Finanzgericht Hamburg Urteil, 15. Juli 2014 - 3 K 207/13

bei uns veröffentlicht am15.07.2014

Tatbestand

1

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, war.

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I. Sachstand

3

1.  Die Klägerin betrieb im Streitjahr in sieben Spielhallen in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit". Bis ... 2011 hatte sie ihren Sitz in .... Im ... 2011 verlegte sie ihren Sitz in den Bezirk des beklagten Finanzamts.

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2.  Die Spielgeräte der Klägerin unterliegen den technischen Vorgaben der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27.01.2006 (SpielV, BGBl. I S. 280). Der Vorgang des Spielens stellt sich deswegen folgendermaßen dar:

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a) Die Geräte verfügen über einen Geldspeicher und über einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird von dem Gerät als Einsatz registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als Gewinn, wobei 1 Cent einem Punkt entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der aktuelle Punktestand im Punktespeicher kann vom Spieler jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.

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b)  Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher (= Einsatz) ist aufgrund der SpielV doppelt beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden (diese Beschränkung allein entspräche 144,00 € pro Stunde) und auf 80,00 € pro Stunde. Sind die 80,00 € pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts weiter vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden (sog. "Buchungspause"). Sind während dieses Zeitraums einer Buchungspause auch keine Punkte mehr im Punktespeicher vorhanden, kann für den Rest der Stunde an dem Gerät nicht mehr gespielt werden.

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c)  Die Veränderungen des Punktestandes im Punktespeicher (d. h. das, was man umgangssprachlich als Spiel, Einsatz, Verlust und Gewinn ansehen würde) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.

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3. a) Spielgeräte wie die von der Klägerin aufgestellten verfügen neben der Gerätekasse über einen sog. "Hopper". Dieser von der Kasse getrennte Hopper dient zum einen als Münzspeicher, zum anderen werden die an dem Spielgerät erspielten Gewinne nur aus diesem ausgeschüttet; aus der Gerätekasse werden keine Auszahlungen an Spieler vorgenommen. Manche Geräte verfügen zusätzlich über einen sog. "Dispenser", von dem Geldscheine angenommen und z. T. auch ausgegeben werden können. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und über ein Fach mit 2-€-Münzen und wird zu Beginn des Betriebs vom Betreiber gefüllt. Eine typische Befüllung besteht aus 250 Münzen zu 2 € und 250 Münzen zu 20 Cent. Ist der Hopper leer, kann bis zu einer Wiederauffüllung nicht weiter gespielt werden. Die maximale Befüllung hängt von der Geräteausführung ab; der Geräteaufsteller kann auch ein Limit für die Befüllung einstellen. Eingeworfene Münzen zu 5 Cent, 10 Cent, 50 Cent und 1 € sowie eingeführte Scheine zu 5 €, 10 €, 20 € und 50 € gelangen, sofern kein Dispenser vorhanden ist, immer sofort in die elektronisch gezählte Kasse. Eingeworfene Münzen zu 20 Cent und zu 2 € gelangen in den Hopper, solange dieser nicht voll ist, sonst ebenfalls in die Kasse. Der Betreiber hat auf den Bestand der Gerätekasse und des Hoppers jederzeit Zugriff.

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b) Die Kontrollausdrucke der in den Geldspielgeräten befindlichen elektronischen Zählwerke für einen bestimmten Zeitraum sehen beispielsweise wie folgt aus:

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      EINWURF

1600,80

      AUSWURF

  742,20

        

------

      SALDO (1)

  858,60

                 

      HOPPER WENIGER          +

  120,00

      NACHFÜLLUNG A           +

  100,00

      ENTNAHME                     -

  80,00

      FEHLBETRAG                  -

0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

    998,60

        

======

      ENTNAHME                    +

80,00

      NACHFÜLLUNG A           -

100,00

        

------

      SALDO (2)

  978,60

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Mit "Nachfüllung A" sind Hoppernachfüllungen durch den Geräteaufsteller gemeint und mit "Entnahmen" die Entnahmen des Geräteaufstellers. "Hopper weniger" bezeichnet eine Minderung des im Hopper befindlichen Geldvorrats gegenüber der letzten Auslesung (eine Bestandsmehrung würde subtrahiert werden).

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c) Wirft ein Kunde einen 50-€-Schein in das Gerät ein und lässt er sich diesen Betrag (in Münzen) wieder auszahlen, sieht ein Kontrollausdruck nur nach diesem Vorgang aus wie folgt:

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      EINWURF

    50,00

      AUSWURF

    50,00

        

------

      SALDO (1)

      0,00

                 

      HOPPER WENIGER         +

    50,00

      NACHFÜLLUNG A          +

      0,00

      ENTNAHME                    -

      0,00

      FEHLBETRAG                 -

      0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

      50,00

        

======

      ENTNAHME                   +

      0,00

      NACHFÜLLUNG A          -

      0,00

        

------

      SALDO (2)

    50,00

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4. Neben der Umsatzsteuer wird auf Geldspielgeräte mit Gewinnspiel-möglichkeit durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer oder Spielvergnügungsteuer (kommunale Aufwand-steuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben (in Hamburg z. B. 5 % der Einsätze).

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II. Besteuerungsverfahren

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1. Im Streitjahr ermittelte die Klägerin ihre Umsätze aus Geldspielgeräten, indem sie den auf den Kontrollausdrucken ausgewiesenen "Saldo 2" heranzog. Hierfür addierte sie die monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") aller ihrer Geldspielgeräte zur sog. "Bruttokasse". Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus die "Nettokasse" als Bemessungsgrundlage für die die Umsatzsteuer (100/119 des Betrages der "Bruttokasse").

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2. Am 09.07.2010 gab die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juni 2010 beim Finanzamt A ab. Nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von ... €.

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3. Mit Schreiben vom selben Tag legte die Klägerin gegen die sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung Einspruch beim Finanzamt A ein.

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4. Am 22.06.2011 hat die Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2010 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben.

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5. Zwischenzeitlich hat die Klägerin im Dezember 2011 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 bei dem Beklagten eingereicht.

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Der Erklärung hat sie folgende Werte zugrunde gelegt:

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Insgesamt erzielte die Klägerin dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... € sowie dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... €.

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In dem Gesamtbetrag der Umsätze zu 19 % waren Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in Höhe von ... € enthalten. Zur Berechnung addierte die Klägerin die Jahressumme der monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") zu ... € ("Bruttokasse"). Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus eine Bemessungsgrundlage von ... € ("Nettokasse", 100/119 von ... €). Die auf die Umsätze aus Geldspielgeräten vor Abzug der Vorsteuerbeträge geschuldete Umsatzsteuer betrug demnach ... €.

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Die Umsatzsteuer auf die übrigen steuerpflichtigen Umsätze betrug ... €.

25

Von der so entstandenen Umsatzsteuer in Höhe von ... € brachte die Klägerin ... € als Vorsteuer zum Abzug, sodass sich ein Betrag von ... € als verbleibende Zahllast ergab.

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6. Der Beklagte hat daraufhin die zu zahlende Umsatzsteuer für 2010 mit Bescheid vom 29.03.2012 erklärungsgemäß auf ... € festgesetzt. Der Bescheid ist zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden, über das noch nicht entschieden ist, und auch Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens.

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III. Vorabentscheidungsverfahren

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1. Mit Beschluss vom 21.09.2012 (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 427 ff.) hat der Senat das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

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1.
Ist Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?

30

2. nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?

31

3.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ("elektronisch gezählte Kasse") des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?

32

4. nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?

33

5.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Ggf. was ist unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?

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6. nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?

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7. nur falls ja zu. 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen - etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?

36

8.
Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?

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9. nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?

38

2. Durch Beschluss vom 30.06.2013 (FGA Bl. 550 f.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass der in der dritten Vorlagefrage verwendete Begriff "Kasseninhalt" mit dem Klammerzusatz "elektronisch gezählte Kasse" die aus der Kontrolleinrichtung des Geldspielgeräts ausgelesenen Kasseneinnahmen in Form des Saldos des Kasseninhalts von Monatsanfang und Monatsende (= Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) meine.

39

3. Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12; FGA Bl. 591 ff.; UR 2013, 866) wie folgt erkannt:

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1. (zur Vorlagefrage 1)
Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.

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2. (zur Vorlagefrage 3)
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.

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3. (zur Vorlagefrage 8)
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.

43

4. Nach Eingang des Urteils des EuGH hat der Senat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen, das seitdem unter dem Aktenzeichen 3 K 207/13 geführt wird.

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IV. Streitstand

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1. Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Umsatzbesteuerung ihrer Geldspielgeräteumsätze verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität und Einzelbesteuerung (a.), der Abwälzbarkeit (b.) und der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer (c.). Entgegen der vom EuGH im Rahmen des hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens vertretenen Auffassung seien die Umsätze aus Geldspielgeräten aufgrund der Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) von der Besteuerung zu befreien (d.). Der EuGH habe unzulässige Rechtsfortbildung betrieben und sie, die Klägerin, in Verfahrensrechten sowie ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (e.). Zudem werde sie, die Klägerin, auf der Grundlage der Kasseneinnahmen ohne eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage besteuert, was gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstoße (f.). Die herangezogene Bemessungsgrundlage sei zudem deswegen ungeeignet, weil in ihr steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten seien (g.). Schließlich habe der Gesetzgeber in Bezug auf die Bemessungsgrundlage gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht technischer Vorschriften verstoßen (h.).

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Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor:

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a) Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität

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Der Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität werde verletzt, weil sich die Bemessungsgrundlage pauschal aus den Kasseneinnahmen nach einem bestimmten Zeitraum ergebe. Die Umsatzsteuer berechne sich damit nicht genau proportional zum Preis der einzelnen Leistung gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger. Dieses Erfordernis ergebe sich aber aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Jedoch sei diese Vorschrift nicht Gegenstand des hiesigen Vorlagebeschlusses gewesen und vom EuGH dementsprechend nicht gewürdigt worden. Dass es unzulässig sei, die Steuerbemessungsgrundlage pauschal für einen Besteuerungszeitraum zu ermitteln, habe der EuGH in einem anderen als dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren selbst vertreten (EuGH-Urteil vom 26.09.2013 C-189/11 - Kommission/Spanien, UR 2013, 835).

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Würden die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt, könne der Leistungsempfänger nicht erkennen, wie hoch der zu entrichtende Umsatzsteuerbetrag im Einzelnen und der gegebenenfalls von der eigenen Steuerschuld zum Abzug zu bringende Vorsteuerbetrag seien. Diese Vorgehensweise sei geeignet, das Mehrwertsteuersystem zu verfälschen. Dem Unternehmer werde gestattet, die Umsatzsteuerbeträge beliebig auf die einzelnen Dienstleistungs- oder Warenabnehmer zu verteilen, solange die auf den Gesamtumsatz erhobene Umsatzsteuer proportional zu diesem sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass Automatenaufsteller wie sie, die Klägerin, ihren einzelnen Spielgästen unterschiedlich hohe Umsatzsteuersätze in Rechnung stellten; die Spieler könnten die ihnen gegenüber beliebig hoch ausgewiesene Umsatzsteuer möglicherweise als Vorsteuer geltend machen, da die Umsatzsteuer nicht proportional zu den von ihnen geleisteten Entgelten berechnet werde.

50

Für eine dem Wortlaut der Richtlinie entsprechende Anwendung hingegen müsse ermittelt werden, was der einzelne Spielgast verloren und gewonnen habe. Eine in diesem Sinne aus den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spielgäste zu bildende Bemessungsgrundlage komme jedoch nicht in Betracht, da die Spielgeräte einzelne Gewinne und Verluste technisch nicht erfassten. Dies habe zudem zur Folge, dass der Gerätebetreiber den Spielern entgegen Art. 220 MwStSystRL keine Rechnung über die einzeln erbrachte Leistung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellen könne, wie ein derzeit beim AG Hamburg-1 anhängiger Rechtsstreit (Aktenzeichen...) zeige. Dort verlange der Kläger von dem beklagten Spielhallenbetreiber eine Rechnung über eingeworfene Geldbeträge und die darin enthaltene Umsatzsteuer, die der Beklagte aus den dargelegten Gründen verweigert habe. Das hiesige Verfahren sei bis zum Abschluss des beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreits gemäß § 74 FGO auszusetzen.

51

Der Spieleinsatz am Spielgerät als demgegenüber alternative Bemessungs-grundlage sei zudem deshalb ungeeignet, weil dieser dem Betreiber der Geräte effektiv nicht in vollem Umfang zufließe und sich damit nicht als die vom Spieler erbrachte Gegenleistung darstelle, aus der die mit dem Gerätebetrieb verbundenen Kosten gedeckt werden könnten.

52

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste

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Weiterhin sei die im Umsatzsteuersystem angelegte Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste als Endverbraucher rechtlich unmöglich.

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Eine Abwälzung der Umsatzsteuer setze voraus, dass die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis verlangt werden könne. Die den Spieleinsatz beschränkenden Regelungen der SpielV stellten aber Preisbegrenzungen dar, die sich auf Bruttopreise bezögen, ohne die von den Steuerpflichtigen abzuführende Umsatzsatzsteuer zu berücksichtigen. Entgegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL werde die Umsatzsteuer damit nicht auf den Nettopreis der Leistung erhoben, sondern der Preis der Leistung durch die Steuer reduziert. Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, wie etwa von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007, habe deswegen eine Herabsetzung des Nettopreises bewirkt. Dies habe zur Konsequenz, dass sich Preisbegrenzungen auf den jeweiligen Nettopreis beziehen müssten, um eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer zu gewährleisten.

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c) Grundsatz der steuerlichen Neutralität

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Die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten sei weiterhin deswegen unionsrechtswidrig, weil der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt werde.

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aa) Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die öffentlichen Spielbanken als Wettbewerber der Klägerin mit gleichartigem Leistungsangebot von der Doppelbesteuerung durch Umsatzsteuer und Spielbankenabgabe aufgrund der betragsgenauen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe ausgenommen seien. Zudem sei den Spielbanken die Umsatzsteuer zum Teil erlassen worden. Der Betrieb der Spielautomaten der Klägerin hingegen werde sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit der Spielvergnügungsteuer ohne Anrechnungsmöglichkeit belastet. Um eine gemäß Art. 107 AEUV wettbewerbsneutrale Besteuerung der gleichartigen Leistungen von öffentlichen Spielbanken und privaten Spielgerätebetreibern zu gewährleisten, müsse die derzeit geltende Doppelbesteuerung privater Anbieter durch Nichterhebung der Umsatzsteuer beseitigt werden. Eine kumulative Erhebung von Umsatzsteuer und Sonderabgabe in Form der Spielgerätesteuer scheide daher aus.

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bb) Zum anderen sei eine Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen Spielbanken und privaten Spielhallenbetreibern wie ihr, der Klägerin, anzunehmen, weil für öffentliche Spielbanken hinsichtlich der von ihnen angebotenen gleichartigen und damit im Wettbewerb zu ihr, der Klägerin, stehenden Geldgewinnspiele weder Brutto- noch Nettopreisbeschränkungen gälten und insoweit eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf die jeweiligen Leistungsempfänger denkbar sei.

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cc) Weiterhin liege auch deswegen eine Ungleichbehandlung vor, weil die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" sowohl für öffentliche Spielbanken als auch für private Unternehmen gelte, die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit erzielten, obgleich die Einnahmen der öffentlichen Spielbanken nicht durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften der SpielV begrenzt würden. Dadurch werde wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Nach dem Glawe-Urteil des EuGH (vom 05.05.1994 C-38/93)und dem daran anknüpfenden Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren seien nämlich die gesetzlichen Preisbegrenzungen der Rechtfertigungsgrund dafür gewesen, die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Gegenleistung für die Bereitstellung der Automaten zu betrachten und damit entgegen dem Grundsatz der Individualbesteuerung eine pauschale Besteuerung durchzuführen. Es sei daher geboten, der Besteuerung öffentlicher Spielbanken den gesamten Spieleinsatz zugrunde zu legen.

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Letztlich verletze aber die Beseitigung der Ungleichbehandlung in dieser Form wiederum den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz zulasten der Klägerin. Die Auszahlquote der öffentlichen Spielbanken von 90 bis 97 % der Spieleinsätze führe dazu, dass die Umsatzsteuer nicht bezahlt werden könnte und damit eine erdrosselnde Wirkung hätte. Wenn aber die Spielbankenumsätze deshalb konsequenterweise von der Umsatzsteuer befreit werden müssten, müsse in Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auch die Besteuerung ihrer, der Klägerin, Umsätze unterbleiben.

61

Da die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits davon abhänge, ob und wie die Umsätze öffentlicher Spielbanken der Besteuerung unterlägen, seien die Spielbanken der Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu dem Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 FGO beizuladen.

62

dd) Schließlich sei eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes nicht nur im Verhältnis öffentlicher Spielbanken und Spielhallen, in denen Glücksspiel an Automaten angeboten werde, sondern auch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen Teilnehmern des Glücksspielmarktes gegeben, darunter von der Umsatzsteuer befreite Lotterien.

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Nach der Rechtsprechung des EuGH verbiete es der Grundsatz steuerlicher Neutralität, zwei aus Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigten, umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln.

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Die Besteuerung der Spielhallen und die Steuerbefreiung der Lotto-, Toto- und Bingospiele verstoße dagegen, weil aus der Sicht des Durchschnittsbürgers beide Spielkategorien gleichartig seien. Dies werde insbesondere bei Rubbellosen deutlich, die bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmten. Auch das vom sog. "staatlichen Lottoblock" bundesweit angebotene Lotto- und Bingospiel richte sich ebenso wie das Angebot der Spielhallen an denselben Kundenkreis und stehe damit in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu Spielhallen.

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d) Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL

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Bereits aus den unter a) bis c) dargelegten Gründen lasse sich eine unionsrechtskonforme Bemessungsgrundlage nicht auffinden, sodass eine Steuerbefreiung der Umsätze aus den Spielgeräten der Klägerin geboten sei. Aber auch aus den Regelungen der MwStSystRL ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Umsätze umsatzsteuerfrei seien:

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aa) Indem der EuGH Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage in dem Sinne auslege, dass es den Mitgliedstaaten ohne Einschränkung freistehe, ob sie bestimmte Geldgewinnspiele der Mehrwertsteuer unterwürfen oder nicht, widersetze er sich dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Den Mitgliedstaaten werde nur dann ein weites Ermessen hinsichtlich der Besteuerung von Geldgewinnspielen eingeräumt, wenn sich Umsätze aus bestimmten Geldspielen für die Anwendung der Mehrwertsteuer eigneten. Bestünden hingegen Anwendungsprobleme - wie bei den hier zu beurteilenden Umsätzen aus Geldspielgeräten hinsichtlich der Wahrung der Grundsätze der Individualbesteuerung und Proportionalität - seien die Umsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien.

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bb) Zudem habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG im Jahr 2006 lediglich die Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken aufgehoben, ohne gemäß Art. 131 MwStSystRL die Bedingungen und Beschränkungen der Umsatzsteuerfreiheit wirksam umzusetzen. Für die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG hätte gemäß Art. 395 MwStSystRL ein Dispensverfahren durchgeführt werden müssen, weil Abweichungen von der MwStSystRL gemäß Art. 131 der Richtlinie nur zur Vereinfachung zulässig seien. Hierzu habe der EuGH sich mangels einer entsprechenden Vorlagefrage nicht geäußert.

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cc) Aus dem Zusammenspiel von Art. 135 und Art. 401 MwStSystRL folge, dass die in dem Katalog des Art. 135 MwStSystRL genannten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit seien, stattdessen aber Art. 401 der Richtlinie die Erhebung einer Sonderabgabe auf diese Umsätze ermögliche. Die Erhebung einer Sondergabe setze also notwendigerweise eine Steuerbefreiung von der Mehrwertsteuer voraus. Dem widerspreche die Auslegung des EuGH, wonach die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnspielmöglichkeit kumulativ mit Mehrwertsteuer und einer Sonderabgabe - hier der Spielvergnügungsteuer - belastet sein könnten.

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e) Unzulässige Rechtsfortbildung, Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des Anspruchs auf rechtliches Gehör

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aa) Aufgrund der unter a) bis d) dargelegten Gründe habe der EuGH mit seiner Auslegung der Richtlinie im Vorabentscheidungsverfahrens eine unzulässige Rechtsfortbildung betrieben. Das Urteil des EuGH stelle daher für das vorlegende Gericht einen unbeachtlichen Ultra-vires-Rechtsakt dar.

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bb) Weiterhin habe der EuGH wesentliche Verfahrensvorschriften sowie ihren, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta verletzt:

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aaa) Obwohl der EuGH im Rahmen der Beantwortung der achten Vorlagefrage erkannt habe, dass es zu einer Verfälschung des Mehrwertsteuersystems kommen könne, wenn die öffentlichen Spielbanken aufgrund der vollständigen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe kein Interesse an der Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen über die von ihnen erbrachten Leistungen hätten, habe er dennoch mangels hinreichender Informationen eine diesbezügliche Beurteilung unterlassen. Dadurch nehme der EuGH eine Verfälschung des Mehrwertsteuersystems hin, ohne dem vorlegenden Gericht oder ihr, der Klägerin, die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen zu geben. Deswegen habe der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nicht auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichten dürfen und das vorlegende Gericht gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung um eine Klarstellung ersuchen müssen. Zudem habe der EuGH gemäß Art. 20 Abs. 5 seiner Satzung nicht ohne Schlussanträge entscheiden dürfen, weil etwa in Bezug auf die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL zwingend gebotene Proportionalität oder die aufgezeigten Anwendungsprobleme der Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten neue und bisher nicht entschiedene Rechtsfragen aufgeworfen worden seien.

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bbb) Ihr, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta sei verletzt worden, weil der EuGH ihre rechtlichen Ausführungen unter anderem zur Proportionalität gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL, zur fehlenden Abwälzbarkeit und zur gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gebotenen Steuerbefreiung nicht gewürdigt habe.

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cc) Folglich sei das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen und der EuGH gemäß § 267 Abs. 2 AEUV erneut um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Hilfsweise sei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) mit einer Ultra-vires-Kontrolle der Entscheidung des EuGH zu befassen, bevor eine Entscheidung des Gerichts ergehen könne.

76

f) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes

77

Die Rechtswidrigkeit der Besteuerung der Klägerin ergebe sich schließlich daraus, dass die auf der Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen basierende Besteuerung sich nicht auf eine hierfür hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage stützen könne und deswegen den verfassungs- und unionsrechtlich fundierten Bestimmtheitsgrundsatz verletze.

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aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz fordere im Steuerrecht, dass der Steuerpflichtige einen derart bestimmten Tatbestand vorfinde, der es ermögliche, die auf ihn entfallende Steuerlast im Voraus zu berechnen.

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Die hier einschlägige Regelung des § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) bemesse die Umsatzsteuer nach dem Entgelt; das sei alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Die von dem beklagten Finanzamt als Bemessungsgrundlage herangezogenen Gesamtkasseneinnahmen seien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Denn es werde nicht - wie gesetzlich gefordert - auf das jeweilige Entgelt einer Einzelleistung abgestellt, sondern die Bemessungsgrundlage pauschal nach einem bestimmten Zeitraum ohne Erfassung einzelner Leistungen bestimmt.

80

Die deswegen verfassungswidrige Regelung des § 10 Abs. 1 UStG sei dem BVerfG folglich im Wege einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.

81

bb) Die von der gesetzlichen Grundlage abweichende Verwaltungspraxis der Finanzämter sei keine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung. Die Verwaltungspraxis stelle sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als uneinheitlich und damit willkürlich dar. Abhängig von dem zuständigen Finanzamt werde die Bemessungsgrundlage entweder nach dem "Saldo 2" (wie von dem beklagten Finanzamt), nach der "elektronisch gezählten Kasse" (wie vom Finanzamt Hamburg-2 nach einem Betriebsprüfungsverfahren) oder dem "Saldo 1" (wie vom Finanzamt B) bestimmt. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Bemessungsgrundlage aufgrund der Auslegung des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren hinreichend bestimmt worden sei, entfalte dies keine Rückwirkung auf die vor seiner Entscheidung bestehende Ungewissheit und Unbestimmtheit der Bemessungsgrundlage.

82

g) Steuerfreie Geldwechselvorgänge als Bestandteil der Bemessungs-grundlage

83

In der für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Rechengröße der "Kasseneinnahmen" seien zudem nicht ausschließlich Spieleinsätze, sondern auch gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten.

84

aa) Nutzer der Automaten führten nämlich regelmäßig Geldscheine in die Spielgeräte ein, nicht um die eingeführte Geldsumme zum Spiel an dem Gerät einzusetzen, sondern weil sie lediglich einen Geldschein in Münzgeld wechseln wollten. In diesem Fall werde die eingeführte Geldsumme zwar im Geldspeicher des Gerätes erfasst, nicht jedoch in den Punktespeicher umgebucht und damit nicht als Spieleinsatz am Gerät registriert. Dennoch erhöhten sich dadurch die Kasseneinnahmen des Gerätes in Höhe des Geldwertes des eingeführten Geldscheins. Die anschließende Auszahlung in Münzgeld vermindere den Kasseninhalt nicht, da diese Auszahlung regelmäßig aus den Münzhoppern des Gerätes vorgenommen werde. Es lasse sich mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL nicht vereinbaren, wenn steuerfreie Geldwechselvorgänge, die die Kasseneinnahme erhöhten, mit Umsatzsteuer belastet würden und "im Gegenzug" steuerpflichtige Spielvorgänge, die sich nur auf den Hopperbestand auswirkten und deshalb keinen Eingang in die Bemessungsgrundlage fänden, umsatzsteuerfrei seien.

85

Die Kasseneinnahmen seien demnach nicht das Ergebnis einer einzigen Art von steuerpflichtigen Dienstleistungen und für die Bemessung der Umsatzsteuer insgesamt ungeeignet. Auch könne die hinsichtlich der Geldwechselvorgänge zu Unrecht entstehende Umsatzsteuer nicht auf den Kunden abgewälzt werden.

86

bb) Wie hoch der Anteil der Geldbeträge sei, die für Geldwechselvorgänge verwendet würden, lasse sich nicht genau bestimmen. Jedenfalls wenn die Kontrolleinrichtung des Gerätes den Einwurf eines 50-€-Scheins registriere, finde in Höhe von 25,00 € ein steuerfreier Geldwechselvorgang statt. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV. Danach würden eingeworfene Beträge von mehr als 25,00 € nicht in den Geldspeicher des Gerätes gebucht, sondern automatisch ausgezahlt. In diesem Fall erhöhe sich die steuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" um 50,00 € trotz Auszahlung an den Spieler in Höhe von 25,00 €. Auch bei anderen in die Kasse eingeführten Geldscheinen sei teilweise - bei etwa 20 % der Kasseneinnahmen - von bloßen Geldwechselvorgängen auszugehen. Eine Pflicht, Vorsorge für die zutreffende Ermittlung dieser Vorgänge zu treffen, bestehe nicht, zumal, wie dargelegt, völlig ungewiss sei, was unter den "Kasseneinnahmen" zu verstehen sei.

87

h) Verletzung der Notifizierungspflicht

88

Die Klägerin beruft sich schließlich darauf, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) mit der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entgegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG vor seinem Erlass nicht gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert habe. Die von der Steuerverwaltung nach dem BMF-Schreiben vom 05.07.1994 als zutreffend erachtete Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen werde mittels eines Geräterechenprogrammes in den Geldspielgeräten errechnet, sodass eine i. S. der Richtlinie gegenüber der Europäischen Kommission notifizierungspflichtige technische Vorschrift vorliege. Zudem sei, um die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abwälzen zu können, eine technische Änderung der Geldspielgeräte notwendig, für die gleichfalls die Notifizierungspflicht gelte. Diese Mängel führten zur Unanwendbarkeit des Umsatzsteuergesetzes auf die streitigen Geldspielgeräte.

89

i) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

90

2.
Die Klägerin beantragt (FGA Bl. 679),
den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29.03.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von ... € auf ... € herabgesetzt wird;

91

hilfsweise (FGA Bl. 570, 679 ff., 744 f., 771 f., 774),
das Verfahren auszusetzen und den EuGH erneut gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen;
äußerst hilfsweise (FGA Bl. 682 f.),
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen;

weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

92

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

93

3.
Der Beklagte trägt vor:

Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet, weil die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit rechtmäßig sei.

94

a) Verletzung des Proportionalitätsgrundsatzes

95

Der Proportionalitätsgrundsatz sei nicht verletzt, weil die Bemessungs-grundlage "Kasseneinnahmen" danach bestimmt werde, was der Klägerin von den Spieleinsätzen tatsächlich am Monatsende zur Verfügung stehe, und sich damit im Vergleich zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers zu ihren Gunsten auswirke. Dies habe der EuGH mit seiner Entscheidung zur Rechtssache Glawe (Urteil vom 05.05.1994 C-38/93) bestätigt.

96

Die im Rahmen einer so zu bestimmenden Bemessungsgrundlage fehlende Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen sei praktisch nicht relevant. Denkbare Fälle wie die Einladung von Geschäftspartnern in eine Spielhalle anlässlich einer Feier führten zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben und unterlägen damit auch nicht dem Vorsteuerabzug (§ 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz -EStG- i. V. m. § 15 Abs. 1a UStG).

97

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer

98

Auch sei die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer gewährleistet, da die SpielV lediglich eine Gewinn- und Verlustbegrenzung vorsehe, aus der nicht generell die Begrenzung von Einnahmen folge. Die Klägerin habe die Möglichkeit, die Umsatzsteuer in ihre Kalkulation einzubeziehen und auf die Spieler jedenfalls kalkulatorisch abzuwälzen. Dies reiche nach der Rechtsprechung des BVerfG aus.

99

c) Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes

100

Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheide aus, da Spielhallen-betreiber und öffentliche Spielbanken aus umsatzsteuerlicher Sicht gleich behandelt würden. Eine etwa bestehende Ungleichbehandlung wegen der nur für private Spielgerätebetreiber geltenden Gewinn- und Verlustbegrenzungen aufgrund der SpielV oder der für öffentliche Spielbanken bestehenden Möglichkeit, die Umsatzsteuer in vollem Umfang auf die landesgesetzlich geregelte Spielbankenabgabe anzurechnen, sei in einem gesonderten Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der SpielV oder der jeweiligen Spielbankengesetze geltend zu machen.

101

Eine kumulative Belastung der Spielgeräte mit Umsatzsteuer und kommunaler Sonderabgabe wie der Spielvergnügungsteuer habe der EuGH in der Rechtssache Leo Libera (Urteil vom 10.06.2010 C-58/09) und nun auch in dem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren für unionsrechtskonform erachtet.

102

d) Bestimmtheit der Rechtsgrundlage

103

Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle auch § 10 Abs. 1 UStG eine taugliche und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit dar. Der Gesetzgeber habe in § 10 UStG die vom EuGH im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93) vertretene und nunmehr erneut bestätigte Auslegung des Art. 73 MwStSystRL übernommen, wonach die effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen in einem bestimmten Zeitraum zu besteuern seien.

104

e) Geldwechselvorgänge

105

Die von der Klägerin behaupteten Geldwechselvorgänge seien in den effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen nach der vom EuGH bestätigten und auch im Rahmen der Umsatzbesteuerung der Klägerin angewandten Berechnungsformel (Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) nicht enthalten. Die isolierte Betrachtung einzelner Geldwechselvorgänge verzerre die Ergebnisse, weil weitere Spieler, die nach einem Geldwechselvorgang spielten, den Hopper zunächst auffüllten, ohne dass sich der "Saldo 2" ändere. Im Übrigen gehe die nach Ansicht der Klägerin bestehende unrichtige Erfassung der Geldwechselvorgänge allein zu ihren Lasten. Denn der Aufsteller von Spielgeräten habe Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu treffen.

106

f) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten verwiesen.

107

V. Gerichtsverfahren

108

Der Senat hat die Klägerin unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 13.06.2014 aufgefordert, die im Streitjahr erzielten Kasseneinnahmen anzugeben und hierin etwa enthaltene Geldwechselvorgänge zu ermitteln oder zu schätzen (FGA Bl. 825, 946).

109

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens über die Funktionsweise von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.

110

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Erörterungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 (FGA Bl. 1081 ff.) und des Erörterungstermins vom 30.01.2014 (FGA Bl. 731 ff.) Bezug genommen.

111

Dem Senat haben je ein Band Rechtbehelfs-, Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer-, Bilanz- und Berichtakten sowie ein Band Akten "verwendbares Eigenkapital" vorgelegen (St.-Nr. .../.../...).

Entscheidungsgründe

112

B. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

113

Die als Änderungsanfechtungsklage i. S. des § 100 Abs. 2 Finanzgerichts-ordnung (FGO) statthafte Klage ist zulässig.

114

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Einspruch der Klägerin bisher nicht beschieden hat. Der erfolglose Abschluss des Einspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung gemäß § 44 FGO ist entbehrlich, weil die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO vorliegen. Die Klage ist nach Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelf erhoben worden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Klägerin ist auch kein zureichender Grund für die Zurückstellung der Entscheidung über den Einspruch mitgeteilt worden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

115

2. Die Klage richtet sich gegen die Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für 2010 vom 29.03.2012.

116

Zwar ist sie zunächst gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2010, die sich gemäß § 168 Satz 1 AO aus der entsprechenden Steueranmeldung ergibt, erhoben worden. Jedoch ist die nachfolgende Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 durch Bescheid des Beklagten vom 29.03.2012, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des noch offenen Einspruchsverfahren geworden ist (oben A. II. 6.), in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

117

Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid wird danach kraft Gesetzes Streitgegen-stand, wenn er während eines finanzgerichtlichen Verfahrens gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ergeht (BFH-Beschluss vom 30.04.2009 V B 193/07, juris; BFH-Urteil vom 04.11.1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454).

118

Die Jahresfestsetzung ist hier zwar nicht - wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO für den Regelfall vorausgesetzt - nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung ergangen; der Einspruch ist vielmehr unentschieden geblieben. Dem Sinn und Zweck der Verfahrensvereinfachung nach ist jedoch § 68 Abs. 1 FGO im Fall einer wie hier gegebenen Untätigkeitsklage i. S. von § 46 FGO entsprechend anzuwenden (FG München Urteil vom 23.02.2010 13 K 3272/07, juris).

II.

119

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

120

Der Betrieb der Klägerin von "Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" stellt eine umsatzsteuerbare Leistung dar (1.), die nicht von der Umsatzsteuer befreit ist (2.). Dies steht im Einklang mit Unionsrecht (3.). Zu Recht hat der Beklagte die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 1 UStG herangezogen (4.). Diese Besteuerung ist auch verfassungsgemäß (5.).

121

1. Der Betrieb von Geldspielautomaten ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine steuerbare sonstige Leistung, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird.

122

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen die streitigen Umsätze der Klägerin gehören.

123

3. Die Besteuerung der Klägerin ist unionsrechtskonform (a.). Dies folgt aus der - für das vorlegende Gericht verbindlichen - Auslegung des EuGH der MwStSystRL in seinem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12), welches innerhalb der Kompetenzen des EuGH ergangen ist (b.). Von einer erneuten Vorlage an den EuGH wird daher abgesehen (c.). Einer unionsrechtlichen Notifizierungspflicht unterlag die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht (d.).

124

a) Die Steuerpflicht bzgl. der Geldspielumsätze ist unionsrechtskonform. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Grundsätze der Proportionalität (aa.), Abwälzbarkeit (bb.) und Neutralität der Umsatzsteuer (cc.) berufen. Auch die von der Klägerin in Bezug auf die Bemessungsgrundlage aufgezeigten Anwendungsprobleme führen nicht zu einer Steuerbefreiung (dd.). Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, als er die Umsätze gewerblicher Spielhallenbetreiber aus Geldspielgeräten nicht in die Umsatzsteuerbefreiung einbezog (ee.). Die Umsatzsteuer kann neben der Spielvergnügungsteuer erhoben werden (ff.).

125

aa) Die Besteuerung der Klägerin ist hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität mit den Richtlinienvorgaben vereinbar.

126
aaa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL ist die Mehrwertsteuer eine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL bestimmt, dass sich die Mehrwertsteuer bei allen Umsätzen nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung errechnet.

127

Nach Ansicht des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens steht mit diesen Regelungen eine nationale Vorschrift oder Besteuerungspraxis im Einklang, nach der beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, juris, Rz. 44).

128

Die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände stellt zwar eines der wesentlichen Merkmale der harmonisierten Mehrwertsteuer dar, ist aber keine zwingende Voraussetzung in jedem Einzelfall (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 36 f.). Denn der Grundsatz der Proportionalität bezieht sich nur auf die Bemessungsgrundlage. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss. Jedoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 73 MwStSystRL, dass sich die Bemessungsgrundlage maßgeblich danach richtet, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt. Die Regelungen der MwStSystRL fordern somit keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler (EuGH-Urteile vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 38 f.; vom 05.05.1994 C-38/93 -Glawe, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548).

129

In einem ersten Schritt kommt es demnach darauf an, eine mit den Vorgaben des Art. 73 MwStSystRL konforme Bemessungsgrundlage aufzufinden. Anschließend ist die geschuldete Mehrwertsteuer zu errechnen, indem auf den im ersten Schritt gebildeten Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung der jeweils einschlägige Steuersatz angewendet wird. Nur die im zweiten Schritt vorzunehmende Anwendung des Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage ist damit Bezugspunkt der Proportionalität.

130

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geldspielgeräte vertritt der EuGH die Auffassung, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums besteht, weil diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften der SpielV den Teil der Einsätze darstellen, über den der Betreiber effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 42).

131

Indem auf die so gebildete Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuersatz angewendet wird, errechnet sich die Umsatzsteuer auf die klägerischen Umsätze aus Geldspielgeräten proportional zum Preis der Dienstleistung i. S. von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Dass der EuGH - wie von der Klägerin behauptet - die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL rechtlich nicht gewürdigt hätte, ist demnach nicht zu erkennen, zumal diese Bestimmung im Urteil eigens aufgeführt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 3).

132
bbb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der EuGH in seinem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren von der Rechtsprechung in anderen Entscheidungen abgewichen wäre.

133

Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des EuGH vom 26.09.2013 (C-189/11 - Kommission/Spanien, DStR 2013, 2106) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um die Umsetzung der speziell für die Umsatzbesteuerung von Reiseleistungen in Art. 308 MwStSystRL geregelte Bemessungsgrundlage ging.

134

Das Urteil des EuGH im hiesigen Verfahren steht nicht nur mit dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548), sondern auch mit der übrigen Rechtsprechung des EuGH im Einklang. So hat der EuGH entschieden, dass der im Vorhinein gesetzlich festgelegte Teil des Verkaufspreises für Bingo-Coupons, der für die Auszahlung der Gewinne an die Spieler bestimmt ist, nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört (Urteil vom 19.07.2012 C-377/11 - International Bingo, HFR 2012, 1011), und auch in anderen Fällen danach differenziert, ob der Steuerpflichtige über den gesamten gezahlten Preis frei verfügen kann oder nicht (Urteile vom 17.09.2002 C-498/99 - Town & County Factors, Slg. 2002, I-7173, UR 2002, 510, Rz. 30; vom 29.05.2001 C-86/99 - Freemans, Slg. 2001, I-4167, UR 2001, 349, Rz. 30). Dass die Umsatzsteuer nicht in jedem Fall zum Preis der Leistung proportional sein muss, sondern der Bruttoertrag während eines bestimmten Zeitraums und damit eine Gesamtheit von Umsätzen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden kann, ergibt sich schließlich aus der Entscheidung First National Bank of Chicago zur Besteuerung von Devisengeschäften (EuGH-Urteil vom 14.07.1998 C-172/96, UR 1998, 456, mit Anmerkung Philipowski).

135

bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwälzbarkeit ist 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL vereinbar.

136

Die in diesem Zusammenhang dem EuGH vorgelegten Fragen (fünfte bis siebte Vorlagefrage) blieben - wie von der Klägerin gerügt - wegen ihres hypothetischen Charakters unbeantwortet. Gleichzeitig stellte der EuGH aber in den Entscheidungsgründen fest, dass eine der SpielV entsprechende innerstaatliche Regelung, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenze, es dem Betreiber erlaube, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 53). Bemessungsgrundlage sei nämlich nur die "Nettokasse", d.h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 52). Die von dem Betreiber der Spielgeräte geschuldete Mehrwertsteuer werde deswegen von den Endverbrauchern tatsächlich gezahlt.

