Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Juli 2015 - 3 K 305/14

ECLI:ECLI:DE:FGST:2015:0708.3K305.14.0A
bei uns veröffentlicht am08.07.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine Steuerbefreiung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit.

2

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23. April 2010 zunächst als Unternehmergesellschaft (UG, haftungsbeschränkt) gegründet. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist ausweislich der Eintragungen im Handelsregister B des Amtsgerichts S. der Betrieb von Spielhallen, von zugelassenen Glücksspielautomaten, Unterhaltungsgeräten, zugelassenen Sportwetten und Wetten aller Art sowie der Betrieb von Schank- und Speisewirtschaft mit Alkoholausschank. Alleiniger, von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreiter Geschäftsführer der Klägerin ist seit dem 20. Februar 2014 W. B. Nach einer Erhöhung des Stammkapitals firmiert die Klägerin seit Oktober 2014 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).

3

Am 27. November 2013 reichte die Klägerin beim Beklagten die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 ein. Sie erklärte Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. von 48.969,00 € sowie abziehbare Vorsteuerbeträge von 4.200,78 € und berechnete eine Umsatzsteuer von 5.103,14 €. Die erzielten Umsätze stammten ausweislich des parallel eingereichten Jahresabschlusses ausschließlich aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.

4

Bereits am 26. November 2013 hatte die Klägerin elektronisch die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2011 beim Beklagten eingereicht. Sie erklärte für das Jahr 2011 Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. von 162.624,00 € sowie abziehbare Vorsteuerbeträge von 15.592,15 € und berechnete hieraus eine Umsatzsteuer von 15.306,41 €. Ausweislich des Jahresabschlusses stammten auch im Jahr 2011 die erzielten Umsätze ausschließlich aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.

5

Der Beklagte war der Auffassung, dass die Steuererklärungen nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) mit dem Tag des Eingangs beim Beklagten einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen und erteilte keine gesonderten Steuerbescheide sondern rechnete am 27. Dezember 2013 (für 2010) sowie 17. Dezember 2013 (für 2011) entsprechend den Angaben der Klägerin ab.

6

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 legte die Klägerin gegen die Umsatzsteuerjahresbescheide für 2010 und 2011 Einspruch ein, den sie nicht weiter begründete.

7

Der Beklagte wies die Einsprüche daraufhin mit Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2014 als unbegründet zurück.

8

Die hiergegen gerichtete Klage ist bei Gericht am 19. März 2014 eingegangen. Die Klage-schrift trägt als Absender die A. UG und weist im Rubrum als Klägerin die G. UG aus. Der Klage beigefügt waren Abschriften der o.g. an die K. A. UG gerichteten Einspruchsentscheidungen sowie Abrechnungen.

9

Die Klägerin begründet Ihre Rechtsauffassung, warum nach Ihrer Ansicht die fraglichen Umsätze unter anderem unter Berufung auf das Unionsrecht von der Umsatzsteuer zu befreien sind, wie folgt:

10

Es sei keine gültige Rechtsgrundlage zur Erhebung einer Umsatzsteuer auf Glücksspielumsätze gegeben. Mit der Neufassung von § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) durch das Gesetz vom 28. April 2006 werde das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verfälscht und die rechtliche Vorgabe zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ausgehöhlt. Die Bundesrepublik Deutschland habe nicht die Gesetzgebungskompetenz gehabt, ohne ausdrückliche Genehmigung (Dispensverfahren) bei der Umsetzung von der verbindlichen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) abzuweichen, die in Art. 135 Abs. 1 Buchst "i" (RL 2006/112/EG) eine uneingeschränkte Mehrwertsteuerbefreiung für Glücksspielumsätze vorsehe. Bereits die Vorläuferregelung habe nicht der MwStSystRL entsprochen und sei am 17. Februar 2005 durch den EuGH in der Rechtssache „L.“ (C-453/02 und C-462/02) als unionsrechtswidrig und damit unanwendbar angesehen worden. Nach dem Unionsrecht sei für Glücksspielumsätze eine zwingende Mehrwertsteuerbefreiung vorgegeben. Gem. Art. 137 MwStSystRL könnten sich Steuerpflichtige auch nicht für eine Besteuerung der Glücksspielumsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst i der MwStSystRL entscheiden, wodurch auch ein Vorsteuerabzug entfalle.

11

Die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten beschränke sich ausschließlich auf die Zulassung von Glücksspielen.

12

Auch liege ein Verstoß gegen Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG vor, der zwingend vorgebe, dass eine Umsatzsteuer oder eine damit vergleichbare Steuer weder beibehalten noch neu eingeführt werden dürfe. Die Einführung einer Mehrwertsteuer auf Glücksspiele habe aber zweifellos den Charakter einer Umsatzsteuer und habe daher entsprechend der Richtlinie weder eingeführt noch beibehalten können.

13

Ohne Notifizierung gem. der Informationsverfahrensrichtlinie 98/34/EG und ohne vorhergehendes Dispensverfahren gem. Art. 395 MwStSystRL sei die Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst "i" UStG im Jahr 2006 unionsrechtswidrig, weshalb zu einer Besteuerung die Rechtsgrundlage fehle.

14

Der EuGH habe bereits mehrfach betont, dass sich Glücksspielumsätze nicht zur Erhebung einer Umsatzsteuer eignen würden. Dies sei bereits in den Schlussanträgen zur Rechtssache „E." (C 58/09) zum Ausdruck gekommen.

15

Zudem läge eine Wettbewerbsverzerrung vor, da nach Einführung der Umsatzsteuerpflicht für Glücksspielumsätze der staatlichen Spielbanken zum 28. April 2006 auch die Spielbankengesetze der Länder geändert worden seien mit dem Ergebnis, dass die nach der Neufassung des Umsatzsteuergesetzes anfallende Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe angerechnet werde. Im Ergebnis würden die Spielbanken so gestellt, als würden sie die Mehrwertsteuer überhaupt nicht zahlen. Dies stelle eine Diskriminierung der Betreiber von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit dar, die derartige Anrechnungsmöglichkeiten nicht hätten. Hinzu käme, dass es gängige Praxis der Finanzämter sei, dass die auf der Basis des Bruttospielertrags errechnete Spielbankabgabe vom „Saldo 2“ der Geldspielgeräte abgezogen werde und anschließend der so geminderte Betrag als Bemessungsgrundlage herangezogen werde, während bei den Betreibern von Geldspielautomaten eine derartige Minderung der Bemessungsgrundlage nicht erfolge.

16

Andere Finanzgerichte hätten zudem auch in weiteren Fällen wie z.B. der Umsatzsteuerbefreiung für private Krankenhäuser (FG Münster Urteil vom 18. März 2014 15 K 4236/11) und der Umsatzsteuerfreiheit für Golf-Einzelunterricht eines Golfvereins (BFH-Urteil vom 02. März 2011 XI R 21/09) ein unmittelbares Berufen auf das Unionsrecht im Hinblick auf eine Steuerbefreiung für zulässig erachtet.

17

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weiter vorgetragen, dass der auf den Kontrollausdrucken der Geldspielgeräte ersichtliche „Saldo 2“, an Hand derer Sie die Brutto-Bemessungsgrundlage der von ihr erzielten Umsätze ermittelt haben, identisch sei mit dem Gewinn hinsichtlich des betreffenden Automaten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. mit dem Gewinnbegriff, denn der "Saldo 2" sei der Unterschiedsbetrag zwischen dem Geldvermögen des Spielautomaten am Ende einer Abrechnungsperiode (Ziehen des Kassenstreifens) und dem Geldvermögen am Ende der vorangehenden Abrechnungsperiode. Sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen sei eine Erhöhung der Einsätze an den Geldspielgeräten nicht möglich, da der maximale Verlust/Stunde gesetzlich begrenzt sei, so dass für Betreiber von Geldspielgeräten jede Erhöhung des Umsatzsteuersatzes eine Minderung des Gewinns zur Folge habe.

18

Die Klägerin nimmt weiter Bezug auf den Vortrag in dem die Umsatzsteuervorauszahlung für das 1. Kalendervierteljahr 2014 betreffenden Klageverfahren 3 K 909/14. Die in dem dortigen Verfahren vorgelegten Kassenabrechnungen seien so entsprechend auch in den Streitjahren erfolgt. Aus den in dem Parallelverfahren vorgelegten Abrechnungen ist zu entnehmen, dass der "Saldo 2" sich wie folgt berechnet: "Einwurf ./. Auswurf = "Saldo 1" + "Auszahlungsvorrat weniger" + Nachfüllung A ./. Entnahme ./. Fehlbetrag = elektrisch gezählte Kasse + Entnahme – Nachfüllung A = "Saldo 2".

19

Die Klägerin beantragt,
die Festsetzung über Umsatzsteuer 2010 vom 27. November 2013 und 2011 vom 26. November 2013 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer jeweils auf 0,00 € herabgesetzt wird.

20

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

21

Er verweist zum einen darauf, dass bereits nicht klar sei, wer Klägerin im Verfahren sein soll. In der Klageschrift seien sowohl die K. A. UG als auch die G. UG benannt worden.

22

Soweit die Klägerin darauf verweise, dass ihre Rechtsauffassung nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimme, verweise der Beklagte zur Begründung seines Klageabweisungsantrages auf eben diese, von der Klägerin abgelehnte Rechtsprechung.

Entscheidungsgründe

23

1. Die Klage ist zulässig.

24

a) Sie ist fristgerecht durch die Klägerin erhoben. Denn nach Auslegung der Klageschrift kommt lediglich die K. A. UG (jetzt GmbH) und nicht die G. UG als Klägerin in Betracht. Soweit in der Klageschrift zwar als Absender die K. A. UG, im nachfolgenden Rubrum jedoch die G. UG als Klägerin bezeichnet wurden, handelt es sich offensichtlich lediglich um einen Schreibfehler im Rubrum der Klageschrift, da der Geschäftsführer der Klägerin auch Geschäftsführer der G. UG ist. Insofern kann bei der gebotenen rechtsschutzgewährenden Auslegung auch auf Grund der der Klageschrift beigefügten, an die Klägerin gerichteten Bescheide nicht angenommen werden, die G. UG habe Klage erheben wollen.

25

b) Die Klägerin hat auch eine Anfechtungsklage erhoben und nicht etwa eine Nichtigkeitsfeststellungsklage, so dass sich der in der mündlichen Verhandlung gestellte Klageantrag nicht als Klageänderung darstellt.

26

Der Gegenstand der Klage richtet sich nach dem Klagebegehren. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der im finanzgerichtlichen Verfahren zu stellende Klageantrag (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist eine prozessuale Willenserklärung, die der Auslegung zugänglich ist (BFH-Urteil vom 20. November 2014 IV R 47/11, BFHE 248, 144). Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (§ 133 BGB). Dabei sind alle dem Finanzgericht und dem Finanzamt bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232, m.w.N.). Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2013 IX B 73/13, BFH/NV 2014, 178, m.w.N.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Klägers entspricht (BFH-Urteil vom 29. April 2009 X R 35/08, BFH/NV 2009, 1777, m.w.N.).

27

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begehrte die zunächst nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin bereits mit der Klageschrift entgegen dem Wortlaut im Wege einer Anfechtungsklage eine Herabsetzung der Umsatzsteuer auf Grund der von ihr angenommenen Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit und nicht etwa die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes. Denn die gesamte Argumentation der Klägerin ist auf die Steuerfreiheit der betreffenden Umsätze gerichtet. Eine Argumentation dahingehend, dass die Klägerin wie bis zur mündlichen Verhandlung beantragt, von einer Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide ausgehe, findet sich in der Klagebegründung nicht. Das Begehren der Klägerin war daher auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin durchgeführten Vorverfahrens bereits mit Einreichung der Klageschrift als (zulässige) Anfechtungsklage auszulegen. Auch das von der Klägerin durchgeführte Vorverfahren passt mit der Annahme einer Anfechtungsklage überein.

28

2. Die Klage ist unbegründet.

29

Die Festsetzungen über Umsatzsteuer 2010 vom 27. November 2013 und Umsatzsteuer 2011 vom 26. November 2013 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

30

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die von ihr in den Streitjahren ausschließlich erzielten Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts ergibt sich nichts anderes.

31

a) Die von der Klägerin in den Streitjahren erzielten Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit sind umsatzsteuerbar.

32

Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Gem. § 3 Abs. 9 UStG sind sonstige Leistungen solche, die keine Lieferungen sind.

33

Vorliegend ist eine an den jeweiligen Spieler bzw. Nutzer der Geldspielgeräte erbrachte sonstige Leistung der Klägerin als Unternehmerin dadurch gegeben, dass dem jeweiligen Spieler bzw. Nutzer gegen Entgelt die Chance eingeräumt wird einen Gewinn zu erzielen. Die von der Klägerin erzielten Umsätze aus den betreffenden Geräten sind daher steuerbar.

34

b) Die Umsätze sind auch steuerpflichtig.

35

aa) Durch das Gesetz vom 28. April 2006 (mit Geltung ab dem 06. Mai 2006, BGBl I 2006, 1095) hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Sache L. (vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200) dahingehend geändert, dass er zur Vermeidung einer unionsrechtlichen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Spielhallenbetreibern die bis dahin bestehende Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen zugelassener öffentlicher Spielbanken aufgehoben hat.

36

Gem. § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind mithin steuerfrei die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen.

37

Es ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass sie im Voranmeldungszeitraum derartige Umsätze erzielt hat. Nach der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG unterliegen insbesondere sowohl die Umsätze der Spielbanken sowie der Betreiber von Geldspielautomaten der Umsatzsteuer, da sie von der Steuerbefreiungsvorschrift nicht erfasst werden.

38

bb) Die Klägerin kann sich auch nicht zur Begründung einer Steuerfreiheit auf das Unionsrecht berufen, da dieses entgegen ihrer Auffassung gerade nicht, insbesondere nicht in Art 135 Abs. 1 Buchst. "i" der Richtlinie 2006/112/EG eine zwingende Steuerbefreiung für Umsätze aus Glücksspielen mit Geldeinsatz vorgibt.

39

(1) Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien, allerdings unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu. Speziell zu Glücksspielen mit Geldeinsatz hinsichtlich der Rechtslage nach 2006 hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) bereits entschieden, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis gestattet ist, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung festzulegen, und nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien (EUGH-Urteil vom 10. Juni 2010, Leo-Libera, C-58/09, Slg. 2010, I-5189, Randnr. 39, vgl. auch EuGH-Urteil vom 24. Oktober 2013 Metropol Spielstätten UG – C-440/12 – UR 2013, 866).

40

Der BFH hat im Nachgang hierzu für das Jahr 2007 entschieden dass die Umsätze eines gewerblichen Betreibers von Geldspielautomaten auf Grund der am 06. Mai 2006 in Kraft getretenen Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG steuerpflichtig sind und dass die in dieser Vorschrift getroffene Regelung, dass nur bestimmte (Renn-) Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche "sonstigen Glücksspiele mit Geldeinsatz" von der Steuerbefreiung ausgenommen sind, weder gegen das Unionsrecht noch gegen das Grundgesetz verstößt (BFH-Urteil vom 10. November 2010 XI R 79/07, BStBl II 2011, 311). Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 16. April 2012 1 BvR 532/11).

41

(2) Weder liegt ein Verstoß gegen die Notifizierungspflicht durch die im Jahr 2006 erfolgte Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG vor noch war das von der Klägerin genannte Dispensverfahren erforderlich.

42

(a) Der Gesetzgeber hat bei Erlass des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. d. F. des Gesetzes vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204 v. 21. Juli 1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen. Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG machen die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen.  Bei § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG handelt es sich jedoch um keine notifizierungspflichtige technische De-facto-Vorschrift. Nach dem EuGH-Urteil Berlington Hungary u.a. vom 11. Juni 2015 C-98/14 (Zweitschrift für Wett- und Glücksspielrecht -ZfWG- 2015, 336, Rz 97) "können steuerrechtliche Vorschriften ..., die von keiner technischen Spezifikation oder sonstigen Vorschrift begleitet werden, deren Einhaltung sie sicherstellen sollen, nicht als 'technische De-facto-Vorschriften' eingestuft werden".

43

(b) Das in Art. 395 MwStSystRL geregelte und von der Klägerin vorliegend für anwendbar gehaltene Dispensverfahren ist nur für in der Richtlinie nicht vorgesehene Abweichungen erforderlich und erfasst nicht das den Mitgliedstaaten in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL selbst eröffnete Ermessen (vgl. FG Hamburg Urteil vom 15. Juli 2014 3 K 207/13, EFG 2015, 1315).

44

(3) Auch liegt kein Verstoß gegen Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG vor. Hiernach hindert die Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist. Der Wortlaut dieses Artikels verbietet es den Mitgliedstaaten somit nicht, einen Umsatz der Mehrwertsteuer und, kumulativ, einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die keinen Umsatzsteuercharakter hat (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteil vom 8. Juli 1986, Kerrutt, 73/85, Slg. 1986, 2219, Randnr. 22).

45

Speziell zu Glücksspielen mit Geldeinsatz hat der EuGH bereits entschieden, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuerrichtlinie, der „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden“, eine Mehrwertsteuerbefreiung u. a. dieser Spiele vorsieht, dahin auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung festzulegen, gestattet ist, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10. Juni 2010, Leo-Libera, C-58/09, Slg. 2010, I-5189, Randnr. 39). Hieraus folgt, dass die fehlende Umsatzsteuerbefreiung der von der Klägerin erzielten Umsätze keinen Verstoß gegen Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG darstellt.

46

Auch ist Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihrem Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat (EuGH-Urteil vom 24. Oktober 2013 – C-440/12 –, a.a.O.). Dieses Problem stellt sich aber im Streitfall nicht.

47

c) Die von der Klägerin selbst ermittelte Bemessungsgrundlage der von ihr aus dem Betrieb der Geldspielgeräte erzielten Umsätze begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

48

aa) Die Klägerin hat die Bemessungsgrundlage für die erzielten Umsätze nach eigenen Angaben an Hand des „Saldo 2“ der Kassenausdrucke der Automaten berechnet. Der „Saldo 2“ soll nach den Angaben der Klägerin in Anlehnung an den Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG den Unterschiedsbetrag zwischen dem Geldvermögen des Spielautomaten an Ende einer Abrechnungsperiode und dem Geldvermögen am Ende der vorangegangenen Abrechnungsperiode, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen darstellen.

49

Da jedenfalls keine Einzelaufzeichnungen der einzelnen Glücksspiele erfolgt, erscheint diese Methode sachgerecht, um im Wege der gebotenen Schätzung die (Brutto-) Bemessungsgrundlage für die erzielten Umsätze zu ermitteln. Die Klägerin trägt auch selbst nicht vor, welche Bemessungsgrundlage nach Ihrer Auffassung eher sachgerecht sein sollte oder welche (geringere) Bemessungsgrundlage aus ihrer Sicht anzusetzen wäre. Aufzeichnungen über Einzelspiele bzw. die einzelnen getätigten Umsätze liegen nicht vor.

50

Die Tatsache, dass, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht vorträgt, im Ergebnis dann nur der Spielvorgang der Umsatzsteuer unterworfen wird, der mit einem Verlust des Spielers endet, d.h. dass nur der Verlierer als Endverbraucher letztlich mit der Umsatzsteuer belastet wird, ist gerade das Wesen des Glücksspiels. Der Vorteil des Gewinners liegt gerade darin, dass er im Ergebnis gratis und damit nicht gegen Entgelt spielt. Die Tatsache, dass der betreffende Spieler dieses vor dem Spiel nicht weiß, ist ebenfalls gerade ein Wesenselement des Glücksspiels.

51

bb) Auch unter Berufung auf das Unionsrecht ergibt sich nichts anderes. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen (EuGH-Urteil vom 24. Oktober 2013 – C-440/12 –, Metropol Spielstätten UG – C-440/12 –, UR 2013, 866).

52

cc) Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass, wie die Klägerin vorträgt, ihre Einnahmen durch zwingende gesetzliche Vorgaben, d.h. durch § 13 Spielverordnung (SpielV), wonach die Summe der Verlust in einer Stunde 60,00 € nicht übersteigen darf, begrenzt sind. Unter diesen Umständen wird die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, durch „zwingende gesetzliche Vorschriften“ festgelegt und besteht daher nur „in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann“, d. h. in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums. (vgl. EuGH Urteil vom 24. Oktober 2013 – C-440/12 –, a.a.O.)

