Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 05. März 2018 - 1 BvR 2926/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20180305.1bvr292614
bei uns veröffentlicht am05.03.2018

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Anspruch einer schwerbehinderten und in ihrer Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten Empfängerin von Grundleistungen zum Lebensunterhalt nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr ohne die bis 31. Dezember 2017 in § 145 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), ab 1. Januar 2018 in § 228 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Kostenbeteiligung.

2

1. a) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (sogenanntes Merkzeichen "G"), hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, im Nahverkehr unentgeltlich befördert, wenn ihr Schwerbehindertenausweis die entsprechende Berechtigung ausweist (bis 31. Dezember 2017: § 145 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IX, ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IX). Voraussetzung ist, dass der Schwerbehindertenausweis mit einer entsprechenden Wertmarke versehen ist (bis 31. Dezember 2017: § 145 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Im streitigen Zeitraum fielen dafür Kosten von 60 Euro für ein Jahr beziehungsweise 30 Euro für ein halbes Jahr an (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX in der im Streitzeitraum 2011/2012 geltenden alten Fassung).

3

Allerdings erhalten verschiedene Personengruppen die Wertmarke kostenlos (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 5 SGB IX a.F., zwischenzeitlich: § 145 Abs. 1 Satz 10 SGB IX, ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 4 SGB IX, bei Einführung der Regelung im Jahr 1984: § 57 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft - Schwerbehindertengesetz -). Zu diesen Gruppen gehören die Empfänger der in der Vorschrift aufgezählten bedürftigkeitsabhängigen laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt, insbesondere von Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Sozialhilfe (vgl. jeweils Nr. 2 der Vorschrift). Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind in der Vorschrift dagegen nicht genannt.

4

b) Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz wurde im Jahr 1993 für die von ihm erfassten Personengruppen ein eigenständiges System existenzsichernder Leistungen mit regelmäßig abgesenktem Leistungsniveau geschaffen (vgl. dazu ausführlich BVerfGE 132, 134 <137 ff. Rn. 2 ff.>). Dabei sieht das Asylbewerberleistungsgesetz zwei "Leistungsstufen" vor, zum einen die sogenannten Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, deren Bezug einen längeren Aufenthalt im Inland voraussetzt und die im Wesentlichen durch einen Verweis auf die Vorschriften über die Sozialhilfe im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelt sind, und zum anderen die im Verhältnis dazu deutlich niedrigeren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.

5

Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen über die Grundleistungen im Jahre 2012 in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt und zu ihrer Höhe eine auf den 1. Januar 2011 zurückwirkende Übergangsregelung erlassen (BVerfGE 132, 134 <135 f.>). Im Anschluss daran wurden durch das Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10. Dezember 2014 (BGBl I S. 2187) mit Wirkung zum 1. März 2015 (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes) zum einen die Grundleistungen erhöht (vgl. § 3 AsylbLG). Zum anderen wurde der Wechsel in den Bezug von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG deutlich erleichtert und für die Inhaber von Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs. 5 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufenthaltsgesetz (AufenthG) - die Zuordnung zum Leistungssystem des Asylbewerberleistungsgesetzes auf 18 Monate nach der ersten Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung beschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe c AsylbLG).

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c) Die Regelung über die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist weder anlässlich der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes noch bei nachfolgenden Gesetzesänderungen auf die dort geregelten Leistungen erstreckt worden. Allerdings hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 7/10 R -, BSGE 109, 154) den Empfängern von Analogleistungen einen entsprechenden Anspruch zugebilligt, da die ihnen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit §§ 27 ff. SGB XII gewährten Leistungen laufende Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch im Sinne von § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX darstellten (BSGE 109, 154<161 Rn. 34>). Eine Ausdehnung auf Bezieher anderer Leistungen zur Existenzsicherung, hinsichtlich derer ein entsprechender Verweis in das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch nicht angeordnet ist, hat es dagegen nicht für möglich erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 6/10 R -, SozR 4-3250 § 145 Nr. 3, für Personen, die im Maßregelvollzug wegen ihrer Bedürftigkeit ein Taschengeld erhalten; vgl. außerdem BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 7/10 R -, BSGE 109, 154 <161 f. Rn. 36 und 167 Rn. 57>).