137

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Durch die Regelungen der SpielV sind die Betreiber von Geldspielgeräten nicht an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher gehindert (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07 BStBl II 2011, 311). Wie vom EuGH erkannt, ergibt sich bereits aus der Bemessungsgrundlage, dass die anfallende Umsatzsteuer faktisch von den Spielern als Leistungsempfängern getragen und somit vom Gerätebetreiber auf diese abgewälzt wird. Bei den Kasseneinnahmen, die den für den Betreiber frei verfügbaren Teil der Spieleinsätze darstellen, handelt es sich um einen Bruttowert, der die geschuldete Umsatzsteuer mitumfasst. Zur endgültigen Bestimmung der (Netto-) Bemessungsgrundlage ist die Umsatzsteuer noch aus diesem Betrag herauszurechnen. Daraus folgt zwingend, dass ein Gerätebetreiber die von ihm für seine erbrachten Leistungen geschuldete Umsatzsteuer bereits in vollem Umfang vereinnahmt hat. Der Umsatzsteuerbetrag ist in dem ihm frei zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen enthalten und steht ihm damit als von den Spielern stammender Betrag zur Abführung an den Fiskus tatsächlich zur Verfügung.

138

Im Übrigen fordert das Merkmal der Abwälzbarkeit nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag vom Endverbraucher stets tatsächlich ersetzt erhalten. Vielmehr genügt die generelle Möglichkeit dazu im Sinne einer "kalkulatorischen" Abwälzbarkeit. Die Abwälzung der Steuer stellt einen wirtschaftlichen Vorgang dar, in dem es dem Steuerschuldner überlassen bleibt, den Steuerbetrag in seine Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

139

Der Ansicht der Klägerin, dass die Abwälzbarkeit aufgrund der Regelungen der SpielV ausgeschlossen sei, weil diese einen Aufschlag der Umsatzsteuer auf den Nettopreis verhinderten, folgt der Senat demnach nicht. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Gewinnmöglichkeiten der Betreiber von Geldspielgeräten reduziert, indem er Gewinn- und Verlustbegrenzungen wie etwa in § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV einführt, verringern sich zwar die dem Betreiber zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen. Doch ist in dem so geminderten Betrag weiterhin die geschuldete Umsatzsteuer enthalten, sodass deren Abwälzung auf die Spieler in dem dargestellten Sinn nicht beeinträchtigt wird. Eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes mindert zwar bei gleichbleibenden Kasseneinnahmen den Betrag der Nettokasse (Kasseneinnahmen abzgl. Umsatzsteuer), jedoch ändert dies nichts daran, dass auch der erhöhte Umsatzsteuerbetrag von den Kasseneinnahmen umfasst ist und damit faktisch von den Spielern über ihre Einsätze getragen wird. Soweit die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes von 16 auf 19 % nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV geführt hat, könnte dies allenfalls zu einer Beanstandung der SpielV führen, nicht jedoch zur Rechtswidrigkeit der Umsatzbesteuerung (FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

140

cc) Auch eine Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor. Von einer Ungleichbehandlung ist weder im Verhältnis der Spielhallen zu Spielbanken (dazu (2) bis (4)) noch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen von der Umsatzsteuer befreiten Teilnehmern des Glücksspielmarktes auszugehen (dazu (5)).

141

aaa) Im Rahmen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems verbietet der Neutralitätsgrundsatz insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken und miteinander in Wettbewerb stehen, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (siehe etwa EuGH-Urteil vom 19.12.2012 C-310/11 - Grattan, UR 2013, 271, Rz. 28 m. w. N.).

142

Für Glücksspielumsätze bedeutet dies insbesondere, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zustehenden Befugnisse, die Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung von Glücksspielumsätzen festzulegen, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200).

143
bbb) Daran gemessen verstößt nach der Entscheidung des EuGH die für öffentliche Spielbanken geltende Anrechnung der geschuldeten Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe nicht gegen den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz (BFH-Beschluss vom 19.10.2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58; Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris).

144

Der EuGH hat im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren die seit dem 06.05.2006 bestehende unterschiedliche Abgabenbelastung des Betriebs von Geldspielgeräten in öffentlichen Spielbanken und außerhalb derselben, insbesondere in Spielhallen, für vereinbar mit dem Neutralitätsgrundsatz gehalten. Nach seiner Auslegung gewährleistet dieser Grundsatz Gleichbehandlung und Neutralität nur im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuersystems. Da die geschuldete Umsatzsteuer im Fall der Spielbanken auf die nicht harmonisierte Spielbankenabgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, ist die Gleichbehandlung der Umsätze aus Geldspielgeräten innerhalb des Mehrwertsteuersystems gewahrt (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 57; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris).

145

Damit führt der EuGH seine Rechtsprechung in der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) fort. Dort erkannte er bereits, dass sonstige nationale Steuern und Abgaben, die sich außerhalb des Mehrwertsteuersystems bewegen, von dem spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz nicht erfasst werden und ihre inhaltliche Ausgestaltung damit keinen Vorgaben der MwStSystRL unterliegt.

146

Ob in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung auf der Ebene der nicht harmonisierten Spielbankengesetze gegenüber privaten Spielhallen-betreibern, also außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems, vorliegt, hatte der EuGH nicht zu entscheiden. Diese Frage betrifft nicht die Vereinbarkeit der Regelung mit gleichheitsrechtlichen Postulaten des Unionsrechts, sondern stellt sich allein im nationalrechtlichen, dort vor allem im verfassungsrechtlichen Kontext (hierzu siehe unten 5.).

147

(3) Ferner ist eine innerhalb des harmonisierten Umsatzsteuersystems beachtliche Ungleichbehandlung auch nicht darin zu erkennen, dass der Betrieb von Geldspielgeräten durch öffentliche Spielbanken keinen gesetzlichen Preisbeschränkungen unterliegt, während für Spielhallenbetreiber die Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV (insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV) gelten.

148

Wie die Anrechnungsmöglichkeit der Spielbanken hat auch diese Differenzierung ihren Ursprung außerhalb des Mehrwertsteuersystems und ist damit nicht an den unionsrechtlichen Vorgaben zu messen. Eine Verletzung des spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes kommt daher nicht in Betracht.

149

Soweit die Klägerin einwendet, eine Ungleichbehandlung resultiere daraus, dass öffentliche Spielbanken die Umsatzsteuer im Gegensatz zu Spielhallenbetreibern aufgrund fehlender Preisbeschränkungen auf die Spieler abwälzen könnten, trifft dies nicht zu, weil die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer trotz der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV gewährleistet ist (siehe unter B. II. 3. a. bb.).

150

(4) Auch die Argumentation der Klägerin, die Umsätze aus Geldspielgeräten der öffentlichen Spielbanken und der Spielhallenbetreiber würden gleichheitswidrig zur Umsatzsteuer herangezogen, weil für beide Arten von Gerätebetreibern die einheitliche Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen gelte, führt nicht zum Erfolg.

151

Dass gleichartige Umsätze innerhalb und außerhalb von Spielbanken nicht nur in Bezug auf ihre dem Grunde nach bestehende Umsatzsteuerpflicht, sondern auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage gleich behandelt werden, ist vielmehr Ausdruck umsatzsteuerlicher Neutralität.

152

Die Gleichbehandlung dem Grunde nach war die zwingende Konsequenz des EuGH-Urteils in der Rechtssache Linneweber (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200), die der deutsche Gesetzgeber in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umgesetzt hat. In jenem Urteil stellte der EuGH fest, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in öffentlichen Spielbanken unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt demnach einmal dann vor, wenn die Steuerpflicht gleichartiger (Glücksspiel-) Umsätze davon abhängen soll, wer sie erzielt (Spielbanken oder Spielhallen).

153

Nach Auffassung des Senat wirkt der Neutralitätsgrundsatz aber nicht nur im Rahmen des Freistellungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Er gebietet es darüber hinaus, eine steuerliche Gleichbehandlung gleichartiger Umsätze auch hinsichtlich der Bestimmung dessen herbeizuführen, was i. S. von Art. 73 MwStSystRL der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ist.

154

Aus diesen Gründen gilt die pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage in Form der Kasseneinnahmen für alle Geldspielgeräte, unabhängig davon, ob sie den Gewinn- und Verlustbeschränkungen der SpielV unterliegen. Dass in dieser Hinsicht unterschiedliche gesetzliche Beschränkungen abhängig von dem Betreiber der Geräte Anwendung finden, beeinflusst die Besteuerung aufgrund einer einheitlichen Bemessungsgrundlage nicht. Der unterschiedliche persönliche Anwendungsbereich der SpielV stellt eine Differenzierung dar, die wegen ihres rein nationalrechtlichen Ursprungs außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems angelegt und damit nicht für die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Geldspielgeräten entscheidend ist. Denn für Zwecke der steuerlichen Neutralität ist es unbeachtlich, dass der Art nach gleiche Glücksspiele unterschiedlichen rechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Aufsicht und Regulierung unterliegen (siehe EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Tenor 2). Eine Gleichbehandlung innerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ist also gerade auch bei nicht unterschiedslos geltenden Regelungen wie der SpielV geboten.

155

Der Vortrag der Klägerin, dass eine Besteuerung nach den Spieleinsätzen bei den Spielbanken wegen der dortigen Auszahlquote von 90 bis 97 % zu einer Erdrosselung führte, spricht erst recht dafür, auch bei den Spielbanken in Anwendung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgebotes die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage anzusetzen.

156

(5) Schließlich kann der Senat eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes im Verhältnis steuerpflichtiger Spielhallenbetreiber und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreiter Glücksspielanbieter nicht feststellen.

157

In der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) hat der EuGH mit Blick auf § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entschieden, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Neutralität nicht vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat die mit Geldspielautomaten erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, jedoch Pferderennwetten, Wetten zu festen Odds (Quoten) sowie Lotterien und Ausspielungen von dieser Steuer befreit (Rz. 36; nachgehend BFH-Urteil vom 10.10.2010 XI R 79/07, BStBl II 2011, 311; bestätigt durch EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 54).

158

Soweit sich die Klägerin allgemein auf eine ihr gegenüber gleichheitswidrige Steuerbefreiung der Lotterien beruft, ist diese Frage demnach bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH geklärt. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

159

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht hinsichtlich des von der Klägerin benannten Bingospiels oder sogenannter Rubbellose anzunehmen, die - laut Klägerin - bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmen sollen.

160

Nach der Auffassung des EuGH genügt für eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es auf die Feststellung eines tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Dienstleistungen ankommt. Dabei sind die maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, die die Entscheidung des Verbrauchers, das eine oder das andere Glücksspiel zu spielen, erheblich beeinflussen können. So sind etwa in Bezug auf Geldspielgeräte insbesondere Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und -gewinnen, den Gewinnchancen, den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten entscheidend (EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-59/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 36, 55 ff.).

161

Daran gemessen unterscheidet sich das Automatenspiel aus der Sicht des Verbrauchers deutlich von den genannten Glücksspielvarianten.

162

Aus der Sicht des Verbrauchers besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Erwerb eines Bingo- oder Rubbelloses und dem Spiel an einem Automaten. Neben der auseinander fallenden Zugangsschwelle zum Spiel stellt sich die Unmittelbarkeit des Automatenspiels als das für die Unvergleichbarkeit maßgebliche Kriterium dar. Die schnelle Spielabfolge und das kurze Auszahlungsintervall ermöglicht dem Spieler am Geldspielautomaten, die Wirkung seines Einsatzes, also den Erfolg oder Misserfolg seines Handelns, in rascher Abfolge zu erleben. Für das Automatenspiel ist im Gegensatz zu den weitergehend von Zufälligkeiten abhängigen Lotterien kennzeichnend, dass der Spieler aktiv einbezogen ist und ihm das Gefühl vermittelt wird, dass er auf seine Gewinnchancen selbst Einfluss nehmen kann (im Ergebnis ebenso Bruschke, UVR 2014, 77; vgl. bzgl. des höheren Suchtpotentials von - den Automatenspielen vergleichbaren - Kasinospielen im Verhältnis zu Sportwetten und Lotterien BGH-Urteil vom 18.11.2010 I ZR 165/07, juris).

163

dd) Eine Steuerbefreiung ergibt sich schließlich nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL wegen der von der Klägerin angeführten Anwendungsprobleme hinsichtlich der Bemessungsgrundlage.

164

aaa) Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass sich Glücksspielumsätze im Allgemeinen schlecht für die Anwendung der Umsatzsteuer eignen, die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL als Verbrauchsteuer konzipiert ist. Glücksspiele sind durch die Zahlung von Einsätzen und die Auszahlung von Gewinnen geprägt, ohne dass ein Verbrauch von Gegenständen oder Dienstleistungen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung erkennbar wäre. Dies hat auch der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung festgestellt (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg 2011, I-10947, Rz. 39; vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189, Rz. 24).

165

bbb) Die aus diesem Grund eingeführte Freistellungsregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL für "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin zu verstehen, dass die Mitgliedstaaten deswegen Umsätze aus Geldspielgeräten von der Umsatzsteuer befreien müssten.

166

Denn der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung i. S. d. Art. 73 MwStSystRL lässt sich für den Zweck der Besteuerung von Geldspielgeräten ermitteln, sodass sich die im Allgemeinen bei Glücksspielen bestehende Problematik des variierenden und von Zufälligkeiten abhängenden "Preises" für die vom Glücksspielanbieter erbrachte Leistung nicht stellt:

167

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 05.05.1994 C-38/93 - Glawe, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548; daran anschließend die Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren). Im Fall der streitgegenständlichen Geldspielgeräte werden die für die Bestimmung der Erlöse relevanten Daten in den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolleinrichtungen innerhalb der Geräte erfasst (s. zur Bemessungsgrundlage unten unter 4. a. und b.).

168

(2) Auch die von der Klägerin dargestellten Anwendungsprobleme, die hinsichtlich des Vorsteuerausweises und -abzugs bei einer pauschal ermittelten Bemessungsgrundlage wie den Kasseneinnahmen entstehen, können die begehrte Steuerbefreiung nicht begründen. Wie zutreffend vom Beklagten vorgetragen, stellt sich die Problematik der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen des Dienstleisters und des entsprechenden Vorsteuerabzugs auf der Ebene des Leistungsempfängers praktisch nicht. Ein Vorsteuerabzug scheidet in den Fällen, in denen ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer Geschäftspartner in eine Spielhalle einlädt, gemäß § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG regelmäßig aus. In dem von der Klägerin genannten Fall, dass Spielhallen von Konkurrenten zu Vergleichszwecken aufgesucht werden, wollen die Besucher im Allgemeinen unerkannt bleiben und verzichten daher auf eine Rechnungserteilung.

169

Im Übrigen (so auch für den Sonderfall, der nach der Klägerin dem Rechtsstreit vor dem AG Bergedorf zugrunde liegen soll) ist davon auszugehen, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in zulässiger Umsetzung des Art. 220 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL geregelte umsatzsteuerliche Pflicht zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis an andere Unternehmer, die in entgeltlichen Austauschverträgen zivilrechtlich üblicherweise als Nebenpflicht vereinbart ist, in dem aufgrund des Automatenspiels zwischen Spieler und Gerätebetreiber geschlossenen Vertrag regelmäßig konkludent ausgeschlossen wird bzw. der Spieler hierauf konkludent verzichtet.

170

Der deutsche Gesetzgeber konnte daher im Rahmen seines Umsetzungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL die Anwendungsprobleme des Umsatzsteuerausweises und Vorsteuerabzugs unberücksichtigt lassen.

171

ee) Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien, als er die Geldspielumsätze von Automatenaufstellern nicht in die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Abs. 9 Buchst. b UStG einbezog (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, UR 2010, 494; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; Bruschke, UVR 2014, 77).

172

Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien, allerdings unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu. Es ist ihnen auf dieser Grundlage gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189), sofern sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200). Dies ist in Bezug auf die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG geschehen (oben 3. a. cc.).

173

Aus Art. 131 MwStSystRL ergibt sich nach Auffassung des Senats keine weitergehende Beschränkung des in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eröffneten Regelungsermessens bzgl. der inhaltlichen Reichweite der Steuerbefreiung, sondern im Gegenteil die Befugnis zur Regelung weiterer Bedingungen im Hinblick auf die Anwendung der Steuerbefreiung zum Zweck der Vereinfachung und der Missbrauchsverhinderung.

174

Entsprechendes gilt für die Bestimmung des Art. 395 MwStSystRL; das dort geregelte und von der Klägerin vorliegend für anwendbar gehaltene Dispensverfahren ist nur für in der Richtlinie nicht vorgesehene Abweichungen erforderlich und erfasst nicht das den Mitgliedstaaten in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL selbst eröffnete Ermessen.

175

Eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf die Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL kommt somit nicht in Betracht (FG Hamburg, Beschluss vom 05.11.2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925).

176

ff) Schließlich ist nach dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren geklärt, dass die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele - wie in Hamburg die Spielvergnügungsteuer - kumulativ erhoben werden können (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 32; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

177

b) Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gefundene Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die dazu führte, dass das EuGH-Urteil als sog. Ultra-vires-Rechtsakt unanwendbar wäre.

178

Die Feststellung, ob Organe und Einrichtungen der Europäischen Union kompetenzwidrig und damit außerhalb der Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. dem Integrationsgesetz gehandelt haben, obliegt dem BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvR 2661/06 BVerfGE 126, 286, 302 ff. - Honeywell; BVerfG-Urteile vom 30.06.2009 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 BVerfGE 123, 267 - Lissabon; vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 BVerfGE 89, 155 - Maastricht). Gelangt ein Fachgericht zu der Überzeugung, dass eine Kompetenzüberschreitung eines EU-Organs vorliegt und die Anwendbarkeit dieses Rechtsakts für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ist es in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob der Rechtsakt wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Grenzen des Art. 23 Abs. 1 GG innerstaatlich Anwendung findet (in diesem Sinne in Bezug auf die innerstaatliche Anwendbarkeit einer EU-Verordnung BVerfG-Beschluss vom 07.06.2000 2 BvL 1/97 BVerfGE 102, 147 - Bananenmarktordnung; Thiemann, JURA 2012, 902).

179

Ein Kompetenzverstoß in dem beschriebenen Sinne kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn dieser hinreichend qualifiziert ist. Zum einen muss das in Frage stehende Handeln eines EU-Organs offensichtlich kompetenzwidrig sein; zum anderen muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und EU im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fallen, mithin zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führen (BVerfG-Beschluss vom 06.06.2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 - Honeywell, juris Rz. 61). Ausdrücklich gesteht das BVerfG dem EuGH im Rahmen seiner Stellung als unabhängiges überstaatliches Rechtsprechungsorgan einen Anspruch auf Fehlertoleranz zu. Das BVerfG setzt daher bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung nicht an die Stelle derjenigen des EuGH.

180

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der EuGH durch seine Auslegung der MwStSystRL innerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, zur Wahrung des Rechts europäisches Primär- und Sekundärrecht auszulegen und anzuwenden (Art. 19 EUV). Eine unzulässige Rechtsfortbildung durch den EuGH liegt nicht vor. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der EuGH die Vorschriften der MwStSystRL in rechtsmethodisch unvertretbarer Weise ausgelegt hätte. Im Wesentlichen hat der EuGH die Ergebnisse seiner bisherigen Rechtsprechung auf den vorgelegten Sachverhalt anwenden können. Im Schwerpunkt hat sich seine Rechtsfindung an der Auslegung des Richtlinienwortlauts orientiert. Schließlich begründet sein Vorgehen keine neuen Kompetenzen der EU zulasten der Mitgliedstaaten oder dehnt eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung aus.

181

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensverstöße des EuGH beeinflussen die Verbindlichkeit seiner gefundenen Auslegung für den erkennenden Senat nicht. Selbst im Falle ihres Vorliegens wären sie nicht geeignet, einen Kompetenzverstoß in dem genannten Sinne zu begründen.

182

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.

183

c) Der Senat sieht von einer erneuten, von der Klägerin beantragten Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV ab. Der EuGH hat die entscheidungserheblichen Auslegungsfragen durch sein Urteil in einer Weise geklärt, dass der Senat den vorliegenden Rechtsstreit in der Sache auch ohne die Klärung weiterer unionsrechtlicher Rechtsfragen entscheiden kann und keine Zweifel daran hat, dass die Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte unionsrechtskonform ist.

184

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Gesetzgeber bei Erlass des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. d. F. des Gesetzes vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204 v. 21.07.1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen.

185

aa) aaa) Durch das Gesetz vom 28.04.2006 (mit Geltung ab dem 06.05.2006, BGBl I 2006, 1095) hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Sache Linneweber (vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200) dahingehend geändert, dass er zur Vermeidung einer unionsrechtlichen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Spielhallenbetreibern die bis dahin bestehende Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen zugelassener öffentlicher Spielbanken aufgehoben hat.

186

bbb) Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG machen die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 98/34/EG führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (VGH München, Beschluss vom 25.06.2013 10 CS 13.145, juris, m. w. N.).

187
ccc) Unter den Begriff der technischen Vorschrift fällt gemäß Art. 1 Nr. 9 Richtlinie 98/34/EG erstens eine technische Spezifikation i. S. des Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, zweitens eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses.

188

bb) Die faktische Wiedereinführung der Umsatzsteuerpflicht für Spielhallenbetreiber durch die Aufhebung der Steuerbefreiung für die Umsätze öffentlich zugelassener Spielbanken und den damit verbundenen Wegfall der Möglichkeit, sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zu berufen, unterlag nicht der Notifizierungspflicht.

189

aaa) Die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG beinhaltet keine technische Spezifikation, weil sie sich nicht speziell auf ein Erzeugnis und seine Verpackung als solche bezieht und eines der vorgeschriebenen Merkmale festlegt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.07.2012 C-213/11 u. a. - Fortuna, NwWZ-RR 2012, 717).

190

bbb) Die Gesetzesänderung begründet auch kein Verbot des Betriebs von Glücksspielgeräten i. S. des Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie. Ein derartiges Verbot läge etwa vor, wenn die Verwendung der Geräte an anderen Orten als Spielkasinos verboten würde (EuGH-Urteil vom 26.10.2006 C-65/05 Kommission ./. Griechenland, Slg. 2006, I-10341). Durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG wird aber weder der Klägerin noch den Spielbanken der Betrieb von Geldspielgeräten verboten.

191

ccc) Schließlich handelt es sich auch nicht um eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 98/34/EG. Dies sind Vorschriften für ein Erzeugnis, die keine technischen Spezifikationen sind und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen werden und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betreffen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH-Urteil vom 21.04.2005 C-267/03 - Lindberg, Slg 2005, I-3247; VG Hamburg, Urteil vom 22.08.2013 2 K 179/13, juris). Der bloße Umstand, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten durch ein elektronisches Rechenprogramm des Geräteherstellers errechnet wird, genügt insoweit ersichtlich nicht.

192

4. Der Beklagte hat rechtmäßig auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte der Besteuerung der Klägerin als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt (a.). Die für diesen Zweck herangezogene Rechengröße des sog. "Saldo 2" stellt trotz darin erfasster steuerfreier Geldwechselvorgänge eine taugliche Bemessungsgrundlage dar (b.). Die Regelung des § 10 Abs. 1 UStG verstößt nicht gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (c.).

193

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Regelung beruht auf Art. 73 MwStSystRL. Danach ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

194

Nach der Auslegung der EuGH ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Geldspielgeräte für die Bestimmung der Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, auf die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums abzustellen (siehe unter B. II. 3. a. aa.). § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG ist unter Berücksichtigung des so vom EuGH gefundenen Ergebnisses richtlinienkonform auszulegen. Daraus folgt, dass als Bemessungsgrundlage nicht die von den Spielern gezahlten Einsätze angesetzt werden. Vielmehr sind die Kasseneinnahmen zugrunde zu legen, die den Bruttospielertrag des Gerätebetreibers abbilden. Davon ist die Umsatzsteuer abzuziehen, sodass sich als Bemessungsgrundlage die sog. Nettokasse ergibt.

195

Diesem Ergebnis stehen nicht die zwischen Art. 73 MwStSystRL und § 10 Abs. 1 UStG bestehenden Formulierungsunterschiede entgegen. Zwar stellt § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf das Entgelt ab, das der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und nicht wie Art. 73 MwStSystRL auf den Wert der Gegenleistung, die der Lieferer oder Dienstleister "erhält oder erhalten soll". Jedoch will auch die Umsetzungsregelung des § 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen. Für die Umsatzsteuer ist das tatsächlich aufgewendete Entgelt maßgeblich, soweit es dem Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinsammler zufließt. Lediglich aufgrund der Sollbesteuerung wird verfahrenstechnisch für die Entstehung der Steuerschuld gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG zunächst an die Ausführung des Umsatzes gegen das vereinbarte Entgelt angeknüpft. Anschließend ist gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG aber eine Korrektur vorzunehmen, wenn der Sollbetrag nicht vom Unternehmer vereinnahmt wird.

196

b) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Auslegung des EuGH hinsichtlich der steuerlichen Bemessungsgrundlage nur auf künftige Fälle und damit nicht auf den Streitfall Anwendung fände.

197

Eine Auslegungsentscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren klärt die Bedeutung einer Norm, die ihr von Anfang an zukam. Sie wirkt grundsätzlich ex tunc (Wernsmann, Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 11 Rz. 44). Dies bedeutet, dass nationale Behörden und Gerichte auf Unionsrecht beruhende Rechtsnormen in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden müssen, die vor Erlass der EuGH-Entscheidung entstanden sind (EuGH-Urteile vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 34; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200, Rz. 41). In Ausnahmefällen kann der EuGH aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der einzelnen Betroffenen in seiner Entscheidung allerdings die zeitliche Reichweite seiner Auslegungsentscheidung beschränken (EuGH-Urteil vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 36 m. w. N.).

198

Eine zeitliche Beschränkung hat der EuGH in seiner Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren jedoch nicht vorgenommen. Seine Auslegung, dass die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde zu legen sind, gilt daher für die Besteuerung von Geldspielgeräten, wie sie die Klägerin betreibt, auch für Zeiträume vor Erlass seiner Entscheidung. Im Übrigen hat der EuGH lediglich die bereits im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548) begründete Rechtsprechung zur Bemessungsgrundlage fortgeführt und diese nicht geändert.

199

c) Nach dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, Rz. 9 f.) kann der Automatenbetreiber nur über die Geldstücke effektiv selbst verfügen, die in die Gerätekasse gelangen, weil mit den Geldstücken, die in das Münzstapelrohr (Vorläufer des heutigen Hoppers) fallen, dessen Inhalt aufgefüllt wird, den ursprünglich der Betreiber bereitgestellt hatte, um die Inbetriebnahme der Automaten zu ermöglichen. Dies spräche dafür, als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten den "Saldo 2" und nicht den "Saldo 1" anzuwenden, denn im "Saldo 1" sind die Geldeinwürfe, die im Hopper landen, enthalten, während die Hopperbestandsveränderungen im "Saldo 2" herausgerechnet (neutralisiert) werden (s. oben A. I. 3. b.).

200

Demgegenüber hat der EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ausgeführt, dass jede Hopperbestandsveränderung von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen berücksichtigt werde, sodass es unschädlich sei, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers habe (Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 43). Dies spricht eher für den "Saldo 1" als zutreffende Bemessungsgrundlage; letztlich ist die Differenz zwischen dem, was die Spieler einwerfen, und dem, was an sie ausgezahlt wird, der Betrag, über den der Betreiber effektiv verfügen kann.

201

Soweit in anderen Fällen die "elektronisch gezählte Kasse" als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden sollte, wäre das nach Auffassung des Senats nicht zutreffend, weil hierin auch die Nachfüllungen durch den Automatenaufsteller enthalten sind, die der Umsatzbesteuerung nicht unterliegen dürfen.

202

d) Die Frage, ob der "Saldo 1" oder der "Saldo 2" für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage vorzuziehen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.

203

aa) Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass wenn ein Spieler lediglich einen Geldschein in Münzen wechselt, ohne einen Spielvorgang durchzuführen, der "Saldo 2" um den Betrag des eingeworfenen Geldscheins erhöht ist, weil dieser in die Gerätekasse fällt und die Minderung des Hopperbestandes aufgrund der Münzauszahlung durch Addition zum "Saldo 1" neutralisiert wird (s. oben A. I. 3. b.). Auch dieser Umstand spricht eher für die Heranziehung des "Saldos 1" als Bemessungsgrundlage, auf den sich die eingezahlten und in identischer Höhe wieder ausgezahlten Beträge nicht auswirken.

204

Dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, den "Saldo 2" zur Ermittlung der Höhe der steuerpflichtigen Geldspielumsätze heranzuziehen. Denn bei einem Geldwechselvorgang erhöhen diesem Vorgang nachfolgende Münzeinwürfe zu Spielzwecken den "Saldo 2" andersherum nicht, weil hierdurch zunächst der Hopperbestand wieder aufgefüllt wird. Diese Mehrung des Hopperbestandes wird bei der Ermittlung des "Saldos 2" aber ebenfalls herausgerechnet.

205

Bei jeweils kontinuierlicher Anwendung ist der "Saldo 2" ebenso geeignet wie der "Saldo 1". Denn wie der Sachverständige in seinem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten bestätigt hat, gleichen sich diese Vorgänge über längere Sicht aus. Insgesamt kann sich die Differenz zwischen dem "Saldo 1" und dem "Saldo 2" nach den Ausführungen des Sachverständigen über längere Zeit nur auf eine Hopper- bzw. Dispenserfüllung belaufen. Diese Differenz wird zudem spätestens bei Außerbetriebnahme des Geldspielgerätes ausgeglichen.

206

bb) Die Klägerin kann demgegenüber nicht einwenden, es sei unzulässig, steuerpflichtige Geldspielumsätze, die die Kasseneinnahme nicht erhöhten, weil sie nur in den Hopper fielen, mit steuerfreien Geldwechselvorgängen, die die Kasseneinnahme erhöhten, zu saldieren. Wie dargelegt (oben unter a.), wird die Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit auf die monatlichen Kasseneinnahmen erhoben und nicht auf jeden einzelnen Spieleinsatz. Dieser Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist eine gewisse Pauschalierung dadurch immanent, dass mehrere Vorgänge zusammengefasst werden und nur das Ergebnis der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

207

Da gewährleistet ist, dass Geldwechselvorgänge den "Saldo 2" nicht erheblich und dauerhaft erhöhen, bestehen gegen dessen Heranziehung als Bemessungsgrundlage keine Bedenken; eventuelle vorübergehende Unterschiede am Ende des jeweiligen Erfassungszeitraums halten sich im Rahmen der zulässigen Pauschalierung (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 04.01.2011 5 A 847/10, juris, nachfolgend BVerwG-Beschluss vom 25.11.2011 9 B 27/11, juris, für die hessische Spielapparatesteuer).

208

cc) Im Ergebnis kann aber auch diese Frage offen bleiben.

209

Denn wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass der - von ihr selbst der Steueranmeldung zugrunde gelegte - "Saldo 2" als Bemessungsgrundlage ungeeignet sei und die tatsächlichen, um Geldwechselvorgänge bereinigten Spielumsätze niedriger gewesen seien, hätte sie Gelegenheit gehabt, dies innerhalb der ihr hierfür gesetzten Ausschlussfrist (s. oben A. V.) vorzutragen und den ihrer Auffassung nach erzielten, niedrigeren Jahresumsatz anzugeben oder jedenfalls zu schätzen und die Schätzungsgrundlagen zu benennen. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten.

210

c) § 10 Abs. 1 UStG wahrt das rechtsstaatliche Gebot der Normenbestimmtheit. Die verfassungsrechtliche Forderung nach Gesetzesbestimmtheit meint die Verpflichtung des Gesetzgebers zu begrifflicher Präzision bei der Abfassung von Normen. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Beschluss vom 18.05.2004 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370; BVerfG-Urteil vom 17.11.1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234; BFH-Beschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167). Daran besteht hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe kein Zweifel. Die von der Klägerin vorgetragenen Argumente sind allein für die rechtsmethodisch zu lösende Frage des von der Richtlinienregelung abweichenden Wortlauts des § 10 Abs. 1 UStG relevant (siehe hierzu oben unter a.).

211

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte die Ermittlung der Kasseneinnahme als den Betrag, über den der Aufsteller nach der Rechtsprechung des EuGH effektiv selbst verfügen kann, zulassen und welche Berechnungsgröße ("Saldo 1", "Saldo 2" oder "elektronisch gezählte Kasse") diese Bemessungsgrundlage zutreffend wiedergibt, ist für die Frage der Bestimmtheit des § 10 Abs. 1 UStG in der maßgeblichen unionsrechtskonformen Auslegung ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (BFH-Urteil vom 07.12.2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790, für die Hamburgische Spielvergnügungsteuer).

212

5. Die Besteuerung der Umsätze der Klägerin aus Geldspielgeräten verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses wird weder dadurch, dass auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, verletzt (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311), noch ohne Weiteres durch die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe, da insoweit die steuerliche Gesamtsituation unter Einbeziehung der Spielbankenabgabe zu beurteilen ist und nicht isoliert die Umsatzbesteuerung, weshalb es an einer Vergleichbarkeit fehlt (FG Hessen, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556; Bruschke, UVR 2014, 77; s. auch BVerwG-Beschluss vom 13.06.2013 9 B 50/12, BFH/NV 2013, 1903, m. w. N., für die Spielvergnügungsteuer). Im Übrigen kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG nur vorliegen, wenn innerhalb des Kompetenzbereichs desselben Normgebers ohne sachlichen Grund verschiedenes Recht gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.1996 9 S 1152/96, NJW-RR 1997, 630). Die Spielbankgesetze sind jedoch Landesrecht.

III.

213

1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

214

a) Die beantragte Aussetzung im Hinblick auf die von der Klägerin angeregten Vorlage an den EuGH und das BVerfG kam aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht (siehe oben II. 3. b. und c.).

215

b) In Bezug auf den beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreit (Az. ...), welcher den zivilrechtlichen Anspruch auf Rechnungserteilung mit ausgewiesener Umsatzsteuer gegenüber einem Betreiber von Geldspielgeräten zum Gegenstand hat, war das Verfahren gleichfalls nicht auszusetzen. Der vorliegende Rechtsstreit war aus den dargelegten Gründen (oben 3. a. dd.) entscheidungsreif, ohne dass es darauf ankam, wie das Zivilgericht in dem dortigen, sehr speziellen Einzelfall entscheidet.

216

2. Von der beantragten Beiladung der Spielbanken gemäß § 60 Abs. 1 FGO hat der Senat abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, dass durch Steuergesetze rechtlich geschützte Interessen der Spielbanken aufgrund der vorliegenden Entscheidung berührt würden.

IV.

217

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

218

2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

219

Die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen konnten anhand der im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung sowie der weiteren zur mehrwertsteuerlichen Behandlung von Glücksspielumsätzen ergangenen EuGH-Urteile gelöst werden. Angesichts dieser für das Gericht bindenden Rechtsprechung des EuGH verbleiben keine weiteren Zweifel an der Auslegung der Normen der MwStSystRL hinsichtlich der Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte (ebenso BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

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Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 nicht klagebefugt sind.

(4) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.

(5) Die als Mitberechtigte Beigeladenen können aufgefordert werden, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(6) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines als Kläger oder Beklagter Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:

1.
Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich mit der Bekanntgabe des Spielergebnisses fort und endet mit der Auszahlung des Gewinns beziehungsweise der Einstreichung des Einsatzes.
2.
Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
3.
Bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Einsatzleistungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Einsatz um höchstens 0,03 Euro je volle Sekunde erhöht werden; bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Gewinnauszahlungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Gewinn um höchstens 0,30 Euro je volle Sekunde erhöht werden. Darüber hinausgehende Erhöhungen von Einsatz und Gewinn sind ausgeschlossen.
4.
Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen.
5.
Die Summe der Gewinne abzüglich der Einsätze darf im Verlauf einer Stunde 400 Euro nicht übersteigen. Jackpots und andere Sonderzahlungen jeder Art sind ausgeschlossen.
6.
Nach einer Stunde Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause von mindestens fünf Minuten ein, in der keine Einsätze angenommen und Gewinne gewährt werden. In der Pause dürfen keine Spielvorgänge, einsatz- und gewinnfreie Probe- oder Demonstrationsspiele oder sonstige Animationen angeboten werden.
6a.
Nach drei Stunden Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause ein, in der es für mindestens fünf Minuten in den Ruhezustand versetzt wird; zu Beginn des Ruhezustandes sind die Geldspeicher zu entleeren und alle Anzeigeelemente auf die vordefinierten Anfangswerte zu setzen.
7.
Die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern ist bei Geldannahme vom Spieler in der Summe auf 10 Euro begrenzt. Höhere Beträge werden unmittelbar nach der Aufbuchung automatisch ausgezahlt. Eine Bedienvorrichtung für den Spieler, mit der er vorab einstellen kann, dass aufgebuchte Beträge unbeeinflusst zum Einsatz gelangen, ist unzulässig. Jeder Einsatz darf nur durch unmittelbar zuvor erfolgte gesonderte physische Betätigung des Spielers ausgelöst werden. Es gibt eine nicht sperrbare Bedienvorrichtung zur Auszahlung, mit der der Spieler uneingeschränkt über die aufgebuchten Beträge, die in der Summe größer oder gleich dem Höchsteinsatz gemäß Nummer 1 sind, verfügen kann.
8.
Der Spielbetrieb darf nur mit auf Euro lautenden Münzen und Banknoten und nur unmittelbar am Spielgerät erfolgen.
8a.
Bei Mehrplatzspielgeräten müssen die einzelnen Spielstellen unabhängig voneinander benutzbar sein und jede Spielstelle hat die Anforderungen der §§ 12 und 13 zu erfüllen, soweit diese landesrechtlich überhaupt zulässig sind; aus der Bauartzulassung eines Mehrplatzspielgerätes folgt kein Anspruch auf die Aufstellung des Mehrplatzspielgerätes.
8b.
Mehrplatzspielgeräte dürfen über höchstens vier Spielstellen verfügen, einzelne Spielstellen dürfen nicht abstellbar sein.
9.
Das Spielgerät beinhaltet eine Kontrolleinrichtung, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Die Kontrolleinrichtung gewährleistet die in den Nummern 1 bis 5 Satz 1 und Nummer 6a aufgeführten Begrenzungen.
9a.
Das Spielgerät zeichnet nach dem Stand der Technik die von der Kontrolleinrichtung gemäß Nummer 8 erfassten Daten dauerhaft so auf, dass
a)
sie jederzeit elektronisch verfügbar, lesbar und auswertbar sind,
b)
sie auf das erzeugende Spielgerät zurückgeführt werden können,
c)
die einzelnen Daten mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung verknüpft sind,
d)
ihre Vollständigkeit erkennbar ist und
e)
feststellbar ist, ob nachträglich Veränderungen vorgenommen worden sind.
10.
Der Spielbetrieb darf nur bei ständiger Verwendung eines gültigen gerätegebundenen, personenungebundenen Identifikationsmittels möglich sein, wobei
a)
die Gültigkeit des verwendeten Identifikationsmittels durch das Spielgerät vor Aufnahme des Spielbetriebs geprüft werden muss und
b)
während des Spielbetriebs keine Daten auf dem verwendeten Identifikationsmittel gespeichert werden dürfen.
11.
Das Spielgerät und seine Komponenten müssen der Funktion entsprechend nach Maßgabe des Standes der Technik zuverlässig und gegen Veränderungen gesichert gebaut sein.
12.
Das Spielgerät muss so gebaut sein, dass die Übereinstimmung der Nachbaugeräte mit der zugelassenen Bauart überprüft werden kann.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt. Die Zustimmung bedarf keiner Form.

(1) Für das Verfahren über den Einspruch gelten im Übrigen die Vorschriften sinngemäß, die für den Erlass des angefochtenen oder des begehrten Verwaltungsakts gelten.

(2) In den Fällen des § 93 Abs. 5, des § 96 Abs. 7 Satz 2 und der §§ 98 bis 100 ist den Beteiligten und ihren Bevollmächtigten und Beiständen (§ 80) Gelegenheit zu geben, an der Beweisaufnahme teilzunehmen.

(3) Wird der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

Tatbestand

1

I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

2

Die GmbH erklärte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... €. Daraus ergab sich eine Zahllast von ... €.

3

Sie legte gegen die --ihrer Erklärung entsprechende-- Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Einspruch ein und machte geltend, ihre Umsätze seien steuerfrei, weil die am 6. Mai 2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG n.F.) durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) gegen das Unionsrecht verstoße.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 256 veröffentlicht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

6

"Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche 'sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz' von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?"

7

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo-Libera-- (BFH/NV 2010, 1590, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 884) bejaht.

8

Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage sei die Erhebung der Umsatzsteuer auf ihre Umsätze aus gewerblichem Automatenspiel zu Unrecht erfolgt, da sie sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen innerstaatliches deutsches Recht (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

9

Die Besteuerung sei rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer wesentliche Merkmale der Umsatzsteuer, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1999 Rs. C-338, 344, 390/97 --Pelzl u.a.-- (Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 328) zur Abgrenzung von anderen Steuerarten herausgearbeitet habe, nicht erfülle und deshalb in Wahrheit gar keine Umsatzsteuer sei. Insbesondere könne die Umsatzsteuer nicht direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97 (HFR 1997, 771, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 328) erforderlich sei.