53

dd) Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität wird nicht verletzt. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht (EuGH-Urteil vom 24. Oktober 2013 – C-440/12 –). Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, stellt ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dar und ist Ausdruck des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der Mehrwertsteuer. Er hat insbesondere zur Folge, dass die Steuerpflichtigen bei gleichartigen und miteinander in Wettbewerb stehenden Leistungen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (vgl. u. a. EuGH-Urteil vom 19. Dezember 2012, Grattan, C-310/11). Auch verpflichtet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Bereich der Mehrwertsteuer nur im Rahmen dieses harmonisierten Systems zur Gewährleistung von Gleichbehandlung und Neutralität. Da die geschuldete Mehrwertsteuer nach der im Streitfall in Rede stehenden Regelung auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, könnte diese Regelung allenfalls Zweifel in Bezug auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Hinblick auf diese nicht harmonisierte Abgabe aufwerfen und nicht im Verhältnis zur Mehrwertsteuer. Im Streitfall kommt dies jedenfalls nicht zum Tragen, da die Klägerin keine Spielbankabgabe entrichten muss. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität ermöglicht es zudem nicht, über die steuerlichen Verhältnisse bei nicht beteiligten Personen zu entscheiden.

54

d) Die Besteuerung der Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielautomaten verstößt auch nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).

55

aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es tatsächlich gängige Praxis sei, dass die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer bei Spielbanken so ermittelt wird, dass die auf der Basis des Bruttospielertrags errechnete Spielbankabgabe vom „Saldo 2“ der Geldspielgeräte abgezogen werde und anschließend der so geminderte Betrag als Bemessungsgrundlage herangezogen werde, während bei den Betreibern von Geldspielautomaten eine derartige Minderung der Bemessungsgrundlage nicht erfolge. Soweit dieses der Fall sein sollte so ist zum einen festzustellen, dass die Klägerin mit Spielbanken in diesem Punkt bereits deshalb nicht vergleichbar ist, da sie gerade keine Spielbankenabgabe zu entrichten hat und daher diese Ermittlung gerade nicht vornehmen kann. Zum anderen würde diese unterstellte Praxis eher die Frage aufwerfen, ob nicht die Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage hinsichtlich der Spielbanken zutreffend erfolgt. Hierüber ist aber in dem vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

56

Ein generell vorliegendes strukturelles Vollzugsdefizit ist hinsichtlich der Erhebung der Umsatzsteuer nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht vorgetragen.

57

bb) Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung darin sehen möchte, dass bei Spielbanken die Umsatzsteuer auf die von diesen, nicht aber von der Klägerin zu entrichtende Spielbankenabgabe angerechnet wird, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Denn zu beurteilen ist vorliegend die Umsatzsteuer und nicht die Spielbankenabgabe. Die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit ermäßigt sich aber auch bei Spielbanken, mit denen sich die Klägerin vergleicht, gerade nicht um die Spielbankenabgabe, sondern es findet eine umgekehrte Anrechnung statt.

58

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO


ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Juli 2015 - 3 K 305/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Juli 2015 - 3 K 305/14

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Juli 2015 - 3 K 305/14 zitiert 18 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Einkommensteuergesetz - EStG | § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen


(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 1 Steuerbare Umsätze


(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund geset

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Abgabenordnung - AO 1977 | § 168 Wirkung einer Steueranmeldung


Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde z

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 65


(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die z

Spielverordnung - SpielV | § 13


Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind: 1. Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Juli 2015 - 3 K 305/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Juli 2015 - 3 K 305/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 20. Nov. 2014 - IV R 47/11

bei uns veröffentlicht am 20.11.2014

Tenor Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. August 2011  6 K 6261/08 aufgehoben.

Finanzgericht Hamburg Urteil, 15. Juli 2014 - 3 K 207/13

bei uns veröffentlicht am 15.07.2014

Tatbestand 1 A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, war.

Bundesfinanzhof Beschluss, 16. Okt. 2013 - IX B 73/13

bei uns veröffentlicht am 16.10.2013

Gründe 1 Die Beschwerde ist begründet. Das Finanzgericht (FG) hat zu Unrecht ein Prozessurteil erlassen. Der darin liegende Verfahrensmangel führt zur Aufhebung der Vore

Bundesfinanzhof Urteil, 10. Nov. 2010 - XI R 79/07

bei uns veröffentlicht am 10.11.2010

Tatbestand 1 I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

Referenzen

Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt. Die Zustimmung bedarf keiner Form.

(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich; dies gilt auf Antrag auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt.4Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.5Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen

1.
einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), und
2.
einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1).
6Ein Wirtschaftsgut wird nicht dadurch entnommen, dass der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 13a übergeht.7Eine Änderung der Nutzung eines Wirtschaftsguts, die bei Gewinnermittlung nach Satz 1 keine Entnahme ist, ist auch bei Gewinnermittlung nach § 13a keine Entnahme.8Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.9In den Fällen des Satzes 3 zweiter Halbsatz gilt das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt.10Bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen.

(2)1Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.2Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.

(3)1Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.2Hierbei scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).3Die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Absatz 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.5Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Sinne des Satzes 4 sind unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle getretenen Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen.

(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

(4a)1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen.4Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.5Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.

(5)1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

1.
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind.2Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen;
2.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.2Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen.3Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen;
3.
Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;
4.
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen;
5.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen.2Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Absatz 4a abziehbar;
6.
Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 und Nummer 5 Satz 5 bis 7 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden.3Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 oder Absatz 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 5 bis 7 oder Absatz 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kraftfahrzeugs nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 oder Satz 3, treten an die Stelle des mit 0,03 oder 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen; § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß.4§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 8 und Nummer 5 Satz 9 gilt entsprechend;
6a.
die Mehraufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 bis 4 abziehbaren Beträge und die Mehraufwendungen für betrieblich veranlasste Übernachtungen, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5a abziehbaren Beträge übersteigen;
6b.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.2Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.3Anstelle der Aufwendungen kann pauschal ein Betrag von 1 260 Euro (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden.4Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1 260 Euro um ein Zwölftel;
6c.
für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1 260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.2Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.3Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nummer 6a oder des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nummer 6b vorgenommen wird;
7.
andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind;
8.
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von einem Mitgliedstaat oder von Organen der Europäischen Union festgesetzt wurden sowie damit zusammenhängende Aufwendungen.2Dasselbe gilt für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem berufsgerichtlichen Verfahren erteilt werden, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.3Die Rückzahlung von Ausgaben im Sinne der Sätze 1 und 2 darf den Gewinn nicht erhöhen.4Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind; Satz 3 ist insoweit nicht anzuwenden;
8a.
Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 der Abgabenordnung und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung, soweit diese nach § 235 Absatz 4 der Abgabenordnung auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden;
9.
Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14 und 17 des Körperschaftsteuergesetzes an außenstehende Anteilseigner geleistet werden;
10.
die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.2Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen.3Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.4Diese unterrichten die Finanzbehörde von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen;
11.
Aufwendungen, die mit unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen von nicht einlagefähigen Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften zur Verwendung in Betrieben in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, deren Gewinn nach § 5a Absatz 1 ermittelt wird;
12.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 der Abgabenordnung;
13.
Jahresbeiträge nach § 12 Absatz 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes.
2Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.3§ 12 Nummer 1 bleibt unberührt.

(5a) (weggefallen)

(5b) Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben.

(6) Aufwendungen zur Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Absatz 2) sind keine Betriebsausgaben.

(7)1Aufwendungen im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b und 7 sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.2Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Absatz 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind.

(8) Für Erhaltungsaufwand bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie bei Baudenkmalen gelten die §§ 11a und 11b entsprechend.

(9)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat.2§ 9 Absatz 6 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(10) § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b ist entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden. Der Klage soll eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und der Einspruchsentscheidung beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist gilt § 56 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. August 2011  6 K 6261/08 aufgehoben.

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1998 vom 10. Mai 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2008 wird dahin geändert, dass nach § 15a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes hinzuzurechnende Beträge nicht festgestellt werden.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) --drei Geschwister-- waren ursprünglich gemeinsam mit ihrer Mutter (M) Gesellschafter der P-GmbH und hielten jeweils einen Anteil am Stammkapital in Höhe von 500.000 DM. Im Jahr 1997 beteiligten sie sich zudem mit einer Einlage in Höhe von je 8.300.000 DM atypisch still an der P-GmbH.

2

Mit Umwandlungsbeschluss vom ... November 1997 wurde die P-GmbH gemäß §§ 190 ff. i.V.m. §§ 226 ff. des Umwandlungsgesetzes in der im Jahr 1997 gültigen Fassung mit Wirkung zum 1. Juli 1997 in die P GmbH & Co. KG (Beigeladene zu 1., im Folgenden: P-KG) umgewandelt, an der M und die Kläger als Kommanditisten mit einer Kommanditeinlage in Höhe von je 10.000.000 DM beteiligt waren. Die Kommanditeinlagen wurden zunächst in Höhe von 8.800.000 DM durch Umwandlung der Stammeinlagen bei der P-GmbH und der als stille Gesellschafter erbrachten Einlagen geleistet. Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 5. Dezember 1997 wurden am 9. Dezember 1997 Beträge in Höhe von je 8.300.000 DM wieder entnommen.

3

Am ... November 1998 gründeten die Kläger als Kommanditisten und die F-GmbH als Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung die F GmbH & Co. KG (die Beigeladene zu 2., im Folgenden: F-KG). Als Kommanditeinlage leisteten die Kläger je eine Bareinlage in Höhe von 100.000 DM. Die entsprechende Eintragung ins Handelsregister erfolgte am ... Dezember 1998. In der Folgezeit vereinbarten die Gesellschafter die Erhöhung der Kommanditeinlagen. So wurde die Höhe der jeweiligen Kommanditeinlagen mit Gesellschafterbeschluss vom ... Dezember 1998 auf 200.000 DM und mit weiterem Gesellschafterbeschluss vom ... April 1999 auf 8.650.000 DM festgelegt. In das Handelsregister wurden diese Erhöhungen am ... März 1999 bzw. am ... September 1999 eingetragen.

4

Mit notarieller Urkunde vom ... Dezember 1998 schlossen die Gesellschafter der P-KG einen Auseinandersetzungsvertrag auf den Stichtag 30. November 1998. Danach schieden die Kläger aus der P-KG aus. Im Gegenzug erfolgte "im Rahmen einer erfolgsneutralen Realteilung zur Durchführung der vorweggenommenen Erbfolge" eine Ausgliederung diverser Immobilien mit zugehörigen Verbindlichkeiten auf die F-KG. Ausgleichszahlungen wurden nicht geleistet, da die Vertragsparteien davon ausgingen, dass die auf die F-KG übergehenden Vermögenswerte 75 v.H. des Gesamtvermögens der P-KG ausmachten und damit den Beteiligungsverhältnissen entsprächen. Zudem wurde vereinbart, dass die bei der P-KG "zum 30. November 1998 auf den Privatkonten ausgewiesenen Beträge" von den Gesellschaftern entnommen werden können, "soweit nicht die Entnahmen zu einer Erhöhung eines negativen Kapitalkontos führen". Weiter wurde vereinbart, dass die Gesellschafter sich auf erste Anforderung gegenseitig von der Haftung für bisher gemeinschaftliche Gesellschaftsverbindlichkeiten freistellen.

5

Als alleinige Kommanditistin verblieb M in der P-KG, deren Kommanditkapital im Zuge der Auseinandersetzung auf 10.000.000 DM herabgesetzt wurde. Das Ausscheiden der Kläger sowie die Minderung des Kommanditkapitals wurden am ... Februar 1999 in das Handelsregister eingetragen.

6

In den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die P-KG für die Jahre 1997 und 1998 wurden ausgleichsfähige Verluste von insgesamt ... DM festgestellt. Auf die Kläger entfiel jeweils ein Verlust in Höhe von ... DM.

7

Im Rahmen ihrer Gewinnermittlung für 1998 (Streitjahr) bilanzierte die F-KG die übernommenen Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung der in der "Realteilungsschlussbilanz" der P-KG zum 30. November 1998 ausgewiesenen Buchwerte und erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13.106,81 DM.

8

Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die F-KG für 1998 vom 23. Januar 2001 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf die Kläger entfallende gewerbliche Einkünfte in Höhe von jeweils 6.911,33 DM fest. Feststellungen nach § 15a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) erfolgten nicht.

9

Über das Vermögen der P-KG und der F-KG wurde in 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Die Anträge über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Geschäftsführer der P-KG und der F-KG, der jeweiligen Komplementär-GmbHs, wurden mangels Masse abgelehnt. Diese befinden sich nun in Liquidation.

10

Im Anschluss an eine bei der F-KG u.a. für das Streitjahr durchgeführte Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die aufgrund der erweiterten Außenhaftung bei der P-KG nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichsfähigen Verluste durch eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG bei der F-KG im Streitjahr zu korrigieren seien, da sich das Haftkapital der Kläger im Zuge der Realteilung von jeweils 10.000.000 DM auf jeweils 200.000 DM gemindert habe. Dementsprechend erließ das FA unter dem 10. Mai 2007 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr für die F-KG und verband diesen mit der --erstmaligen-- Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG. Dabei berücksichtigte das FA --neben weiteren nicht streitgegenständlichen Änderungen-- für die Kläger eine Gewinnhinzurechnung wegen einer Haftungsminderung gemäß § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG in Höhe von jeweils... DM und stellte verrechenbare Verluste gemäß § 15a Abs. 4 EStG in Höhe von jeweils... DM (Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 EStG in Höhe von... DM ./. laufender Gewinn in Höhe von ... DM) fest. Diesen Bescheid gab das FA den Klägern einzeln bekannt.

11

Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Kläger blieben ohne Erfolg. Nach Verbindung der Verfahren und Beiladung der F-KG und der P-KG wies das Finanzgericht (FG) die Klagen aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 56 abgedruckten Gründen ab.

12

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil verstoße gegen § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG.

13

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angegriffene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 10. Mai 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2008 dahin zu ändern, dass für die Kläger nach § 15a Abs. 3 EStG hinzuzurechnende Beträge nicht festgestellt werden.

14

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG und des FA war für die Kläger im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aus der F-KG im Streitjahr kein Gewinnhinzurechnungsbetrag nach § 15a Abs. 3 EStG festzustellen.

16

1. Der Senat legt das Klagebegehren der Kläger dahin aus, dass diese sich nicht gegen die Feststellung des verrechenbaren Verlusts wenden, sondern gegen die im Rahmen des Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellende Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG.

17

a) Der Gegenstand der Klage richtet sich nach dem Klagebegehren. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der im finanzgerichtlichen Verfahren zu stellende Klageantrag (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist eine prozessuale Willenserklärung, die der Auslegung zugänglich ist. In der Auslegung prozessualer Willenserklärungen, die im erstinstanzlichen Klageverfahren abgegeben worden sind, ist das Revisionsgericht frei; es ist insoweit nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Auslegung durch die Vorinstanz gebunden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Februar 2012 IV R 32/09, BFH/NV 2012, 1479, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2012 I B 76, 77/12, BFH/NV 2013, 219, m.w.N.).

18

Prozesserklärungen sind wie sonstige Willenserklärungen auslegungsfähig. Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dabei sind alle dem FG und dem FA bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232, m.w.N.). Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2013 IX B 73/13, BFH/NV 2014, 178, m.w.N.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Klägers entspricht (BFH-Urteil vom 29. April 2009 X R 35/08, BFH/NV 2009, 1777, m.w.N.).

19

b) Seinem Wortlaut nach richtete sich der von den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren gestellte Klageantrag zwar allein gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 Sätze 1 und 5 EStG. Aus dem Inhalt der Klageschrift ergibt sich jedoch, dass die Kläger --wovon auch FA und FG ausgegangen sind-- die Aufhebung der Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG begehren. Diese ist allerdings Bestandteil der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO und nicht Bestandteil der gesonderten Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG. Da zwischen den Beteiligten jedoch nicht streitig ist, dass die Kläger sich allein gegen die Hinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG wenden und der Senat im vorliegenden Verfahren erstmals entscheidet, dass es sich insoweit um eine mit den Einkünften aus der Mitunternehmerschaft im Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlage i.S. des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO handelt, die daher im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen ist, erachtet es der Senat für unschädlich, dass die Kläger dem Wortlaut ihres Klageantrags nach mit ihrer Klage nicht den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, sondern den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlusts angegriffen haben, zumal im Streitfall beide Feststellungsbescheide nach § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG formell miteinander verbunden wurden.

20

aa) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung i.S. der §§ 179 Abs. 1 und Abs. 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO und der Feststellung des verrechenbaren Verlusts i.S. des § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG um zwei Verwaltungsakte, die auch gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können und selbständig der Bestandskraft fähig sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 2010 IV R 61/07, BFHE 229, 94, BStBl II 2010, 942, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn --wie vorliegend-- die Bescheide gemäß § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG formell miteinander verbunden werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 94, BStBl II 2010, 942, m.w.N.).

21

bb) Dementsprechend sind die in den beiden Bescheiden zu treffenden Feststellungen voneinander abzugrenzen. Nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG ist der verrechenbare Verlust gesondert festzustellen. Dies ist der nach Abs. 1 der Vorschrift nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach Abs. 2 abzuziehenden und vermehrt um die nach Abs. 3 hinzuzurechnenden Beträge. Die Einbeziehung der Hinzurechnungsbeträge nach Abs. 3 ist eine notwendige Folge aus § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG, wonach die zuzurechnenden Beträge Gewinne mindern, die dem Kommanditisten im Wirtschaftsjahr der Zurechnung oder in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Kommanditbeteiligung zuzurechnen sind. Die Hinzurechnungsbeträge nach § 15a Abs. 3 EStG stellen demnach eine Berechnungsgrundlage für den verrechenbaren Verlust dar.

22

Gleichwohl sind sie gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festzustellen. Nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Die Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG gehört zwar nicht zu den Einkünften aus der Mitunternehmerschaft (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 2001 IV R 4/00, BFHE 196, 283, BStBl II 2002, 458, zu § 34c Abs. 4 Satz 4 EStG). Es handelt sich hierbei jedoch um eine mit diesen Einkünften in Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlage. Als solche ist sie daher im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und nicht im Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts gesondert festzustellen. Insoweit ist der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für die Feststellung des verrechenbaren Verlusts gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG.

23

2. Die so ausgelegte Klage ist zulässig.

24

Insbesondere waren die Kläger gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO befugt, Klage zu erheben. Die Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte betrifft --ebenso wie die Verlustverwertungsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 15a Abs. 4 Sätze 1 und 5 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 IV R 31, 32/05, BFHE 214, 239, BStBl II 2007, 687)-- eine Frage, die i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO die Kläger als Kommanditisten der F-KG persönlich angeht.

25

3. Entgegen der Auffassung des FA und des FG waren für die Kläger im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der F-KG keine Gewinnhinzurechnungen nach § 15a Abs. 3 EStG festzustellen.

26

a) § 15a Abs. 3 EStG regelt eine Gewinnhinzurechnung bei einer Einlageminderung oder Haftungsminderung. Soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entsteht oder sich erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht auf Grund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, ist dem Kommanditisten der Betrag der Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen. Wird der Haftungsbetrag i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG gemindert (Haftungsminderung) und sind im Wirtschaftsjahr der Haftungsminderung und den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen, so ist dem Kommanditisten der Betrag der Haftungsminderung, vermindert um auf Grund der Haftung tatsächlich geleistete Beträge, als Gewinn zuzurechnen. Der danach zuzurechnende Betrag darf dabei den Betrag der Anteile am Verlust der KG nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung bzw. Haftungsminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen ist (§ 15a Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz i.V.m. Satz 2 EStG).

27

b) Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht im Streit, dass die Voraussetzungen einer Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG --bezogen auf die Beteiligung der Kläger an der F-KG-- nicht vorlagen, da bei der F-KG weder eine Einlage- noch eine Haftungsminderung stattgefunden hat. Streitig ist allein, ob für die Kläger --bezogen auf für sie bei der P-KG berücksichtigte ausgleichsfähige Verluste-- im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der F-KG Gewinnhinzurechnungen nach § 15a Abs. 3 EStG festzustellen waren. Das ist entgegen der Auffassung von FA und FG jedoch nicht der Fall.

28

aa) § 15a Abs. 3 EStG dient der Durchsetzung des in § 15a Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes, dass ein Verlustausgleich nur möglich sein soll, soweit der Verlustanteil durch Eigenkapital gedeckt ist. Der Verlustausgleich wird auch dann als nicht gerechtfertigt angesehen, wenn das am Ende des Verlustjahres bestehende Eigenkapital der Gesellschaft alsbald wieder entzogen wird. Rechtstechnisch geschieht dies nicht durch eine rückwirkende Änderung der Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG für das Jahr der Verlustentstehung, sondern durch die Zurechnung eines Betrags in Höhe der Einlageminderung als fiktiver Gewinn. In gleicher Höhe wird der früher ausgleichsfähige Verlustanteil in einen verrechenbaren Verlustanteil "umgepolt" (§ 15a Abs. 3 Satz 4 EStG). Abs. 3 der Vorschrift hat demnach zum Ziel, das gleiche Ergebnis herbeizuführen, als wenn von vornherein eine geringere Einlage geleistet worden wäre und der Verlustanteil bereits im Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar gewesen wäre (BFH-Urteil vom 20. März 2003 IV R 42/00, BFHE 202, 438, BStBl II 2003, 798, m.w.N.).

