Bundessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - B 9 SB 1/12 R

bei uns veröffentlicht am25.10.2012

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke für die Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ohne Entrichtung eines Betrages in Höhe von 60 Euro hatte.

2

Bei dem 1945 geborenen Kläger sind ein Grad der Behinderung von 90 sowie die Voraussetzungen der Merkzeichen G und B festgestellt (Bescheid des beklagten Landes vom 6.7.2005). Er bezieht seit dem 1.2.2005 eine Beschädigtenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz iVm Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 vH (seit dem 21.12.2007: Grad der Schädigungsfolgen von 70) und (vom Landeswohlfahrtsverband Hessen) eine fortlaufend gewährte Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV). Diese bestand für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.1.2011 aus einem pauschalen Betrag von 50 Euro und einem Zuschuss von 19,01 Euro für die Beiträge zur Kraftfahrzeugversicherung (Bescheid vom 19.1.2010). Vom 1.2.2011 bis 31.1.2012 betrugen die Pauschale 50 Euro und der Beitragszuschuss 24,45 Euro (Bescheid vom 3.11.2010).

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Am 22.2.2010 beantragte der Kläger auf einem ihm vom beklagten Land übersandten Formular unter Hinweis auf seinen Leistungsbezug nach § 27d BVG die Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke für die Beförderung im öffentlichen Personenverkehr gemäß § 145 Abs 1 S 5 SGB IX. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.2.2010 ab. Er wies darauf hin, dass Anspruch auf eine unentgeltliche Wertmarke nur Personen hätten, die laufende Leistungen für den Lebensunterhalt erhielten. Die dem Kläger gewährte Kraftfahrzeughilfe zähle zu den Hilfen in besonderen Lebenslagen und nicht zu den laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt im Sinne sozialhilferechtlicher Vorschriften. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.4.2010 als unbegründet zurück.

4

Mit seiner beim Sozialgericht Marburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Ausstellung einer unentgeltlichen Wertmarke begehrt. Nachdem ihm gegen Zahlung von 60 Euro eine für den Zeitraum vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 gültige Wertmarke ausgegeben worden war, hat er seinen Antrag auf die Erstattung des für die Wertmarke für diesen Zeitraum aufgewandten Betrages umgestellt. Durch Urteil vom 8.6.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom SG zugelassene Berufung ist vom Hessischen Landessozialgericht (LSG) nach Anhörung des Klägers mit Beschluss vom 28.9.2011 mit folgender Begründung zurückgewiesen worden:

5

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung des Betrages, den er für die vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 gültige Wertmarke entrichtet habe. Er gehöre nicht zu den Personen, die eine Ausgabe der Wertmarke ohne Eigenbeteiligung beanspruchen könnten. Zwar sei ihm iS von § 145 Abs 1 S 1 SGB IX das Merkzeichen G zuerkannt worden. Jedoch erfülle er die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 145 Abs 1 S 5 SGB IX nicht. Insbesondere stelle die vom Kläger bezogene Kraftfahrzeughilfe keine laufende Leistung für den Lebensunterhalt iS von § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX dar, sondern diene allein zur Eingliederung behinderter Menschen in die Gesellschaft. Entsprechendes gelte für den Betrag zur Kraftfahrzeugversicherung, auch wenn dieser von einer vorhergehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse abhängig sei.

6

Entgegen der klägerischen Auffassung verweise § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX nicht ohne Einschränkungen auf die in §§ 27a und 27d BVG aufgeführten Leistungen. Vielmehr müsse es sich nach dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung bei den Leistungen außerhalb des SGB II um "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" handeln. § 145 SGB IX diene der Förderung der Mobilität schwerbehinderter Menschen durch Teilnahme am öffentlichen Personenverkehr. Dieses Ziel werde bereits durch die Unentgeltlichkeit der Beförderung erreicht. Die Kostenbeteiligung vermindere lediglich die aufgrund der Zahlungsausfälle eintretenden finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand. Nur ein begrenzter Personenkreis solle seit der Einführung der Kostenbeteiligung das Privileg der unentgeltlichen Beförderung ohne Eigenbeteiligung erhalten. Der Kläger unterscheide sich jedoch von diesem privilegierten Personenkreis dadurch, dass er seinen Lebensunterhalt aufgrund eigenen Einkommens in Form der Beschädigtenrente nach dem BVG decken könne.

7

Hiergegen hat der Kläger die vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene Revision eingelegt. Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte (Schreiben vom 2.10.2012), bei für den Kläger günstigem Ausgang des Verfahrens würden die Kosten der Wertmarken mit Gültigkeitsdauer von Mai 2010 bis April 2011 und von Mai 2011 bis April 2012 erstattet, hat der Kläger erklärt, ein Erstattungsanspruch werde in diesem Verfahren nicht mehr geltend gemacht. Zur Begründung der Revision nimmt der Kläger auf seine Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Mit dieser hatte er ua vorgetragen:

8

Er könne eine Befreiung von der Eigenbeteiligung bei der Ausgabe der Wertmarke gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX verlangen. Soweit diese Vorschrift auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 27d BVG abstelle, handele es sich um ein Redaktionsversehen. Denn § 27d BVG regele lediglich Hilfen in besonderen Lebenslagen, aber keine laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt. Bereits das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) habe zwischen diesen Leistungsarten unterschieden. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dienten der Sicherung des Existenzminimums, Leistungen in besonderen Lebenslagen hingegen der Deckung einer spezifischen Bedarfssituation. Aufgrund der Ähnlichkeit von § 27d BVG und § 27 BSHG sei auf diese Begriffsunterscheidung zurückzugreifen. Alle Hilfen, die nach § 27d BVG zur Verfügung gestellt würden, unterfielen demnach § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX, jedenfalls solange sie nicht einmalig gewährt würden. Dies entspreche auch der gesetzgeberischen Intention, Kriegs- bzw Wehrdienstbeschädigte besserzustellen, als "normale" Sozialhilfeempfänger.

9

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Hessen vom 28. September 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8. Juni 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der erledigte Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2010 rechtswidrig war.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug und trägt vor: Vom Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX würden nur lebensunterhaltssichernde Leistungen erfasst. Der Kläger verfüge über Einkommen, mit dem er seinen individuellen sozialhilferechtlichen Bedarf decke; er habe keinen Anspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen. Bei der bezogenen Kraftfahrzeughilfe und den Beiträgen zur Kraftfahrzeugversicherung handele es sich nicht um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sodass der Kläger die Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke nicht beanspruchen könne.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie in hinreichender Form begründet worden.

13

Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ausnahmsweise die Bezugnahme auf die Ausführungen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unbedenklich, wenn der Revisionsführende sich bereits dort mit den Fragen des materiellen Rechts auseinandergesetzt hat, die sich auch im Revisionsverfahren stellen. In diesem Fall würde eine erneute eigenständige Begründung auf eine bloße Wiederholung des bereits Vorgetragenen hinauslaufen (vgl BSG Urteil vom 9.8.1995 - 9 RVs 3/95 - Juris OS 1, RdNr 7 mwN; so auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 200/10 R - Juris RdNr 9; Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9g mwN).

14

Da der Kläger sich bereits zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde materiell-rechtlich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt und eine Verletzung in seinen Rechten dargelegt hat, konnte er sich im Revisionsverfahren ausnahmsweise mit der Bezugnahme auf diese Ausführungen begnügen, zumal er lediglich eine Verletzung materiellen Bundesrechts geltend macht.

15

Die Revision ist nicht begründet.

16

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, seinen Erstattungsanspruch in diesem Verfahren nicht mehr geltend zu machen, ist Gegenstand des Verfahrens nur noch die Fortsetzungsfeststellungsklage, in die der Kläger seine ursprüngliche Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl dazu BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 7/10 R - BSGE 109, 154 = SozR 4-3250 § 145 Nr 2, RdNr 19 ff) umgestellt hat. Ein derartiger Wechsel ist auch im Revisionsverfahren zulässig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 168 RdNr 2b mwN).

17

Die Voraussetzungen für eine Fortsetzungsfeststellungsklage liegen hier vor.

18

Nach § 131 Abs 1 S 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich der Verwaltungsakt nach Klageerhebung vor der gerichtlichen Entscheidung durch Zurücknahme oder anders erledigt, sofern der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Regelung des SGG gilt zwar ausdrücklich nur für Anfechtungsklagen, ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 8 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 7c mwN).

19

Der Kläger hat mit seiner Klage ursprünglich die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke für die Zeit vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 begehrt. Auf diesen Zeitraum bezieht sich nach den Umständen des vorliegenden Falles der streitgegenständliche Bescheid vom 24.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010.Die Entscheidung über den Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr sowie darüber, ob die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Abgabe einer solchen Wertmarke im Einzelfall vorliegen, erfolgt bezogen auf einen bestimmten Gültigkeitszeitraum von einem halben bzw einem ganzen Jahr (vgl § 145 Abs 1 S 3 bis 5 SGB IX). Dem entspricht auch der vom Kläger verwandte Formularantrag vom 22.2.2010. In diesem ist zwar kein Zeitraum aufgeführt, jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass dieser Antrag auf die Ausgabe einer Wertmarke gerichtet ist, deren Gültigkeitsdauer sich an den Zeitraum anschließt, für den die zuletzt erteilte Wertmarke gilt. Dies legt bereits der vom Beklagten formulierte Text nahe. Darin heißt es:

        

"Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, die Gültigkeitsdauer Ihrer Wertmarke läuft in Kürze ab. Sofern Sie auch künftig die Freifahrt in Anspruch nehmen wollen (…)."

20

Zwar hat das LSG den Inhalt dieses Antrags vom 22.2.2010 nicht vollständig wiedergegeben, vielmehr im Urteil insoweit allein die Antragstellung und Begründung als solche geschildert sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten verwiesen. Diese Nennung und der Verweis sind jedoch ausreichend dafür, dass der Senat den vollen Inhalt des Antragsformulars als festgestellt iS von § 163 SGG ansehen kann(vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 43; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 4).

21

Die vom LSG festgestellte Ausgabe einer (entgeltlichen) Wertmarke für die Zeit vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 zeigt, dass die Gültigkeitsdauer der dem Kläger erteilten Wertmarken jeweils von Mai eines Jahres bis April des Folgejahres reicht. Im Hinblick auf diesen Zeitbezug des angefochtenen Verwaltungsaktes hat sich letzterer auf andere Weise - nämlich durch Zeitablauf - erledigt (§ 131 Abs 1 S 3 SGG iVm § 39 Abs 2 SGB X). Da die Ausgabe der Wertmarke für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum dem Kläger keine günstige Rechtsposition mehr verschaffen kann, ist mit Ablauf des begehrten Gültigkeitszeitraums das für die Fortführung der ursprünglich zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Der Kläger hat diesem Umstand durch eine entsprechende Umstellung des Klageantrags Rechnung getragen.

22

Das erforderliche Interesse des Klägers an der Feststellung, dass der zwischenzeitlich erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war, liegt ebenfalls vor. Denn der Kläger kann mit Erfolg eine bestehende Wiederholungsgefahr geltend machen. Eine solche ist gegeben, wenn die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage zwischen den Beteiligten besteht, etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 9 mwN; BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 22 mwN). Da der Antrag auf Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke gemäß § 145 SGB IX wegen des gesetzlich vorgesehenen Gültigkeitszeitraums spätestens jährlich erneut zu stellen ist, liegt es nahe, dass ein gleichartiges Leistungsbegehren und damit die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage mit Beginn des jeweils folgenden Gültigkeitszeitraums erneut entstehen wird.

23

In der Sache ist die Revision nicht erfolgreich. Es kann nicht festgestellt werden, dass durch den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 24.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010 materielles Bundesrecht verletzt worden ist. Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hatte für den Gültigkeitszeitraum 1.5.2010 bis 30.4.2011 keinen Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ohne Entrichtung des gesetzlich vorgesehenen Eigenanteils.

24

Rechtsgrundlage ist insoweit § 145 Abs 1 SGB IX in der ab 5.8.2009 - und damit für den streitigen Zeitraum - geltenden Fassung des Art 2 Nr 3 Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 (BGB l 2495). Diese Vorschrift lautet:

        

"(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Wird sie vor Ablauf der Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe ein Betrag von 5 Euro erstattet, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Satz 3 zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

        

1.    

die blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder

        

2.    

die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder

        

3.    

die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten."

25

Der Kläger gehörte in der Zeit vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 zwar nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX zum Kreis der Personen, die eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen können, da ihm das Merkzeichen "G" zuerkannt worden war. Jedoch erfüllte er nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Entrichtung eines Betrages von 60 Euro bzw 30 Euro für die Ausgabe der insoweit erforderlichen Wertmarke. Auf die vorliegend einzig in Betracht kommende Ausnahmeregelung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX kann sich der Kläger auch im Hinblick darauf nicht berufen, dass ihm vom Landeswohlfahrtsverband Hessen Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 KFürsV gewährt wurde. Zwar wird diese laufend gezahlt, es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Leistung für den Lebensunterhalt iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

26

Zunächst bezieht sich die Formulierung "für den Lebensunterhalt" in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX nicht nur auf die dort aufgeführten Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sowie nach dem SGB VIII, sondern auch auf Leistungen nach den §§ 27a und 27d BVG. Anders lässt sich der Wortlaut der Norm grammatikalisch nicht deuten. Es muss sich demnach auch bei den Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG um solche zum Lebensunterhalt handeln(vgl Masuch in Hauck/Noftz, SGB IX, Stand März 2012, K § 145 RdNr 26; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX Teil 2, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14).

27

An sich könnte der Begriff "Lebensunterhalt" so weit verstanden werden, dass er auch die Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs umfasst (vgl BSG Urteil vom 11.3.1976 - 7 RAr 45/75 - SozSich 1976, 186, 187); im vorliegenden Zusammenhang verbietet sich jedoch nach Auffassung des Senats eine solche Auslegung.

28

Für ein enges Verständnis des Begriffes "Lebensunterhalt" spricht bereits die Gesetzesentwicklung.

29

§ 145 SGB IX wurde durch Art 1 des SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) mit Wirkung ab 1.7.2001 eingeführt. Nach der Begründung zum Entwurf des SGB IX handelt es sich um eine inhaltsgleiche Übernahme des bis dahin gültigen Rechts (vgl BT-Drucks 14/5074, S 115). Die zuvor maßgebliche Regelung befand sich zunächst in § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) idF durch das Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9.7.1979 (BGBl I 989) und nach der Bekanntmachung der Neufassung des SchwbG vom 26.8.1986 (BGBl I 1421) ab 1.8.1986 in § 59 SchwbG.

30

Ziel der Vergünstigung war und ist es, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am öffentlichen Personenverkehr durch erleichterten Zugang zu öffentlichen Transportmitteln zu fördern, da Mobilität als Grundbedürfnis der modernen Gesellschaft anerkannt wird (Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 145 RdNr 1). Diese Kompensationsfunktion wird bereits an den Anspruchsvoraussetzungen deutlich, wonach eine behinderungsbedingte erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegen muss.

31

Im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) wurde aus Einsparungsgründen (BR-Drucks 302/83, S 63) erstmals eine Eigenbeteiligung in Höhe von 120 DM jährlich für die Ausgabe der zur Beförderung berechtigenden Wertmarke eingeführt. Die gleichzeitige Regelung von Ausnahmen für Berechtigte, die die Wertmarke nach wie vor ohne Leistung dieser Eigenbeteiligung erhalten sollten, diente dem Zweck, "die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtberechtigter" zu berücksichtigen, "ohne daß die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im Einzelnen prüfen müssen" (BR-Drucks 302/83, S 89; vgl dazu bereits auch die Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34 und vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 35).

32

Bald danach erkannte der Gesetzgeber, dass durch diese Regelungen des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 Härten aufgetreten waren (BT-Drucks 10/3218, S 1; BT-Drucks 10/3495, S 1), die durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516) beseitigt werden sollten. Es wurde der damalige § 57 Abs 1 S 4 Nr 2 SchwbG, der Vorgängervorschrift zur Ausnahmeregelung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX, neu gefasst und dabei auch Behinderte mit aufgenommen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach (…) den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten"(vgl BT-Drucks 10/3495, S 5; BR-Drucks 291/85, S 1).

33

Damit ergibt sich bereits aus der Gesetzeshistorie, dass die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke eine Ausnahme von der Regel einer Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung darstellt (vgl dazu Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29 sowie vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 18). Nur einem begrenzten Personenkreis sollte nach der Einführung der Eigenbeteiligung das Privileg unentgeltlicher Beförderung ohne Eigenbeteiligung zugutekommen. Alle übrigen Freifahrtberechtigten sollten sich an den Kosten der Vergünstigung beteiligen (vgl bereits zu § 57 Abs 1 S 4 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532: BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 und zur Rechtslage nach Einführung von § 145 SGB IX: Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29 sowie vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 18, jeweils mwN). Insoweit ist die Befreiungsvorschrift grundsätzlich eng auszulegen (vgl Vogl in jurisPK SGB IX, Online-Ausgabe, § 145 RdNr 47, Stand Februar 2010).

34

Ferner lässt sich aus der durch den Wortlaut geprägten inneren Systematik des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX schließen, dass der Begriff "Lebensunterhalt" einheitlich zu verstehen ist, unabhängig davon, ob Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, des SGB VIII oder den §§ 27a, 27d BVG angesprochen werden. Entsprechendes gilt für die an erster Stelle aufgeführten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Wenn sich die den Lebensunterhalt betreffenden Leistungen nach dem SGB II, SGB VIII und SGB XII grundsätzlich an dem menschenwürdigen Existenzminimum orientieren (vgl dazu § 1 Abs 1, § 20 SGB II, § 39 SGB VIII, § 1, §§ 27 ff SGB XII), hat dies auch für diejenigen Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG zu gelten, die gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX zu einer Befreiung von der Entrichtung des Eigenanteils führen. Einem so verstandenen notwendigen Lebensunterhalt dienen Leistungen zur Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich nicht (vgl dazu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

35

Entgegen der Ansicht des Klägers läuft die Bezugnahme auf § 27d BVG in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX bei einem solchen Verständnis des Begriffs "Lebensunterhalt" nicht leer.

36

Während § 27a BVG selbst ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt regelt und damit die Befreiung von der Leistung eines Eigenanteils bereits dann eintreten lässt, wenn die entsprechende Hilfeleistung für den Lebensunterhalt laufend gewährt wird, stellt ein laufender Leistungsbezug nach § 27d BVG nicht automatisch eine "Hilfe für den Lebensunterhalt" in diesem Sinne dar. Vielmehr betrifft § 27d BVG ausdrücklich "Hilfen in besonderen Lebenslagen", die darüber hinaus auch teilweise einkommens- und vermögensunabhängig geleistet werden. Je nach konkreter Hilfe in besonderen Lebenslagen ist zu unterscheiden, ob diese Leistungen gerade (auch) die Sicherung des Lebensunterhalts bezwecken oder der Abdeckung einer sich vom allgemeinen Lebensunterhalt abzugrenzenden speziellen Bedarfslage dienen.

37

§ 27d BVG in der vorliegend maßgeblichen, vom 21.12.2007 bis 30.6.2011 geltenden Fassung des Art 1 Nr 16 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) lautet:

        

"(1)   

Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

        

 1.     

Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,

        

 2.     

Hilfen zur Gesundheit,

        

 3.     

Eingliederungshilfe für behinderte Menschen,

        

 4.     

Blindenhilfe,

        

 5.     

Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

        

 (2)   

Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

        

 (3)   

Für die Hilfen in besonderen Lebenslagen gelten das Fünfte, Sechste und Achte Kapitel sowie §§ 72, 74, 88 Abs. 2 und § 92 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besondern Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu den in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Beträgen auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

                 

(4) - (7) … "

38

Schon gemäß § 27d Abs 1 Nr 1 BVG iVm § 28a KFürsV (§ 28a mit Wirkung vom 1.1.2005 eingeführt durch Art 18 Nr 24 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007, BGBl I 2904) können Hilfen zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage erbracht werden, wenn den Leistungsberechtigten sonst voraussichtlich ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt erbracht werden müssten. Diese Leistung soll gerade nicht nur in einer bestehenden Notlage Abhilfe schaffen, sondern dazu beitragen, nach Möglichkeit bereits vorbeugend, das Entstehen einer (Lebensunterhalts-)Notlage zu verhindern (vgl Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge, hrsg von Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Stand Januar 2012, 27d.2 S 7). Diese konkrete Hilfe in besonderen Lebenslagen knüpft folglich unmittelbar an das Fehlen einer ausreichenden wirtschaftlichen Lebensgrundlage des Betroffenen an und bezweckt, dem Berechtigten den Aufbau oder die Sicherung einer Lebensgrundlage durch eigene Tätigkeit zu erhalten (vgl § 28a Abs 1 KFürsV), um einen ergänzenden Bezug von Hilfen zum Lebensunterhalt zu vermeiden. Denn gemäß § 28a Abs 2 KFürsV sollen diese Leistungen in der Regel nur erbracht werden, wenn die Leistungsberechtigten sonst ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten müssten.

39

Auch im Rahmen der nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG zu erbringenden Eingliederungsleistungen gibt es solche, in denen Hilfen für den Lebensunterhalt enthalten sind. Dies kann insbesondere bei stationären Eingliederungshilfen, wie zB bei Leistungen in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe, der Fall sein, die neben dem Bedarf für die Wohnform behinderter Menschen auch den Bedarf für die Unterbringung berücksichtigen; dazu gehört auch eine Grundpauschale für Unterkunft und Verpflegung (vgl Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge, aaO, 27d.3 S 20/3, 35f).

40

Zum Sinn und Zweck der Vorgängerregelung des § 59 Abs 1 S 5 Nr 2 SchwbG hat das BSG bereits ausgeführt, dass die Privilegierung der Bezieher von Leistungen für den Lebensunterhalt ihre Begründung darin findet, dass bei diesen Personen bereits festgestellt wurde, dass der notwendige Lebensunterhalt ohne fremde Hilfe nicht gedeckt werden kann und eine Selbstbeteiligung dieser Personen an den Kosten für die Wertmarke im Ergebnis die sozialen Ausgleichssysteme belasten würde(vgl BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - Juris RdNr 10).

41

Entsprechend dieser Zielsetzung hat der Senat § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX innerhalb der Wortlautgrenze dahin ausgelegt, dass der Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen(vgl dazu Senatsurteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 19). Denn aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte (Senatsurteil, aaO, RdNr 28).

42

Etwas anderes gilt auch nicht für Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber, wie der Kläger meint, die Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge unabhängig von dem Bezug laufender Leistungen zum Lebensunterhalt begünstigen und damit besserstellen wollte als Bezieher lebensunterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II, SGB VIII oder SGB XII.

43

Der Kläger erhält die von ihm bezogene Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 KFürsV nicht für seinen so verstandenen Lebensunterhalt. § 28 KFürsV sieht vor:

        

"(1)   

Beschädigte erhalten als Hilfen in besonderen Lebenslagen nach § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes auch

        

 1.     

Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfen eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist,

        

 2.     

Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind.

        

 (2)   

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 2 gelten bei Beschädigten als erfüllt, die zum Personenkreis des § 23 Abs. 1 der Orthopädieverordnung in der jeweils geltenden Fassung gehören. Im Übrigen sind sie durch ärztliches Zeugnis nachzuweisen."