10

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf den Endverbraucher werde den Betreibern von Geldspielautomaten durch die ab dem 1. Januar 2006 geltende Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) rechtlich unmöglich gemacht, weil sie --anders als die davor geltende SpielV-- keine Regelung dahingehend enthalte, dass die Kasseneinnahmen um die Umsatzsteuer erhöht werden dürften. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. dürfe die Summe der Verluste eines Spielers "im Verlauf einer Stunde 80 € nicht übersteigen", womit gleichzeitig die Höchsteinnahme des Geldspielautomatenaufstellers geregelt werde. Dagegen habe nach § 13 Nr. 6 der zuvor geltenden SpielV die Summe der Gewinne des Spielers "mindestens 60 vom Hundert der durch den jeweiligen Umsatzsteuersatz verringerten Einsätze betragen" müssen.

11

Es fehle ferner an dem weiteren für eine Umsatzsteuer charakteristischen Merkmal, dass die Festsetzung ihrer Höhe proportional zu dem Preis erfolge, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Dienstleistung erhalte (Hinweis u.a. auf Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Denn Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielautomaten seien ausschließlich die Kasseneinnahmen, nicht die Einsätze der Spieler.

12

Zudem verstoße die Steuerfestsetzung gegen den vom EuGH aufgestellten Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn öffentliche Spielbanken, die mit ihrem Automatenspiel gleichartige Leistungen anböten und mit privaten Betreibern von Geldspielgeräten in Wettbewerb stünden, könnten die Umsatzsteuer abwälzen, da sie nicht den Vorschriften der SpielV und damit keiner Preisbindung unterlägen. Außerdem seien zwar auch bei öffentlichen Spielbanken die Kasseneinnahmen die Bemessungsgrundlage; dies sei aber rechtswidrig, weil die in den öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldgewinnspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten.

13

Während des Revisionsverfahrens erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --FA-- (der Revisionsbeklagte) am 4. Dezember 2009 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 und setzte die Umsatzsteuer auf einen Überschuss zugunsten der Revisionsklägerin in Höhe von ... € fest.

14

Die Revisionsklägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass keine monatliche Umsatzsteuererhebung aus dem Betrieb ihrer Geldspielgeräte erfolgen dürfe.

15

Sie beantragt,

festzustellen, dass die aufgrund der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erfolgte Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war,

hilfsweise, das Verfahren erneut auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

16

"1. Ist es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen zu erheben, obwohl dem Steuerpflichtigen eine direkte Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher durch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bestehender Preisbindungen nicht möglich ist?

17

2. Verstößt es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn die Umsätze der gewerblichen Automatenaufsteller ebenso wie die der öffentlichen Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen werden, obwohl die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem gewerblichen Automatenspiel nicht wie die Umsätze der öffentlichen Spielbanken direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden können?

18

3. Ist es in den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu erheben, obwohl es nicht möglich ist, den Betrag der auf den Kunden abgewälzten Abgabe bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung genau zu bestimmen und es somit an der Proportionalität zwischen der Steuer und den Preisen, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung erhält, fehlt?

19

4. Verstößt es gegen den in Art. 1 Abs. 2 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Grundsatz der Proportionalität, wonach auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt werden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist, wenn ein Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem monatlichen oder jährlichen Gesamtumsatz aller Kasseneinnahmen eines Steuerpflichtigen ermittelt, weil es ihm nicht möglich ist, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen?"

20

Höchstvorsorglich regt die Revisionsklägerin an, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision hat aber in der Sache keinen Erfolg; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO---) und die Fortsetzungsfeststellungsklage war abzuweisen.

23

1. Das Urteil des FG musste aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ihm ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt.

24

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 vom 4. Dezember 2009 hat gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007, über den das FG entschieden hat, ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.).

25

In einem solchen Fall ist das FG-Urteil aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.1.a; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, unter II.1.).

26

2. Durch den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheids ist ferner auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten.

27

Wird --wie hier-- während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und wird der Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens, so richtet sich die Revision nunmehr gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).

28

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), zu der die Revisionsklägerin übergegangen ist, ist zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450, unter II.3., m.w.N.), aber unbegründet; die Umsatzsteuerfestsetzung für Januar 2007 war rechtmäßig.

29

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze der GmbH waren nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, unter II.1. näher ausgeführt hat. Dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. unionskonform ist, hat der EuGH in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 geklärt.

30

b) Der Ansicht der Revisionsklägerin, der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 sei deshalb rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abgewälzt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen.

31

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 nicht so zu verstehen, dass die in Rz 21 dieses Urteils genannten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Umsatzsteuerfestsetzung sind.

32

Vielmehr dienen die vom EuGH in Rz 21 seines Urteils --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 genannten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283, 312/06 --Kögaz--, Slg. 2007, I-8463, BFH/NV Beilage 2008, 44; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 81/01, BFHE 199, 507, BStBl II 2002, 887, unter II.3.c)

33

- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,

34

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält,

35

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze,

36

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,

37

lediglich der Feststellung, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr --wie im zugrunde liegenden Fall eine Tourismusabgabe-- den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern hat (vgl. Rz 20 sowie Rz 21: "zu diesem Zweck").

38

Im Übrigen ist das zuletzt genannte Merkmal einer Umsatzsteuer im Streitfall erfüllt. Denn die GmbH war gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.

39

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs--, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111, UR 1997, 265, Rz 19, 24, 28; vom 15. Oktober 2002 Rs. C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 29).

40

Auch insoweit war der ursprünglich angefochtene Vorauszahlungsbescheid rechtmäßig. Denn die Bemessungsgrundlage für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer war nicht höher als die von den Spielern tatsächlich gezahlten Beträge.

41

bb) Der Senat folgt ferner nicht der Ansicht der Revisionsklägerin, sie sei durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. rechtlich an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) gehindert.

42

Denn die Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag --etwa wie einen durchlaufenden Posten-- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren; letztlich hängt es von der Marktlage ab, ob dem Steuerzahler die Überwälzung gelingt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 10. Mai 1962  1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, unter C.I.6.; vom 3. Mai 2001  1 BvR 624/00, BFH/NV Beilage 2001, 159, HFR 2001, 709, unter II.1.b aa).

43

Der Ansicht der Revisionsklägerin, diese Aussage des BVerfG beschränke sich auf die Vergnügungssteuer, zu der diese Entscheidungen ergangen sind, sie sei deshalb nicht auf die Umsatzsteuer zu übertragen, folgt der Senat angesichts der vom BVerfG gewählten allgemeinen Formulierungen nicht. Im Übrigen hat das BVerfG diese Grundsätze auch auf die Frage der Abwälzbarkeit anderer Verbrauchsteuern angewandt (vgl. z.B. zur Stromsteuer und zur Mineralölsteuer: BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 67; zur Spielgerätesteuer: BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, HFR 2009, 708, unter C.II.1.c).

44

Soweit die Revisionsklägerin meint, im Unterschied zu anderen Steuern wie der Vergnügungssteuer, bei der zur Abwälzung ein kalkulatorisches Abwälzen genüge, werde im Umsatzsteuerrecht unter Abwälzung ausschließlich ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis verstanden, d.h. dem Unternehmer solle es zumindest rechtlich möglich sein, die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis zu verlangen, sieht der Senat für diese Differenzierung keine Grundlage. Im Übrigen verbietet § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis nicht. Insbesondere garantiert diese Vorschrift den Betreibern von Geldspielgeräten nicht eine bestimmte Gewinnmarge.

45

cc) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionsklägerin ohne Erfolg auf den Beschluss des BVerfG in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328.

46

In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, seine Rechtsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Untergrenze für den Zugriff durch Einkommensteuer könne auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden (Orientierungssatz 2). Das Umsatzsteuersystem sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt. Der Unternehmer solle daher in dieser Eigenschaft nicht mit Umsatzsteuer belastet sein; Steuerträger solle vielmehr der Verbraucher sein (Orientierungssatz 2a). Da der Endverbraucher materiell mit der Umsatzsteuer belastet sei, stelle sich --wenn überhaupt-- allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern (Orientierungssatz 2c).

47

Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin vermag der Senat dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, das BVerfG sehe die erforderliche Möglichkeit zur Abwälzung der Umsatzsteuer (nur) dann als gegeben an, wenn die Umsatzsteuer, wie bei den Steuerberatern, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren erhoben werden dürfe. Vielmehr hat das BVerfG insoweit ausgeführt (Rz 3): "So gelingt auch einem Steuerberater die Abwälzung der Umsatzsteuer auf seinen Mandanten, da er im Regelfall die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren abrechnet und die dem Finanzamt geschuldete Umsatzsteuer zusätzlich in Rechnung stellen darf (§ 15 der Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften)."

48

Dabei handelt es sich aber um keine verallgemeinerungsfähige Aussage. Vielmehr hat das BVerfG hier lediglich beispielhaft die für Steuerberater geltende Gebührenordnung genannt - offenbar deshalb, weil der Kläger Steuerberater war.

49

Zudem hat das BVerfG für seine Aussage, die Umsatzsteuer sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt, in Rz 2 seiner Entscheidung in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328 auf seinen Beschluss vom 19. März 1974  1 BvR 416, 767, 779/68 (BVerfGE 37, 38 <46>) verwiesen, wo es heißt: "Die Mehrwertsteuer ist auf Abwälzung angelegt. Für den Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, ist daher weniger die Höhe des Steuersatzes als vielmehr der Grad der Wahrscheinlichkeit entscheidend, die Steuer weitergeben zu können. Die Aussichten dafür sind für Dienstleistungs- und Warenanbieter bei einheitlichem Steuersatz grundsätzlich gleich."

50

Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (s. oben unter II.3.b aa).

51

c) Die Steuererhebung im Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 ist auch nicht wegen fehlender Proportionalität der festgesetzten Steuer zu den Einsätzen der einzelnen Spieler zu beanstanden.

52

Denn der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 --Glawe-- (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden, bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt werde, bestehe die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen könne; bei solchen Automaten gehöre der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage.

53

Eine Proportionalität der Umsatzsteuer zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers, die nach dem Vorbringen der Revisionsklägerin deshalb nicht gegeben ist, weil Besteuerungsgrundlage nicht diese einzelnen Einsätze, sondern die monatlichen bzw. jährlichen Kasseneinnahmen seien, hat der EuGH in seinem Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 --das die Betreiber von Geldspielautomaten nicht beschwert-- nicht gefordert. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883).

54

d) Die Steuerfestsetzung im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 verstieß entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz.

55

Der EuGH hat in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz verneint (Rz 34 ff.) und dabei u.a. ausgeführt, dass dieser Grundsatz auf eine nicht harmonisierte Abgabe keine Anwendung findet (Rz 38). Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Vortrag der Revisionsklägerin öffentliche Spielbanken --anders als gewerbliche Automatenaufsteller-- den Vorschriften der SpielV nicht unterliegen.

56

Jedenfalls behandelt "die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung" --nämlich § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F.-- gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich (vgl. Rz 36 des EuGH-Urteils).

57

e) Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch der von der Revisionsklägerin geltend gemachte Verstoß von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG aus.

58

Das ergänzende, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen der Revisionsklägerin, zwar würden auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen, das verstoße aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Geldspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten, bleibt ohne Erfolg. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen soll, wenn für Umsätze aus dem Betrieb gleichartiger Geldspielgeräte die gleiche Bemessungsgrundlage gilt.

59

4. Angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG sieht der Senat für die von der Revisionsklägerin hilfsweise beantragte erneute Vorlage der Sache an den EuGH ebenso wenig eine Grundlage wie für eine Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:

1.
Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich mit der Bekanntgabe des Spielergebnisses fort und endet mit der Auszahlung des Gewinns beziehungsweise der Einstreichung des Einsatzes.
2.
Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
3.
Bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Einsatzleistungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Einsatz um höchstens 0,03 Euro je volle Sekunde erhöht werden; bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Gewinnauszahlungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Gewinn um höchstens 0,30 Euro je volle Sekunde erhöht werden. Darüber hinausgehende Erhöhungen von Einsatz und Gewinn sind ausgeschlossen.
4.
Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen.
5.
Die Summe der Gewinne abzüglich der Einsätze darf im Verlauf einer Stunde 400 Euro nicht übersteigen. Jackpots und andere Sonderzahlungen jeder Art sind ausgeschlossen.
6.
Nach einer Stunde Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause von mindestens fünf Minuten ein, in der keine Einsätze angenommen und Gewinne gewährt werden. In der Pause dürfen keine Spielvorgänge, einsatz- und gewinnfreie Probe- oder Demonstrationsspiele oder sonstige Animationen angeboten werden.
6a.
Nach drei Stunden Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause ein, in der es für mindestens fünf Minuten in den Ruhezustand versetzt wird; zu Beginn des Ruhezustandes sind die Geldspeicher zu entleeren und alle Anzeigeelemente auf die vordefinierten Anfangswerte zu setzen.
7.
Die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern ist bei Geldannahme vom Spieler in der Summe auf 10 Euro begrenzt. Höhere Beträge werden unmittelbar nach der Aufbuchung automatisch ausgezahlt. Eine Bedienvorrichtung für den Spieler, mit der er vorab einstellen kann, dass aufgebuchte Beträge unbeeinflusst zum Einsatz gelangen, ist unzulässig. Jeder Einsatz darf nur durch unmittelbar zuvor erfolgte gesonderte physische Betätigung des Spielers ausgelöst werden. Es gibt eine nicht sperrbare Bedienvorrichtung zur Auszahlung, mit der der Spieler uneingeschränkt über die aufgebuchten Beträge, die in der Summe größer oder gleich dem Höchsteinsatz gemäß Nummer 1 sind, verfügen kann.
8.
Der Spielbetrieb darf nur mit auf Euro lautenden Münzen und Banknoten und nur unmittelbar am Spielgerät erfolgen.
8a.
Bei Mehrplatzspielgeräten müssen die einzelnen Spielstellen unabhängig voneinander benutzbar sein und jede Spielstelle hat die Anforderungen der §§ 12 und 13 zu erfüllen, soweit diese landesrechtlich überhaupt zulässig sind; aus der Bauartzulassung eines Mehrplatzspielgerätes folgt kein Anspruch auf die Aufstellung des Mehrplatzspielgerätes.
8b.
Mehrplatzspielgeräte dürfen über höchstens vier Spielstellen verfügen, einzelne Spielstellen dürfen nicht abstellbar sein.
9.
Das Spielgerät beinhaltet eine Kontrolleinrichtung, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Die Kontrolleinrichtung gewährleistet die in den Nummern 1 bis 5 Satz 1 und Nummer 6a aufgeführten Begrenzungen.
9a.
Das Spielgerät zeichnet nach dem Stand der Technik die von der Kontrolleinrichtung gemäß Nummer 8 erfassten Daten dauerhaft so auf, dass
a)
sie jederzeit elektronisch verfügbar, lesbar und auswertbar sind,
b)
sie auf das erzeugende Spielgerät zurückgeführt werden können,
c)
die einzelnen Daten mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung verknüpft sind,
d)
ihre Vollständigkeit erkennbar ist und
e)
feststellbar ist, ob nachträglich Veränderungen vorgenommen worden sind.
10.
Der Spielbetrieb darf nur bei ständiger Verwendung eines gültigen gerätegebundenen, personenungebundenen Identifikationsmittels möglich sein, wobei
a)
die Gültigkeit des verwendeten Identifikationsmittels durch das Spielgerät vor Aufnahme des Spielbetriebs geprüft werden muss und
b)
während des Spielbetriebs keine Daten auf dem verwendeten Identifikationsmittel gespeichert werden dürfen.
11.
Das Spielgerät und seine Komponenten müssen der Funktion entsprechend nach Maßgabe des Standes der Technik zuverlässig und gegen Veränderungen gesichert gebaut sein.
12.
Das Spielgerät muss so gebaut sein, dass die Übereinstimmung der Nachbaugeräte mit der zugelassenen Bauart überprüft werden kann.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.

3

Die Klägerin hält es für klärungsbedürftig, ob Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgaben auf Glücksspiele nur alternativ, nicht aber kumulativ erhoben werden dürfen. Gleiches gelte für die Frage, ob landesrechtliche Bestimmungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind, die für staatliche Spielbanken eine Anrechnung, Stundung oder einen Erlass von Sonderabgaben vorsehen, die mit der Umsatzsteuer korrespondieren und die so zu einem faktischen Wettbewerbsvorteil im Verhältnis zu privaten Geldspielautomatenaufstellern führen.

4

Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung geklärt. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 24. Oktober 2013 C-440/12 Metropol (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 866) entschieden, dass Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) i.V.m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, "dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat" und dass Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL dahin auszulegen ist, "dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht". Damit besteht kein weitergehender Klärungsbedarf in Bezug auf die aufgeworfenen Fragen.

5

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, da durch das EuGH-Urteil Metropol in UR 2013, 866, das die nationalen Gerichte bei der Rechtsauslegung und –anwendung zu beachten haben, eine hinreichende Klärung eingetreten ist. Dies gilt auch in Bezug auf frühere Urteile des EuGH.

6

Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin auch erhobene Rüge, das Finanzgericht (FG) habe ihr durch das Unterlassen einer Vorlage an den EuGH den gesetzlichen Richter entzogen und damit gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, greift nicht durch. Denn nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union sind die Finanzgerichte --als nicht letztinstanzliche Gerichte-- nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1994 VII R 107/93, BFHE 175, 192, BStBl II 1994, 875, unter II.2. der Gründe; BFH-Beschluss vom 27. November 2003 VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521, unter II.2.). Das gilt auch, wenn Rechtsmittel --ggf. durch das höhere Gericht-- zuzulassen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2007 IV B 169/06, BFH/NV 2008, 390, unter 4.).

7

3. Es liegt auch kein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass ihr Anspruch auf faires Verfahren und damit Art. 103 GG verletzt sei. Im Kern wendet sich die Klägerin aber gegen die materiell-rechtliche Beurteilung durch das FG, die zwischenzeitlich durch den EuGH bestätigt wurde. Dass die Klägerin eine nachvollziehbare Ableitung der finanzgerichtlichen Überzeugung vermisst und beanstandet, dass das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 74 FGO evident nicht vorgelegen hätten, reicht nicht aus.

8

4. Auch der Erlass des Änderungsbescheides führt nicht zur Begründetheit der Beschwerde.

9

Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Nichtzulassungsbeschwerde ein Änderungsbescheid, ist die Vorentscheidung entsprechend § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die Vorentscheidung ist aber nicht entsprechend § 127 FGO aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. März 2006 V B 13/04, BFH/NV 2006, 1492; vom 8. Februar 2007 IV B 138/05, BFH/NV 2007, 1326, und vom 29. Oktober 2010 V B 123/09, BFH/NV 2011, 663).

10

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 vom 4. Juli 2013 hat die --auch-- angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar bis Mai 2011, Juli 2011 und September bis Dezember 2011 ersetzt und ist nach § 68 FGO zum Verfahrensgegenstand geworden (BFH-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 X B 60/07, BFH/NV 2009, 205; vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566). Klägerin und der Beklagte und Beschwerdegegner haben zudem erklärt, dass sich durch den Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheides der Streitgegenstand nicht geändert habe.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:

1.
Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich mit der Bekanntgabe des Spielergebnisses fort und endet mit der Auszahlung des Gewinns beziehungsweise der Einstreichung des Einsatzes.
2.
Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
3.
Bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Einsatzleistungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Einsatz um höchstens 0,03 Euro je volle Sekunde erhöht werden; bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Gewinnauszahlungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Gewinn um höchstens 0,30 Euro je volle Sekunde erhöht werden. Darüber hinausgehende Erhöhungen von Einsatz und Gewinn sind ausgeschlossen.
4.
Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen.
5.
Die Summe der Gewinne abzüglich der Einsätze darf im Verlauf einer Stunde 400 Euro nicht übersteigen. Jackpots und andere Sonderzahlungen jeder Art sind ausgeschlossen.
6.
Nach einer Stunde Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause von mindestens fünf Minuten ein, in der keine Einsätze angenommen und Gewinne gewährt werden. In der Pause dürfen keine Spielvorgänge, einsatz- und gewinnfreie Probe- oder Demonstrationsspiele oder sonstige Animationen angeboten werden.
6a.
Nach drei Stunden Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause ein, in der es für mindestens fünf Minuten in den Ruhezustand versetzt wird; zu Beginn des Ruhezustandes sind die Geldspeicher zu entleeren und alle Anzeigeelemente auf die vordefinierten Anfangswerte zu setzen.
7.
Die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern ist bei Geldannahme vom Spieler in der Summe auf 10 Euro begrenzt. Höhere Beträge werden unmittelbar nach der Aufbuchung automatisch ausgezahlt. Eine Bedienvorrichtung für den Spieler, mit der er vorab einstellen kann, dass aufgebuchte Beträge unbeeinflusst zum Einsatz gelangen, ist unzulässig. Jeder Einsatz darf nur durch unmittelbar zuvor erfolgte gesonderte physische Betätigung des Spielers ausgelöst werden. Es gibt eine nicht sperrbare Bedienvorrichtung zur Auszahlung, mit der der Spieler uneingeschränkt über die aufgebuchten Beträge, die in der Summe größer oder gleich dem Höchsteinsatz gemäß Nummer 1 sind, verfügen kann.
8.
Der Spielbetrieb darf nur mit auf Euro lautenden Münzen und Banknoten und nur unmittelbar am Spielgerät erfolgen.
8a.
Bei Mehrplatzspielgeräten müssen die einzelnen Spielstellen unabhängig voneinander benutzbar sein und jede Spielstelle hat die Anforderungen der §§ 12 und 13 zu erfüllen, soweit diese landesrechtlich überhaupt zulässig sind; aus der Bauartzulassung eines Mehrplatzspielgerätes folgt kein Anspruch auf die Aufstellung des Mehrplatzspielgerätes.
8b.
Mehrplatzspielgeräte dürfen über höchstens vier Spielstellen verfügen, einzelne Spielstellen dürfen nicht abstellbar sein.
9.
Das Spielgerät beinhaltet eine Kontrolleinrichtung, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Die Kontrolleinrichtung gewährleistet die in den Nummern 1 bis 5 Satz 1 und Nummer 6a aufgeführten Begrenzungen.
9a.
Das Spielgerät zeichnet nach dem Stand der Technik die von der Kontrolleinrichtung gemäß Nummer 8 erfassten Daten dauerhaft so auf, dass
a)
sie jederzeit elektronisch verfügbar, lesbar und auswertbar sind,
b)
sie auf das erzeugende Spielgerät zurückgeführt werden können,
c)
die einzelnen Daten mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung verknüpft sind,
d)
ihre Vollständigkeit erkennbar ist und
e)
feststellbar ist, ob nachträglich Veränderungen vorgenommen worden sind.
10.
Der Spielbetrieb darf nur bei ständiger Verwendung eines gültigen gerätegebundenen, personenungebundenen Identifikationsmittels möglich sein, wobei
a)
die Gültigkeit des verwendeten Identifikationsmittels durch das Spielgerät vor Aufnahme des Spielbetriebs geprüft werden muss und
b)
während des Spielbetriebs keine Daten auf dem verwendeten Identifikationsmittel gespeichert werden dürfen.
11.
Das Spielgerät und seine Komponenten müssen der Funktion entsprechend nach Maßgabe des Standes der Technik zuverlässig und gegen Veränderungen gesichert gebaut sein.
12.
Das Spielgerät muss so gebaut sein, dass die Übereinstimmung der Nachbaugeräte mit der zugelassenen Bauart überprüft werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 165/07 Verkündet am:
18. November 2010
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. September 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 2. Dezember 2005 insoweit abgeändert, als die Beklagte nach dem Unterlassungsantrag zu 1.1 (Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Wetten auf politische Ereignisse oder Kasinospielen) verurteilt worden ist. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin organisiert und veranstaltet Lotterie- und Glücksspiele in Nordrhein-Westfalen, unter anderem TOTO und die Sportwette ODDSET. Die Klägerin und die anderen 15 Landeslotteriegesellschaften sind gemeinsam In- haber der am 27. August 1997 aufgrund Verkehrsdurchsetzung für die Veranstaltung von Lotterien und Glücksspielen eingetragenen Wortmarke 396 38 297 TOTO.
2
Die Beklagte ist ein Wettunternehmen mit Sitz in Malta. Sie bietet auf der Internetseite "unibet.com" - u.a. in deutscher Sprache - Sportwetten, Wetten auf politische Ereignisse und Kasinospiele an. Die Beklagte verwendet dabei auch die Angabe "supertoto" in der aus dem Klageantrag ersichtlichen Form. Zur Eröffnung eines Wettkontos muss sich der Spieler registrieren. Unter den zur Auswahl stehenden Ländern befindet sich auch Deutschland. Die Beklagte verfügt über keine Erlaubnis deutscher Behörden für die Veranstaltung von Glücksspielen.
3
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte beginge einen Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 284, 287 StGB, weil es sich bei ihrem Angebot um in Deutschland unerlaubte Glücksspiele handele, für die sie über keine behördliche Genehmigung verfüge. Auf die Genehmigung durch ausländische Behörden komme es nicht an. Die Verwendung der Bezeichnung "supertoto" verletze die Marke TOTO der Klägerin.
4
Mit ihrer im Dezember 2004 erhobenen Klage, die sich zunächst auch gegen einen weiteren Beklagten richtete, hat die Klägerin beantragt, I.1. die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, 1.1 zu Zwecken des Wettbewerbs gegen Einsatz mit Gewinnmöglichkeit Sportwetten, Wetten auf politische Ereignisse oder Kasinospiele wie nachfolgend wiedergegeben in der Bundesrepublik Deutschland zu veranstalten oder zu bewerben oder zu vermitteln oder Anträge zur Beteiligung daran entgegenzunehmen [es folgen Abbildungen von sechs über die Internetseite "unibet.com" aufrufbaren Bildschirmseiten , von denen nachfolgend drei eingefügt sind]: 1.2 im Zusammenhang mit Fußballwetten die Bezeichnungen supertoto oder in der Bundesrepublik Deutschland zu verwenden; 2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Umsätze, die mit oder aufgrund von Handlungen nach Ziffer 1.1 und 1.2 in Nordrhein-Westfalen erzielt wurden; II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den in Ziffer 1.1 und 1.2 beschriebenen Handlungen in Nordrhein-Westfalen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird. Hilfsweise zu I 2 und II: Auskunft und Schadensersatz seit Rechtshängigkeit.
5
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben die Auffassung vertreten, neben der maltesischen Konzession bedürfe es keiner Geneh- migung einer deutschen Behörde. Das staatliche Glücksspielmonopol verstieße insoweit gegen die höherrangige unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit.
6
Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 antragsgemäß mit der Maßgabe verurteilt, dass Auskunft und Schadensersatz erst ab Rechtshängigkeit beansprucht werden können. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage auch insoweit abgewiesen, als sie auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtet war. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.
7
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