29

bb) Die Vorschrift kommt allerdings nicht zur Anwendung, wenn Änderungen des Kapitalkontos bzw. des Haftungsbetrags i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG auf dem Ausscheiden des Kommanditisten aus der Gesellschaft beruhen. Die Rechtsfolgen ergeben sich für diesen Fall vielmehr grundsätzlich aus § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG.

30

(1) Scheidet ein Kommanditist, dessen Kapitalkonto auf Grund von ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten negativ geworden ist, aus der Gesellschaft aus, so gilt nach § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG der Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen muss, als Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 EStG.

31

Die Korrektur der Berücksichtigung vormals ausgleichs- bzw. abzugsfähiger Verluste, die den Kommanditisten nach Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht mehr belasten, hat danach durch Aufstockung des Veräußerungsgewinns im Rahmen der Gewinnfeststellung bei der Altgesellschaft zu erfolgen.

32

(2) Eine Übertragung der Korrekturmöglichkeit nach § 15a Abs. 3 EStG auf eine andere Kommanditbeteiligung des Mitunternehmers --und damit die Vermeidung der Rechtsfolgen des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG bei der Altgesellschaft-- ist nicht möglich.

33

(a) Sinn und Zweck des § 15a EStG ist es, dem Kommanditisten einen steuerlichen Verlustausgleich nur insoweit zu gewähren, als er wirtschaftlich durch die Verluste belastet wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. März 2007 IV B 147/05, BFH/NV 2007, 1130). Auszugehen ist dabei grundsätzlich von der Regelung des § 167 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs. Danach nimmt der Kommanditist nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage am Verlust teil.

34

Die Frage nach der wirtschaftlichen Belastung ist gesellschaftsbezogen zu beantworten. So sieht § 15a Abs. 2 Satz 1 EStG eine Verrechnung der nach § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen und abziehbaren Verluste nur mit Gewinnen aus der Gesellschaft vor, bei der auch die Verluste angefallen sind. Gewinne und Verluste müssen demnach aus derselben Einkunftsquelle stammen (vgl. Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15a Rz 142). Endet die Beteiligung an der Einkunftsquelle, stellt § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG sicher, dass beim ausscheidenden Kommanditisten nur solche ausgleichsfähige oder abziehbare Verluste verbleiben, die er wirtschaftlich zu tragen hat. Fehlt es an einer Ausgleichsverpflichtung gegenüber der Gesellschaft, werden ausgleichsfähige oder abziehbare Verluste durch Ansatz eines Veräußerungsgewinns beim ausscheidenden Gesellschafter korrigiert. Gemäß § 52 Abs. 33 Satz 4 EStG werden in Höhe der nach dessen Satz 3 zuzurechnenden Beträge bei verbleibenden Kommanditisten Verlustanteile angesetzt. Im Ergebnis verbleiben die Verluste damit in der Altgesellschaft, d.h. bei der entsprechenden Einkunftsquelle.

35

(b) Abweichendes gilt auch nicht in Fällen, in denen nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage bei Übertragung von Betriebsvermögen auf den ausscheidenden Gesellschafter im Wege der Einzelrechtsnachfolge ein Wahlrecht zur Buchwertfortführung bestand (vgl. zu den Voraussetzungen z.B. BFH-Urteil vom 23. März 1995 IV R 93/93, BFHE 177, 404, BStBl II 1995, 700). Die Buchwertfortführung bewirkt zwar eine Übertragung der in den Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven auf die neue Einkunftsquelle. Dies bedeutet aber nicht, dass etwa mit den stillen Reserven im Zusammenhang stehende verrechenbare Verluste i.S. des § 15a Abs. 4 EStG mit auf die neue Einkunftsquelle übergehen. Für die in § 15a EStG geregelten Verluste und Gewinnhinzurechnungen ordnen weder § 15a EStG selbst noch § 52 Abs. 33 Sätze 3 und 4 EStG, § 24 des Umwandlungssteuergesetzes, § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr gültigen Fassung oder der --im Streitjahr noch nicht anwendbare-- § 6 Abs. 5 EStG eine Übertragung der Gewinnhinzurechnungsmöglichkeit nach § 15a Abs. 3 EStG auf eine andere Einkunftsquelle an.

36

4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil war daher aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da die Sache spruchreif ist. Da im Rahmen der Gewinnfeststellung bei der F-KG unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG vorgenommen werden konnte, ist der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2008 insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, als darin gleichwohl nach § 15a Abs. 3 EStG hinzuzurechnende Beträge berücksichtigt wurden. Er ist daher entsprechend zu ändern.

37

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Sachantrag gestellt haben (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2011 IV R 35/08, BFH/NV 2012, 377, m.w.N.).

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet. Das Finanzgericht (FG) hat zu Unrecht ein Prozessurteil erlassen. Der darin liegende Verfahrensmangel führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

2

1. Das FG hat die Klage, mit der die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Berücksichtigung eines höheren Verlusts begehren, als unzulässig abgewiesen. Die fachkundig vertretenen Kläger hätten sich mit der Klage eindeutig nur gegen den Einkommensteuerbescheid gewandt, in dem die Einkommensteuer auf null € festgesetzt worden ist. Dass sich die Klage stattdessen gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer richten sollte, könne ihr im Wege der Auslegung nicht entnommen werden. Außerdem sei dieser Bescheid bestandskräftig.

3

2. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Klage allein gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtet und im Übrigen nicht auslegungsfähig sei.

4

a) Prozesserklärungen sind wie sonstige Willenserklärungen auslegungsfähig. Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Bei der Auslegung können auch außerhalb der Erklärung liegende weitere Umstände berücksichtigt werden. Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. März 1998 II R 41/97, BFH/NV 1998, 1235).

5

b) Die Auslegung der Klage ergibt, dass sie gegen den Verlustfeststellungsbescheid gerichtet ist.

6

aa) Dafür spricht --entgegen der Auffassung des FG-- bereits der in der Klageschrift angekündigte Antrag. Dieser geht dahin, den Einkommensteuerbescheid "wie beantragt" zu ändern. Verständlich wird der Antrag nur durch die Bezugnahme auf das Antragsschreiben der Kläger vom 15. Juli 2009, den der Klage beigefügten ablehnenden Bescheid vom 8. Oktober 2010 sowie die ebenfalls der Klage beigefügte Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2011. Aus beiden Bescheiden, die bei der Auslegung des Klagebegehrens zu berücksichtigen sind, ergibt sich eindeutig, dass die Kläger ihr ursprünglich zu Recht gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtetes Begehren auf Berücksichtigung eines höheren Verlusts "bei der Einkommensteuer" weiterverfolgen wollten. Dafür spricht auch, dass die Kläger den Gegenstand der Klage mit "Ablehnung des Antrags auf Änderung der Einkommensteuer für das Jahr 2000" umschrieben und im Übrigen ausdrücklich beantragt haben, den Ablehnungsbescheid über den Antrag auf Änderung der Einkommensteuer für das Jahr 2000 vom 8. Oktober 2010 aufzuheben.

7

bb) Zwar konnten die Kläger, nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) am 23. November 2010 den verbleibenden Verlustvortrag gesondert auf null € festgestellt hatte, die Berücksichtigung eines höheren Verlusts nur noch erreichen, indem sie sich gegen diesen Bescheid wandten (§ 351 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--). Das haben die Kläger offenbar übersehen und im Klageantrag mit der Erwähnung des Einkommensteuerbescheids nicht richtig zum Ausdruck gebracht. Diese Fehlbezeichnung schadet jedoch nicht, da sich aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, dass sich die Klage gegen die Nichtberücksichtigung des geltend gemachten Verlusts richten sollte.

8

c) Die Entscheidung des FG erweist sich auch nicht deshalb als richtig (§ 126 Abs. 4 FGO), weil die Klage aus anderen Gründen unzulässig ist. Insbesondere fehlt es nicht an der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens (§ 44 FGO).

9

aa) Zwar hätte das FA über den Einspruch wegen Ablehnung des Änderungsantrags zur Einkommensteuer 2000 nicht mehr in der Sache entscheiden dürfen; ohne Rücksicht darauf hat das FA jedoch durch Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2011 über das Begehren der Kläger entschieden und die Berücksichtigung des Verlusts (erneut) mit sachlichen Erwägungen abgelehnt. Diese Entscheidung konnte nur in einem Einspruchsverfahren gegen den Verlustfeststellungsbescheid ergehen. Unter diesen Umständen ist dem Erfordernis eines erfolglosen Vorverfahrens nach seinem Sinn und Zweck Genüge getan, denn das FA hat sich vor Erhebung der Klage die Gelegenheit genommen, seine Entscheidung noch einmal sachlich zu überprüfen.

10

bb) Die Klage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger es möglicherweise versäumt haben, gegen den Verlustfeststellungsbescheid vom 23. November 2010 rechtzeitig Einspruch zu erheben. Hat die Finanzbehörde zu Unrecht in der Sache über den Einspruch entschieden, z.B. weil sie die Einspruchsfrist als gewahrt angesehen, Wiedereinsetzung gewährt, einen wirksamen Rechtsbehelfsverzicht (§ 354 AO) oder eine Rücknahme des Rechtsbehelfs (§ 362 AO) verneint hat, hat dies nicht die Unzulässigkeit der Klage zur Folge. Allerdings ist dann die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Klage wegen eingetretener Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts als unbegründet abzuweisen (vgl. nur Steinhauff in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 44 FGO Rz 212). Dasselbe gilt auch dann, wenn die Behörde nicht geprüft hat, ob überhaupt Einspruch eingelegt worden ist. Die Zulässigkeit des Einspruchs einschließlich der Frage, ob überhaupt Einspruch eingelegt worden ist, unterliegt der vollen sachlichen Überprüfung durch das FG.

11

d) Das FG wird deshalb zunächst prüfen müssen, ob die Kläger gegen den Verlustfeststellungsbescheid vom 23. November 2010 rechtzeitig Einspruch eingelegt haben.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Tatbestand

1

I. Die Revisionsklägerin ist seit Ende 2008 Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die im Jahr 2007 eine Spielhalle mit Geldspielautomaten betrieb.

2

Die GmbH erklärte in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... €. Daraus ergab sich eine Zahllast von ... €.

3

Sie legte gegen die --ihrer Erklärung entsprechende-- Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Einspruch ein und machte geltend, ihre Umsätze seien steuerfrei, weil die am 6. Mai 2006 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG n.F.) durch das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) gegen das Unionsrecht verstoße.

4

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 256 veröffentlicht.

5

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 (BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

6

"Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche 'sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz' von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?"

7

Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 Rs. C-58/09 --Leo-Libera-- (BFH/NV 2010, 1590, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 884) bejaht.

8

Die Revisionsklägerin ist der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage sei die Erhebung der Umsatzsteuer auf ihre Umsätze aus gewerblichem Automatenspiel zu Unrecht erfolgt, da sie sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen innerstaatliches deutsches Recht (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoße.

9

Die Besteuerung sei rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer wesentliche Merkmale der Umsatzsteuer, wie sie der EuGH in seinem Urteil vom 8. Juni 1999 Rs. C-338, 344, 390/97 --Pelzl u.a.-- (Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 328) zur Abgrenzung von anderen Steuerarten herausgearbeitet habe, nicht erfülle und deshalb in Wahrheit gar keine Umsatzsteuer sei. Insbesondere könne die Umsatzsteuer nicht direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden, was auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97 (HFR 1997, 771, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 328) erforderlich sei.

10

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf den Endverbraucher werde den Betreibern von Geldspielautomaten durch die ab dem 1. Januar 2006 geltende Neufassung der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --SpielV n.F.-- (BGBl I 2005, 3495) rechtlich unmöglich gemacht, weil sie --anders als die davor geltende SpielV-- keine Regelung dahingehend enthalte, dass die Kasseneinnahmen um die Umsatzsteuer erhöht werden dürften. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. dürfe die Summe der Verluste eines Spielers "im Verlauf einer Stunde 80 € nicht übersteigen", womit gleichzeitig die Höchsteinnahme des Geldspielautomatenaufstellers geregelt werde. Dagegen habe nach § 13 Nr. 6 der zuvor geltenden SpielV die Summe der Gewinne des Spielers "mindestens 60 vom Hundert der durch den jeweiligen Umsatzsteuersatz verringerten Einsätze betragen" müssen.

11

Es fehle ferner an dem weiteren für eine Umsatzsteuer charakteristischen Merkmal, dass die Festsetzung ihrer Höhe proportional zu dem Preis erfolge, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Dienstleistung erhalte (Hinweis u.a. auf Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Denn Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielautomaten seien ausschließlich die Kasseneinnahmen, nicht die Einsätze der Spieler.

12

Zudem verstoße die Steuerfestsetzung gegen den vom EuGH aufgestellten Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn öffentliche Spielbanken, die mit ihrem Automatenspiel gleichartige Leistungen anböten und mit privaten Betreibern von Geldspielgeräten in Wettbewerb stünden, könnten die Umsatzsteuer abwälzen, da sie nicht den Vorschriften der SpielV und damit keiner Preisbindung unterlägen. Außerdem seien zwar auch bei öffentlichen Spielbanken die Kasseneinnahmen die Bemessungsgrundlage; dies sei aber rechtswidrig, weil die in den öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldgewinnspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten.

13

Während des Revisionsverfahrens erließ das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt --FA-- (der Revisionsbeklagte) am 4. Dezember 2009 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 und setzte die Umsatzsteuer auf einen Überschuss zugunsten der Revisionsklägerin in Höhe von ... € fest.

14

Die Revisionsklägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass keine monatliche Umsatzsteuererhebung aus dem Betrieb ihrer Geldspielgeräte erfolgen dürfe.

15

Sie beantragt,

festzustellen, dass die aufgrund der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2007 erfolgte Umsatzsteuerfestsetzung rechtswidrig war,

hilfsweise, das Verfahren erneut auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

16

"1. Ist es den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Dienstleistungen zu erheben, obwohl dem Steuerpflichtigen eine direkte Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher durch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften bestehender Preisbindungen nicht möglich ist?

17

2. Verstößt es gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn die Umsätze der gewerblichen Automatenaufsteller ebenso wie die der öffentlichen Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen werden, obwohl die Umsatzsteuer auf Umsätze aus dem gewerblichen Automatenspiel nicht wie die Umsätze der öffentlichen Spielbanken direkt auf die Endverbraucher abgewälzt werden können?

18

3. Ist es in den Mitgliedstaaten gestattet, Umsatzsteuer auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu erheben, obwohl es nicht möglich ist, den Betrag der auf den Kunden abgewälzten Abgabe bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung genau zu bestimmen und es somit an der Proportionalität zwischen der Steuer und den Preisen, die der Steuerpflichtige als Gegenleistung erhält, fehlt?

19

4. Verstößt es gegen den in Art. 1 Abs. 2 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie aufgestellten Grundsatz der Proportionalität, wonach auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt werden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist, wenn ein Mitgliedstaat die Umsatzsteuer nach dem monatlichen oder jährlichen Gesamtumsatz aller Kasseneinnahmen eines Steuerpflichtigen ermittelt, weil es ihm nicht möglich ist, den Betrag der bei jedem einzelnen Verkauf oder jeder einzelnen Dienstleistung auf den Kunden abgewälzten Abgabe genau zu bestimmen?"

20

Höchstvorsorglich regt die Revisionsklägerin an, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen.

21

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Revision hat aber in der Sache keinen Erfolg; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO---) und die Fortsetzungsfeststellungsklage war abzuweisen.

23

1. Das Urteil des FG musste aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben werden, weil ihm ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt.

24

Der während des Revisionsverfahrens ergangene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2007 vom 4. Dezember 2009 hat gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007, über den das FG entschieden hat, ersetzt und ist Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1.).

25

In einem solchen Fall ist das FG-Urteil aufzuheben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. August 2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, unter II.1.a; vom 12. Februar 2009 V R 61/06, BFHE 224, 467, BStBl II 2009, 828, unter II.1.).

26

2. Durch den Erlass des Umsatzsteuer-Jahresbescheids ist ferner auf Seiten des Beklagten ein Beteiligtenwechsel eingetreten.

27

Wird --wie hier-- während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid von einem anderen FA erlassen als der ursprüngliche Bescheid und wird der Änderungsbescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens, so richtet sich die Revision nunmehr gegen das FA, das den Änderungsbescheid erlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. November 2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).

28

3. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), zu der die Revisionsklägerin übergegangen ist, ist zulässig (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, BFH/NV 2010, 1450, unter II.3., m.w.N.), aber unbegründet; die Umsatzsteuerfestsetzung für Januar 2007 war rechtmäßig.

29

a) Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze der GmbH waren nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluss in BFHE 224, 156, BStBl II 2009, 434, unter II.1. näher ausgeführt hat. Dass § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. unionskonform ist, hat der EuGH in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 geklärt.

30

b) Der Ansicht der Revisionsklägerin, der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 sei deshalb rechtswidrig, weil die festgesetzte Steuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abgewälzt werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen.

31

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin sind die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 nicht so zu verstehen, dass die in Rz 21 dieses Urteils genannten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Umsatzsteuerfestsetzung sind.

32

Vielmehr dienen die vom EuGH in Rz 21 seines Urteils --Pelzl-- in Slg. 1999, I-3119, HFR 1999, 853, UR 1999, 328 genannten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer (vgl. auch EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283, 312/06 --Kögaz--, Slg. 2007, I-8463, BFH/NV Beilage 2008, 44; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2002 V R 81/01, BFHE 199, 507, BStBl II 2002, 887, unter II.3.c)

33

- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte,

34

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält,

35

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze,

36

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird,

37

lediglich der Feststellung, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr --wie im zugrunde liegenden Fall eine Tourismusabgabe-- den Charakter einer Umsatzsteuer i.S. von Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern hat (vgl. Rz 20 sowie Rz 21: "zu diesem Zweck").

38

Im Übrigen ist das zuletzt genannte Merkmal einer Umsatzsteuer im Streitfall erfüllt. Denn die GmbH war gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.

39

Darüber hinaus hat der EuGH daraus, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, abgeleitet, dass die Bemessungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer nicht höher sein kann als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs--, Slg. 1996, I-5339, HFR 1997, 111, UR 1997, 265, Rz 19, 24, 28; vom 15. Oktober 2002 Rs. C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 29).

40

Auch insoweit war der ursprünglich angefochtene Vorauszahlungsbescheid rechtmäßig. Denn die Bemessungsgrundlage für die von der GmbH geschuldete Umsatzsteuer war nicht höher als die von den Spielern tatsächlich gezahlten Beträge.

41

bb) Der Senat folgt ferner nicht der Ansicht der Revisionsklägerin, sie sei durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. rechtlich an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher (Spieler) gehindert.

42

Denn die Überwälzbarkeit einer Steuer bedeutet nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag --etwa wie einen durchlaufenden Posten-- von der vom Steuergesetz der Idee nach als Steuerträger gemeinten Person auch tatsächlich ersetzt erhalten. Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlässt es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren; letztlich hängt es von der Marktlage ab, ob dem Steuerzahler die Überwälzung gelingt (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 10. Mai 1962  1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76, unter C.I.6.; vom 3. Mai 2001  1 BvR 624/00, BFH/NV Beilage 2001, 159, HFR 2001, 709, unter II.1.b aa).

43

Der Ansicht der Revisionsklägerin, diese Aussage des BVerfG beschränke sich auf die Vergnügungssteuer, zu der diese Entscheidungen ergangen sind, sie sei deshalb nicht auf die Umsatzsteuer zu übertragen, folgt der Senat angesichts der vom BVerfG gewählten allgemeinen Formulierungen nicht. Im Übrigen hat das BVerfG diese Grundsätze auch auf die Frage der Abwälzbarkeit anderer Verbrauchsteuern angewandt (vgl. z.B. zur Stromsteuer und zur Mineralölsteuer: BVerfG-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274, Rz 67; zur Spielgerätesteuer: BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1, HFR 2009, 708, unter C.II.1.c).

44

Soweit die Revisionsklägerin meint, im Unterschied zu anderen Steuern wie der Vergnügungssteuer, bei der zur Abwälzung ein kalkulatorisches Abwälzen genüge, werde im Umsatzsteuerrecht unter Abwälzung ausschließlich ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis verstanden, d.h. dem Unternehmer solle es zumindest rechtlich möglich sein, die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis zu verlangen, sieht der Senat für diese Differenzierung keine Grundlage. Im Übrigen verbietet § 13 Abs. 1 Nr. 3 SpielV n.F. ein Aufschlagen der Steuer auf den Nettopreis nicht. Insbesondere garantiert diese Vorschrift den Betreibern von Geldspielgeräten nicht eine bestimmte Gewinnmarge.

45

cc) In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionsklägerin ohne Erfolg auf den Beschluss des BVerfG in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328.

46

In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, seine Rechtsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs als Untergrenze für den Zugriff durch Einkommensteuer könne auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden (Orientierungssatz 2). Das Umsatzsteuersystem sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt. Der Unternehmer solle daher in dieser Eigenschaft nicht mit Umsatzsteuer belastet sein; Steuerträger solle vielmehr der Verbraucher sein (Orientierungssatz 2a). Da der Endverbraucher materiell mit der Umsatzsteuer belastet sei, stelle sich --wenn überhaupt-- allenfalls bei ihm die Frage der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der indirekten Steuern (Orientierungssatz 2c).