44

Da durch die Kraftfahrzeughilfe eine spezielle schädigungsbedingte Bedarfssituation abgedeckt und dem Betroffenen insoweit eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden soll (vgl BVerwG Urteil vom 23.11.1995 - 5 C 7/94 - Juris RdNr 15), ist diese konkrete Form der Eingliederungshilfe keine laufende Leistung für den Lebensunterhalt iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX. Dies wird auch dadurch deutlich, dass sie grundsätzlich unabhängig von den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen geleistet wird, sofern die gesundheitlichen Voraussetzungen zum Leistungsbezug erfüllt sind (vgl § 25c Abs 3 S 2 iVm § 25f Abs 1 S 6 BVG sowie Ernst, Die Entwicklung der Kriegsopferfürsorge, SuP 2000, 343, 352).

45

Dass der Kläger danach für den Zeitraum vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 nach § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr ohne Verpflichtung zur Entrichtung des Eigenanteils hatte, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere wird Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

46

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürften Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

47

Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 418 mwN). Die aus Art 3 Abs 1 GG folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416).

48

Demnach ergibt sich aus Art 3 Abs 1 GG auch ein Verbot gleichheitswidriger Begünstigungsausschlüsse, bei denen also eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt und einem anderen ohne hinreichenden Grund vorenthalten wird. Werden bei der Gewährung bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen die Empfänger anderer Sozial- oder Entschädigungsleistungen in unterschiedlicher Weise der Einkommensanrechnung unterworfen, muss also die Berechtigung zur unterschiedlichen Behandlung genau geprüft werden (BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - SGb 2011, 702, 705 mwN).

49

Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 46; vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36). Dieses wird hier nicht verletzt.

50

Soweit die Befreiung von der Verpflichtung, für die Ausgabe der Wertmarke nach § 145 SGB IX einen Eigenanteil in Höhe von 60 Euro für ein Jahr bzw 30 Euro für ein halbes Jahr leisten zu müssen, gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX für Bezieher von Leistungen nach § 27d BVG davon abhängig ist, dass diese laufende Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten, ist dieses Differenzierungsmerkmal jedenfalls nicht willkürlich. Personen, deren nach § 27d BVG bezogene Leistungen nicht dem Lebensunterhalt dienen, werden dadurch nicht sachwidrig benachteiligt.

51

Der Gesetzgeber wollte im Jahre 1983 die Kosten eindämmen, die vor dem Inkrafttreten der Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 mit der Freifahrtberechtigung einhergingen. Zu diesem Zweck hat er den Grundsatz eingeführt, dass alle Schwerbehinderten, die Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr haben, einen Eigenanteil in Höhe von monatlich umgerechnet 5 Euro zu leisten haben. Damit wird der gesetzliche Zweck der Mobilitätsförderung durch unentgeltliche Beförderung nur moderat relativiert, wobei gleichzeitig die durch Erstattung der Fahrgeldausfälle entstehenden finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand eingedämmt werden (vgl BSG vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

52

Lediglich für besonders schutzbedürftige Personengruppen hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von dieser Regel vorgesehen und ihnen die Wertmarke nach wie vor ohne Eigenanteilsleistung zugänglich gemacht. Insoweit hat das BSG bereits zur Vorgängerregelung in § 57 Abs 1 S 5 Ziff 1 bis 3 SchwbG entschieden, dass die Begünstigung der dort genannten Personenkreise gegenüber anderen Schwerbehinderten nicht willkürlich erfolgt ist(BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eigenbeteiligung im Vergleich zum Nutzen der Wertmarke nur eine geringe finanzielle monatliche Belastung darstellt. Insoweit erscheint es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber eine Befreiungsmöglichkeit nur in engen Grenzen zugelassen hat. Diese werden - soweit es § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX betrifft - durch das Erfordernis eines Bezuges laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sachgerecht bestimmt, da die begünstigten Personen wirtschaftlich vom Existenzminimum leben. Dadurch wird den Belangen "typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtberechtigter" (vgl BT-Drucks 10/335 S 89) angemessen Rechnung getragen. Im Gesamtzusammenhang der Vergünstigung ist zudem bedeutsam, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Vergünstigung, die mit der Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr einhergeht, allen nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX Berechtigten zukommen zu lassen, ohne dass es auf die Ursache ihrer Behinderung oder auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankäme(vgl BT-Drucks 8/2453, S 8f).

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - B 9 SB 1/12 R

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Bundessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - B 9 SB 1/12 R zitiert 39 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 164


(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das an

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 131


(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 39 Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen


(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für di

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33b Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen, Hinterbliebene und Pflegepersonen


(1) 1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Abs

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 27 Leistungsberechtigte


(1) Hilfe zum Lebensunterhalt ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. (2) Eigene Mittel sind insbesondere das eigene Einkommen und Vermögen. Bei n

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 145 Hilfsmerkmale


(1) Hilfsmerkmale sind1.Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,2.Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,3.für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 1 Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende


(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. (2) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsber

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 92 Beschränkung des Einkommenseinsatzes auf die häusliche Ersparnis


(1) Erhält eine Person, die nicht in einer Wohnung nach § 42a Absatz 2 Satz 2 lebt, Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Fünften, Siebten, Achten oder Neunten Kapitel oder Leistungen für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, so kann die Aufb

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 74 Bestattungskosten


Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 1 Aufgabe der Sozialhilfe


Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Leistung soll sie so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; darauf haben auch die Leistung

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 72 Blindenhilfe


(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher P

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 27d


(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene 1. Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,2. Hilfen zur Gesundheit,3. Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,4. Blindenhilfe,5. Hilfe zur Üb

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 27a


Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergän

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 43a Inhalt der Leistung


Für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in einer vollstationären Einrichtung im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 1, in der die Teilhabe am Arbeitsleben, an Bildung oder die soziale Teilhabe, die schulische Ausbildung oder die Erziehung von Mensche

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 88 Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze


(1) Die Aufbringung der Mittel kann, auch soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt, verlangt werden, 1. soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck erbracht werden, für den sonst Sozialhilfe zu leisten wäre,2. wenn zur

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 27


(1) Erziehungsbeihilfe erhalten a) Waisen, die Rente oder Waisenbeihilfe nach diesem Gesetz beziehen, undb) Beschädigte, die Grundrente nach § 31 beziehen, für ihre Kinder sowie für Kinder im Sinne von § 25 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3.§ 25 Abs. 3 Satz 2 gilt

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 25f


(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen. Dies gilt auch für Ansparungen aus Leistungen nach diesem Gesetz. Leistungen der Kriegsopferfürsorge dürfen nicht von dem Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, s

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 25c


(1) Die Höhe der Geldleistungen bemißt sich nach dem Unterschied zwischen dem anzuerkennenden Bedarf und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen; § 26 Abs. 5 und § 26a bleiben unberührt. Darüber hinaus können in begründeten Fällen Geldleistungen au

Orthopädieverordnung - OrthV | § 23 Zuschüsse für Motorfahrzeuge


(1) Zur Beschaffung eines auf den Namen des Beschädigten zugelassenen Motorfahrzeugs können folgende Zuschüsse gezahlt werden: 1. bis zu 3.579 Euro an Querschnittgelähmte, Vier- und Dreifachamputierte, Doppel-Oberschenkelamputierte und an andere Besc

Verordnung zur Kriegsopferfürsorge - KFürsV | § 28 Eingliederungshilfe


(1) Beschädigte erhalten als Hilfen in besonderen Lebenslagen nach § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes auch 1. Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne di

Verordnung zur Kriegsopferfürsorge - KFürsV | § 28a Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage


(1) Leistungsberechtigte, bei denen die ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage fehlt oder gefährdet ist, können Leistungen nach § 27d Abs. 1 Nr. 1 des Bundesversorgungsgesetzes zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage durch eigene Tä

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Bundessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - B 9 SB 1/12 R zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 29. Jan. 2019 - L 18 SB 176/18 NZB

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Tenor I. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. August 2018, S 13 SB 406/17, wird zurückgewiesen. II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 29. Jan. 2018 - S 13 SB 406/17

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Sept. 2018 - 5 C 7/17

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger als schwerbehindertem Menschen gegenüber der Beklagten ein Anspruch zusteht, von dieser auf der

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 05. März 2018 - 1 BvR 2926/14

bei uns veröffentlicht am 05.03.2018

Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Gründe I.

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(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Beschädigte erhalten als Hilfen in besonderen Lebenslagen nach § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes auch

1.
Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfen eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist,
2.
Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind.

(2) Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 2 gelten bei Beschädigten als erfüllt, die zum Personenkreis des § 23 Abs. 1 der Orthopädieverordnung in der jeweils geltenden Fassung gehören. Im Übrigen sind sie durch ärztliches Zeugnis nachzuweisen.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Erziehungsbeihilfe erhalten

a)
Waisen, die Rente oder Waisenbeihilfe nach diesem Gesetz beziehen, und
b)
Beschädigte, die Grundrente nach § 31 beziehen, für ihre Kinder sowie für Kinder im Sinne von § 25 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3.
§ 25 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
Die Erziehungsbeihilfe soll eine Erziehung zu körperlicher, geistiger und sittlicher Tüchtigkeit sowie eine angemessene, den Anlagen und Fähigkeiten entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung sicherstellen.

(2) Erziehungsbeihilfe wird erbracht, soweit der angemessene Bedarf für Erziehung, Ausbildung und Lebensunterhalt durch das einzusetzende Einkommen und Vermögen der Waisen und ihrer Elternteile oder durch das einzusetzende Einkommen und Vermögen Beschädigter und ihrer Kinder im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b nicht gedeckt ist. Bei der Ermittlung des Bedarfs für den Lebensunterhalt bleiben Kosten der Unterkunft in der Familie unberücksichtigt. § 25e Abs. 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß für das Kind oder die Waise, für die Erziehungsbeihilfe beantragt ist oder erbracht wird, ein Familienzuschlag nicht anzusetzen ist; das gilt auch in den Fällen von Satz 5 erster Halbsatz sowie bei der Feststellung der Einkommensgrenze für den Ehegatten oder Lebenspartner des Beschädigten und den Ehegatten oder Lebenspartner der Waise nach § 25d Abs. 2 Satz 1. Einkommen der Waise und des Kindes des Beschädigten ist uneingeschränkt einzusetzen mit Ausnahme des während der Ausbildung erzielten Arbeitseinkommens, soweit es nicht Ausbildungsvergütung ist und im Kalenderjahr sieben vom Hundert des Bemessungsbetrags nicht übersteigt. Als Einkommen des Kindes gilt auch das Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartner, soweit es die für ihn nach § 25e Abs. 1 zu ermittelnde Einkommensgrenze übersteigt; ist ein Unterhaltsbetrag gerichtlich festgesetzt, sind die darauf beruhenden Leistungen Einkommen des Kindes. Beschädigten, die eine Pflegezulage erhalten, ist Erziehungsbeihilfe mindestens in Höhe der Kosten der Erziehung und Ausbildung zu erbringen.

(3) Übersteigt das Einkommen des Elternteils der Waise, das Einkommen des Beschädigten, das Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartner der Waise oder das Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartner des Kindes des Beschädigten die für sie maßgebende Einkommensgrenze, ist der übersteigende Betrag auf

a)
die Waise und die weiteren gegenüber dem Elternteil Unterhaltsberechtigten,
b)
das Kind des Beschädigten und die weiteren gegenüber dem Beschädigten Unterhaltsberechtigten,
c)
die Waise und die weiteren gegenüber dem Ehegatten der Waise Unterhaltsberechtigten,
d)
das Kind des Beschädigten und die weiteren gegenüber dem Ehegatten des Kindes des Beschädigten Unterhaltsberechtigten
gleichmäßig aufzuteilen. Der auf die Waise oder das Kind des Beschädigten entfallende Anteil ist als Einkommen einzusetzen.

(4) Erziehungsbeihilfe ist Beschädigten längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs des Kindes zu erbringen. Im Falle der Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstpflicht des Kindes ist die Erziehungsbeihilfe jedoch über das 27. Lebensjahr hinaus für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum weiterzuerbringen. Satz 2 gilt entsprechend

1.
für Angehörige der Bundeswehr und des Polizeivollzugsdienstes, die sich freiwillig für eine Zeit von nicht mehr als drei Jahren verpflichtet haben, sowie
2.
für die Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes
für einen der Dauer des Grundwehrdienstes entsprechenden Zeitraum.

(5) Erziehungsbeihilfe kann erbracht werden, wenn anstelle der Beschädigtenrente, Waisenrente oder Waisenbeihilfe ein Ausgleich nach § 89 gezahlt wird.

(6) Kann die übliche Ausbildung aus Gründen, die Beschädigte, ihre Kinder oder Waisen nicht zu vertreten haben, nicht mit Vollendung des 27. Lebensjahres abgeschlossen werden, kann Erziehungsbeihilfe auch über diesen Zeitpunkt hinaus weiter erbracht werden.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg II und die Rückforderung überzahlter Leistungen.

2

Die 1985 geborene Klägerin stand seit März 2005 im Bezug von Alg II bei dem Beklagten. Sie übte vom 1.10.2005 bis Juli 2006 eine Nebentätigkeit mit einem Verdienst von 400 Euro aus. Außerdem leitete die Mutter der Klägerin das Kindergeld überwiegend in Höhe von 150 Euro an diese weiter. Ferner erhielt die Klägerin auf ihr Konto Zuwendungen ihres Vaters in unterschiedlicher Höhe. Im November 2006 forderte der Beklagte die Klägerin zur Vorlage von Kontoauszügen auf.

3

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21.3.2007 hob der Beklagte die Bewilligungsbescheide in Höhe von 1765 Euro wegen zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilten Einkommens auf und setzte mit vier weiteren Änderungsbescheiden vom gleichen Tag das Alg II für die Aufhebungszeiträume neu fest. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4.9.2007 zurück. Mit Erstattungsbescheid vom 15.2.2008 reduzierte der Beklagte die Erstattungsforderung auf einen Betrag von 1419 Euro.

4

Das SG hat nach persönlicher Anhörung und Vernehmung der Eltern der Klägerin als Zeugen die Klage abgewiesen (Urteil vom 6.10.2009). Der Beklagte hat mit Teilanerkenntnis vom 22.4.2010 die angefochtenen Bescheide für August 2006 in Höhe eines Erstattungsbetrages von 75 Euro aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und ausgeführt, Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide sei nicht die im Widerspruchsbescheid genannte Rücknahme nach § 45 SGB X, sondern die Aufhebung nach § 48 SGB X. Denn die in unregelmäßiger Höhe erfolgten Zuwendungen seien jeweils nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 25.10.2005 (Zeitraum vom 1.1. bis 31.3.2006) und vom 21.3.2006 (Zeitraum ab 1.4.2006) zugeflossen. Einkommen sei nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II alles, was der Hilfebedürftige im Bedarfszeitraum wertmäßig dazu erhalte. Die Gutschriften seien unabhängig davon Einkommen, ob das Konto im Zeitpunkt der Buchung im Haben oder im Soll gestanden habe. Sowohl die Klägerin als auch ihr Vater hätten die Zuwendungen als "Schenkungen" bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie einen unentgeltlichen und endgültigen Vermögenszufluss zugunsten der Klägerin darstellen sollten. Es habe sich nicht um zweckbestimmte Leistungen gehandelt. Durch die Verwendung zum Ausgleich von Kontoüberziehungen, die durch die Finanzierung des Lebensunterhalts entstanden seien, sei im Ergebnis nur die finanzielle Lage hergestellt worden, die der Deckung des Lebensunterhalts durch vorhandene Mittel entspreche.

5

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 11 SGB II und verweist auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie vorgetragen hatte, die Zuwendungen hätten dem Zweck gedient, ihr einen über dem Existenzminimum liegenden Lebensstandard zu ermöglichen. Insoweit seien die Voraussetzungen für eine Nichtberücksichtigung gegeben.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. April 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Oktober 2009 sowie die Bescheide vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2007 in der Form der Änderungsbescheide vom 15. Februar 2008 und des Teilanerkenntnisses vom 22. April 2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist zulässig.

9

Sie ist insbesondere in hinreichender Form begründet worden (§ 164 Abs 2 SGG), obwohl die Klägerin auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen hat. Dies ist ausnahmsweise unbedenklich, weil sich die Klägerin dort bereits mit den Fragen des materiellen Rechts auseinandergesetzt hat, die sich auch im Revisionsverfahren stellen. Unter diesen Voraussetzungen würde eine erneute eigenständige Begründung auf eine bloße Wiederholung des bereits Vorgetragenen hinauslaufen. Unter derartigen Umständen darf der Revisionskläger mit einer Bezugnahme begründen (BSG SozR 1500 § 164 Nr 3, 4, 27; BSG Urteil vom 9.8.1995 - 9 RVs 3/95, juris RdNr 7).

10

Die Revision ist unbegründet.

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die den Zeitraum vom 1.1. bis 31.8.2006 betreffenden Bescheide, mit denen der Beklagte die Bewilligung von Alg II teilweise aufgehoben hat und die Erstattung von (noch) 1344 Euro verlangt.

12

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alg II mit Wirkung für die Vergangenheit ist § 48 Abs 1 SGB X. Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X iVm § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II; § 330 Abs 3 SGB III).

13

Es ist nicht zu beanstanden, dass das LSG die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X bejaht hat, denn die Klägerin hat infolge der Zuwendungen ihres Vaters Einkommen erzielt, das zu einer Minderung ihres Anspruchs auf Alg II geführt hat. Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen, mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem BVG und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten und Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält(BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 15). Verbindlichkeiten sind - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme der Aufwendungen zur Erfüllung von titulierten Unterhaltspflichten - nicht vom Einkommen abzuziehen (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25). Da es bei der Einordnung lediglich auf den Zuwachs beim Leistungsberechtigten ankommt, ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Zahlungen ein positiver Kontostand auf dem Konto der Klägerin ergeben hat.

14

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG waren die vom Vater der Klägerin veranlassten Zahlungen auch nicht als Darlehen zu qualifizieren. Eine Berücksichtigung der fraglichen Zuwendungen kann also nicht unter dem Gesichtspunkt verneint werden, dass die Zahlungen aufgrund eines zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen Darlehensvertrages getätigt wurden und mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden worden sind (vgl BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 17 ff).

15

Schließlich kann entgegen der Auffassung der Revision eine Nichtberücksichtigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung der Zuwendungen erfolgen. Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II sind nicht als Einkommen Einnahmen zu berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären.

16

§ 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II will verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, sowie dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden(zuletzt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R - RdNr 21). Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung zu der bis 31.3.2011 geltenden Rechtslage entschieden, dass zweckbestimmte Einkünfte auch auf privatrechtlicher Grundlage begründet werden können (BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R - RdNr 21). Eine auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistung ist dann zweckbestimmt iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II, wenn ihr über die Tilgungsbestimmung hinaus erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist. Der erkennende Senat versteht dies als eine Vereinbarung, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll (privatrechtlicher Verwendungszweck; BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 29; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R - RdNr 22).

17

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich die Vereinbarung eines privatrechtlichen Verwendungszwecks nicht. Das LSG hat hierzu ausgeführt, es sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens der Überzeugung, dass der Vater der Klägerin die fraglichen Zuwendungen in der Annahme getätigt habe, diese benötige Geld, um ihr überzogenes Girokonto auszugleichen bzw das Soll zu verringern. Die Zuwendungen seien letztlich dazu bestimmt gewesen, der Klägerin zur allgemeinen Lebensführung und damit auch zur Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen. Mit diesen tatsächlichen Ausführungen wird lediglich eine Motivation bzw Erwartung des Zuwendenden beschrieben, eine vertragliche Bestimmung zur Verwendung der zugewandten Mittel wurde jedoch auf dieser Basis gerade nicht getroffen. Der Vater nahm keinen Einfluss auf die Verwendung der der Klägerin durch den Kontoausgleich zugeflossenen Beträge. Unabhängig davon handelt es sich bei der Motivation, der Klägerin im Ergebnis einen oberhalb des Existenzminimums angesiedelten Lebensstandard zu verschaffen, auch nicht um einen gegenüber dem mit der Gewährung von SGB II-Leistungen verfolgten Zielen qualitativ abweichenden Zweck.

18

Der von dem Beklagten jetzt noch geltend gemachte Erstattungsbetrag in Höhe von 1344 Euro ist jedenfalls nicht zu Ungunsten der Klägerin rechtswidrig.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Revisionsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Betrages, den der Kläger für eine an ihn ausgegebene Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr entrichtet hat.

2

Der 1970 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger; er hält sich nach eigenen Angaben seit 2003 in Deutschland auf und durchlief erfolglos das Asylverfahren. Er leidet seit 2006 an einer koronaren Herzerkrankung und ist aus diesem Grunde reiseunfähig. Im Februar 2009 erhielt der Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Gültigkeit in der Folgezeit verlängert wurde.

3

Seit Juni 2009 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Es sind bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er zumindest seit dem 1.7.2009 durch Leistungen nach § 2 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) iVm den Vorschriften des SGB XII.

4

Am 2.7.2009 beantragte der Kläger beim Kreis A. die Ausstellung eines Beiblatts mit unentgeltlicher Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; insbesondere beziehe er keine der dort aufgeführten Leistungen (Bescheid vom 20.7.2009). Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Münster zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009).

5

Auf die hiergegen am 19.9.2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Aachen die ab dem 20.10.2009 an die Stelle des Kreises Aachen getretene Städteregion Aachen (Beklagte) unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszustellen (Urteil vom 11.1.2010), weil Leistungsbezieher gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG nach einer am Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX orientierten Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm - zu dem wegen Bedürftigkeit von der Entrichtung des Eigenanteils befreiten Personenkreis gehörten.

6

Die Beklagte hat hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger seinen Klageantrag im Einvernehmen mit der Beklagten dahingehend geändert, dass er von ihr die Kostenerstattung von 60 Euro begehre, da er sich die ursprünglich beantragte Wertmarke mittlerweile gegen Entrichtung des Eigenanteils selbst beschafft hatte.

7

Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 3.9.2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

8

Dem Kläger stehe ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da die Beklagte von ihm für die Wertmarke zu Unrecht den Eigenanteil in Höhe von 60 Euro entgegengenommen habe. Der Kläger sei in analoger Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX von vornherein nicht verpflichtet gewesen, einen Eigenanteil zu leisten. Die Vorschrift sei zwar nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar anzuwenden, auch wenn die dem Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG gewährten Leistungen der Höhe nach ausschließlich nach den Vorschriften des SGB XII bemessen seien. Denn nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhielten Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gerade keine Leistungen nach dem SGB XII, sondern Leistungen nach dem AsylbLG. Mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte zur Beteiligung von Schwerbehinderten an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr gemäß § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF liege aber eine Regelungslücke vor. Ursprünglich seien einkommensschwache Ausländer nämlich von der Kostenpflicht befreit gewesen, da sie vor Einführung des AsylbLG im Jahre 1993 bei Bedürftigkeit einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gehabt hätten. Auch wenn der Gesetzgeber mit dem AsylbLG eigenständige Regelungen des Unterhalts von Asylbewerbern und gegenüber den Leistungen nach dem BSHG eine deutlich abgesenkte Versorgung während des Asylverfahrens eingeführt habe, lasse sich eine bewusste Beseitigung der Kostenfreiheit gegenüber dem vorher bestehenden Rechtszustand jedenfalls für die Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG aus den Gesetzesmaterialien nicht eindeutig ableiten. Auch könne nicht angenommen werden, der moderne, oft unter Zeitdruck arbeitende Gesetzgeber wolle dieser Personengruppe einen regelungsbedürftigen Anspruch bewusst nicht gewähren, wenn er dazu schweige ("beredtes Schweigen").