8
A. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9
Die Unterlassungsansprüche seien aus §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4 StGB, § 1 SportwettenG NW begründet. Da die im Internet angebotenen Glücksspiele ohne die nach § 1 SportwettenG NW erforderliche Erlaubnis veranstaltet würden, sei § 284 StGB anwendbar. Auf eine in Malta erteilte Genehmigung könnten sich die Beklagten nicht berufen, weil diese im Inland keine Wirkung entfalte.
10
Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in dem staatlichen Wettmonopol in Bayern einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit gesehen. Diese Entscheidung sei auf die Rechtslage in Nordrhein- Westfalen übertragbar. In der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2007 dürfe jedoch die Durchführung von Sportwetten durch private Unternehmen weiterhin untersagt werden, sofern ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits hergestellt werde.
11
Unionsrechtliche Gründe stünden einer Anwendung des objektiven Tatbestands des § 284 StGB nicht entgegen. Dabei könne offenbleiben, ob entsprechende Bedenken ohnehin nur in einem Verfahren auf behördliche Genehmigung geltend gemacht werden könnten. Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Art. 43 und 49 EG aF (jetzt Art. 49 und 56 AEUV) könnten jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dies sei der Fall, wenn die fraglichen Bestimmungen dem Ziel dienten, die sittlich und finanziell schädlichen Folgen der Wettleidenschaft einzudämmen, und nicht vorrangig darauf abzielten, dem Staat Einnahmen zu sichern.
12
Es könne nicht festgestellt werden, dass die in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelungen und ihre praktische Umsetzung während der Übergangszeit nicht den vom Gerichtshof der Europäischen Union und vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen genügten. Hierfür sei es nicht erforderlich , die Eindämmung der Spielsucht gesetzlich zu verankern. Es sei Sache der Beklagten, Gründe dafür vorzutragen, dass § 284 StGB nicht zur Anwendung komme. Dies hätten die Beklagten nicht getan. Es bestehe keine Vermutung dafür, dass die verfassungs- und unionsrechtswidrigen Zustände nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fortbestanden hätten. NordrheinWestfalen habe vielmehr in erheblichem Umfang Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht ergriffen, wie sich unter anderem aus Feststellungen in einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster ergebe. http://www.juris.de/jportal/portal/t/22uv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR141400004BJNE000805140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/22uv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR141400004BJNE000302140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/22uv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR141400004BJNE000402140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/22uv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR141400004BJNE000402140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/22uv/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE048104307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 -
13
Nicht maßgeblich sei, ob nicht nur im Bereich der Sportwetten, sondern im gesamten Glücksspielbereich die Spielsucht hinreichend bekämpft werde. Dieses Erfordernis könne nicht daraus abgeleitet werden, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die staatlichen Maßnahmen "kohärent und systematisch" zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen müssten.
14
Auch der gegen die Verwendung der angegriffenen Bezeichnungen gerichtete Unterlassungsantrag sei begründet. Dies gelte - ungeachtet einer möglichen Markenverletzung - schon deshalb, weil die Beklagten in Deutschland Sportwetten - gleich unter welcher Bezeichnung - nicht anbieten dürften.
15
Die geltend gemachten Schadensersatz- und Auskunftsansprüche stünden der Klägerin hingegen weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht zu, da ein ersatzfähiger Schaden nicht ersichtlich sei.
16
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Klage ist auch hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 1.1 (Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Wetten auf politische Ereignisse oder Kasinospielen) abzuweisen. Bezüglich des Antrags zu 1.2 (Verwendung der Bezeichnungen supertoto) ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
17
I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Veranstaltung, Bewerbung oder Vermittlung von Sportwetten, Wetten auf politische Ereignisse oder Kasinospielen nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4 StGB zu.
18
1. Die Frage, ob die Klägerin die begehrte Unterlassung beanspruchen kann, ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beurteilen (BGHZ 141, 329, 336 - Tele-Info-CD; 175, 238 Rn. 14 - ODDSET, mwN), also nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der 2008 geänderten Fassung i.V.m. §§ 284, 287 StGB und den Vorschriften für das Angebot und die Durchführung von Sportwetten in der gegenwärtig geltenden Fassung. Soweit der Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk; Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Rn. 17 = WRP 2008, 220 - Telefonaktion). Nichts anderes gilt für den Fall der Erstbegehungsgefahr, wenn sie auf einem Verhalten unter der Geltung früheren Rechts beruht (vgl. BGHZ 173, 188 Rn. 18 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Im Streitfall ist insofern auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der bis 2008 geltenden Fassung sowie auf die für Sportwetten geltende Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme der Verletzungshandlungen abzustellen.
19
Die für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucherschützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt - vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht - nationale Vorschriften unberührt, die sich auf Glücksspiele beziehen (Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/EG; vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.6c). Hinsichtlich der die Durchführung von Sportwetten regelnden Vor- http://www.bet365.com/ - 10 - schriften ist eine etwaige Änderung der Rechtslage durch das SportwettenUrteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276 = GRUR 2006, 688 = WRP 2006, 562) und das Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 zu beachten.
20
2. Im Streitfall kommt es auch auf die Rechtslage während der Übergangszeit an. Die Klägerin wendet sich gegen eine nach dem 28. März 2006 fortgesetzte Dauerhandlung der Beklagten, so dass es sich nicht um einen sogenannten Altfall handelt.
21
Die Klägerin hat als konkrete Verletzungshandlung das Angebot von Sportwetten und Glücksspielen unter der Internetadresse www.unibet.com vorgetragen. Der entsprechende Internetauftritt ist Gegenstand des Klageantrags. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin nur den Internetauftritt zu einem bestimmten Zeitpunkt angreift.
22
Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts anderes für den Zeitraum der beanstandeten Dauerhandlung (Internetauftritt), der für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr maßgeblich ist. Der Tatbestand des Berufungsurteils nimmt auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug. Dort wird - wie im Klageantrag - kein konkretes Datum für Verletzungshandlungen genannt. Vielmehr ist davon die Rede, dass die Beklagte zu 1 ein entsprechendes Internetangebot "betreibt". Die Entscheidung des Landgerichts ist zwar vor dem 28. März 2006 ergangen, so dass sich die dort erwähnten Tathandlungen auf einen Zeitraum beziehen, für den grundsätzlich die alte Rechtslage maßgeblich ist. Beschrieben ist aber eine Dauerhandlung ohne Angabe eines Enddatums. Nimmt das Berufungsgericht darauf uneingeschränkt Bezug, so liegt darin die Feststellung, dass die Dauerhandlung jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht , hier dem 1. Juni 2007, fortgesetzt wurde. Dieses Verständnis des Berufungsgerichts zeigt sich auch darin, dass es die Rechtslage während der Übergangszeit geprüft hat. Hierfür hätte kein Anlass bestanden, wenn nur Handlungen in Rede gestanden hätten, die vor dem 28. März 2006 begangen wurden. Denn solche Handlungen waren auch nach Ansicht des Berufungsgerichts mangels wirksamer Rechtsgrundlage nicht verboten und konnten deshalb keine Wiederholungsgefahr begründen.
23
Dauerhandlungen bilden einen einheitlichen Klagegrund, so dass auch die fortgesetzten Handlungsabschnitte zum Streitgegenstand gehören (vgl. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 1009, 1013). Der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung am 1. Juni 2007 fiel in die Übergangszeit. Für die eine Wiederholungsgefahr begründende Dauerhandlung kommt es deshalb auch auf die Rechtslage während der Übergangszeit an.
24
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Unterlassungsanspruch gegen das Sportwetten- und Glücksspielangebot der Beklagten im Internet zu. Soweit die fraglichen Handlungen in der Zeit vor dem 28. März 2006 begangen wurden, verstießen die in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelungen über die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen gegen nationales Verfassungsrecht und gegen Unionsrecht (nachfolgend a). Aber auch die Handlungen, die in der Übergangszeit nach dem 28. März 2006 begangen wurden, waren keine unlauteren Wettbewerbshandlungen nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 284, 287 StGB (nachfolgend b).
25
a) Die Beklagte zu 1 hat durch die beanstandete Verletzungshandlung in der Zeit vor dem 28. März 2006 keinen Wettbewerbsverstoß i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 284, 287 StGB begangen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE361980601&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE002800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE002800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE365730601&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 12 -
26
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Sportwetten-Urteil vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) für die Rechtslage in Bayern entschieden , dass das dort errichtete staatliche Wettmonopol in seiner damaligen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung und die dadurch begründete Beschränkung der Vermittlung von Sportwetten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellten und deshalb mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sind. Zugleich lag darin eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49 und 56 AEUV. Diese verfassungsrechtliche Beurteilung trifft, wie das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an sein Urteil vom 28. März 2006 entschieden hat, auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen gleichermaßen zu (Kammerbeschluss vom 2. August 2006 - 1 BvR 2677/04, WM 2006, 1646 Rn. 16; Kammerbeschluss vom 29. August 2006 - 1 BvR 2772/04, WM 2006, 1930 Rn. 17). Danach ist die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Nordrhein -Westfalen vor dem 28. März 2006 als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar anzusehen, weil das nordrhein-westfälische Recht keine konsequente und aktive Ausrichtung des zulässigen Sportwettenangebots am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleistete (BVerfG, WM 2006, 1646 Rn. 17).
27
bb) Die Beklagte zu 1 hat daher mit ihrem Angebot von Sportwetten in der Zeit vor dem 28. März 2006 auch nicht unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 StGB gehandelt (vgl. für die Rechtslage in Bayern BGHZ 175, 238 Rn. 15 ff. - ODDSET; für Nordrhein-Westfalen BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 - I ZR 91/06 Rn. 14). Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung dieser sogenannten "Altfälle". Auf besondere Umstände, die das Angebot oder die Durchführung von Sportwetten und Glücksspielen seitens der Beklagten zu 1 aus anderen Gründen als unlauter erscheinen ließen, wie Irreführung oder unangemessene unsachliche Einflussnahme, hat sich die Klägerin nicht berufen.
28
cc) Auch soweit sich die Klägerin gegen die von der Beklagten zu 1 vor dem 28. März 2006 angebotenen Wetten auf politische Ereignisse oder Kasinospiele wendet, fehlt es an einer unlauteren Wettbewerbshandlung.
29
(1) Wetten auf politische Ereignisse und Kasinospiele waren im Sportwetten -Urteil oder in späteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht Streitgegenstand. Damit fehlt insoweit eine das entsprechende staatliche Monopol für verfassungswidrig erklärende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dennoch könnte eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Nr. 11 UWG der Annahme eines Wettbewerbsverstoßes auch bei diesen Glücksspielangeboten entgegenstehen. Dies bedarf indes vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Unanwendbarkeit von § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 StGB für die von der Beklagten veranstalteten Wetten auf politische Ereignisse und Kasinospiele folgt bereits aus dem Unionsrecht. Die Beklagte kann sich als in Malta ansässiges Unternehmen beim Angebot gewerblicher Glücksspiele in Deutschland auf die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 AEUV) berufen.
30
(2) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, verstieß das vor dem 28. März 2006 in Bayern und Nordrhein-Westfalen bestehende Verbot der privaten Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten auch gegen die Art. 49 und 56 AEUV (BGHZ 175, 238 Rn. 24 - ODDSET; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 - I ZR 77/06, GRUR-RR 2010, 359 Rn. 13 - Sportwetten im Internet). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Doch müssen die von ihnen vorgeschriebenen Beschränkungen den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben. Sie müssen insbesondere zur Verwirklichung eines oder mehrerer der geltend gemachten Ziele geeignet und er- forderlich sein. Dabei sind nur Regelungen geeignet, die in kohärenter und systematischer Weise der Zielverwirklichung dienen (vgl. EuGH Slg. 2009, I-7633 = NJW 2009, 3221 Rn. 59 ff. - Liga Portuguesa de Futebol Profissional u.a.; Slg. 2007, I-1891 = WRP 2007, 525 Rn. 48 f. - Placanica u.a.). Daran fehlt es, wenn ein Staatsmonopol nicht das Ziel verfolgt, die Spielgelegenheiten zu begrenzen, und die Finanzierung sozialer Tätigkeiten aus den Spieleinnahmen nicht nur nützliche Nebenfolge, sondern eigentlicher Zweck des Monopols ist (EuGH WRP 2010, 859 Rn. 28 - Ladbrokes Betting & Gaming u.a.; Slg. 2003, I-13076 Rn. 67 ff. = NJW 2004, 139 - Gambelli u.a.). Diese Anforderungen erfüllte die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Nordrhein-Westfalen vor dem 28. März 2006 nicht.
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Die vom Gerichtshof der Europäischen Union für Glücksspiele entwickelten Beurteilungsgrundsätze finden auch auf Kasinospiele Anwendung (vgl. EuGH, NJW 2009, 3221 Rn. 22, 49 f. - Liga Portuguesa de Futebol Profissional u.a.). In jenem Vorabentscheidungsfall hat der Gerichtshof das gesamte OnlineSpieleangebot der Klägerin des Ausgangsverfahrens, das Sportwetten, Kasinospiele und Lotterien umfasste, unter dem einheitlichen Begriff "Glücksspiele über das Internet" zusammengefasst. Er hat in seinen nachfolgenden Erwägungen auch nicht zwischen diesen Spielangeboten differenziert.
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Die Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Union für Glücksspiele entwickelten Beurteilungsgrundsätze auf den konkreten Fall ist den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. EuGH, WRP 2010, 859 Rn. 38 - Ladbrokes Betting & Gaming u.a.; WRP 2007, 525 Rn. 58 f. - Placanica u.a.; NJW 2004, 139 Rn. 66 - Gambelli u.a.). Dementsprechend gibt der Streitfall keinen Anlass zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
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(3) Die unionsrechtliche Beurteilung für die von der Beklagten angebotenen Wetten auf politische Ereignisse und Kasinospiele führt zu keinem anderen Ergebnis als für Sportwetten.
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(a) Es ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass sich - jeweils im Internet angebotene - Wetten auf politische Ereignisse (z.B. "Wer gewinnt die Präsidentschaftswahl in den USA?") gegenüber Sportwetten durch Besonderheiten auszeichnen, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlass geben. In beiden Fällen handelt es sich um Ergebniswetten mit festen Gewinnquoten, bei denen der Spieler im Hinblick auf die vermeintliche Möglichkeit, das Ergebnis aufgrund eigener Fachkunde berechenbar zu machen, zu höheren Einsätzen verleitet werden kann, obwohl die vom Wettveranstalter festgelegte Quote vorhersehbare Chancen und Risiken bereits berücksichtigt. Manipulationsmöglichkeiten und die damit für die Spieler verbundenen Gefahren dürften bei Sportwettkämpfen allerdings grundsätzlich eher bestehen als bei politischen Ereignissen. Insgesamt ist das Gefahrenpotential politischer Ergebniswetten geringer oder allenfalls ebenso groß wie das von Sportwetten. Damit weisen Wetten auf politische Ereignisse keine Besonderheiten auf, die stärkere Beschränkungen ihres Angebots durch private Unternehmen rechtfertigen könnten als für Sportwetten.
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(b) Allerdings erscheint es nicht fernliegend, dass Kasinospiele ein höheres Suchtpotential als Sportwetten und Lotterien aufweisen (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 100). Dann wäre der Gesetzgeber auch unionsrechtlich berechtigt , diese Spielegattung einem schärferen Regelungsregime zu unterstellen. Von dieser Möglichkeit hat Nordrhein-Westfalen aber weder vor dem Sportwetten -Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch während der Übergangszeit Gebrauch gemacht. Für die von der Beklagten angebotenen Kasinospiele im Internet galten während des gesamten für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Zeitraums in Nordrhein-Westfalen dieselben Vorschriften wie für http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE365730601&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 16 - Sportwetten. Insbesondere bestand weder eine Erlaubnismöglichkeit für Private , noch gab es eine Vorschrift des Landesrechts, die es ausgeschlossen hätte, der Klägerin eine Erlaubnis für Online-Kasinospiele zu erteilen, für deren Vermarktung dann auch keine besonderen Beschränkungen gegolten hätten. Für Kasinospiele fehlte es ebenso wie für Sportwetten an Regelungen, die eine konsequente und aktive Ausrichtung des zulässigen Sportwettenangebots an den Zielen der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisteten (vgl. BVerfG, WM 2006, 1646 Rn. 17). Unter diesen Umständen bestand auch für den Sektor Kasinospiele vor dem 28. März 2006 keine kohärente und systematische Regelung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Die §§ 284, 287 StGB und der bundeseinheitlich seit 1. Juli 2004 geltende Lotteriestaatsvertrag verhinderten auch im Bereich der Kasinospiele nicht eine ausschließlich der Einnahmeerzielung dienende, expansive staatliche Glücksspielwerbung (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 127 ff.). Entsprechende Regelungen des Landesrechts gab es in Nordrhein-Westfalen ebenfalls nicht (vgl. Gesetz über die Veranstaltung und Durchführung von Lotterien und Ausspielungen durch das Land Nordrhein -Westfalen vom 15. Dezember 2005). Aufgrund dieses Regelungsdefizits konnte das private Angebot von Kasinospielen nicht als unlauter angesehen werden, auch wenn grundsätzlich ein generelles oder unter Umständen auch ein auf private Anbieter beschränktes Verbot von Kasinospielen zulässig gewesen wäre.
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Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin selbst Kasinospiele angeboten hat. Die Unverhältnismäßigkeit der konkreten Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols erfasst auch den Ausschluss anderer als der vom Staat angebotenen Wetten. Denn auch dieser ist nur zulässig, wenn das Monopol unionsrechtlich gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 143 f.). http://www.juris.de/jportal/portal/t/wjh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=8&numberofresults=430&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002430951BJNE005602305&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 17 -
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b) Auch soweit sich die Klägerin gegen den Internetauftritt der Beklagten während der Übergangszeit ab dem 28. März 2006 wendet, liegt kein Wettbewerbsverstoß der Beklagten vor.
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aa) Für die Zeit nach der Entscheidung vom 28. März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG bestimmt, die damals geltenden Regelungen des bayerischen Staatslotteriegesetzes dürften übergangsweise, längstens aber bis zum 31. Dezember 2007, angewandt werden, sofern der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits herstelle. Das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von privat veranstalteten Wetten könnten weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden (BVerfGE 115, 276 Rn. 157 f.). Für die einschlägigen Regelungen des nordrhein -westfälischen Landesrechts galten während der Übergangszeit dieselben Grundsätze (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 2428/06, NJW 2007, 1521 Rn. 26).
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bb) Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht im Streitfall verfahrensfehlerhaft zu der Feststellung gelangt ist, die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Sportwettenmonopols während der Übergangszeit seien in Nordrhein-Westfalen erfüllt. Jedenfalls kann das angegriffene Angebot von Glücksspielen durch die Beklagte im Internet während der Übergangszeit nicht als unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4 StGB angesehen werden.
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Im Hinblick auf nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergangene Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union bestehen gewichtige Zweifel, ob die Erfüllung der Bedingungen der Weitergeltungsanord- nung des Bundesverfassungsgerichts durch die Klägerin in Nordrhein-Westfalen für die unionsrechtliche Beurteilung von Beschränkungen im Glücksspielsektor erheblich ist. Der Gerichtshof hat entschieden, dass aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts ein nationales Sportwettenmonopol auch für eine Übergangszeit nicht weiter angewandt werden darf, wenn es nach den Feststellungen eines nationalen Gerichts mit Beschränkungen verbunden ist, die mit der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, weil sie nicht dazu beitragen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-409/06, RiW 2010, 720 Rn. 69 = GewArch 2010, 442 - Winner Wetten GmbH). Berechtigten Anlass, auf eine fehlende kohärente und systematische Begrenzung schließen zu können, hat das nationale Gericht bei einem staatlichen Monopol für Sportwetten und Lotterien, das bezweckt, der Spielsucht und Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen entgegenzuwirken, wenn - andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern mit Erlaubnis betrieben werden dürfen und - in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotential als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, RiW 2010, 719 Rn. 71 = GewArch 2010, 448 - Carmen Media Group).
41
Für eine unionsrechtliche Inkohärenz spricht auch, wenn Werbemaßnahmen des Monopolinhabers für andere von ihm angebotene Arten von Glücksspielen nicht darauf begrenzt sind, Verbraucher zu seinem Angebot hinzulenken , sondern darauf abzielen, sie zwecks Einnahmenmaximierung zu akti- ver Teilnahme am Spiel zu stimulieren (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-316/07 u.a., WRP 2010, 1338 Rn. 106 f. - Markus Stoß u.a.).
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Das Berufungsgericht ist von einem abweichenden Verständnis der unionsrechtlichen Forderung nach einer "kohärenten und systematischen" Begrenzung der Wetttätigkeiten ausgegangen, indem es seine Prüfung auf das Regelungssystem für Sportwetten begrenzt und die Vorschriften für andere Glücksspiele sowie ihre tatsächliche Handhabung von vornherein außer Betracht gelassen hat. Infolgedessen hat es keine Feststellungen getroffen, die dem Senat eine Beurteilung auf der Grundlage der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ermöglichen.
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Diese Feststellungen waren auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen keine Gesetzgebungskompetenz für alle Glücksspielarten hat. Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats kann ihn nicht davon entbinden, seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Vielmehr haben Bund und Länder gemeinsam ihre Pflichten zu erfüllen (vgl. EuGH, RiW 2010, 719 Rn. 69 f. - Carmen Media Group).
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cc) Gleichwohl bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Anbieten von Sportwetten, Wetten auf politische Ereignisse und Kasinospielen im Internet durch die Beklagten während der Übergangszeit kann schon nach nationalem Recht nicht als unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 i.V.m. § 284 Abs. 1 und 4 StGB angesehen werden.
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(1) Die Unlauterkeit eines Wettbewerbsverhaltens kann nur dann mit einem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift begründet werden, wenn die Vorschrift für den Handelnden verbindlich ist (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 11.24). Handelt es sich um eine Norm des Strafrechts, hängt ihre Verbindlichkeit unter anderem davon ab, ob sie dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG entspricht. Danach ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben , dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (vgl. BVerfGE 78, 374 ff.; 381; 75, 329 ff., 340; 25, 269 ff., st. Rspr.).
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(2) Für die Übergangszeit vom 28. März 2006 bis zum 31. Dezember 2007 genügt § 284 StGB diesen Anforderungen nicht (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. Juli 2008 - 1 Ss 24/08; KG, Urteil vom 23. Juli 2009 - (2) 1 Ss 541/08, ZfWG 2010, 94; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. September 2008 - 1 Ws 152/07, juris). Zwar mag die Norm des § 284 StGB als solche das Bestimmtheitsgebot erfüllen. Während der Übergangszeit bestand aber aufgrund des Sportwetten-Urteils des Bundesverfassungsgerichts eine besondere Situation. Die bisherige Rechtslage blieb auch aus ordnungsrechtlicher Sicht nur mit der Maßgabe anwendbar, dass unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des staatlichen Monopols andererseits hergestellt wurde.
47
Danach durfte der Staat während der Übergangszeit insbesondere das Angebot staatlicher Wettveranstaltung nicht erweitern und keine Werbung betreiben, die über eine sachliche Information zur Art und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordert; zudem war umgehend aktiv über die Gefahren des Wettens aufzuklären (vgl. BVerfGE 115, 276 Rn. 157, 160). Die vom Bundesverfassungsgericht für einen ordnungsrechtlichen Eingriff formulierten Anforderungen stellten zugleich schon wegen der erheblich höheren Eingriffsintensität für den Betroffenen jedenfalls die Mindestvoraussetzungen auch für eine Strafbarkeit nach § 284 StGB dar. Damit würde aber die Strafbarkeit nach § 284 StGB von der tatsächlichen Umsetzung der http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE294720001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE302580101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ioh/## - 21 - Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch die zuständigen Verwaltungsbehörden abhängen. Das ist indes mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbaren. Danach darf der Gesetzgeber es nicht den Organen der vollziehenden Gewalt überlassen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu bestimmen (vgl. BVerfGE 47, 109 ff., 120). Nicht in Rede steht hier ein Fall auch im Strafrecht unvermeidlicher Verwendung von wertausfüllungsbedürftigen Begriffen oder Generalklauseln , bei denen keine überspannten Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden dürfen (vgl. Eser/Hecker in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 1 Rn. 16 ff.).
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(3) Zudem ist bei der Auslegung des Begriffs der Unlauterkeit auf die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen Rücksicht zu nehmen. Die Auslegung muss insbesondere die Tragweite der Grundrechte berücksichtigen und darf im Ergebnis nicht zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten führen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. August 2001 - 1 BvR 1188/92, GRUR 2001, 1058 = WRP 2001, 1160, 1161). Die wettbewerbsrechtliche Unterlassungspflicht stellt zwar keinen vergleichbar schwerwiegenden Eingriff in die Grundfreiheiten dar wie eine Kriminalstrafe. Die Lauterkeit des Wettbewerbs verlangt, dass ein Gewerbetreibender nicht ohne weiteres auf Kosten seiner Mitbewerber das Risiko rechtswidrigen Handelns eingeht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2001 - I ZR 172/99, GRUR 2002, 269, 270 = WRP 2002, 323 - Sportwetten-Genehmigung). Er muss sich über die Entwicklung der rechtlichen Grundlagen seiner Tätigkeit auf dem Laufenden halten. Voraussetzung dafür ist aber, dass ihm dies mit zumutbarem Aufwand möglich ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 310/90 u. 1 BvR 238/92, GRUR 1993, 751 - Großmarkt-Werbung I; Kammerbeschluss vom 4. Juni 1998 - 1 BvR 2652/95, GRUR 1999, 247, 249 - Metro). Gerichtliche Unterlassungsgebote sind damit an dem Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit zu messen.
49
Steht fest, dass die Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit privater Wettanbieter bedeutete, kann von den betroffenen Unternehmern nicht verlangt werden, dass sie in der Folgezeit schon aus Gründen der Vorsicht ihr Angebot einstellen. Daran ändert auch nichts, dass zu erwarten gewesen sein mag, die Länder würden bestrebt sein, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts möglichst schnell Rechnung zu tragen. Denn auch eine solche Erwartung konnte nicht die Unsicherheit darüber beseitigen, ob und wann welches Bundesland tatsächlich ausreichende Maßnahmen umgesetzt hatte. Die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse konnten die Beklagten nicht mit zumutbarem Aufwand verfolgen. Die Beklagten bieten ihre Glücksspiele über das Internet bundesweit und darüber hinaus in vielen anderen Staaten an. Sie hätten in allen 16 Bundesländern beobachten müssen, ob und wann den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts jeweils Rechnung getragen wurde, um dann gegebenenfalls mit geeigneten Maßnahmen ihr Angebot räumlich einzugrenzen. Dies geht über die zumutbaren Sorgfaltsanforderungen hinaus, die an einen Unternehmer gestellt werden können.
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(4) Unter diesen Umständen konnte der angegriffene Internetauftritt auch während der Übergangszeit nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 284 StGB verstoßen. Vergeblich wendet die Klägerin dagegen ein, nach dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2006 (NJW 2007, 1521) stehe mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) die Fortgeltung des § 284 StGB und des Lotteriestaatsvertrags für Nordrhein-Westfalen fest. Bei der Entscheidung vom 7. Dezember 2006 handelt es sich um einen Sportwetten betreffenden Nichtannahmebeschluss, der keine Sachentscheidung ist. Er entfaltet keine materielle Rechtskraft und stellt keine Entscheidung i.S.v. § 31 Abs. 1 BVerfGG dar. Erst recht kommt diesem Beschluss keine Gesetzeskraft nach Absatz 2 dieser Vorschrift zu, die nur bestimmten der von Absatz 1 erfassten Entscheidungen innewohnt (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt- Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand 2009, § 31 Rn. 49, 84). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 7. Dezember 2006 die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster unbeanstandet gelassen, das Land Nordrhein-Westfalen habe bereits entsprechend den Vorgaben des Sportwetten-Urteils ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits hergestellt. Das konnte für sich allein aber weder zur Einhaltung des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) durch § 284 StGB noch zur künftigen Zumutbarkeit verbotsgemäßen Verhaltens für die Beklagte zu 1 führen.
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dd) Die verfassungsrechtliche Beurteilung hängt nicht davon ab, ob sich die Beklagte zu 1 als maltesische Gesellschaft auf das Grundrecht aus Art. 12 GG berufen kann. Denn die aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgende Verfassungswidrigkeit des Sportwettenmonopols ist der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung generell zu Grunde zu legen, unabhängig davon, ob sich der Unterlassungsanspruch gegen eine deutsche oder eine ausländische Gesellschaft richtet (BGHZ 175, 238 Rn. 23 - ODDSET).
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c) Da es schon an einem die Wiederholungsgefahr begründenden Wettbewerbsverstoß fehlt, bedarf keiner Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten nach heutiger Rechtslage verboten wäre. Mit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 ist das staatliche Sportwettenmonopol auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden. Handlungen der Beklagten nach diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin naturgemäß vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz am 1. Juni 2007 nicht vortragen. Aus der die Frage des Wegfalls der Wiederholungsgefahr nach einer Gesetzesänderung betreffenden Entscheidung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 3. Dezember 2009 (III ZR 73/09, MMR 2010, 173 Rn. 11 f.), die sich der Rechtsprechung des erkennenden Senats ausdrücklich anschließt, kann die Klägerin in diesem Zusammenhang nichts für sich ableiten.
53
II. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten aus dem Unterlassungsantrag zu 1.2 (Verwendung der Bezeichnungen supertoto) allein mit Rechtsbruch begründet. Die Klägerin stützt diesen Antrag jedoch ausschließlich auf markenrechtliche Ansprüche. Das Berufungsgericht hätte ihm schon deshalb - bereits unabhängig vom tatsächlichen Fehlen eines Rechtsbruchs - nicht aus Wettbewerbsrecht stattgeben dürfen.
54
Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten Markenverletzung getroffen hat, ist der Senat hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu 1.2 an einer eigenen Sachentscheidung gehindert. Insoweit wird die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Bornkamm Pokrant Büscher
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Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 02.12.2005 - 81 O 28/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.09.2007 - 6 U 11/06 -

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich; dies gilt auf Antrag auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt.4Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.5Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen

1.
einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), und
2.
einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1).
6Ein Wirtschaftsgut wird nicht dadurch entnommen, dass der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 13a übergeht.7Eine Änderung der Nutzung eines Wirtschaftsguts, die bei Gewinnermittlung nach Satz 1 keine Entnahme ist, ist auch bei Gewinnermittlung nach § 13a keine Entnahme.8Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.9In den Fällen des Satzes 3 zweiter Halbsatz gilt das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt.10Bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen.

(2)1Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.2Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.

(3)1Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.2Hierbei scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).3Die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Absatz 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.5Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Sinne des Satzes 4 sind unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle getretenen Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen.

(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

(4a)1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen.4Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.5Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.

(5)1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

1.
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind.2Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen;
2.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.2Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen.3Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen;
3.
Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;
4.
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen;
5.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen.2Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Absatz 4a abziehbar;
6.
Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 und Nummer 5 Satz 5 bis 7 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden.3Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 oder Absatz 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 5 bis 7 oder Absatz 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kraftfahrzeugs nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 oder Satz 3, treten an die Stelle des mit 0,03 oder 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen; § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß.4§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 8 und Nummer 5 Satz 9 gilt entsprechend;
6a.
die Mehraufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 bis 4 abziehbaren Beträge und die Mehraufwendungen für betrieblich veranlasste Übernachtungen, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5a abziehbaren Beträge übersteigen;
6b.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.2Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.3Anstelle der Aufwendungen kann pauschal ein Betrag von 1 260 Euro (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden.4Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1 260 Euro um ein Zwölftel;
6c.
für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1 260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.2Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.3Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nummer 6a oder des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nummer 6b vorgenommen wird;
7.
andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind;
8.
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von einem Mitgliedstaat oder von Organen der Europäischen Union festgesetzt wurden sowie damit zusammenhängende Aufwendungen.2Dasselbe gilt für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem berufsgerichtlichen Verfahren erteilt werden, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.3Die Rückzahlung von Ausgaben im Sinne der Sätze 1 und 2 darf den Gewinn nicht erhöhen.4Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind; Satz 3 ist insoweit nicht anzuwenden;
8a.
Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 der Abgabenordnung und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung, soweit diese nach § 235 Absatz 4 der Abgabenordnung auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden;
9.
Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14 und 17 des Körperschaftsteuergesetzes an außenstehende Anteilseigner geleistet werden;
10.
die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.2Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen.3Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.4Diese unterrichten die Finanzbehörde von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen;
11.
Aufwendungen, die mit unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen von nicht einlagefähigen Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften zur Verwendung in Betrieben in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, deren Gewinn nach § 5a Absatz 1 ermittelt wird;
12.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 der Abgabenordnung;
13.
Jahresbeiträge nach § 12 Absatz 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes.
2Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.3§ 12 Nummer 1 bleibt unberührt.

(5a) (weggefallen)

(5b) Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben.

(6) Aufwendungen zur Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Absatz 2) sind keine Betriebsausgaben.

(7)1Aufwendungen im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b und 7 sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.2Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Absatz 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind.

(8) Für Erhaltungsaufwand bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie bei Baudenkmalen gelten die §§ 11a und 11b entsprechend.

(9)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat.2§ 9 Absatz 6 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(10) § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b ist entsprechend anzuwenden.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

Tatbestand

1

I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

2

Die GmbH erklärte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... €. Daraus ergab sich eine Zahllast von ... €.

3

Sie legte gegen die --ihrer Erklärung entsprechende-- Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Einspruch ein und machte geltend, ihre Umsätze seien steuerfrei, weil die am 6. Mai 2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG n.F.) durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) gegen das Unionsrecht verstoße.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 256 veröffentlicht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

6

"Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche 'sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz' von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?"

7

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo-Libera-- (BFH/NV 2010, 1590, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 884) bejaht.

8

Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage sei die Erhebung der Umsatzsteuer auf ihre Umsätze aus gewerblichem Automatenspiel zu Unrecht erfolgt, da sie sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen innerstaatliches deutsches Recht (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

9

Die Besteuerung sei rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer wesentliche Merkmale der Umsatzsteuer, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1999 Rs. C-338, 344, 390/97 --Pelzl u.a.-- (Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 328) zur Abgrenzung von anderen Steuerarten herausgearbeitet habe, nicht erfülle und deshalb in Wahrheit gar keine Umsatzsteuer sei. Insbesondere könne die Umsatzsteuer nicht direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97 (HFR 1997, 771, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 328) erforderlich sei.

10

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf den Endverbraucher werde den Betreibern von Geldspielautomaten durch die ab dem 1. Januar 2006 geltende Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) rechtlich unmöglich gemacht, weil sie --anders als die davor geltende SpielV-- keine Regelung dahingehend enthalte, dass die Kasseneinnahmen um die Umsatzsteuer erhöht werden dürften. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. dürfe die Summe der Verluste eines Spielers "im Verlauf einer Stunde 80 € nicht übersteigen", womit gleichzeitig die Höchsteinnahme des Geldspielautomatenaufstellers geregelt werde. Dagegen habe nach § 13 Nr. 6 der zuvor geltenden SpielV die Summe der Gewinne des Spielers "mindestens 60 vom Hundert der durch den jeweiligen Umsatzsteuersatz verringerten Einsätze betragen" müssen.

11

Es fehle ferner an dem weiteren für eine Umsatzsteuer charakteristischen Merkmal, dass die Festsetzung ihrer Höhe proportional zu dem Preis erfolge, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Dienstleistung erhalte (Hinweis u.a. auf Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Denn Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielautomaten seien ausschließlich die Kasseneinnahmen, nicht die Einsätze der Spieler.

12

Zudem verstoße die Steuerfestsetzung gegen den vom EuGH aufgestellten Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn öffentliche Spielbanken, die mit ihrem Automatenspiel gleichartige Leistungen anböten und mit privaten Betreibern von Geldspielgeräten in Wettbewerb stünden, könnten die Umsatzsteuer abwälzen, da sie nicht den Vorschriften der SpielV und damit keiner Preisbindung unterlägen. Außerdem seien zwar auch bei öffentlichen Spielbanken die Kasseneinnahmen die Bemessungsgrundlage; dies sei aber rechtswidrig, weil die in den öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldgewinnspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten.

13

Während des Revisionsverfahrens erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --FA-- (der Revisionsbeklagte) am 4. Dezember 2009 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 und setzte die Umsatzsteuer auf einen Überschuss zugunsten der Revisionsklägerin in Höhe von ... € fest.

14

Die Revisionsklägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass keine monatliche Umsatzsteuererhebung aus dem Betrieb ihrer Geldspielgeräte erfolgen dürfe.

15

Sie beantragt,

festzustellen, dass die aufgrund der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erfolgte Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war,

hilfsweise, das Verfahren erneut auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

16

"1. Ist es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen zu erheben, obwohl dem Steuerpflichtigen eine direkte Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher durch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bestehender Preisbindungen nicht möglich ist?

17

2. Verstößt es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn die Umsätze der gewerblichen Automatenaufsteller ebenso wie die der öffentlichen Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen werden, obwohl die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem gewerblichen Automatenspiel nicht wie die Umsätze der öffentlichen Spielbanken direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden können?

18

3. Ist es in den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu erheben, obwohl es nicht möglich ist, den Betrag der auf den Kunden abgewälzten Abgabe bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung genau zu bestimmen und es somit an der Proportionalität zwischen der Steuer und den Preisen, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung erhält, fehlt?

19

4. Verstößt es gegen den in Art. 1 Abs. 2 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Grundsatz der Proportionalität, wonach auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt werden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist, wenn ein Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem monatlichen oder jährlichen Gesamtumsatz aller Kasseneinnahmen eines Steuerpflichtigen ermittelt, weil es ihm nicht möglich ist, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen?"

20

Höchstvorsorglich regt die Revisionsklägerin an, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision hat aber in der Sache keinen Erfolg; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO---) und die Fortsetzungsfeststellungsklage war abzuweisen.

23

1. Das Urteil des FG musste aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ihm ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt.

24

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 vom 4. Dezember 2009 hat gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007, über den das FG entschieden hat, ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.).

25

In einem solchen Fall ist das FG-Urteil aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.1.a; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, unter II.1.).

26

2. Durch den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheids ist ferner auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten.

27

Wird --wie hier-- während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und wird der Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens, so richtet sich die Revision nunmehr gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).

28

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), zu der die Revisionsklägerin übergegangen ist, ist zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450, unter II.3., m.w.N.), aber unbegründet; die Umsatzsteuerfestsetzung für Januar 2007 war rechtmäßig.

29

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze der GmbH waren nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, unter II.1. näher ausgeführt hat. Dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. unionskonform ist, hat der EuGH in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 geklärt.

30

b) Der Ansicht der Revisionsklägerin, der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 sei deshalb rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abgewälzt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen.

31

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 nicht so zu verstehen, dass die in Rz 21 dieses Urteils genannten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Umsatzsteuerfestsetzung sind.

32

Vielmehr dienen die vom EuGH in Rz 21 seines Urteils --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 genannten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283, 312/06 --Kögaz--, Slg. 2007, I-8463, BFH/NV Beilage 2008, 44; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 81/01, BFHE 199, 507, BStBl II 2002, 887, unter II.3.c)

33

- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,

34

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält,

35

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze,

36

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,

37

lediglich der Feststellung, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr --wie im zugrunde liegenden Fall eine Tourismusabgabe-- den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern hat (vgl. Rz 20 sowie Rz 21: "zu diesem Zweck").

38

Im Übrigen ist das zuletzt genannte Merkmal einer Umsatzsteuer im Streitfall erfüllt. Denn die GmbH war gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.

39

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs--, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111, UR 1997, 265, Rz 19, 24, 28; vom 15. Oktober 2002 Rs. C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 29).

40

Auch insoweit war der ursprünglich angefochtene Vorauszahlungsbescheid rechtmäßig. Denn die Bemessungsgrundlage für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer war nicht höher als die von den Spielern tatsächlich gezahlten Beträge.

41

bb) Der Senat folgt ferner nicht der Ansicht der Revisionsklägerin, sie sei durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. rechtlich an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) gehindert.

42

Denn die Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag --etwa wie einen durchlaufenden Posten-- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren; letztlich hängt es von der Marktlage ab, ob dem Steuerzahler die Überwälzung gelingt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 10. Mai 1962  1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, unter C.I.6.; vom 3. Mai 2001  1 BvR 624/00, BFH/NV Beilage 2001, 159, HFR 2001, 709, unter II.1.b aa).

43

Der Ansicht der Revisionsklägerin, diese Aussage des BVerfG beschränke sich auf die Vergnügungssteuer, zu der diese Entscheidungen ergangen sind, sie sei deshalb nicht auf die Umsatzsteuer zu übertragen, folgt der Senat angesichts der vom BVerfG gewählten allgemeinen Formulierungen nicht. Im Übrigen hat das BVerfG diese Grundsätze auch auf die Frage der Abwälzbarkeit anderer Verbrauchsteuern angewandt (vgl. z.B. zur Stromsteuer und zur Mineralölsteuer: BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 67; zur Spielgerätesteuer: BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, HFR 2009, 708, unter C.II.1.c).

44

Soweit die Revisionsklägerin meint, im Unterschied zu anderen Steuern wie der Vergnügungssteuer, bei der zur Abwälzung ein kalkulatorisches Abwälzen genüge, werde im Umsatzsteuerrecht unter Abwälzung ausschließlich ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis verstanden, d.h. dem Unternehmer solle es zumindest rechtlich möglich sein, die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis zu verlangen, sieht der Senat für diese Differenzierung keine Grundlage. Im Übrigen verbietet § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis nicht. Insbesondere garantiert diese Vorschrift den Betreibern von Geldspielgeräten nicht eine bestimmte Gewinnmarge.

45

cc) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionsklägerin ohne Erfolg auf den Beschluss des BVerfG in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328.

46

In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, seine Rechtsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Untergrenze für den Zugriff durch Einkommensteuer könne auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden (Orientierungssatz 2). Das Umsatzsteuersystem sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt. Der Unternehmer solle daher in dieser Eigenschaft nicht mit Umsatzsteuer belastet sein; Steuerträger solle vielmehr der Verbraucher sein (Orientierungssatz 2a). Da der Endverbraucher materiell mit der Umsatzsteuer belastet sei, stelle sich --wenn überhaupt-- allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern (Orientierungssatz 2c).

47

Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin vermag der Senat dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, das BVerfG sehe die erforderliche Möglichkeit zur Abwälzung der Umsatzsteuer (nur) dann als gegeben an, wenn die Umsatzsteuer, wie bei den Steuerberatern, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren erhoben werden dürfe. Vielmehr hat das BVerfG insoweit ausgeführt (Rz 3): "So gelingt auch einem Steuerberater die Abwälzung der Umsatzsteuer auf seinen Mandanten, da er im Regelfall die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren abrechnet und die dem Finanzamt geschuldete Umsatzsteuer zusätzlich in Rechnung stellen darf (§ 15 der Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften)."

48

Dabei handelt es sich aber um keine verallgemeinerungsfähige Aussage. Vielmehr hat das BVerfG hier lediglich beispielhaft die für Steuerberater geltende Gebührenordnung genannt - offenbar deshalb, weil der Kläger Steuerberater war.

49

Zudem hat das BVerfG für seine Aussage, die Umsatzsteuer sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt, in Rz 2 seiner Entscheidung in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328 auf seinen Beschluss vom 19. März 1974  1 BvR 416, 767, 779/68 (BVerfGE 37, 38 <46>) verwiesen, wo es heißt: "Die Mehrwertsteuer ist auf Abwälzung angelegt. Für den Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, ist daher weniger die Höhe des Steuersatzes als vielmehr der Grad der Wahrscheinlichkeit entscheidend, die Steuer weitergeben zu können. Die Aussichten dafür sind für Dienstleistungs- und Warenanbieter bei einheitlichem Steuersatz grundsätzlich gleich."

50

Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (s. oben unter II.3.b aa).

51

c) Die Steuererhebung im Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 ist auch nicht wegen fehlender Proportionalität der festgesetzten Steuer zu den Einsätzen der einzelnen Spieler zu beanstanden.

52

Denn der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 --Glawe-- (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden, bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt werde, bestehe die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen könne; bei solchen Automaten gehöre der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage.

53

Eine Proportionalität der Umsatzsteuer zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers, die nach dem Vorbringen der Revisionsklägerin deshalb nicht gegeben ist, weil Besteuerungsgrundlage nicht diese einzelnen Einsätze, sondern die monatlichen bzw. jährlichen Kasseneinnahmen seien, hat der EuGH in seinem Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 --das die Betreiber von Geldspielautomaten nicht beschwert-- nicht gefordert. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883).

54

d) Die Steuerfestsetzung im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 verstieß entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz.

55

Der EuGH hat in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz verneint (Rz 34 ff.) und dabei u.a. ausgeführt, dass dieser Grundsatz auf eine nicht harmonisierte Abgabe keine Anwendung findet (Rz 38). Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Vortrag der Revisionsklägerin öffentliche Spielbanken --anders als gewerbliche Automatenaufsteller-- den Vorschriften der SpielV nicht unterliegen.

56

Jedenfalls behandelt "die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung" --nämlich § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F.-- gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich (vgl. Rz 36 des EuGH-Urteils).

57

e) Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch der von der Revisionsklägerin geltend gemachte Verstoß von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG aus.

58

Das ergänzende, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen der Revisionsklägerin, zwar würden auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen, das verstoße aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Geldspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten, bleibt ohne Erfolg. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen soll, wenn für Umsätze aus dem Betrieb gleichartiger Geldspielgeräte die gleiche Bemessungsgrundlage gilt.

59

4. Angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG sieht der Senat für die von der Revisionsklägerin hilfsweise beantragte erneute Vorlage der Sache an den EuGH ebenso wenig eine Grundlage wie für eine Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.

3

Die Klägerin hält es für klärungsbedürftig, ob Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgaben auf Glücksspiele nur alternativ, nicht aber kumulativ erhoben werden dürfen. Gleiches gelte für die Frage, ob landesrechtliche Bestimmungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind, die für staatliche Spielbanken eine Anrechnung, Stundung oder einen Erlass von Sonderabgaben vorsehen, die mit der Umsatzsteuer korrespondieren und die so zu einem faktischen Wettbewerbsvorteil im Verhältnis zu privaten Geldspielautomatenaufstellern führen.

4

Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung geklärt. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 24. Oktober 2013 C-440/12 Metropol (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 866) entschieden, dass Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) i.V.m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, "dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat" und dass Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL dahin auszulegen ist, "dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht". Damit besteht kein weitergehender Klärungsbedarf in Bezug auf die aufgeworfenen Fragen.

5

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, da durch das EuGH-Urteil Metropol in UR 2013, 866, das die nationalen Gerichte bei der Rechtsauslegung und –anwendung zu beachten haben, eine hinreichende Klärung eingetreten ist. Dies gilt auch in Bezug auf frühere Urteile des EuGH.

6

Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin auch erhobene Rüge, das Finanzgericht (FG) habe ihr durch das Unterlassen einer Vorlage an den EuGH den gesetzlichen Richter entzogen und damit gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, greift nicht durch. Denn nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union sind die Finanzgerichte --als nicht letztinstanzliche Gerichte-- nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1994 VII R 107/93, BFHE 175, 192, BStBl II 1994, 875, unter II.2. der Gründe; BFH-Beschluss vom 27. November 2003 VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521, unter II.2.). Das gilt auch, wenn Rechtsmittel --ggf. durch das höhere Gericht-- zuzulassen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2007 IV B 169/06, BFH/NV 2008, 390, unter 4.).

7

3. Es liegt auch kein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass ihr Anspruch auf faires Verfahren und damit Art. 103 GG verletzt sei. Im Kern wendet sich die Klägerin aber gegen die materiell-rechtliche Beurteilung durch das FG, die zwischenzeitlich durch den EuGH bestätigt wurde. Dass die Klägerin eine nachvollziehbare Ableitung der finanzgerichtlichen Überzeugung vermisst und beanstandet, dass das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 74 FGO evident nicht vorgelegen hätten, reicht nicht aus.

8

4. Auch der Erlass des Änderungsbescheides führt nicht zur Begründetheit der Beschwerde.

9

Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Nichtzulassungsbeschwerde ein Änderungsbescheid, ist die Vorentscheidung entsprechend § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die Vorentscheidung ist aber nicht entsprechend § 127 FGO aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. März 2006 V B 13/04, BFH/NV 2006, 1492; vom 8. Februar 2007 IV B 138/05, BFH/NV 2007, 1326, und vom 29. Oktober 2010 V B 123/09, BFH/NV 2011, 663).

10

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 vom 4. Juli 2013 hat die --auch-- angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar bis Mai 2011, Juli 2011 und September bis Dezember 2011 ersetzt und ist nach § 68 FGO zum Verfahrensgegenstand geworden (BFH-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 X B 60/07, BFH/NV 2009, 205; vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566). Klägerin und der Beklagte und Beschwerdegegner haben zudem erklärt, dass sich durch den Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheides der Streitgegenstand nicht geändert habe.

(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.

(1a) Der Bundestag und der Bundesrat haben das Recht, wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben. Der Bundestag ist hierzu auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet. Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für die Wahrnehmung der Rechte, die dem Bundestag und dem Bundesrat in den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eingeräumt sind, Ausnahmen von Artikel 42 Abs. 2 Satz 1 und Artikel 52 Abs. 3 Satz 1 zugelassen werden.

(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.

(3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.

(5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.

(6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.

(7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Gründe

A.

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferung. Sie beschäftigt in ihrer Produktionsstätte in Schleswig-Holstein über 1.200 Arbeitnehmer. Mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens schloss sie am 18. Februar 2003 für den Zeitraum vom 19. Februar 2003 bis zum 31. März 2004 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag. Der Kläger wurde als Aushilfe in der Produktion von Bremsbelägen eingesetzt. Insgesamt wurden zu diesem Zeitpunkt von der Beschwerdeführerin 56 befristete Arbeitsverträge mit zuvor arbeitslosen Personen abgeschlossen, um Produktionsspitzen abzudecken. Von diesen 56 neuen Mitarbeitern hatten 13 Arbeitnehmer - unter ihnen der Kläger des Ausgangsverfahrens - das 52. Lebensjahr bereits vollendet. Die zusätzlichen Arbeitnehmer wurden nach den Angaben der Beschwerdeführerin bewusst auf der Grundlage des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) eingestellt, um Rechtssicherheit vor Entfristungsklagen zu erlangen. Solche Entfristungsklagen seien in der Vergangenheit gegen die Beschwerdeführerin erhoben worden und hätten im Erfolgsfall zu Verwerfungen bei der Personalplanung geführt.

2

Der Kläger machte gegenüber der Beschwerdeführerin kurze Zeit später die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrags geltend. Er berief sich auf die Unvereinbarkeit der Befristung auf der Grundlage von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl Nr. L 175/43) sowie der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl Nr. L 303/16). Das Arbeitsgericht Lübeck wies seine Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung mit Urteil vom 11. März 2004 ab. Der Kläger könne sich nicht auf eine unmittelbare Wirkung der Richtlinien im Verhältnis unter Privaten berufen. Die Berufung des Klägers wies das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 22. Juni 2004 zurück. Neben dem Hinweis auf die Nichtanwendbarkeit von Richtlinien in privatrechtlichen Verhältnissen verwies das Landesarbeitsgericht zusätzlich auf die unzureichende inhaltliche Bestimmtheit und Unbedingtheit der Richtlinien. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Revision an das Bundesarbeitsgericht. Die Revision hatte in der Sache Erfolg.

II.

3

1. § 14 TzBfG lautete in seiner ursprünglichen Fassung vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1966) auszugsweise:

4

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. […]

5

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; […] Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. […]

6

(3) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt.

7

(4) […]

8

Der Gesetzgeber erweiterte den personellen Anwendungsbereich des § 14 TzBfG im Dezember 2002 (Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I S. 4607). Für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 wurde die Altersgrenze einer sachgrundlosen Befristungsmöglichkeit vom vollendeten 58. auf das vollendete 52. Lebensjahr abgesenkt. Zu diesem Zweck wurde ein vierter Satz in § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt:

9

Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt.

10

Mit dieser Änderung, die Bestandteil der Arbeitsmarktreformen war, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die statistisch deutlich erhöhte Arbeitslosigkeit unter älteren Menschen durch niedrigere Barrieren für deren Wiedereintritt in das Berufsleben zu verringern. Die über 50-Jährigen seien nicht nur länger arbeitslos als andere Altersgruppen, sondern sie stellten auch einen deutlich größeren Anteil der Langzeitarbeitslosen. Der Gesetzgeber verwies darauf, dass die geringe Einstellungsbereitschaft der Arbeitgeber im Wesentlichen auf eine "psychologische Einstellungsbarriere" zurückzuführen sei, die ihre Ursache in der unzutreffenden Überzeugung habe, ältere Arbeitnehmer könnten bei einem späteren Personalabbau nicht mehr entlassen werden (BTDrucks 15/25, S. 40). Da die Erfahrung gezeigt habe, dass die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen die Einstellungsbereitschaft anhebe und die befristeten Arbeitsverhältnisse im Durchschnitt etwa zur Hälfte in unbefristete Beschäftigungen einmündeten, sei § 14 Abs. 3 TzBfG entsprechend zu erweitern.

11

Der Gesetzgeber hielt die mit dieser Regelung verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitssuchender mit Blick auf das beschäftigungspolitische Ziel, die Chancen älterer Menschen auf einen Arbeitsplatz zu verbessern, für gerechtfertigt. Dies entspreche auch einem wichtigen Ziel der europäischen Beschäftigungspolitik (BTDrucks 15/25, S. 40). Deutschland sei mit Beschluss 2001/63/EG des Rates vom 19. Januar 2001 über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (ABl Nr. L 22/18) ausdrücklich aufgefordert worden, Hindernisse und negative Faktoren für die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitsloser zu verbessern.

12

2. a) Art. 19 Abs. 1 AEUV (ehemals Art. 13 Abs. 1 EGV) ermächtigt den Rat, im Zuständigkeitsbereich der Union Regelungen unter anderem gegen altersbezogene Diskriminierungen zu erlassen. Ein unmittelbar wirkendes Diskriminierungsverbot enthält die Bestimmung nicht (vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 13 EGV Rn. 17; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 13 EGV Rn. 1). Art. 19 Abs. 1 AEUV lautet:

13

Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen der Verträge kann der Rat im Rahmen der durch die Verträge auf die Union übertragenen Zuständigkeiten gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

14

Demgegenüber enthält Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta - GRCh) ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters, dem unmittelbare Wirkung zukommt. Die Vorschrift lautet in der überarbeiteten Fassung vom 12. Dezember 2007 (ABl Nr. C 303/1; BGBl 2008 II S. 1165):

15

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

16

(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

17

Die Grundrechtecharta war in dem entscheidungserheblichen Zeitraum noch nicht rechtsverbindlich. Sie wurde den Verträgen erst mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 2007 (Vertrag von Lissabon - ABl Nr. C 306/10; BGBl 2008 II S. 1038) rechtlich gleichgestellt (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EUV).