47

Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin vermag der Senat dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, das BVerfG sehe die erforderliche Möglichkeit zur Abwälzung der Umsatzsteuer (nur) dann als gegeben an, wenn die Umsatzsteuer, wie bei den Steuerberatern, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren erhoben werden dürfe. Vielmehr hat das BVerfG insoweit ausgeführt (Rz 3): "So gelingt auch einem Steuerberater die Abwälzung der Umsatzsteuer auf seinen Mandanten, da er im Regelfall die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren abrechnet und die dem Finanzamt geschuldete Umsatzsteuer zusätzlich in Rechnung stellen darf (§ 15 der Gebührenverordnung für Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften)."

48

Dabei handelt es sich aber um keine verallgemeinerungsfähige Aussage. Vielmehr hat das BVerfG hier lediglich beispielhaft die für Steuerberater geltende Gebührenordnung genannt - offenbar deshalb, weil der Kläger Steuerberater war.

49

Zudem hat das BVerfG für seine Aussage, die Umsatzsteuer sei im Gegensatz zur Einkommensteuer auf Abwälzung angelegt, in Rz 2 seiner Entscheidung in HFR 1997, 771, UVR 1997, 328 auf seinen Beschluss vom 19. März 1974  1 BvR 416, 767, 779/68 (BVerfGE 37, 38 <46>) verwiesen, wo es heißt: "Die Mehrwertsteuer ist auf Abwälzung angelegt. Für den Unternehmer, der eine Lieferung oder sonstige Leistung ausführt, ist daher weniger die Höhe des Steuersatzes als vielmehr der Grad der Wahrscheinlichkeit entscheidend, die Steuer weitergeben zu können. Die Aussichten dafür sind für Dienstleistungs- und Warenanbieter bei einheitlichem Steuersatz grundsätzlich gleich."

50

Damit reicht für das Merkmal der Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer aus, dass diese Abwälzbarkeit generell möglich ist; sie wird dem einzelnen Unternehmer aber nur durch den Vorsteuerabzug und eine Bemessungsgrundlage garantiert, die nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (s. oben unter II.3.b aa).

51

c) Die Steuererhebung im Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 ist auch nicht wegen fehlender Proportionalität der festgesetzten Steuer zu den Einsätzen der einzelnen Spieler zu beanstanden.

52

Denn der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 --Glawe-- (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden, bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass ein bestimmter Prozentsatz der Spieleinsätze als Gewinn an die Spieler ausgezahlt werde, bestehe die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen könne; bei solchen Automaten gehöre der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage.

53

Eine Proportionalität der Umsatzsteuer zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers, die nach dem Vorbringen der Revisionsklägerin deshalb nicht gegeben ist, weil Besteuerungsgrundlage nicht diese einzelnen Einsätze, sondern die monatlichen bzw. jährlichen Kasseneinnahmen seien, hat der EuGH in seinem Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 --das die Betreiber von Geldspielautomaten nicht beschwert-- nicht gefordert. Dies ist auch nach der Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich (vgl. z.B. Urteil vom 22. April 2010 V R 26/08, BFHE 229, 429, BStBl II 2010, 883).

54

d) Die Steuerfestsetzung im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Januar 2007 verstieß entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz.

55

Der EuGH hat in seinem in diesem Verfahren auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil in BFH/NV 2010, 1590, HFR 2010, 884 einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz verneint (Rz 34 ff.) und dabei u.a. ausgeführt, dass dieser Grundsatz auf eine nicht harmonisierte Abgabe keine Anwendung findet (Rz 38). Es ist deshalb unerheblich, dass nach dem Vortrag der Revisionsklägerin öffentliche Spielbanken --anders als gewerbliche Automatenaufsteller-- den Vorschriften der SpielV nicht unterliegen.

56

Jedenfalls behandelt "die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung" --nämlich § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F.-- gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz, die als miteinander im Wettbewerb stehend betrachtet werden können, mehrwertsteuerlich nicht unterschiedlich (vgl. Rz 36 des EuGH-Urteils).

57

e) Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch der von der Revisionsklägerin geltend gemachte Verstoß von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG aus.

58

Das ergänzende, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vorbringen der Revisionsklägerin, zwar würden auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen, das verstoße aber gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil diese Geldspielgeräte nicht über die für die Ermittlung dieser Bemessungsgrundlage erforderlichen technischen Vorrichtungen verfügten, bleibt ohne Erfolg. Denn abgesehen davon, dass es sich dabei um im Revisionsverfahren unzulässiges neues Vorbringen handelt, ist nicht ersichtlich, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegen soll, wenn für Umsätze aus dem Betrieb gleichartiger Geldspielgeräte die gleiche Bemessungsgrundlage gilt.

59

4. Angesichts der bereits vorliegenden und vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des BVerfG sieht der Senat für die von der Revisionsklägerin hilfsweise beantragte erneute Vorlage der Sache an den EuGH ebenso wenig eine Grundlage wie für eine Vorlage nach Art. 100 GG an das BVerfG.

Tatbestand

1

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besteuerung der Umsätze der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Betrieb sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit" rechtmäßig, insbesondere unionsrechts- und verfassungsgemäß, war.

2

I. Sachstand

3

1.  Die Klägerin betrieb im Streitjahr in sieben Spielhallen in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sog. "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit". Bis ... 2011 hatte sie ihren Sitz in .... Im ... 2011 verlegte sie ihren Sitz in den Bezirk des beklagten Finanzamts.

4

2.  Die Spielgeräte der Klägerin unterliegen den technischen Vorgaben der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit in der Fassung vom 27.01.2006 (SpielV, BGBl. I S. 280). Der Vorgang des Spielens stellt sich deswegen folgendermaßen dar:

5

a) Die Geräte verfügen über einen Geldspeicher und über einen Punktespeicher. Eingezahltes Geld bewirkt zunächst ein entsprechendes Guthaben im Geldspeicher. Die Umbuchung von Geld in Punkte wird von dem Gerät als Einsatz registriert, die Umbuchung von Punkten in Geld als Gewinn, wobei 1 Cent einem Punkt entspricht. Mit den Punkten kann das Spiel vom Spieler gestartet werden. Der aktuelle Punktestand im Punktespeicher kann vom Spieler jederzeit in einen Geldbetrag im Geldspeicher umgebucht werden, der Bestand im Geldspeicher kann jederzeit ausgezahlt werden.

6

b)  Die Umbuchung vom Geldspeicher in den Punktespeicher (= Einsatz) ist aufgrund der SpielV doppelt beschränkt, nämlich auf 20 Cent pro 5 Sekunden (diese Beschränkung allein entspräche 144,00 € pro Stunde) und auf 80,00 € pro Stunde. Sind die 80,00 € pro Stunde erreicht, kann für den Rest der Stunde nichts weiter vom Geldspeicher in den Punktespeicher umgebucht werden (sog. "Buchungspause"). Sind während dieses Zeitraums einer Buchungspause auch keine Punkte mehr im Punktespeicher vorhanden, kann für den Rest der Stunde an dem Gerät nicht mehr gespielt werden.

7

c)  Die Veränderungen des Punktestandes im Punktespeicher (d. h. das, was man umgangssprachlich als Spiel, Einsatz, Verlust und Gewinn ansehen würde) unterliegen keinen rechtlichen Regelungen.

8

3. a) Spielgeräte wie die von der Klägerin aufgestellten verfügen neben der Gerätekasse über einen sog. "Hopper". Dieser von der Kasse getrennte Hopper dient zum einen als Münzspeicher, zum anderen werden die an dem Spielgerät erspielten Gewinne nur aus diesem ausgeschüttet; aus der Gerätekasse werden keine Auszahlungen an Spieler vorgenommen. Manche Geräte verfügen zusätzlich über einen sog. "Dispenser", von dem Geldscheine angenommen und z. T. auch ausgegeben werden können. Der Hopper verfügt über ein Fach mit 20-Cent-Münzen und über ein Fach mit 2-€-Münzen und wird zu Beginn des Betriebs vom Betreiber gefüllt. Eine typische Befüllung besteht aus 250 Münzen zu 2 € und 250 Münzen zu 20 Cent. Ist der Hopper leer, kann bis zu einer Wiederauffüllung nicht weiter gespielt werden. Die maximale Befüllung hängt von der Geräteausführung ab; der Geräteaufsteller kann auch ein Limit für die Befüllung einstellen. Eingeworfene Münzen zu 5 Cent, 10 Cent, 50 Cent und 1 € sowie eingeführte Scheine zu 5 €, 10 €, 20 € und 50 € gelangen, sofern kein Dispenser vorhanden ist, immer sofort in die elektronisch gezählte Kasse. Eingeworfene Münzen zu 20 Cent und zu 2 € gelangen in den Hopper, solange dieser nicht voll ist, sonst ebenfalls in die Kasse. Der Betreiber hat auf den Bestand der Gerätekasse und des Hoppers jederzeit Zugriff.

9

b) Die Kontrollausdrucke der in den Geldspielgeräten befindlichen elektronischen Zählwerke für einen bestimmten Zeitraum sehen beispielsweise wie folgt aus:

10

      EINWURF

1600,80

      AUSWURF

  742,20

        

------

      SALDO (1)

  858,60

                 

      HOPPER WENIGER          +

  120,00

      NACHFÜLLUNG A           +

  100,00

      ENTNAHME                     -

  80,00

      FEHLBETRAG                  -

0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

    998,60

        

======

      ENTNAHME                    +

80,00

      NACHFÜLLUNG A           -

100,00

        

------

      SALDO (2)

  978,60

11

Mit "Nachfüllung A" sind Hoppernachfüllungen durch den Geräteaufsteller gemeint und mit "Entnahmen" die Entnahmen des Geräteaufstellers. "Hopper weniger" bezeichnet eine Minderung des im Hopper befindlichen Geldvorrats gegenüber der letzten Auslesung (eine Bestandsmehrung würde subtrahiert werden).

12
c) Wirft ein Kunde einen 50-€-Schein in das Gerät ein und lässt er sich diesen Betrag (in Münzen) wieder auszahlen, sieht ein Kontrollausdruck nur nach diesem Vorgang aus wie folgt:

13

      EINWURF

    50,00

      AUSWURF

    50,00

        

------

      SALDO (1)

      0,00

                 

      HOPPER WENIGER         +

    50,00

      NACHFÜLLUNG A          +

      0,00

      ENTNAHME                    -

      0,00

      FEHLBETRAG                 -

      0,00

        

------

      ELETR. GEZ. KASSE

      50,00

        

======

      ENTNAHME                   +

      0,00

      NACHFÜLLUNG A          -

      0,00

        

------

      SALDO (2)

    50,00

14

4. Neben der Umsatzsteuer wird auf Geldspielgeräte mit Gewinnspiel-möglichkeit durch örtliche Satzungen der jeweiligen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bzw. durch Landesgesetz in Hamburg eine Vergnügungssteuer oder Spielvergnügungsteuer (kommunale Aufwand-steuer) nach örtlich unterschiedlichen Sätzen und Bemessungsgrundlagen und teilweise mit einem Mindestbetrag oder durch eine Pauschale pro Gerät erhoben (in Hamburg z. B. 5 % der Einsätze).

15

II. Besteuerungsverfahren

16

1. Im Streitjahr ermittelte die Klägerin ihre Umsätze aus Geldspielgeräten, indem sie den auf den Kontrollausdrucken ausgewiesenen "Saldo 2" heranzog. Hierfür addierte sie die monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") aller ihrer Geldspielgeräte zur sog. "Bruttokasse". Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus die "Nettokasse" als Bemessungsgrundlage für die die Umsatzsteuer (100/119 des Betrages der "Bruttokasse").

17

2. Am 09.07.2010 gab die Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Juni 2010 beim Finanzamt A ab. Nach Abzug der Vorsteuerbeträge ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von ... €.

18

3. Mit Schreiben vom selben Tag legte die Klägerin gegen die sich aus der Umsatzsteuervoranmeldung ergebende Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung Einspruch beim Finanzamt A ein.

19

4. Am 22.06.2011 hat die Klägerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Juni 2010 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben.

20

5. Zwischenzeitlich hat die Klägerin im Dezember 2011 die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2010 bei dem Beklagten eingereicht.

21

Der Erklärung hat sie folgende Werte zugrunde gelegt:

22

Insgesamt erzielte die Klägerin dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... € sowie dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegende Umsätze in Höhe von ... €.

23

In dem Gesamtbetrag der Umsätze zu 19 % waren Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten in Höhe von ... € enthalten. Zur Berechnung addierte die Klägerin die Jahressumme der monatlichen Kasseneinnahmen ("Saldo 2") zu ... € ("Bruttokasse"). Aufgrund des Umsatzsteuersatzes von 19 % errechnete sie daraus eine Bemessungsgrundlage von ... € ("Nettokasse", 100/119 von ... €). Die auf die Umsätze aus Geldspielgeräten vor Abzug der Vorsteuerbeträge geschuldete Umsatzsteuer betrug demnach ... €.

24

Die Umsatzsteuer auf die übrigen steuerpflichtigen Umsätze betrug ... €.

25

Von der so entstandenen Umsatzsteuer in Höhe von ... € brachte die Klägerin ... € als Vorsteuer zum Abzug, sodass sich ein Betrag von ... € als verbleibende Zahllast ergab.

26

6. Der Beklagte hat daraufhin die zu zahlende Umsatzsteuer für 2010 mit Bescheid vom 29.03.2012 erklärungsgemäß auf ... € festgesetzt. Der Bescheid ist zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden, über das noch nicht entschieden ist, und auch Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens.

27

III. Vorabentscheidungsverfahren

28

1. Mit Beschluss vom 21.09.2012 (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 427 ff.) hat der Senat das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

29

1.
Ist Art. 401 (in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur alternativ, nicht kumulativ erhoben werden dürfen?

30

2. nur falls ja zu 1.:
Falls nach nationalen Vorschriften bei Glücksspielen sowohl Mehrwertsteuer als auch eine Sonderabgabe erhoben wird, führt dies zur Nichterhebung der Mehrwertsteuer oder zur Nichterhebung der Sonderabgabe oder richtet sich die Entscheidung, welche von beiden Abgaben nicht erhoben werden darf, nach nationalem Recht?

31

3.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis entgegenstehen, wonach beim Betrieb von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Kasseninhalt ("elektronisch gezählte Kasse") des Geräts nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird?

32

4. nur falls ja zu 3.:
Wie ist die Bemessungsgrundlage stattdessen zu bestimmen?

33

5.
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer voraussetzt, dass der Unternehmer die Mehrwertsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzen kann? Ggf. was ist unter Abwälzbarkeit zu verstehen? Gehört zur Abwälzbarkeit insbesondere die rechtliche Zulässigkeit eines entsprechend höheren Preises für die Ware oder Dienstleistung?

34

6. nur falls bei 5. die rechtliche Zulässigkeit eines höheren Preises Voraussetzung ist:
Sind Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass Vorschriften, die das Entgelt für mehrwertsteuerpflichtige Waren oder Dienstleistungen beschränken, unionsrechtskonform so anzuwenden sind, dass sich das festgesetzte Entgelt nicht einschließlich, sondern zuzüglich Mehrwertsteuer versteht, auch wenn es sich um nationale entgeltregelnde Vorschriften handelt, die dies nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich vorsehen?

35

7. nur falls ja zu. 5., nein zu 6. und nein zu 3.:
Ist in diesem Fall für den gesamten Umsatz der Spielgeräte keine Mehrwertsteuer zu erheben oder nur für den Teil, für den eine Abwälzung nicht möglich ist, und wie ist dieser dann zu bestimmen - etwa danach, bei welchen Umsätzen der Einsatz pro Spiel nicht erhöht werden konnte, oder danach, bei welchen Umsätzen der Kasseninhalt pro Stunde nicht erhöht werden konnte?

36

8.
Ist Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung einer nicht harmonisierten Abgabe entgegensteht, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau bei dieser Abgabe angerechnet wird?

37

9. nur falls ja zu 8.:
Führt die Anrechnung der Mehrwertsteuer auf eine nationale, nicht harmonisierte Abgabe bei den mit dieser Abgabe belegten Unternehmern dazu, dass die Mehrwertsteuer bei ihren Wettbewerbern nicht erhoben werden darf, die zwar nicht dieser, aber einer anderen Sonderabgabe unterworfen sind und bei denen eine solche Anrechnung nicht vorgesehen ist?

38

2. Durch Beschluss vom 30.06.2013 (FGA Bl. 550 f.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass der in der dritten Vorlagefrage verwendete Begriff "Kasseninhalt" mit dem Klammerzusatz "elektronisch gezählte Kasse" die aus der Kontrolleinrichtung des Geldspielgeräts ausgelesenen Kasseneinnahmen in Form des Saldos des Kasseninhalts von Monatsanfang und Monatsende (= Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) meine.

39

3. Aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12; FGA Bl. 591 ff.; UR 2013, 866) wie folgt erkannt:

40

1. (zur Vorlagefrage 1)
Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist in Verbindung mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele kumulativ erhoben werden dürfen, sofern die Sonderabgabe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.

41

2. (zur Vorlagefrage 3)
Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und Art. 73 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift oder Praxis, wonach beim Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Automaten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, nicht entgegenstehen.

42

3. (zur Vorlagefrage 8)
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Regelung, wonach die geschuldete Mehrwertsteuer betragsgenau auf eine nicht harmonisierte Abgabe angerechnet wird, nicht entgegensteht.

43

4. Nach Eingang des Urteils des EuGH hat der Senat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen, das seitdem unter dem Aktenzeichen 3 K 207/13 geführt wird.

44

IV. Streitstand

45

1. Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Umsatzbesteuerung ihrer Geldspielgeräteumsätze verstoße gegen Unionsrecht, insbesondere gegen die Grundsätze der Proportionalität und Einzelbesteuerung (a.), der Abwälzbarkeit (b.) und der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer (c.). Entgegen der vom EuGH im Rahmen des hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens vertretenen Auffassung seien die Umsätze aus Geldspielgeräten aufgrund der Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) von der Besteuerung zu befreien (d.). Der EuGH habe unzulässige Rechtsfortbildung betrieben und sie, die Klägerin, in Verfahrensrechten sowie ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (e.). Zudem werde sie, die Klägerin, auf der Grundlage der Kasseneinnahmen ohne eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage besteuert, was gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstoße (f.). Die herangezogene Bemessungsgrundlage sei zudem deswegen ungeeignet, weil in ihr steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten seien (g.). Schließlich habe der Gesetzgeber in Bezug auf die Bemessungsgrundlage gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht technischer Vorschriften verstoßen (h.).

46

Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor:

47

a) Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität

48

Der Grundsatz der Einzelbesteuerung und der Proportionalität werde verletzt, weil sich die Bemessungsgrundlage pauschal aus den Kasseneinnahmen nach einem bestimmten Zeitraum ergebe. Die Umsatzsteuer berechne sich damit nicht genau proportional zum Preis der einzelnen Leistung gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger. Dieses Erfordernis ergebe sich aber aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Jedoch sei diese Vorschrift nicht Gegenstand des hiesigen Vorlagebeschlusses gewesen und vom EuGH dementsprechend nicht gewürdigt worden. Dass es unzulässig sei, die Steuerbemessungsgrundlage pauschal für einen Besteuerungszeitraum zu ermitteln, habe der EuGH in einem anderen als dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren selbst vertreten (EuGH-Urteil vom 26.09.2013 C-189/11 - Kommission/Spanien, UR 2013, 835).

49

Würden die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde gelegt, könne der Leistungsempfänger nicht erkennen, wie hoch der zu entrichtende Umsatzsteuerbetrag im Einzelnen und der gegebenenfalls von der eigenen Steuerschuld zum Abzug zu bringende Vorsteuerbetrag seien. Diese Vorgehensweise sei geeignet, das Mehrwertsteuersystem zu verfälschen. Dem Unternehmer werde gestattet, die Umsatzsteuerbeträge beliebig auf die einzelnen Dienstleistungs- oder Warenabnehmer zu verteilen, solange die auf den Gesamtumsatz erhobene Umsatzsteuer proportional zu diesem sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass Automatenaufsteller wie sie, die Klägerin, ihren einzelnen Spielgästen unterschiedlich hohe Umsatzsteuersätze in Rechnung stellten; die Spieler könnten die ihnen gegenüber beliebig hoch ausgewiesene Umsatzsteuer möglicherweise als Vorsteuer geltend machen, da die Umsatzsteuer nicht proportional zu den von ihnen geleisteten Entgelten berechnet werde.