9

Für die analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX spreche zum einen der Normzweck, einkommensschwache Personen von der Kostenbeteiligung zu befreien, weil sie mangels finanzieller Mittel ohnehin auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen seien. Dies treffe auf schwerbehinderte Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG in genau derselben Weise zu wie auf schwerbehinderte Sozialhilfeempfänger. Zum anderen entspreche diese Rechtsanwendung dem hier aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Gebot verfassungskonformer Auslegung, da die Umwandlung einer unentgeltlichen Freifahrt in eine Freifahrt mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtige, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Eine Ungleichbehandlung von mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Analog-Leistungen nach dem AsylbLG gegenüber mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sei sachlich nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht wegen eines nur vorläufigen Aufenthalts der Bezieher von Analog-Leistungen in Deutschland. Einerseits setze der Bezug dieser Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG einen Voraufenthalt von 48 Monaten voraus, andererseits gelte die Wertmarke jeweils nur für ein Jahr. Im Fall des Klägers könne wegen der schweren Herzerkrankung ohnehin nicht von einem nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden.

10

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehenden Kläger angewandt. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. Bei dem Erwerb der Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr seien insbesondere Bezieher von laufenden Leistungen nach dem SGB XII von dem Eigenanteil in Höhe von 60 Euro befreit (§ 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX), nicht aber Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Dem Gesetzgeber stehe es hier bis zur Grenze der Willkür frei, nach sachgemäßen Erwägungen bestimmte Personenkreise gegenüber anderen zu begünstigen. Insoweit belege die Gesetzesentwicklung seit Jahrzehnten das Bemühen des Gesetzgebers, die ständig steigende Belastung der öffentlichen Haushalte durch Anspruchsberechtigte - ob Schwerbehinderte, Asylbewerber oder Sozialhilfebezieher - abzumildern. Insbesondere habe der Gesetzgeber mit Neufassung des AsylbLG im Jahr 1993 eine eigenständige gesetzliche Regelung des Mindestunterhalts von Asylbewerbern geschaffen, mit der eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen einhergegangen sei. Die Entkoppelung dieses Leistungssystems vom regulären Sozialhilferecht sei ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber den Personen gewesen, die direkt anspruchsberechtigt nach dem BSHG bzw SGB XII seien.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.9.2010 und des SG Aachen vom 11.1.2010 aufzuheben sowie die Klage gegen den Bescheid des Kreises Aachen vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 25.8.2009 abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 zurückzuweisen.

13

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und macht ergänzend geltend, ein Ausschluss aus dem Kreis der Begünstigten iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX verstoße in seinem Fall mangels sachlicher Rechtfertigung nicht nur gegen die Verfassung(Art 3 Abs 1 GG), sondern sei auch mit völkerrechtlichen Diskriminierungsverboten nicht zu vereinbaren.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

16

1. Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des erkennenden Senats liegen vor.

17

a) Im Laufe des Gerichtsverfahrens ist auf der Beklagtenseite ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes erfolgt (vgl dazu BSG Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f, BSG Beschluss vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Der seit dem 1.1.2008 für die Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX zuständige Kreis Aachen(vgl § 2 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW 482; vgl zur Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte: BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - SozialVerw 2009, 59) ist nach Klageerhebung am 19.9.2009 mit Ablauf des 20.10.2009 durch § 1 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz vom 26.2.2008 (GVBl NRW 162) aufgelöst worden. Rechtsnachfolgerin ist gemäß § 2 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz die Städteregion Aachen(vgl hierzu bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 16 und Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 13).

18

Die Klage richtet sich jetzt zutreffend gegen die Städteregion Aachen, zumal mit Wirkung vom 1.1.2011 die Beteiligtenfähigkeit einer Behörde nach § 70 Nr 3 SGG iVm § 3 Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen (AG-SGG NRW) vom 3.9.1953 (GVBl NRW 412) idF des Gesetzes vom 17.12.1974 (GVBl NRW 1588) weggefallen ist. Durch Art 2 Nr 29 iVm Art 4 Satz 1 Gesetz zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) sind mit Wirkung vom 1.1.2011 die vorgenannten landesrechtlichen Bestimmungen ersatzlos aufgehoben worden (vgl hierzu bereits BSG Urteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R und B 10B 10 EG 2/10 R - juris RdNr 11). Der Senat hat sich deshalb nicht mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Auffassung des 8. Senats des BSG (s Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 14) zutrifft, dass eine Klage bei Bestehen eines landesrechtlich vorgesehenen Behördenprinzips zwingend gegen die Behörde zu richten ist (zur Gegenansicht BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 21; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 70 RdNr 4).

19

b) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und 4 SGG) zulässig.

20

aa) Der Kläger begehrt die Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes und - nach Umstellung seines Klageantrags im Berufungsverfahren - die Erstattung des Eigenanteils für die Ausgabe der Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr. Insoweit betrifft der Rechtsstreit die Fragen, ob der seinerzeit zuständige Kreis die Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für die Zeit von September 2009 bis August 2010 kostenlos an den Kläger abzugeben hatte und die Beklagte zur Erstattung des vom Kläger dafür geleisteten Eigenanteils von 60 Euro verpflichtet ist. Der Kläger hat zunächst die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke begehrt und sich nach erfolglosem Verwaltungsverfahren die Wertmarke gegen Entrichtung des Eigenanteils iHv 60 Euro selbst beschafft. Das LSG hat zwar in seiner Entscheidung die Gültigkeitsdauer der dem Kläger ausgegebenen Wertmarke nicht festgestellt (§ 163 SGG). Diese ergibt sich aber aus der Sitzungsniederschrift vom 3.9.2010, nach der sich die Beteiligten nach Vorlage des Schwerbehindertenausweises des Klägers darüber einig geworden sind, dass Gegenstand des Verfahrens allein die für den Zeitraum September 2009 bis August 2010 beschaffte Wertmarke ist. Diesen Sachverhalt legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde. Denn über Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung hinaus kann das BSG den erforderlichen Tatsachenstoff auch der vorinstanzlichen Sitzungsniederschrift entnehmen (§ 202 SGG iVm § 559 Abs 1 Satz 1 ZPO; vgl auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 23.9.1969 - II C 25.66 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 4; Lüdtke in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 163 RdNr 2). Insoweit ist hier die Frage der Kostenpflicht oder Kostenfreiheit nach § 145 Abs 1 SGB IX für diesen Zeitraum weiterhin streitig(vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 13).

21

bb) Der Senat kann offen lassen, ob in der Umstellung des Klageantrags im Berufungsverfahren eine stets zulässige Umwandlung des Klagebegehrens wegen einer später eingetretenen Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG oder eine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu sehen ist. Das LSG hat sich mit dieser prozessualen Frage nicht befasst. Nach seinen Feststellungen, an die das BSG gebunden ist (§ 163 SGG), kann bereits nicht beurteilt werden, ob der Kläger die kostenpflichtige Wertmarke (§ 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX) vor oder nach Klageerhebung beim SG Aachen erworben hat, also eine später eingetretene Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vorliegt. Auch erscheint fraglich, ob die Rechtsprechung zur Ersatzbeschaffung im Krankenversicherungsrecht, nach der ohne Änderung des Klagegrundes (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG) an die Stelle eines Sachleistungsanspruchs nach Maßgabe des § 13 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch treten kann(vgl etwa BSG Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261, 262 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 113 mwN), auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist. Denn der Kläger hat die Sachleistung (Wertmarke) - wie begehrt - von der zuständigen Behörde erhalten, jedoch nur gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Der Erwerb der Wertmarke mit Eigenbeteiligung ist insoweit keine Ersatzbeschaffung, sondern gleicht der Beteiligung an den Kosten einer kranken- oder rentenversicherungsrechtlichen Sozialleistung (so bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

22

Selbst wenn man den Übergang auf ein anderes Klagebegehren - hier auf einen Kostenerstattungsanspruch - als eine Klageänderung ansieht, wäre diese nach den Maßgaben des § 99 Abs 1 SGG zulässig gewesen(vgl dazu BSG Urteil vom 17.5.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85 S 86). Die Beklagte hat sich nämlich in der mündlichen Verhandlung des LSG vom 3.9.2010 mit der Umstellung des Klagebegehrens ausdrücklich einverstanden erklärt.

23

cc) Auch die Sachurteilsvoraussetzungen für die Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage liegen vor.

24

Im Hinblick auf die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 20.7.2009 ist das Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage durchgeführt worden (zur Durchführung eines Vorverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung etwa BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5). Ob die Entscheidung über eine unentgeltliche Wertmarkenausgabe überhaupt durch Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X zu erfolgen hat(vgl zur Problematik LSG Baden Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 26 ff), kann (weiterhin) offen bleiben, weil der Beklagte hier die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat (vgl bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 14).

25

Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Bezirksregierung Münster nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 25.8.2009 maßgeblichen Rechtslage gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 SGG befugt war, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.7.2009 zu entscheiden (vgl zur Frage der Zuständigkeit in Verfahren nach §§ 69, 145 SGB IX gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 oder 4 SGG in NRW: LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - SozialVerw 2010, 8 ff, Revision anhängig unter B 9 SB 2/10 R; LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 5.3.2008 - L 10 SB 40/06 - Juris RdNr 39 ff). Denn sie ist jedenfalls seit Inkrafttreten des § 4a AG SGG NRW rückwirkend ab 1.1.2008 durch Art 3, 4 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) als Widerspruchsbehörde in Angelegenheiten nach den §§ 69, 145 SGB IX festgelegt worden(vgl zu § 4a AG SGG NRW bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 19). Diese landesrechtliche Zuständigkeitsregelung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Sowohl nach §§ 219, 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGG als auch gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGG iVm § 2 Abs 2 Satz 2 EingliederungsG sind insoweit abweichende Zuständigkeitsregelungen erlaubt.

26

Soweit es den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Anspruch des Klägers auf Erstattung des von ihm geleisteten Eigenanteils von 60 Euro betrifft, ist hier unschädlich, dass die Beklagte zu dem neuen Streitgegenstand kein eigenständiges Verwaltungsverfahren durchgeführt und dieses nicht mit einem Bescheid abgeschlossen hat (vgl § 8 SGB X). Erst recht schadet es nicht, dass kein Widerspruchsverfahren als Klagevoraussetzung durchgeführt worden ist (§ 78 Abs 3 iVm Abs 1 SGG). Zwar müssen auch im Falle einer zulässigen Klageänderung für die geänderte Klage im Regelfall die Sachurteilsvoraussetzungen in gleicher Weise vorliegen, wie es bei einer sofortigen Klageerhebung mit einem entsprechenden Begehren nötig gewesen wäre (vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54). Es ist aber anerkannt, dass in bestimmten Fällen nicht nur die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich sein kann (vgl im Einzelnen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 8, 8a mwN), sondern auch die Durchführung eines selbstständigen Verwaltungsverfahrens während eines anhängigen Rechtsstreits. Dies ist der Fall, wenn von einer eigenständigen Verwaltungsentscheidung nichts anderes zu erwarten ist als eine Bestätigung des prozessualen Vorbringens und die Verwaltung durch rügelose Einlassung oder gar durch ausdrückliches Einverständnis auf ihren Vorrang bei der Gesetzesausführung verzichtet hat (BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54; BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 9 SB 13/97 R - juris RdNr 12). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Kläger hat sich die Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nur deswegen gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX beschafft, weil die Beklagte die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke mit der angegriffenen Entscheidung abgelehnt hat und hieran - wie der vorliegende Prozess zeigt - weiterhin festhält.

27

2. In der Sache hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten.

28

a) Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Eigenanteils in Höhe von 60 Euro ist - wie das LSG zutreffend erkannt hat - der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl zu diesem allgemein anerkannten Rechtsinstitut BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 ff). Eine spezialgesetzliche Regelung über die Rückerstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Beträge nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist nicht ersichtlich.

29

aa) Als vorrangige Erstattungsregelung kommt insbesondere § 145 Abs 1 Satz 4 SGB IX nicht in Betracht. Danach gilt für die gemäß § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX grundsätzlich gegen einen Betrag von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr erhältliche Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im Personennahverkehr(§ 145 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX), dass im Falle der Rückgabe der Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer auf Antrag ein Betrag von 5 Euro für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe erstattet wird, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet, da sie nur diejenigen Fälle erfasst, in denen Berechtigte die gegen eine Selbstbeteiligung erhaltene Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer zurückgeben oder versterben. Der Wertmarkenbetrag wird infolgedessen für diejenigen Monate erstattet, in denen die Berechtigten von ihrem Recht auf unentgeltliche Beförderung keinen Gebrauch mehr machen können (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 8). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich hingegen auf die Erstattung des für die (inzwischen bereits abgelaufene) Wertmarke entrichteten Eigenanteils mit der Begründung, dass gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX überhaupt kein Betrag iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu leisten gewesen sei.

30

bb) Auch § 15 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist hier als besondere Erstattungsregel nicht einschlägig. Danach ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, soweit sich Leistungsberechtigte nach fruchtloser Fristsetzung und weiteren Voraussetzungen (vgl § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX). Es muss sich um eine Rehabilitationsleistung nach dem SGB IX (§§ 4, 5 SGB IX) bzw den speziellen Leistungsgesetzen handeln (vgl Luik in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 15 RdNr 27). Hieran fehlt es. Die gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ohne Eigenanteil auszugebende Wertmarke ist keine eigenständige Leistung nach dem SGB IX und kann überdies (auf rechtmäßige Weise) nicht selbst beschafft werden, soweit die Behörde die Ausgabe der Wertmarke von der Entrichtung des Betrags nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX abhängig macht. Die Sozialleistung besteht im Verhältnis zwischen Schwerbehinderten und Staat vielmehr in der Vergünstigung, von der Pflicht zur Zahlung des üblichen Beförderungsentgelts an die Verkehrsunternehmen freigestellt zu werden (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

31

b) Dem hier einschlägigen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch liegt der allgemeine, auch im Sozialrecht geltende Rechtsgrundsatz zu Grunde, dass zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzugeben sind (vgl zur Erstattung des anteiligen Eigenanteils bei vorzeitiger Rückgabe der Wertmarke für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 57 Abs 1 Satz 4 SchwbG idF vom 18.7.1985 bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7 ff). Auf diesen Anspruch kann sich nicht nur die Behörde, sondern auch der Bürger stützen, wenn zu seinen Lasten eine Vermögensverschiebung eingetreten ist und ein Sozialleistungsträger etwas erhalten hat, was ihm nicht zusteht (vgl BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513, 514). Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des bei der Ausgabe der Wertmarke für den Zeitraum September 2009 bis Oktober 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 60 Euro hat, wenn er seinerzeit diesen Eigenanteil gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX nicht zu entrichten hatte, der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX also rechtsgrundlos von der Beklagten entgegengenommen worden ist. Dies ist hier der Fall. Denn der Kläger konnte eine kostenfreie Wertmarke beanspruchen.

32

Rechtsgrundlage für die von dem damals zuständigen Kreis abgelehnte unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Vermögensverschiebung vor Ausgabe der von September 2009 bis August 2010 gültigen Wertmarke. Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

33

Soweit danach ein Antrag erforderlich ist, steht dem Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die Zeit von September 2009 bis August 2010 nicht bereits entgegen, dass der Kläger vor der Ausgabe der für diesen Zeitraum gültigen kostenpflichtigen Wertmarke möglicherweise keinen erneuten, "ausdrücklichen" Antrag iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke gestellt hat(vgl zu dieser Problematik LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 34). Zu einer wiederholten Antragstellung hat nämlich wegen der vom Kläger angefochtenen und damit nicht bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung der zuständigen Behörde (Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009) kein Anlass bestanden.

34

Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke liegen für den maßgeblichen Zeitraum vor. Der Kläger hat zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX gehört, denn ihm war das Merkzeichen "G" erteilt worden. Zudem hat der Kläger seinerzeit Leistungen iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erhalten. Denn die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII stellen nach Auffassung des erkennenden Senats "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS dieser Vorschrift dar. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

35

aa) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

36

bb) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

37

cc) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (1). Zudem ist unter dem Begriff "erhalten" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX der faktische Bezug der in der Vorschrift genannten Leistungen zu verstehen, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Leistungsberechtigung des Empfängers ankommt(2).

38

(1) Einem weiten Verständnis des Begriffs der "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung mit Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

39

(a) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" zu, im sprachlichem Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

40

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen hat das LSG im Ansatz zutreffend erkannt, dass der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX so verstanden werden kann, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

41

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IV erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, obwohl das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

42

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

43

(b) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

44

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

45

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat seine letzte Fassung jedoch erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

46

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich - wie das LSG zutreffend erkannt hat - aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

47

(c) Für die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

48

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen im Rahmen des § 145 Abs 1 SGB IX stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

49

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesem sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

50

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung eines Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

51

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft seien könnte.

52

(d) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

53

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

54

Hierbei ist auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten bereits durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

55

(e) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Recht ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

56

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

57

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßgebend für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

58

(2) Zur Auslegung des Begriffs "erhalten" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX hat der erkennende Senat bereits die möglichen Deutungen und die in anderen Rechtsgebieten vertretenen Auffassungen dargelegt; danach kann unter diesem Begriff sowohl der faktische Bezug einer Leistung zu verstehen sein als auch das Empfangen der Leistung durch den sachlich-rechtlichen Inhaber der Forderung (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 18 mwN). Der Senat ist der Auffassung, dass bei § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX eine dem engeren Wortsinn entsprechende Auslegung vorzugswürdig ist, nach der es allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt(so auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 46). Hierfür spricht maßgeblich die nach den Gesetzesmaterialien zur insoweit inhaltsgleichen Vorläufervorschrift des § 57 Abs 1 Nr 2 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) vom Gesetzgeber gewollte Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Danach sollen die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter berücksichtigt werden, "ohne dass die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im einzelnen prüfen müssen". Über die Befreiung von der Kostenbeteiligung soll nach Vorlage eines Bescheids entschieden werden, "aus dem hervorgeht, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die genannten Leistungen bezogen werden" (BT-Drucks 10/335 S 89).

59

dd) Gemessen an diesen Kriterien werden die vom Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII bezogenen Leistungen von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Unerheblich ist hierbei, ob der Kläger auch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf diese Leistungen hatte, da es im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt. Ferner ergibt sich ein gesetzlicher Ausschluss des Klägers von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB XII weder unmittelbar noch mittelbar aus § 9 Abs 1 AsylbLG (1). Die vom Kläger bezogenen Leistungen werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt (2), und zwar an Personen, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (3).

60

(1) Nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen, wobei als Leistungsberechtigte dieser Vorschrift nach allgemeiner Meinung alle Berechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG zählen, also sowohl Bezieher von sog Grundleistungen(§§ 3 ff AsylbLG) als auch Analog-Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 7).

61

Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs 1 AsylbLG, dass Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG von der in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX vorgesehenen Vergünstigung ausgeschlossen sind (a). Hierfür sprechen auch nicht die Entstehungsgeschichte (b), der systematische Zusammenhang (c) oder der Sinn und Zweck der Vorschrift (d).

62

(a) Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht zwangsläufig eine übereinstimmende Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" iS des § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dem letztgenannten Begriff kommt im Rahmen der sozialen Vergünstigung bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im Personenverkehr eine weitergehende Bedeutung zu. Er umfasst auch Leistungen, die ihren Rechtsgrund nicht (allein) im SGB XII haben, sondern in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen gewährt werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Die Zweckrichtung der Vorschrift kann insoweit zu einem Begriffsverständnis führen, das von der in anderem gesetzlichen Zusammenhang entwickelten Auslegung abweicht.

63

(b) § 9 AsylbLG ist mit Einführung des AsylbLG am 1.11.1993 in Kraft getreten (BGBl I 1074) und regelt seither das Verhältnis dieses Leistungsgesetzes zu anderen gesetzlichen Vorschriften (vgl BT-Drucks 12/4451 S 10 zu der im ersten Gesetzentwurf ursprünglich als § 8 vorgesehenen Regelung und BT-Drucks 13/2746 S 17 zu § 9). Denn bei dem AsylbLG handelt es sich um ein besonderes Sicherungssystem, das aus dem Asylkompromiss 1992 heraus entstanden ist und eigenständige, abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen eng begrenzten Personenkreis von Ausländern enthält (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5; BT-Drucks 15/1516 S 52 zu § 7 SGB II). Nach dem ursprünglichen Wortlaut sah § 9 Abs 1 AsylbLG vor, dass Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten; dieser Wortlaut ist durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) zum 1.1.2005 lediglich redaktionell angepasst worden (Groth in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 9 AsylbLG RdNr 3).

64

Es ergeben sich weder aus den Gesetzmaterialen zur Einführung und zu späteren Änderungen der Beteiligung Berechtigter an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nach dem SchwbG bzw dem SGB IX noch aus den Vorgängen zu § 9 AsylbLG (und dem AsylbLG insgesamt) hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX übereinstimmend verstanden wissen und damit ausnahmslos alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG (mittelbar) von der sozialen Vergünstigung nach dem SGB IX ausschließen wollte.

65

Mit Einführung der Kostenbeteiligung im Jahr 1984 durch § 57 Abs 1 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) waren auch bedürftige Ausländer von der Entrichtung des Eigenanteils iS des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 Alt 2 SGB IX befreit, soweit sie zur Sicherung des Lebensunterhalts Leistungen der öffentlichen Fürsorge in Anspruch genommen haben. Denn sie hatten im Rahmen der Sozialhilfe ausnahmslos einen Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (§ 120 Abs 1 und 2 BSHG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532); dies galt auch für Asylbewerber (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5). Die Einführung des AsylbLG zum 1.11.1993 hatte im Hinblick auf den Mindestunterhalt während des Asylverfahrens eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen nach § 120 Abs 2 BSHG(idF bis zum 30.10.1993, BGBl I 1991, 94, 808; BGBl I 1993, 278) und einen Vorrang der Sachleistungsgewährung zum Ziel, um das Leistungsrecht dem Ausländer- und Asylrecht anzupassen (vgl BT-Drucks 12/4451 S 4). Den Materialien ist nicht zu entnehmen, dass sich dieser Systemwechsel auch auf die Rechtstellung des Personenkreises nach § 1 Abs 1 AsylbLG(idF vom 30.6.1993, BGBl I 1074) im Schwerbehindertenrecht, namentlich im Rahmen des damals geltenden § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG(idF vom 21.6.1991, BGBl I 1310), auswirken sollte. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres auf eine übereinstimmende Verwendung des Begriffs "Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz" in § 9 AsylbLG und § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG geschlossen werden. Vielmehr sollte die Formulierung in § 9 Abs 1 AsylbLG (lediglich) im Verhältnis zum Sozialhilferecht festlegen, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen zustehen(BT-Drucks 12/4451 S 10).

66

Ein gewichtiges Argument für einen übereinstimmenden Wortsinn ist es zwar, dass der Gesetzgeber seit Inkrafttreten des AsylbLG die Regelung des § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG bzw § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX trotz deren häufigen redaktionellen Änderungen nicht ausdrücklich zumindest auf einen Teil der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG(§ 2 Abs 1 AsylbLG) erstreckt hat. Daraus könnte man folgern, dass ein an sich regelungsbedürftiger Anspruch bewusst nicht gewährt werden sollte (sog "beredtes Schweigen"). Hiergegen spricht wiederum die weitere Entwicklung des Asylbewerberleistungsrechts. Denn der Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG ist im Laufe der Jahre mehrmals geändert worden, ohne dass sich der Gesetzgeber mit den Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht nachvollziehbar auseinandergesetzt hat.