18

b) Mit der Richtlinie 1999/70/EG soll die zwischen europäischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden getroffene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchgeführt werden (Art. 1 der Richtlinie 1999/70/EG). Der Vereinbarung zufolge, die als Anhang Bestandteil der Richtlinie ist, gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer der Grundsatz der Nichtdiskriminierung; der Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge ist zu vermeiden (vgl. im Einzelnen §§ 4, 5 des Anhangs der Richtlinie 1999/70/EG). Das Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde vom deutschen Gesetzgeber im Jahr 2000 erlassen, um diese Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen.

19

Die Richtlinie 2000/78/EG soll unter anderem Diskriminierungen aufgrund des Alters verhindern. Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legt den Zweck des Rechtsaktes dahingehend fest, dass ein allgemeiner Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, unter anderem wegen des Alters, zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten geschaffen werden soll. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird als Verbot bestimmter unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierungen definiert (Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich insbesondere auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in einem Mitgliedstaat, unabhängig von der Existenz eines grenzüberschreitenden Sachverhalts (Art. 3 der Richtlinie 2000/78/EG). Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sieht ferner vor, dass eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt sein kann. Die Vorschrift lautet:

20

Artikel 6 - Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters

21

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

22

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

23

a) die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

24

b) die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

25

c) die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

26

[…]

27

Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie lief am 2. Dezember 2003 ab (Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Mitgliedstaaten konnten im Hinblick auf Ungleichbehandlungen wegen des Alters eine Zusatzfrist von drei Jahren bis zum 2. Dezember 2006 in Anspruch nehmen (Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Die Europäische Kommission war von der Inanspruchnahme dieser verlängerten Umsetzungsfrist in Kenntnis zu setzen. Ihr war zudem während dieses Zeitraums jährlich Bericht über die ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten, zu erstatten. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Zusatzfrist in Anspruch genommen. Die verlängerte Umsetzungsfrist endete am 2. Dezember 2006.

28

3. a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (jetzt Gerichtshof der Europäischen Union) stellte in seinem Urteil vom 22. November 2005 in der Rechtssache Mangold (Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981) fest, dass Gemeinschaftsrecht und insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Regelung wie der des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG entgegenstünden. Es obliege dem nationalen Gericht, die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lasse, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen sei.

29

Zur Begründung führte der Gerichtshof unter anderem aus, dass eine derartige Regelung zwar das legitime Ziel verfolge, ältere Arbeitnehmer wieder in das Berufsleben einzugliedern. Sie gehe aber über das erforderliche und angemessene Maß hinaus, weil sie allein auf das Alterskriterium abstelle und andere Umstände wie die Struktur des jeweiligen Arbeitsmarktes und die persönliche Situation des Betroffenen unberücksichtigt lasse.

30

Einem Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG stehe nicht entgegen, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei. Erstens dürfe ein Mitgliedstaat schon während der Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen, die geeignet seien, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus von der Möglichkeit einer dreijährigen Fristverlängerung nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht. Diese Vorschrift impliziere durch Berichtspflichten an die Kommission, dass ein Mitgliedstaat in diesem Zeitraum schrittweise konkrete Maßnahmen ergreife, um seine Rechtsordnung dem Richtlinienziel anzunähern. Dieser Verpflichtung würde jegliche praktische Wirksamkeit genommen, wenn dem Mitgliedstaat gestattet wäre, während der Umsetzungsfrist Maßnahmen zu erlassen, die mit deren Zielen unvereinbar seien. Zweitens sei das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen. Der Gerichtshof begründete die Existenz dieses neuen Grundsatzes mit dem Hinweis auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2000/78/EG, die ihrerseits auf verschiedene völkerrechtliche Verträge und die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten verwiesen.

31

Die vorliegende nationale Regelung falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, weil § 14 Abs. 3 TzBfG als Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG ergangen und im Jahre 2002 um § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ergänzt worden sei.

32

b) Nach Eingang der Verfassungsbeschwerde wurde die Frage, ob das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters einer nationalen Vorschrift entgegensteht, in den Rechtssachen Palacios (Urteil vom 16. Oktober 2007, Rs. C-411/05, Slg. 2007, S. I-8531), Bartsch (Urteil vom 23. September 2008, Rs. C-427/06, Slg. 2008, S. I-7245) und Kücükdeveci (Urteil vom 19. Januar 2010, Rs. C-555/07, NJW 2010, S. 427) erneut vor dem Gerichtshof aufgeworfen. In der Kücükdeveci-Entscheidung bestätigte der Gerichtshof die Mangold-Entscheidung im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der jede Diskriminierung aufgrund des Alters verbiete, und wies zur Begründung auf Art. 21 Abs. 1 GRCh hin.

III.

33

Das Bundesarbeitsgericht stellte mit dem angegriffenen Urteil vom 26. April 2006 fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31. März 2004 durch Befristung geendet habe. Es begründete dies unter anderem mit dem Argument, die Beschwerdeführerin könne sich zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG berufen. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vor. Die Vorschrift sei aber mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und dürfe daher von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden. Dies folge aus der Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs.

34

Der Senat sei an den Ausspruch der Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG durch den Gerichtshof gebunden, den dieser mit einem Verstoß gegen das Ziel der Richtlinie 2000/78/EG und mit einem Verstoß gegen das auf allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts beruhende Verbot der Altersdiskriminierung doppelt begründet habe. Die Entscheidung des Gerichtshofs beruhe auf der Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen eines Vorlageverfahrens nach Art. 234 Abs. 1 Buchstabe a EGV (jetzt Art. 267 Abs. 1 Buchstabe a AEUV) und halte sich im Rahmen der dem Gerichtshof nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG übertragenen Zuständigkeiten.

35

Der vom Gerichtshof festgestellte Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, der einer Diskriminierung wegen der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Merkmale entgegenstehe, sei als Unterfall des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit und Nichtdiskriminierung anzusehen, der zu den Gemeinschaftsgrundrechten gehöre. Dieser Grundsatz, auf den sich auch eine Privatperson vor einem nationalen Gericht berufen könne, begrenze den nationalen Gesetzgeber bei der Normsetzung, soweit dessen Regelung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz falle in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts, da es der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diene. Zwar möge es zutreffen, dass das Verbot der Altersdiskriminierung bisher weder in verbindlich geltenden völkerrechtlichen Verträgen noch in einer nennenswerten Anzahl von Verfassungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich genannt sei. Dennoch sei eine Herleitung aus offen formulierten Tatbeständen und im Wege partieller Rechtsfortbildung nicht ausgeschlossen.

36

Auch soweit der Gerichtshof die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus der Richtlinie 2000/78/EG herleite, habe er seine Kompetenzen nicht überschritten. Die Begründung des Gerichtshofs sei dahingehend zu verstehen, dass ein während der Umsetzungsfrist einer Richtlinie erlassenes nationales Gesetz unanwendbar sei, wenn sein Inhalt im Widerspruch zu dem Richtlinienziel stehe und keine gemeinschaftskonforme Auslegung möglich sei. Rechtsgrundlage für diese Annahme von Vorwirkungen bilde der Grundsatz der Vertragstreue der Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 2 und Art. 249 Abs. 3 EGV (jetzt Art. 4 Abs. 3 UAbs. 3 EUV und Art. 288 Abs. 3 AEUV).

37

Die Entscheidung sei jedenfalls im Ergebnis unmissverständlich; es bedürfe deshalb keiner erneuten Vorlage an den Gerichtshof zur Unvereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG mit Gemeinschaftsrecht.

38

Das Bundesarbeitsgericht lehnte es ferner ab, § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vertrauensschutzes auf eine vor dem 22. November 2005 getroffene Befristungsabrede anzuwenden. Zur zeitlichen Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen Primärrecht der Gemeinschaft verstoßenden nationalen Norm sei allein der Gerichtshof zuständig. Eine solche Begrenzung sei in der Mangold-Entscheidung jedoch nicht enthalten. Der Senat sah sich auch nicht verpflichtet, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen, weil die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine derartige zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht vorlägen. Selbst wenn der Senat nach einem Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs befugt wäre, Vertrauensschutz nach nationalem Verfassungsrecht zu gewähren und damit dessen zeitliche Wirkung einzuschränken, bestehe kein Vertrauensschutz zugunsten der Beschwerdeführerin. Denn bis zum Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Kläger habe es keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Zulässigkeit einer allein auf das Lebensalter gestützten sachgrundlosen Befristung gegeben; darüber hinaus sei diese im arbeitsrechtlichen Schrifttum umstritten gewesen.

IV.

39

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 (1.) und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (2.).

40

1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln geltend. Eine Verletzung ergebe sich zunächst daraus, dass das Bundesarbeitsgericht die angegriffene Entscheidung zur Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG maßgeblich auf die Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs gestützt habe. Wenn diese Entscheidung so zu verstehen sei, wie sie das Bundesarbeitsgericht in dem angegriffenen Urteil verstanden und angewandt habe, liege eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs vor. Soweit das Bundesarbeitsgericht darauf abstelle, dass der Gerichtshof sich auf einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts stütze, sei schon zweifelhaft, ob die Benennung und Anwendung eines Verbots der Altersdiskriminierung nicht in einem untrennbaren funktionalen Zusammenhang mit den Ausführungen zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG stehe. Darüber hinaus besitze der Gerichtshof keine Kompetenz zur Prüfung einer innerstaatlichen arbeitsrechtlichen Gesetzgebung bezüglich der Rechtsbeziehung zwischen Privaten. Die Verabschiedung des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG sei nicht als Durchführung von Gemeinschaftsrecht zu qualifizieren. Ferner betreibe der Gerichtshof durch die Postulierung eines unmittelbar anwendbaren allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung unzulässige Rechtsfortbildung. Außerdem führe die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 2000/78/EG zu einer von den Verträgen nicht gedeckten Vor- und Drittwirkung von Richtlinien.

41

Eine Verletzung ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgt nach Ansicht der Beschwerdeführerin des Weiteren daraus, dass das Bundesarbeitsgericht keinen hinreichenden verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz gewährt und die Revision zurückgewiesen habe. Auch nach Gemeinschaftsrecht sei dem Bundesarbeitsgericht nicht versagt gewesen, Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, da Fragen des Vertrauensschutzes im Mangold-Verfahren weder aufgeworfen noch entschieden worden seien. Der Unanwendbarkeitsausspruch des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold könne insoweit nicht als absolut und unbedingt geltend verstanden werden. Anders als vom Bundesarbeitsgericht angenommen, habe die Beschwerdeführerin sich darauf verlassen dürfen, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG nicht an der noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG gemessen werde.

42

2. Die Beschwerdeführerin trägt weiter vor, dass sie auch in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei. Das Bundesarbeitsgericht habe seine nach Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt 267 Abs. 3 AEUV) bestehende Vorlagepflicht willkürlich verletzt, weil es den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten habe. Unterstelle man eine Bindung des Bundesarbeitsgerichts an die Mangold-Entscheidung, hätte das Bundesarbeitsgericht dem Gerichtshof die Frage vorlegen müssen, ob auch Vertragsverhältnisse erfasst seien, die vor der Mangold-Entscheidung abgeschlossen wurden, oder ob nicht Grundsätze des gemeinschaftsrechtlichen oder des nationalen Vertrauensschutzes eine zeitliche Einschränkung geböten. Dass der Gerichtshof eine zeitliche Begrenzung seiner Entscheidungswirkungen nur im Ausnahmefall ausspreche, beziehe sich lediglich auf die finanziellen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten, nicht aber auf die vorliegende Fallgestaltung. Die fehlende zeitliche Begrenzung in der Mangold-Entscheidung selbst sei darauf zurückzuführen, dass dort keinerlei Veranlassung zu einer zeitlichen Begrenzung bestanden habe.

V.

43

Der Zweite und der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts sowie der Zweite und der Sechste Senat des Bundessozialgerichts haben Stellung genommen.

B.

44

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

45

Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist als eine Maßnahme der deutschen öffentlichen Gewalt tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung des Grundgesetzes besteht gegenüber allen Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt, grundsätzlich auch solchen, die die innerstaatliche Geltung von Gemeinschafts- und Unionsrecht begründen (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 123, 267 <329>), Gemeinschafts- und Unionsrecht umsetzen (vgl. BVerfGE 113, 273 <292>; 118, 79 <94>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08 -, NJW 2010, S. 833 <835>) oder vollziehen. Ob und inwieweit die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit solcher Maßnahmen durch das Bundesverfassungsgericht beschränkt ist, ist eine Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde, soweit wie hier diesbezüglich offene Fragen zu klären sind.

II.

46

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt den Anforderungen der § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG. Nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin erscheint es insbesondere möglich, dass das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts die Beschwerdeführerin in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, weil es zum einen auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht, die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland nicht anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 89, 155 <188>; 123, 267 <353 f.>), und weil es zum anderen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz nicht gewährt.

47

Die Beschwerdeführerin legt ausreichend dar, warum der Gerichtshof mit der Entscheidung in der Rechtssache Mangold die Grenzen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts überschritten und das Gemeinschaftsrecht in einer Weise fortgebildet habe, die von den Kompetenzen der Gemeinschaft nicht mehr gedeckt sei. Dabei setzt sie sich mit der bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kompetenzkontrolle, der für kompetenzwidrig gehaltenen Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs und den hierzu ergangenen kritischen Anmerkungen in der Literatur auseinander. Die Beschwerdeführerin war nicht gehalten, antizipierend auf vom Bundesverfassungsgericht erst noch zu präzisierende Einzelheiten der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen auf die Beachtung der Grenzen ihrer Kompetenzen einzugehen.

C.

48

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

I.

49

Die Beschwerdeführerin ist nicht deswegen in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, weil das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf einer unzulässigen Rechtsfortbildung des Gerichtshofs beruht.

50

1. a) Sowohl die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie als auch die Garantie der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG schließen das Recht ein, Arbeitsverhältnisse durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zu begründen, auszugestalten und zu befristen (vgl. allgemein für die Gestaltung von Arbeitsverträgen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. November 2006 - 1 BvR 1909/06 -, NJW 2007, S. 286). Die Vertragsfreiheit als wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie wird allgemein durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 72, 155 <170>; 81, 242 <254 ff.>; 89, 214 <231 ff.>; 103, 89 <100 f.>). Geht es um die Handlungsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG findet, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab allerdings aus (vgl. BVerfGE 89, 1 <13>; 117, 163 <181>). Dies gilt insbesondere im Bereich des Individualarbeitsvertragsrechts (vgl. BVerfGE 57, 139 <158>; BVerfGK 4, 356 <363 f.>).

51

Die Privatrechtsordnung ist gesetzlich gestaltet. Gesetze regeln die Ausübung der Vertragsfreiheit nicht nur zu ihrem institutionellen Schutz, sondern auch um soziale Belange strukturell schwächerer Marktteilnehmer zu wahren. Aus diesem Grund wird der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nicht vollständig in die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien gelegt, sondern traditionell an Voraussetzungen gebunden, die die Arbeitnehmer schützen sollen. Denn für Arbeitnehmer ist die Erwerbsarbeit regelmäßig alleinige Existenzgrundlage. Durch Befristung wird zwar den Flexibilitätsbedürfnissen rentabler Unternehmensführung entsprochen. Für die davon betroffenen Arbeitnehmer bedeutet ein befristetes Arbeitsverhältnis aber nicht nur die Chance auf Erwerbsarbeit, sondern ist auch mit Unsicherheit über den Fortbestand des Erwerbseinkommens verbunden. Der insoweit schützende staatliche Eingriff in die Privatautonomie bei der Ausgestaltung befristeter Arbeitsverhältnisse bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die sich ihrerseits als verfassungsgemäß erweisen muss.

52

Die für das Verfassungsbeschwerdeverfahren maßgebliche Vorschrift des einfachen Rechts ist § 14 TzBfG in der vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung. Von dem Grundsatz, dass es zur Begründung befristeter Arbeitsverhältnisse eines sachlichen Grundes bedarf, konnte nach § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG abgewichen werden, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat. Diese Ausnahmeregelung hat indes zum Nachteil der Beschwerdeführerin unangewendet zu bleiben, wenn sie gegen Gemeinschaftsrecht (jetzt Unionsrecht) verstößt.

53

b) Das Recht der Europäischen Union kann sich nur wirksam entfalten, wenn es entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht verdrängt. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt zwar nicht dazu, dass entgegenstehendes nationales Recht nichtig wäre. Mitgliedstaatliches Recht kann vielmehr weiter seine Geltung entfalten, wenn und soweit es jenseits des Anwendungsbereichs einschlägigen Unionsrechts einen sachlichen Regelungsbereich behält. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts dagegen ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht grundsätzlich unanwendbar. Der Anwendungsvorrang folgt aus dem Unionsrecht, weil die Union als Rechtsgemeinschaft nicht bestehen könnte, wenn die einheitliche Wirksamkeit des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten nicht gewährleistet wäre (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, S. 1251 Rn. 12). Der Anwendungsvorrang entspricht auch der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG, wonach Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen werden können (vgl. BVerfGE 31, 145 <174>; 123, 267 <402>). Art. 23 Abs. 1 GG erlaubt mit der Übertragung von Hoheitsrechten - soweit vertraglich vorgesehen und gefordert - zugleich deren unmittelbare Ausübung innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Er enthält somit ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen, dem der unionsrechtliche Anwendungsvorrang entspricht.

54

c) aa) Anders als ein bundesstaatlicher Geltungsvorrang, wie ihn Art. 31 GG für die deutsche Rechtsordnung vorsieht, kann der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht umfassend sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <375>; 123, 267 <398>).

55

Das Unionsrecht bleibt als autonomes Recht von der vertraglichen Übertragung und Ermächtigung abhängig. Die Unionsorgane bleiben für die Erweiterung ihrer Befugnisse auf Vertragsänderungen angewiesen, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der für sie jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und verantwortet werden (vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <187 f., 192, 199>; 123, 267 <349>; vgl. auch BVerfGE 58, 1 <37>; 68, 1 <102>; 77, 170 <231>; 104, 151 <195>; 118, 244 <260>). Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb berechtigt und verpflichtet, Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen oder aufgrund von Kompetenzausübungen im nicht übertragbaren Bereich der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 und Art. 20 GG) erfolgen (vgl. BVerfGE 75, 223 <235, 242>; 89, 155 <188>; 113, 273 <296>; 123, 267 <353 f.>), und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen.

56

bb) Die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, substantiierten Rügen eines Ultra-vires-Handelns der europäischen Organe und Einrichtungen nachzugehen, ist mit der vertraglich dem Gerichtshof übertragenen Aufgabe zu koordinieren, die Verträge auszulegen und anzuwenden und dabei Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren (vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, Art. 267 AEUV).

57

Wenn jeder Mitgliedstaat ohne weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Anwendungsvorrang praktisch unterlaufen werden, und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet. Würden aber andererseits die Mitgliedstaaten vollständig auf die Ultra-vires-Kontrolle verzichten, so wäre die Disposition über die vertragliche Grundlage allein auf die Unionsorgane verlagert, und zwar auch dann, wenn deren Rechtsverständnis im praktischen Ergebnis auf eine Vertragsänderung oder Kompetenzausweitung hinausliefe. Dass in den - wie nach den institutionellen und prozeduralen Vorkehrungen des Unionsrechts zu erwarten - seltenen Grenzfällen möglicher Kompetenzüberschreitung seitens der Unionsorgane die verfassungsrechtliche und die unionsrechtliche Perspektive nicht vollständig harmonieren, ist dem Umstand geschuldet, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Herren der Verträge bleiben und die Schwelle zum Bundesstaat nicht überschritten wurde (vgl. BVerfGE 123, 267 <370 f.>). Die nach dieser Konstruktion im Grundsatz unvermeidlichen Spannungslagen sind im Einklang mit der europäischen Integrationsidee kooperativ auszugleichen und durch wechselseitige Rücksichtnahme zu entschärfen.

58

cc) Die Ultra-vires-Kontrolle darf nur europarechtsfreundlich ausgeübt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>).

59

(1) Die Union versteht sich als Rechtsgemeinschaft; sie ist insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Grundrechte gebunden und achtet die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten (vgl. im Einzelnen Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EUV). Nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist der Anwendungsvorrang des Unionsrechts anzuerkennen und zu gewährleisten, dass die dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich vorbehaltenen Kontrollbefugnisse nur zurückhaltend und europarechtsfreundlich ausgeübt werden.

60

Das bedeutet für die vorliegend in Rede stehende Ultra-vires-Kontrolle, dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen des Gerichtshofs grundsätzlich als verbindliche Auslegung des Unionsrechts zu beachten hat. Vor der Annahme eines Ultra-vires-Akts der europäischen Organe und Einrichtungen ist deshalb dem Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV die Gelegenheit zur Vertragsauslegung sowie zur Entscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der fraglichen Rechtsakte zu geben. Solange der Gerichtshof keine Gelegenheit hatte, über die aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen zu entscheiden, darf das Bundesverfassungsgericht für Deutschland keine Unanwendbarkeit des Unionsrechts feststellen (vgl. BVerfGE 123, 267 <353>).

61

Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht kommt darüber hinaus nur in Betracht, wenn ersichtlich ist, dass Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen außerhalb der übertragenen Kompetenzen ergangen sind (vgl. BVerfGE 123, 267 <353, 400>). Ersichtlich ist ein Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur dann, wenn die europäischen Organe und Einrichtungen die Grenzen ihrer Kompetenzen in einer das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung spezifisch verletzenden Art überschritten haben (Art. 23 Abs. 1 GG), der Kompetenzverstoß mit anderen Worten hinreichend qualifiziert ist (vgl. zur Formulierung "hinreichend qualifiziert" als Tatbestandsmerkmal im unionsrechtlichen Haftungsrecht etwa EuGH, Urteil vom 10. Juli 2003, Rs. C-472/00 P, Fresh Marine, Slg. 2003, S. I-7541 Rn. 26 f.). Dies bedeutet, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und Union im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt (vgl. Kokott, Deutschland im Rahmen der Europäischen Union - zum Vertrag von Maastricht, AöR 1994, S. 207 <220>: "erhebliche Kompetenzüberschreitungen" und <233>: "drastische" Ultra-vires-Akte; Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 238 für eine Evidenzkontrolle; Isensee, Vorrang des Europarechts und deutsche Verfassungsvorbehalte - offener Dissens, in: Festschrift Stern, 1997, S. 1239 <1255>: "im Falle krasser und evidenter Kompetenzüberschreitung"; Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Bd. II, Art. 23 Rn. 32: "schwerwiegend, evident und generell"; Oeter, Rechtsprechungskonkurrenz zwischen nationalen Verfassungsgerichten, Europäischem Gerichtshof und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte, VVDStRL 2007, S. 361 <377>: Rechtsprechung des Gerichtshofs sei verbindlich, "sofern sie sich nicht völlig von den vertraglichen Grundlagen ablöst"; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 40 : "offensichtlich, anhaltend und schwerwiegend").

62

(2) Der Auftrag, bei der Auslegung und Anwendung der Verträge das Recht zu wahren (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV), beschränkt den Gerichtshof nicht darauf, über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen zu wachen. Dem Gerichtshof ist auch die Rechtsfortbildung im Wege methodisch gebundener Rechtsprechung nicht verwehrt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Befugnis stets ausdrücklich anerkannt (vgl. BVerfGE 75, 223 <242 f.>; BVerfGE 123, 267 <351 f.>). Ihr stehen insbesondere das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Struktur des unionalen Staatenverbundes nicht entgegen. Vielmehr kann die - in den ihr gesetzten Grenzen wahrgenommene - Rechtsfortbildung gerade auch im supranationalen Verbund zu einer der grundlegenden Verantwortung der Mitgliedstaaten über die Verträge gerecht werdenden Kompetenzabgrenzung zu den Regelungsbefugnissen des Unionsgesetzgebers beitragen.

63

Das Primärrecht sieht an einzelnen Stellen ausdrücklich vor, dass die Unionsorgane auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze handeln sollen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind (Art. 6 Abs. 3 EUV; Art. 340 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV). Zur Aufgabe des Gerichtshofs gehört es insoweit, die Rechtlichkeit der Union im Sinne der gemeinsamen europäischen Verfassungstraditionen zu sichern. Maßstab ist sowohl das geschriebene Primär- und Sekundärrecht als auch die ungeschriebenen allgemeinen Grundsätze, wie sie aus den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten unter ergänzender Heranziehung der völkerrechtlichen Verträge der Mitgliedstaaten abgeleitet werden (vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 220 EGV Rn. 38 m.w.N. zu den allgemeinen Grundsätzen im Völkerrecht Gaja, General Principles of Law, in: Wolfrum, Max Planck Encyclopedia of Public International Law, http://www.mpepil.com, Rn. 7 ff., 17 ff.). Bereits die unter anderem vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Notwendigkeit, einen dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsschutz auszubilden (vgl. BVerfGE 37, 271 <285>), war seit den 1970er Jahren nur rechtsfortbildend über die Methode der wertenden Rechtsvergleichung möglich (vgl. grundlegend EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1970, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125 Rn. 4; EuGH, Urteil vom 14. Mai 1974, Rs. 4/73, Nold/Kommission, Slg. 1974, S. 491 Rn. 13).

64

Rechtsfortbildung ist allerdings keine Rechtsetzung mit politischen Gestaltungsfreiräumen, sondern folgt den gesetzlich oder völkervertraglich festgelegten Vorgaben. Sie findet hier Gründe und Grenzen. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird. Rechtsfortbildung überschreitet diese Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte (vertrags-)gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft. Dies ist vor allem dort unzulässig, wo Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus politische Grundentscheidungen trifft oder durch die Rechtsfortbildung strukturelle Verschiebungen im System konstitutioneller Macht- und Einflussverteilung stattfinden.

65

Eine wesentliche Grenze richterlicher Rechtsfortbildung auf Unionsebene ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV). Es gewinnt seine Bedeutung vor dem Hintergrund der stark föderalisierten und kooperativen Organisationsstruktur der Europäischen Union, die in vielen Bereichen sowohl im Umfang der Kompetenzen als auch in der Organisationsstruktur und den Verfahren zwar staatsanalog, aber nicht bundesstaatlich geprägt ist. Die Mitgliedstaaten haben nur jeweils begrenzte Hoheitsrechte übertragen. Generalermächtigungen und die Kompetenz, sich weitere Kompetenzen zu verschaffen, widersprechen diesem Prinzip und würden die verfassungsrechtliche Integrationsverantwortung der Mitgliedstaaten untergraben (vgl. BVerfGE 123, 267 <352 f.>). Dies gilt nicht nur, wenn sich eigenmächtige Kompetenzerweiterungen auf Sachbereiche erstrecken, die zur verfassungsrechtlichen Identität der Mitgliedstaaten rechnen oder besonders vom demokratisch diskursiven Prozess in den Mitgliedstaaten abhängen (vgl. BVerfGE 123, 267 <357 f.>), allerdings wiegen hier Kompetenzüberschreitungen besonders schwer.

66

(3) Soll das supranationale Integrationsprinzip nicht Schaden nehmen, muss die Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zurückhaltend ausgeübt werden. Da es in jedem Fall einer Ultra-vires-Rüge auch über eine Rechtsauffassung des Gerichtshofs zu befinden hat, sind Aufgabe und Stellung der unabhängigen überstaatlichen Rechtsprechung zu wahren. Dies bedeutet zum einen, dass die unionseigenen Methoden der Rechtsfindung, an die sich der Gerichtshof gebunden sieht und die der "Eigenart" der Verträge und den ihnen eigenen Zielen Rechnung tragen (vgl. EuGH, Gutachten 1/91, EWR-Abkommen, Slg. 1991, S. I-6079 Rn. 51), zu respektieren sind. Zum anderen hat der Gerichtshof Anspruch auf Fehlertoleranz. Daher ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Gerichtshofs zu setzen. Hinzunehmen sind auch Interpretationen der vertraglichen Grundlagen, die sich ohne gewichtige Verschiebung im Kompetenzgefüge auf Einzelfälle beschränken und belastende Wirkungen auf Grundrechte entweder nicht entstehen lassen oder einem innerstaatlichen Ausgleich solcher Belastungen nicht entgegenstehen.

67

2. Gemessen an diesen Maßstäben hat das Bundesarbeitsgericht die Tragweite der Vertragsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht verkannt. Das angegriffene Urteil erweist sich als verfassungsgemäß, soweit es die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG angenommen hat.

68

Im Hinblick auf die zugrundegelegte Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Rechtsfortbildung ultra vires, die zur - allein vom Bundesverfassungsgericht feststellbaren (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>) - Unanwendbarkeit der betreffenden Rechtsgrundsätze in Deutschland führen müsste, nicht ersichtlich. Es kann dahinstehen, ob sich das in der Mangold-Entscheidung gefundene Ergebnis durch anerkannte juristische Auslegungsmethoden noch gewinnen lässt und ob gegebenenfalls bestehende Mängel offenkundig wären. Jedenfalls handelt es sich um keine das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in offensichtlicher und strukturwirksamer Weise verletzende Überschreitung der durch Zustimmungsgesetz auf die Europäische Union übertragenen Hoheitsrechte.

69

a) Der Gerichtshof kam in der Mangold-Entscheidung zu dem Ergebnis, eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht und müsse unangewendet bleiben (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, Rs. C-144/04, Slg. 2005, S. I-9981 Rn. 77 f.). Diese Aussage wurde mit zwei Argumenten begründet, deren Beziehung zueinander unklar bleibt (vgl. Thüsing, Europarechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Bindung des Arbeitgebers?, ZIP 2005, S. 2149 <2150 f.>). Die Regelung stehe sowohl im Widerspruch zu Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG als auch zu einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der Diskriminierungen aus Gründen des Alters untersage.

70

Während eine Stelle in der englischen und französischen Sprachfassung der Mangold-Entscheidung darauf hindeutet, dass sich der Gerichtshof insbesondere auf das allgemeine Diskriminierungsverbot zu stützen scheint (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 74: "[z]weitens" , "[i]n the second place and above all" , "[e]n second lieu et surtout" ), könnte eine andere Stelle für das Gegenteil sprechen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 78: "insbesondere Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78"). Dem entspricht die Vermutung, dass die Mangold-Entscheidung, obwohl die Richtlinie 2000/78/EG für Deutschland innerhalb der noch laufenden Umsetzungsfrist noch nicht anwendbar war, die deutsche Befristungsregel am Maßstab dieser Richtlinie prüfte, weil die Richtlinie nur das konkretisiere, was durch den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung ohnehin und unabhängig von der Richtlinie gelte (vgl. Skouris, Methoden der Grundrechtsgewinnung in der EU, in: Merten/Papier, HGRe, Bd. VI/1, 2010, § 157 Rn. 24).

71

b) Ein hinreichend qualifizierter Verstoß des Gerichtshofs gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung lässt sich nicht feststellen. Weder die Öffnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/78/EG auf Fälle, die gerade einer beruflichen Eingliederung von älteren Langzeitarbeitslosen dienen sollten (aa), noch die vom Gerichtshof angenommene Vorwirkung der in Deutschland noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG (bb) noch die Herleitung eines allgemeinen Grundsatzes des Verbots der Altersdiskriminierung (cc) hat zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen geführt.

72

aa) Der Gerichtshof hielt den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung in der Rechtssache Mangold für anwendbar, weil der Sachverhalt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG falle (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 51, 64, 75). Diese Weichenstellung war die Voraussetzung dafür, dass eine nationale Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG überhaupt am Gemeinschaftsrecht - und also auch an dessen allgemeinen Grundsätzen - gemessen werden konnte. Die Beschwerdeführerin hat dagegen vorgetragen, dass die einschlägige Vorschrift des Teilzeit- und Befristungsgesetzes der Beschäftigungspolitik gedient habe, welche weiterhin in der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit liege.

73

Ob eine bestimmte Maßnahme eines Mitgliedstaates in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, bestimmt der Gerichtshof jeweils im Einzelfall nach der inhaltlichen Tragweite der Maßnahme in Bezug auf die Sachmaterie und die beteiligten Personen. Auch eine Richtlinie kann den Anwendungsbereich der Verträge eröffnen und so dazu führen, dass die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts in das mitgliedstaatliche Recht einwirken (vgl. von Danwitz, Rechtswirkungen von Richtlinien in der neueren Rechtsprechung des EuGH, JZ 2007, S. 697 <704>). Ob eine Richtlinie den Anwendungsbereich der Verträge eröffnet, wird nach ihren Zielen bestimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1998, Rs. C-226/97, Lemmens, Slg. 1998, S. I-3711 Rn. 25 und 35 f.). Dagegen kann der nationale Gesetzgeber nicht den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts ausschließen, indem er mit einer Maßnahme auch Ziele - wie etwa die Beschäftigungspolitik (vgl. die beschränkten Handlungskompetenzen nach Art. 145 bis Art. 150 AEUV) - verfolgt, zu deren Regelung die Union nicht befugt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 1998, Bickel und Franz, Rs. C-274/96, Slg. 1998, S. I-7637 Rn. 17; stRspr). Der Gerichtshof rechtfertigt dies mit dem Hinweis, dass die Mitgliedstaaten andernfalls durch unterschiedliche Zielsetzungen die einheitliche Wirkung des Unionsrechts beeinträchtigen könnten.

74

Im konkreten Fall begründete der Gerichtshof die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts und damit des allgemeinen Verbots der Altersdiskriminierung damit, dass mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ursprünglich die Richtlinie 1999/70/EG habe umgesetzt werden sollen (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 75). Dagegen kann eingewendet werden, dass nur der ursprüngliche Erlass des Teilzeit- und Befristungsgesetzes im Jahr 2000 der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG diente, nicht aber das Änderungsgesetz, mit dem Satz 4 in den bestehenden § 14 Abs. 3 TzBfG eingefügt wurde (vgl. zum fehlenden Verweis auf das Gemeinschaftsrecht BTDrucks 15/25, S. 40). Entscheidende Erwägung, die aus der Binnenlogik des Unionsrechts heraus nicht vollständig zurückgewiesen werden kann, ist jedoch die sachliche Reichweite der Richtlinie 1999/70/EG, insbesondere deren Verschlechterungsverbot (§ 8 Abs. 3 der Richtlinie 1999/70/EG). Sie ist das maßgebende Argument, nicht die jeweilige Zielsetzung des nationalen Gesetzgebers.

75

bb) Eine im Hinblick auf das Ersichtlichkeitskriterium gravierende, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzende Rechtsfortbildung durch die Mangold-Entscheidung des Gerichtshofs ist auch nicht wegen der vom Gerichtshof angenommenen Vorwirkung der in Deutschland noch umzusetzenden Richtlinie 2000/78/EG gegeben.

76

Der Gerichtshof ging davon aus, dass einem Verstoß einer nationalen Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG nicht entgegenstehe, dass deren Umsetzungsfrist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abgelaufen gewesen sei (EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rn. 70 ff.). Der während der Umsetzungsfrist bestehende Handlungs- und Konkretisierungsspielraum der Bundesrepublik Deutschland wurde dadurch jedoch nicht so verkürzt, dass eine strukturwirksame Kompetenzverschiebung angenommen werden müsste. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer in Kraft getretenen Richtlinie keine Vorschriften zu erlassen, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 1997, Rs. C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, S. I-7411 Rn. 45; EuGH, Urteil vom 8. Mai 2003, Rs. C-14/02, ATRAL, Slg. 2003, S. I-4431 Rn. 58).

77

Die Mangold-Entscheidung lässt sich in die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zur innerstaatlichen Wirkung von Richtlinien einordnen. Obwohl der Gerichtshof mehrfach entschieden hat, dass eine Richtlinie "nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist" (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994, Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.; EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004, verb. Rs. C-397-403/01, Pfeiffer, Slg. 2004, S. I-8835 Rn. 108), hat der Gerichtshof anerkannt, dass richtlinienwidrig erlassene innerstaatliche Normen in einem Rechtsstreit zwischen Privaten unangewendet bleiben müssen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 30. April 1996, Rs. C-194/94, CIA Security, Slg. 1996, S. I-2201; EuGH, Urteil vom 26. September 2000, Rs. C-443/98, Unilever, Slg. 2000, S. I-7535 Rn. 49 ff.). Mit der in der Mangold-Entscheidung angenommenen Vorwirkung von Richtlinien schafft der Gerichtshof eine weitere Fallgruppe für die sogenannte "negative" Wirkung von Richtlinien. Diese dient wie die Rechtsprechung zur "negativen" Wirkung von Richtlinien insgesamt lediglich der Effektuierung bestehender Rechtspflichten der Mitgliedstaaten, schafft aber keine neuen, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzenden Pflichten der Mitgliedstaaten.

78

cc) Es kann dahinstehen, ob sich ein allgemeiner Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen und den völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten ableiten ließe, obwohl nur zwei der zum Zeitpunkt der Mangold-Entscheidung 15 Verfassungen der Mitgliedstaaten ein besonderes Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters zu entnehmen war (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mazák vom 15. Februar 2007, Rs. C-411/05, Palacios, Slg. 2007, S. I-8531 Rn. 88; Hölscheidt, in: Meyer, Kommentar zur Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl. 2006, Art. 21 Rn. 15) und auch die völkerrechtlichen Verträge, auf die sich der Gerichtshof mit seinem Hinweis auf die Erwägungsgründe der Richtlinie 2000/78/EG bezogen hatte, kein spezielles Diskriminierungsverbot enthielten. Denn zu einem ersichtlichen Verstoß im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung würde auch eine unterstellte, rechtsmethodisch nicht mehr vertretbare Rechtsfortbildung des Gerichtshofs erst dann, wenn sie auch praktisch kompetenzbegründend wirkte. Mit dem in der Ableitung aus den gemeinsamen mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen umstrittenen allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung wurde aber weder ein neuer Kompetenzbereich für die Union zulasten der Mitgliedstaaten begründet noch eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung ausgedehnt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ohne den Erlass eines - hier als vorwirkend angesehenen - Sekundärrechtsaktes nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten von Bürgern durch Rechtsfortbildung begründet würden, die sich sowohl als Grundrechtseingriffe als auch als Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten erweisen würden. Allgemeine Grundsätze dürfen, auch wenn sie den Grundrechtsschutz auf Unionsebene gewährleisten, nicht den Ge-staltungsbereich des Unionsrechts über die eingeräumten Zuständigkeiten der Union hinaus ausdehnen oder gar neue Aufgaben und Zuständigkeiten begründen (vgl. Art. 51 Abs. 2 GRCh).

79

Hier liegt der Fall jedoch anders, weil die an der auf Art. 13 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 19 Abs. 1 AEUV) gestützten Rechtsetzung beteiligten Organe unter Einschluss des Rates und des deutschen Vertreters im Rat - und nicht Richter im Zuge der Rechtsfortbildung - den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für arbeitsvertragsrechtliche Rechtsbeziehungen verbindlich gemacht und damit auch den Raum für gerichtliche Rechtsinterpretation eröffnet haben (vgl. insoweit oben aa).

II.

80

Die Beschwerdeführerin ist auch nicht dadurch in ihrer Vertragsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt, dass das angegriffene Urteil keinen Vertrauensschutz gewährt hat.

81

1. a) Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit. Der rechtsunterworfene Bürger soll nicht durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht werden (vgl. BVerfGE 45, 142 <167>; 72, 175 <196>; 88, 384 <403>; 105, 48 <57>).

82

Das Vertrauen in den Fortbestand eines Gesetzes kann nicht nur durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 99, 341 <359 f.>), sondern auch durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtanwendbarkeit durch den Gerichtshof berührt werden. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in ein unionsrechtswidriges Gesetz bestimmt sich insbesondere danach, inwieweit vorhersehbar war, dass der Gerichtshof eine derartige Regelung als unionsrechtswidrig einordnet. Es ist ferner von Belang, dass eine Disposition im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage vorgenommen, das Vertrauen mit anderen Worten betätigt wurde (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>).

83

b) Die Möglichkeiten mitgliedstaatlicher Gerichte zur Gewährung von Vertrauensschutz sind unionsrechtlich vorgeprägt und begrenzt. Entscheidungen des Gerichtshofs im Vorlageverfahren nach Art. 267 AEUV wirken grundsätzlich ex tunc. Die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof ist deshalb von den mitgliedstaatlichen Gerichten auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor Erlass der Vorabentscheidung begründet wurden. Der Gerichtshof schränkt nur ausnahmsweise in Anbetracht der erheblichen Schwierigkeiten, die seine Entscheidung bei in gutem Glauben begründeten Rechtsverhältnissen für die Vergangenheit hervorrufen kann, die Rückwirkungen seiner Entscheidung ein (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, Rs. C-61/79, Denkavit, Slg. 1980, S. 1205 Rn. 16 f.; stRspr).