50

Für eine dem Wortlaut der Richtlinie entsprechende Anwendung hingegen müsse ermittelt werden, was der einzelne Spielgast verloren und gewonnen habe. Eine in diesem Sinne aus den Gewinnen und Verlusten der jeweiligen Spielgäste zu bildende Bemessungsgrundlage komme jedoch nicht in Betracht, da die Spielgeräte einzelne Gewinne und Verluste technisch nicht erfassten. Dies habe zudem zur Folge, dass der Gerätebetreiber den Spielern entgegen Art. 220 MwStSystRL keine Rechnung über die einzeln erbrachte Leistung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellen könne, wie ein derzeit beim AG Hamburg-1 anhängiger Rechtsstreit (Aktenzeichen...) zeige. Dort verlange der Kläger von dem beklagten Spielhallenbetreiber eine Rechnung über eingeworfene Geldbeträge und die darin enthaltene Umsatzsteuer, die der Beklagte aus den dargelegten Gründen verweigert habe. Das hiesige Verfahren sei bis zum Abschluss des beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreits gemäß § 74 FGO auszusetzen.

51

Der Spieleinsatz am Spielgerät als demgegenüber alternative Bemessungs-grundlage sei zudem deshalb ungeeignet, weil dieser dem Betreiber der Geräte effektiv nicht in vollem Umfang zufließe und sich damit nicht als die vom Spieler erbrachte Gegenleistung darstelle, aus der die mit dem Gerätebetrieb verbundenen Kosten gedeckt werden könnten.

52

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste

53

Weiterhin sei die im Umsatzsteuersystem angelegte Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielgäste als Endverbraucher rechtlich unmöglich.

54

Eine Abwälzung der Umsatzsteuer setze voraus, dass die Umsatzsteuer als Preisaufschlag zusätzlich zum Nettopreis verlangt werden könne. Die den Spieleinsatz beschränkenden Regelungen der SpielV stellten aber Preisbegrenzungen dar, die sich auf Bruttopreise bezögen, ohne die von den Steuerpflichtigen abzuführende Umsatzsatzsteuer zu berücksichtigen. Entgegen Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL werde die Umsatzsteuer damit nicht auf den Nettopreis der Leistung erhoben, sondern der Preis der Leistung durch die Steuer reduziert. Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes, wie etwa von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007, habe deswegen eine Herabsetzung des Nettopreises bewirkt. Dies habe zur Konsequenz, dass sich Preisbegrenzungen auf den jeweiligen Nettopreis beziehen müssten, um eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer zu gewährleisten.

55

c) Grundsatz der steuerlichen Neutralität

56

Die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten sei weiterhin deswegen unionsrechtswidrig, weil der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt werde.

57

aa) Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die öffentlichen Spielbanken als Wettbewerber der Klägerin mit gleichartigem Leistungsangebot von der Doppelbesteuerung durch Umsatzsteuer und Spielbankenabgabe aufgrund der betragsgenauen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe ausgenommen seien. Zudem sei den Spielbanken die Umsatzsteuer zum Teil erlassen worden. Der Betrieb der Spielautomaten der Klägerin hingegen werde sowohl mit Umsatzsteuer als auch mit der Spielvergnügungsteuer ohne Anrechnungsmöglichkeit belastet. Um eine gemäß Art. 107 AEUV wettbewerbsneutrale Besteuerung der gleichartigen Leistungen von öffentlichen Spielbanken und privaten Spielgerätebetreibern zu gewährleisten, müsse die derzeit geltende Doppelbesteuerung privater Anbieter durch Nichterhebung der Umsatzsteuer beseitigt werden. Eine kumulative Erhebung von Umsatzsteuer und Sonderabgabe in Form der Spielgerätesteuer scheide daher aus.

58

bb) Zum anderen sei eine Ungleichbehandlung zwischen öffentlichen Spielbanken und privaten Spielhallenbetreibern wie ihr, der Klägerin, anzunehmen, weil für öffentliche Spielbanken hinsichtlich der von ihnen angebotenen gleichartigen und damit im Wettbewerb zu ihr, der Klägerin, stehenden Geldgewinnspiele weder Brutto- noch Nettopreisbeschränkungen gälten und insoweit eine Abwälzung der Umsatzsteuer auf die jeweiligen Leistungsempfänger denkbar sei.

59

cc) Weiterhin liege auch deswegen eine Ungleichbehandlung vor, weil die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" sowohl für öffentliche Spielbanken als auch für private Unternehmen gelte, die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit erzielten, obgleich die Einnahmen der öffentlichen Spielbanken nicht durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften der SpielV begrenzt würden. Dadurch werde wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Nach dem Glawe-Urteil des EuGH (vom 05.05.1994 C-38/93)und dem daran anknüpfenden Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren seien nämlich die gesetzlichen Preisbegrenzungen der Rechtfertigungsgrund dafür gewesen, die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes als Gegenleistung für die Bereitstellung der Automaten zu betrachten und damit entgegen dem Grundsatz der Individualbesteuerung eine pauschale Besteuerung durchzuführen. Es sei daher geboten, der Besteuerung öffentlicher Spielbanken den gesamten Spieleinsatz zugrunde zu legen.

60

Letztlich verletze aber die Beseitigung der Ungleichbehandlung in dieser Form wiederum den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz zulasten der Klägerin. Die Auszahlquote der öffentlichen Spielbanken von 90 bis 97 % der Spieleinsätze führe dazu, dass die Umsatzsteuer nicht bezahlt werden könnte und damit eine erdrosselnde Wirkung hätte. Wenn aber die Spielbankenumsätze deshalb konsequenterweise von der Umsatzsteuer befreit werden müssten, müsse in Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auch die Besteuerung ihrer, der Klägerin, Umsätze unterbleiben.

61

Da die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits davon abhänge, ob und wie die Umsätze öffentlicher Spielbanken der Besteuerung unterlägen, seien die Spielbanken der Bundesländer Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu dem Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 FGO beizuladen.

62

dd) Schließlich sei eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes nicht nur im Verhältnis öffentlicher Spielbanken und Spielhallen, in denen Glücksspiel an Automaten angeboten werde, sondern auch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen Teilnehmern des Glücksspielmarktes gegeben, darunter von der Umsatzsteuer befreite Lotterien.

63

Nach der Rechtsprechung des EuGH verbiete es der Grundsatz steuerlicher Neutralität, zwei aus Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigten, umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln.

64

Die Besteuerung der Spielhallen und die Steuerbefreiung der Lotto-, Toto- und Bingospiele verstoße dagegen, weil aus der Sicht des Durchschnittsbürgers beide Spielkategorien gleichartig seien. Dies werde insbesondere bei Rubbellosen deutlich, die bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmten. Auch das vom sog. "staatlichen Lottoblock" bundesweit angebotene Lotto- und Bingospiel richte sich ebenso wie das Angebot der Spielhallen an denselben Kundenkreis und stehe damit in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu Spielhallen.

65

d) Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL

66

Bereits aus den unter a) bis c) dargelegten Gründen lasse sich eine unionsrechtskonforme Bemessungsgrundlage nicht auffinden, sodass eine Steuerbefreiung der Umsätze aus den Spielgeräten der Klägerin geboten sei. Aber auch aus den Regelungen der MwStSystRL ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Umsätze umsatzsteuerfrei seien:

67

aa) Indem der EuGH Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage in dem Sinne auslege, dass es den Mitgliedstaaten ohne Einschränkung freistehe, ob sie bestimmte Geldgewinnspiele der Mehrwertsteuer unterwürfen oder nicht, widersetze er sich dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinienvorschrift. Den Mitgliedstaaten werde nur dann ein weites Ermessen hinsichtlich der Besteuerung von Geldgewinnspielen eingeräumt, wenn sich Umsätze aus bestimmten Geldspielen für die Anwendung der Mehrwertsteuer eigneten. Bestünden hingegen Anwendungsprobleme - wie bei den hier zu beurteilenden Umsätzen aus Geldspielgeräten hinsichtlich der Wahrung der Grundsätze der Individualbesteuerung und Proportionalität - seien die Umsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien.

68

bb) Zudem habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG im Jahr 2006 lediglich die Umsatzsteuerbefreiung für die Spielbanken aufgehoben, ohne gemäß Art. 131 MwStSystRL die Bedingungen und Beschränkungen der Umsatzsteuerfreiheit wirksam umzusetzen. Für die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG hätte gemäß Art. 395 MwStSystRL ein Dispensverfahren durchgeführt werden müssen, weil Abweichungen von der MwStSystRL gemäß Art. 131 der Richtlinie nur zur Vereinfachung zulässig seien. Hierzu habe der EuGH sich mangels einer entsprechenden Vorlagefrage nicht geäußert.

69

cc) Aus dem Zusammenspiel von Art. 135 und Art. 401 MwStSystRL folge, dass die in dem Katalog des Art. 135 MwStSystRL genannten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit seien, stattdessen aber Art. 401 der Richtlinie die Erhebung einer Sonderabgabe auf diese Umsätze ermögliche. Die Erhebung einer Sondergabe setze also notwendigerweise eine Steuerbefreiung von der Mehrwertsteuer voraus. Dem widerspreche die Auslegung des EuGH, wonach die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnspielmöglichkeit kumulativ mit Mehrwertsteuer und einer Sonderabgabe - hier der Spielvergnügungsteuer - belastet sein könnten.

70

e) Unzulässige Rechtsfortbildung, Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften und des Anspruchs auf rechtliches Gehör

71

aa) Aufgrund der unter a) bis d) dargelegten Gründe habe der EuGH mit seiner Auslegung der Richtlinie im Vorabentscheidungsverfahrens eine unzulässige Rechtsfortbildung betrieben. Das Urteil des EuGH stelle daher für das vorlegende Gericht einen unbeachtlichen Ultra-vires-Rechtsakt dar.

72

bb) Weiterhin habe der EuGH wesentliche Verfahrensvorschriften sowie ihren, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta verletzt:

73

aaa) Obwohl der EuGH im Rahmen der Beantwortung der achten Vorlagefrage erkannt habe, dass es zu einer Verfälschung des Mehrwertsteuersystems kommen könne, wenn die öffentlichen Spielbanken aufgrund der vollständigen Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe kein Interesse an der Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen über die von ihnen erbrachten Leistungen hätten, habe er dennoch mangels hinreichender Informationen eine diesbezügliche Beurteilung unterlassen. Dadurch nehme der EuGH eine Verfälschung des Mehrwertsteuersystems hin, ohne dem vorlegenden Gericht oder ihr, der Klägerin, die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen zu geben. Deswegen habe der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nicht auf eine mündliche Verhandlung gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichten dürfen und das vorlegende Gericht gemäß Art. 101 der Verfahrensordnung um eine Klarstellung ersuchen müssen. Zudem habe der EuGH gemäß Art. 20 Abs. 5 seiner Satzung nicht ohne Schlussanträge entscheiden dürfen, weil etwa in Bezug auf die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL zwingend gebotene Proportionalität oder die aufgezeigten Anwendungsprobleme der Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten neue und bisher nicht entschiedene Rechtsfragen aufgeworfen worden seien.

74

bbb) Ihr, der Klägerin, Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta sei verletzt worden, weil der EuGH ihre rechtlichen Ausführungen unter anderem zur Proportionalität gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und Art. 73 MwStSystRL, zur fehlenden Abwälzbarkeit und zur gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gebotenen Steuerbefreiung nicht gewürdigt habe.

75

cc) Folglich sei das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO auszusetzen und der EuGH gemäß § 267 Abs. 2 AEUV erneut um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Hilfsweise sei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) mit einer Ultra-vires-Kontrolle der Entscheidung des EuGH zu befassen, bevor eine Entscheidung des Gerichts ergehen könne.

76

f) Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes

77

Die Rechtswidrigkeit der Besteuerung der Klägerin ergebe sich schließlich daraus, dass die auf der Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen basierende Besteuerung sich nicht auf eine hierfür hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage stützen könne und deswegen den verfassungs- und unionsrechtlich fundierten Bestimmtheitsgrundsatz verletze.

78

aa) Der Bestimmtheitsgrundsatz fordere im Steuerrecht, dass der Steuerpflichtige einen derart bestimmten Tatbestand vorfinde, der es ermögliche, die auf ihn entfallende Steuerlast im Voraus zu berechnen.

79

Die hier einschlägige Regelung des § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) bemesse die Umsatzsteuer nach dem Entgelt; das sei alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Die von dem beklagten Finanzamt als Bemessungsgrundlage herangezogenen Gesamtkasseneinnahmen seien mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Denn es werde nicht - wie gesetzlich gefordert - auf das jeweilige Entgelt einer Einzelleistung abgestellt, sondern die Bemessungsgrundlage pauschal nach einem bestimmten Zeitraum ohne Erfassung einzelner Leistungen bestimmt.

80

Die deswegen verfassungswidrige Regelung des § 10 Abs. 1 UStG sei dem BVerfG folglich im Wege einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen.

81

bb) Die von der gesetzlichen Grundlage abweichende Verwaltungspraxis der Finanzämter sei keine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung. Die Verwaltungspraxis stelle sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung als uneinheitlich und damit willkürlich dar. Abhängig von dem zuständigen Finanzamt werde die Bemessungsgrundlage entweder nach dem "Saldo 2" (wie von dem beklagten Finanzamt), nach der "elektronisch gezählten Kasse" (wie vom Finanzamt Hamburg-2 nach einem Betriebsprüfungsverfahren) oder dem "Saldo 1" (wie vom Finanzamt B) bestimmt. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die Bemessungsgrundlage aufgrund der Auslegung des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren hinreichend bestimmt worden sei, entfalte dies keine Rückwirkung auf die vor seiner Entscheidung bestehende Ungewissheit und Unbestimmtheit der Bemessungsgrundlage.

82

g) Steuerfreie Geldwechselvorgänge als Bestandteil der Bemessungs-grundlage

83

In der für die Bemessungsgrundlage maßgeblichen Rechengröße der "Kasseneinnahmen" seien zudem nicht ausschließlich Spieleinsätze, sondern auch gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG steuerfreie Geldwechselvorgänge enthalten.

84

aa) Nutzer der Automaten führten nämlich regelmäßig Geldscheine in die Spielgeräte ein, nicht um die eingeführte Geldsumme zum Spiel an dem Gerät einzusetzen, sondern weil sie lediglich einen Geldschein in Münzgeld wechseln wollten. In diesem Fall werde die eingeführte Geldsumme zwar im Geldspeicher des Gerätes erfasst, nicht jedoch in den Punktespeicher umgebucht und damit nicht als Spieleinsatz am Gerät registriert. Dennoch erhöhten sich dadurch die Kasseneinnahmen des Gerätes in Höhe des Geldwertes des eingeführten Geldscheins. Die anschließende Auszahlung in Münzgeld vermindere den Kasseninhalt nicht, da diese Auszahlung regelmäßig aus den Münzhoppern des Gerätes vorgenommen werde. Es lasse sich mit Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL nicht vereinbaren, wenn steuerfreie Geldwechselvorgänge, die die Kasseneinnahme erhöhten, mit Umsatzsteuer belastet würden und "im Gegenzug" steuerpflichtige Spielvorgänge, die sich nur auf den Hopperbestand auswirkten und deshalb keinen Eingang in die Bemessungsgrundlage fänden, umsatzsteuerfrei seien.

85

Die Kasseneinnahmen seien demnach nicht das Ergebnis einer einzigen Art von steuerpflichtigen Dienstleistungen und für die Bemessung der Umsatzsteuer insgesamt ungeeignet. Auch könne die hinsichtlich der Geldwechselvorgänge zu Unrecht entstehende Umsatzsteuer nicht auf den Kunden abgewälzt werden.

86

bb) Wie hoch der Anteil der Geldbeträge sei, die für Geldwechselvorgänge verwendet würden, lasse sich nicht genau bestimmen. Jedenfalls wenn die Kontrolleinrichtung des Gerätes den Einwurf eines 50-€-Scheins registriere, finde in Höhe von 25,00 € ein steuerfreier Geldwechselvorgang statt. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 6 SpielV. Danach würden eingeworfene Beträge von mehr als 25,00 € nicht in den Geldspeicher des Gerätes gebucht, sondern automatisch ausgezahlt. In diesem Fall erhöhe sich die steuerliche Bemessungsgrundlage "Kasseneinnahmen" um 50,00 € trotz Auszahlung an den Spieler in Höhe von 25,00 €. Auch bei anderen in die Kasse eingeführten Geldscheinen sei teilweise - bei etwa 20 % der Kasseneinnahmen - von bloßen Geldwechselvorgängen auszugehen. Eine Pflicht, Vorsorge für die zutreffende Ermittlung dieser Vorgänge zu treffen, bestehe nicht, zumal, wie dargelegt, völlig ungewiss sei, was unter den "Kasseneinnahmen" zu verstehen sei.

87

h) Verletzung der Notifizierungspflicht

88

Die Klägerin beruft sich schließlich darauf, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) mit der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entgegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG vor seinem Erlass nicht gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert habe. Die von der Steuerverwaltung nach dem BMF-Schreiben vom 05.07.1994 als zutreffend erachtete Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen werde mittels eines Geräterechenprogrammes in den Geldspielgeräten errechnet, sodass eine i. S. der Richtlinie gegenüber der Europäischen Kommission notifizierungspflichtige technische Vorschrift vorliege. Zudem sei, um die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abwälzen zu können, eine technische Änderung der Geldspielgeräte notwendig, für die gleichfalls die Notifizierungspflicht gelte. Diese Mängel führten zur Unanwendbarkeit des Umsatzsteuergesetzes auf die streitigen Geldspielgeräte.

89

i) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

90

2.
Die Klägerin beantragt (FGA Bl. 679),
den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29.03.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer von ... € auf ... € herabgesetzt wird;

91

hilfsweise (FGA Bl. 570, 679 ff., 744 f., 771 f., 774),
das Verfahren auszusetzen und den EuGH erneut gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen;
äußerst hilfsweise (FGA Bl. 682 f.),
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen;

weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

92

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

93

3.
Der Beklagte trägt vor:

Die Klage sei zwar als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet, weil die Umsatzbesteuerung des Betriebs von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit rechtmäßig sei.

94

a) Verletzung des Proportionalitätsgrundsatzes

95

Der Proportionalitätsgrundsatz sei nicht verletzt, weil die Bemessungs-grundlage "Kasseneinnahmen" danach bestimmt werde, was der Klägerin von den Spieleinsätzen tatsächlich am Monatsende zur Verfügung stehe, und sich damit im Vergleich zu dem Einsatz jedes einzelnen Spielers zu ihren Gunsten auswirke. Dies habe der EuGH mit seiner Entscheidung zur Rechtssache Glawe (Urteil vom 05.05.1994 C-38/93) bestätigt.

96

Die im Rahmen einer so zu bestimmenden Bemessungsgrundlage fehlende Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen sei praktisch nicht relevant. Denkbare Fälle wie die Einladung von Geschäftspartnern in eine Spielhalle anlässlich einer Feier führten zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben und unterlägen damit auch nicht dem Vorsteuerabzug (§ 4 Abs. 5 Einkommensteuergesetz -EStG- i. V. m. § 15 Abs. 1a UStG).

97

b) Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer

98

Auch sei die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer gewährleistet, da die SpielV lediglich eine Gewinn- und Verlustbegrenzung vorsehe, aus der nicht generell die Begrenzung von Einnahmen folge. Die Klägerin habe die Möglichkeit, die Umsatzsteuer in ihre Kalkulation einzubeziehen und auf die Spieler jedenfalls kalkulatorisch abzuwälzen. Dies reiche nach der Rechtsprechung des BVerfG aus.

99

c) Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes

100

Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes scheide aus, da Spielhallen-betreiber und öffentliche Spielbanken aus umsatzsteuerlicher Sicht gleich behandelt würden. Eine etwa bestehende Ungleichbehandlung wegen der nur für private Spielgerätebetreiber geltenden Gewinn- und Verlustbegrenzungen aufgrund der SpielV oder der für öffentliche Spielbanken bestehenden Möglichkeit, die Umsatzsteuer in vollem Umfang auf die landesgesetzlich geregelte Spielbankenabgabe anzurechnen, sei in einem gesonderten Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der SpielV oder der jeweiligen Spielbankengesetze geltend zu machen.

101

Eine kumulative Belastung der Spielgeräte mit Umsatzsteuer und kommunaler Sonderabgabe wie der Spielvergnügungsteuer habe der EuGH in der Rechtssache Leo Libera (Urteil vom 10.06.2010 C-58/09) und nun auch in dem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren für unionsrechtskonform erachtet.

102

d) Bestimmtheit der Rechtsgrundlage

103

Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle auch § 10 Abs. 1 UStG eine taugliche und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für die Besteuerung der Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit dar. Der Gesetzgeber habe in § 10 UStG die vom EuGH im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93) vertretene und nunmehr erneut bestätigte Auslegung des Art. 73 MwStSystRL übernommen, wonach die effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen in einem bestimmten Zeitraum zu besteuern seien.