67

Dies gilt insbesondere für das Erste Änderungsgesetz des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130). Mit ihm ist der Gedanke der Kosteneinsparung durch Einführung der sog Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG in den Vordergrund getreten(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21; BT-Drucks 17/3660 S 5) und die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs iS des § 1 Abs 1 AsylbLG ua auf Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge einhergegangen(vgl § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG idF vom 5.8.1997, BGBl I 1130), die ursprünglich nach dem Asylkompromiss 1992 ausdrücklich ausgenommen gewesen sind (vgl BT-Drucks 12/5008 S 13). Im Gesetzgebungsverfahren sind zwar auf Länderseite den Mehrkosten im Sozialhilfewesen durch eine Begrenzung der Arbeitslosenhilfe und durch die finanzielle Verantwortung für die unentgeltliche Beförderung ua von Schwerbehinderten im Personenverkehr Einsparungen durch die Änderungen des AsylbLG gegenübergestellt worden (vgl BT-Drucks 13/3475 S 3). Mögliche Auswirkungen der inhaltlichen Änderungen des AsylbLG auf die Rechtstellung der Betroffenen im Schwerbehindertenrecht und insbesondere bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr werden jedoch in den vorliegenden Gesetzesmaterialien (ua BT-Drucks 13/2746, Erstentwurf vom 24.10.1995; BT-Drucks 13/3475, Entwurf der Bundesregierung vom 12.1.1996; BT-Drucks 13/3720, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 7.2.1996; BT-Drucks 13/7510, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 23.4.1997) an keiner Stelle erörtert, obwohl dies bei einer gemeinsamen Behandlung dieser Regelungsgegenstände nahe gelegen hätte.

68

Entsprechendes gilt auch für die Änderungen und Anpassungen des persönlichen Anwendungsbereichs (§ 1 Abs 1 AsylbLG) an das neue Asyl- und Aufenthaltsrecht mit der Einführung des AufenthG, das mit Wirkung zum 1.1.2005 das Ausländergesetz abgelöst hat (vgl Art 8 Nr 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004, BGBl I 1950). Mit dem Zuwanderungsgesetz 2004 ist zum einen ein Teil der bis dahin regelmäßig nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten wegen europa- und völkerrechtlich vorgegebener Mindeststandards bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen (vgl Art 28 Abs 1 Richtlinie 2004/83/EG , ABl.EU L 304 vom 30.9.2004 und Art 23 Genfer Flüchtlingskommission, BGBl II 1953, 559) aus dem persönlichen Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen worden (vgl hierzu ausführlich Frerichs in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 1 AsylbLG RdNr 42 f, 56-58, 71 ff, 73; vgl auch BT-Drucks 15/420 S 61). Zum anderen sind Inhaber bestimmter Aufenthaltstitel (Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs 3 und 4 AuslG), die zuvor leistungsberechtigt nach dem BSHG gewesen sind, durch die Überführung ihres Titels in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG(vgl § 101 Abs 2 AufenthG)erstmals in den Anwendungsbereich des AsylbLG (§ 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG) einbezogen worden (vgl Frerichs, aaO, § 1 AsylbLG RdNr 95 f). Gleichwohl werden in den Gesetzesmaterialien die Änderungen des § 1 Abs 1 AsylbLG nicht näher erläutert, auch nicht im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht(BT-Drucks 15/420 S 120 f).

69

(c) Systematisch regelt § 9 Abs 1 AsylbLG nach Art einer Konkurrenznorm das Verhältnis des AsylbLG als abgeschlossenes Leistungssystem zu anderen Leistungsgesetzen. Er legt ausdrücklich fest, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem Sozialhilferecht (SGB XII) noch nach vergleichbaren Landesgesetzen, wie etwa Landesblinden- oder Landespflegegeldleistungen, zustehen (so die Gesetzesbegründung vom 2.3.1993 zum inhaltsgleichen § 8 Abs 1 des ersten Gesetzesentwurfs, BT-Drucks 12/4451 S 10; vgl jüngst etwa zum Landesblindengeld NRW OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.6.2011 - 12 A 1011/10 - juris). Die Vorschrift korrespondiert insoweit mit § 23 Abs 2 SGB XII, derzufolge Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten, und mit § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II(vgl hierzu BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 14; zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R - BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 10; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R - juris). Über seinen leistungsausschließenden Charakter hinaus, stellt die Vorschrift klar, dass es sich bei den Leistungen nach diesem Gesetz, auch bei denjenigen nach § 2 Abs 1 AsylbLG, ihrem Rechtsgrund nach um Leistungen nach dem AsylbLG handelt(vgl BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung; vgl auch Hohm, AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 8; Groth in jurisPK-SGB XII, § 9 AsylbLG RdNr 17).

70

Die Reichweite des § 9 Abs 1 AsylbLG ist systematisch aber auf das Verhältnis von AsylbLG und SGB XII (und vergleichbaren Ländergesetzen) begrenzt und erstreckt sich gemäß § 9 Abs 2 AsylbLG grundsätzlich nicht auf das Aufgaben- und Leistungsprogramm anderer Leistungsträger(vgl BVerwG Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24/98 - BVerwGE 109, 155 - juris RdNr 30 ). Für die Mobilitätsförderung nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX selbst ist dies offensichtlich; von einem Ausschluss des Klägers von diesem Nachteilsausgleich geht auch die Beklagte nicht aus. Aus dieser Systematik folgt zugleich, dass die Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX nicht übereinstimmen muss. Bemerkenswert sind insoweit die Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 9 Abs 2 AsylbLG. Danach können Leistungen anderer Leistungsträger nicht unter Hinweis auf Leistungen nach dem AsylbLG eingeschränkt werden, "sofern dies nicht ausdrücklich im Rahmen von Einkommensvoraussetzungen vorgesehen ist" (BT-Drucks 12/4451 S 10 zu § 8). Zumindest eine ausdrückliche Einschränkung enthält § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX für Leistungsbezieher nach dem AsylbLG nicht. Da das AsylbLG als eigenständiges Leistungssystem nicht in das SGB eingegliedert und kein besonderer Teil iS des § 68 SGB I ist(vgl Herbst in Mergler/Zink, SGB XII/AsylbLG, Einführung zum AsylbLG RdNr 12), lässt sich auch nicht mit einer übereinstimmenden Bedeutung der Begriffe innerhalb des SGB argumentieren.

71

(d) Der Gesetzgeber hat die durch § 9 Abs 1 AsylbLG klar zum Ausdruck kommende Abgrenzung dieses Leistungssystems vom Recht der Sozialhilfe(vgl dazu auch § 23 Abs 2 SGB XII) als notwendig erachtet, um bei der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG von grundlegenden Prinzipien des Sozialhilferechts, insbesondere vom Individualisierungsgrundsatz, abweichen zu können (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2; vgl auch Kunkel, NVwZ 1994, 352, 353; zum Abschied von den sog Strukturprinzipien der Sozialhilfe, die vom BVerwG entwickelt worden sind, vgl insb BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 5/07 R - SozR 4-3520 § 9 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, Vor § 1 RdNr 4 f, 8 f). Die Leistungen an Asylbewerber zur Deckung ihres Lebensunterhalts sollten außerhalb des BSHG "vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthaltes" ausgerichtet werden. Nach der zuvor geltenden Rechtslage (§ 120 Abs 2 BSHG) war die Einschränkung der Leistungen auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nur aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles zulässig (BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2 unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 26.8.1991 - 5 C 61.88 - BVerwGE 89, 87 ff).

72

Der Beklagten ist insoweit einzuräumen, dass die Herausnahme der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG aus dem Kreis der Sozialhilfebezieher ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber denjenigen Personen darstellt, die unmittelbar anspruchsberechtigt nach dem BSHG waren bzw heute nach dem SGB XII sind. Nicht beantwortet hat sie aber die entscheidende Frage, ob hieraus auch auf eine bewusste Schlechterstellung dieses Personenkreises im Schwerbehindertenrecht geschlossen werden kann. Dies wäre bei einem übereinstimmenden Wortsinn der "Leistungen nach dem SGB XII" iS des § 9 Abs 1 AsylbLG und der "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX der Fall. Der Senat verneint diese Frage. Denn § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG - und Entsprechendes gilt für § 23 Abs 2 SGB XII - ist nicht nur systematisch, sondern auch nach seinem Sinn und Zweck vornehmlich als Vorschrift betreffend die Gesetzeskonkurrenz im Bereich der Existenz sichernden Leistungen (SGB XII, AsylbLG) zu verstehen. Er stellt lediglich klar, dass Berechtigten nach § 1 AsylbLG über die Asylbewerberleistungen hinaus keine (weiteren) Existenz sichernden Leistungen der Sozialhilfe zustehen. Die gewollte Schlechterstellung dieser Personen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Recht der Sozialhilfe, lässt deren Rechtstellung im SGB IX unberührt. Durch das Schwerbehindertenrecht sollen nämlich alle Menschen mit Behinderungen - grundsätzlich unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status - durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderung in die Gesellschaft integriert werden (vgl BSG Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 2/09 R - BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 69 Nr 11, RdNr 31). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

73

(2) Die Leistungen, die der Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII erhalten hat, werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt. Denn nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf einen bestimmten Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG entsprechend anzuwenden. Hierbei kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 2 Abs 1 AsylbLG eine Rechtsfolgenverweisung(vgl hierzu ausführlich Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 2 RdNr 94 ff mwN) oder eine Rechtsgrundverweisung auf § 23 SGB XII(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40) enthält, unbeantwortet bleiben (ebenfalls offen gelassen durch BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 und BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 AY 1/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR RdNr 14 f; zur praktischen Bedeutung dieses Streits vgl auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 2 AsylbLG RdNr 108).

74

Es handelt sich zwar in der Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG um eine sog Analogieverweisung(vgl hierzu Handbuch der Rechtsförmlichkeit, herausgegeben vom BMJ, 3. Aufl 2008, RdNr 232), bei der der Bezugstext - das SGB XII - nicht wörtlich mitgelesen werden kann und nur eine "entsprechende" und ggf eine nach der Regelungsmaterie des AsylbLG abweichende Anwendung findet (zur entsprechenden Anwendung des SGB XII iS des § 2 Abs 1 AsylbLG vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 101 ff). Die Leistungen bestimmen sich jedoch grundsätzlich nach den näheren Leistungsvoraussetzungen, den Bestimmungen über Art, Form und Maß der Leistung und den einzelnen Verfahrensregelungen des Sozialhilferechts (vgl BT-Drucks 12/5008 S 15). Es gelten die - auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX maßgeblichen - Einkommens- und Vermögensgrenzen des SGB XII, da die asylbewerberleistungsrechtliche Vorschrift über zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen(§ 7 AsylbLG) gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG ("abweichend von den §§ 3 bis 7" AsylbLG) nicht anzuwenden ist(vgl auch Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 39; Hohm, aaO, § 2 RdNr 105 mwN). Ungeachtet des Streits über die Art der Verweisung besteht nach ganz herrschender Meinung jedenfalls im Hinblick auf die Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt Einigkeit darüber, dass die Regelungen über diese Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG heranzuziehen sind(vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 185 f; Decker, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 53; Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 42; Oppermann, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 121 f).

75

(3) Die Bezieher von Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm den Vorschriften des SGB XII stehen zudem - wie von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorausgesetzt - den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. Der Gesetzgeber mag die (in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 23 Abs 2 SGB XII zum Ausdruck kommende) klare Abgrenzung der Leistungssysteme (SGB XII/AsylbLG) aus systematischen Gründen als notwendig erachtet haben. Materiell-rechtlich sind Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG jedoch dem "System der Sozialhilfe" zugewiesen. Auch hierbei kann der Streit über die Art der Verweisung in § 2 Abs 1 AsylbLG unentschieden bleiben. Selbst wenn diese allein als Verweisung auf § 23 SGB XII zu verstehen wäre(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40), steht der berechtigte Personenkreis Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. § 23 SGB XII regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ausländer Sozialhilfe beziehen können. Die Vorschrift sieht für diesen Personenkreis zwar nur einen reduzierten Leistungskatalog vor. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII sind aber als Pflichtleistung die Hilfe zum Lebensunterhalt(§§ 27 ff SGB XII), die Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII), die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 50 SGB XII) sowie die Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII) auf sozialhilferechtlichem Niveau vorgesehen. Entsprechendes gilt für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§§ 41 bis 46 SGB XII), da diese Regelungen nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XII unberührt bleiben. Die Erbringung der übrigen Sozialhilfeleistungen liegt einzelfallbezogen im Ermessen der Behörde (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII).

76

Zwar erstreckt sich der Rechtsanspruch damit grundsätzlich nicht auf die Leistungen der übrigen Kapitel des SGB XII, insbesondere nicht auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 bis 60 SGB XII). Dieser sozialhilferechtliche Regelausschluss ist aber für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX ohne Belang. Zum einen sind auch Leistungsberechtigte nach § 23 Abs 1 SGB XII, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII beziehen, nach dieser Vorschrift von der Entrichtung des Eigenanteils befreit. Zum anderen führt der Erhalt der Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII allein noch nicht zu der Kostenbefreiung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

77

Aus den Besonderheiten des AsylbLG ergibt sich keine andere Bewertung. Vielmehr verbindet auch der Gesetzgeber mit der Anspruchsberechtigung nach § 2 Abs 1 AsylbLG "eine weitgehende Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht", weil bei einem längeren Zeitraum des Aufenthaltes und - mangels Entscheidung (über den Asylantrag) - noch nicht absehbarer weiterer Dauer nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden könne, der bei einem in der Regel nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entstehe. Insbesondere seien nunmehr Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung). Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 AsylbLG ging diese Integrationskomponente allerdings in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130) weitgehend verloren. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung, wie er sich an der Leistungsvoraussetzung eines 36 Monate währenden Leistungsbezugs nach §§ 3 ff AsylbLG (sog Vorbezugszeit) zeigt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 unter Bezugnahme auf den Ausschussbericht vom 7.2.1996, BT-Drucks 13/3728 S 3).

78

Auch bei der Anhebung der Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG auf 48 Monate mit Wirkung ab 28.8.2007 (Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) spielte die Integrationskomponente keine wesentliche Rolle (vgl BSG, aaO, RdNr 23 mwN). Immerhin kommt in den Materialien zum Ausdruck, nach einem Voraufenthalt von vier Jahren könne davon ausgegangen werden, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065 S 232 zu Nr 2). Hieraus ergibt sich jedenfalls für die Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen "einer weitgehenden Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht" nicht aufgegeben hat. Auf die wegen der entsprechenden Anwendung des SGB XII im Detail gegebenenfalls abweichende Leistungsgewährung nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl hierzu ausführlich Hohm, aaO, § 2 RdNr 110 ff) kommt es nach Auffassung des Senats insoweit nicht entscheidend an.

79

c) Die Beklagte war nach alledem gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX verpflichtet, an den Kläger eine für ein Jahr gültige Wertmarke - hier für den Zeitraum von September 2009 bis August 2010 - kostenlos, also ohne Entrichtung des Eigenanteils nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX, auszugeben. Der angefochtene Verwaltungsakt ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben. Zudem hat die Beklagte dem Kläger den rechtsgrundlos erhaltenen Betrag in Höhe von 60 Euro zu erstatten.

80

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die Verwaltungsstelle rechtlich dazu in der Lage und diese Frage ohne weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.

(3) Hält das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsakts für rechtswidrig, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(4) Hält das Gericht eine Wahl im Sinne des § 57b oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig, so spricht es dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben.

(5) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die ambulante Versorgung des Klägers mit Fertigarzneimitteln, die das bakterielle Nervengift Clostridium botulinum Toxin Typ A (Botulinumtoxin A ) enthalten.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1954 geborene Kläger leidet an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine. Wegen zunehmender, die Gangstörung weiter verschlechternder Beinspastik mit Betonung der Oberschenkelinnenseiten (Adduktorenspastik) behandelte ihn die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. ab Mai 2001 bis April 2005 im Rahmen mehrerer, jeweils mehrtägiger stationärer Aufenthalte auf Kosten der Beklagten mit einem BTX/A-Präparat. Die Beklagte lehnte den bereits im August 2001 gestellten Antrag ab, die Kosten für eine ambulante BTX/A-Therapie zu übernehmen (Bescheid vom 7.9.2001, Widerspruchsbescheid vom 17.1.2002). BTX/A sei nämlich nicht für die Behandlung einer Adduktorenspastik zugelassen. Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine ambulante BTX/A-Therapie als zulassungsüberschreitende Anwendung (Off-Label-Use) zu gewähren (Urteil vom 28.2.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die nunmehr auf Fortsetzungsfeststellung gerichtete Klage abgewiesen: Zwar sei derzeit keine BTX/A-Therapie der fortbestehenden Adduktorenspastik des Klägers erforderlich. Doch bestehe ein Feststellungsinteresse, weil die BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik jederzeit wieder notwendig werden könne. Der Kläger habe nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 31 Abs 1 SGB V keinen Anspruch auf Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A, da ihnen eine Zulassung für die Indikation "Adduktorenspastik" fehle. Sie erfüllten auch nicht die Voraussetzungen eines Off-Label-Use, da keine abgeschlossene einschlägige Phase III-Studie veröffentlicht sei. Eine notstandsähnliche Situation, die eine grundrechtsorientierte Erweiterung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rechtfertige, bestehe ebenfalls nicht. Das den Kläger behandelnde Krankenhaus sei nicht nach § 116b SGB V berechtigt, die begehrten ambulanten Behandlungen der Adduktorenspastik zu erbringen. Ein Behandlungsanspruch nach § 117 SGB V scheitere daran, dass auch die Hochschulambulanzen nur innerhalb der von § 135 SGB V vorgegebenen Grenzen Leistungen erbringen dürften(Urteil vom 17.6.2010).

3

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Art 2 Abs 2 GG und des § 117 SGB V. Er habe wegen seiner schweren Erkrankung auch ohne Phase III-Studien Anspruch auf die ambulante BTX/A-Therapie seiner Adduktorenspastik. Außerdem rügt er, das LSG habe eine im Jahr 2004 vorgestellte multizentrische doppelblinde, plazebokontrollierte Studie nicht berücksichtigt.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 28. Februar 2006 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte durch den Bescheid vom 7. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2002 rechtswidrig dem Kläger bei vertragsärztlicher Verordnung die Versorgung mit Fertigarzneimitteln, die den Wirkstoff Botulinumtoxin A enthalten, zur ambulanten Behandlung seiner Adduktorenspastik verweigert hat.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

II. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der beklagten KK das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klage ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.-6.). Der Kläger hat gegen die Beklagte nämlich keinen Anspruch auf ambulante Behandlung seiner Adduktorenspastik mit einer BTX/A-Therapie, auch nicht in einer Hochschulambulanz.

8

1. Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig mit der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Diese Regelung des SGG gilt ausdrücklich für Anfechtungsklagen, ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (stRspr, vgl zB BSGE 92, 46 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 59 mwN). Das ursprüngliche Leistungsbegehren des Klägers hat sich während des Rechtsstreits erledigt, weil eine BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik des Klägers im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 mit Blick auf die Zukunftsausrichtung des Naturalleistungsbegehrens; s dazu etwa BSGE 88, 166, 167 = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 26 mwN; BSGE 91, 32 = SozR 4-2500 § 28 Nr 1, RdNr 7)nach dessen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) medizinisch nicht erforderlich war.

9

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte sein Begehren rechtswidrig abgelehnt hat, da nach den Feststellungen des LSG Wiederholungsgefahr besteht (vgl zu den Fallgruppen des berechtigten Interesses Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 75 ff mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 131 RdNr 10b mwN). Eine Wiederholungsgefahr setzt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage beim Kläger voraus (vgl BSG SozR 4-2500 § 17 Nr 3 RdNr 13 mwN). So liegt es etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann. Nach den Feststellungen des LSG kann bei der fortbestehenden Krankheit jederzeit wieder ein BTX/A-Therapiebedarf im Adduktorenbereich auftreten.

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem den Wirkstoff BTX/A enthaltenden Fertigarzneimittel im Rahmen ambulanter Behandlung seiner Adduktorenspastik. Die begehrten Fertigarzneimittel besitzen weder die erforderliche Zulassung zur Behandlung der beim Kläger bestehenden Krankheit (dazu 3.) noch besteht Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 4.). Der Kläger kann auch keinen Einzelimport von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln verlangen, weil weder ein sog Seltenheitsfall noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben ist. Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu 5.). Schließlich ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass die BTX/A-Therapie durch die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. nach § 117 SGB V als ambulante Therapie durchgeführt worden ist und weiterhin durchgeführt werden kann(dazu 6.).

11

3. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - hier mit dem Wirkstoff BTX/A - grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V)nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat). So liegt es hier. Die begehrten Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A sind zulassungspflichtig. Weder in Deutschland noch EU-weit liegt die erforderliche Arzneimittelzulassung für die Indikation Adduktorenspastik oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet vor, das die Adduktorenspastik mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

12

Keine Zulassung für Deutschland liegt darin, dass angeblich in Italien eine Zulassung BTX/A enthaltender Arzneimittel für Beinspastik ohne Bedeutung der Ursache, damit uU auch für eine Adduktorenspastik besteht. Insoweit eröffnet zwar § 25b Abs 2 AMG die Möglichkeit eines erleichterten Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung mit der Folge, dass das bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassene Arzneimittel grundsätzlich auch im Inland zuzulassen ist(näher dazu Friese in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 5 RdNr 5 f und 156 ff; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Januar 2011, § 25b AMG RdNr 13 ff). Die bloße Möglichkeit, dass es einem pharmazeutischen Unternehmen offensteht, im Verfahren nach § 25b Abs 2 AMG die Zulassung eines bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels herbeizuführen, ersetzt aber nicht die Zulassungsentscheidung.

13

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit BTX/A-haltigen Fertigarzneimitteln im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung der Adduktorenspastik auf Kosten der GKV, weder nach § 35c SGB V(dazu a) noch nach allgemeinen Grundsätzen (dazu b).

14

a) Bei der streitigen BTX/A-Therapie handelt es sich um keinen durch § 35c Abs 1 SGB V und untergesetzliche Regelungen gedeckten Off-Label-Use. Nach § 92 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 6 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln. Nach § 91 Abs 6 SGB V sind die Beschlüsse des GBA mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V und zu Empfehlungen nach § 137f SGB V für die Träger iS des § 91 Abs 1 Satz 1 SGB V, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich. Abschnitt K und Anlage VI der Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 18.8.2011, BAnz Nr 156 S 3609 vom 14.10.2011) enthalten Einzelheiten über die "Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten" und führen Wirkstoffe als verordnungsfähig (Anlage VI Teil A) bzw als nicht verordnungsfähig (Anlage VI Teil B) auf. Die AM-RL benennt hierbei BTX/A nicht. Es fehlt damit an der erforderlichen expliziten Regelung der Verordnungsfähigkeit für die von der Zulassung nicht abgedeckte Indikation. Auf die Frage einer verzögerten Bearbeitung kommt es insoweit nicht an (vgl § 35c Abs 1 SGB V gegenüber § 135 Abs 1 Satz 4 SGB V). Eine Verzögerung in der Bearbeitung könnte nur zur Anwendung der allgemeinen Regeln des Off-Label-Use führen (vgl dazu unten, b), nicht aber zu einer Zulassungsfiktion (vgl ähnlich bereits BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 44).

15

Auch die Voraussetzungen des § 35c Abs 2 SGB V sind nicht erfüllt. Danach haben Versicherte außerhalb des Anwendungsbereichs des Absatzes 1 Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern hierdurch eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Vergleich zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten ist, damit verbundene Mehrkosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten medizinischen Zusatznutzen stehen, die Behandlung durch einen Arzt erfolgt, der an der vertragsärztlichen Versorgung oder an der ambulanten Versorgung nach den §§ 116b und 117 SGB V teilnimmt, und der GBA der Arzneimittelverordnung nicht widerspricht. Der Kläger beansprucht die Versorgung indes nicht im Rahmen einer klinischen Studie.