84

Vertrauensschutz kann von den mitgliedstaatlichen Gerichten demnach nicht dadurch gewährt werden, dass sie die Wirkung einer Vorabentscheidung zeitlich beschränken, indem sie die nationale Regelung, deren Unvereinbarkeit mit Unionsrecht festgestellt wurde, für die Zeit vor Erlass der Vorabentscheidung anwenden. Eine solche primärwirksame Wirkung des Vertrauensschutzes lässt der Gerichtshof regelmäßig nicht zu, da er im Hinblick auf die einheitliche Geltung des Unionsrechts davon ausgeht, dass nur er selbst die Wirkung der in seinen Entscheidungen vorgenommenen Auslegung zeitlich beschränken könne (vgl. EuGH, Urteil vom 27. März 1980, a.a.O., Rn. 18; stRspr). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs finden sich hingegen keine Anhaltspunkte dafür, dass es den mitgliedstaatlichen Gerichten verwehrt wäre, sekundären Vertrauensschutz durch Ersatz des Vertrauensschadens zu gewähren.

85

c) Es ist danach möglich, zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat. Auch das unionsrechtliche Haftungsrecht weist dem Mitgliedstaat die Verantwortung für ein unionsrechtswidriges Gesetz zu und entlastet insoweit den Bürger. Es kann offen bleiben, ob ein entsprechender Anspruch bereits im bestehenden Staatshaftungssystem angelegt ist.

86

2. Das Bundesarbeitsgericht hat die Tragweite eines nach Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG zu gewährenden Vertrauensschutzes nicht verkannt. Wegen des gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs durfte sich das Bundesarbeitsgericht außer Stande sehen, Vertrauensschutz dadurch zu gewähren, dass es die zugunsten der Beschwerdeführerin ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Ein ohne Verstoß gegen den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang möglicher Anspruch auf Entschädigung gegen die Bundesrepublik Deutschland für Vermögenseinbußen, die die Beschwerdeführerin durch die Entfristung des Arbeitsverhältnisses erlitten hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht.

III.

87

Das angegriffene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

88

1. Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Es stellt einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82, 159 <192 ff.>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt allerdings nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Denn das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>).

89

Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art. 267 Abs. 3 AEUV in Rede steht. Das Bundesverfassungsgericht ist unionsrechtlich nicht verpflichtet, die Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht voll zu kontrollieren und an der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 267 Abs. 3 AEUV auszurichten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 2419/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 658 <660>; anders BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 <1269>). Art. 267 Abs. 3 AEUV fordert kein zusätzliches Rechtsmittel zur Überprüfung der Einhaltung der Vorlagepflicht (vgl. Kokott/Henze/Sobotta, Die Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und die Folgen ihrer Verletzung, JZ 2006, S. 633 <635>). Ein letztinstanzliches Gericht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist definitionsgemäß die letzte Instanz, vor der der Einzelne Rechte geltend machen kann, die ihm aufgrund des Unionsrechts zustehen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003, Rs. C-224/01, Köbler, Slg. 2003, S. I-10239 Rn. 34). So behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung entspricht. Das Bundesverfassungsgericht, das nur über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums wacht, wird seinerseits nicht zum "obersten Vorlagenkontrollgericht" (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 <1457>).

90

Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 ff.>). Zu verneinen ist in diesen Fällen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat.

91

2. Das angegriffene Urteil verletzt nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, denn das Bundesarbeitsgericht hat durch die Entscheidung, das Verfahren nicht an den Gerichtshof vorzulegen, die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen.

92

Das Bundesarbeitsgericht hätte insbesondere nicht wegen Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vorabentscheidung herbeiführen müssen. Unter der Annahme, dass der Gerichtshof die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG in der Mangold-Entscheidung mit der gebotenen Eindeutigkeit festgestellt habe und die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung von Entscheidungswirkungen nicht erfüllt seien, sah das Bundesarbeitsgericht sich nicht als verpflichtet an, dem Gerichtshof durch eine Vorlage die Gelegenheit zur nachträglichen Gewährung von Vertrauensschutz zu eröffnen. Dies stellt ein vertretbares Ergebnis dar. Die Gegenauffassung der Beschwerdeführerin, dass der Gerichtshof die Frage des rückwirkenden Vertrauensschutzes in der Rechtssache Mangold offen gelassen habe und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur zeitlichen Begrenzung von Entscheidungswirkungen sich nicht auf die vorliegende Fallgestaltung beziehe, ist der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht eindeutig vorzuziehen. Das Bundesarbeitsgericht durfte vielmehr davon ausgehen, dass § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG nach der Mangold-Entscheidung unangewendet bleiben musste.

IV.

93

Diese Entscheidung ist hinsichtlich der Begründung mit 6:2 Stimmen und im Ergebnis mit 7:1 Stimmen ergangen.

Abw. Meinung

94

Entgegen der Ansicht der Senatsmehrheit ist die Verfassungsbeschwerde begründet. Das angefochtene Urteil verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, weil das Bundesarbeitsgericht § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund unangewendet gelassen und sich so der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) entzogen hat. Auf das Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Gerichtshof) in der Rechtssache Mangold konnte sich das Bundesarbeitsgericht von Verfassungs wegen nicht berufen.

95

Die Senatsmehrheit überspannt die Anforderungen an die Feststellung eines Ultra-vires-Handelns der Gemeinschafts- oder Unionsorgane durch das Bundesverfassungsgericht und weicht insofern ohne überzeugende Gründe von dem Senatsurteil zum Vertrag von Lissabon ab (I.). Zu Unrecht verneint sie eine Kompetenzüberschreitung seitens des Gerichtshofs in der Rechtssache Mangold (II.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat diese Kompetenzüberschreitung und die hieraus resultierenden Handlungsoptionen verkannt (III.).

I.

96

1. Mit dem Urteil zum Lissabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 ist in Erinnerung zu rufen, dass das Handeln von Organen der Europäischen Union nur so lange demokratisch legitimiert ist, wie es sich im Rahmen der Kompetenzen hält, die die Mitgliedstaaten der Union übertragen haben. Die Einhaltung von Zuständigkeitsgrenzen ist nicht allein eine Frage des Austarierens der Machtbefugnisse von Verfassungs- und Gemeinschaftsorganen. Im demokratischen Regierungssystem folgt der Geltungsanspruch einer Norm nicht aus einer einseitigen Machtunterworfenheit des Bürgers, sondern aus ihrer Rückführung auf den Bürger selbst. Demokratische Legitimation erfordert deshalb eine tatsächliche, durchgehende Anknüpfung an das Staatsvolk. Sie darf nicht nur - und sei es im Wege des Ausschlusses einer Überprüfbarkeit - konstruiert sein. Ihre Notwendigkeit endet nicht an der Grenze des nationalen Zustimmungsgesetzes und dem Verbot der Blankettermächtigung, sondern setzt sich innerhalb der Staatengemeinschaft fort. Tätigkeiten, die von den übertragenen Aufgaben nicht umfasst werden, sind dadurch nicht mitlegitimiert (vgl. BVerfGE 93, 37 <68>). In diesem Sinne vermitteln und begrenzen die der Union von den Mitgliedstaaten verliehenen Kompetenzen den (sachlichen) Legitimationszusammenhang, in dem jedes Hoheitsgewalt ausübende Organ stehen muss (vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 6. Aufl. 2009, S. 307), und dessen Wahrung auch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung als Ausdruck der staatsverfassungsrechtlichen Grundlage aller Unionsgewalt zum Ziel hat.

97

Denn die Ermächtigung, hoheitliche Gewalt supranational auszuüben, rührt von den Mitgliedstaaten als den Herren der Verträge her (BVerfGE 123, 267 <349>); für die europäische Unionsgewalt gibt es kein Legitimationssubjekt, das sich unabgeleitet von der Hoheitsgewalt der Staaten auf gleichsam höherer Ebene verfassen könnte. Der Lissabon-Vertrag hat in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV das Prinzip begrenzter und kontrollierter Einzelermächtigung bestätigt. Zuständigkeitsausübungsregeln wie Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4, Art. 4 Abs. 2 EUV gewährleisten zudem, dass übertragene Kompetenzen in einer die mitgliedstaat-lichen Zuständigkeiten schonenden Weise wahrgenommen werden. Darüber hinaus enthält der Vertrag - bei verfassungsgemäßer Interpretation - keinerlei Vorschriften, die den Unionsorganen die Kompetenz-Kompetenz verschaffen würde (vgl. BVerfGE 123, 267 <392 f.>; zustimmend v. Bogdandy, NJW 2010, S. 1, 4). Dafür wäre auch die Verknüpfung von demokratischer Legitimation mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt, die die Lissabon-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervorhebt, nicht hinreichend ausgeprägt. Der Anwendungsvorrang, der durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelt wurde, bleibt ein völkervertraglich übertragenes und damit abgeleitetes Institut (BVerfGE 123, 267 <400>). Er ändert gerade nichts an der Pflicht zur Einhaltung der Kompetenzordnung. Er reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt nur so weit, wie die Bundesrepublik dem zugestimmt hat oder zustimmen durfte (BVerfGE 123, 267 <402>). Insbesondere auch die dem Gerichtshof übertragene Kompetenz zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ist nicht schrankenlos. Die ihr durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen unterliegen letztlich der Gerichtsbarkeit des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 75, 223 <235>; 123, 267 <344>).

98

Verfassung und völkerrechtlicher Vertrag begründen Kompetenzen, um damit im Umfang der jeweiligen Zuschreibung rechtmäßige, das heißt rechtsstaatlich und demokratisch legitimierte Hoheitsgewalt zu begründen. Dies stand dem Senat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 vor Augen und hat seine Linienführung bestimmt. Durch die Zuschreibung von Kompetenzen werden unterschiedliche supranationale und nationale Funktionen einander zugeordnet. Sie wollen damit eine sachgemäße Kooperation, sichtbare Verantwortlichkeit gegenüber dem Bürger und gegenseitige Kontrolle sichern und im Ergebnis so den Missbrauch hoheitlicher Gewalt verhindern. Ein Übermaß an Verflechtungen und Überlagerungen höhlt die Substanz demokratischer Verantwortlichkeit aus und verletzt das aus demokratischer Rechtsstaatlichkeit fließende Gebot, dass Organe - nationale oder supranationale - für ihre Entscheidungen Verantwortung zu tragen haben.

99

2. Im Falle von Grenzdurchbrechungen - die diese Verantwortlichkeiten verwischen - hat das Bundesverfassungsgericht die Pflicht zur Ultra-vires-Kontrolle (BVerfGE 123, 267 <353 f.>). Beim derzeitigen Entwicklungsstand des Unionsrechts kommen allein die nationalen Höchstgerichte, insbesondere die Verfassungsgerichte, als Instanzen für die Ausübung einer Kompetenzkontrolle gegenüber den Unionsorganen in Frage, nachdem auf der europäischen Ebene der Gerichtshof den Schlussstein des Systems bildet und diese Position tendenziell gemeinschaftsfreundlich genutzt hat (vgl. Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <494>). Die exekutiven und judikativen Instanzen der Europäischen Union haben weithin die Möglichkeit, das Unionsrecht in der von ihnen für richtig gehaltenen Interpretation durchzusetzen, ohne dass die politischen Instanzen über effektive Mechanismen zur Gegensteuerung für den Fall verfügen würden, dass sie die Folgen der Interpretation für schädlich erachten. Die Möglichkeit, eingetretenen Kompetenzaushöhlungen legislativ oder durch Vertragsrevisionen zu begegnen, ist angesichts der hierfür bestehenden hohen Hürden in einer Union mit 27 Mitgliedstaaten von geringer praktischer Wirksamkeit (vgl. Grimm, a.a.O. <493 f.>; Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 <248 ff.>).

100

3. Bei der Ausübung dieser Prüfungskompetenz ist der Grundsatz der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes als Korrelat des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) zu beachten und fruchtbar zu machen (BVerfGE 123, 267<354>). Das hier auftretende Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip der Wahrung demokratischer Legitimation und der Funktionsfähigkeit der Union (vgl. Folz, Demokratie und Integration, 1999, S. 395) löst die Mehrheit einseitig zu Gunsten der Funktionsfähigkeit auf.

101

a) In der Entscheidung zum Vertrag von Lissabon hat der Senat ein ausgewogenes Modell entwickelt, das die Kontrolle in materieller Hinsicht auf ersichtliche Grenzdurchbrechungen gegenüber den Mitgliedstaaten beschränkt und sie in formeller Hinsicht unter den Vorrang des Rechtsschutzes auf Unionsebene stellt (BVerfGE 123, 267 <353>). Erfasst ist damit jede ausdehnende Auslegung der Verträge, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkommt (vgl. Everling, EuR 2010, S. 91 <103, Fn. 62>). Kompetenzverletzungen peripherer Natur, die einen offensichtlichen und eindeutigen Charakter vermissen lassen und die Substanz demokratischer Verantwortlichkeit nicht in Frage stellen, bleiben außer Betracht; das gleiche gilt selbstverständlich für Kompetenzüberschreitungen, die nur von unionsinterner Bedeutung sind und sich auf die Freiräume der Mitgliedstaaten nicht auswirken. "Ersichtliche", also klare und eindeutige Verletzungen, sind zunächst einer Beurteilung durch den Gerichtshof zugänglich zu machen, wobei die Möglichkeit besteht, bestehende Bedenken in kompetenzieller Hinsicht zu artikulieren. Am vorliegenden Fall zeigt sich geradezu exemplarisch, wie der Vorrang des Rechtsschutzes auf Unionsebene zu realisieren gewesen wäre und welches konstruktive Potential dessen Ausschöpfung gehabt hätte (unten III.). Auf diesem Wege lässt sich hinreichend sicherstellen, dass eine Aktivierung der Reservekompetenz (BVerfGE 123, 267 <401>) des Bundesverfassungsgerichts zur Feststellung der Nichtanwendbarkeit von Unionsrecht wegen Kompetenzüberschreitung auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt (vgl. Wahl, Der Staat 48 <2009>, S. 587 <594>).

102

b) Die Senatsmehrheit geht über das Erfordernis einer ersichtlichen - also klaren und offensichtlichen - Kompetenzüberschreitung hinaus und verlässt den der Lissabon-Entscheidung zu Grunde liegenden Konsens, indem sie nun einen "hinreichend qualifizierten" Kompetenzverstoß fordert, der nicht nur offensichtlich ist, sondern zudem zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und supranationaler Organisation führt. Damit schießt die Senatsmehrheit über das Ziel einer europarechtsfreundlichen Ausgestaltung der Ultra-vires-Kontrolle hinaus. Sie verkennt die in der Lissabon-Entscheidung hervorgehobene wesentliche Voraussetzung einer zwingenden demokratischen Legitimation bei Ausübung aller hoheitlichen Gewalt, die bei jeder Kompetenzverletzung durchbrochen ist; wird die Ausübung hoheitlicher Gewalt ohne hinreichende demokratische Legitimation zugelassen, so widerspricht dies der Kernaussage des Senatsurteils vom 30. Juni 2009.

103

Mit der Forderung nach einer strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge (C. I. 2. b) verkennt die Senatsmehrheit zudem, dass spezifische Gefahren für die Wahrung der Kompetenzen und damit der demokratischen Legitimation im Fall der Europäischen Union weniger von schwerwiegenden - und als solchen erkennbaren - Kompetenzanmaßungen im Einzelfall als von schleichenden Entwicklungen ausgehen, in deren Verlauf kleinere, für sich betrachtet möglicherweise geringfügige Kompetenzüberschreitungen kumulativ bedeutende Folgen haben. Die wohl in allen föderalen Systemen naheliegende Gefahr einer "politischen Selbstverstärkung" (vgl. BVerfGE 123, 267 <351 f.>) der höheren Ebene besteht im Fall der Europäischen Union in besonderer Weise, da die Kompetenzverteilung hier - anders als in Bundesstaaten - nicht gegenstandsbezogen, sondern final erfolgt. Das Ziel, die Herstellung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes, wirkt entgrenzend (Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <493>). Ob sich im Rahmen solcher Entwicklungen - die sich anhand der im Fall Mangold kulminierenden steten Erweiterung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Wirkung von Richtlinienbestimmungen (unten II. 1. b) illustrieren lassen - jemals ein Einzelfall einer Kompetenzüberschreitung ausmachen lässt, der die von der Senatsmehrheit geforderte Schwere aufweist und daher den Gegenmechanismus der Ultra-vires-Kontrolle auslöst, erscheint sehr fraglich - zumal die Eignung eines Einzelakts, strukturelle Verschiebungen im Kompetenzgefüge herbeizuführen, sich vielfach erst im Nachhinein wirklich wird beurteilen lassen (vgl. Scharpf, Legitimität im europäischen Mehrebenensystem, Leviathan 2009, S. 244 <264>).

104

c) Im Ergebnis wird die Senatsmehrheit so ihrer Verantwortung für den rechtsstaatlich-demokratischen Sinngehalt von Kompetenzvorschriften nicht gerecht. Sie verfolgt damit eine schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erkennbare problematische Tendenz weiter, das demokratisch begründete nationale Letztentscheidungsrecht über die Anwendung von Hoheitsgewalt im eigenen Territorium und die damit einhergehende Verantwortung auch für die Einhaltung der an die Union verliehenen Kompetenzen nur noch auf dem Papier zu behaupten und vor deren praktisch wirksamer Vollziehung zurückzuschrecken: Hatte das Bundesverfassungsgericht zunächst offen gelassen, ob Gemeinschaftsrecht am Grundgesetz gemessen werden könne (BVerfGE 22, 293 <298 f.>), so hatte es die Frage sodann in der Solange I-Entscheidung im Hinblick auf eine Grundrechtskontrolle bejaht (BVerfGE 37, 271 <280 ff.>), um eben diese Prüfungskompetenz zwölf Jahre später (zur Zwischenzeit siehe BVerfGE 52, 187 <202 f.>) im Hinblick auf die gewachsene Grundrechtsjudikatur des Gerichtshofs zu suspendieren (Solange II, BVerfGE 73, 339 <387>). Sodann entwickelte das Gericht erst in Umrissen, später deutlicher die Vorstellung einer Nachprüfung der Einhaltung der Kompetenzgrenzen (vgl. BVerfGE 75, 223 <242>; 89, 155 <188>). Anstatt allerdings dieses Mittel zu einem effektiven Kontrollinstrument zu machen, kehrte das Gericht praktisch wieder zum status quo der Solange II-Entscheidung zurück (vgl. etwa den Bananenmarkt-Beschluss BVerfGE 102, 147 <163>; zur Entwicklung vgl. Grimm, Der Staat 48 <2009>, S. 475 <478 f.>).

II.

105

Der Gerichtshof hat mit seinem Urteil in der Rechtssache Mangold die ihm verliehenen Kompetenzen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ersichtlich überschritten und ultra vires gehandelt. Die von der Mehrheit offen gelassene Frage, ob der Gerichtshof mit seinem Urteil den Bereich der vertretbaren Auslegung - einschließlich der Rechtsfortbildung - verlassen hat, ist offensichtlich zu bejahen (1.); die Entscheidung des Gerichtshofs hat sich auch zu Lasten der dem Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland nach dem Vertrag verbleibenden Handlungsspielräume ausgewirkt (2.).

106

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gerichtshof im Fall Mangold zu Recht den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts für eröffnet gehalten und zu Recht einen inhaltlichen Widerspruch zwischen § 14 TzBfG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG festgestellt hat. Jedenfalls die Erwägungen, mit denen der Gerichtshof sich über den fehlenden Ablauf der Umsetzungsfrist hinweggesetzt hat, stellen sich nicht mehr als noch vertretbare Auslegung und Fortbildung des Unionsrechts dar, sondern als ausdehnende Auslegung der Verträge, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkommt.

107

a) Auszugehen ist von einem schlichten Befund, für dessen Wahrnehmung man sich freilich nicht den Blick verstellen darf, indem man die am Gedanken des effet utile orientierte Rechtsprechungstradition des Gerichtshofs von vornherein als gegeben voraussetzt: Der Gerichtshof hat das deutsche Recht an Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gemessen, obwohl diese Richtlinie zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bundesrepublik Deutschland nicht verbindlich war; nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers waren die demokratisch legitimierten Organe der Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt den Bindungen der Richtlinie noch nicht unterworfen. Ferner hat der Gerichtshof der noch nicht in Kraft getretenen Richtlinie trotz der in Art. 249 Abs. 2, 3 des EG-Vertrages in der Gestalt des Vertrages von Nizza (Art. 288 Abs. 2, 3 AEUV) niedergelegten Differenzierung eine (negative) unmittelbare innerstaatliche Wirkung beigemessen, die zur Unanwendbarkeit entgegenstehenden nationalen Rechts führte. Letzteres hat sich schließlich - wie auch dem Gerichtshof klar sein musste - zu Lasten von Grundrechtsträgern ausgewirkt, welche auf die Wirksamkeit des nationalen Arbeitsrechts vertrauten.

108

b) Die für dieses Ergebnis vorgebrachten Begründungsansätze des Gerichtshofs vermögen ersichtlich nicht zu überzeugen; sie führen zu dem Schluss, dass der Gerichtshof ein von ihm im Sinne einer möglichst weitgehenden Geltung des Gemeinschaftsrechts gewolltes Ergebnis ohne Rücksicht auf den entgegenstehenden Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers durchgesetzt und so die Grenzen methodisch vertretbarer Rechtsfortbildung verlassen hat. Zudem verdeutlichen sie, wie unterschiedliche, durchweg unionsfreundliche, aber für sich genommen längst akzeptierte Argumentationsmuster des Gerichtshofs in ihrer Kombination die Gefahr einer schrittweisen, schwer aufzuhaltenden Erosion mitgliedstaatlicher Kompetenzen und demokratischer Legitimation mit sich bringen.

109

aa) Soweit der Gerichtshof das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bezeichnet und sich hierauf bezogen hat, lässt sich dies weder anhand der Urteilsgründe noch auch unabhängig davon nachvollziehen. Die Herleitung eines spezifischen Diskriminierungsverbots wegen des Alters aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten oder aus internationalen Verträgen ist nicht vertretbar. Das ist im juristischen Schrifttum und nicht zuletzt von Generalanwalt Mazák bereits hinreichend dargelegt und bislang nicht ernstlich bezweifelt worden; auch die Senatsmehrheit kommt - obwohl sie die Frage formell offenlässt - letztlich nicht umhin, dies zu bemerken (siehe dazu unter C. I. 2. b) cc) mit den dort genannten Nachweisen; vgl. ferner Gerken/Rieble/Roth/Stein/Streinz, "Mangold" als ausbrechender Rechtsakt, 2009, S. 19 ff.; Körner, NZA 2005, S. 1395 <1397>; Krebber, Comparative Labor Law & Policy Journal 2006, S. 377 <390 f.>; Preis, NZA 2006, S. 401 <402>; Riesenhuber, ERCL 2007, S. 62 <66 f.>; Wieland, NJW 2009, S. 1841 <1843>). Vor diesem Hintergrund geht es auch nicht an, das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kurzerhand zum Anwendungsfall des allgemeinen unionsrechtlichen Gleichheitssatzes (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 1977 - Rs. C-117/76 -, Slg. 1977, S. 1753 Rn. 7 ff.) zu erklären, wie es der Gerichtshof mit seiner Bezugnahme auf die erste Begründungserwägung der Richtlinie 2000/78/EG in der Rechtssache Mangold (Rn. 74) andeutungsweise und in einer Folgeentscheidung ausdrücklich (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - Rs. C-555/07 -, juris, Rn. 50) unternimmt; denn die entscheidende Wertung, dass das Alter ein problematisches, weiter rechtfertigungsbedürftiges Differenzierungskriterium darstellen könnte, ergibt sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Zudem ist sie - wie dargelegt - den gemeinsamen Verfassungstraditionen fremd und gerade im Kontext des Arbeitsmarkts angesichts der großen Probleme, die für ältere arbeitslose Menschen bei der Suche nach einer festen Anstellung bestehen, alles andere als selbstverständlich. Schließlich verliert der Gerichtshof kein Wort über den durch die Doppelung der Rechtsgrundlagen in Art. 12 und 13 EGV (heute: Art. 18 und 19 AEUV) deutlich zum Ausdruck gekommenen Willen der Mitgliedstaaten, Differenzierungen wegen anderer Merkmale als der Staatsangehörigkeit nur nach (!) sekundärrechtlicher Konkretisierung zu beschränken.

110

bb) Auch der Gedanke einer "Vorwirkung" der Richtlinie (siehe dazu unter C. I. 2. b) bb) kann das Auslegungsergebnis des Urteils in der Rechtssache Mangold weder für sich genommen noch in der Zusammenschau mit dem vermeintlichen ungeschriebenen Diskriminierungsverbot wegen des Alters tragen. Denn das vom Gerichtshof erwünschte Ergebnis ergibt sich insofern erst aus einer Kumulation verschiedener, mitgliedstaatliche Freiräume beschneidender dogmatischer Ansätze, die unter Gesichtspunkten einer transparenten demokratischen Kompetenzverteilung im Ergebnis nicht mehr hinzunehmen ist.

111

Die Anerkennung der unmittelbaren Wirksamkeit von Richtlinienbestimmungen seitens des Gerichtshofs war bereits ein eindeutig über den Wortlaut des Vertrags hinausweisender Schritt der Rechtsfortbildung (Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, S. 184; vgl. auch Alter, Establishing the Supremacy of European Law, 2001, insbesondere S. 16 ff.), den das Bundesverfassungsgericht allerdings - anders als manches andere Gericht (vgl. BFHE 143, 383; Conseil d'Etat, Entscheidung vom 22. Dezember 1978, EuR 1979, S. 292) - mitgegangen ist (BVerfGE 75, 223). Insofern hat sich das Bundesverfassungsgericht vom Gedanken der Europarechtsfreundlichkeit leiten lassen. Es hat gewürdigt, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs sich auf gewichtige sachliche Argumente - namentlich den Gedanken einer effektiven Sanktionierung von Mitgliedstaaten nach fruchtlosem Ablauf der Umsetzungsfrist - stützen konnte und die unmittelbare Wirkung an nicht ohne Weiteres erfüllte Voraussetzungen knüpfte, die eine vertragswidrige Gleichstellung von Richtlinie und Verordnung verhinderte (BVerfGE 75, 223 <237, 241 f., 244>). Diese Zurückhaltung lässt der Gerichtshof in der Rechtssache Mangold vermissen. Er hat das Prinzip, dass die unmittelbare Anwendung von Richtlinienbestimmungen den Ablauf der Umsetzungsfrist voraussetzt (vgl. dazu nur Biervert, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 249 EGV Rn. 28), aufgegeben; zudem hat er in der Sache eine unmittelbare Auswirkung der Richtlinie auf das Verhältnis zwischen Privaten zugelassen (vgl. dagegen noch zurückhaltend EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - Rs. C-91/92 -, Slg. 1994, S. I-3325 Rn. 19 ff.). Auf den Gedanken der Sanktionierung von (säumigen) Mitgliedstaaten lassen sich diese weitreichenden Schritte nicht mehr stützen. Der Gerichtshof erklärt sie mit dem pauschalen Hinweis auf den Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer Richtlinie keine Vorschriften mehr erlassen dürfen, die das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernsthaft in Frage stellen können, nur höchst unzureichend. Wenn die Senatsmehrheit hier von einer bloßen "Effektuierung bestehender Rechtspflichten" spricht, die "keine neuen, das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzenden Pflichten der Mitgliedstaaten" schaffe, wird die Problematik verschleiert: Auch eine "Effektuierung" bestehender Pflichten kann schließlich nur bedeuten, dass rechtliche Bindungen über das Maß des Vereinbarten hinaus verstärkt werden.

112

2. Das durch den Gerichtshof in der Rechtssache Mangold entwickelte Verständnis des Gemeinschaftsrechts betrifft die für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle entscheidende Abgrenzung der Kompetenzen von Gemeinschaft (Union) und Mitgliedstaaten. Es nimmt den Mitgliedstaaten Handlungsspielräume auf dem Feld der Beschäftigungspolitik, das in weitem Umfang den Mitgliedstaaten vorbehalten ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe i, Art. 125 ff. EGV; Art. 2 Abs. 3, Art. 5 Abs. 2, Art. 145 ff. AEUV). Damit sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Ultra-vires-Kontrolle erfüllt, auch wenn man die Bedeutung der vorliegenden Kompetenzüberschreitung angesichts des abzusehenden Ablaufs der Umsetzungsfrist für die Richtlinie nicht überbewerten muss. Wenn die Senatsmehrheit aber eine "praktische kompetenzbegründende Wirkung" mit der Erwägung verneinen möchte, dass die zur Rechtsetzung befugten Organe unter Einschluss des Rates und des deutschen Vertreters dort den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung für arbeitsvertragliche Rechtsbeziehungen verbindlich gemacht "und damit auch den Raum für gerichtliche Rechtsinterpretation eröffnet" haben, unterstellt sie ohne weitere Anhaltspunkte, dass die Rechtsauffassung des Gerichtshofs vom gesetzgeberischen Willen gedeckt war. Wenn es noch eines gegenteiligen Indizes bedurft hätte, zeigt doch die Verabschiedung des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG sehr deutlich, dass insbesondere die Bundesrepublik Deutschland ihre Handlungsspielräume keinesfalls in der Weise eingeschränkt wissen wollte, wie sie sich aus dem Urteil in der Rechtssache Mangold ergibt. Im Gegenteil: Der deutsche Vertreter im Rat hatte ersichtlich eine die Freiräume der Bundesrepublik Deutschland einschränkende gerichtliche Rechtsinterpretation nicht im Blick und musste diese auch nicht erkennen können.

113

Schließlich macht auch die Tatsache, dass die Kompetenzüberschreitung des Gerichtshofs für die heute geltende Rechtslage keine Folgen mehr haben dürfte, nachdem ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Art. 21 Abs. 1 der Grundrechte-Charta enthalten ist, den Verstoß nicht ungeschehen - vor allem nicht mit Blick auf den vorliegenden Fall, den das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechts zu entscheiden hatte (vgl. BAG, Urteil vom 27. November 2003 - 2 AZR 177/03 -, juris, Rn. 16; Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2006, Art. 170 EGBGB Rn. 3).

III.

114

Unter diesen Umständen war es dem Bundesarbeitsgericht verwehrt, sich auf das Urteil in der Rechtssache Mangold zu berufen, den klaren Normanwendungsbefehl des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG unangewendet zu lassen und der Entfristungsklage stattzugeben. Da es dem Gericht umgekehrt nach Art. 234 EGV von Gemeinschaftsrechts wegen - und über Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch von Verfassungs wegen - nicht freistand, unter offener Abweichung von der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheiden, hätte der 7. Senat alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erwägen oder erörtern müssen, die sich abzeichnende Spannungslage aufzulösen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass das Bundesarbeitsgericht - wie die Senatsmehrheit - die Kompetenzüberschreitung durch den Gerichtshof verkannt hat, zu Unrecht unterblieben.

115

Vorrangig wäre insofern die Inanspruchnahme von Rechtsschutz auf Unionsebene in Betracht gekommen, wie es auch im - freilich erst nach der hier angegriffenen Entscheidung ergangenen - Lissabon-Urteil ausgeführt ist. Das Bundesarbeitsgericht wäre ohne Weiteres in der Lage gewesen, den Gerichtshof im Wege des Verfahrens nach Art. 234 EGV erneut und unter Darlegung der bestehenden Bedenken mit der Frage zu befassen, ob das Gemeinschaftsrecht die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG verlangte. Das Gemeinschaftsrecht stand einer solchen erneuten, erweitert begründeten Vorlage nicht entgegen (vgl. EuGH, Beschluss vom 5. März 1986 - Rs. C-69/85 -, Slg. 1986, S. 947 Rn. 15). In diesem Rahmen hätte auch die Möglichkeit bestanden, explizit die Frage nach einer möglichen zeitlichen Beschränkung der Urteilswirkungen zu stellen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 8. April 1976 - Rs. C-43/75, Slg. 1976, S. 455; Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 234 Rn. 67). Schon das Vorlageverfahren hätte mannigfache Möglichkeiten eröffnet, den sich abzeichnenden Konflikt zwischen verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen in kooperativer Weise und in einem frühen Stadium aufzulösen oder doch zu entschärfen.

116

Für den Fall einer vollumfänglichen Bestätigung der Mangold-Entscheidung hätte das Bundesarbeitsarbeitsgericht des Weiteren prüfen können und müssen, ob und inwieweit europarechtskonforme Entscheidungsmöglichkeiten bestanden, die den in § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen jedenfalls im Ergebnis respektiert hätten, etwa indem der vorliegende Rechtsstreit unter Nichtanwendung der genannten Vorschriften nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entschieden worden wäre. Nur wenn auch solche Wege nicht gangbar gewesen wären, hätte das Bundesarbeitsgericht den Weg der Normenkontrolle entsprechend Art. 100 Abs. 1 GG zur förmlichen Feststellung der Kompetenzüberschreitung durch das Bundesverfassungsgericht gehen können und müssen. Dies zeigt im Übrigen, dass die Ultra-vires-Kontrolle über weite Strecken in europarechtsfreundlicher, kooperativer Weise ausgeübt werden kann; der eigentliche Akt der Feststellung von Kompetenzüberschreitung und Unanwendbarkeit durch das Bundesverfassungsgericht bleibt folglich in jedem Fall ultima ratio.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.

(1a) Der Bundestag und der Bundesrat haben das Recht, wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts der Europäischen Union gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben. Der Bundestag ist hierzu auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet. Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können für die Wahrnehmung der Rechte, die dem Bundestag und dem Bundesrat in den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eingeräumt sind, Ausnahmen von Artikel 42 Abs. 2 Satz 1 und Artikel 52 Abs. 3 Satz 1 zugelassen werden.

(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.

(3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.

(5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.

(6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks betroffen sind, wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren.

(7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Die Sätze 1 bis 4 gelten in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und des § 13b sinngemäß. Bei Preisnachlässen und Preiserstattungen eines Unternehmers in einer Leistungskette an einen in dieser Leistungskette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer liegt eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach Satz 1 nur vor, wenn der Leistungsbezug dieses Abnehmers im Rahmen der Leistungskette im Inland steuerpflichtig ist. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs kann unterbleiben, soweit ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgelts entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Die Berichtigung nach Satz 4 ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn

1.
das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2.
für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3.
eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht worden ist;
4.
der Erwerber den Nachweis im Sinne des § 3d Satz 2 führt;
5.
Aufwendungen im Sinne des § 15 Abs. 1a getätigt werden.

(3) Ist Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden, so hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Absatz 1 Satz 8 gilt sinngemäß.

(4) Werden die Entgelte für unterschiedlich besteuerte Lieferungen oder sonstige Leistungen eines bestimmten Zeitabschnitts gemeinsam geändert (z.B. Jahresboni, Jahresrückvergütungen), so hat der Unternehmer dem Leistungsempfänger einen Beleg zu erteilen, aus dem zu ersehen ist, wie sich die Änderung der Entgelte auf die unterschiedlich besteuerten Umsätze verteilt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 720 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Die auf sämtliche Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

a) Eine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.

3

aa) Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Besteuerung nach Höchstbeträgen in § 5 Abs. 4 Spielapparatesteuersatzung (SpAppStS) nicht als eine - gegen den Grundsatz der Besteuerungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende - Stückzahlbesteuerung angesehen und selbst für den Fall, dass die überwiegende Zahl der Veranlagungen nach Höchstbeträgen erfolgt wäre, einen Gleichheitsverstoß verneint hat.

4

Diese Rüge rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil die Beschwerde keine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von fallübergreifender Bedeutung formuliert (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14), sondern sich nach Art einer Berufungsbegründung gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung wendet. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof nicht angenommen, dass eine Höchstbetragsregelung grundsätzlich auch dann zulässig ist, wenn die überwiegende Zahl der Veranlagungen auf dieser Grundlage erfolgt. Er ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Höchstbetragsregelung eine auf die einzelne Geräteeinheit bezogene Kappungsgrenze darstelle, mit der erreicht werde, dass die steuerliche Gesamtbelastung, die auf das Spielen an den einzelnen Geräten entfalle, nicht unbegrenzt steigen könne, sondern bei einem bestimmten Betrag, der "höchstens" erhoben werde, halt mache. Von einer - verfassungswidrigen - Stückzahlbesteuerung könne nur ausgegangen werden, wenn eine Gemeinde unter dem Deckmantel der Höchstbetragsregelung eine gerätebezogene Pauschalbesteuerung anstrebe. Dafür lägen Anhaltspunkte nicht vor. Selbst wenn im Gemeindegebiet der Beklagten eine Vielzahl von Automatenaufstellern die Höchstbetragsregelung in Anspruch nähmen, wie die Klägerin anführe, erweise sich die Höchstbetragsregelung für einen Übergangszeitraum selbst dann nicht als unwirksam, wenn die überwiegende Zahl der Veranlagungen auf der Grundlage der Höchstbeträge erfolgt wäre, denn der Beklagten sei ab dem Zeitpunkt der Neuregelung des Bemessungsmaßstabs ein angemessener Zeitraum einzuräumen, um beobachten zu können, wie sich die Umstellung des Erhebungsmaßstabs auswirke.

5

Insoweit ist grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht erkennbar. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Steuergesetzgeber vom Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit abweichen kann. Zwar verlangt der allgemeine Gleichheitssatz die gleiche Zuteilung steuerlicher Lasten. Jedoch können Sachgründe wie etwa die Verfolgung von Lenkungszielen eine steuerliche Ungleichbehandlung rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - NVwZ 2010, 313; zu einer gleich lautenden Satzung BVerwG, Beschluss vom 11. März 2010 - BVerwG 9 BN 2.09 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 49 Rn. 17 ff. m.w.N.). Höchstrichterlich geklärt ist ebenfalls, dass dem Normgeber eine angemessene Zeit einzuräumen ist, um beobachten zu können, wie sich eine auf unsicherer Tatsachengrundlage getroffene Regelung auswirkt (Beschluss vom 10. Juni 2010 - BVerwG 9 BN 3.09 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 51 Rn. 7 m.w.N.). Die Beschwerde zeigt nicht in Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auf, dass der vorliegende Fall Gelegenheit geben könnte, diese Rechtsprechung fallübergreifend fortzuentwickeln. Aus dem in Bezug genommenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster kann eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bereits deshalb nicht hergeleitet werden, weil diese Entscheidung nach Angaben der Beschwerde eine Mindestbesteuerung betraf.

6

bb) Soweit die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,

"ob die Formulierung 'angefangener Kalendermonat' gleichgesetzt werden kann mit einem gesamten Kalendermonat",

wendet sie sich gegen die Auslegung von Landesrecht (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SpAppStS), die vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann. Bezüge zum revisiblen Recht zeigt die Beschwerde nicht auf.

7

cc) Schließlich will die Beschwerde grundsätzlich geklärt wissen, ob eine Formulierung wie in § 8 Abs. 2 SpAppStS, wonach die unbeanstandete Entgegennahme der Steueranmeldung als Steuerfestsetzung gilt, zur Unwirksamkeit einer Steuersatzung führt. Diese Frage betrifft wiederum irrevisibles Recht. Daran ändert nichts, dass die Beschwerde rügt, die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die - unterstellte - Unwirksamkeit einer Regelung wie diejenige des § 8 Abs. 2 SpAppStS lasse die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid unberührt, verstoße gegen das bei der Steuerfestsetzung zu beachtende Bestimmtheitsgebot. Eine solche Rüge vermag die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Beschluss vom 20. September 1995 - BVerwG 6 B 11.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8 m.w.N.). Ein solcher Klärungsbedarf ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen. Im Übrigen legt die Beschwerde auch nicht nachvollziehbar dar, weshalb die Bestimmtheit einer Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid (§ 8 Abs. 3 SpAppStS) davon abhängig sein soll, ob eine Steuerfestsetzung durch unbeanstandete Entgegennahme der Steueranmeldung wirksam oder unwirksam ist. Soweit die Beschwerde auch die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs angreift, die fiktive Steuerfestsetzung durch unbeanstandete Entgegennahme der Steueranmeldung (§ 8 Abs. 2 SpAppStS) sei ihrerseits hinreichend bestimmt, handelt es sich um keine den Beschluss selbständig tragende Erwägung.

8

dd) Soweit die Beschwerde mit ihrem Schriftsatz vom 15. August 2011 eine weitere Grundsatzrüge geltend macht mit der sinngemäß gestellten Frage,

"ob nachgewiesen werden muss, dass die Steuer auf den Preis der Dienstleistung abgewälzt werden kann, damit sie letztendlich vom Verbraucher getragen wird",

ist die Beschwerde unzulässig, weil diese Grundsatzrüge erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist.