104

e) Geldwechselvorgänge

105

Die von der Klägerin behaupteten Geldwechselvorgänge seien in den effektiv verfügbaren Kasseneinnahmen nach der vom EuGH bestätigten und auch im Rahmen der Umsatzbesteuerung der Klägerin angewandten Berechnungsformel (Geldeinwurf minus Geldauswurf plus Entnahmen minus Geräteauffüllungen) nicht enthalten. Die isolierte Betrachtung einzelner Geldwechselvorgänge verzerre die Ergebnisse, weil weitere Spieler, die nach einem Geldwechselvorgang spielten, den Hopper zunächst auffüllten, ohne dass sich der "Saldo 2" ändere. Im Übrigen gehe die nach Ansicht der Klägerin bestehende unrichtige Erfassung der Geldwechselvorgänge allein zu ihren Lasten. Denn der Aufsteller von Spielgeräten habe Vorsorge für eine zutreffende Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu treffen.

106

f) Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten verwiesen.

107

V. Gerichtsverfahren

108

Der Senat hat die Klägerin unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 13.06.2014 aufgefordert, die im Streitjahr erzielten Kasseneinnahmen anzugeben und hierin etwa enthaltene Geldwechselvorgänge zu ermitteln oder zu schätzen (FGA Bl. 825, 946).

109

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens über die Funktionsweise von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit.

110

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Erörterungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2014 (FGA Bl. 1081 ff.) und des Erörterungstermins vom 30.01.2014 (FGA Bl. 731 ff.) Bezug genommen.

111

Dem Senat haben je ein Band Rechtbehelfs-, Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer-, Bilanz- und Berichtakten sowie ein Band Akten "verwendbares Eigenkapital" vorgelegen (St.-Nr. .../.../...).

Entscheidungsgründe

112

B. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

113

Die als Änderungsanfechtungsklage i. S. des § 100 Abs. 2 Finanzgerichts-ordnung (FGO) statthafte Klage ist zulässig.

114

1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Einspruch der Klägerin bisher nicht beschieden hat. Der erfolglose Abschluss des Einspruchsverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung gemäß § 44 FGO ist entbehrlich, weil die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO vorliegen. Die Klage ist nach Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelf erhoben worden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Klägerin ist auch kein zureichender Grund für die Zurückstellung der Entscheidung über den Einspruch mitgeteilt worden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

115

2. Die Klage richtet sich gegen die Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für 2010 vom 29.03.2012.

116

Zwar ist sie zunächst gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2010, die sich gemäß § 168 Satz 1 AO aus der entsprechenden Steueranmeldung ergibt, erhoben worden. Jedoch ist die nachfolgende Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 durch Bescheid des Beklagten vom 29.03.2012, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des noch offenen Einspruchsverfahren geworden ist (oben A. II. 6.), in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

117

Der Umsatzsteuer-Jahresbescheid wird danach kraft Gesetzes Streitgegen-stand, wenn er während eines finanzgerichtlichen Verfahrens gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ergeht (BFH-Beschluss vom 30.04.2009 V B 193/07, juris; BFH-Urteil vom 04.11.1999 V R 35/98, BStBl II 2000, 454).

118

Die Jahresfestsetzung ist hier zwar nicht - wie von § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO für den Regelfall vorausgesetzt - nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung ergangen; der Einspruch ist vielmehr unentschieden geblieben. Dem Sinn und Zweck der Verfahrensvereinfachung nach ist jedoch § 68 Abs. 1 FGO im Fall einer wie hier gegebenen Untätigkeitsklage i. S. von § 46 FGO entsprechend anzuwenden (FG München Urteil vom 23.02.2010 13 K 3272/07, juris).

II.

119

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuer-Jahresbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

120

Der Betrieb der Klägerin von "Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit" stellt eine umsatzsteuerbare Leistung dar (1.), die nicht von der Umsatzsteuer befreit ist (2.). Dies steht im Einklang mit Unionsrecht (3.). Zu Recht hat der Beklagte die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 1 UStG herangezogen (4.). Diese Besteuerung ist auch verfassungsgemäß (5.).

121

1. Der Betrieb von Geldspielautomaten ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine steuerbare sonstige Leistung, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt wird.

122

2. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist nicht einschlägig, weil nach dieser Bestimmung nur solche Umsätze steuerbefreit sind, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Davon nicht erfasst werden Umsätze aus sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz, zu denen die streitigen Umsätze der Klägerin gehören.

123

3. Die Besteuerung der Klägerin ist unionsrechtskonform (a.). Dies folgt aus der - für das vorlegende Gericht verbindlichen - Auslegung des EuGH der MwStSystRL in seinem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12), welches innerhalb der Kompetenzen des EuGH ergangen ist (b.). Von einer erneuten Vorlage an den EuGH wird daher abgesehen (c.). Einer unionsrechtlichen Notifizierungspflicht unterlag die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG nicht (d.).

124

a) Die Steuerpflicht bzgl. der Geldspielumsätze ist unionsrechtskonform. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung der Grundsätze der Proportionalität (aa.), Abwälzbarkeit (bb.) und Neutralität der Umsatzsteuer (cc.) berufen. Auch die von der Klägerin in Bezug auf die Bemessungsgrundlage aufgezeigten Anwendungsprobleme führen nicht zu einer Steuerbefreiung (dd.). Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, als er die Umsätze gewerblicher Spielhallenbetreiber aus Geldspielgeräten nicht in die Umsatzsteuerbefreiung einbezog (ee.). Die Umsatzsteuer kann neben der Spielvergnügungsteuer erhoben werden (ff.).

125

aa) Die Besteuerung der Klägerin ist hinsichtlich des Grundsatzes der Proportionalität mit den Richtlinienvorgaben vereinbar.

126
aaa) Gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL ist die Mehrwertsteuer eine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL bestimmt, dass sich die Mehrwertsteuer bei allen Umsätzen nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung errechnet.

127

Nach Ansicht des EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahrens steht mit diesen Regelungen eine nationale Vorschrift oder Besteuerungspraxis im Einklang, nach der beim Betrieb von Spielgeräten die Höhe der Kasseneinnahmen dieser Geräte nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, juris, Rz. 44).

128

Die Proportionalität der Mehrwertsteuer zu den Preisen der betreffenden Dienstleistungen oder Gegenstände stellt zwar eines der wesentlichen Merkmale der harmonisierten Mehrwertsteuer dar, ist aber keine zwingende Voraussetzung in jedem Einzelfall (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 36 f.). Denn der Grundsatz der Proportionalität bezieht sich nur auf die Bemessungsgrundlage. Zwar entspricht die Bemessungsgrundlage meist dem Preis, den der Endverbraucher als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung eines Gegenstands entrichten muss. Jedoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 73 MwStSystRL, dass sich die Bemessungsgrundlage maßgeblich danach richtet, was der Steuerpflichtige tatsächlich als Gegenleistung erhält, und nicht danach, was ein bestimmter Adressat in einem konkreten Fall zahlt. Die Regelungen der MwStSystRL fordern somit keine Proportionalität zwischen der geschuldeten Mehrwertsteuer und den isoliert betrachteten Einsätzen der einzelnen Spieler (EuGH-Urteile vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 38 f.; vom 05.05.1994 C-38/93 -Glawe, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548).

129

In einem ersten Schritt kommt es demnach darauf an, eine mit den Vorgaben des Art. 73 MwStSystRL konforme Bemessungsgrundlage aufzufinden. Anschließend ist die geschuldete Mehrwertsteuer zu errechnen, indem auf den im ersten Schritt gebildeten Preis des Gegenstandes oder der Dienstleistung der jeweils einschlägige Steuersatz angewendet wird. Nur die im zweiten Schritt vorzunehmende Anwendung des Steuersatzes auf die Bemessungsgrundlage ist damit Bezugspunkt der Proportionalität.

130

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Geldspielgeräte vertritt der EuGH die Auffassung, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, nur in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums besteht, weil diese aufgrund der gesetzlichen Vorschriften der SpielV den Teil der Einsätze darstellen, über den der Betreiber effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 42).

131

Indem auf die so gebildete Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuersatz angewendet wird, errechnet sich die Umsatzsteuer auf die klägerischen Umsätze aus Geldspielgeräten proportional zum Preis der Dienstleistung i. S. von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL. Dass der EuGH - wie von der Klägerin behauptet - die Regelung des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 MwStSystRL rechtlich nicht gewürdigt hätte, ist demnach nicht zu erkennen, zumal diese Bestimmung im Urteil eigens aufgeführt wird (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 3).

132
bbb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der EuGH in seinem Urteil im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren von der Rechtsprechung in anderen Entscheidungen abgewichen wäre.

133

Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des EuGH vom 26.09.2013 (C-189/11 - Kommission/Spanien, DStR 2013, 2106) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil es dort um die Umsetzung der speziell für die Umsatzbesteuerung von Reiseleistungen in Art. 308 MwStSystRL geregelte Bemessungsgrundlage ging.

134

Das Urteil des EuGH im hiesigen Verfahren steht nicht nur mit dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548), sondern auch mit der übrigen Rechtsprechung des EuGH im Einklang. So hat der EuGH entschieden, dass der im Vorhinein gesetzlich festgelegte Teil des Verkaufspreises für Bingo-Coupons, der für die Auszahlung der Gewinne an die Spieler bestimmt ist, nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört (Urteil vom 19.07.2012 C-377/11 - International Bingo, HFR 2012, 1011), und auch in anderen Fällen danach differenziert, ob der Steuerpflichtige über den gesamten gezahlten Preis frei verfügen kann oder nicht (Urteile vom 17.09.2002 C-498/99 - Town & County Factors, Slg. 2002, I-7173, UR 2002, 510, Rz. 30; vom 29.05.2001 C-86/99 - Freemans, Slg. 2001, I-4167, UR 2001, 349, Rz. 30). Dass die Umsatzsteuer nicht in jedem Fall zum Preis der Leistung proportional sein muss, sondern der Bruttoertrag während eines bestimmten Zeitraums und damit eine Gesamtheit von Umsätzen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden kann, ergibt sich schließlich aus der Entscheidung First National Bank of Chicago zur Besteuerung von Devisengeschäften (EuGH-Urteil vom 14.07.1998 C-172/96, UR 1998, 456, mit Anmerkung Philipowski).

135

bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwälzbarkeit ist 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL vereinbar.

136

Die in diesem Zusammenhang dem EuGH vorgelegten Fragen (fünfte bis siebte Vorlagefrage) blieben - wie von der Klägerin gerügt - wegen ihres hypothetischen Charakters unbeantwortet. Gleichzeitig stellte der EuGH aber in den Entscheidungsgründen fest, dass eine der SpielV entsprechende innerstaatliche Regelung, die den Betrieb von Spielgeräten insbesondere in Bezug auf die Einsätze, Gewinne und Verluste der Spieler je Zeiteinheit begrenze, es dem Betreiber erlaube, die für diese Tätigkeit geschuldete Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher abzuwälzen (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 53). Bemessungsgrundlage sei nämlich nur die "Nettokasse", d.h. die Kasseneinnahmen abzüglich der geschuldeten Mehrwertsteuer (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 52). Die von dem Betreiber der Spielgeräte geschuldete Mehrwertsteuer werde deswegen von den Endverbrauchern tatsächlich gezahlt.

137

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Durch die Regelungen der SpielV sind die Betreiber von Geldspielgeräten nicht an einer Überwälzung der Umsatzsteuer an die Endverbraucher gehindert (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07 BStBl II 2011, 311). Wie vom EuGH erkannt, ergibt sich bereits aus der Bemessungsgrundlage, dass die anfallende Umsatzsteuer faktisch von den Spielern als Leistungsempfängern getragen und somit vom Gerätebetreiber auf diese abgewälzt wird. Bei den Kasseneinnahmen, die den für den Betreiber frei verfügbaren Teil der Spieleinsätze darstellen, handelt es sich um einen Bruttowert, der die geschuldete Umsatzsteuer mitumfasst. Zur endgültigen Bestimmung der (Netto-) Bemessungsgrundlage ist die Umsatzsteuer noch aus diesem Betrag herauszurechnen. Daraus folgt zwingend, dass ein Gerätebetreiber die von ihm für seine erbrachten Leistungen geschuldete Umsatzsteuer bereits in vollem Umfang vereinnahmt hat. Der Umsatzsteuerbetrag ist in dem ihm frei zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen enthalten und steht ihm damit als von den Spielern stammender Betrag zur Abführung an den Fiskus tatsächlich zur Verfügung.

138

Im Übrigen fordert das Merkmal der Abwälzbarkeit nicht, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag vom Endverbraucher stets tatsächlich ersetzt erhalten. Vielmehr genügt die generelle Möglichkeit dazu im Sinne einer "kalkulatorischen" Abwälzbarkeit. Die Abwälzung der Steuer stellt einen wirtschaftlichen Vorgang dar, in dem es dem Steuerschuldner überlassen bleibt, den Steuerbetrag in seine Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

139

Der Ansicht der Klägerin, dass die Abwälzbarkeit aufgrund der Regelungen der SpielV ausgeschlossen sei, weil diese einen Aufschlag der Umsatzsteuer auf den Nettopreis verhinderten, folgt der Senat demnach nicht. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Gewinnmöglichkeiten der Betreiber von Geldspielgeräten reduziert, indem er Gewinn- und Verlustbegrenzungen wie etwa in § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV einführt, verringern sich zwar die dem Betreiber zur Verfügung stehenden Kasseneinnahmen. Doch ist in dem so geminderten Betrag weiterhin die geschuldete Umsatzsteuer enthalten, sodass deren Abwälzung auf die Spieler in dem dargestellten Sinn nicht beeinträchtigt wird. Eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes mindert zwar bei gleichbleibenden Kasseneinnahmen den Betrag der Nettokasse (Kasseneinnahmen abzgl. Umsatzsteuer), jedoch ändert dies nichts daran, dass auch der erhöhte Umsatzsteuerbetrag von den Kasseneinnahmen umfasst ist und damit faktisch von den Spielern über ihre Einsätze getragen wird. Soweit die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes von 16 auf 19 % nicht zu einer entsprechenden Anpassung der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV geführt hat, könnte dies allenfalls zu einer Beanstandung der SpielV führen, nicht jedoch zur Rechtswidrigkeit der Umsatzbesteuerung (FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

140

cc) Auch eine Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor. Von einer Ungleichbehandlung ist weder im Verhältnis der Spielhallen zu Spielbanken (dazu (2) bis (4)) noch im Verhältnis der Spielhallen zu anderen von der Umsatzsteuer befreiten Teilnehmern des Glücksspielmarktes auszugehen (dazu (5)).

141

aaa) Im Rahmen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems verbietet der Neutralitätsgrundsatz insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken und miteinander in Wettbewerb stehen, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (siehe etwa EuGH-Urteil vom 19.12.2012 C-310/11 - Grattan, UR 2013, 271, Rz. 28 m. w. N.).

142

Für Glücksspielumsätze bedeutet dies insbesondere, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen aufgrund Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zustehenden Befugnisse, die Bedingungen und Beschränkungen der Steuerbefreiung von Glücksspielumsätzen festzulegen, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200).

143
bbb) Daran gemessen verstößt nach der Entscheidung des EuGH die für öffentliche Spielbanken geltende Anrechnung der geschuldeten Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe nicht gegen den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz (BFH-Beschluss vom 19.10.2009 XI B 60/09, BFH/NV 2010, 58; Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris).

144

Der EuGH hat im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren die seit dem 06.05.2006 bestehende unterschiedliche Abgabenbelastung des Betriebs von Geldspielgeräten in öffentlichen Spielbanken und außerhalb derselben, insbesondere in Spielhallen, für vereinbar mit dem Neutralitätsgrundsatz gehalten. Nach seiner Auslegung gewährleistet dieser Grundsatz Gleichbehandlung und Neutralität nur im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuersystems. Da die geschuldete Umsatzsteuer im Fall der Spielbanken auf die nicht harmonisierte Spielbankenabgabe angerechnet wird und nicht umgekehrt, ist die Gleichbehandlung der Umsätze aus Geldspielgeräten innerhalb des Mehrwertsteuersystems gewahrt (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 57; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris).

145

Damit führt der EuGH seine Rechtsprechung in der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) fort. Dort erkannte er bereits, dass sonstige nationale Steuern und Abgaben, die sich außerhalb des Mehrwertsteuersystems bewegen, von dem spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz nicht erfasst werden und ihre inhaltliche Ausgestaltung damit keinen Vorgaben der MwStSystRL unterliegt.

146

Ob in diesem Zusammenhang eine Ungleichbehandlung auf der Ebene der nicht harmonisierten Spielbankengesetze gegenüber privaten Spielhallen-betreibern, also außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems, vorliegt, hatte der EuGH nicht zu entscheiden. Diese Frage betrifft nicht die Vereinbarkeit der Regelung mit gleichheitsrechtlichen Postulaten des Unionsrechts, sondern stellt sich allein im nationalrechtlichen, dort vor allem im verfassungsrechtlichen Kontext (hierzu siehe unten 5.).

147

(3) Ferner ist eine innerhalb des harmonisierten Umsatzsteuersystems beachtliche Ungleichbehandlung auch nicht darin zu erkennen, dass der Betrieb von Geldspielgeräten durch öffentliche Spielbanken keinen gesetzlichen Preisbeschränkungen unterliegt, während für Spielhallenbetreiber die Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV (insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SpielV) gelten.

148

Wie die Anrechnungsmöglichkeit der Spielbanken hat auch diese Differenzierung ihren Ursprung außerhalb des Mehrwertsteuersystems und ist damit nicht an den unionsrechtlichen Vorgaben zu messen. Eine Verletzung des spezifisch-mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes kommt daher nicht in Betracht.

149

Soweit die Klägerin einwendet, eine Ungleichbehandlung resultiere daraus, dass öffentliche Spielbanken die Umsatzsteuer im Gegensatz zu Spielhallenbetreibern aufgrund fehlender Preisbeschränkungen auf die Spieler abwälzen könnten, trifft dies nicht zu, weil die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer trotz der Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV gewährleistet ist (siehe unter B. II. 3. a. bb.).

150

(4) Auch die Argumentation der Klägerin, die Umsätze aus Geldspielgeräten der öffentlichen Spielbanken und der Spielhallenbetreiber würden gleichheitswidrig zur Umsatzsteuer herangezogen, weil für beide Arten von Gerätebetreibern die einheitliche Bemessungsgrundlage der Kasseneinnahmen gelte, führt nicht zum Erfolg.

151

Dass gleichartige Umsätze innerhalb und außerhalb von Spielbanken nicht nur in Bezug auf ihre dem Grunde nach bestehende Umsatzsteuerpflicht, sondern auch hinsichtlich der Bemessungsgrundlage gleich behandelt werden, ist vielmehr Ausdruck umsatzsteuerlicher Neutralität.

152

Die Gleichbehandlung dem Grunde nach war die zwingende Konsequenz des EuGH-Urteils in der Rechtssache Linneweber (EuGH-Urteil vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200), die der deutsche Gesetzgeber in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umgesetzt hat. In jenem Urteil stellte der EuGH fest, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in öffentlichen Spielbanken unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt demnach einmal dann vor, wenn die Steuerpflicht gleichartiger (Glücksspiel-) Umsätze davon abhängen soll, wer sie erzielt (Spielbanken oder Spielhallen).

153

Nach Auffassung des Senat wirkt der Neutralitätsgrundsatz aber nicht nur im Rahmen des Freistellungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Er gebietet es darüber hinaus, eine steuerliche Gleichbehandlung gleichartiger Umsätze auch hinsichtlich der Bestimmung dessen herbeizuführen, was i. S. von Art. 73 MwStSystRL der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ist.

154

Aus diesen Gründen gilt die pauschal ermittelte Bemessungsgrundlage in Form der Kasseneinnahmen für alle Geldspielgeräte, unabhängig davon, ob sie den Gewinn- und Verlustbeschränkungen der SpielV unterliegen. Dass in dieser Hinsicht unterschiedliche gesetzliche Beschränkungen abhängig von dem Betreiber der Geräte Anwendung finden, beeinflusst die Besteuerung aufgrund einer einheitlichen Bemessungsgrundlage nicht. Der unterschiedliche persönliche Anwendungsbereich der SpielV stellt eine Differenzierung dar, die wegen ihres rein nationalrechtlichen Ursprungs außerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems angelegt und damit nicht für die umsatzsteuerliche Gleichbehandlung von Geldspielgeräten entscheidend ist. Denn für Zwecke der steuerlichen Neutralität ist es unbeachtlich, dass der Art nach gleiche Glücksspiele unterschiedlichen rechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Aufsicht und Regulierung unterliegen (siehe EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Tenor 2). Eine Gleichbehandlung innerhalb des harmonisierten Mehrwertsteuersystems ist also gerade auch bei nicht unterschiedslos geltenden Regelungen wie der SpielV geboten.

155

Der Vortrag der Klägerin, dass eine Besteuerung nach den Spieleinsätzen bei den Spielbanken wegen der dortigen Auszahlquote von 90 bis 97 % zu einer Erdrosselung führte, spricht erst recht dafür, auch bei den Spielbanken in Anwendung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgebotes die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage anzusetzen.