7

Die sonstigen Leistungen des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch hinsichtlich der Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr sind dagegen Beziehern von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG genauso zugänglich wie anderen schwerbehinderten Menschen mit entsprechenden gesundheitlichen Voraussetzungen. Das gilt zum einen hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeit der bezogen auf die einzelnen Fahrten entgeltfreien Beförderung im Nahverkehr - nur eben ohne die Möglichkeit, die dafür notwendige Wertmarke kostenfrei zu erhalten - und zum anderen für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson oder spezifischen Gepäcks (vgl. bis 31. Dezember 2017: § 145 Abs. 2 SGB IX, ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 6 SGB IX).

8

2. Die Beschwerdeführerin ist angolanische Staatsangehörige. Sie ist 2004 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in das Bundesgebiet eingereist und war im streitigen Zeitraum Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Seit dem Frühjahr 2011 bezog sie Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, wobei sie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (BVerfGE 132, 134) rückwirkend eine Nachzahlung auf Grund der dort vorgesehenen Übergangsregelung in Höhe von 1.725,45 Euro für die Zeit von April 2011 bis Juni 2012 erhielt. Bei ihr waren im streitigen Zeitraum ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 vom Hundert sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen unter anderem für das Merkzeichen "G" festgestellt.

9

Ihren im August 2011 gestellten Antrag auf Ausstellung einer kostenfreien Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr lehnten die zuständigen Versorgungsbehörden ab. Ihre in erster Instanz erfolgreiche Klage auf Erstattung der inzwischen für eine ab November 2011 gültige Wertmarke gezahlten 60 Euro wies das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen im Berufungsverfahren unter Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts ab. Die unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke sei nicht in Betracht gekommen, da die der Beschwerdeführerin gewährten Leistungen nicht zu den in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. genannten gehörten. Auch eine entsprechende Anwendung sei anders als in den Fällen der Analogleistungen nach § 2 AsylbLG nicht geboten (Hinweis auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 6/10 R -, SozR 4-3250 § 145 Nr. 3 und - B 9 SB 7/10 R -, BSGE 109, 154). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken oder ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechts-konvention - UN-BRK) bestünden nicht.

10

Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig, ebenso eine anschließend erhobene Gegenvorstellung und Anhörungsrüge.

11

3. Bereits während des laufenden Anhörungsrügeverfahrens hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben. Neben auf das Verfahren bezogenen Rügen macht sie insbesondere eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 GG und den Teilhaberechten aus Art. 5 und Art. 20 Buchstabe a UN-BRK geltend.

12

In diesem Rahmen führt sie im Wesentlichen aus, ihrer Auffassung nach sei § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. dahingehend auslegungsfähig, dass auch Berechtigte nach § 3 AsylbLG von ihm erfasst würden. Auch und gerade bei ihnen handele es sich um Personen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhielten. Das bei dieser Personengruppe vom Gesetzgeber zu Unrecht unterstellte Fehlen eines entsprechenden sozialen Integrationsbedarfs könne daran nichts ändern, nachdem das Bundesverfassungsgericht zutreffend den Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum als unverfügbares und von migrationspolitischen Erwägungen unabhängiges Menschenrecht erkannt habe. Vor diesem Hintergrund sei der Umstand, dass Leistungsberechtigte nach § 3 AsylbLG in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. nicht genannt seien, als Regelungslücke anzusehen, die durch eine analoge verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift - wie zuvor auf die Leistungsberechtigten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG - geschlossen werden könne. Vor diesem Hintergrund verletzten die angegriffenen Entscheidungen sie in ihren Grundrechten, weil sie - anders als Ausländer mit unmittelbarem Zugang zu einem der in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. genannten Leistungssysteme, aber auch anders als die Bezieher von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG - von der dort vorgesehenen Privilegierung ausgeschlossen worden sei. Im Übrigen habe sich ihre Bleiberechtsprognose schon im streitigen Zeitraum nicht von der von Personen, die schon nach der früheren Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG Analogleistungen und damit eine kostenfreie Wertmarke erhielten, unterschieden; auch habe von einem nur kurzen vorübergehenden Aufenthalt und einem entsprechend geringeren Bedarf bei ihr nicht ausgegangen werden können, so dass eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der streitigen Privilegierung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Halte man § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. dagegen nicht für auslegungsfähig, dränge sich die Frage nach seiner Verfassungsmäßigkeit und seiner Vereinbarkeit mit der UN-Behindertenrechtskonvention auf.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

14

1. Die Voraussetzungen einer Grundsatzannahme (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) sind nicht gegeben.