9

b) Die Beschwerde rügt, der Beschluss weiche von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009 (1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1) ab, weil sich die Möglichkeit der Besteuerung nach Höchstbeträgen gemäß § 5 Abs. 4 SpAppStS als Besteuerung nach dem gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Stückzahlmaßstab darstelle. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Beschlusses von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hat die Klägerin damit nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargetan. Es fehlt schon an der erforderlichen Darlegung divergierender Rechtssätze. Der Verwaltungsgerichtshof ist gerade nicht davon ausgegangen, dass es sich bei der Höchstbetragsregelung um einen der Verfassung widersprechenden Stückzahlmaßstab handelt. Er hat auch keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Gemeinde unter dem Deckmantel der Höchstbetragsregelung eine dem Stückzahlmaßstab entsprechende gerätebezogene Pauschalbesteuerung anstrebt. Soweit die Beschwerde darauf abstellt, dass eine unterschiedliche Besteuerung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen gegen das Gleichbehandlungsgebot im Steuerrecht verstoße, wendet sie sich gegen die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses. Damit kann eine Divergenzrüge nicht begründet werden.

10

Die Beschwerde macht darüber hinaus geltend, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs weiche von der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 (BVerwG 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 45 = Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 47 m.w.N.) ab, weil er eine Abwälzbarkeit der Vergnügungssteuer so lange unterstelle, wie keine Erdrosselungswirkung vorliege. Damit legt sie keine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden divergierenden Rechtssätze dar, sondern wendet sich gegen die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, was eine Zulassung der Revision wegen Divergenz jedoch nicht rechtfertigen kann.

11

c) Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), der Verwaltungsgerichtshof habe die Beweisanregung der Klägerin, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, dass eine Steuer in der Größenordnung, wie sie die Beklagte erhebe, nicht auf den Endverbraucher abwälzbar sei, zu Unrecht nicht aufgegriffen. Im vorliegenden Fall bestehe bei einer Steuer in Höhe von effektiv 17 % eine Erdrosselungsgefahr. Die Klägerin habe ihren Betrieb mangels Rentabilität wieder geschlossen. Es sei auch nicht überprüft worden, ob die Steuerlast durch Umsatzsteigerung oder Kosteneinsparungen hätte aufgefangen werden können. Ein Unternehmer müsse seine Rendite in Höhe einer Umsatzsteuerbelastung von 19 % zuzüglich einer Vergnügungssteuerbelastung von 15 %, insgesamt also in der Größenordnung von 34 % steigern, um eine Abwälzbarkeit der gesamten Steuerlast auf den eigentlichen Steuerträger zu erreichen. Es dränge sich nahezu auf, dass eine derartige Renditesteigerung unmöglich sei mit der Folge, dass die Abwälzbarkeit der Steuer nicht ohne Weiteres unterstellt werden könne. Die Klägerin habe dargelegt, dass zumindest Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Höhe der Gesamtsteuerbelastung eine erdrosselnde Wirkung entfalte. Es stelle auch kein schlüssiges Indiz gegen eine Erdrosselungswirkung dar, wenn die Zahl der in Spielhallen aufgestellten Geldspielgeräte sich im Wesentlichen nicht verändert habe. Schließlich setze eine erdrosselnde Wirkung nicht erst dann ein, wenn ein Unternehmer sich genötigt sehe, einen Betrieb wegen fehlender Gewinnaussicht zu schließen, sondern schon dann, wenn es die Steuerbelastung für sich genommen unmöglich mache, im Gebiet des Satzungsgebers den Beruf des Spielautomatenbetreibers ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen.

12

Damit ist ein Verfahrensfehler nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Rüge mangelnder Sachaufklärung, § 86 Abs. 1 VwGO, erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts noch aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. etwa Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 - BVerwG 8 B 56.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475).

13

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Ihr ist nicht zu entnehmen, welche Tatsachen im Einzelnen nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs noch aufklärungsbedürftig waren. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die Vergnügungssteuer für den Unternehmer kalkulatorisch abwälzbar sein müsse. Eine Garantie dafür, dass der Unternehmer den von ihm entrichteten Beitrag immer von demjenigen erhalte, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen solle, müsse dem Steuerschuldner nicht geboten werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 a.a.O. S. 23). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung ebenso wie die Annahme, dass die Spielverordnung dem Unternehmer bei der Kalkulation seiner Selbstkosten zwar Grenzen setze, dass aber seiner betriebswirtschaftlichen Planung und Kalkulation noch hinreichend Spielräume eröffnet seien (Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 28 m.w.N.). Der Verwaltungsgerichtshof weist ferner darauf hin, dass der nunmehr geltende Maßstab, der die Steuerhöhe vom jeweiligen Kassenergebnis abhängig mache, eine deutlich verlässlichere Kalkulation als der Stückzahlmaßstab ermögliche.

14

Damit setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend auseinander. Vielmehr behauptet sie pauschal, eine Umsatzsteuer von 19 % und eine Vergnügungssteuer in Höhe von 15 % bzw. effektiv 17 % könnten nicht erwirtschaftet werden. Gleichfalls pauschal bleibt die Behauptung der Beschwerde, der Steuersatz wirke erdrosselnd. Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass eine Erdrosselungswirkung dann anzunehmen sei, wenn die wirtschaftlichen Auswirkungen dazu führten, dass die schwächsten Anbieter aus dem Markt ausschieden, ohne dass neue ihren Platz einnähmen. Anhaltspunkte dafür hat der Verwaltungsgerichtshof nicht gesehen, weil - auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin - viele der im Stadtgebiet der Beklagten aufgestellten Spielgeräte derart ertragsstark seien, dass die Veranlagung nach der Höchstbetragsregelung des § 4 Abs. 1 SpAppStS erfolge und dies wiederum den Rückschluss nahe lege, dass es sich um wirtschaftlich gesunde Unternehmen der Spielgeräteaufstellerbranche handele. Soweit die Beschwerde die Prämisse des Verwaltungsgerichtshofs, die Feststellung einer erdrosselnden Wirkung der umstrittenen Steuer setze den ersatzlosen Marktaustritt der schwächsten Anbieter, mithin eine Tendenz zum Absterben der Spielgeräteaufstellerbranche voraus, als unzutreffend bekämpft, übersieht sie, dass die Aufklärungsrüge den materiellen Standpunkt des angefochtenen Beschlusses zugrunde zu legen hat. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Beschwerde auch nicht mit dem Argument des Verwaltungsgerichtshofs auseinander, dass sich daraus, dass die Klägerin den Betrieb wegen mangelnder Rentabilität nach kurzer Zeit wieder eingestellt habe, keine verallgemeinerungsfähigen Schlüsse auf die Branche im Stadtgebiet der Beklagten ziehen ließen.

15

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

(1) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb sind Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Bei Lieferungen und dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 sind die Kosten für die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe b und die vom Auslagerer geschuldeten oder entrichteten Verbrauchsteuern in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), gehören nicht zum Entgelt. Liegen bei der Entgegennahme eines Mehrzweck-Gutscheins (§ 3 Absatz 15) keine Angaben über die Höhe der für den Gutschein erhaltenen Gegenleistung nach Satz 2 vor, so wird das Entgelt nach dem Gutscheinwert selbst oder nach dem in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert bemessen, abzüglich der Umsatzsteuer, die danach auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen entfällt.

(2) Werden Rechte übertragen, die mit dem Besitz eines Pfandscheins verbunden sind, so gilt als vereinbartes Entgelt der Preis des Pfandscheins zuzüglich der Pfandsumme. Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die Umsatzsteuer gehört nicht zum Entgelt.

(3) (weggefallen)

(4) Der Umsatz wird bemessen

1.
bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
2.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;
3.
bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben. Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

(5) Absatz 4 gilt entsprechend für

1.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen,
2.
Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt,
wenn die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 das Entgelt nach Absatz 1 übersteigt; der Umsatz ist jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen. Übersteigt das Entgelt nach Absatz 1 das marktübliche Entgelt, gilt Absatz 1.

(6) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, tritt in den Fällen der Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5) an die Stelle des vereinbarten Entgelts ein Durchschnittsbeförderungsentgelt. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt ist nach der Zahl der beförderten Personen und der Zahl der Kilometer der Beförderungsstrecke im Inland (Personenkilometer) zu berechnen. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung das Durchschnittsbeförderungsentgelt je Personenkilometer festsetzen. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt muss zu einer Steuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich nach diesem Gesetz ohne Anwendung des Durchschnittsbeförderungsentgelts ergeben würde.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in Hamburg u.a. in der Zeit von Oktober 2005 bis Februar 2007 mehrere Spielhallen, in denen sie Geräte mit Gewinnmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes (HmbSpVStG) vom 29. September 2005 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt --HmbGVBl-- 2005, 409), das durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006 (HmbGVBl 2006, 509) rückwirkend zum ursprünglichen Inkrafttreten am 1. Oktober 2005 geändert wurde, und Unterhaltungsspielgeräte nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 HmbSpVStG aufgestellt hatte. Die eingesetzten Gewinnspielgeräte waren teilweise bereits nach der ab dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung der Spielverordnung --SpielV-- (Bekanntmachung vom 27. Januar 2006, BGBl I 2006, 280) zugelassen.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Spielvergnügungsteuer für Oktober 2005 durch Bescheid vom 8. Februar 2006 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf der Grundlage einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen fest und wies in den Erläuterungen darauf hin, dass die Steuerfestsetzung bei gleich bleibenden Besteuerungsgrundlagen als unbefristete Steuerfestsetzung für die nachfolgenden Monate wirke. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin zunächst Einspruch und im Juli 2006 Untätigkeitsklage. Mit Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

3

Im Hinblick auf die zum 1. Oktober 2005 zurückwirkenden Änderungen des HmbSpVStG durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006 gab die Klägerin am 23. März 2007 Spielvergnügungsteueranmeldungen für die Monate Oktober 2005 bis Februar 2007 ab und legte gleichzeitig Einspruch ein. Auf der Grundlage dieser Steueranmeldungen erließ das FA am 17. April 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerbescheide für diese Monate.

4

Nachdem die Klägerin im Oktober 2009 für die Monate November 2005 bis Februar 2007 berichtigte Steueranmeldungen eingereicht hatte, erließ das FA für diesen Zeitraum am 19. März 2010 geänderte Steuerbescheide. Es legte dabei der Besteuerung den Spieleinsatz, soweit dieser aus den von der Klägerin vorgelegten Auslesebelegen ersichtlich war, und im Übrigen die nach der Vereinfachungsregelung des § 12 HmbSpVStG ermittelten Besteuerungsgrundlagen zugrunde. Der Auffassung der Klägerin, als Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 1 und 3 HmbSpVStG könne für bestimmte Spielgeräte das Dreifache des Einspielergebnisses angesetzt werden, folgte das FA nicht.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klägerin durch Verfügung vom 28. Juni 2010 auf, zur weiteren Sachverhaltsaufklärung bis zum 16. Juli 2010 alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren eine Beschwer empfunden wird, und zum Umfang des Streitgegenstandes und der Höhe der festgesetzten Steuer abschließend vorzutragen. Unter Bezugnahme auf §§ 79b, 121 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wies das FG die Klägerin in der Verfügung darauf hin, dass es Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden könne. Zurückgewiesene Erklärungen und Beweismittel blieben auch in einem Revisionsverfahren ausgeschlossen. Diese Verfügung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 1. Juli 2010 zugestellt.

6

Mit Schreiben vom 16. Juli 2010 brachte die Klägerin daraufhin vor, bei den Geräten, die Gegenstand des Verfahrens seien, habe es keine Möglichkeit gegeben, den "Einsatz" zu ermitteln. Im Übrigen verwies sie auf die Begründung der u.a. gegen die Steuerbescheide für die Monate November 2005 bis Dezember 2008 eingelegten Einsprüche, die nicht konkret auf die einzelnen Steuerbescheide eingeht.

7

Das FG wies die Klägerin ferner durch Übersendung eines Auszugs aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung im Verfahren 2 K 9/09 auf das Ergebnis der in diesem Verfahren durch Vernehmung eines Sachverständigen durchgeführten Beweiserhebung hin. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte an dieser Beweiserhebung als Prozessbevollmächtigter der seinerzeitigen Klägerin teilgenommen.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem FG führte die durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin zu dem von ihr in den Steueranmeldungen vom Oktober 2009 teilweise als Bemessungsgrundlage der Steuer angesetzten dreifachen Einspielergebnis aus, hierbei handle es sich nicht um die Anwendung der Vereinfachungsregelung des § 12 Abs. 1 HmbSpVStG, sondern um eine Schätzung des Spieleinsatzes bei Spielgeräten älterer Bauart, bei denen sie den tatsächlichen Spieleinsatz nicht habe ermitteln können. Der Faktor 3 beruhe auf einer Auszahlungsquote von ca. 67 %. Die Ausschüttungsquote von 67 % könne sie allerdings nicht urkundenmäßig belegen. Sie ergebe sich aus der Art der Geräte, die zum Teil die gesetzlich vorgesehene Ausschüttungsquote von 60 % gehabt hätten, teilweise aber anders programmiert gewesen seien, so dass sie höhere Quoten, beispielsweise 70 %, ausgeschüttet hätten, um höhere Anreize für die Spieler zu schaffen. Letztlich ergebe sich daraus der Mittelwert von 67 %.

9

Das FG wies die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der die Gewinnspielgeräte betreffenden Steuerfestsetzungen beantragt hatte, mit der Begründung ab, Gegenstand des Verfahrens seien nach § 68 Satz 1 FGO der Bescheid vom 17. April 2007 für Oktober 2005 und im Übrigen die geänderten Bescheide vom 19. März 2010. Der Bescheid vom 8. Februar 2006 habe sich nicht nur auf Oktober 2005, sondern ausdrücklich auch auf die folgenden Monate bezogen. Dies habe auf der in § 8 Abs. 2 Satz 1 HmbSpVStG getroffenen Regelung beruht, nach der die Steueranmeldung als unbefristete Steuerfestsetzung wirke. Dies gelte auch für Steuerfestsetzungen durch das FA.

10

Das FG führte zur Begründung seiner Ansicht, die angefochtenen Steuerfestsetzungen seien rechtmäßig, unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung im Verfahren 2 K 9/09 gehörten Sachverständigen aus, der Spieleinsatz sei eine für die Erhebung der Vergnügungsteuer verfassungsrechtlich zulässige und technisch umsetzbare Bemessungsgrundlage. Zu den der Steuer unterliegenden Spieleinsätzen zählten nicht nur die in die Spielautomaten eingeworfenen Bargeldbeträge, sondern auch die Gewinne, die sich der Spieler nicht auszahlen lasse, obwohl er dies könnte, sondern zum Weiterspielen verwende. In der Nutzung von Gewinnen zum Spielen liege die Verwendung von Vermögen zur Erlangung des Spielvergnügens.

11

Der Spieleinsatz könne sowohl bei den nach der SpielV in der vor dem 1. Januar 2006 geltenden Fassung zugelassenen Spielgeräten als auch bei den Spielgeräten, die ab dem Sommer 2006 von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen worden seien und sich ab 2007 flächendeckend am Markt durchgesetzt hätten, zutreffend ermittelt werden. Bei den neuen Geräten würden Geldbeträge, die etwa wegen der Überschreitung der in § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV bestimmten Obergrenze oder wegen einer nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 SpielV eintretenden Spielpause wieder ausgezahlt würden, nicht als Einsatz erfasst. Gleiches gelte für Geldbeträge, die nach dem Einwurf in das Spielgerät ohne vorherige Umwandlung in Punkte wieder ausgezahlt würden. Dass die Umbuchung von Geldbeträgen in den Punktespeicher von dem Kontrollmodul auch bei einer Rückbuchung in den Geldspeicher und Auszahlung an den Spieler als Einsatz aufgezeichnet werde, sei unschädlich. Als Beginn des Spiels sei nämlich auch in steuerrechtlicher Hinsicht bereits die Umwandlung von Geldbeträgen in Spielpunkte anzusehen.

12

Ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich sei die rückwirkende Änderung des HmbSpVStG durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006, da sie die Steuerpflichtigen nicht belaste. Dies gelte insbesondere auch für die Vereinfachungsregelung des § 12 HmbSpVStG.

13

Die Steuer sei auch auf die Spieler abwälzbar. Es genüge insoweit die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige die Steuer in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen könne. Dass die Überwälzung in jedem Einzelfall gelinge, sei nicht erforderlich. Im Übrigen sei auch eine unmittelbare Überwälzung der Steuer auf die Spieler zulässig. Eine erdrosselnde Wirkung habe die Steuer nicht.

14

Verfassungsgemäß sei auch der in § 7 HmbSpVStG bestimmte Besteuerungszeitraum von einem Kalendermonat. Das Erfordernis der zeitlichen Abgrenzung sei allen periodischen Steuern wesensgemäß und unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal die Spielvergnügungsteuer einen proportionalen und keinen progressiven Tarif habe, es also von untergeordneter Bedeutung sei, ob Spieleinsätze noch dem einen oder bereits dem nächsten Monat zugeordnet würden.

15

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die festgesetzten Steuern der Höhe nach rechtswidrig seien. Die Klägerin habe trotz der erfolgten Fristsetzung nach § 79b FGO nicht dargelegt, in welchen Bescheiden, in welcher Höhe und aus welchen Gründen eine fehlerhafte Festsetzung erfolgt sei. Dem Begehren der Klägerin, die Steuer für einzelne Spielgeräte auf den mit dem Faktor 3 multiplizierten Kasseninhalt zu erheben, könne nicht gefolgt werden. Abgesehen von der Frage, ob dies mit § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG vereinbar wäre, habe die Klägerin ihr Vorbringen insoweit nicht hinreichend substantiiert.

16

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art. 3, 20 und 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG). Die auf dem Markt befindlichen Spielgeräte ließen eine zutreffende Ermittlung der gesetzlich vorgesehenen Bemessungsgrundlage der Steuer nicht zu. Sie erfassten auch Geldbeträge als Einsatz, die nach der Umwandlung in Punkte nicht zum Spielen verwendet, sondern in den Geldspeicher zurückgebucht und an die Spieler zurückbezahlt worden seien. Die Steuer sei auch nicht auf eine Abwälzung auf die Spieler angelegt. Die Spielgerätebetreiber hätten nämlich keinen Einfluss auf den Spielverlauf und könnten nicht kalkulieren, wie hoch die Steuer sein werde. Dies sei mit dem Charakter einer örtlichen Aufwandsteuer nicht vereinbar. Zudem sei die Vorentscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, indem es im Urteil ohne vorherige Ankündigung die Auffassung vertreten habe, auch Geldbeträge, die nach der Umwandlung in Punkte nicht zum Spielen verwendet, sondern in den Geldspeicher zurückgebucht und an die Spieler zurückbezahlt worden seien, seien als Einsatz anzusehen. Darüber hinaus habe es das FG zu Unrecht unterlassen, die Höhe der festgesetzten Beträge im Einzelnen zu überprüfen. Eine Aufforderung zur Substantiierung habe es nicht gegeben. Das FG habe insbesondere den von ihr erbrachten Nachweis, dass die Zählwerke der Altgeräte den Einsatz der Spieler nicht zutreffend aufgezeichnet hätten, nicht berücksichtigt. Sie sei zudem berechtigt gewesen, den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG für bestimmte Geräte mit dem Dreifachen des Kasseninhalts zu schätzen. Die Anwendung der vereinfachten Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG sei insoweit ausgeschlossen, als für ein Spielgerät für einen vorangegangenen Anmeldezeitraum (Kalendermonat, §§ 7, 8 Abs. 1 HmbSpVStG) der Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG angemeldet worden sei. Das FA habe es außerdem zu Unrecht abgelehnt, ihren im Oktober 2009 eingereichten berichtigten Steueranmeldungen insoweit zu folgen, als sie ab Meldezeitraum September 2006 die Besteuerungsgrundlage "Spieleinsatz" (§ 1 Abs. 3 HmbSpVStG) für einzelne Spielgeräte rückwirkend durch die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG ermittelte Bemessungsgrundlage ersetzt habe.

17

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 sowie die Bescheide vom 8. Februar 2006, 17. April 2007 und 19. März 2010 über Spielvergnügungsteuer für Oktober 2005 bis Februar 2007 aufzuheben, soweit darin Spielvergnügungsteuer für Spielgeräte mit Geldgewinnmöglichkeit festgesetzt ist.

18

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

19

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Recht angenommen, dass die auf die Monate Oktober 2005 bis Februar 2007 bezogene Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei.

20

A. Das FG hat zu Recht die Ansicht vertreten, die Klage sei hinsichtlich der Steuerfestsetzungen für die Monate Oktober 2005 bis Februar 2007 insgesamt zulässig.

21

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass bei der Erhebung der Untätigkeitsklage das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Dieser Mangel wurde dadurch geheilt, dass das FA während des finanzgerichtlichen Verfahrens über den Einspruch durch die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 entschieden und die Klägerin die Klage aufrechterhalten hat. Der ganz oder zumindest teilweise erfolglose Abschluss des Vorverfahrens stellt eine Sachentscheidungsvoraussetzung dar, ohne deren Vorliegen --abgesehen von den Sonderregelungen in den §§ 45, 46 FGO-- kein Urteil ergehen kann. Allerdings genügt es, wenn diese Sachentscheidungsvoraussetzung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG vorliegt. Die Klage wächst dann in die Zulässigkeit hinein (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331, BStBl II 2001, 432).

22

2. Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des FG, dass nicht nur der Änderungsbescheid vom 17. April 2007 für Oktober 2005, sondern auch die Änderungsbescheide vom 17. April 2007 und 19. März 2010 für November 2005 bis Februar 2007 gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden sind.

23

§ 68 Satz 1 FGO setzt voraus, dass der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Sowohl der ursprüngliche als auch der neue Bescheid müssen dieselbe Steuersache, d.h. dieselben Beteiligten und denselben Besteuerungsgegenstand betreffen (BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764, unter II.2.b).

24

Die für November 2005 bis Februar 2007 ergangenen Änderungsbescheide vom 17. April 2007 und 19. März 2010 erfüllen diese Voraussetzungen. Sie wurden nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 19. März 2007 erlassen und betreffen dieselben Beteiligten und denselben Besteuerungsgegenstand. Durch den Bescheid vom 8. Februar 2006 wurde nicht nur die Steuer für Oktober 2005 festgesetzt. Die Steuerfestsetzung wirkte vielmehr als unbefristete Steuerfestsetzung für die folgenden Monate. § 8 Abs. 2 Satz 1 HmbSpVStG sieht zwar lediglich vor, dass die Steueranmeldung nach § 8 Abs. 1 HmbSpVStG als unbefristete Steuerfestsetzung wirkt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift muss dies aber entsprechend gelten, wenn das FA die Steuer festsetzt, weil der Steuerpflichtige keine Steueranmeldung abgegeben hat oder das FA von der Anmeldung abweicht.

25

B. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

26

1. Der Spielvergnügungsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG u.a. der Aufwand für die Nutzung von Spielgeräten mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeit (§ 33c der Gewerbeordnung --GewO--), wenn der Aufwand in einem Spieleinsatz i.S. von § 1 Abs. 3 HmbSpVStG besteht sowie der Aufstellort der Spielgeräte in Hamburg belegen und einer wenn auch begrenzten Öffentlichkeit zugänglich ist. § 33c GewO betrifft Spielgeräte, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind und die die Möglichkeit eines Gewinnes bieten. Spieleinsatz ist gemäß § 1 Abs. 3 HmbSpVStG die Verwendung von Einkommen oder Vermögen durch den Spieler zur Erlangung des Spielvergnügens. Steuerschuldner ist nach § 3 Abs. 1 HmbSpVStG der Halter des Spielgerätes. Halter ist derjenige, für dessen Rechnung das Spielgerät aufgestellt wird (Aufsteller). Die Steuer für die Nutzung der Gewinnspielgeräte beträgt gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. April 2006 8 % des Spieleinsatzes und für die Zeit danach 5 % des Spieleinsatzes.

27

a) Was zum Spieleinsatz i.S. von § 1 Abs. 1 und 3 sowie § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG zählt, richtet sich nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG und nicht nach der SpielV; denn § 1 Abs. 3 HmbSpVStG bestimmt den Begriff des Spieleinsatzes eigenständig und verweist zu dessen Definition nicht auf die SpielV (BFH-Beschlüsse vom 27. November 2009 II B 75/09, BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a aa, und vom 19. Februar 2010 II B 122/09, BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a aa).

28

b) Zu den Spieleinsätzen i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG zählen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift nicht nur die in die Spielautomaten eingeworfenen Bargeldbeträge (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 7 SpielV), sondern auch Gewinne, die sich der Spieler nicht auszahlen lässt, obwohl er dies könnte, sondern durch entsprechende Vorabeinstellung der bei dem Spielgerät vorhandenen Bedienvorrichtung oder durch Betätigung der Bedienvorrichtung für jeden einzelnen Einsatz unmittelbar zum Weiterspielen verwendet (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 3 und 4 SpielV). In einer solchen Nutzung von Gewinnen liegt die Verwendung von Vermögen (Anspruch auf Auszahlung der Gewinne) zur Erlangung des Spielvergnügens. Es kann für die Besteuerung nach deren Sinn und Zweck keinen Unterschied machen, ob ein Spieler das ihm aufgrund eines Gewinns ausgezahlte Geld wieder in den Spielautomaten einwirft oder ob er gleichsam in einem abgekürzten Zahlungsweg den Gewinn ohne zwischenzeitliche Auszahlung unmittelbar zum Weiterspielen nutzt. In beiden Fällen entsteht ihm ein Aufwand für das Spielvergnügen in gleicher Höhe (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a bb, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a bb; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 10. Dezember 2009  9 C 12/08, BVerwGE 135, 367, unter 2.a aa).

29

c) Ein Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG liegt allerdings erst dann vor, wenn der Spieler die Verfügungsmacht über die in ein Spielgerät eingeworfenen Bargeldbeträge oder über die unmittelbar zum Weiterspielen genutzten Gewinne aufgrund des Spielvorgangs endgültig verloren hat. Werden noch nicht endgültig für das Spielen verbrauchte Teilbeträge nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 SpielV aufgrund Überschreitens der darin bestimmten Obergrenze von 25 € für die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern oder nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c SpielV zu Beginn einer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 5 SpielV erzwungenen Spielpause oder aufgrund einer Verfügung des Spielers über die aufgebuchten Beträge nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 SpielV an den Spieler ausgezahlt, fehlt es insoweit an einem der Besteuerung unterliegenden Aufwand für die Nutzung von Spielgeräten i.S. des § 1 Abs. 1 HmbSpVStG und an einer Verwendung von Einkommen oder Vermögen zur Erlangung des Spielvergnügens i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG. Eine Besteuerung auch der zurückgezahlten Teilbeträge würde dem Charakter der Spielvergnügungsteuer als örtlicher Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG widersprechen. Hinsichtlich dieser Teilbeträge liegt kein das eigentliche Steuergut bildender Vergnügungsaufwand des Spielers vor. Da die Spielgerätebetreiber in Höhe der zurückgezahlten Teilbeträge keine Einnahmen erzielen bzw. keine Aufwendungen für die Auszahlung von Gewinnen ersparen, kann die Steuer insoweit auch nicht auf die Spieler abgewälzt werden. Eine solche Abwälzbarkeit der Steuer ist aber aufgrund einer am Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ausgerichteten, gerechten Zuteilung der Vergnügungsteuerlast erforderlich (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a cc, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a cc).

30

Bei einer teilweisen Auszahlung von noch nicht vollständig zum Spielen verbrauchten Geldbeträgen oder Gewinnen hat die Besteuerung mithin so zu erfolgen, wie wenn der Spieler von vornherein den Betrag in das Spielgerät eingeworfen hätte, über den er die Verfügungsmacht durch den Spielvorgang endgültig verloren hat (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a cc, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a cc).

31

Diese Grundsätze gelten entgegen der Ansicht des FG und des FA auch, soweit von einem Spieler in das Gerät eingeworfene Geldbeträge zunächst in geldwerte Spielpunkte umgewandelt und vor deren Nutzung zum Spielen mit Gewinn- und Verlustmöglichkeit wieder in den Geldspeicher zurückgebucht und an den Spieler ausgezahlt werden. In einem solchen Fall liegt ebenfalls kein das eigentliche Steuergut bildender Vergnügungsaufwand des Spielers vor und ist auch eine Überwälzung der Steuer auf den Spieler nicht möglich. Die bloße Umbuchung von Geld in geldwerte Spielpunkte stellt noch kein Spielgeschehen dar; denn sie führt als solche noch nicht zu einer Gewinn- und Verlustmöglichkeit.

32

d) Lässt sich ein Spieler Gewinne sofort auszahlen, statt sie (zunächst) zum Weiterspielen zu verwenden, ändert dies demgegenüber nichts daran, dass die geleisteten Einsätze der Steuer unterliegen; denn bei der Auszahlung von Gewinnen handelt es sich nicht um eine Rückerstattung der Einsätze, die der Spieler zur Erlangung des Spielvergnügens aufgewandt hat (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a dd, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a dd).

33

e) Die Bemessungsgrundlage der Spielvergnügungsteuer nach § 1 Abs. 1 und 3 HmbSpVStG errechnet sich somit, indem man die Summe aus den von den Spielern eingezahlten Geldbeträgen und den angefallenen Gewinnen um die an die Spieler ausgezahlten Geldbeträge vermindert. In voller Höhe ausgezahlte Gewinne wirken sich danach auf die Bemessungsgrundlage nicht aus. Die in einem bestimmten Zeitraum entstandene Differenz zwischen den eingezahlten und den ausgezahlten Geldbeträgen, die auch negativ sein kann, ergibt sich, wenn man vom Kasseninhalt zum Ende des Zeitraums den anfänglichen Kasseninhalt abzieht, sofern nicht zwischenzeitlich die Kasse aufgefüllt oder daraus Geld entnommen wurde. Derartige Änderungen des Kassenbestands außerhalb des Spielgeschehens müssen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer zusätzlich berücksichtigt werden, indem in die Kasse eingelegte Geldbeträge dem anfänglichen Kasseninhalt und daraus entnommene Geldbeträge dem zuletzt vorhandenen Kasseninhalt hinzugerechnet werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a ff, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a ff).

34

Werden die der Steuer zugrunde liegenden Spieleinsätze auf diese Art und Weise ermittelt, kann zugleich geprüft werden, ob die von den Kontrolleinrichtungen der Spielgeräte aufgezeichneten Einsätze damit übereinstimmen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.a ff, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.a ff).

35

f) Für Besteuerungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2011 enden, kann die Besteuerungsgrundlage nach Maßgabe des § 12 HmbSpVStG vereinfacht ermittelt werden. Erklärt der Anmeldeverpflichtete für einzelne oder mehrere Spielgeräte i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG nicht, gilt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG das Vierfache des Einspielergebnisses als Spieleinsatz nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG. Macht der Aufsteller der Spielgeräte von dieser Vereinfachungsmöglichkeit zulässigerweise Gebrauch, braucht nicht ermittelt zu werden, in welcher Höhe Spieler Einkommen oder Vermögen zur Erlangung des Spielvergnügens verwendet haben.

36

2. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG sind verfassungsgemäß.

37

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für das HmbSpVStG ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Bei der auf die Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit erhobenen Spielvergnügungsteuer handelt es sich dem Typus nach um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne dieser Vorschrift. Dies ist für die Begründung der Gesetzgebungskompetenz entscheidend. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang hingegen, ob die Steuer in ihrer konkreten Ausgestaltung insbesondere hinsichtlich des Besteuerungsmaßstabs und der Frage ihrer Abwälzbarkeit auf die Spieler den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, unter C.I.; BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 1.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b aa, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b aa).

38

b) Die in § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG vorgesehene Heranziehung des Spieleinsatzes als Bemessungsgrundlage der Steuer ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

39

aa) Die Spielvergnügungsteuer knüpft an die gewerbliche Veranstaltung von Automatenspielen an. Steuerschuldner ist der Veranstalter des Vergnügens. Eigentliches Steuergut ist gleichwohl der Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers, weil die Steuer darauf abzielt, die mit der Einkommens- und Vermögensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten. Der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer ist danach der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.b, m.w.N.; BVerwG-Urteile in BVerwGE 135, 367, unter 2.a, und vom 9. Juni 2010  9 CN 1/09, BVerwGE 137, 123, unter 1.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b bb aaa, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b bb aaa). Der Spieleinsatz ist dem Vergnügungsaufwand des Spielers besonders nahe (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.2.a bb). Die in § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG vorgesehene Besteuerung des Spieleinsatzes entspricht somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

40

bb) Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob die von den Spielhallenbetreibern verwendeten Geräte eine zutreffende Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer zulassen oder nicht. Der Hamburger Landesgesetzgeber konnte beim Erlass des HmbSpVStG davon ausgehen, dass die eingesetzten Gewinnspielgeräte die Möglichkeit eröffnen, den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Steueranmeldungen abzugeben. Wie das BVerfG zur Begründung seiner Ansicht, der früher verwendete Stückzahlmaßstab sei bereits seit Anfang 1997 verfassungswidrig, im Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.2.a cc (1) ausgeführt hat, kann der Vergnügungsaufwand der Nutzer von Gewinnspielautomaten seither aufgrund der technischen Entwicklung und einer in den Jahren 1989 und 1990 zwischen den Herstellern von Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit und den Verbänden der Unterhaltungsautomatenwirtschaft einerseits sowie den zuständigen Bundesministerien andererseits abgeschlossenen selbstverpflichtenden Vereinbarung hinreichend zuverlässig erfasst werden.

41

Die Aufsteller von Spielgeräten in Hamburg konnten die Verfassungswidrigkeit des HmbSpVStG demgegenüber nicht dadurch herbeiführen, dass sie nach dem Inkrafttreten des HmbSpVStG aufgrund einer freien, da gesetzlich nicht vorgegebenen Entscheidung Spielgeräte aufstellten, die die zutreffende Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer i.S. des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG nicht in jeder Hinsicht ermöglichten. Es oblag vielmehr den Betreibern der Spielgeräte, Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer zu treffen (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen --OVG NRW-- vom 23. Juni 2010  14 A 597/09, juris, Rz 79).

42

Diese Beurteilung entspricht den Anforderungen der SpielV. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst. d SpielV muss der Antragsteller mit dem in § 11 SpielV vorgesehenen Antrag auf Zulassung der Bauart eines Spielgerätes i.S. des § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO eine schriftliche Erklärung vorlegen, dass bei dem von ihm zur Prüfung eingereichten Geldspielgerät die Möglichkeit vorhanden ist, sämtliche Einsätze, Gewinne und Kasseninhalte für steuerliche Erhebungen zu dokumentieren. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 SpielV die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn es eine Kontrolleinrichtung beinhaltet, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Unter Geldspielgerät ist nach § 1 Abs. 1 SpielV ein Spielgerät zu verstehen, bei dem der Gewinn in Geld besteht. Im Hinblick auf diese Begriffsbestimmung sowie den Sinn und Zweck der in § 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst. d und § 13 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 SpielV getroffenen, auf die Möglichkeit einer zutreffenden Besteuerung abzielenden Regelungen spielt es dabei keine Rolle, ob das Gerät die Gewinne unmittelbar in Geld oder in geldwerten Punkten anzeigt.

43

Im Übrigen hatten die Aufsteller für den Streitzeitraum die Möglichkeit, unter den in § 12 HmbSpVStG genannten Voraussetzungen von der in dieser Vorschrift vorgesehenen vereinfachten Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer Gebrauch zu machen (vgl. oben II.B.1.f und unten II.B.3.). Da es dabei nur auf die Einspielergebnisse ankommt, erübrigte sich bei dieser Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Steuer die Ermittlung der Spieleinsätze.

44

cc) Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen dagegen, dass die Steuer nicht lediglich auf den um die Steuer verminderten Spieleinsatz erhoben wird. Der Gesetzgeber hat bei der Erschließung einer Steuerquelle in Form des Vergnügungsaufwands des Einzelnen gerade auch bei der Wahl des Besteuerungsmaßstabs eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Dieser Gestaltungsfreiheit wird durch Art. 3 Abs. 1 GG erst dort eine Grenze gesetzt, wo eine gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und diese daher willkürlich ist. Die Gerichte haben nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.b, m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b bb bbb, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b bb bbb).

45

Diese Grenzen sind nicht deshalb überschritten, weil die Steuer an den gesamten Spieleinsatz und nicht an den Spieleinsatz abzüglich der Steuer anknüpft. Für diese Steuerbemessung sprechen zum einen Vereinfachungsgründe, da sich die sonst erforderliche Herausrechnung der Steuer aus dem Spieleinsatz erübrigt. Zum anderen ist es dann, wenn der Gesetzgeber eine bestimmte steuerliche Belastung der Spieleinsätze erreichen will, lediglich eine Frage der Gesetzgebungstechnik, ob die Steuer nach dem gesamten Spieleinsatz oder nach dem um die Steuer verminderten Spieleinsatz mit einem entsprechend höheren Steuersatz bemessen wird. Aus einer solchen Frage der bloßen Gesetzgebungstechnik ohne Auswirkungen auf die Höhe der Steuer kann nicht auf die (teilweise) Verfassungswidrigkeit des Gesetzes geschlossen werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b bb bbb, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b bb bbb).

46

Das BVerfG hat im Beschluss in BVerfGE 123, 1 ebenfalls nicht ausgeführt, dass der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand des Spielers nur nach Kürzung um die Vergnügungsteuer als Bemessungsgrundlage dieser Steuer herangezogen werden dürfe. Auch das BVerwG ist der Ansicht, dass der Gesamtbetrag der in ein Spielgerät eingeworfenen Geldbeträge und der für weitere Spiele eingesetzten Gewinne einschließlich des Steueranteils jedenfalls solange der Besteuerung unterworfen werden kann, als es die technische Ausstattung der Spielapparate nicht zulässt, den Vergnügungsaufwand eines jeden Spielers und gleichzeitig die auf jedes Spiel entfallende Steuer zu erfassen (BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 2.a aa).

47

c) § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG ist auch hinreichend bestimmt.

48

aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Urteil vom 17. November 1992  1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, unter C.II.1.; BVerfG-Beschlüsse vom 9. August 1995  1 BvR 2263/94 u.a., BVerfGE 93, 213, unter C.II.3.a, und vom 18. Mai 2004  2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, unter C.I.3.b ee (1); BVerwG-Urteil in BVerwGE 137, 123, unter 2.a). Es genügt, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (BVerfG-Urteil in BVerfGE 87, 234, unter C.II.1., m.w.N.).

49

bb) Diesen Anforderungen wird § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 HmbSpVStG gerecht. Wie bereits dargelegt, ist daraus erkennbar, wie die Bemessungsgrundlage der Spielvergnügungsteuer zu berechnen ist (vgl. oben II.B.1.).

50

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte eine solche in jeder Hinsicht zutreffende Berechnung zulassen, ist für die Frage der Bestimmtheit der genannten Vorschriften ohne Bedeutung. Wie bereits ausgeführt, obliegt es den Spielgerätebetreibern, in Übereinstimmung mit den Anforderungen der SpielV Vorsorge für die Abgabe einer dem HmbSpVStG entsprechenden Steueranmeldung zu treffen. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (ebenso OVG NRW-Urteil vom 23. Juni 2010  14 A 597/09, Rz 79).

51

Zudem hatten die Aufsteller für vor dem 1. Januar 2011 endende Besteuerungszeiträume die Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen nach § 12 HmbSpVStG vereinfacht zu ermitteln. Diese Ersatzbemessungsgrundlage ist verfassungsgemäß (vgl. unten II.B.3.).

52

3. Die Vereinfachungsregel des § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG ist ebenfalls verfassungsgemäß.

53

a) Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auf die vom FG Hamburg im Beschluss vom 9. Mai 2006  7 V 87/06 sowie von Spielgerätebetreibern geäußerten Bedenken hinsichtlich der tatsächlichen Durchführbarkeit des HmbSpVStG reagiert. Diese Bedenken beruhten auf der seinerzeitigen technischen Ausstattung zahlreicher Spielgeräte (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes, BürgerschaftsDrucks 18/4806, S. 1, 4; BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 692).

54

b) Der Gesetzgeber war berechtigt, diesen Bedenken dadurch zu begegnen, dass er die Steueranmeldung und Steuerfestsetzung nach einer Ersatzbemessungsgrundlage zuließ (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.c). Er vermied dadurch die ohne eine gesetzliche Regelung für die Finanzverwaltung und ggf. das FG bestehende Notwendigkeit, für die einzelnen von den technischen Schwierigkeiten betroffenen Spielgeräte die Bemessungsgrundlage der Steuer nach § 1 Nr. 1 des Hamburgischen Abgabengesetzes i.V.m. § 162 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) schätzen zu müssen. Eine solche Schätzung wäre mit hohem Verwaltungsaufwand und großen Unsicherheiten behaftet. Eine völlige Freistellung der von den technischen Problemen betroffenen Spielgeräte von der Spielvergnügungsteuer wäre mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar gewesen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.c).