156

(5) Schließlich kann der Senat eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes im Verhältnis steuerpflichtiger Spielhallenbetreiber und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreiter Glücksspielanbieter nicht feststellen.

157

In der Rechtssache Leo-Libera (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09, Slg. 2010, I-5189, UR 2010, 494) hat der EuGH mit Blick auf § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG entschieden, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Neutralität nicht vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat die mit Geldspielautomaten erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterwirft, jedoch Pferderennwetten, Wetten zu festen Odds (Quoten) sowie Lotterien und Ausspielungen von dieser Steuer befreit (Rz. 36; nachgehend BFH-Urteil vom 10.10.2010 XI R 79/07, BStBl II 2011, 311; bestätigt durch EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 54).

158

Soweit sich die Klägerin allgemein auf eine ihr gegenüber gleichheitswidrige Steuerbefreiung der Lotterien beruft, ist diese Frage demnach bereits durch die Rechtsprechung des EuGH und BFH geklärt. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an.

159

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht hinsichtlich des von der Klägerin benannten Bingospiels oder sogenannter Rubbellose anzunehmen, die - laut Klägerin - bereits ihrem Erscheinungsbild nach das Automatenspiel nachahmen sollen.

160

Nach der Auffassung des EuGH genügt für eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es auf die Feststellung eines tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Dienstleistungen ankommt. Dabei sind die maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, die die Entscheidung des Verbrauchers, das eine oder das andere Glücksspiel zu spielen, erheblich beeinflussen können. So sind etwa in Bezug auf Geldspielgeräte insbesondere Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und -gewinnen, den Gewinnchancen, den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten entscheidend (EuGH-Urteil vom 10.11.2011 C-59/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947, Rz. 36, 55 ff.).

161

Daran gemessen unterscheidet sich das Automatenspiel aus der Sicht des Verbrauchers deutlich von den genannten Glücksspielvarianten.

162

Aus der Sicht des Verbrauchers besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem Erwerb eines Bingo- oder Rubbelloses und dem Spiel an einem Automaten. Neben der auseinander fallenden Zugangsschwelle zum Spiel stellt sich die Unmittelbarkeit des Automatenspiels als das für die Unvergleichbarkeit maßgebliche Kriterium dar. Die schnelle Spielabfolge und das kurze Auszahlungsintervall ermöglicht dem Spieler am Geldspielautomaten, die Wirkung seines Einsatzes, also den Erfolg oder Misserfolg seines Handelns, in rascher Abfolge zu erleben. Für das Automatenspiel ist im Gegensatz zu den weitergehend von Zufälligkeiten abhängigen Lotterien kennzeichnend, dass der Spieler aktiv einbezogen ist und ihm das Gefühl vermittelt wird, dass er auf seine Gewinnchancen selbst Einfluss nehmen kann (im Ergebnis ebenso Bruschke, UVR 2014, 77; vgl. bzgl. des höheren Suchtpotentials von - den Automatenspielen vergleichbaren - Kasinospielen im Verhältnis zu Sportwetten und Lotterien BGH-Urteil vom 18.11.2010 I ZR 165/07, juris).

163

dd) Eine Steuerbefreiung ergibt sich schließlich nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL wegen der von der Klägerin angeführten Anwendungsprobleme hinsichtlich der Bemessungsgrundlage.

164

aaa) Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass sich Glücksspielumsätze im Allgemeinen schlecht für die Anwendung der Umsatzsteuer eignen, die gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL als Verbrauchsteuer konzipiert ist. Glücksspiele sind durch die Zahlung von Einsätzen und die Auszahlung von Gewinnen geprägt, ohne dass ein Verbrauch von Gegenständen oder Dienstleistungen als Anknüpfungspunkt der Besteuerung erkennbar wäre. Dies hat auch der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung festgestellt (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg 2011, I-10947, Rz. 39; vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189, Rz. 24).

165

bbb) Die aus diesem Grund eingeführte Freistellungsregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL für "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin zu verstehen, dass die Mitgliedstaaten deswegen Umsätze aus Geldspielgeräten von der Umsatzsteuer befreien müssten.

166

Denn der Wert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung i. S. d. Art. 73 MwStSystRL lässt sich für den Zweck der Besteuerung von Geldspielgeräten ermitteln, sodass sich die im Allgemeinen bei Glücksspielen bestehende Problematik des variierenden und von Zufälligkeiten abhängenden "Preises" für die vom Glücksspielanbieter erbrachte Leistung nicht stellt:

167

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteil vom 05.05.1994 C-38/93 - Glawe, Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548; daran anschließend die Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren). Im Fall der streitgegenständlichen Geldspielgeräte werden die für die Bestimmung der Erlöse relevanten Daten in den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolleinrichtungen innerhalb der Geräte erfasst (s. zur Bemessungsgrundlage unten unter 4. a. und b.).

168

(2) Auch die von der Klägerin dargestellten Anwendungsprobleme, die hinsichtlich des Vorsteuerausweises und -abzugs bei einer pauschal ermittelten Bemessungsgrundlage wie den Kasseneinnahmen entstehen, können die begehrte Steuerbefreiung nicht begründen. Wie zutreffend vom Beklagten vorgetragen, stellt sich die Problematik der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerausweises in Rechnungen des Dienstleisters und des entsprechenden Vorsteuerabzugs auf der Ebene des Leistungsempfängers praktisch nicht. Ein Vorsteuerabzug scheidet in den Fällen, in denen ein umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer Geschäftspartner in eine Spielhalle einlädt, gemäß § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG regelmäßig aus. In dem von der Klägerin genannten Fall, dass Spielhallen von Konkurrenten zu Vergleichszwecken aufgesucht werden, wollen die Besucher im Allgemeinen unerkannt bleiben und verzichten daher auf eine Rechnungserteilung.

169

Im Übrigen (so auch für den Sonderfall, der nach der Klägerin dem Rechtsstreit vor dem AG Bergedorf zugrunde liegen soll) ist davon auszugehen, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG in zulässiger Umsetzung des Art. 220 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL geregelte umsatzsteuerliche Pflicht zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis an andere Unternehmer, die in entgeltlichen Austauschverträgen zivilrechtlich üblicherweise als Nebenpflicht vereinbart ist, in dem aufgrund des Automatenspiels zwischen Spieler und Gerätebetreiber geschlossenen Vertrag regelmäßig konkludent ausgeschlossen wird bzw. der Spieler hierauf konkludent verzichtet.

170

Der deutsche Gesetzgeber konnte daher im Rahmen seines Umsetzungsermessens gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL die Anwendungsprobleme des Umsatzsteuerausweises und Vorsteuerabzugs unberücksichtigt lassen.

171

ee) Der deutsche Gesetzgeber handelte innerhalb des ihm durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eingeräumten Ermessens, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien, als er die Geldspielumsätze von Automatenaufstellern nicht in die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Abs. 9 Buchst. b UStG einbezog (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, UR 2010, 494; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311; Bruschke, UVR 2014, 77).

172

Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sind die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer zu befreien, allerdings unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit steht den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zu. Es ist ihnen auf dieser Grundlage gestattet, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10.06.2010 C-58/09 - Leo Libera, Slg. 2010, I-5189), sofern sie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten (EuGH-Urteile vom 10.11.2011 C-259/10 und C-260/10 - The Bank Group, Slg. 2011, I-10947; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200). Dies ist in Bezug auf die Regelung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG geschehen (oben 3. a. cc.).

173

Aus Art. 131 MwStSystRL ergibt sich nach Auffassung des Senats keine weitergehende Beschränkung des in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eröffneten Regelungsermessens bzgl. der inhaltlichen Reichweite der Steuerbefreiung, sondern im Gegenteil die Befugnis zur Regelung weiterer Bedingungen im Hinblick auf die Anwendung der Steuerbefreiung zum Zweck der Vereinfachung und der Missbrauchsverhinderung.

174

Entsprechendes gilt für die Bestimmung des Art. 395 MwStSystRL; das dort geregelte und von der Klägerin vorliegend für anwendbar gehaltene Dispensverfahren ist nur für in der Richtlinie nicht vorgesehene Abweichungen erforderlich und erfasst nicht das den Mitgliedstaaten in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL selbst eröffnete Ermessen.

175

Eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf die Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL kommt somit nicht in Betracht (FG Hamburg, Beschluss vom 05.11.2010 3 V 149/10, EFG 2011, 925).

176

ff) Schließlich ist nach dem hiesigen Vorabentscheidungsverfahren geklärt, dass die Umsatzsteuer und eine innerstaatliche Sonderabgabe auf Glücksspiele - wie in Hamburg die Spielvergnügungsteuer - kumulativ erhoben werden können (EuGH-Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 32; BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556).

177

b) Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens gefundene Auslegung der MwStSystRL durch den EuGH stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die dazu führte, dass das EuGH-Urteil als sog. Ultra-vires-Rechtsakt unanwendbar wäre.

178

Die Feststellung, ob Organe und Einrichtungen der Europäischen Union kompetenzwidrig und damit außerhalb der Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. dem Integrationsgesetz gehandelt haben, obliegt dem BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvR 2661/06 BVerfGE 126, 286, 302 ff. - Honeywell; BVerfG-Urteile vom 30.06.2009 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 BVerfGE 123, 267 - Lissabon; vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 BVerfGE 89, 155 - Maastricht). Gelangt ein Fachgericht zu der Überzeugung, dass eine Kompetenzüberschreitung eines EU-Organs vorliegt und die Anwendbarkeit dieses Rechtsakts für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ist es in entsprechender Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob der Rechtsakt wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Grenzen des Art. 23 Abs. 1 GG innerstaatlich Anwendung findet (in diesem Sinne in Bezug auf die innerstaatliche Anwendbarkeit einer EU-Verordnung BVerfG-Beschluss vom 07.06.2000 2 BvL 1/97 BVerfGE 102, 147 - Bananenmarktordnung; Thiemann, JURA 2012, 902).

179

Ein Kompetenzverstoß in dem beschriebenen Sinne kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur in Betracht, wenn dieser hinreichend qualifiziert ist. Zum einen muss das in Frage stehende Handeln eines EU-Organs offensichtlich kompetenzwidrig sein; zum anderen muss der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zwischen Mitgliedstaaten und EU im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fallen, mithin zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führen (BVerfG-Beschluss vom 06.06.2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 - Honeywell, juris Rz. 61). Ausdrücklich gesteht das BVerfG dem EuGH im Rahmen seiner Stellung als unabhängiges überstaatliches Rechtsprechungsorgan einen Anspruch auf Fehlertoleranz zu. Das BVerfG setzt daher bei Auslegungsfragen des Unionsrechts, die bei methodischer Gesetzesauslegung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, seine Auslegung nicht an die Stelle derjenigen des EuGH.

180

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der EuGH durch seine Auslegung der MwStSystRL innerhalb seiner Kompetenz gehandelt hat, zur Wahrung des Rechts europäisches Primär- und Sekundärrecht auszulegen und anzuwenden (Art. 19 EUV). Eine unzulässige Rechtsfortbildung durch den EuGH liegt nicht vor. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der EuGH die Vorschriften der MwStSystRL in rechtsmethodisch unvertretbarer Weise ausgelegt hätte. Im Wesentlichen hat der EuGH die Ergebnisse seiner bisherigen Rechtsprechung auf den vorgelegten Sachverhalt anwenden können. Im Schwerpunkt hat sich seine Rechtsfindung an der Auslegung des Richtlinienwortlauts orientiert. Schließlich begründet sein Vorgehen keine neuen Kompetenzen der EU zulasten der Mitgliedstaaten oder dehnt eine bestehende Kompetenz mit dem Gewicht einer Neubegründung aus.

181

Auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensverstöße des EuGH beeinflussen die Verbindlichkeit seiner gefundenen Auslegung für den erkennenden Senat nicht. Selbst im Falle ihres Vorliegens wären sie nicht geeignet, einen Kompetenzverstoß in dem genannten Sinne zu begründen.

182

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Ausprägung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens gemäß Art. 47 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.

183

c) Der Senat sieht von einer erneuten, von der Klägerin beantragten Vorlage an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV ab. Der EuGH hat die entscheidungserheblichen Auslegungsfragen durch sein Urteil in einer Weise geklärt, dass der Senat den vorliegenden Rechtsstreit in der Sache auch ohne die Klärung weiterer unionsrechtlicher Rechtsfragen entscheiden kann und keine Zweifel daran hat, dass die Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte unionsrechtskonform ist.

184

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Gesetzgeber bei Erlass des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG i. d. F. des Gesetzes vom 28.04.2006 (BGBl I 2006, 1095) nicht gegen die für technische Vorschriften geltende Notifizierungspflicht des Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204 v. 21.07.1998, S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20.11.2006, ABl. L 363, S. 81) verstoßen.

185

aa) aaa) Durch das Gesetz vom 28.04.2006 (mit Geltung ab dem 06.05.2006, BGBl I 2006, 1095) hat der deutsche Gesetzgeber die Bestimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG als Reaktion auf das EuGH-Urteil in der Sache Linneweber (vom 17.02.2005 C-453/02 u. a., Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200) dahingehend geändert, dass er zur Vermeidung einer unionsrechtlichen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu privaten Spielhallenbetreibern die bis dahin bestehende Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen zugelassener öffentlicher Spielbanken aufgehoben hat.

186

bbb) Nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nehmen die Mitgliedstaaten den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG bei der Kommission an. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Richtlinie 98/34/EG übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 Richtlinie 98/34/EG machen die Mitgliedstaaten eine weitere Mitteilung in der vorgenannten Art und Weise, wenn sie an dem Entwurf einer technischen Vorschrift wesentliche Änderungen vornehmen, die den Anwendungsbereich ändern, den ursprünglichen Zeitpunkt für die Anwendung vorverlegen, Spezifikationen oder Vorschriften hinzufügen oder verschärfen. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 98/34/EG führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (VGH München, Beschluss vom 25.06.2013 10 CS 13.145, juris, m. w. N.).

187
ccc) Unter den Begriff der technischen Vorschrift fällt gemäß Art. 1 Nr. 9 Richtlinie 98/34/EG erstens eine technische Spezifikation i. S. des Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, zweitens eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 98/34/EG, die in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, und drittens das Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses.

188

bb) Die faktische Wiedereinführung der Umsatzsteuerpflicht für Spielhallenbetreiber durch die Aufhebung der Steuerbefreiung für die Umsätze öffentlich zugelassener Spielbanken und den damit verbundenen Wegfall der Möglichkeit, sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zu berufen, unterlag nicht der Notifizierungspflicht.

189

aaa) Die Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG beinhaltet keine technische Spezifikation, weil sie sich nicht speziell auf ein Erzeugnis und seine Verpackung als solche bezieht und eines der vorgeschriebenen Merkmale festlegt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.07.2012 C-213/11 u. a. - Fortuna, NwWZ-RR 2012, 717).

190

bbb) Die Gesetzesänderung begründet auch kein Verbot des Betriebs von Glücksspielgeräten i. S. des Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie. Ein derartiges Verbot läge etwa vor, wenn die Verwendung der Geräte an anderen Orten als Spielkasinos verboten würde (EuGH-Urteil vom 26.10.2006 C-65/05 Kommission ./. Griechenland, Slg. 2006, I-10341). Durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG wird aber weder der Klägerin noch den Spielbanken der Betrieb von Geldspielgeräten verboten.

191

ccc) Schließlich handelt es sich auch nicht um eine sonstige Vorschrift i. S. des Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 98/34/EG. Dies sind Vorschriften für ein Erzeugnis, die keine technischen Spezifikationen sind und insbesondere zum Schutz der Verbraucher oder der Umwelt erlassen werden und den Lebenszyklus des Erzeugnisses nach dem Inverkehrbringen betreffen, wie Vorschriften für Gebrauch, Wiederverwertung, Wiederverwendung oder Beseitigung, sofern diese Vorschriften die Zusammensetzung oder die Art des Erzeugnisses oder seine Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH-Urteil vom 21.04.2005 C-267/03 - Lindberg, Slg 2005, I-3247; VG Hamburg, Urteil vom 22.08.2013 2 K 179/13, juris). Der bloße Umstand, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten durch ein elektronisches Rechenprogramm des Geräteherstellers errechnet wird, genügt insoweit ersichtlich nicht.

192

4. Der Beklagte hat rechtmäßig auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG die Kasseneinnahmen der Geldspielgeräte der Besteuerung der Klägerin als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt (a.). Die für diesen Zweck herangezogene Rechengröße des sog. "Saldo 2" stellt trotz darin erfasster steuerfreier Geldwechselvorgänge eine taugliche Bemessungsgrundlage dar (b.). Die Regelung des § 10 Abs. 1 UStG verstößt nicht gegen den unions- und verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (c.).

193

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Zum Entgelt gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese Regelung beruht auf Art. 73 MwStSystRL. Danach ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

194

Nach der Auslegung der EuGH ist in Bezug auf die streitgegenständlichen Geldspielgeräte für die Bestimmung der Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, auf die Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums abzustellen (siehe unter B. II. 3. a. aa.). § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG ist unter Berücksichtigung des so vom EuGH gefundenen Ergebnisses richtlinienkonform auszulegen. Daraus folgt, dass als Bemessungsgrundlage nicht die von den Spielern gezahlten Einsätze angesetzt werden. Vielmehr sind die Kasseneinnahmen zugrunde zu legen, die den Bruttospielertrag des Gerätebetreibers abbilden. Davon ist die Umsatzsteuer abzuziehen, sodass sich als Bemessungsgrundlage die sog. Nettokasse ergibt.

195

Diesem Ergebnis stehen nicht die zwischen Art. 73 MwStSystRL und § 10 Abs. 1 UStG bestehenden Formulierungsunterschiede entgegen. Zwar stellt § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG auf das Entgelt ab, das der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und nicht wie Art. 73 MwStSystRL auf den Wert der Gegenleistung, die der Lieferer oder Dienstleister "erhält oder erhalten soll". Jedoch will auch die Umsetzungsregelung des § 10 Abs. 1 UStG die tatsächlich erhaltene Gegenleistung des Dienstleisters fixieren und nicht - wie es der Wortlaut vermuten lässt - isoliert auf den Aufwand des Leistungsempfängers abstellen. Für die Umsatzsteuer ist das tatsächlich aufgewendete Entgelt maßgeblich, soweit es dem Unternehmer in seiner Funktion als Steuereinsammler zufließt. Lediglich aufgrund der Sollbesteuerung wird verfahrenstechnisch für die Entstehung der Steuerschuld gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG zunächst an die Ausführung des Umsatzes gegen das vereinbarte Entgelt angeknüpft. Anschließend ist gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG aber eine Korrektur vorzunehmen, wenn der Sollbetrag nicht vom Unternehmer vereinnahmt wird.

196

b) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Auslegung des EuGH hinsichtlich der steuerlichen Bemessungsgrundlage nur auf künftige Fälle und damit nicht auf den Streitfall Anwendung fände.

197

Eine Auslegungsentscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren klärt die Bedeutung einer Norm, die ihr von Anfang an zukam. Sie wirkt grundsätzlich ex tunc (Wernsmann, Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 11 Rz. 44). Dies bedeutet, dass nationale Behörden und Gerichte auf Unionsrecht beruhende Rechtsnormen in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden müssen, die vor Erlass der EuGH-Entscheidung entstanden sind (EuGH-Urteile vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 34; vom 17.02.2005 C-453/02 u. a. - Linneweber, Slg. 2005, I-1131, IStR 2005, 200, Rz. 41). In Ausnahmefällen kann der EuGH aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der einzelnen Betroffenen in seiner Entscheidung allerdings die zeitliche Reichweite seiner Auslegungsentscheidung beschränken (EuGH-Urteil vom 06.03.2007 C-292/04 - Meilicke, Slg 2007, I-1835, Rz. 36 m. w. N.).

198

Eine zeitliche Beschränkung hat der EuGH in seiner Entscheidung im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren jedoch nicht vorgenommen. Seine Auslegung, dass die Kasseneinnahmen der Besteuerung zugrunde zu legen sind, gilt daher für die Besteuerung von Geldspielgeräten, wie sie die Klägerin betreibt, auch für Zeiträume vor Erlass seiner Entscheidung. Im Übrigen hat der EuGH lediglich die bereits im Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, BStBl II 1994, 548) begründete Rechtsprechung zur Bemessungsgrundlage fortgeführt und diese nicht geändert.

199

c) Nach dem Glawe-Urteil (vom 05.05.1994 C-38/93, Slg. 1994, I-01679, Rz. 9 f.) kann der Automatenbetreiber nur über die Geldstücke effektiv selbst verfügen, die in die Gerätekasse gelangen, weil mit den Geldstücken, die in das Münzstapelrohr (Vorläufer des heutigen Hoppers) fallen, dessen Inhalt aufgefüllt wird, den ursprünglich der Betreiber bereitgestellt hatte, um die Inbetriebnahme der Automaten zu ermöglichen. Dies spräche dafür, als Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten den "Saldo 2" und nicht den "Saldo 1" anzuwenden, denn im "Saldo 1" sind die Geldeinwürfe, die im Hopper landen, enthalten, während die Hopperbestandsveränderungen im "Saldo 2" herausgerechnet (neutralisiert) werden (s. oben A. I. 3. b.).

200

Demgegenüber hat der EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ausgeführt, dass jede Hopperbestandsveränderung von einer Kontrolleinrichtung registriert und bei der Berechnung der Kasseneinnahmen berücksichtigt werde, sodass es unschädlich sei, dass der Betreiber jederzeit Zugriff auf den Inhalt des Hoppers habe (Urteil vom 24.10.2013 C-440/12, UR 2013, 866, Rz. 43). Dies spricht eher für den "Saldo 1" als zutreffende Bemessungsgrundlage; letztlich ist die Differenz zwischen dem, was die Spieler einwerfen, und dem, was an sie ausgezahlt wird, der Betrag, über den der Betreiber effektiv verfügen kann.

201

Soweit in anderen Fällen die "elektronisch gezählte Kasse" als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden sollte, wäre das nach Auffassung des Senats nicht zutreffend, weil hierin auch die Nachfüllungen durch den Automatenaufsteller enthalten sind, die der Umsatzbesteuerung nicht unterliegen dürfen.

202

d) Die Frage, ob der "Saldo 1" oder der "Saldo 2" für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage vorzuziehen ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung.

203

aa) Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass wenn ein Spieler lediglich einen Geldschein in Münzen wechselt, ohne einen Spielvorgang durchzuführen, der "Saldo 2" um den Betrag des eingeworfenen Geldscheins erhöht ist, weil dieser in die Gerätekasse fällt und die Minderung des Hopperbestandes aufgrund der Münzauszahlung durch Addition zum "Saldo 1" neutralisiert wird (s. oben A. I. 3. b.). Auch dieser Umstand spricht eher für die Heranziehung des "Saldos 1" als Bemessungsgrundlage, auf den sich die eingezahlten und in identischer Höhe wieder ausgezahlten Beträge nicht auswirken.

204

Dennoch bestehen keine Bedenken dagegen, den "Saldo 2" zur Ermittlung der Höhe der steuerpflichtigen Geldspielumsätze heranzuziehen. Denn bei einem Geldwechselvorgang erhöhen diesem Vorgang nachfolgende Münzeinwürfe zu Spielzwecken den "Saldo 2" andersherum nicht, weil hierdurch zunächst der Hopperbestand wieder aufgefüllt wird. Diese Mehrung des Hopperbestandes wird bei der Ermittlung des "Saldos 2" aber ebenfalls herausgerechnet.

205

Bei jeweils kontinuierlicher Anwendung ist der "Saldo 2" ebenso geeignet wie der "Saldo 1". Denn wie der Sachverständige in seinem in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachten bestätigt hat, gleichen sich diese Vorgänge über längere Sicht aus. Insgesamt kann sich die Differenz zwischen dem "Saldo 1" und dem "Saldo 2" nach den Ausführungen des Sachverständigen über längere Zeit nur auf eine Hopper- bzw. Dispenserfüllung belaufen. Diese Differenz wird zudem spätestens bei Außerbetriebnahme des Geldspielgerätes ausgeglichen.

206

bb) Die Klägerin kann demgegenüber nicht einwenden, es sei unzulässig, steuerpflichtige Geldspielumsätze, die die Kasseneinnahme nicht erhöhten, weil sie nur in den Hopper fielen, mit steuerfreien Geldwechselvorgängen, die die Kasseneinnahme erhöhten, zu saldieren. Wie dargelegt (oben unter a.), wird die Umsatzsteuer für den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit auf die monatlichen Kasseneinnahmen erhoben und nicht auf jeden einzelnen Spieleinsatz. Dieser Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist eine gewisse Pauschalierung dadurch immanent, dass mehrere Vorgänge zusammengefasst werden und nur das Ergebnis der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

207

Da gewährleistet ist, dass Geldwechselvorgänge den "Saldo 2" nicht erheblich und dauerhaft erhöhen, bestehen gegen dessen Heranziehung als Bemessungsgrundlage keine Bedenken; eventuelle vorübergehende Unterschiede am Ende des jeweiligen Erfassungszeitraums halten sich im Rahmen der zulässigen Pauschalierung (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 04.01.2011 5 A 847/10, juris, nachfolgend BVerwG-Beschluss vom 25.11.2011 9 B 27/11, juris, für die hessische Spielapparatesteuer).

208

cc) Im Ergebnis kann aber auch diese Frage offen bleiben.

209

Denn wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass der - von ihr selbst der Steueranmeldung zugrunde gelegte - "Saldo 2" als Bemessungsgrundlage ungeeignet sei und die tatsächlichen, um Geldwechselvorgänge bereinigten Spielumsätze niedriger gewesen seien, hätte sie Gelegenheit gehabt, dies innerhalb der ihr hierfür gesetzten Ausschlussfrist (s. oben A. V.) vorzutragen und den ihrer Auffassung nach erzielten, niedrigeren Jahresumsatz anzugeben oder jedenfalls zu schätzen und die Schätzungsgrundlagen zu benennen. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten.

210

c) § 10 Abs. 1 UStG wahrt das rechtsstaatliche Gebot der Normenbestimmtheit. Die verfassungsrechtliche Forderung nach Gesetzesbestimmtheit meint die Verpflichtung des Gesetzgebers zu begrifflicher Präzision bei der Abfassung von Normen. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG-Beschluss vom 18.05.2004 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370; BVerfG-Urteil vom 17.11.1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234; BFH-Beschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167). Daran besteht hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 UStG verwendeten Begriffe kein Zweifel. Die von der Klägerin vorgetragenen Argumente sind allein für die rechtsmethodisch zu lösende Frage des von der Richtlinienregelung abweichenden Wortlauts des § 10 Abs. 1 UStG relevant (siehe hierzu oben unter a.).

211

Ob die von den Aufstellern eingesetzten Spielgeräte die Ermittlung der Kasseneinnahme als den Betrag, über den der Aufsteller nach der Rechtsprechung des EuGH effektiv selbst verfügen kann, zulassen und welche Berechnungsgröße ("Saldo 1", "Saldo 2" oder "elektronisch gezählte Kasse") diese Bemessungsgrundlage zutreffend wiedergibt, ist für die Frage der Bestimmtheit des § 10 Abs. 1 UStG in der maßgeblichen unionsrechtskonformen Auslegung ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Bemessungsgrundlage der Steuer an die jeweils von den Aufstellern betriebenen Geräte anzupassen (BFH-Urteil vom 07.12.2011 II R 51/10, BFH/NV 2012, 790, für die Hamburgische Spielvergnügungsteuer).

212

5. Die Besteuerung der Umsätze der Klägerin aus Geldspielgeräten verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieses wird weder dadurch, dass auch bei in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Geldspielgeräten die Kasseneinnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, verletzt (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311), noch ohne Weiteres durch die Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe, da insoweit die steuerliche Gesamtsituation unter Einbeziehung der Spielbankenabgabe zu beurteilen ist und nicht isoliert die Umsatzbesteuerung, weshalb es an einer Vergleichbarkeit fehlt (FG Hessen, Beschluss vom 17.05.2013 1 V 337/13, juris; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013 5 V 3800/12 U, EFG 2013, 556; Bruschke, UVR 2014, 77; s. auch BVerwG-Beschluss vom 13.06.2013 9 B 50/12, BFH/NV 2013, 1903, m. w. N., für die Spielvergnügungsteuer). Im Übrigen kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG nur vorliegen, wenn innerhalb des Kompetenzbereichs desselben Normgebers ohne sachlichen Grund verschiedenes Recht gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.1996 9 S 1152/96, NJW-RR 1997, 630). Die Spielbankgesetze sind jedoch Landesrecht.

III.

213

1. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

214

a) Die beantragte Aussetzung im Hinblick auf die von der Klägerin angeregten Vorlage an den EuGH und das BVerfG kam aus den dargelegten Gründen nicht in Betracht (siehe oben II. 3. b. und c.).

215

b) In Bezug auf den beim AG Hamburg-1 anhängigen Rechtsstreit (Az. ...), welcher den zivilrechtlichen Anspruch auf Rechnungserteilung mit ausgewiesener Umsatzsteuer gegenüber einem Betreiber von Geldspielgeräten zum Gegenstand hat, war das Verfahren gleichfalls nicht auszusetzen. Der vorliegende Rechtsstreit war aus den dargelegten Gründen (oben 3. a. dd.) entscheidungsreif, ohne dass es darauf ankam, wie das Zivilgericht in dem dortigen, sehr speziellen Einzelfall entscheidet.

216

2. Von der beantragten Beiladung der Spielbanken gemäß § 60 Abs. 1 FGO hat der Senat abgesehen, weil nicht ersichtlich ist, dass durch Steuergesetze rechtlich geschützte Interessen der Spielbanken aufgrund der vorliegenden Entscheidung berührt würden.

IV.

217

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

218

2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

219

Die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen konnten anhand der im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung sowie der weiteren zur mehrwertsteuerlichen Behandlung von Glücksspielumsätzen ergangenen EuGH-Urteile gelöst werden. Angesichts dieser für das Gericht bindenden Rechtsprechung des EuGH verbleiben keine weiteren Zweifel an der Auslegung der Normen der MwStSystRL hinsichtlich der Besteuerung der streitgegenständlichen Geldspielgeräte (ebenso BFH-Beschluss vom 26.02.2014 V B 1/13, juris; BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 79/07, BFHE 231, 373, BStBl II 2011, 311).

(1)1Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.2Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.3Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich; dies gilt auf Antrag auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts entfällt und in einem anderen Staat eine Besteuerung auf Grund des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts dieses Staates hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Wirtschaftsguts erfolgt.4Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.5Satz 3 gilt nicht für Anteile an einer Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft in den Fällen

1.
einer Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. EG Nr. L 294 S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 885/2004 des Rates vom 26. April 2004 (ABl. EU Nr. L 168 S. 1), und
2.
einer Sitzverlegung der Europäischen Genossenschaft nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (ABl. EU Nr. L 207 S. 1).
6Ein Wirtschaftsgut wird nicht dadurch entnommen, dass der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 13a übergeht.7Eine Änderung der Nutzung eines Wirtschaftsguts, die bei Gewinnermittlung nach Satz 1 keine Entnahme ist, ist auch bei Gewinnermittlung nach § 13a keine Entnahme.8Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat; einer Einlage steht die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleich.9In den Fällen des Satzes 3 zweiter Halbsatz gilt das Wirtschaftsgut als unmittelbar nach der Entnahme wieder eingelegt.10Bei der Ermittlung des Gewinns sind die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen.

(2)1Der Steuerpflichtige darf die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht; diese Änderung ist nicht zulässig, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.2Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Änderung nach Satz 1 steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht.

(3)1Steuerpflichtige, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.2Hierbei scheiden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten).3Die Vorschriften über die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2), die Bildung eines Sammelpostens (§ 6 Absatz 2a) und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.4Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, für Anteile an Kapitalgesellschaften, für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte, für Grund und Boden sowie Gebäude des Umlaufvermögens sind erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.5Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Sinne des Satzes 4 sind unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des an deren Stelle getretenen Werts in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen.

(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.

(4a)1Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind.2Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen.3Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach Maßgabe dieses Absatzes nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen.4Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2 050 Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen.5Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt.6Die Sätze 1 bis 5 sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.

(5)1Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

1.
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind.2Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen;
2.
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.2Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige schriftlich die folgenden Angaben zu machen: Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie Höhe der Aufwendungen.3Hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so genügen Angaben zu dem Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung; die Rechnung über die Bewirtung ist beizufügen;
3.
Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;
4.
Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen;
5.
Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen.2Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Absatz 4a abziehbar;
6.
Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist.2Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 und Nummer 5 Satz 5 bis 7 und Absatz 2 entsprechend anzuwenden.3Bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 2 bis 6 oder Absatz 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 5 bis 7 oder Absatz 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kraftfahrzeugs nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 1 oder Satz 3, treten an die Stelle des mit 0,03 oder 0,002 Prozent des inländischen Listenpreises ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und für Familienheimfahrten die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen; § 6 Absatz 1 Nummer 4 Satz 3 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß.4§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 8 und Nummer 5 Satz 9 gilt entsprechend;
6a.
die Mehraufwendungen für eine betrieblich veranlasste doppelte Haushaltsführung, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 Satz 1 bis 4 abziehbaren Beträge und die Mehraufwendungen für betrieblich veranlasste Übernachtungen, soweit sie die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5a abziehbaren Beträge übersteigen;
6b.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.2Dies gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.3Anstelle der Aufwendungen kann pauschal ein Betrag von 1 260 Euro (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden.4Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 2 nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1 260 Euro um ein Zwölftel;
6c.
für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, kann für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung ein Betrag von 6 Euro (Tagespauschale), höchstens 1 260 Euro im Wirtschafts- oder Kalenderjahr, abgezogen werden.2Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.3Der Abzug der Tagespauschale ist nicht zulässig, soweit für die Wohnung Unterkunftskosten im Rahmen der Nummer 6a oder des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 abgezogen werden können oder soweit ein Abzug nach Nummer 6b vorgenommen wird;
7.
andere als die in den Nummern 1 bis 6 und 6b bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind;
8.
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder von einem Mitgliedstaat oder von Organen der Europäischen Union festgesetzt wurden sowie damit zusammenhängende Aufwendungen.2Dasselbe gilt für Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, die in einem berufsgerichtlichen Verfahren erteilt werden, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.3Die Rückzahlung von Ausgaben im Sinne der Sätze 1 und 2 darf den Gewinn nicht erhöhen.4Das Abzugsverbot für Geldbußen gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind; Satz 3 ist insoweit nicht anzuwenden;
8a.
Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 der Abgabenordnung und Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung, soweit diese nach § 235 Absatz 4 der Abgabenordnung auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden;
9.
Ausgleichszahlungen, die in den Fällen der §§ 14 und 17 des Körperschaftsteuergesetzes an außenstehende Anteilseigner geleistet werden;
10.
die Zuwendung von Vorteilen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen, wenn die Zuwendung der Vorteile eine rechtswidrige Handlung darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.2Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Verwaltungsbehörden haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Tat im Sinne des Satzes 1 begründen, der Finanzbehörde für Zwecke des Besteuerungsverfahrens und zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten mitzuteilen.3Die Finanzbehörde teilt Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des Satzes 1 begründen, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde mit.4Diese unterrichten die Finanzbehörde von dem Ausgang des Verfahrens und den zugrundeliegenden Tatsachen;
11.
Aufwendungen, die mit unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen von nicht einlagefähigen Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften zur Verwendung in Betrieben in tatsächlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, deren Gewinn nach § 5a Absatz 1 ermittelt wird;
12.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 der Abgabenordnung;
13.
Jahresbeiträge nach § 12 Absatz 2 des Restrukturierungsfondsgesetzes.
2Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.3§ 12 Nummer 1 bleibt unberührt.

(5a) (weggefallen)

(5b) Die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen sind keine Betriebsausgaben.

(6) Aufwendungen zur Förderung staatspolitischer Zwecke (§ 10b Absatz 2) sind keine Betriebsausgaben.

(7)1Aufwendungen im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6b und 7 sind einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen.2Soweit diese Aufwendungen nicht bereits nach Absatz 5 vom Abzug ausgeschlossen sind, dürfen sie bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind.

(8) Für Erhaltungsaufwand bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen sowie bei Baudenkmalen gelten die §§ 11a und 11b entsprechend.

(9)1Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat.2§ 9 Absatz 6 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(10) § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5b ist entsprechend anzuwenden.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zulassen, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:

1.
Der Spieleinsatz darf nur in Euro oder Cent erfolgen; ein Spiel beginnt mit dem Einsatz des Geldes, setzt sich mit der Bekanntgabe des Spielergebnisses fort und endet mit der Auszahlung des Gewinns beziehungsweise der Einstreichung des Einsatzes.
2.
Die Mindestspieldauer beträgt fünf Sekunden; dabei darf der Einsatz 0,20 Euro nicht übersteigen und der Gewinn höchstens 2 Euro betragen.
3.
Bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Einsatzleistungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Einsatz um höchstens 0,03 Euro je volle Sekunde erhöht werden; bei einer Verlängerung des Abstandes zwischen zwei Gewinnauszahlungen über fünf Sekunden hinaus bis zu einer Obergrenze von 75 Sekunden darf der Gewinn um höchstens 0,30 Euro je volle Sekunde erhöht werden. Darüber hinausgehende Erhöhungen von Einsatz und Gewinn sind ausgeschlossen.
4.
Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen.
5.
Die Summe der Gewinne abzüglich der Einsätze darf im Verlauf einer Stunde 400 Euro nicht übersteigen. Jackpots und andere Sonderzahlungen jeder Art sind ausgeschlossen.
6.
Nach einer Stunde Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause von mindestens fünf Minuten ein, in der keine Einsätze angenommen und Gewinne gewährt werden. In der Pause dürfen keine Spielvorgänge, einsatz- und gewinnfreie Probe- oder Demonstrationsspiele oder sonstige Animationen angeboten werden.
6a.
Nach drei Stunden Spielbetrieb legt das Spielgerät eine Spielpause ein, in der es für mindestens fünf Minuten in den Ruhezustand versetzt wird; zu Beginn des Ruhezustandes sind die Geldspeicher zu entleeren und alle Anzeigeelemente auf die vordefinierten Anfangswerte zu setzen.
7.
Die Speicherung von Geldbeträgen in Einsatz- und Gewinnspeichern ist bei Geldannahme vom Spieler in der Summe auf 10 Euro begrenzt. Höhere Beträge werden unmittelbar nach der Aufbuchung automatisch ausgezahlt. Eine Bedienvorrichtung für den Spieler, mit der er vorab einstellen kann, dass aufgebuchte Beträge unbeeinflusst zum Einsatz gelangen, ist unzulässig. Jeder Einsatz darf nur durch unmittelbar zuvor erfolgte gesonderte physische Betätigung des Spielers ausgelöst werden. Es gibt eine nicht sperrbare Bedienvorrichtung zur Auszahlung, mit der der Spieler uneingeschränkt über die aufgebuchten Beträge, die in der Summe größer oder gleich dem Höchsteinsatz gemäß Nummer 1 sind, verfügen kann.
8.
Der Spielbetrieb darf nur mit auf Euro lautenden Münzen und Banknoten und nur unmittelbar am Spielgerät erfolgen.
8a.
Bei Mehrplatzspielgeräten müssen die einzelnen Spielstellen unabhängig voneinander benutzbar sein und jede Spielstelle hat die Anforderungen der §§ 12 und 13 zu erfüllen, soweit diese landesrechtlich überhaupt zulässig sind; aus der Bauartzulassung eines Mehrplatzspielgerätes folgt kein Anspruch auf die Aufstellung des Mehrplatzspielgerätes.
8b.
Mehrplatzspielgeräte dürfen über höchstens vier Spielstellen verfügen, einzelne Spielstellen dürfen nicht abstellbar sein.
9.
Das Spielgerät beinhaltet eine Kontrolleinrichtung, die sämtliche Einsätze, Gewinne und den Kasseninhalt zeitgerecht, unmittelbar und auslesbar erfasst. Die Kontrolleinrichtung gewährleistet die in den Nummern 1 bis 5 Satz 1 und Nummer 6a aufgeführten Begrenzungen.
9a.
Das Spielgerät zeichnet nach dem Stand der Technik die von der Kontrolleinrichtung gemäß Nummer 8 erfassten Daten dauerhaft so auf, dass
a)
sie jederzeit elektronisch verfügbar, lesbar und auswertbar sind,
b)
sie auf das erzeugende Spielgerät zurückgeführt werden können,
c)
die einzelnen Daten mit dem Zeitpunkt ihrer Entstehung verknüpft sind,
d)
ihre Vollständigkeit erkennbar ist und
e)
feststellbar ist, ob nachträglich Veränderungen vorgenommen worden sind.
10.
Der Spielbetrieb darf nur bei ständiger Verwendung eines gültigen gerätegebundenen, personenungebundenen Identifikationsmittels möglich sein, wobei
a)
die Gültigkeit des verwendeten Identifikationsmittels durch das Spielgerät vor Aufnahme des Spielbetriebs geprüft werden muss und
b)
während des Spielbetriebs keine Daten auf dem verwendeten Identifikationsmittel gespeichert werden dürfen.
11.
Das Spielgerät und seine Komponenten müssen der Funktion entsprechend nach Maßgabe des Standes der Technik zuverlässig und gegen Veränderungen gesichert gebaut sein.
12.
Das Spielgerät muss so gebaut sein, dass die Übereinstimmung der Nachbaugeräte mit der zugelassenen Bauart überprüft werden kann.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.