16

b) Entsprechend der Anmerkung zu Abschnitt K AM-RL bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist. Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

17

Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind. Soweit man aus der früheren Rspr des Senats (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36)ein unterschiedliches Schutzniveau vor und während laufender Zulassungsverfahren ableiten kann, gibt der Senat diese Rspr klarstellend auf. Außerhalb und während eines Zulassungsverfahrens muss die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich entsprechen. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 16 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 ADHS/Methylphenidat). Dies bedeutet, dass der während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens zu erbringende wissenschaftliche Nachweis durch Studien erbracht werden muss, die die an eine Phase III-Studie zu stellenden qualitativen Anforderungen erfüllen. Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des LSG, welche nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen und damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie der Phase III mit Relevanz für den Kläger bisher nicht gekommen.

18

Die sinngemäß erhobene Rüge des Klägers, das LSG habe seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG)verletzt, greift nicht durch. Eine Verletzung des § 103 SGG liegt lediglich vor, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen(stRspr vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 103 RdNr 86 ff mwN). Daran fehlt es. Das LSG hat die Anforderungen des BSG zugrunde gelegt, wonach für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV - wie dargelegt - einschlägige Studien der Phase III veröffentlicht sein müssen. Bei diesem Ausgangspunkt drängt es sich nicht auf, für den 1954 geborenen Kläger eine Studie zu würdigen, die im Jahre 2004 anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Bern vorgestellt wurde und der Frage des Effektes von BTX/A bei der Behandlung der Adduktorenspastik bei Kindern mit Zerebralparese im Alter von zwei bis zu zehn Jahren nachging. Dies gilt erst recht unter Beachtung der Wertungen der Rspr, wonach in der GKV versicherte Erwachsene grundsätzlich keinen Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung eines nur zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassenen Arzneimittels unter erleichterten Voraussetzungen haben, selbst wenn eine gleiche Wirksamkeit des Mittels unterstellt wird (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15).

19

Es ist für den krankenversicherungsrechtlichen Anspruch des Klägers auch ohne Belang, dass eine Stellungnahme des Arbeitskreises Botulinumtoxin eV vom 4.5.2006 die Anwendung von BTX/A unabhängig von der Ursache befürwortet und nationale sowie europäische Konsensusgruppen explizit BTX/A bei Adduktorenspastik empfehlen (vgl Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Therapie des spastischen Syndroms, Stand 2008, S 8). Grundsätzlich bestimmen nicht Leitlinien und Konsensempfehlungen medizinischer Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der GKV. Das Leistungsrecht ist vielmehr insbesondere von den Vorgaben des § 2 Abs 1 Satz 1 und 3, § 12 SGB V geprägt, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen müssen. Für Fertigarzneimittel werden diese Anforderungen in der oben dargelegten Weise konkretisiert.

20

5. Der Kläger kann auch keinen Einzelimport nach § 73 Abs 3 AMG von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln zu Lasten der Beklagten verlangen. Weder ist ein sog Seltenheitsfall (dazu a) noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben (dazu b). Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu c).

21

a) Der erkennende Senat zieht im Rahmen des § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der GKV selbst ohne Inlandszulassung in Erwägung, wenn es sich um einen Fall der Seltenheit handelt(vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 43 mwN). Die Voraussetzungen eines sog Seltenheitsfalls sind indes nicht erfüllt. Die Inzidenz der spastischen Beinparese ist, wie schon die Zulassung von BTX/A für den spastischen Spitzfuß belegt, für eine systematische wissenschaftliche Erforschung ausreichend hoch, um auch die Behandlung der Adduktorenspastik mittels BTX/A auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Das zieht auch der Kläger letztlich nicht in Zweifel.

22

b) Auch ein Anspruch auf BTX/A enthaltende Fertigarzneimittel zu Lasten der Beklagten im Rahmen eines Einzelimports nach § 73 Abs 3 AMG aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung besteht nicht(vgl zu den Voraussetzungen BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31/32 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 23 - Tomudex; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 16 mwN - Mnesis/Idebenone; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - "Lorenzos Öl"; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 45 f mwN - ADHS/Methylphenidat).

23

Die verfassungskonforme Auslegung setzt ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Um eine solche Erkrankung geht es bei dem Leiden des Klägers nicht. Nach den unangegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) leidet der Kläger an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine, Sekundärschäden am knöchernen Apparat (Coxarthrose, Pseudoradikulärsyndrom) und sich dadurch verstärkender Spastik bei in Ruhe einschießenden schmerzhaften Spasmen. Mit diesen Auswirkungen seiner Krankheit wird nicht die Schwelle erreicht, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist. Das Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, umschreibt nämlich eine strengere Voraussetzung, als sie mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 34 - Neuropsychologische Therapie; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 17 - Mnesis/Idebenone). Das BSG hat dementsprechend das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung mit den in diesem Bereich zu verlangenden notstandsähnlichen Extremsituationen auch schon in ähnlichen Fällen mit durchaus gravierenden Beeinträchtigungen verneint (vgl die Übersicht in BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 15 - ICL).

24

c) Ein sog Systemversagen aufgrund zögerlicher oder willkürlicher Bearbeitung spielt weder im Rahmen des Einzelimports noch - über das oben Ausgeführte hinaus - für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV eine Rolle, soweit allein die Versorgung mit einem Fertigarzneimittel betroffen ist. Anders liegt es lediglich, wenn zugleich und parallel hierzu eine neue vertragsärztliche Behandlungsmethode betroffen ist (vgl dazu BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 22 ff - Visudyne).

25

6. Die Begrenzung des Anspruchs des Klägers auf die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln wird abgesehen von den dargestellten und hier verneinten Ausnahmen nicht dadurch aufgehoben oder geändert, dass eine Hochschulambulanz nach § 117 SGB V behandelt oder zur Behandlung in Betracht kommt.

26

§ 117 SGB V eröffnet den Hochschulambulanzen den Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung, um die universitäre Forschung und Lehre zu unterstützen(vgl BSGE 82, 216, 221 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 37 f; zu § 117 Abs 2 SGB V: BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 35). Die von Ärzten in Hochschulambulanzen in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang erbrachten ambulanten Leistungen sind weiterhin Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) ist nach § 117 Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) verpflichtet, auf Verlangen von Hochschulen oder Hochschulkliniken die Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (Hochschulambulanzen) zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personen zu ermächtigen. § 95 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 1 SGB V(ab 1.7.2008 idF von Art 6 Nr 16 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874) beschreiben näher die Rechtsfolge einer solchen Ermächtigung: Die ermächtigte Einrichtung ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet.

27

Hiernach vermag die Behandlung durch Ärzte einer Hochschulambulanz zugunsten des Klägers keinen anderen Versorgungsanspruch zu begründen als den, der ihm zusteht, wenn er sich in die Behandlung eines Vertragsarztes begibt. Auch die Ärzte einer Hochschulambulanz dürfen dem Kläger nur für die jeweilige Indikation zugelassene Fertigarzneimittel verordnen, es sei denn, dass eine gesetzliche oder richterrechtliche Ausnahme eingreift. Das ist indes - wie oben dargestellt - hier nicht der Fall.

28

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die Verwaltungsstelle rechtlich dazu in der Lage und diese Frage ohne weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.

(3) Hält das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsakts für rechtswidrig, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(4) Hält das Gericht eine Wahl im Sinne des § 57b oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig, so spricht es dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben.

(5) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die ambulante Versorgung des Klägers mit Fertigarzneimitteln, die das bakterielle Nervengift Clostridium botulinum Toxin Typ A (Botulinumtoxin A ) enthalten.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1954 geborene Kläger leidet an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine. Wegen zunehmender, die Gangstörung weiter verschlechternder Beinspastik mit Betonung der Oberschenkelinnenseiten (Adduktorenspastik) behandelte ihn die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. ab Mai 2001 bis April 2005 im Rahmen mehrerer, jeweils mehrtägiger stationärer Aufenthalte auf Kosten der Beklagten mit einem BTX/A-Präparat. Die Beklagte lehnte den bereits im August 2001 gestellten Antrag ab, die Kosten für eine ambulante BTX/A-Therapie zu übernehmen (Bescheid vom 7.9.2001, Widerspruchsbescheid vom 17.1.2002). BTX/A sei nämlich nicht für die Behandlung einer Adduktorenspastik zugelassen. Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine ambulante BTX/A-Therapie als zulassungsüberschreitende Anwendung (Off-Label-Use) zu gewähren (Urteil vom 28.2.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die nunmehr auf Fortsetzungsfeststellung gerichtete Klage abgewiesen: Zwar sei derzeit keine BTX/A-Therapie der fortbestehenden Adduktorenspastik des Klägers erforderlich. Doch bestehe ein Feststellungsinteresse, weil die BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik jederzeit wieder notwendig werden könne. Der Kläger habe nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 31 Abs 1 SGB V keinen Anspruch auf Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A, da ihnen eine Zulassung für die Indikation "Adduktorenspastik" fehle. Sie erfüllten auch nicht die Voraussetzungen eines Off-Label-Use, da keine abgeschlossene einschlägige Phase III-Studie veröffentlicht sei. Eine notstandsähnliche Situation, die eine grundrechtsorientierte Erweiterung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rechtfertige, bestehe ebenfalls nicht. Das den Kläger behandelnde Krankenhaus sei nicht nach § 116b SGB V berechtigt, die begehrten ambulanten Behandlungen der Adduktorenspastik zu erbringen. Ein Behandlungsanspruch nach § 117 SGB V scheitere daran, dass auch die Hochschulambulanzen nur innerhalb der von § 135 SGB V vorgegebenen Grenzen Leistungen erbringen dürften(Urteil vom 17.6.2010).

3

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des Art 2 Abs 2 GG und des § 117 SGB V. Er habe wegen seiner schweren Erkrankung auch ohne Phase III-Studien Anspruch auf die ambulante BTX/A-Therapie seiner Adduktorenspastik. Außerdem rügt er, das LSG habe eine im Jahr 2004 vorgestellte multizentrische doppelblinde, plazebokontrollierte Studie nicht berücksichtigt.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 28. Februar 2006 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte durch den Bescheid vom 7. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2002 rechtswidrig dem Kläger bei vertragsärztlicher Verordnung die Versorgung mit Fertigarzneimitteln, die den Wirkstoff Botulinumtoxin A enthalten, zur ambulanten Behandlung seiner Adduktorenspastik verweigert hat.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

7

II. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der beklagten KK das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klage ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.-6.). Der Kläger hat gegen die Beklagte nämlich keinen Anspruch auf ambulante Behandlung seiner Adduktorenspastik mit einer BTX/A-Therapie, auch nicht in einer Hochschulambulanz.

8

1. Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässig mit der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Diese Regelung des SGG gilt ausdrücklich für Anfechtungsklagen, ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (stRspr, vgl zB BSGE 92, 46 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 59 mwN). Das ursprüngliche Leistungsbegehren des Klägers hat sich während des Rechtsstreits erledigt, weil eine BTX/A-Therapie der Adduktorenspastik des Klägers im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 mit Blick auf die Zukunftsausrichtung des Naturalleistungsbegehrens; s dazu etwa BSGE 88, 166, 167 = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 26 mwN; BSGE 91, 32 = SozR 4-2500 § 28 Nr 1, RdNr 7)nach dessen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) medizinisch nicht erforderlich war.

9

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte sein Begehren rechtswidrig abgelehnt hat, da nach den Feststellungen des LSG Wiederholungsgefahr besteht (vgl zu den Fallgruppen des berechtigten Interesses Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 131 RdNr 75 ff mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 131 RdNr 10b mwN). Eine Wiederholungsgefahr setzt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage beim Kläger voraus (vgl BSG SozR 4-2500 § 17 Nr 3 RdNr 13 mwN). So liegt es etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann. Nach den Feststellungen des LSG kann bei der fortbestehenden Krankheit jederzeit wieder ein BTX/A-Therapiebedarf im Adduktorenbereich auftreten.

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem den Wirkstoff BTX/A enthaltenden Fertigarzneimittel im Rahmen ambulanter Behandlung seiner Adduktorenspastik. Die begehrten Fertigarzneimittel besitzen weder die erforderliche Zulassung zur Behandlung der beim Kläger bestehenden Krankheit (dazu 3.) noch besteht Anspruch auf eine Versorgung nach den Grundsätzen des Off-Label-Use (dazu 4.). Der Kläger kann auch keinen Einzelimport von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln verlangen, weil weder ein sog Seltenheitsfall noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben ist. Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu 5.). Schließlich ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass die BTX/A-Therapie durch die Universitätsklinik für Neurologie des Universitätsklinikums M. nach § 117 SGB V als ambulante Therapie durchgeführt worden ist und weiterhin durchgeführt werden kann(dazu 6.).

11

3. Versicherte können Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV - hier mit dem Wirkstoff BTX/A - grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl §§ 31, 34 SGB V)nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche(§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zB BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 ADHS/Methylphenidat). So liegt es hier. Die begehrten Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff BTX/A sind zulassungspflichtig. Weder in Deutschland noch EU-weit liegt die erforderliche Arzneimittelzulassung für die Indikation Adduktorenspastik oder ein übergeordnetes Indikationsgebiet vor, das die Adduktorenspastik mit umfasst. Das steht nach den unangegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

12

Keine Zulassung für Deutschland liegt darin, dass angeblich in Italien eine Zulassung BTX/A enthaltender Arzneimittel für Beinspastik ohne Bedeutung der Ursache, damit uU auch für eine Adduktorenspastik besteht. Insoweit eröffnet zwar § 25b Abs 2 AMG die Möglichkeit eines erleichterten Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung mit der Folge, dass das bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassene Arzneimittel grundsätzlich auch im Inland zuzulassen ist(näher dazu Friese in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 5 RdNr 5 f und 156 ff; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Januar 2011, § 25b AMG RdNr 13 ff). Die bloße Möglichkeit, dass es einem pharmazeutischen Unternehmen offensteht, im Verfahren nach § 25b Abs 2 AMG die Zulassung eines bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Arzneimittels herbeizuführen, ersetzt aber nicht die Zulassungsentscheidung.

13

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit BTX/A-haltigen Fertigarzneimitteln im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung der Adduktorenspastik auf Kosten der GKV, weder nach § 35c SGB V(dazu a) noch nach allgemeinen Grundsätzen (dazu b).

14

a) Bei der streitigen BTX/A-Therapie handelt es sich um keinen durch § 35c Abs 1 SGB V und untergesetzliche Regelungen gedeckten Off-Label-Use. Nach § 92 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 6 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln. Nach § 91 Abs 6 SGB V sind die Beschlüsse des GBA mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V und zu Empfehlungen nach § 137f SGB V für die Träger iS des § 91 Abs 1 Satz 1 SGB V, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich. Abschnitt K und Anlage VI der Richtlinie des GBA über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie vom 18.12.2008/22.1.2009, BAnz 2009, Nr 49a , zuletzt geändert am 18.8.2011, BAnz Nr 156 S 3609 vom 14.10.2011) enthalten Einzelheiten über die "Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten" und führen Wirkstoffe als verordnungsfähig (Anlage VI Teil A) bzw als nicht verordnungsfähig (Anlage VI Teil B) auf. Die AM-RL benennt hierbei BTX/A nicht. Es fehlt damit an der erforderlichen expliziten Regelung der Verordnungsfähigkeit für die von der Zulassung nicht abgedeckte Indikation. Auf die Frage einer verzögerten Bearbeitung kommt es insoweit nicht an (vgl § 35c Abs 1 SGB V gegenüber § 135 Abs 1 Satz 4 SGB V). Eine Verzögerung in der Bearbeitung könnte nur zur Anwendung der allgemeinen Regeln des Off-Label-Use führen (vgl dazu unten, b), nicht aber zu einer Zulassungsfiktion (vgl ähnlich bereits BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 44).

15

Auch die Voraussetzungen des § 35c Abs 2 SGB V sind nicht erfüllt. Danach haben Versicherte außerhalb des Anwendungsbereichs des Absatzes 1 Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern hierdurch eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Vergleich zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten ist, damit verbundene Mehrkosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten medizinischen Zusatznutzen stehen, die Behandlung durch einen Arzt erfolgt, der an der vertragsärztlichen Versorgung oder an der ambulanten Versorgung nach den §§ 116b und 117 SGB V teilnimmt, und der GBA der Arzneimittelverordnung nicht widerspricht. Der Kläger beansprucht die Versorgung indes nicht im Rahmen einer klinischen Studie.

16

b) Entsprechend der Anmerkung zu Abschnitt K AM-RL bleiben die allgemeinen, vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV unberührt, wenn - wie hier - ein nicht in der AM-RL geregelter Off-Label-Use betroffen ist. Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl zB BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens s BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 24 mwN - Neuropsychologische Therapie).

17

Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind. Soweit man aus der früheren Rspr des Senats (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36)ein unterschiedliches Schutzniveau vor und während laufender Zulassungsverfahren ableiten kann, gibt der Senat diese Rspr klarstellend auf. Außerhalb und während eines Zulassungsverfahrens muss die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich entsprechen. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 RdNr 16 - restless legs/Cabaseril; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 ADHS/Methylphenidat). Dies bedeutet, dass der während und außerhalb eines Zulassungsverfahrens zu erbringende wissenschaftliche Nachweis durch Studien erbracht werden muss, die die an eine Phase III-Studie zu stellenden qualitativen Anforderungen erfüllen. Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des LSG, welche nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen und damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), ist es zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie der Phase III mit Relevanz für den Kläger bisher nicht gekommen.

18

Die sinngemäß erhobene Rüge des Klägers, das LSG habe seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG)verletzt, greift nicht durch. Eine Verletzung des § 103 SGG liegt lediglich vor, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, obwohl es sich ausgehend von seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen(stRspr vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5; Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2011, § 103 RdNr 86 ff mwN). Daran fehlt es. Das LSG hat die Anforderungen des BSG zugrunde gelegt, wonach für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV - wie dargelegt - einschlägige Studien der Phase III veröffentlicht sein müssen. Bei diesem Ausgangspunkt drängt es sich nicht auf, für den 1954 geborenen Kläger eine Studie zu würdigen, die im Jahre 2004 anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Bern vorgestellt wurde und der Frage des Effektes von BTX/A bei der Behandlung der Adduktorenspastik bei Kindern mit Zerebralparese im Alter von zwei bis zu zehn Jahren nachging. Dies gilt erst recht unter Beachtung der Wertungen der Rspr, wonach in der GKV versicherte Erwachsene grundsätzlich keinen Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung eines nur zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassenen Arzneimittels unter erleichterten Voraussetzungen haben, selbst wenn eine gleiche Wirksamkeit des Mittels unterstellt wird (vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15).

19

Es ist für den krankenversicherungsrechtlichen Anspruch des Klägers auch ohne Belang, dass eine Stellungnahme des Arbeitskreises Botulinumtoxin eV vom 4.5.2006 die Anwendung von BTX/A unabhängig von der Ursache befürwortet und nationale sowie europäische Konsensusgruppen explizit BTX/A bei Adduktorenspastik empfehlen (vgl Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Therapie des spastischen Syndroms, Stand 2008, S 8). Grundsätzlich bestimmen nicht Leitlinien und Konsensempfehlungen medizinischer Fachgesellschaften den Umfang der Leistungsansprüche der Versicherten der GKV. Das Leistungsrecht ist vielmehr insbesondere von den Vorgaben des § 2 Abs 1 Satz 1 und 3, § 12 SGB V geprägt, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen müssen. Für Fertigarzneimittel werden diese Anforderungen in der oben dargelegten Weise konkretisiert.

20

5. Der Kläger kann auch keinen Einzelimport nach § 73 Abs 3 AMG von BTX/A enthaltenden Fertigarzneimitteln zu Lasten der Beklagten verlangen. Weder ist ein sog Seltenheitsfall (dazu a) noch ein Fall grundrechtsorientierter Leistungsausweitung gegeben (dazu b). Auf ein sog Systemversagen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu c).

21

a) Der erkennende Senat zieht im Rahmen des § 73 Abs 3 AMG ausnahmsweise die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der GKV selbst ohne Inlandszulassung in Erwägung, wenn es sich um einen Fall der Seltenheit handelt(vgl BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 43 mwN). Die Voraussetzungen eines sog Seltenheitsfalls sind indes nicht erfüllt. Die Inzidenz der spastischen Beinparese ist, wie schon die Zulassung von BTX/A für den spastischen Spitzfuß belegt, für eine systematische wissenschaftliche Erforschung ausreichend hoch, um auch die Behandlung der Adduktorenspastik mittels BTX/A auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Das zieht auch der Kläger letztlich nicht in Zweifel.

22

b) Auch ein Anspruch auf BTX/A enthaltende Fertigarzneimittel zu Lasten der Beklagten im Rahmen eines Einzelimports nach § 73 Abs 3 AMG aufgrund grundrechtsorientierter Auslegung besteht nicht(vgl zu den Voraussetzungen BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31/32 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 23 - Tomudex; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 16 mwN - Mnesis/Idebenone; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - "Lorenzos Öl"; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 45 f mwN - ADHS/Methylphenidat).

23

Die verfassungskonforme Auslegung setzt ua voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Um eine solche Erkrankung geht es bei dem Leiden des Klägers nicht. Nach den unangegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) leidet der Kläger an einer infantilen Zerebralparese mit spastischer Paraparese der Beine, Sekundärschäden am knöchernen Apparat (Coxarthrose, Pseudoradikulärsyndrom) und sich dadurch verstärkender Spastik bei in Ruhe einschießenden schmerzhaften Spasmen. Mit diesen Auswirkungen seiner Krankheit wird nicht die Schwelle erreicht, welche allgemein für eine grundrechtskonforme erweiternde Auslegung des Leistungsrechts der GKV zu fordern ist. Das Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, umschreibt nämlich eine strengere Voraussetzung, als sie mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 34 - Neuropsychologische Therapie; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 8 RdNr 17 - Mnesis/Idebenone). Das BSG hat dementsprechend das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und eine Gleichstellung mit den in diesem Bereich zu verlangenden notstandsähnlichen Extremsituationen auch schon in ähnlichen Fällen mit durchaus gravierenden Beeinträchtigungen verneint (vgl die Übersicht in BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 15 - ICL).

24

c) Ein sog Systemversagen aufgrund zögerlicher oder willkürlicher Bearbeitung spielt weder im Rahmen des Einzelimports noch - über das oben Ausgeführte hinaus - für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV eine Rolle, soweit allein die Versorgung mit einem Fertigarzneimittel betroffen ist. Anders liegt es lediglich, wenn zugleich und parallel hierzu eine neue vertragsärztliche Behandlungsmethode betroffen ist (vgl dazu BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 22 ff - Visudyne).

25

6. Die Begrenzung des Anspruchs des Klägers auf die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln wird abgesehen von den dargestellten und hier verneinten Ausnahmen nicht dadurch aufgehoben oder geändert, dass eine Hochschulambulanz nach § 117 SGB V behandelt oder zur Behandlung in Betracht kommt.

26

§ 117 SGB V eröffnet den Hochschulambulanzen den Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung, um die universitäre Forschung und Lehre zu unterstützen(vgl BSGE 82, 216, 221 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 37 f; zu § 117 Abs 2 SGB V: BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 35). Die von Ärzten in Hochschulambulanzen in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang erbrachten ambulanten Leistungen sind weiterhin Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) ist nach § 117 Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) verpflichtet, auf Verlangen von Hochschulen oder Hochschulkliniken die Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken (Hochschulambulanzen) zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personen zu ermächtigen. § 95 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 1 SGB V(ab 1.7.2008 idF von Art 6 Nr 16 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008, BGBl I 874) beschreiben näher die Rechtsfolge einer solchen Ermächtigung: Die ermächtigte Einrichtung ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet.

27

Hiernach vermag die Behandlung durch Ärzte einer Hochschulambulanz zugunsten des Klägers keinen anderen Versorgungsanspruch zu begründen als den, der ihm zusteht, wenn er sich in die Behandlung eines Vertragsarztes begibt. Auch die Ärzte einer Hochschulambulanz dürfen dem Kläger nur für die jeweilige Indikation zugelassene Fertigarzneimittel verordnen, es sei denn, dass eine gesetzliche oder richterrechtliche Ausnahme eingreift. Das ist indes - wie oben dargestellt - hier nicht der Fall.

28

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 geändert und festgestellt, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 rechtswidrig gewesen ist.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike.

2

Die 1987 geborene Klägerin leidet an einer angeborenen Spaltbildung der Wirbelsäule (spina bifida) mit Paraparese der Beine. Sie ist mit einem manuell zu bewegenden Rollstuhl (Aktivrollstuhl) versorgt. Im Januar 2006 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines vom Sanitätshaus D. erstellten Angebots und einer das Begehren befürwortenden ärztlichen Bescheinigung die Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike zum Preis von 3323,83 Euro. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, das begehrte Hilfsmittel sei zum Ausgleich einer Behinderung nicht erforderlich (Bescheid vom 1.2.2006; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2006).

3

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit einem Hand-Bike gemäß dem Kostenvoranschlag des Sanitätshauses D. vom 31.1.2006 iVm der ärztlichen Verordnung der Dres. B. vom 20.1.2006 zu versorgen (Urteil vom 10.9.2008). Diese Versorgung sei nach dem eingeholten Sachverständigengutachten erforderlich, um einer weiteren Überlastung des Schulter-Ellenbogenbereichs durch die Verwendung des Aktivrollstuhls vorzubeugen. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.6.2010): Das Rollstuhl-Bike sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität und auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums iS des in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fallenden Basisausgleichs (Nahbereich der Wohnung) nicht erforderlich. Der Nahbereich der Wohnung beschreibe den Radius, den sich ein behinderter Versicherter mittels eines Aktivrollstuhls erschließen können müsse. Dieser Radius könne unter Rückgriff auf den für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltenden Grenzwert von 500 m konkretisiert werden. Die Klägerin sei nach den gutachterlichen Feststellungen in der Lage, eine über 500 m liegende Wegstrecke in einem zeitlichen Rahmen von 20 Minuten mit dem Aktivrollstuhl zu bewältigen. Dies sei zur Verwirklichung des Grundbedürfnisses auf Mobilität ausreichend.

4

Die Klägerin hat ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 30.6.2010 gekündigt und ist seit dem 1.7.2010 Mitglied der Techniker-Krankenkasse (TKK).

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das Rollstuhl-Bike sei im vorliegenden Einzelfall sowohl zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 1 SGB V)als auch zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V)erforderlich, weil durch die Nutzung des Rollstuhl-Bikes zum einen das Fortschreiten der degenerativen Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten verhindert und zum anderen die Erschließung des Nahbereichs und somit die Verwirklichung eines allgemeinen Grundbedürfnisses sichergestellt werde. Der Nahbereich könne mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl nur unter Schmerzen und übermäßigen Anstrengungen erschlossen werden. Die abweichende Beurteilung des Anspruchs durch das LSG beruhe auf einer unzulässigen Übertragung des für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltenden Maßstabes. Die Leistungspflicht der Beklagten werde auch nicht durch den nach Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorgenommenen Krankenkassenwechsel (KK-Wechsel) berührt, weil sie das ihr in Bezug auf die Hilfsmittelversorgung zustehende Wahlrecht bereits konkretisiert habe.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. September 2008 zurückzuweisen;
hilfsweise,
die Techniker-Krankenkasse gemäß § 75 Abs 2, 2. Alt iVm § 168 Satz 1, 2. Alt SGG beizuladen, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 und des Sozialgerichts Köln vom 10. September 2008 zu ändern und die Beigeladene zu verurteilen, die Klägerin mit einem Rollstuhl-Bike zu versorgen;
weiter hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 zu ändern und festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 rechtwidrig gewesen ist.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nach Maßgabe des zweiten Hilfsantrages begründet (dazu unter C.). Hinsichtlich der mit dem Hauptantrag begehrten Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Rollstuhl-Bikes als Sachleistung ist die Revision hingegen unbegründet, weil die Beklagte aufgrund des KK-Wechsels ab dem 1.7.2010 nicht mehr zur Leistung verpflichtet ist (dazu unter A.). Bezüglich des ersten Hilfsantrages ist die Revision ebenfalls unbegründet, da die ab dem 1.7.2010 für die Klägerin zuständige TKK nicht zum Verfahren beizuladen war (dazu unter B.).

9

A. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike abgelehnt. Ausschlaggebend für den fehlenden Leistungsanspruch ist jedoch nicht - wie vom LSG angenommen - das Fehlen der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, sondern der Umstand, dass die Leistungspflicht der Beklagten nach Verkündung des LSG-Urteils aufgrund der Kündigung des klägerischen Mitgliedschaftsverhältnisses am 30.6.2010 erloschen ist.

10

Diese Bindung der Leistungspflicht an die Mitgliedschaft ergibt sich aus § 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft erlischt. Die Vorschrift erfasst nicht nur das Ausscheiden aus der GKV schlechthin, sondern auch die Fälle des KK-Wechsels (BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4 RdNr 12 mwN). § 19 Abs 1 SGB V gilt auch für einmalige Leistungen(BSGE 90, 220, 229 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 11 mwN). Maßgebend für die Leistungspflicht ist in diesen Fällen die im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung, dh der Abgabe des Hilfsmittels, bestehende Mitgliedschaft (BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 11), so dass die Beklagte vorliegend ab dem 1.7.2010 nicht mehr zur Gewährung des Rollstuhl-Bikes verurteilt werden kann.

11

Für einen Leistungsanspruch nach beendeter Mitgliedschaft (sog nachgehender Leistungsanspruch) bestehen keine gesetzlichen Anknüpfungspunkte. Nachgehende Leistungsansprüche sind als Ausnahme von der das Versicherungsprinzip zum Ausdruck bringenden Regel des § 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nur zulässig, wenn sie im SGB V bestimmt sind(§ 19 Abs 1 Halbs 2 SGB V). Entsprechende Bestimmungen finden sich ua in § 19 Abs 2 und 3 SGB V, deren Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen. Darüber hinaus sind Abweichungen nur gestattet, wenn ein nachgehender Leistungsanspruch zum Schutz des Versicherten erforderlich ist. Eine solche besondere Schutzbedürftigkeit ist allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn der Versicherte sein Wahlrecht auf ein bestimmtes Hilfsmittel konkretisiert und die frühere Krankenkasse (KK) den geltend gemachten Versorgungsanspruch zu Unrecht abgelehnt hat, sich mit der Leistungserbringung also im Verzug befindet. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 23.1.2003 (B 3 KR 7/02 R - BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 10 f) in einer entsprechenden Fallkonstellation einen nachgehenden Leistungsanspruch bejaht hat, wird diese Rechtsprechung im Hinblick auf die Zweckbestimmung des § 19 SGB V nicht fortgeführt.

12

Mit der Einführung des § 19 SGB V durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) wollte der Gesetzgeber die bis zu diesem Zeitpunkt nach den Vorschriften der RVO und deren Auslegung durch die Rechtsprechung bestehende Vielzahl nachgehender Leistungsansprüche (dazu Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 19 RdNr 36 f mwN) auf ein "vertretbares Maß" zurückführen (BT-Drucks 11/2237 S 166). Zu diesem Zweck hat er das bis zum 31.12.1988 zugunsten nachgehender Leistungsansprüche bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt, so dass nunmehr das Versicherungsprinzip gilt (§ 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V), von dem nur in eng begrenzten und gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (§ 19 Abs 1 Halbs 2 iVm Abs 2 und 3 SGB V) abgewichen werden darf. Von dieser Zielsetzung ausgehend können zusätzlich zu den gesetzlich geregelten, aber vorliegend nicht einschlägigen nachgehenden Leistungsansprüchen nur weitere Ausnahmen vom Versicherungsprinzip anerkannt werden, wenn eine den gesetzlich normierten Ausnahmetatbeständen (§ 19 Abs 2 und 3 SGB V) vergleichbare Interessenlage besteht. Diese ist durch eine Versicherungsnähe in zeitlicher Hinsicht, eine besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherten und die Beendigung der Mitgliedschaft durch plötzliche, unvorhersehbare und unvermeidbare Umstände (Noftz aaO RdNr 24 f) gekennzeichnet, wobei die für einen nachgehenden Leistungsanspruch notwendige besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherten nur vorliegt, wenn ein solcher Anspruch erforderlich ist, um Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden (BT-Drucks 11/2237 S 166). Bei einem KK-Wechsel besteht - zumindest in den ersten Monaten nach dem Ende der Mitgliedschaft bei der alten KK - noch eine gewisse Nähe zu dem alten Versicherungsverhältnis. Allerdings bedarf der Versicherte in diesen Fällen - anders als in den Fällen der beendeten Mitgliedschaft - nicht des Schutzes durch einen nachgehenden Leistungsanspruch, soweit er die Möglichkeit hat, den primären Anspruch gegenüber der neuen KK geltend zu machen; die Gefahr einer Versicherungslücke besteht dann nicht. Dies gilt auch, wenn das gegen die alte KK gerichtete Leistungsbegehren bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist, weil die vom Versicherten erworbenen "Prozessfrüchte" mit einer gegen die alte KK gerichteten Fortsetzungsfeststellungsklage gesichert werden können. Zudem wird die Mitgliedschaft bei einem KK-Wechsel nicht - wie in den Fallkonstellationen des § 19 Abs 2 und 3 SGB V - durch ein unvorhersehbares und unvermeidbares Ereignis beendet, sondern ist in der Regel auf eine bewusste und geplante Entscheidung des Versicherten zurückzuführen.

13

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die der Entscheidung des 3. Senats vom 23.1.2003 (BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 10 f) zugrunde liegende Fallkonstellation vom Gesetzgeber übersehen wurde und somit eine planwidrige Regelungslücke besteht, die im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte. Die in § 19 Abs 2 und 3 SGB V geregelten Ausnahmetatbestände lassen vielmehr erkennen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer fortwirkenden Leistungspflicht in Erwägung gezogen, sie aber nur in sachlich und zeitlich eng begrenzten Fällen für zulässig erachtet hat.

14

B. Die Klägerin kann im vorliegenden Verfahren auch keinen Anspruch auf die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes durch die ab dem 1.7.2010 zuständige TKK geltend machen, weil diese weder am Rechtsstreit beteiligt ist noch - im Wege der notwendigen Beiladung - hätte beteiligt werden müssen.

15

1. Die ab dem 1.7.2010 für die Klägerin zuständige TKK ist nicht im Wege eines gesetzlichen Beteiligtenwechsels an die Stelle der bis zum 30.6.2010 für den klägerischen Anspruch zuständigen Beklagten getreten. Ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel auf Seiten einer juristischen Person oder Behörde (sog Funktionsnachfolge) liegt nur vor, wenn aufgrund eines nach Klageerhebung erfolgten gesetzlichen oder behördlichen Organisationsaktes eine andere als die zunächst beklagte juristische Person bzw Behörde zuständig wird (vgl zur Funktionsnachfolge: BSGE 99, 15 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1 RdNr 12; BSGE 62, 269, 270 ff = SozR 1200 § 48 Nr 14 S 71 ff; BVerwGE 44, 148, 150 f; BFHE 200, 521, 523 f). Ein der Funktionsnachfolge vergleichbarer Übergang von Verwaltungsaufgaben liegt dagegen nicht vor, wenn lediglich die Zuständigkeit aufgrund der Ausübung eines dem Versicherten gesetzlich zustehenden Wahlrechts im Einzelfall wechselt.

16

2. Die TKK war auch nicht zum vorliegenden Rechtsstreit notwendig beizuladen. Zwar kommt deren Leistungspflicht für das bei der Beklagten beantragte, aber von dieser tatsächlich nicht gewährte und nach § 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V rechtlich auch nicht mehr zu gewährende Rollstuhl-Bike aufgrund des zum 1.7.2010 vorgenommenen KK-Wechsels ernsthaft in Betracht, so dass die Voraussetzungen für eine notwendige unechte Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG grundsätzlich erfüllt sind. Gleichwohl bestand für den Senat keine Veranlassung, die ab dem 1.7.2010 zuständige TKK - mit deren Zustimmung (§ 168 Satz 2 Alt 2 SGG) - im Revisionsverfahren beizuladen. § 168 Abs 2 Alt 2 SGG berechtigt unter Berücksichtigung des Normzwecks nur zur Nachholung einer in der Vorinstanz versäumten notwendigen Beiladung (sog vergessene Beiladung), wohingegen es dem Revisionsgericht verwehrt ist, insoweit Tatsachen zu berücksichtigen, die erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz entstanden sind und bei fortgesetztem Berufungsverfahren eine notwendige Beiladung bedingt hätten. Denn durch die mit dem Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl I 50) eingefügte Möglichkeit einer revisionsgerichtlichen Beiladung soll im Interesse der Verfahrenskonzentration die Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz allein wegen einer unterbliebenen Beiladung vermieden werden (BT-Drucks 12/1217 S 54).

17

Vor diesem Hintergrund darf das Revisionsgericht eine Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG mit Zustimmung des Beizuladenden nur vornehmen, wenn die Beiladung in der Vorinstanz verfahrensfehlerhaft unterblieben ist, denn nur dann wäre eine mögliche Zurückverweisung gerechtfertigt. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Aufgrund des erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG erfolgten KK-Wechsels konnte das LSG die Beiladung weder während des Berufungsverfahrens vornehmen noch durfte es diese nach dem Erlass seines Urteils nachholen. Zwar ist eine Beiladung grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens und somit auch in der Zeit nach der Verkündung des Urteils bis zu seiner Zustellung (BSG SozR 3-5420 § 3 Nr 2 S 7; BSG SozR 1500 § 62 Nr 6 S 5) oder dem Eintritt der Rechtskraft bzw der Einlegung eines Rechtsmittels möglich (BFH Urteil vom 9.7.1992 - IV R 55/90 - BFH/NV 1993, 81 mwN; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 75 RdNr 5b). Ob diese Rechtsauffassung wegen der erforderlichen Gewährung rechtlichen Gehörs in der Tat zutreffend ist, mag bezweifelt werden können; dies braucht aber vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn eine Beiladung nach Erlass des Urteils ist bislang höchstrichterlich nur für zulässig erachtet worden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegen hatten, die rechtzeitige Beiladung mithin pflichtwidrig unterlassen und somit nachgeholt wurde (vgl BSG aaO und BFH aaO). Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.

18

Eine Beiladung im hiesigen Verfahren würde zudem gegen § 163 SGG verstoßen und somit in einem nicht zulässigen Wertungswiderspruch zu den Grundsätzen des Revisionsverfahrens stehen(vgl dazu BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 11). Die Notwendigkeit der Beiladung ergibt sich vorliegend erst aus dem zum 1.7.2010 vorgenommenen KK-Wechsel und somit aus einer Tatsache, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz eingetreten und daher vom Revisionsgericht nicht zu berücksichtigen ist. Soweit das LSG den KK-Wechsel in seinem Urteil als Tatsache genannt hat, handelt es sich um eine Feststellung, die es außerhalb des ihm zustehenden Bewertungsrahmens getroffen hat und die das Revisionsgericht nicht bindet, denn das LSG darf bei einer aufgrund mündlicher Verhandlung unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter getroffenen Entscheidung nur den Tatsachenstoff berücksichtigen, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist (Grundsatz der Unmittelbarkeit, vgl §§ 124 Abs 1 und 129 SGG).

19

Der KK-Wechsel ist letztlich auch keine Tatsache, die der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Von Amts wegen und somit ohne Verstoß gegen § 163 SGG zu berücksichtigen sind generelle und solche Tatsachen, die für die Zulässigkeit der Revision von Bedeutung sind, sowie solche, deren Nichtbeachtung zu einem fortwirkenden Verstoß gegen einen im öffentlichen Interesse liegenden verfahrensrechtlichen Grundsatz führt(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 163 RdNr 5b und 7 mwN). Zu letzteren zählen ua die Prozessvoraussetzungen betreffende Tatsachen. Daher hat der Senat den KK-Wechsel insoweit zu berücksichtigen, als dieser für die Zulässigkeit der gegen die Beklagte gerichteten Klage (dazu unter C.) und somit für das streitgegenständliche Rechtsverhältnis von Bedeutung ist, nicht hingegen in Bezug auf ein neues und bisher nicht streitgegenständliches Rechtsverhältnis.

20

C. Das mit dem zweiten Hilfsantrag verfolgte Klagebegehren ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (dazu unter 1. und 2.) und begründet (dazu unter 3.).

21

1. Mit dem KK-Wechsel haben sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten auf andere Weise erledigt (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG iVm § 39 Abs 2 SGB X), weil die Beklagte aufgrund der Regelung des § 19 Abs 1 SGB V ab dem 1.7.2010 rechtlich nicht mehr zur Erbringung der von der Klägerin begehrten Leistung verpflichtet ist (vgl unter A.). Daher ist mit dem KK-Wechsel das für die Fortführung der ursprünglich zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Dem hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch eine Umstellung der Klageanträge Rechnung getragen. Die Umstellung einer Anfechtungs- und Leistungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist keine Klageänderung und daher auch im Revisionsverfahren statthaft - § 99 Abs 3 Nr 3 iVm § 168 Satz 1 Alt 1 SGG (vgl dazu BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 14 mwN). § 131 Abs 1 Satz 3 SGG gilt entsprechend für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (BSGE 78, 243, 249 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2 S 18).

22

2. Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 1.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2006 besteht unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität und der Wiederholungsgefahr. Auf diese Aspekte kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse gestützt werden, wenn die begehrte Feststellung unmittelbar bindend für ein anderes gerichtliches oder behördliches Verfahren ist (rechtliche Präjudizialität - vgl dazu Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009 § 113 RdNr 140) bzw ihr eine natürliche Autorität für ein anderes Rechtsverhältnis zukommt (tatsächliche Präjudizialität - Kopp/Schenke aaO; vgl auch BFHE 108, 92, 95) oder wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 7 mwN). Auf diese Weise sollen erreichte Verfahrenergebnisse gesichert und Folgeprozesse vermieden werden (Kopp/Schenke aaO RdNr 96). Vorliegend kann durch die begehrte Feststellung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Folgeprozess über den Versorgungsanspruch vermieden werden, denn die im hiesigen Verfahren streitige materiell-rechtliche Frage ist auch für das gegenüber der neuen KK bestehende Mitgliedschaftsverhältnis von Bedeutung. Unerheblich ist dabei, dass infolge des erledigenden Ereignisses nunmehr eine andere Behörde für die Entscheidung über einen künftigen Antrag zuständig ist (so auch BVerwG Urteil vom 27.9.1993 - 1 B 73/93 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr 261; BVerwG Urteil vom 31.3.1987 - 1 C 32/84 - NJW 1987, 2179). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung höchstrichterlicher Entscheidungen für die Rechtsfortbildung davon auszugehen, dass sich die neue KK als an Recht und Gesetz gebundene Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs 1 SGB V iVm Art 20 Abs 3 GG) den Gründen eines obsiegenden Feststellungsurteils nicht verschließen wird. Darüber hinaus haben die Vorinstanzen in Bezug auf den klägerischen Anspruch Tatsachen ermittelt, die als "erworbene Prozessfrüchte" nicht verloren gehen, sondern die Grundlage für eine mit entsprechender "natürlicher Autorität" ausgestatteten Entscheidung bilden sollen.

23

3. Das zulässige Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist auch begründet. Die Klägerin hatte unter Zugrundelegung der vom LSG festgestellten Tatsachen bis zum 30.6.2010 einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel der GKV. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 1.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2006 war daher rechtswidrig.

24

a) Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 33 Abs 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Erledigung(zur maßgebenden Sach- und Rechtslage bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 131 RdNr 10i; Kopp/Schenke aaO § 113 RdNr 124, 147) geltenden Fassung des Art 1 Nr 17a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die KK gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen.

25

Ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel der GKV (dazu unter b) bestand bis zum 30.6.2010 unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (dazu unter d), so dass über die Frage der Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung nicht abschließend entschieden werden muss (dazu unter c).

26

b) Dem Rollstuhl-Bike kann in Bezug auf erwachsene Versicherte nicht bereits - wie vom LSG angedeutet, aber mangels Entscheidungsrelevanz offen gelassen - die Eigenschaft als Hilfsmittel abgesprochen werden. Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sind alle sächlichen Mittel, die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine bestehende Behinderung ausgleichen, selbst dann, wenn ihre Anwendung durch den Versicherten selbst sicherzustellen ist(BSGE 88, 204 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41; BSGE 87, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220). Diese Voraussetzungen erfüllt das Rollstuhl-Bike, denn die Hilfsmitteleigenschaft wird allein nach objektiven Kriterien bestimmt. Personenbezogene Merkmale - wie zB das Alter des Versicherten - sind hierfür nicht maßgeblich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung vom 16.9.1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31), wonach "ein Rollstuhl-Bike für Personen im Erwachsenenalter kein Hilfsmittel der gesetzlichen KV" ist. Mit dieser Aussage wollte der Senat nicht die Hilfsmitteleigenschaft des Rollstuhl-Bikes für erwachsene Versicherte in Frage stellen, sondern dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der Versorgungsziele des § 33 SGB V im Einzelfall beurteilen.

27

c) Ob das Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 1 SGB V) erforderlich war, kann anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

28

Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung iS von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung iS der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen sind(BSG vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 21). Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (BSG aaO). Bei der Klägerin bestehen neben der Gehbehinderung degenerativ bedingte Beschwerden und Funktionsstörungen im Bereich der oberen Extremitäten, die krankengymnastisch behandelt werden. Die Frage, ob diese Krankengymnastik durch die Verwendung eines Rollstuhl-Bikes wesentlich gefördert oder die Behandlungsfrequenz reduzieren wird, kann anhand der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantwortet werden. Zwar hat das LSG festgestellt, dass die verordnete Krankengymnastik im Vergleich zu den mit der Nutzung des Rollstuhl-Bikes verbundenen gesundheitlichen Vorteilen ausreichend und sogar besser geeignet ist, um Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines behinderten Menschen zu erreichen. Allerdings bleibt offen, auf welche medizinische Tatsachen das LSG diese Feststellung stützt, zumal sie im Widerspruch zu den gutachterlichen Feststellungen steht. Nach Auffassung des Sachverständigen ersetzt ein Rollstuhl-Bike zwar nicht die aufgrund der degenerativen Erkrankung der oberen Extremitäten erforderliche Krankengymnastik, ermöglicht aber wegen der Verringerung der Schmerzsituation im Bereich des Schultergürtels dessen intensivere krankengymnastische Beübung und kann ein Fortschreiten der Veränderungen erheblich verringern. Soweit das LSG diesen medizinischen Tatsachen offensichtlich nicht folgt, wären weitere Ermittlungen erforderlich gewesen.

29

d) Diese unzureichenden Ermittlungen führen gleichwohl nicht zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, weil der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V) begründet ist. Zwar ist ein Rollstuhl-Bike grundsätzlich nicht zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich, weil es dem Versicherten eine Mobilität ermöglicht, die über den durch Leistungen der GKV zu gewährleistenden Bereich der medizinischen Rehabilitation hinausgeht. Allerdings bestand gleichwohl ein entsprechender Versorgungsanspruch, weil die Behinderung im vorliegenden Einzelfall nicht auf andere Weise zumutbar ausgeglichen werden kann.

30

aa) Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V umfasst zwei Zielrichtungen:

31

Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (stRspr, BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 mwN - Badeprothese). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSG aaO; vgl auch BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 mwN - C-leg-Prothese). Die Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt in den Fällen der Erst- und Ersatzausstattung, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 - Badeprothese).

32

Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V, § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (zum mittelbaren Behinderungsausgleich zuletzt: BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 18 mwN). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 13 ff mwN). Nach stRspr gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 aaO und Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R aaO, jeweils mwN).

33

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich im vorliegenden Fall um den mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das begehrte Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird, sondern lediglich die Folgen einer Funktionsbeeinträchtigung der Beine - hier in Form des eingeschränkten Geh- und Stehvermögens - ausgeglichen werden sollen.

34

bb) Das hier betroffene Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich (BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 20 ff mwN - Scalamobil). Anknüpfungspunkt für die Reichweite des Nahbereichs ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 15 - Elektrorollstuhl). Dies entspricht dem Umkreis, der mit einem vom behinderten Menschen selbst betriebenen Aktivrollstuhl erreicht werden kann (vgl zu diesem Maßstab BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 28 S 163 - Therapie-Tandem II; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S 141 - Therapie-Tandem I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 26 - Rollstuhl-Boy). Die in früheren Entscheidungen angedeutete Möglichkeit, dass "zwischen dem durch einen Selbstfahrrollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder auch bei eingeschränktem Gesundheitszustand vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklegt, eine Lücke besteht, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen ist" (so noch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 27 - Rollstuhl-Boy), hat der Senat nicht weiter verfolgt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II).

35

cc) Für die Bestimmung des Nahbereichs gilt ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängiger Maßstab (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter Pkw). Dem steht weder entgegen, dass nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V Hilfsmittel zu gewähren sind, wenn sie "im Einzelfall erforderlich sind", noch dass nach § 33 SGB I bei der Ausgestaltung von Rechten nach dem SGB "die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten" berücksichtigt werden müssen. Die Frage, ob ein Hilfsmittel der Sicherung menschlicher Grundbedürfnisse dient, betrifft dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Versorgungsziele. Diese Eignung und Erforderlichkeit zählt ebenso wie die Hilfsmitteleigenschaft und das Nichtvorliegen der in § 33 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V formulierten Ausschlusstatbestände zu den objektiven, dh unabhängig vom konkreten Einzelfall zu beurteilenden Anspruchsvoraussetzungen. Hierfür ist allein die Zielsetzung des § 33 SGB V und somit die Abgrenzung der Leistungspflicht der GKV von der anderer Träger nach einem abstrakt-aufgabenbezogenen Maßstab ausschlaggebend. Die Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung "im Einzelfall" ist dagegen - ebenso wie deren Wirtschaftlichkeit - eine subjektbezogene Anspruchsvoraussetzung, die nach einem konkret-individuellen Maßstab beurteilt wird. Der in § 33 SGB I normierte Individualisierungsgrundsatz ist für den die Anspruchsvoraussetzungen des § 33 SGB V betreffenden Nahbereich bereits deshalb ohne Bedeutung, weil er ausschließlich für die Ausgestaltung sozialer Rechte gilt, seine Anwendung mithin auf die Rechtsfolgenseite einer im SGB geregelten Anspruchsgrundlage beschränkt ist(BSG SozR 4-7610 § 362 Nr 1 RdNr 11 f).

36

dd) Der Nahbereich wurde in der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht im Sinne einer Mindestwegstrecke bzw einer Entfernungsobergrenze festgelegt, sondern lediglich beispielhaft im Sinne der Fähigkeit konkretisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (stRspr, erstmals BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II; zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15 - Barcodelesegerät), wobei allerdings die Fähigkeit, eine Wegstrecke von 100 m (BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R, RdNr 16 - Therapie-Tandem IV) bzw 200 m (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 12 RdNr 15 f - Liegedreirad) zurückzulegen, nicht als ausreichend zur Erschließung des Nahbereichs angesehen worden ist. Dagegen umfasst der von der GKV zu gewährleistende Basisausgleich nicht die Fähigkeit, weitere Wegstrecken, vergleichbar einem Radfahrer, Jogger oder Wanderer, zu bewältigen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 186 - Rollstuhl-Bike II). An diesen Grundsätzen hält der Senat weiterhin fest. Eine weitere Konkretisierung des Nahbereichs im Sinne einer Mindestwegstrecke ist vor dem Hintergrund des sich wandelnden Mobilitätsverhaltens (vgl Kurzfassung des Ergebnisberichts "Mobilität in Deutschland 2008", abrufbar unter www.mobilitaet-in-deutschland.de - recherchiert am 16.5.2011) weder tatsächlich möglich noch zur sachgerechten Anwendung des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V notwendig.

37

ee) Für die Bestimmung des durch Hilfsmittel der GKV zu erschließenden Nahbereichs ist allein der Zweck des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V maßgebend. Dieser liegt in der Sicherstellung der in Satz 1 formulierten Versorgungsziele. Dabei soll mit dem Versorgungsziel des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V) grundsätzlich eine Gleichstellung des behinderten Menschen mit Nichtbehinderten erreicht werden, wobei allerdings im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs kein Gleichziehen mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten zu gewährleisten ist, sondern lediglich ein Aufschließen zu den Grundbedürfnissen eines nicht behinderten Menschen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike II), um die Zuständigkeit der GKV von der anderer Träger abzugrenzen. Von dieser Zielsetzung ausgehend sind dem der Zuständigkeitsabgrenzung der GKV von anderen Rehabilitationsträgern dienenden Nahbereich beim mittelbaren Behinderungsausgleich solche Wege zuzuordnen, die räumlich einen Bezug zur Wohnung und sachlich einen Bezug zu den Grundbedürfnissen der physischen und psychischen Gesundheit bzw der selbständigen Lebensführung aufweisen. In räumlicher Hinsicht ist der Nahbereich auf den unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Versicherten beschränkt (vgl zum Zusammenhang zwischen dem Grundbedürfnis auf Mobilität und dem Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens: BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15). Diese ist Ausgangs- und Endpunkt der zum Nahbereich zählenden Wege, so dass die Mobilität für den Hin- und Rückweg durch Leistungen der GKV sicherzustellen ist. Hierfür sind allerdings nicht die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen maßgebend, weil der Nahbereich ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens konkretisiert und somit die Eignung und Erforderlichkeit des Hilfsmittels als objektive Anspruchsvoraussetzung betrifft. Sachlich umfasst der Nahbereich gesundheitserhaltende Wege, Versorgungswege sowie elementare Freizeitwege. Zu den gesundheitserhaltenden Wegen zählen Entfernungen, die zur Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Existenz zurückgelegt werden (zB Besuch von Ärzten und Therapeuten, Aufsuchen der Apotheke). Der Versorgungsweg umschreibt dagegen die Fähigkeit, die Wohnung zu verlassen, um die für die Grundbedürfnisse der selbständigen Existenz und des selbständigen Wohnens notwendigen Verrichtungen und Geschäfte (Einkauf, Post, Bank) wahrnehmen zu können. Die Mobilität für Freizeitwege ist in Abgrenzung zu der durch andere Leistungsträger sicherzustellenden Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft jedoch nur durch Leistungen der GKV abzudecken, wenn (und soweit) diese Wege von besonderer Bedeutung für die physische und psychische Gesundheit sind. In diesem Sinne zählen zu den Freizeitwegen Entfernungen, die bewältigt werden, um die körperlichen Vitalfunktionen aufrechtzuerhalten (kurzer Spaziergang an der frischen Luft) und um sich einen für die seelische Gesundheit elementaren geistigen Freiraum zu erschließen (zB Gang zum Nachbarn zur Gewährleistung der Kommunikation, Gang zum Zeitungskiosk zur Wahrnehmung des Informationsbedürfnisses).

38

ff) Dagegen sind die zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit und zum Nachteilsausgleich "G" entwickelten Maßstäbe aufgrund ihrer abweichenden Zweckbestimmung nicht geeignet, den für das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums relevanten Nahbereich näher bzw in anderer Weise zu bestimmen.

39

Die Wegefähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung, dh das gesundheitliche Vermögen, viermal am Tag eine Wegstrecke von 500 m in einem Zeitraum von 20 Minuten zurückzulegen (vgl BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - RdNr 13 und 15), ist ein wesentliches Kriterium für die Erwerbsfähigkeit. Sie betrifft Voraussetzungen für die Gewährung der Versicherungsleistung Rente. Bereits aus diesem Grund ist der für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltende Maßstab nicht zur Bestimmung der Leistungspflicht im Bereich der GKV-Rehabilitationsleistungen geeignet. Soweit entsprechend dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (§ 9 Abs 1 Satz 2 SGB VI) zum Ausgleich einer eingeschränkten Wegefähigkeit Leistungen des Rentenversicherungsträgers zur (beruflichen) Rehabilitation erbracht werden, dienen diese Leistungen dem Zweck, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten bzw gesundheitlich bedingte Erwerbshindernisse zu beseitigen, und verfolgen daher einen erwerbsbezogenen Rehabilitationsansatz (§ 9 Abs 1 SGB VI; § 6 Abs 1 Nr 4 iVm § 5 Nr 1, 2 SGB IX). Dagegen liegt den von der GKV zu erbringenden Leistungen der medizinischen Rehabilitation ein gesundheitsbezogener Rehabilitationsansatz zugrunde. Mit diesen Leistungen soll eine durch Krankheit bedingte Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abgewendet, beseitigt, gemildert, ausgeglichen, ihre Verschlimmerung verhütet oder ihre Folgen gemildert werden (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB V; § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 SGB IX). In diesem Sinne erschließen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem Versicherten die Möglichkeiten - im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs allerdings nur in Bezug auf seine Grundbedürfnisse - eines nicht behinderten Menschen. Maßstab ist daher weder der erwerbsfähige noch der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ggf an der Grenze zur aufgehobenen Erwerbsfähigkeit stehende Versicherte, sondern der nichtbehinderte Mensch, so dass die Bestimmung des Nahbereichs anhand der zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit entwickelten Kriterien den Leistungsumfang des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in einer mit der Zweckrichtung der Norm nicht zu vereinbarenden Weise verkürzen würde.

40

Der für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs mit dem Merkzeichen "G" geltende (Mobilitäts-)Maßstab kann aufgrund seiner abweichenden Zweckbestimmung ebenfalls nicht zur Konkretisierung des Nahbereichs herangezogen werden. Das Merkzeichen "G" wird zuerkannt, wenn infolge einer Einschränkung des Gehvermögens Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren bewältigt werden können (§ 146 Abs 1 Satz 1 SGB IX), wobei die "Wegstrecken im Ortsverkehr" von der Rechtsprechung im Sinne einer Länge von bis zu 2 km bei einer Gehdauer von 30 Minuten konkretisiert worden sind (so schon BSGE 62, 273, 274 ff = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 3 ff). Mit dem Merkzeichen "G" sollen Mehraufwendungen ausgeglichen werden, die einem gehbehinderten Menschen dadurch entstehen, dass er öfter als ein nicht behinderter Mensch - nämlich auch für kürzere und üblicherweise zu Fuß zu bewältigende Wegstrecken - auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist (BT-Drucks 8/2453, S 11 zu § 59 SchwbG; BSGE 62, 273, 276 f = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 4; Dreher, ZfS 1986, 65, 67). Maßstab für die Gewährung des Nachteilsausgleichs ist damit zwar - ebenso wie bei den von der GKV zu erbringenden Leistungen - der nichtbehinderte Mensch. Allerdings gehen die mit der Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" verbundenen Vergünstigungen (unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr - § 145 iVm § 147 Abs 1 SGB IX) über den engeren Umkreis der Wohnung des behinderten Menschen hinaus, weil zum einen die den Ausgleich begründenden Wegstrecken nicht zwingend von der eigenen Wohnung ausgehen bzw zu ihr hinführen (Dreher, ZfS 1986, 65, 67) und zum anderen mit dem Merkzeichen "G" nicht nur Mobilitätsdefizite im Nahbereich der Wohnung, sondern darüber hinaus auch solche in Bezug auf Arbeitswege und Freizeitwege jeglicher Art ausgeglichen werden. Mit dem Merkzeichen "G" werden Nachteile des behinderten Menschen im Hinblick auf die "nahezu unbegrenzten Möglichkeiten" und nicht nur die Grundbedürfnisse eines nicht behinderten Menschen ausgeglichen. Für die Zuerkennung dieses Merkzeichens ist ein über den gesundheitsbezogenen Ansatz des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V hinausgehender teilhabebezogener Rehabilitationsansatz maßgebend. Infolge dessen ist im Rahmen des Nachteilsausgleichs "G" die Wegstrecke und somit die Entfernung im Sinne einer Mindestwegstrecke für die Leistungspflicht ausschlaggebend (Dreher, ZfS 1986, 65, 68 f), während im Anwendungsbereich des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V die Wegeart, dh der mit der Zurücklegung des Weges verbundene Zweck im Sinne des Mobilitätsziels, leistungsrechtlich von Bedeutung ist.

41

gg) Hiervon ausgehend eröffnet das Rollstuhl-Bike dem behinderten Menschen grundsätzlich eine dem Radfahren vergleichbare und somit über den nach den dargelegten Grundsätzen (vgl unter ee) bestimmten Nahbereich hinausgehende Mobilität. Denn mit dem Rollstuhl-Bike können nicht nur die im Nahbereich der Wohnung liegenden Ziele erreicht, sondern darüber hinaus auch Arbeits- und Freizeitwege jeglicher Art bewältigt werden. Allerdings sind Hilfsmittel, die dem Versicherten eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität ermöglichen, im Einzelfall gleichwohl von der KK zu gewähren, wenn besondere qualitative Momente dieses "Mehr" an Mobilität erfordern. Solche besonderen qualitativen Momente liegen zB vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. So ist etwa die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar, wenn Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 24 - Elektrorollstuhl)oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. Andere Grundbedürfnisse, die eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität erfordern, sind vom Senat in der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 10 RdNr 16 - Reha-Kinderwagen; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S 258 f - Therapiedreirad; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158 f - Rollstuhl-Bike I) sowie in der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten bei Bestehen einer besonderen gesundheitlichen Situation (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13 ff - schwenkbarer Autositz II)gesehen worden. Zur Beantwortung der Frage, ob besondere qualitative Umstände ausnahmsweise die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes erfordern, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgebend.

42

hh) Im vorliegenden Fall kann offen gelassen werden, ob das vom LSG festgestellte gesundheitliche Vermögen der Klägerin, sich mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl etwa zehn Minuten in langsamen Fußgängertempo fortzubewegen und diese Fortbewegung nach einer zwei- bis dreiminütigen Pause in entsprechender Weise fortzuführen, ausreicht, um den Nahbereich der Wohnung zu erschließen, weil jedenfalls die Bedingungen, unter denen dies möglich ist, nicht zumutbar sind und somit besondere qualitative Momente bestehen, die das mit der Gewährung eines Rollstuhl-Bikes verbundene "Mehr an Mobilität" in den Hintergrund treten lassen.

43

Ausgehend von den Feststellungen des LSG haben sich bei der Klägerin die degenerativen Veränderungen und die hierdurch bedingten Funktionsstörungen und Beschwerden im Bereich der oberen Extremitäten in der Zeit zwischen der erst- und zweitinstanzlichen Begutachtung verschlechtert. Nunmehr treten bereits nach einer zehnminütigen Fortbewegung mit dem Aktivrollstuhl Schmerzen auf, die zur Einlegung einer Pause zwingen. Diese degenerativen Veränderungen werden nach den gutachterlichen Feststellungen bei der weiteren Verwendung des Aktivrollstuhls fortschreiten und die dadurch bedingten Beschwerden zunehmen, wohingegen die Progredienz der degenerativen Veränderungen durch die Verwendung des Rollstuhl-Bikes erheblich vermindert werden kann. Die Wahrnehmung eines Grundbedürfnisses unter Inkaufnahme gesundheitlicher Einschränkungen und verbunden mit der Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht zumutbar. Aus diesem Grund erfordert die besondere gesundheitliche Situation der Klägerin die Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike.

44

ii) Das Rollstuhl-Bike ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (§ 33 Abs 1 Satz 1, letzter Halbs SGB V) von der Sachleistungspflicht der GKV ausgenommen. Es handelt sich um eine speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen entwickelte Zusatzausrüstung für einen Aktivrollstuhl, die von gesunden Menschen nicht genutzt werden kann.

45

jj) Gegen die Versorgung der Klägerin mit einem Rollstuhl-Bike sprechen auch keine Kostengesichtspunkte. Es handelt sich um eine wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung (§ 12 Abs 1 SGB V). Insbesondere kann die Klägerin nicht alternativ auf einen restkraftunterstützenden Greifreifenantrieb verwiesen werden. Zwar bietet dieser möglicherweise dem Rollstuhl-Bike vergleichbare Erleichterungen, weil der behinderte Mensch in die Lage versetzt wird, beim Auftreten von Schmerz- oder Erschöpfungszuständen individuell über eine Fernbedienung den zusätzlichen Antrieb zuzuschalten. Aufgrund der bei voller Aufladung des Antriebs ermöglichten Reichweite von 25 km ist die Erschließung des Nahbereichs in jedem Fall sichergestellt. Allerdings belaufen sich die Kosten für den Zusatzantrieb auf 3500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer - bezogen auf einen Gewährleistungszeitraum von 60 Monaten - und liegen damit über den für ein Rollstuhl-Bike aufzuwendenden Kosten. Zudem würde die Vergütungspauschale nach dem Ablauf des Gewährleistungszeitraums erneut anfallen.

46

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1)1Wegen der Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf können Menschen mit Behinderungen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag nach Absatz 3 geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag).2Das Wahlrecht kann für die genannten Aufwendungen im jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich ausgeübt werden.

(2) Einen Pauschbetrag erhalten Menschen, deren Grad der Behinderung auf mindestens 20 festgestellt ist, sowie Menschen, die hilflos im Sinne des Absatzes 3 Satz 4 sind.

(3)1Die Höhe des Pauschbetrags nach Satz 2 richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung.2Als Pauschbetrag werden gewährt bei einem Grad der Behinderung von mindestens:

20384 Euro,
30620 Euro,
40860 Euro,
501 140 Euro,
601 440 Euro,
701 780 Euro,
802 120 Euro,
902 460 Euro,
1002 840 Euro.


3Menschen, die hilflos im Sinne des Satzes 4 sind, Blinde und Taubblinde erhalten einen Pauschbetrag von 7 400 Euro; in diesem Fall kann der Pauschbetrag nach Satz 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.4Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.5Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 4 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.

(4)1Personen, denen laufende Hinterbliebenenbezüge bewilligt worden sind, erhalten auf Antrag einen Pauschbetrag von 370 Euro (Hinterbliebenen-Pauschbetrag), wenn die Hinterbliebenenbezüge geleistet werden

1.
nach dem Bundesversorgungsgesetz oder einem anderen Gesetz, das die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes über Hinterbliebenenbezüge für entsprechend anwendbar erklärt, oder
2.
nach den Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung oder
3.
nach den beamtenrechtlichen Vorschriften an Hinterbliebene eines an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Beamten oder
4.
nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes über die Entschädigung für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit.
2Der Pauschbetrag wird auch dann gewährt, wenn das Recht auf die Bezüge ruht oder der Anspruch auf die Bezüge durch Zahlung eines Kapitals abgefunden worden ist.

(5)1Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.2Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen.3Auf gemeinsamen Antrag der Eltern ist eine andere Aufteilung möglich.4In diesen Fällen besteht für Aufwendungen, für die der Behinderten-Pauschbetrag gilt, kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 33.5Voraussetzung für die Übertragung nach Satz 1 ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) des Kindes in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.

(6)1Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag geltend machen (Pflege-Pauschbetrag), wenn er dafür keine Einnahmen im Kalenderjahr erhält und der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist.2Zu den Einnahmen nach Satz 1 zählt unabhängig von der Verwendung nicht das von den Eltern eines Kindes mit Behinderungen für dieses Kind empfangene Pflegegeld.3Als Pflege-Pauschbetrag wird gewährt:

1.
bei Pflegegrad 2600 Euro,
2.
bei Pflegegrad 31 100 Euro,
3.
bei Pflegegrad 4 oder 51 800 Euro.
4Ein Pflege-Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 3 wird auch gewährt, wenn die gepflegte Person hilflos im Sinne des § 33b Absatz 3 Satz 4 ist.5Bei erstmaliger Feststellung, Änderung oder Wegfall des Pflegegrads im Laufe des Kalenderjahres ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten Grad zu gewähren, der im Kalenderjahr festgestellt war.6Gleiches gilt, wenn die Person die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt.7Sind die Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllt, kann der Pauschbetrag nach Satz 3 Nummer 1 und 2 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.8Voraussetzung für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der gepflegten Person in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen.9Wird ein Pflegebedürftiger von mehreren Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum gepflegt, wird der Pflege-Pauschbetrag nach der Zahl der Pflegepersonen, bei denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen, geteilt.

(7) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge vorliegen.

(8) Die Vorschrift des § 33b Absatz 6 ist ab Ende des Kalenderjahres 2026 zu evaluieren.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Beschädigte erhalten als Hilfen in besonderen Lebenslagen nach § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes auch

1.
Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfen eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist,
2.
Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind.

(2) Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 2 gelten bei Beschädigten als erfüllt, die zum Personenkreis des § 23 Abs. 1 der Orthopädieverordnung in der jeweils geltenden Fassung gehören. Im Übrigen sind sie durch ärztliches Zeugnis nachzuweisen.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des Landgerichts (LG) Hannover vom 9.1.2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 (BGBl I 2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SGB XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) gelten.

4

Nachdem ihm Besuchsausgang bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollzG nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SGB XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SGB XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im Anschluss an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

14

1. Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

15

2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2495, betrifft Abs 2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

16

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollzG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

17

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

18

b) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

19

c) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

20

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

21

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

22

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen kann der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

23

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

24

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

25

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

26

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

27

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

28

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

29

cc) Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

30

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II, SGB VIII und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

31

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

32

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

33

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

34

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

35

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

36

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

37

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

38

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

39

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

40

d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollzG nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem SGB XII im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom Senat vertretenen Verständnis des Befreiungstatbestands auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

41

aa) § 11 Nds MVollzG stellt irrevisibeles Landesrecht iS des § 162 SGG dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat(vgl BSG etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 RK 1/89 - juris RdNr 12 f; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 - SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, S 322 RdNr 59). Insoweit hat das LSG ausgeführt, dass in Niedersachsen im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 Abs 2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollzG einen Rechtsgrundverweis auf § 35 Abs 2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des SGB XII gewährt werde.

42

Bei dem Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollzG ordnet aber - auch nach der vom LSG vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 Abs 2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten.

43

bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat(zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerfG Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 12 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, RdNr 100 ff ; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des Maßregelvollzugs nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSHG bereits BVerwG Urteil vom 13.1.1971 - V C 70.70 - BVerwGE 37, 87; zum SGB XII jüngst BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris RdNr 25 ff mwN; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 2 RdNr 56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den Vollzugseinrichtungen gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 98 RdNr 91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

44

e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf den Fall des Klägers lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur Freifahrt Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den Vollzugsgesetzen erhalten - abschließend(so allg schon BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der sozialen Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des Befreiungstatbestands seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

45

3. Dass der Kläger nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

46

Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 Abs 1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1). Danach ist Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

47

Soweit das LSG in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 Abs 2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LSG bei § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der Befreiungstatbestände nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem SGB IX oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 Abs 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris RdNr 33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 105 f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des Landgerichts (LG) Hannover vom 9.1.2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 (BGBl I 2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SGB XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) gelten.

4

Nachdem ihm Besuchsausgang bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollzG nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SGB XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SGB XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im Anschluss an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

14

1. Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

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2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2495, betrifft Abs 2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

16

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollzG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

17

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

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b) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

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c) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

20

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

21

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

22

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen kann der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

23

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

24

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

25

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

26

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

27

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

28

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

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cc) Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

30

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II, SGB VIII und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

31

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

32

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

33

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

34

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

35

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

36

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

37

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

38

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

39

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

40

d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollzG nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem SGB XII im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom Senat vertretenen Verständnis des Befreiungstatbestands auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

41

aa) § 11 Nds MVollzG stellt irrevisibeles Landesrecht iS des § 162 SGG dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat(vgl BSG etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 RK 1/89 - juris RdNr 12 f; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 - SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, S 322 RdNr 59). Insoweit hat das LSG ausgeführt, dass in Niedersachsen im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 Abs 2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollzG einen Rechtsgrundverweis auf § 35 Abs 2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des SGB XII gewährt werde.

42

Bei dem Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollzG ordnet aber - auch nach der vom LSG vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 Abs 2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten.

43

bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat(zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerfG Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 12 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, RdNr 100 ff ; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des Maßregelvollzugs nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSHG bereits BVerwG Urteil vom 13.1.1971 - V C 70.70 - BVerwGE 37, 87; zum SGB XII jüngst BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris RdNr 25 ff mwN; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 2 RdNr 56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den Vollzugseinrichtungen gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 98 RdNr 91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

44

e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf den Fall des Klägers lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur Freifahrt Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den Vollzugsgesetzen erhalten - abschließend(so allg schon BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der sozialen Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des Befreiungstatbestands seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

45

3. Dass der Kläger nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

46

Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 Abs 1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1). Danach ist Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

47

Soweit das LSG in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 Abs 2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LSG bei § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der Befreiungstatbestände nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem SGB IX oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 Abs 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris RdNr 33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 105 f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des Landgerichts (LG) Hannover vom 9.1.2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 (BGBl I 2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SGB XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) gelten.

4

Nachdem ihm Besuchsausgang bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollzG nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SGB XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SGB XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im Anschluss an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

14

1. Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

15

2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2495, betrifft Abs 2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

16

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollzG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

17

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

18

b) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

19

c) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

20

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

21

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

22

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen kann der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

23

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

24

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

25

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

26

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

27

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

28

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

29

cc) Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

30

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II, SGB VIII und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

31

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

32

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

33

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

34

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

35

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

36

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

37

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

38

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

39

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

40

d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollzG nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem SGB XII im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom Senat vertretenen Verständnis des Befreiungstatbestands auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

41

aa) § 11 Nds MVollzG stellt irrevisibeles Landesrecht iS des § 162 SGG dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat(vgl BSG etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 RK 1/89 - juris RdNr 12 f; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 - SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, S 322 RdNr 59). Insoweit hat das LSG ausgeführt, dass in Niedersachsen im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 Abs 2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollzG einen Rechtsgrundverweis auf § 35 Abs 2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des SGB XII gewährt werde.

42

Bei dem Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollzG ordnet aber - auch nach der vom LSG vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 Abs 2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten.

43

bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat(zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerfG Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 12 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, RdNr 100 ff ; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des Maßregelvollzugs nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSHG bereits BVerwG Urteil vom 13.1.1971 - V C 70.70 - BVerwGE 37, 87; zum SGB XII jüngst BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris RdNr 25 ff mwN; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 2 RdNr 56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den Vollzugseinrichtungen gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 98 RdNr 91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

44

e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf den Fall des Klägers lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur Freifahrt Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den Vollzugsgesetzen erhalten - abschließend(so allg schon BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der sozialen Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des Befreiungstatbestands seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

45

3. Dass der Kläger nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

46

Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 Abs 1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1). Danach ist Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

47

Soweit das LSG in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 Abs 2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LSG bei § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der Befreiungstatbestände nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem SGB IX oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 Abs 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris RdNr 33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 105 f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.

(2) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Sie soll erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist als durchgängiges Prinzip zu verfolgen. Die Leistungen der Grundsicherung sind insbesondere darauf auszurichten, dass

1.
durch eine Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit vermieden oder beseitigt, die Dauer der Hilfebedürftigkeit verkürzt oder der Umfang der Hilfebedürftigkeit verringert wird,
2.
die Erwerbsfähigkeit einer leistungsberechtigten Person erhalten, verbessert oder wieder hergestellt wird,
3.
Nachteile, die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aus einem der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Gründe entstehen können, überwunden werden,
4.
die familienspezifischen Lebensverhältnisse von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Kinder erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, berücksichtigt werden,
5.
Anreize zur Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit geschaffen und aufrechterhalten werden.

(3) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst Leistungen zur

1.
Beratung,
2.
Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit und
3.
Sicherung des Lebensunterhalts.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Wird Hilfe nach den §§ 32 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 bis 4 gewährt, so ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.

(2) Der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf soll durch laufende Leistungen gedeckt werden. Sie umfassen außer im Fall des § 32 und des § 35a Absatz 2 Nummer 2 auch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen. Die Höhe des Betrages wird in den Fällen der §§ 34, 35, 35a Absatz 2 Nummer 4 von der nach Landesrecht zuständigen Behörde festgesetzt; die Beträge sollen nach Altersgruppen gestaffelt sein. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Absatz 2 Nummer 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.

(3) Einmalige Beihilfen oder Zuschüsse können insbesondere zur Erstausstattung einer Pflegestelle, bei wichtigen persönlichen Anlässen sowie für Urlaubs- und Ferienreisen des Kindes oder des Jugendlichen gewährt werden.

(4) Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten.

(5) Die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt sollen von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen. Das Nähere regelt Landesrecht.

(6) Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 des Einkommensteuergesetzes für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist.

(7) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so ist auch der notwendige Unterhalt dieses Kindes sicherzustellen.

Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Leistung soll sie so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; darauf haben auch die Leistungsberechtigten nach ihren Kräften hinzuarbeiten. Zur Erreichung dieser Ziele haben die Leistungsberechtigten und die Träger der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Rechte und Pflichten zusammenzuwirken.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.

(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.

(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.

(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.

Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

(1) Die Aufbringung der Mittel kann, auch soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt, verlangt werden,

1.
soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck erbracht werden, für den sonst Sozialhilfe zu leisten wäre,
2.
wenn zur Deckung des Bedarfs nur geringfügige Mittel erforderlich sind.
Darüber hinaus soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel verlangt werden, wenn eine Person für voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf.

(2) Bei einer stationären Leistung in einer stationären Einrichtung wird von dem Einkommen, das der Leistungsberechtigte aus einer entgeltlichen Beschäftigung erzielt, die Aufbringung der Mittel in Höhe von einem Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 50 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus der Beschäftigung nicht verlangt. § 82 Absatz 3 und 6 ist nicht anzuwenden.

(1) Erhält eine Person, die nicht in einer Wohnung nach § 42a Absatz 2 Satz 2 lebt, Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Fünften, Siebten, Achten oder Neunten Kapitel oder Leistungen für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, so kann die Aufbringung der Mittel für die Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel von ihr und den übrigen in § 19 Absatz 3 genannten Personen verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Für Leistungsberechtigte nach § 27c Absatz 1 und die übrigen in § 19 Absatz 3 genannten Personen sind Leistungen nach § 27c ohne die Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen; Absatz 2 findet keine Anwendung. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn Personen, bei denen nach § 138 Absatz 1 Nummer 3 und 6 des Neunten Buches ein Beitrag zu Leistungen der Eingliederungshilfe nicht verlangt wird, einer selbständigen und nicht selbständigen Tätigkeit nachgehen und das Einkommen aus dieser Tätigkeit einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt; Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Darüber hinaus soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel aus dem gemeinsamen Einkommen der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners verlangt werden, wenn die leistungsberechtigte Person auf voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf. Bei der Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, ist auch der bisherigen Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen, nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen unverheirateten Kinder Rechnung zu tragen.

(3) Hat ein anderer als ein nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtiger nach sonstigen Vorschriften Leistungen für denselben Zweck zu erbringen, wird seine Verpflichtung durch Absatz 2 nicht berührt. Soweit er solche Leistungen erbringt, kann abweichend von Absatz 2 von den in § 19 Absatz 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel verlangt werden.

(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.

(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.

(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.

(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.

Für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in einer vollstationären Einrichtung im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 1, in der die Teilhabe am Arbeitsleben, an Bildung oder die soziale Teilhabe, die schulische Ausbildung oder die Erziehung von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen, übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Absatz 2 genannten Aufwendungen 15 Prozent der nach Teil 2 Kapitel 8 des Neunten Buches vereinbarten Vergütung. Die Aufwendungen der Pflegekasse dürfen im Einzelfall je Kalendermonat 266 Euro nicht überschreiten. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in Räumlichkeiten im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 3, die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Teil 2 des Neunten Buches erhalten. Wird für die Tage, an denen die Pflegebedürftigen im Sinne der Sätze 1 und 3 zu Hause gepflegt und betreut werden, anteiliges Pflegegeld beansprucht, gelten die Tage der An- und Abreise als volle Tage der häuslichen Pflege.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Leistungsberechtigte, bei denen die ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage fehlt oder gefährdet ist, können Leistungen nach § 27d Abs. 1 Nr. 1 des Bundesversorgungsgesetzes zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage durch eigene Tätigkeit erhalten.

(2) Die Leistungen sollen in der Regel nur erbracht werden, wenn die Leistungsberechtigten sonst ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten müssten.

(3) Die Voraussetzungen nach § 11 gelten entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des Landgerichts (LG) Hannover vom 9.1.2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 (BGBl I 2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SGB XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) gelten.

4

Nachdem ihm Besuchsausgang bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollzG nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SGB XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SGB XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im Anschluss an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

14

1. Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

15

2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2495, betrifft Abs 2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

16

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollzG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

17

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

18

b) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

19

c) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

20

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

21

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

22

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen kann der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

23

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

24

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

25

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

26

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

27

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

28

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

29

cc) Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

30

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II, SGB VIII und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

31

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

32

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

33

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

34

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

35

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

36

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

37

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

38

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

39

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

40

d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollzG nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem SGB XII im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom Senat vertretenen Verständnis des Befreiungstatbestands auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

41

aa) § 11 Nds MVollzG stellt irrevisibeles Landesrecht iS des § 162 SGG dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat(vgl BSG etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 RK 1/89 - juris RdNr 12 f; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 - SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, S 322 RdNr 59). Insoweit hat das LSG ausgeführt, dass in Niedersachsen im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 Abs 2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollzG einen Rechtsgrundverweis auf § 35 Abs 2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des SGB XII gewährt werde.

42

Bei dem Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollzG ordnet aber - auch nach der vom LSG vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 Abs 2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten.

43

bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat(zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerfG Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 12 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, RdNr 100 ff ; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des Maßregelvollzugs nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSHG bereits BVerwG Urteil vom 13.1.1971 - V C 70.70 - BVerwGE 37, 87; zum SGB XII jüngst BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris RdNr 25 ff mwN; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 2 RdNr 56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den Vollzugseinrichtungen gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 98 RdNr 91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

44

e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf den Fall des Klägers lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur Freifahrt Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den Vollzugsgesetzen erhalten - abschließend(so allg schon BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der sozialen Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des Befreiungstatbestands seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

45

3. Dass der Kläger nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

46

Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 Abs 1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1). Danach ist Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

47

Soweit das LSG in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 Abs 2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LSG bei § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der Befreiungstatbestände nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem SGB IX oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 Abs 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris RdNr 33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 105 f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ist Beschädigten und Hinterbliebenen zu erbringen, soweit der Lebensunterhalt nicht aus den übrigen Leistungen nach diesem Gesetz und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen bestritten werden kann. Für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gelten die Bestimmungen des Dritten Kapitels und die §§ 134 und 140 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Beschädigte erhalten als Hilfen in besonderen Lebenslagen nach § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes auch

1.
Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfen eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist,
2.
Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind.

(2) Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 2 gelten bei Beschädigten als erfüllt, die zum Personenkreis des § 23 Abs. 1 der Orthopädieverordnung in der jeweils geltenden Fassung gehören. Im Übrigen sind sie durch ärztliches Zeugnis nachzuweisen.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Zur Beschaffung eines auf den Namen des Beschädigten zugelassenen Motorfahrzeugs können folgende Zuschüsse gezahlt werden:

1.
bis zu 3.579 Euro an Querschnittgelähmte, Vier- und Dreifachamputierte, Doppel-Oberschenkelamputierte und an andere Beschädigte, die gleich schwer gehbehindert sind oder Pflegezulage nach Stufe V oder VI (§ 35 des Bundesversorgungsgesetzes) erhalten,
2.
bis zu 3.068 Euro an Doppel-Unterschenkelamputierte und Hüftexartikulierte sowie an einseitig Beinamputierte, die
a)
dauernd außerstande sind, eine Beinprothese zu tragen oder
b)
nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder
c)
zugleich armamputiert sind,
und an andere Beschädigte, die gleich schwer gehbehindert sind oder Pflegezulage nach Stufe III oder IV (§ 35 des Bundesversorgungsgesetzes) erhalten.

(2) Einen Zuschuß nach Absatz 1 erhält nicht, wer einen Rollstuhl für den Straßengebrauch oder ein Behindertenfahrrad nach § 12 oder einen Zuschuß nach § 34 in Anspruch genommen hat; in § 12 Abs. 2 genannte Beschädigte können den Zuschuß anstelle eines der beiden Rollstühle für den Straßengebrauch erhalten.

(3) Der Zuschuß darf nur zur Beschaffung eines Motorfahrzeugs gezahlt werden, das nach seiner Konstruktion zur Personenbeförderung bestimmt ist und das nicht überwiegend gewerblich genutzt werden soll.

(4) Der Zuschuß zur Beschaffung eines gebrauchten Motorfahrzeugs darf gezahlt werden, wenn es mindestens 40 vom Hundert des Neuwerts besitzt.

(5) Kann der Beschädigte das Motorfahrzeug nicht selbst führen, darf der Zuschuß nur gezahlt werden, wenn ein Dritter bestimmt ist, der als Führer des Motorfahrzeugs in angemessenem Umfang für Fahrten mit dem Beschädigten zur Verfügung steht.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Die Höhe der Geldleistungen bemißt sich nach dem Unterschied zwischen dem anzuerkennenden Bedarf und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen; § 26 Abs. 5 und § 26a bleiben unberührt. Darüber hinaus können in begründeten Fällen Geldleistungen auch insoweit erbracht werden, als zur Deckung des Bedarfs Einkommen oder Vermögen der Leistungsberechtigten einzusetzen oder zu verwerten ist; in diesem Umfang haben sie dem Träger der Kriegsopferfürsorge die Aufwendungen zu erstatten.

(2) Kommt eine Sachleistung in Betracht, haben Leistungsberechtigte den Aufwand für die Sachleistung in Höhe des einzusetzenden Einkommens und Vermögens zu tragen.

(3) Einkommen ist insoweit nicht einzusetzen, als der Einsatz des Einkommens im Einzelfall bei Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen vor allem nach Art und Schädigungsnähe des Bedarfs, Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie nach der besonderen Belastung der Leistungsberechtigten und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen unbillig wäre. Bei ausschließlich schädigungsbedingtem Bedarf ist Einkommen nicht einzusetzen. In den Fällen der Eingliederungshilfe in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit § 71 Absatz 4 Nummer 1 oder Nummer 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gilt Satz 2 nur für die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne des § 125 Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Die Pflegezulage nach § 35 ist bis zur Höhe der Maßnahmepauschale im Sinne des § 76 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

(4) (weggefallen)

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen. Dies gilt auch für Ansparungen aus Leistungen nach diesem Gesetz. Leistungen der Kriegsopferfürsorge dürfen nicht von dem Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für die Leistungsberechtigten, die das Vermögen einzusetzen haben, und für ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist der Fall, wenn der Einsatz des Vermögens eine angemessene Lebensführung, die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung oder die Sicherstellung einer angemessenen Bestattung und Grabpflege wesentlich erschweren würde. Vermögenswerte aus Nachzahlungen von Renten nach diesem Gesetz bleiben für einen Zeitraum von einem Jahr unberücksichtigt. Im Übrigen gelten § 90 Absatz 2 Nummer 1 bis 7, 9 und 10, § 91 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie § 25c Absatz 3 entsprechend.

(2) Als kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte sind folgende Prozentsätze des Bemessungsbetrags nach § 33 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe a zu berücksichtigen:

1.
40 Prozent bei Erbringung von Pflegegeld nach § 26c Absatz 1 für Pflegebedürftige der Pflegegrade 4 oder 5, von Blindenhilfe nach § 27d Absatz 1 Nummer 4 sowie von allen Leistungen an Sonderfürsorgeberechtigte mit Ausnahme der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt,
2.
35 Prozent bei Erbringung aller übrigen Leistungen,
zuzüglich eines Betrags in Höhe von 35 Prozent des Bemessungsbetrags für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner oder für den Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft und in Höhe von 2 Prozent für jede weitere vom Leistungsberechtigten, seinem Ehegatten oder Lebenspartner oder dem Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft überwiegend unterhaltene Person.

(3) Selbst genutztes Wohneigentum im Sinne des § 17 Abs. 2 des Wohnraumförderungsgesetzes, das von Leistungsberechtigten allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird, denen es nach dem Tod der Leistungsberechtigten als Wohnung dienen soll, ist nicht zu verwerten.

(4) Bei minderjährigen unverheirateten Beschädigten ist zur Deckung des Bedarfs auch Vermögen der Eltern oder eines Elternteils einzusetzen oder zu verwerten, bei denen die Beschädigten leben. Soweit das Vermögen der Eltern oder eines Elternteils einzusetzen oder zu verwerten ist, sind als kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte abweichend von Absatz 2 folgende Prozentsätze des Bemessungsbetrags nach § 33 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe a zu berücksichtigen:

1.
2 Prozent für Beschädigte,
2.
weitere 20 Prozent für Beschädigte bei Erbringung von Pflegegeld nach § 26c Absatz 1 für Pflegebedürftige der Pflegegrade 4 oder 5, von Blindenhilfe nach § 27d Absatz 1 Nummer 4 sowie von allen Leistungen an Sonderfürsorgeberechtigte mit Ausnahme der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt,
3.
35 Prozent für jeden Elternteil, bei dem die Beschädigten leben, und für dessen nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner oder für dessen Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft sowie
4.
2 Prozent für jede weitere Person, die von den Eltern oder einem Elternteil oder von dessen nicht getrennt lebendem Ehegatten oder Lebenspartner oder von dessen Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft überwiegend unterhalten wird.
Abweichend von Satz 1 ist das Vermögen der Eltern nicht einzusetzen oder zu verwerten, solange Beschädigte schwanger sind oder mindestens ein leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreuen. Leben Beschädigte bei keinem Elternteil oder liegt ein Fall des Satzes 3 vor, gilt für den Einsatz und für die Verwertung von Vermögen Absatz 2.

(5) (weggefallen)

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des Landgerichts (LG) Hannover vom 9.1.2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 (BGBl I 2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SGB XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) gelten.

4

Nachdem ihm Besuchsausgang bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollzG nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SGB XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SGB XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im Anschluss an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

14

1. Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

15

2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2495, betrifft Abs 2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

16

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollzG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

17

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

18

b) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

19

c) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

20

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

21

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

22

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen kann der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

23

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

24

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

25

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

26

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

27

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

28

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

29

cc) Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

30

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II, SGB VIII und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

31

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

32

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

33

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

34

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

35

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

36

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

37

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

38

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

39

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

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d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollzG nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem SGB XII im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom Senat vertretenen Verständnis des Befreiungstatbestands auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

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aa) § 11 Nds MVollzG stellt irrevisibeles Landesrecht iS des § 162 SGG dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat(vgl BSG etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 RK 1/89 - juris RdNr 12 f; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 - SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, S 322 RdNr 59). Insoweit hat das LSG ausgeführt, dass in Niedersachsen im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 Abs 2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollzG einen Rechtsgrundverweis auf § 35 Abs 2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des SGB XII gewährt werde.

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Bei dem Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollzG ordnet aber - auch nach der vom LSG vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 Abs 2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten.

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bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat(zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerfG Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 12 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, RdNr 100 ff ; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des Maßregelvollzugs nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSHG bereits BVerwG Urteil vom 13.1.1971 - V C 70.70 - BVerwGE 37, 87; zum SGB XII jüngst BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris RdNr 25 ff mwN; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 2 RdNr 56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den Vollzugseinrichtungen gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 98 RdNr 91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

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e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf den Fall des Klägers lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur Freifahrt Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den Vollzugsgesetzen erhalten - abschließend(so allg schon BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der sozialen Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des Befreiungstatbestands seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

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3. Dass der Kläger nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

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Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 Abs 1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1). Danach ist Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

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Soweit das LSG in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 Abs 2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LSG bei § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der Befreiungstatbestände nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem SGB IX oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 Abs 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris RdNr 33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 105 f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

1.
Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,
2.
Hilfen zur Gesundheit,
3.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen,
4.
Blindenhilfe,
5.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

(2) Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

(3) Für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Absatz 1 Nummer 3 gilt Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Für die übrigen Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Absatz 1 gelten die §§ 47, 49 bis 52, das Achte Kapitel und die §§ 72, 74 und 88 Absatz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend. Die Leistungen nach Absatz 1 sind unter Berücksichtigung der Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen zu erbringen. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu dem in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Umfang auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Hinterbliebene, die wegen Behinderung der Hilfe bedürfen.

(5) Für den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gelten anstelle des § 25c Absatz 1 und 2 sowie der §§ 25d bis 25f die Bestimmungen von Teil 2 Kapitel 9 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Abweichend von § 136 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen nach § 135 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch überwiegend

1.
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder aus einer selbständigen Tätigkeit erzielt wird und 100 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt,
2.
aus einer nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wird und 90 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt oder
3.
aus Renteneinkünften erzielt wird und 75 Prozent der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch übersteigt.
Für den Einsatz von Vermögen gilt § 25c Absatz 3 entsprechend.

(6) Bei der Festsetzung der Einkommensgrenze tritt bei der Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch an die Stelle des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1 ein Grundbetrag in Höhe von 8,5 Prozent des Bemessungsbetrages. Der Familienzuschlag beträgt 40 Prozent des Grundbetrages nach § 25e Absatz 1 Nummer 1. Für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner beträgt der Familienzuschlag 2,13 Prozent des Bemessungsbetrages, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner blind sind oder die Voraussetzungen des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch erfüllen oder so schwer behindert sind, dass sie als Beschädigte die Pflegezulage nach den Stufen III bis VI nach § 35 Absatz 1 Satz 4 erhielten.

(7) Für den Einsatz von Einkommen bei der Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gilt § 150 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.