55

c) Der Gesetzgeber ist bei der Bemessung einer Spielvergnügungsteuer von Verfassungs wegen nicht auf einen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Wählt er statt dieses Maßstabs einen anderen (Ersatz- oder Wahrscheinlichkeits-)Maßstab, so ist er allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich macht, weil ein anderer Maßstab dem Wesen der Vergnügungsteuer fremd, also nicht sachgerecht und deshalb mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren wäre (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.b).

56

Ein solcher zulässiger Ersatzmaßstab besteht in der Anknüpfung an die Einspielergebnisse der Spielgeräte (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.2.a bb; BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 2.a bb; OVG NRW-Urteile vom 23. Juni 2010  14 A 597/09, juris, Rz 81 ff., und vom 7. April 2011  14 A 1632/09, juris, Rz 37 ff.).

57

d) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass die in § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG bestimmte Ersatzbemessungsgrundlage das Vierfache des Einspielergebnisses beträgt. Es handelt sich dabei um einen vom Gesetzgeber als sachgerecht angesehenen Durchschnittswert, der der regelmäßigen Bemessungsgrundlage, nämlich den Spieleinsätzen, nahe kommen soll. Der anzuwendende Faktor berücksichtigt nach der Gesetzesbegründung (BürgerschaftsDrucks 18/4806, S. 4) die Aussagen der Hamburger Spielgeräteaufsteller zu den durchschnittlichen Gewinnausschüttungen an Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit. Für die Vereinfachungsregelung sei der Faktor so zu wählen, dass sie nicht als faktische Begünstigungsvorschrift für den Regelfall und damit als ungerechtfertigte Begünstigung wirke. Bei einem niedrigeren Faktor bestünde die Gefahr, dass dem nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG ermittelten Spieleinsatz des Spielers als der gesetzlich vorgegebenen steuerlichen Bemessungsgrundlage tatsächlich nur noch theoretische Bedeutung zukäme und die steuerliche Bemessungsgrundlage ausschließlich über die Vereinfachungsregelung ermittelt würde. Dass diese Einschätzung des Gesetzgebers zulasten der Spielgerätebetreiber grob fehlerhaft und deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr hinnehmbar sei, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht konkret geltend gemacht.

58

Das Gesetz verpflichtet den Spielgerätebetreiber im Übrigen nicht dazu, von der Vereinfachungsregel des § 12 HmbSpVStG Gebrauch zu machen. Er ist vielmehr berechtigt, die Steuer auf der Grundlage des Spieleinsatzes i.S. des § 1 Abs. 1 und 3 HmbSpVStG anzumelden. Bildet der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG auf das Einspielergebnis anzuwendende Faktor 4 die Bemessungsgrundlage nach Ansicht des Steuerschuldners im Einzelfall nicht angemessen ab, steht es ihm nach der Gesetzesbegründung (BürgerschaftsDrucks 18/4806, S. 4) weiterhin frei, den Spieleinsatz auf geeignete Art und Weise nachzuweisen oder glaubhaft zu machen; denn das HmbSpVStG schränke die allgemeinen Grundsätze der AO zur Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen nicht ein.

59

e) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass die Möglichkeit zur vereinfachten Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG durch § 2 des Gesetzes vom 6. Oktober 2006 rückwirkend zum ursprünglichen Inkrafttreten des HmbSpVStG eingeführt wurde. Die Steuerpflichtigen wurden dadurch nicht rückwirkend belastet. Vielmehr wurde nur eine zusätzliche, vereinfachte Möglichkeit zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Steuer geschaffen, ohne dass die Automatenaufsteller verpflichtet sind, hiervon Gebrauch zu machen. Zudem wurde der Steuersatz für Spielgeräte mit Geld- oder Warengewinnmöglichkeit gleichzeitig rückwirkend zum 1. Oktober 2005 von dem ursprünglich vorgesehenen Steuersatz von 10 % des Spieleinsatzes (§ 4 Abs. 1 HmbSpVStG a.F.) für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. April 2006 auf 8 % des Spieleinsatzes und für die Zeit danach auf 5 % des Spieleinsatzes herabgesetzt (§ 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG).

60

4. Der in § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HmbSpVStG bestimmte Steuersatz von 8 % des Spieleinsatzes für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. April 2006 und von 5 % des Spieleinsatzes für die Zeit danach ist ebenfalls verfassungsgemäß. Die Steuer kann auf die Spieler abgewälzt werden. Es genügt dabei die kalkulatorische Abwälzbarkeit in dem Sinn, dass der Steuerpflichtige den von ihm zu zahlenden Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 1, unter C.II.1.c und 3., m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b cc aaa, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b cc aaa). Die Automatenaufsteller sind weder durch die SpielV noch durch andere Vorschriften gehindert, ihren Geschäftsbetrieb so zu gestalten, dass ihnen nach Deckung aller Kosten und Entrichtung der Spielvergnügungsteuer noch ein Gewinn verbleibt. Dies reicht aus, um die Abwälzbarkeit zu bejahen. Setzen die Spielhallenbetreiber Geräte ein, die insbesondere hinsichtlich der Einsätze und der Gewinne so programmiert sind, dass nach Begleichung aller Kosten und Entrichtung der Steuer kein Gewinn erzielt werden kann, fällt dies in deren Verantwortungsbereich (vgl. im Einzelnen BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 692, unter II.2.b cc, und in BFH/NV 2010, 1144, unter II.2.b cc). Dass die Einspielergebnisse im Verhältnis zu den der Besteuerung unterliegenden Einsätzen und somit auch zu der Steuer schwanken können, liegt in der Natur des Betriebs von Geldspielgeräten und muss von deren Betreibern bei der Gestaltung ihres Geschäftsbetriebs und der Kalkulation berücksichtigt werden. Zur Verfassungswidrigkeit des HmbSpVStG führt dies nicht (vgl. BVerwG-Urteil in BVerwGE 135, 367, unter 2.b).

61

5. Die angefochtenen Steuerfestsetzungen sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

62

a) Soweit die Klägerin bei den Steueranmeldungen vom Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG ausgegangen sein sollte, ohne dass die von ihr eingesetzten Spielgeräte dessen zutreffende Ermittlung ermöglicht haben, muss sie es hinnehmen, dass möglicherweise auch Beträge als Einsatz erfasst wurden, die die Spieler nach der Umbuchung in den Punktespeicher in den Geldspeicher zurückgebucht haben, ohne sie zum Spielen eingesetzt zu haben (vgl. BVerwG-Beschluss vom 15. Juni 2011  9 B 77/10, juris). Einem etwaigen steuerlichen Nachteil der Klägerin in dieser Hinsicht steht der Vorteil gegenüber, dass die im Punktespeicher erzielten Gewinne nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme im Verfahren 2 K 9/09, die der Klägerin aufgrund der Übersendung eines Auszugs aus der Sitzungsniederschrift bekannt waren und deren Richtigkeit die Beteiligten insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH bestätigt haben, auch insoweit nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer eingeflossen sind, als die Spieler sie zum Weiterspielen verwendet haben, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, die gewonnenen Punkte in den Geldspeicher umzubuchen und sich deren Geldwert auszahlen zu lassen. Der Geldwert dieser gewonnenen Punkte wäre in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen gewesen. Dies ist aber nicht geschehen.

63

Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene, allein auf die rechtliche Beurteilung der nach der Umwandlung in Spielpunkte in den Geldspeicher zurückgebuchten und an die Spieler ausgezahlten Geldbeträge bezogene Verfahrensrüge ist somit gegenstandslos.

64

b) Die Rüge der Klägerin, das FG habe den von ihr erbrachten Nachweis, dass die Zählwerke der Altgeräte den Einsatz der Spieler nicht zutreffend aufgezeichnet hätten, nicht berücksichtigt, führt ebenfalls nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung. Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, kann sich die fehlerhafte Aufzeichnung sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten der Klägerin ausgewirkt haben. Die Klägerin hat sich dazu entgegen der Aufforderung in der Verfügung des FG vom 28. Juni 2010, die ihr ausweislich des Empfangsbekenntnisses ihres Prozessbevollmächtigten zugestellt wurde, nicht substantiiert geäußert und nicht angegeben, inwieweit die Steuer für die einzelnen Veranlagungszeiträume in diesem Zusammenhang herabzusetzen sein soll. Auch später hat sie dazu keine Angaben gemacht. Dies geht zu ihren Lasten.

65

c) Das FG ist dem Begehren der Klägerin, für bestimmte Spielgeräte nicht das Vierfache, sondern das Dreifache des Einspielergebnisses als Bemessungsgrundlage der Steuer anzusetzen, zu Recht nicht gefolgt.

66

Wie bereits ausgeführt, kann ein Steuerpflichtiger, nach dessen Ansicht der gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG anzuwendende Faktor 4 die Bemessungsgrundlage der Steuer im Einzelfall nicht angemessen abbildet, den Spieleinsatz zwar auf geeignete Art und Weise nachweisen oder glaubhaft machen. Das FG war aber zutreffend der Ansicht, es fehle insoweit an einer hinreichenden Substantiierung des Begehrens der Klägerin. Zum Nachweis oder zur Glaubhaftmachung des Spieleinsatzes genügt die Behauptung einer durchschnittlichen Ausschüttungsquote nicht. Vielmehr muss die Ausschüttungsquote, die nach den Angaben der Klägerin von Spielgerät zu Spielgerät unterschiedlich ist, konkret für die Spielautomaten nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, für die die Anwendung eines von § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG abweichenden Faktors auf das Einspielergebnis begehrt wird. Dass dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, geht zulasten der Klägerin.

67

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG für die nachfolgenden Anmeldezeiträume nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn der Anmeldeverpflichtete für einen Anmeldezeitraum in einer Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG erklärt hat. Vielmehr ist eine Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 HmbSpVStG nur dann dauerhaft ausgeschlossen, wenn der Anmeldeverpflichtete mindestens einmal den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG nicht erklärt und nachfolgend in einer Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG erklärt hat.

68

Diese Regelung trägt den von der Klägerin angesprochenen Fällen Rechnung, in denen der Spieleinsatz zunächst ermittelt werden konnte und demgemäß erklärt wurde, später aber aufgrund einer Umprogrammierung nicht mehr feststellbar war.

69

e) Der Ansicht der Klägerin, das FA habe entsprechend den im Oktober 2009 für die Monate November 2005 bis Februar 2007 abgegebenen berichtigten Steueranmeldungen die bereits am 23. März 2007 angemeldete, nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG ermittelte Bemessungsgrundlage der Steuer für einzelne Spielgeräte rückwirkend durch die Bemessungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG ersetzen müssen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

70

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG gilt als Spieleinsatz nach § 1 Abs. 3 HmbSpVStG das Vierfache des Einspielergebnisses, wenn der Anmeldeverpflichtete für einzelne oder mehrere Spielgeräte i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HmbSpVStG den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG nicht erklärt. Hat der Anmeldeverpflichtete den Spieleinsatz in der Steueranmeldung nach § 8 HmbSpVStG erklärt, scheidet somit die vereinfachte Ermittlung der Besteuerungsgrundlage aus. Die Erklärung des Spieleinsatzes stellt eine Tatsache dar, die nicht zurückgenommen werden kann und daher vorbehaltlich der in § 12 Abs. 2 HmbSpVStG vorgesehenen Übergangsregelung die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG für den betroffenen Anmeldezeitraum endgültig ausschließt. Die Übergangsregelung beruht darauf, dass § 12 HmbSpVStG erst durch das Gesetz vom 6. Oktober 2006 rückwirkend eingeführt wurde und die Spielgerätebetreiber so gestellt werden sollten, wie wenn § 12 Abs. 1 HmbSpVStG von vornherein im Gesetz enthalten gewesen wäre. Allerdings musste ein entsprechender Änderungsantrag nach § 12 Abs. 2 HmbSpVStG bis zum 31. Dezember 2006 gestellt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Befristung dieser aus sachlichen Gründen eingeführten Übergangsregelung bestehen nicht. Hat der Steuerpflichtige den Spieleinsatz i.S. des § 1 Abs. 3 HmbSpVStG nach Ablauf der Übergangsregelung erklärt, besteht kein begründeter Anlass, nachträglich die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HmbSpVStG zuzulassen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

2

Die GmbH erklärte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... €. Daraus ergab sich eine Zahllast von ... €.

3

Sie legte gegen die --ihrer Erklärung entsprechende-- Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Einspruch ein und machte geltend, ihre Umsätze seien steuerfrei, weil die am 6. Mai 2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG n.F.) durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) gegen das Unionsrecht verstoße.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 256 veröffentlicht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

6

"Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche 'sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz' von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?"

7

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo-Libera-- (BFH/NV 2010, 1590, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 884) bejaht.

8

Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage sei die Erhebung der Umsatzsteuer auf ihre Umsätze aus gewerblichem Automatenspiel zu Unrecht erfolgt, da sie sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen innerstaatliches deutsches Recht (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

9

Die Besteuerung sei rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer wesentliche Merkmale der Umsatzsteuer, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1999 Rs. C-338, 344, 390/97 --Pelzl u.a.-- (Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 328) zur Abgrenzung von anderen Steuerarten herausgearbeitet habe, nicht erfülle und deshalb in Wahrheit gar keine Umsatzsteuer sei. Insbesondere könne die Umsatzsteuer nicht direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97 (HFR 1997, 771, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 328) erforderlich sei.

10

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf den Endverbraucher werde den Betreibern von Geldspielautomaten durch die ab dem 1. Januar 2006 geltende Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) rechtlich unmöglich gemacht, weil sie --anders als die davor geltende SpielV-- keine Regelung dahingehend enthalte, dass die Kasseneinnahmen um die Umsatzsteuer erhöht werden dürften. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. dürfe die Summe der Verluste eines Spielers "im Verlauf einer Stunde 80 € nicht übersteigen", womit gleichzeitig die Höchsteinnahme des Geldspielautomatenaufstellers geregelt werde. Dagegen habe nach § 13 Nr. 6 der zuvor geltenden SpielV die Summe der Gewinne des Spielers "mindestens 60 vom Hundert der durch den jeweiligen Umsatzsteuersatz verringerten Einsätze betragen" müssen.

11

Es fehle ferner an dem weiteren für eine Umsatzsteuer charakteristischen Merkmal, dass die Festsetzung ihrer Höhe proportional zu dem Preis erfolge, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Dienstleistung erhalte (Hinweis u.a. auf Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Denn Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielautomaten seien ausschließlich die Kasseneinnahmen, nicht die Einsätze der Spieler.

12

Zudem verstoße die Steuerfestsetzung gegen den vom EuGH aufgestellten Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn öffentliche Spielbanken, die mit ihrem Automatenspiel gleichartige Leistungen anböten und mit privaten Betreibern von Geldspielgeräten in Wettbewerb stünden, könnten die Umsatzsteuer abwälzen, da sie nicht den Vorschriften der SpielV und damit keiner Preisbindung unterlägen. Außerdem seien zwar auch bei öffentlichen Spielbanken die Kasseneinnahmen die Bemessungsgrundlage; dies sei aber rechtswidrig, weil die in den öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldgewinnspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten.

13

Während des Revisionsverfahrens erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --FA-- (der Revisionsbeklagte) am 4. Dezember 2009 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 und setzte die Umsatzsteuer auf einen Überschuss zugunsten der Revisionsklägerin in Höhe von ... € fest.

14

Die Revisionsklägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass keine monatliche Umsatzsteuererhebung aus dem Betrieb ihrer Geldspielgeräte erfolgen dürfe.

15

Sie beantragt,

festzustellen, dass die aufgrund der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erfolgte Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war,

hilfsweise, das Verfahren erneut auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

16

"1. Ist es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen zu erheben, obwohl dem Steuerpflichtigen eine direkte Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher durch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bestehender Preisbindungen nicht möglich ist?

17

2. Verstößt es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn die Umsätze der gewerblichen Automatenaufsteller ebenso wie die der öffentlichen Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen werden, obwohl die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem gewerblichen Automatenspiel nicht wie die Umsätze der öffentlichen Spielbanken direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden können?

18

3. Ist es in den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu erheben, obwohl es nicht möglich ist, den Betrag der auf den Kunden abgewälzten Abgabe bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung genau zu bestimmen und es somit an der Proportionalität zwischen der Steuer und den Preisen, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung erhält, fehlt?

19

4. Verstößt es gegen den in Art. 1 Abs. 2 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Grundsatz der Proportionalität, wonach auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt werden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist, wenn ein Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem monatlichen oder jährlichen Gesamtumsatz aller Kasseneinnahmen eines Steuerpflichtigen ermittelt, weil es ihm nicht möglich ist, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen?"

20

Höchstvorsorglich regt die Revisionsklägerin an, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision hat aber in der Sache keinen Erfolg; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO---) und die Fortsetzungsfeststellungsklage war abzuweisen.

23

1. Das Urteil des FG musste aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ihm ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt.

24

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 vom 4. Dezember 2009 hat gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007, über den das FG entschieden hat, ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.).

25

In einem solchen Fall ist das FG-Urteil aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.1.a; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, unter II.1.).

26

2. Durch den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheids ist ferner auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten.

27

Wird --wie hier-- während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und wird der Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens, so richtet sich die Revision nunmehr gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).

28

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), zu der die Revisionsklägerin übergegangen ist, ist zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450, unter II.3., m.w.N.), aber unbegründet; die Umsatzsteuerfestsetzung für Januar 2007 war rechtmäßig.

29

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze der GmbH waren nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, unter II.1. näher ausgeführt hat. Dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. unionskonform ist, hat der EuGH in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 geklärt.

30

b) Der Ansicht der Revisionsklägerin, der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 sei deshalb rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abgewälzt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen.

31

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 nicht so zu verstehen, dass die in Rz 21 dieses Urteils genannten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Umsatzsteuerfestsetzung sind.

32

Vielmehr dienen die vom EuGH in Rz 21 seines Urteils --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 genannten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283, 312/06 --Kögaz--, Slg. 2007, I-8463, BFH/NV Beilage 2008, 44; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 81/01, BFHE 199, 507, BStBl II 2002, 887, unter II.3.c)

33

- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,

34

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält,

35

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze,

36

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,

37

lediglich der Feststellung, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr --wie im zugrunde liegenden Fall eine Tourismusabgabe-- den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern hat (vgl. Rz 20 sowie Rz 21: "zu diesem Zweck").

38

Im Übrigen ist das zuletzt genannte Merkmal einer Umsatzsteuer im Streitfall erfüllt. Denn die GmbH war gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.

39

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs--, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111, UR 1997, 265, Rz 19, 24, 28; vom 15. Oktober 2002 Rs. C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 29).

40

Auch insoweit war der ursprünglich angefochtene Vorauszahlungsbescheid rechtmäßig. Denn die Bemessungsgrundlage für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer war nicht höher als die von den Spielern tatsächlich gezahlten Beträge.

41

bb) Der Senat folgt ferner nicht der Ansicht der Revisionsklägerin, sie sei durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. rechtlich an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) gehindert.

42

Denn die Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag --etwa wie einen durchlaufenden Posten-- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren; letztlich hängt es von der Marktlage ab, ob dem Steuerzahler die Überwälzung gelingt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 10. Mai 1962  1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, unter C.I.6.; vom 3. Mai 2001  1 BvR 624/00, BFH/NV Beilage 2001, 159, HFR 2001, 709, unter II.1.b aa).

43

Der Ansicht der Revisionsklägerin, diese Aussage des BVerfG beschränke sich auf die Vergnügungssteuer, zu der diese Entscheidungen ergangen sind, sie sei deshalb nicht auf die Umsatzsteuer zu übertragen, folgt der Senat angesichts der vom BVerfG gewählten allgemeinen Formulierungen nicht. Im Übrigen hat das BVerfG diese Grundsätze auch auf die Frage der Abwälzbarkeit anderer Verbrauchsteuern angewandt (vgl. z.B. zur Stromsteuer und zur Mineralölsteuer: BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 67; zur Spielgerätesteuer: BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, HFR 2009, 708, unter C.II.1.c).

44

Soweit die Revisionsklägerin meint, im Unterschied zu anderen Steuern wie der Vergnügungssteuer, bei der zur Abwälzung ein kalkulatorisches Abwälzen genüge, werde im Umsatzsteuerrecht unter Abwälzung ausschließlich ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis verstanden, d.h. dem Unternehmer solle es zumindest rechtlich möglich sein, die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis zu verlangen, sieht der Senat für diese Differenzierung keine Grundlage. Im Übrigen verbietet § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis nicht. Insbesondere garantiert diese Vorschrift den Betreibern von Geldspielgeräten nicht eine bestimmte Gewinnmarge.

45

cc) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionsklägerin ohne Erfolg auf den Beschluss des BVerfG in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328.

46

In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, seine Rechtsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Untergrenze für den Zugriff durch Einkommensteuer könne auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden (Orientierungssatz 2). Das Umsatzsteuersystem sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt. Der Unternehmer solle daher in dieser Eigenschaft nicht mit Umsatzsteuer belastet sein; Steuerträger solle vielmehr der Verbraucher sein (Orientierungssatz 2a). Da der Endverbraucher materiell mit der Umsatzsteuer belastet sei, stelle sich --wenn überhaupt-- allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern (Orientierungssatz 2c).

47

Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin vermag der Senat dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, das BVerfG sehe die erforderliche Möglichkeit zur Abwälzung der Umsatzsteuer (nur) dann als gegeben an, wenn die Umsatzsteuer, wie bei den Steuerberatern, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren erhoben werden dürfe. Vielmehr hat das BVerfG insoweit ausgeführt (Rz 3): "So gelingt auch einem Steuerberater die Abwälzung der Umsatzsteuer auf seinen Mandanten, da er im Regelfall die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren abrechnet und die dem Finanzamt geschuldete Umsatzsteuer zusätzlich in Rechnung stellen darf (§ 15 der Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften)."

48

Dabei handelt es sich aber um keine verallgemeinerungsfähige Aussage. Vielmehr hat das BVerfG hier lediglich beispielhaft die für Steuerberater geltende Gebührenordnung genannt - offenbar deshalb, weil der Kläger Steuerberater war.

49

Zudem hat das BVerfG für seine Aussage, die Umsatzsteuer sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt, in Rz 2 seiner Entscheidung in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328 auf seinen Beschluss vom 19. März 1974  1 BvR 416, 767, 779/68 (BVerfGE 37, 38 <46>) verwiesen, wo es heißt: "Die Mehrwertsteuer ist auf Abwälzung angelegt. Für den Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, ist daher weniger die Höhe des Steuersatzes als vielmehr der Grad der Wahrscheinlichkeit entscheidend, die Steuer weitergeben zu können. Die Aussichten dafür sind für Dienstleistungs- und Warenanbieter bei einheitlichem Steuersatz grundsätzlich gleich."

50

Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (s. oben unter II.3.b aa).

51

c) Die Steuererhebung im Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 ist auch nicht wegen fehlender Proportionalität der festgesetzten Steuer zu den Einsätzen der einzelnen Spieler zu beanstanden.

52

Denn der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 --Glawe-- (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden, bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt werde, bestehe die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen könne; bei solchen Automaten gehöre der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage.

53

Eine Proportionalität der Umsatzsteuer zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers, die nach dem Vorbringen der Revisionsklägerin deshalb nicht gegeben ist, weil Besteuerungsgrundlage nicht diese einzelnen Einsätze, sondern die monatlichen bzw. jährlichen Kasseneinnahmen seien, hat der EuGH in seinem Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 --das die Betreiber von Geldspielautomaten nicht beschwert-- nicht gefordert. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883).

54

d) Die Steuerfestsetzung im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 verstieß entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz.

55

Der EuGH hat in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz verneint (Rz 34 ff.) und dabei u.a. ausgeführt, dass dieser Grundsatz auf eine nicht harmonisierte Abgabe keine Anwendung findet (Rz 38). Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Vortrag der Revisionsklägerin öffentliche Spielbanken --anders als gewerbliche Automatenaufsteller-- den Vorschriften der SpielV nicht unterliegen.

56

Jedenfalls behandelt "die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung" --nämlich § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F.-- gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich (vgl. Rz 36 des EuGH-Urteils).

57

e) Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch der von der Revisionsklägerin geltend gemachte Verstoß von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG aus.

58

Das ergänzende, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen der Revisionsklägerin, zwar würden auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen, das verstoße aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Geldspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten, bleibt ohne Erfolg. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen soll, wenn für Umsätze aus dem Betrieb gleichartiger Geldspielgeräte die gleiche Bemessungsgrundlage gilt.

59

4. Angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG sieht der Senat für die von der Revisionsklägerin hilfsweise beantragte erneute Vorlage der Sache an den EuGH ebenso wenig eine Grundlage wie für eine Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 nicht klagebefugt sind.

(4) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.

(5) Die als Mitberechtigte Beigeladenen können aufgefordert werden, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(6) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines als Kläger oder Beklagter Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.

3

Die Klägerin hält es für klärungsbedürftig, ob Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgaben auf Glücksspiele nur alternativ, nicht aber kumulativ erhoben werden dürfen. Gleiches gelte für die Frage, ob landesrechtliche Bestimmungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind, die für staatliche Spielbanken eine Anrechnung, Stundung oder einen Erlass von Sonderabgaben vorsehen, die mit der Umsatzsteuer korrespondieren und die so zu einem faktischen Wettbewerbsvorteil im Verhältnis zu privaten Geldspielautomatenaufstellern führen.

4

Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung geklärt. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 24. Oktober 2013 C-440/12 Metropol (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 866) entschieden, dass Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) i.V.m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, "dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat" und dass Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL dahin auszulegen ist, "dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht". Damit besteht kein weitergehender Klärungsbedarf in Bezug auf die aufgeworfenen Fragen.

5

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, da durch das EuGH-Urteil Metropol in UR 2013, 866, das die nationalen Gerichte bei der Rechtsauslegung und –anwendung zu beachten haben, eine hinreichende Klärung eingetreten ist. Dies gilt auch in Bezug auf frühere Urteile des EuGH.

6

Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin auch erhobene Rüge, das Finanzgericht (FG) habe ihr durch das Unterlassen einer Vorlage an den EuGH den gesetzlichen Richter entzogen und damit gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, greift nicht durch. Denn nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union sind die Finanzgerichte --als nicht letztinstanzliche Gerichte-- nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1994 VII R 107/93, BFHE 175, 192, BStBl II 1994, 875, unter II.2. der Gründe; BFH-Beschluss vom 27. November 2003 VII R 49/03, BFH/NV 2004, 521, unter II.2.). Das gilt auch, wenn Rechtsmittel --ggf. durch das höhere Gericht-- zuzulassen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2007 IV B 169/06, BFH/NV 2008, 390, unter 4.).

7

3. Es liegt auch kein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor. Die Klägerin macht insoweit geltend, dass ihr Anspruch auf faires Verfahren und damit Art. 103 GG verletzt sei. Im Kern wendet sich die Klägerin aber gegen die materiell-rechtliche Beurteilung durch das FG, die zwischenzeitlich durch den EuGH bestätigt wurde. Dass die Klägerin eine nachvollziehbare Ableitung der finanzgerichtlichen Überzeugung vermisst und beanstandet, dass das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 74 FGO evident nicht vorgelegen hätten, reicht nicht aus.

8

4. Auch der Erlass des Änderungsbescheides führt nicht zur Begründetheit der Beschwerde.

9

Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Nichtzulassungsbeschwerde ein Änderungsbescheid, ist die Vorentscheidung entsprechend § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die Vorentscheidung ist aber nicht entsprechend § 127 FGO aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. März 2006 V B 13/04, BFH/NV 2006, 1492; vom 8. Februar 2007 IV B 138/05, BFH/NV 2007, 1326, und vom 29. Oktober 2010 V B 123/09, BFH/NV 2011, 663).

10

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2011 vom 4. Juli 2013 hat die --auch-- angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar bis Mai 2011, Juli 2011 und September bis Dezember 2011 ersetzt und ist nach § 68 FGO zum Verfahrensgegenstand geworden (BFH-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 X B 60/07, BFH/NV 2009, 205; vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566). Klägerin und der Beklagte und Beschwerdegegner haben zudem erklärt, dass sich durch den Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheides der Streitgegenstand nicht geändert habe.

Tatbestand

1

I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

2

Die GmbH erklärte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... €. Daraus ergab sich eine Zahllast von ... €.

3

Sie legte gegen die --ihrer Erklärung entsprechende-- Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Einspruch ein und machte geltend, ihre Umsätze seien steuerfrei, weil die am 6. Mai 2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG n.F.) durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) gegen das Unionsrecht verstoße.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 256 veröffentlicht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

6

"Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche 'sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz' von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?"

7

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo-Libera-- (BFH/NV 2010, 1590, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 884) bejaht.

8

Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage sei die Erhebung der Umsatzsteuer auf ihre Umsätze aus gewerblichem Automatenspiel zu Unrecht erfolgt, da sie sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen innerstaatliches deutsches Recht (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

9

Die Besteuerung sei rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer wesentliche Merkmale der Umsatzsteuer, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1999 Rs. C-338, 344, 390/97 --Pelzl u.a.-- (Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 328) zur Abgrenzung von anderen Steuerarten herausgearbeitet habe, nicht erfülle und deshalb in Wahrheit gar keine Umsatzsteuer sei. Insbesondere könne die Umsatzsteuer nicht direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97 (HFR 1997, 771, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 328) erforderlich sei.

10

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf den Endverbraucher werde den Betreibern von Geldspielautomaten durch die ab dem 1. Januar 2006 geltende Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) rechtlich unmöglich gemacht, weil sie --anders als die davor geltende SpielV-- keine Regelung dahingehend enthalte, dass die Kasseneinnahmen um die Umsatzsteuer erhöht werden dürften. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. dürfe die Summe der Verluste eines Spielers "im Verlauf einer Stunde 80 € nicht übersteigen", womit gleichzeitig die Höchsteinnahme des Geldspielautomatenaufstellers geregelt werde. Dagegen habe nach § 13 Nr. 6 der zuvor geltenden SpielV die Summe der Gewinne des Spielers "mindestens 60 vom Hundert der durch den jeweiligen Umsatzsteuersatz verringerten Einsätze betragen" müssen.

11

Es fehle ferner an dem weiteren für eine Umsatzsteuer charakteristischen Merkmal, dass die Festsetzung ihrer Höhe proportional zu dem Preis erfolge, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Dienstleistung erhalte (Hinweis u.a. auf Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Denn Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielautomaten seien ausschließlich die Kasseneinnahmen, nicht die Einsätze der Spieler.

12

Zudem verstoße die Steuerfestsetzung gegen den vom EuGH aufgestellten Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn öffentliche Spielbanken, die mit ihrem Automatenspiel gleichartige Leistungen anböten und mit privaten Betreibern von Geldspielgeräten in Wettbewerb stünden, könnten die Umsatzsteuer abwälzen, da sie nicht den Vorschriften der SpielV und damit keiner Preisbindung unterlägen. Außerdem seien zwar auch bei öffentlichen Spielbanken die Kasseneinnahmen die Bemessungsgrundlage; dies sei aber rechtswidrig, weil die in den öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldgewinnspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten.

13

Während des Revisionsverfahrens erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --FA-- (der Revisionsbeklagte) am 4. Dezember 2009 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 und setzte die Umsatzsteuer auf einen Überschuss zugunsten der Revisionsklägerin in Höhe von ... € fest.

14

Die Revisionsklägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass keine monatliche Umsatzsteuererhebung aus dem Betrieb ihrer Geldspielgeräte erfolgen dürfe.

15

Sie beantragt,

festzustellen, dass die aufgrund der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erfolgte Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war,

hilfsweise, das Verfahren erneut auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

16

"1. Ist es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen zu erheben, obwohl dem Steuerpflichtigen eine direkte Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher durch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bestehender Preisbindungen nicht möglich ist?

17

2. Verstößt es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn die Umsätze der gewerblichen Automatenaufsteller ebenso wie die der öffentlichen Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen werden, obwohl die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem gewerblichen Automatenspiel nicht wie die Umsätze der öffentlichen Spielbanken direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden können?

18

3. Ist es in den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu erheben, obwohl es nicht möglich ist, den Betrag der auf den Kunden abgewälzten Abgabe bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung genau zu bestimmen und es somit an der Proportionalität zwischen der Steuer und den Preisen, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung erhält, fehlt?

19

4. Verstößt es gegen den in Art. 1 Abs. 2 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Grundsatz der Proportionalität, wonach auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt werden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist, wenn ein Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem monatlichen oder jährlichen Gesamtumsatz aller Kasseneinnahmen eines Steuerpflichtigen ermittelt, weil es ihm nicht möglich ist, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen?"

20

Höchstvorsorglich regt die Revisionsklägerin an, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision hat aber in der Sache keinen Erfolg; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO---) und die Fortsetzungsfeststellungsklage war abzuweisen.

23

1. Das Urteil des FG musste aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ihm ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt.

24

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 vom 4. Dezember 2009 hat gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007, über den das FG entschieden hat, ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.).

25

In einem solchen Fall ist das FG-Urteil aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.1.a; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, unter II.1.).

26

2. Durch den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheids ist ferner auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten.

27

Wird --wie hier-- während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und wird der Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens, so richtet sich die Revision nunmehr gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).

28

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), zu der die Revisionsklägerin übergegangen ist, ist zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450, unter II.3., m.w.N.), aber unbegründet; die Umsatzsteuerfestsetzung für Januar 2007 war rechtmäßig.

29

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze der GmbH waren nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, unter II.1. näher ausgeführt hat. Dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. unionskonform ist, hat der EuGH in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 geklärt.

30

b) Der Ansicht der Revisionsklägerin, der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 sei deshalb rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abgewälzt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen.

31

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 nicht so zu verstehen, dass die in Rz 21 dieses Urteils genannten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Umsatzsteuerfestsetzung sind.

32

Vielmehr dienen die vom EuGH in Rz 21 seines Urteils --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 genannten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283, 312/06 --Kögaz--, Slg. 2007, I-8463, BFH/NV Beilage 2008, 44; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 81/01, BFHE 199, 507, BStBl II 2002, 887, unter II.3.c)

33

- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,

34

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält,

35

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze,

36

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,

37

lediglich der Feststellung, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr --wie im zugrunde liegenden Fall eine Tourismusabgabe-- den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern hat (vgl. Rz 20 sowie Rz 21: "zu diesem Zweck").

38

Im Übrigen ist das zuletzt genannte Merkmal einer Umsatzsteuer im Streitfall erfüllt. Denn die GmbH war gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.

39

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs--, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111, UR 1997, 265, Rz 19, 24, 28; vom 15. Oktober 2002 Rs. C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 29).

40

Auch insoweit war der ursprünglich angefochtene Vorauszahlungsbescheid rechtmäßig. Denn die Bemessungsgrundlage für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer war nicht höher als die von den Spielern tatsächlich gezahlten Beträge.

41

bb) Der Senat folgt ferner nicht der Ansicht der Revisionsklägerin, sie sei durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. rechtlich an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) gehindert.

42

Denn die Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag --etwa wie einen durchlaufenden Posten-- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren; letztlich hängt es von der Marktlage ab, ob dem Steuerzahler die Überwälzung gelingt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 10. Mai 1962  1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, unter C.I.6.; vom 3. Mai 2001  1 BvR 624/00, BFH/NV Beilage 2001, 159, HFR 2001, 709, unter II.1.b aa).

43

Der Ansicht der Revisionsklägerin, diese Aussage des BVerfG beschränke sich auf die Vergnügungssteuer, zu der diese Entscheidungen ergangen sind, sie sei deshalb nicht auf die Umsatzsteuer zu übertragen, folgt der Senat angesichts der vom BVerfG gewählten allgemeinen Formulierungen nicht. Im Übrigen hat das BVerfG diese Grundsätze auch auf die Frage der Abwälzbarkeit anderer Verbrauchsteuern angewandt (vgl. z.B. zur Stromsteuer und zur Mineralölsteuer: BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 67; zur Spielgerätesteuer: BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, HFR 2009, 708, unter C.II.1.c).

44

Soweit die Revisionsklägerin meint, im Unterschied zu anderen Steuern wie der Vergnügungssteuer, bei der zur Abwälzung ein kalkulatorisches Abwälzen genüge, werde im Umsatzsteuerrecht unter Abwälzung ausschließlich ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis verstanden, d.h. dem Unternehmer solle es zumindest rechtlich möglich sein, die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis zu verlangen, sieht der Senat für diese Differenzierung keine Grundlage. Im Übrigen verbietet § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis nicht. Insbesondere garantiert diese Vorschrift den Betreibern von Geldspielgeräten nicht eine bestimmte Gewinnmarge.

45

cc) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionsklägerin ohne Erfolg auf den Beschluss des BVerfG in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328.

46

In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, seine Rechtsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Untergrenze für den Zugriff durch Einkommensteuer könne auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden (Orientierungssatz 2). Das Umsatzsteuersystem sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt. Der Unternehmer solle daher in dieser Eigenschaft nicht mit Umsatzsteuer belastet sein; Steuerträger solle vielmehr der Verbraucher sein (Orientierungssatz 2a). Da der Endverbraucher materiell mit der Umsatzsteuer belastet sei, stelle sich --wenn überhaupt-- allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern (Orientierungssatz 2c).

47

Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin vermag der Senat dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, das BVerfG sehe die erforderliche Möglichkeit zur Abwälzung der Umsatzsteuer (nur) dann als gegeben an, wenn die Umsatzsteuer, wie bei den Steuerberatern, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren erhoben werden dürfe. Vielmehr hat das BVerfG insoweit ausgeführt (Rz 3): "So gelingt auch einem Steuerberater die Abwälzung der Umsatzsteuer auf seinen Mandanten, da er im Regelfall die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren abrechnet und die dem Finanzamt geschuldete Umsatzsteuer zusätzlich in Rechnung stellen darf (§ 15 der Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften)."

48

Dabei handelt es sich aber um keine verallgemeinerungsfähige Aussage. Vielmehr hat das BVerfG hier lediglich beispielhaft die für Steuerberater geltende Gebührenordnung genannt - offenbar deshalb, weil der Kläger Steuerberater war.

49

Zudem hat das BVerfG für seine Aussage, die Umsatzsteuer sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt, in Rz 2 seiner Entscheidung in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328 auf seinen Beschluss vom 19. März 1974  1 BvR 416, 767, 779/68 (BVerfGE 37, 38 <46>) verwiesen, wo es heißt: "Die Mehrwertsteuer ist auf Abwälzung angelegt. Für den Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, ist daher weniger die Höhe des Steuersatzes als vielmehr der Grad der Wahrscheinlichkeit entscheidend, die Steuer weitergeben zu können. Die Aussichten dafür sind für Dienstleistungs- und Warenanbieter bei einheitlichem Steuersatz grundsätzlich gleich."

50

Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (s. oben unter II.3.b aa).

51

c) Die Steuererhebung im Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 ist auch nicht wegen fehlender Proportionalität der festgesetzten Steuer zu den Einsätzen der einzelnen Spieler zu beanstanden.

52

Denn der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 --Glawe-- (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden, bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt werde, bestehe die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen könne; bei solchen Automaten gehöre der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage.

53

Eine Proportionalität der Umsatzsteuer zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers, die nach dem Vorbringen der Revisionsklägerin deshalb nicht gegeben ist, weil Besteuerungsgrundlage nicht diese einzelnen Einsätze, sondern die monatlichen bzw. jährlichen Kasseneinnahmen seien, hat der EuGH in seinem Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 --das die Betreiber von Geldspielautomaten nicht beschwert-- nicht gefordert. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883).

54

d) Die Steuerfestsetzung im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 verstieß entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz.

55

Der EuGH hat in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz verneint (Rz 34 ff.) und dabei u.a. ausgeführt, dass dieser Grundsatz auf eine nicht harmonisierte Abgabe keine Anwendung findet (Rz 38). Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Vortrag der Revisionsklägerin öffentliche Spielbanken --anders als gewerbliche Automatenaufsteller-- den Vorschriften der SpielV nicht unterliegen.

56

Jedenfalls behandelt "die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung" --nämlich § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F.-- gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich (vgl. Rz 36 des EuGH-Urteils).

57

e) Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch der von der Revisionsklägerin geltend gemachte Verstoß von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG aus.

58

Das ergänzende, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen der Revisionsklägerin, zwar würden auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen, das verstoße aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Geldspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten, bleibt ohne Erfolg. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen soll, wenn für Umsätze aus dem Betrieb gleichartiger Geldspielgeräte die gleiche Bemessungsgrundlage gilt.

59

4. Angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG sieht der Senat für die von der Revisionsklägerin hilfsweise beantragte erneute Vorlage der Sache an den EuGH ebenso wenig eine Grundlage wie für eine Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG.