbeschäftigungsantrag zu entscheiden.

13

I. Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erklärte Kündigung war darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2010 zu beenden. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigungserklärung sei bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht ausreichend bestimmt sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung selbst dann nicht stand, wenn es sich bei dem Kündigungsschreiben um eine nur beschränkt revisible atypische Willenserklärung handeln sollte. Das gilt erst recht, wenn das Kündigungsschreiben eine typische, revisionsrechtlich weiter gehend überprüfbare Erklärung sein sollte. Eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte der Senat auch in diesem Fall nicht durchzuführen. Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB(vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 29 mwN, BAGE 137, 347).

14

1. Bei der Auslegung einer Kündigung ist nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen sind auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 129, 265). Der Erklärungsempfänger muss aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigung ua. erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei Zugang der Kündigung muss für ihn bestimmbar sein, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336).

15

2. Dafür genügt im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen reicht aus, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. Staudinger/Oetker (2012) Vorbem. zu §§ 620 ff. Rn. 125; ähnlich Eisemann NZA 2011, 601, 602). Auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist (vgl. Muthers Anm. RdA 2012, 172, 176; Raab RdA 2004, 321, 326). Eine Kündigung ist allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (vgl. BAG 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).

16

3. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. September 2010 (- 5 AZR 700/09 - BAGE 135, 255) geht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von keinen anderen Voraussetzungen für eine hinreichend bestimmte Kündigung aus (aA Ziemann jurisPR-ArbR 3/2011 Anm. 1). Der Fünfte Senat hatte dort zu beurteilen, ob sich bei einer Kündigung, die einen bestimmten Kündigungstermin nennt, durch Auslegung ein anderer Kündigungstermin ermitteln lässt, wenn die Kündigung keine weiteren Angaben enthält. In diesem Zusammenhang hat der Fünfte Senat ausgeführt, auch das Bestimmtheitsgebot stehe der Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als dem in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könne (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, aaO). Dem ist nicht zu entnehmen, ohne Angabe eines datierten Kündigungstermins handle es sich nicht um eine ausreichend bestimmte Kündigungserklärung. Auch der Fünfte Senat geht davon aus, dass eine Kündigungserklärung in der Regel auslegungsfähig ist.

17

4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichtsgerichts, die Kündigungserklärung vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ sei unbestimmt, weil der Klägerin nicht das maßgebliche „Rechenprogramm“ (gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen) und die maßgeblichen Tatsachen (insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit) mitgeteilt worden seien, wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass das Bestimmtheitsgebot der gebotenen Auslegung nicht entgegensteht (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278; 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336; 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe). Es hat aber nicht den gesamten Inhalt der Kündigungserklärung bei seiner Auslegung verwertet. Zugleich hat das Landesarbeitsgericht Auslegungsgrundsätze verletzt, indem es davon ausgegangen ist, der Beklagte habe der Klägerin Tatsachen - vor allem ihre Betriebszugehörigkeit - mitteilen müssen, um sie in die Lage zu versetzen, den Kündigungstermin zu bestimmen. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist als Kündigung zum 31. August 2010 auszulegen. Nur so konnte die Klägerin die Erklärung des Beklagten verstehen.

18

a) Der Zeitpunkt, zu dem die ausdrücklich als ordentliche Kündigung bezeichnete Erklärung vom 3. Mai 2010 das Arbeitsverhältnis beenden sollte, lässt sich dem Kündigungsschreiben entnehmen. Die Erklärung des Beklagten beschränkt sich nicht auf eine ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, sondern gibt zugleich an, nach welchen Vorschriften sich die Kündigungsfrist bestimmt. Das Kündigungsschreiben gibt den Regelungsgehalt von § 622 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB wieder. Zudem wird ausgeführt, dass bei „noch älteren Arbeitsverhältnissen“ nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats gelte. Das Kündigungsschreiben erläutert die Wirkung von § 113 Satz 2 InsO, wenn auch unter Hinweis auf die bis 31. Dezember 2003 geltende Fassung. So führt es aus, dass Fristen, die drei Monate überschritten, nach § 622 Abs. 2 BGB auf die Dreimonatsfrist des „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ reduziert würden. Dargestellt wird ferner, dass einzel- oder tarifvertragliche längere Kündigungsfristen als die Fristen des § 622 Abs. 2 BGB nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ nur insoweit maßgeblich seien, als sie die Dreimonatsfrist nicht überstiegen. Für die Klägerin war deshalb nicht unklar, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte. Sie konnte der Erklärung entnehmen, dass nach § 113 InsO eine dreimonatige Kündigungsfrist galt, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich war.

19

b) Die Klägerin musste die Erklärung so verstehen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit einer dreimonatigen Frist zum 31. August 2010 gekündigt wurde, ohne dass weitere Angaben des Beklagten erforderlich gewesen wären.

20

aa) Der Arbeitgeber kann in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit kennt. Ausnahmsweise - zB im Fall eines zweifelhaften Betriebsübergangs - kann anderes gelten. Für einen solchen Ausnahmetatbestand bestehen hier keine Anhaltspunkte. Im Regelfall der dem Arbeitnehmer bekannten Betriebszugehörigkeit ist die Kündigungserklärung hinreichend bestimmt, wenn das Kündigungsschreiben die maßgeblichen Kündigungsfristen nennt. Der Arbeitnehmer ist dann unschwer in der Lage zu bestimmen, zu welchem „nächstmöglichen Zeitpunkt“ der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte.

21

bb) Die Klägerin konnte anhand ihrer Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 und der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung erkennen, zu welchem Termin die Kündigung vom 3. Mai 2010 wirken sollte. Unter Berücksichtigung der verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB konnte sie dem Kündigungsschreiben entnehmen, dass § 113 Satz 2 InsO die Kündigungsfrist in ihrem Fall auf drei Monate verringerte und einen anderen Kündigungstermin als das arbeitsvertraglich vorgesehene Vierteljahresende zuließ. Der Kündigungstermin des 31. August 2010 war daher - für sie ersichtlich - der „nächstmögliche Zeitpunkt“.

22

c) Für die Frage einer ausreichend bestimmten Kündigung ist nicht erheblich, dass im Kündigungsschreiben ausgeführt ist, bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer seien Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres lägen, nicht zu berücksichtigen. Das widerspricht der rechtlichen Einordnung, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB unionsrechtswidrig und wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anzuwenden ist(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] Rn. 53, BVerfGE 126, 286; BAG 29. September 2011 - 2 AZR 177/10 - Rn. 11; 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 15 ff., BAGE 135, 278; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 16 ff., BAGE 135, 255). Mit Rücksicht auf ihr Lebensalter und ihre Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 konnte die Klägerin jedoch ohne Weiteres erkennen, dass sich die Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB - in jedem Fall auf drei Monate verkürzte.

23

II. Die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 ist wirksam. Sie beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 113 Satz 2 InsO mit dem 31. August 2010.

24

1. Die Kündigungsschutzklage wahrt die Erfordernisse des § 4 Satz 1 KSchG.

25

a) Die Kündigung gilt nicht bereits wegen Zeitablaufs nach § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wurde durch die am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage, die sich gegen „RAe K & Partner … als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ richtete, gewahrt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Klage von Anfang an gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes richtete. Die Parteibezeichnung war lediglich ungenau und deswegen richtigzustellen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 41 ff.; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 18 ff.).

26

b) Zwischen den Parteien bestand bei Zugang der Kündigung noch ein Arbeitsverhältnis.

27

aa) Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).

28

bb) Bei der Tätigkeit der Klägerin für die F GmbH handelte es sich nicht um gewerbsmäßige, also erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG idF vom 23. Dezember 2002 (aF).

29

(1) Gewerbsmäßig iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF war jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile gerichtete selbständige Arbeitnehmerüberlassungstätigkeit. Entscheidendes Kriterium war die Gewinnerzielungsabsicht. Dabei kam es nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinn erzielt wurde. Gewinnerzielungsabsicht war ua. dann zu verneinen, wenn die Überlassung lediglich gegen Erstattung der Personalkosten erfolgen sollte und der Verleiher dadurch auch mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erlangte. Zu den Kosten gehörten nicht nur die Kosten der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer selbst, sondern auch die Verwaltungskosten, die beim Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung anfielen (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 32/10 - Rn. 35; 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 19).

30

(2) Danach überließ der Beklagte die Klägerin nicht gewerbsmäßig an die F GmbH. Ihm fehlte die Gewinnerzielungsabsicht, weil er sich von der F GmbH lediglich das an die Klägerin geleistete Arbeitsentgelt erstatten ließ und darüber hinaus keine unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile erzielte.

31

(3) Da der Beklagte keine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betrieb, brauchte er keine Überlassungserlaubnis iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF. Zwischen der Klägerin und der F GmbH konnte daher kein Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF zustande kommen. Darauf beruft sich die Klägerin auch nicht. Ihre Kündigungsschutzklage wäre sonst bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen, weil bei Zugang der Kündigung nicht länger ein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bestanden hätte. Der Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten wäre durch die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis unwirksam geworden (vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 9 AÜG Rn. 2). Auf die Fragen der Wirksamkeit der Kündigung käme es dann nicht mehr an (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).

32

2. Die Kündigung ist formell und materiell wirksam.

33

a) Sie musste neben dem Beklagten nicht auch von der F GmbH erklärt werden.

34

aa) Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, kann ein einheitliches Arbeitsverhältnis begründet sein. Dafür ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen erforderlich, der es verbietet, sie rechtlich getrennt zu behandeln. Ein solcher Zusammenhang kann sich aus der Auslegung der geschlossenen Verträge, aber auch aus zwingenden rechtlichen Wertungen ergeben (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 30). Besteht ein einheitliches Arbeitsverhältnis, kann es im Regelfall nur von allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16 mwN).

35

bb) Hier bestehen keinerlei Anhaltspunkte für ein einheitliches Arbeitsverhältnis. Die vertraglichen Beziehungen des Beklagten, der F GmbH und der Klägerin waren nicht in einer Weise verknüpft, die eine rechtliche Trennung ausschloss. Die Klägerin war nur in den insoweit nicht mehr für den eigenen Betriebszweck genutzten Räumen der Schuldnerin tätig, über die der Beklagte verfügte. Sie war jedoch in die Betriebsabläufe der F GmbH eingebunden. Ihr Entgelt trug wirtschaftlich die F GmbH, die an den Beklagten die erbrachte Leistung erstattete. Die Hauptleistungspflichten bestanden deswegen wirtschaftlich betrachtet ausschließlich im Verhältnis zwischen der Klägerin und der F GmbH.

36

b) Die Betriebsratsanhörung genügt den Erfordernissen des § 102 BetrVG.

37

aa) Der Insolvenzverwalter ist auch dann verpflichtet, den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG anzuhören, wenn die Betriebsparteien zuvor einen Interessenausgleich geschlossen haben. Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Der Insolvenzverwalter muss das aus seiner Sicht entfallene Beschäftigungsbedürfnis und die der Sozialauswahl zugrunde liegenden Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits aus den Interessenausgleichsverhandlungen bekannt sind, im Anhörungsverfahren allerdings nicht erneut mitteilen. Der Insolvenzverwalter kann das Verfahren nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbinden. Diese Verbindung ist schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen und ggf. im Wortlaut des Interessenausgleichs zum Ausdruck zu bringen (vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 63 mwN).

38

bb) Der Betriebsrat ist regelmäßig ausreichend über den Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert, wenn die geltende Kündigungsfrist feststeht und der Arbeitgeber klarstellt, dass die Kündigung in naher Zukunft ausgesprochen werden soll (vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 516/08 - Rn. 18, BAGE 130, 369; 27. April 2006 - 2 AZR 426/05 - Rn. 21). Der Arbeitgeber kann bei Einleitung des Anhörungsverfahrens häufig nicht sicher beurteilen, zu welchem Zeitpunkt dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Kündigung zugehen wird. Anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gänzlich offenlässt, mit welcher Frist und zu welchem Termin die geplante Kündigung erklärt werden wird (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 143). Kennt der Betriebsrat die Sozialdaten des Arbeitnehmers und ist die gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfrist anzuwenden, muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat regelmäßig nicht die Berechnung der Kündigungsfrist und den konkreten Endtermin mitteilen. Es reicht aus, wenn sich aus der Unterrichtung des Arbeitgebers ergibt, dass es sich um eine ordentliche Kündigung - im Zweifel zum nächsten Kündigungstermin - handelt (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 64).

39

cc) Nach diesen Grundsätzen unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß.

40

(1) Der Beklagte hat vorgetragen, er habe die Betriebsratsanhörung gemeinsam mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich eingeleitet. Das entspricht § 4 Abs. 1 des vorgelegten und in Bezug genommenen Interessenausgleichs vom 30. April 2010. In § 3 Abs. 1 des Interessenausgleichs ist ausgeführt, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse unter Beachtung der Kündigungsfristen des § 113 InsO zu kündigen seien. Der Betriebsrat konnte den Verhandlungen über den Interessenausgleich damit entnehmen, dass die Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen werden sollten. Das ergibt sich schon daraus, dass § 113 InsO zur Anwendung kommen sollte. In § 3 Abs. 2 des Interessenausgleichs heißt es zwar weiter, dass sich der Arbeitgeber im Einzelfall vorbehalte, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen des § 113 InsO auszusprechen. Die Klägerin reklamiert für sich aber keinen Fall, der von der gewöhnlichen Konstellation der höchstens dreimonatigen Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO abweichen sollte. Der Betriebsrat bestätigte in § 4 Abs. 1 des Interessenausgleichs auch ausdrücklich, dass er im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen, insbesondere über die Sozialdaten und die individuelle Kündigungsfrist, erhalten habe und ordnungsgemäß angehört worden sei. Der Betriebsrat konnte das vom Beklagten geplante Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin deshalb bestimmen.

41

(2) Den Vortrag des Beklagten durfte die Klägerin nicht mit Nichtwissen iSv. § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten.

42

(a) Hat der Arbeitgeber - wie hier - eine Anhörung des Betriebsrats dargelegt, die den Erfordernissen des § 102 BetrVG entspricht, ist es Sache des Arbeitnehmers, nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen auszuführen, in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers zu der Unterrichtung des Betriebsrats für falsch oder unvollständig hält(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 268/07 - Rn. 30; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 50).

43

(b) Die Klägerin hat eine ausreichende Betriebsratsanhörung zu den Fragen der Kündigungsfrist und des Kündigungszeitpunkts nicht in Zweifel gezogen, nachdem der Beklagte zu der Anhörung des Betriebsrats vorgetragen hatte. Die Klägerin hat in der Folge lediglich bestritten, dass der Betriebsrat zu ihrem Einsatz für die F GmbH und über „die Einstellung der Arbeitnehmerüberlassung“ unterrichtet worden sei. Der Vortrag des Beklagten zu der Unterrichtung des Betriebsrats im Übrigen gilt damit nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen und zu Unrecht darauf abgestellt, das Vorbringen des Beklagten sei unzureichend gewesen, weil der Beklagte keine dem Betriebsrat zugänglich gemachte Liste mit den individuellen Kündigungsfristen vorgelegt habe.

44

(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Anhörung des Betriebsrats auch nicht mangelhaft, weil der Beklagte dem Gremium Beginn und Ende ihres Einsatzes für die F GmbH nicht mitteilte. Diese Umstände bestimmten den Kündigungsentschluss des Beklagten aus seiner subjektiven Sicht nicht. Die Unterrichtung des Betriebsrats über den für den Beklagten allein maßgeblichen Kündigungsgrund der beabsichtigten vollständigen Betriebsstilllegung bis spätestens 31. August 2010 steht zwischen den Parteien nicht im Streit (§ 138 Abs. 3 ZPO). Dieser Umstand war in § 2 des Interessenausgleichs vom 30. April 2010 festgehalten.

45

c) Die Kündigung vom 3. Mai 2010 ist sozial gerechtfertigt.

46

aa) Für die Kündigung bestand ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG.

47

(1) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs. Unter einer Betriebsstilllegung ist die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen. Sie besteht darin, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen (st. Rspr., vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 47). Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch auf die beabsichtigte Stilllegung des Betriebs stützen. Er muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst haben, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Die geplanten Maßnahmen müssen bei Zugang der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben (vgl. nur BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37 f.).

48

(2) Der Beklagte hat ohne erheblichen Gegenvortrag schlüssig dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August 2010 entfiel.

49

(a) Der Beklagte hat vorgetragen, bereits die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit seiner Zustimmung die Betriebseinstellung bis spätestens 31. August 2010 beschlossen. Hintergrund der Entscheidung sei gewesen, dass auch die Produktion der von der Schuldnerin vertriebenen Teppiche eingestellt worden sei.

50

(aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist ferner, ob die Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfiel (vgl. zB BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16).

51

(bb) Die Klägerin hat die vom Beklagten vorgebrachte Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, zu keinem Zeitpunkt bestritten. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung zur Stilllegung nicht auf Dauer getroffen wurde, bestehen nicht und sind von der Klägerin nicht behauptet worden.

52

(b) Zur Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses wurde am 30. April 2010 ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen. Das spricht für die ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 40). Auch die Klägerin hat nicht vorgebracht, der Betrieb sei tatsächlich nicht eingestellt, sondern nur der Betriebszweck geändert worden, etwa um gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben. Der Vortrag des Beklagten, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2010 sei der Geschäftsbetrieb, dh. der Vertrieb von Teppichen, eingestellt worden, ist unbestritten geblieben. Der Beklagte kündigte daraufhin unstreitig allen verbliebenen Arbeitnehmern.

53

(c) Es stünde einer ernsthaften Stilllegungsabsicht nicht entgegen, wenn der Beklagte gekündigte Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist noch eingesetzt haben sollte, um vorhandene Aufträge abzuarbeiten. Der Arbeitgeber erfüllt damit lediglich seine Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37; 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - zu II 1 a der Gründe). Das gilt entsprechend für den Einsatz der Klägerin in den Räumlichkeiten der Schuldnerin für die F GmbH bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Die Klägerin konnte nur für die F GmbH tätig werden, weil der Beklagte keinen Beschäftigungsbedarf für sie hatte. Der Beklagte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Klägerin ohne die mit der F GmbH getroffene Vereinbarung voraussichtlich bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt worden wäre. Auch die Klägerin hat nicht behauptet, der vom Beklagten verwaltete Betrieb der Schuldnerin sei auf die F GmbH übergegangen. Sie hat nicht in Zweifel gezogen, dass der Betrieb - wie geplant - zum 31. August 2010 eingestellt wurde.

54

bb) Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit war nicht vorhanden.

55

(1) Das geltend gemachte betriebliche Erfordernis ist nicht dringend iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen, freien Arbeitsplatz desselben Betriebs oder eines anderen Betriebs des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Als „frei“ sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24). Es obliegt dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist. Erst danach muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht möglich war (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 50 mwN).

56

(2) Die Klägerin konnte unstreitig nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen des Beklagten weiterbeschäftigt werden.

57

(3) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht bei der F GmbH bestand nicht.

58

(a) Der Beklagte führte mit der F GmbH keinen Gemeinschaftsbetrieb.

59

(aa) Eine Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen eines anderen Unternehmens kommt in Betracht, wenn das kündigende Unternehmen mit dem anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht besteht jedoch nicht, wenn es den Gemeinschaftsbetrieb bei Zugang der Kündigung als solchen bereits nicht mehr gibt. Mit der Beseitigung der einheitlichen Leitungsstruktur ist der Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 53 mwN).

60

(bb) Die Klägerin hat schon nicht behauptet, die Schuldnerin oder der Beklagte und die F GmbH hätten zu irgendeinem Zeitpunkt einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb wäre aufgrund der Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin durch den Beklagten spätestens zum 31. August 2010 aufgelöst worden. Der Beklagte hätte nicht durchsetzen können, dass die Klägerin von der F GmbH weiterbeschäftigt wird.

61

(b) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern bestand nicht.

62

(aa) Beruft sich der Arbeitnehmer auf konzernweiten Kündigungsschutz, muss er konkret aufzeigen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableitet und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 58 mwN).

63

(bb) Die Klägerin hat bereits nicht die tatsächlichen Voraussetzungen dafür dargelegt, dass die F GmbH sowie die Schuldnerin und später der Beklagte einen Konzern iSv. § 18 Abs. 1 oder 2 AktG bildeten.

64

(cc) Die Klägerin hat auch keinen Konzernbezug ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.

65

(aaa) Der mit der Schuldnerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht eine konzernweite „Versetzungsmöglichkeit“ nicht vor.

66

(bbb) Der Beklagte übt als Insolvenzverwalter ein ihm vom Gesetz übertragenes Amt aus. Er ist Rechtsnachfolger der Schuldnerin. Schon deswegen ist nicht ersichtlich, wie er auf die „Versetzung“ der Klägerin zur F GmbH bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss hätte nehmen können (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 59 mwN). Auch nach dem Vortrag der Klägerin ergibt sich lediglich eine Absprache zwischen der Geschäftsführung der Schuldnerin oder dem Beklagten und der F GmbH. Danach war der Einsatz der Klägerin für die F GmbH bis 31. August 2010 vorgesehen. Die Klägerin hat nicht behauptet, der Arbeitsvertrag, aufgrund dessen sie die Arbeit für die F GmbH zum 1. September 2010 erneut aufnahm, habe darauf beruht, dass sich die F GmbH gegenüber dem Beklagten zur „Übernahme“ der Klägerin verpflichtet gehabt habe. Sie hat auch nicht geltend gemacht, eine sog. Unterbringungsverpflichtung des Beklagten habe ausnahmsweise aus sonstigen Umständen hergerührt (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 56 ff. mwN).

67

cc) Der Beklagte musste keine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG treffen. Er beschäftigte über den Kündigungstermin hinaus keine vergleichbaren, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer.

68

B. Die Klägerin hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Jerchel    

                 

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes einmal in der Legislaturperiode, mindestens jedoch alle vier Jahre, über die Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen und der von Behinderung bedrohten Menschen sowie über die Entwicklung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft. Die Berichterstattung zu den Lebenslagen umfasst Querschnittsthemen wie Gender Mainstreaming, Migration, Alter, Barrierefreiheit, Diskriminierung, Assistenzbedarf und Armut. Gegenstand des Berichts sind auch Forschungsergebnisse über Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen und der Leistungen der Rehabilitationsträger für die Zielgruppen des Berichts.

(2) Die Verbände der Menschen mit Behinderungen werden an der Weiterentwicklung des Berichtskonzeptes beteiligt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.