15

a) Eine Verfassungsbeschwerde ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. grundlegend BVerfGE 90, 22 <24 f.>) wegen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung anzunehmen, wenn sie eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt und die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist. An ihrer Klärung muss zudem ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse bestehen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sie für eine nicht unerhebliche Anzahl von Streitigkeiten bedeutsam ist oder ein Problem von einigem Gewicht betrifft, das in künftigen Fällen erneut Bedeutung erlangen kann. Im Regelfall besteht daher kein über den Einzelfall hinausreichendes, die Annahme rechtfertigendes Interesse, wenn nur die Verfassungsmäßigkeit von nicht mehr geltendem Recht zu klären ist (vgl. BVerfGE 91, 186 <200>).

16

b) Ausgehend von diesen Maßstäben lässt sich eine grundsätzliche Bedeutung der vorliegenden Verfassungsbeschwerde nicht bejahen.

17

Als Frage von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung kommt dabei von vorneherein nur die nach der Möglichkeit und Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Regelung aus § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. (ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX) beziehungsweise nach deren Verfassungswidrigkeit in Betracht, soweit die Vorschrift dazu führt, dass die Bezieher von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG vom unentgeltlichen Erwerb einer Wertmarke für die kostenfreie Benutzung des Personennahverkehrs ausgeschlossen sind. Hinsichtlich der Revisionszulassung im Ausgangsverfahren, des Justizgewährleistungsanspruchs und der behaupteten Gehörsverletzung sind dagegen keine Gesichtspunkte erkennbar, die auch nur zu einer Ausformulierung oder Präzisierung der diesbezüglichen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Anlass geben könnten; insoweit handelt es sich vielmehr ersichtlich um auf das konkrete fachgerichtliche Verfahren bezogene Fragen des Einzelfalls.

18

Auch mit Blick auf die mittelbar angegriffene Vorschrift aus § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. ist eine grundsätzliche Bedeutung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin ihr diesbezügliches Vorbringen zentral auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes und des Verbots der Diskriminierung schwerbehinderter Menschen gestützt, eine unmittelbare Verletzung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 dagegen nicht substantiiert gerügt hat.

19

Insofern ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass andere Grundrechte als das auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, wie zum Beispiel Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 GG, für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht keine weiteren Maßstäbe zu setzen vermögen; entscheidend ist von Verfassungs wegen allein, dass für jede individuelle hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ausreichend erfasst wird (BVerfGE 125, 175<227>). Insoweit führen die Darlegungen der Beschwerdeführerin zu einer auf die Sicherung des Existenzminimums bezogenen gleichheitswidrigen Schlechterstellung im Verhältnis zu Personengruppen, die Leistungen aus einem anderen Existenzsicherungssystem beziehen, von vornherein nicht zu Fragen grundsätzlicher Bedeutung.

20

Zudem bezieht sich die Verfassungsbeschwerde auf eine zwischenzeitlich maßgeblich veränderte Rechtslage: Zwar ist die Vorschrift über die (fehlende) Möglichkeit des kostenfreien Erhalts einer Wertmarke beim Bezug bestimmter existenzsichernder Sozialleistungen als solche zwischenzeitlich in der Sache nicht geändert worden; auch die mit dem Bundesteilhabegesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234) einhergehende Umgestaltung des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch zum 1. Januar 2018 bleibt insoweit inhaltlich ohne Folgen; der bloße Umstand, dass sich die Regelung nunmehr an einem anderen Ort wiederfindet, würde der Problematik nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung nehmen. Sowohl die angegriffenen Entscheidungen als auch die Argumentation der Beschwerdeführerin beziehen sich jedoch auf eine Ausgestaltung des Asylbewerberleistungsrechts, die inzwischen überholt ist, die aber auf Grund der differenzierten Anknüpfung von § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. - und ebenso von § 228 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung - an die verschiedenen Existenzsicherungssysteme auch die verfassungsrechtliche Bewertung der streitigen Regelung im Schwerbehindertenrecht unmittelbar und entscheidend beeinflusst: Auf diese Weise hat sich nämlich der Kreis derer, die von dem mit der Vorschrift verbundenen Vorteil ausgeschlossen sind, substantiell verkleinert, was für die Frage, ob dieser Ausschluss - wie von der Beschwerdeführerin gerügt - verfassungswidrig sein kann, von Bedeutung ist.

21

So begründet die Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen beziehungsweise der diesen zugrunde liegenden Vorschriften damit, dass § 3 AsylbLG auch Personen wie sie erfasse, obwohl ihre Bleibeperspektive sich von der vieler Berechtigter nach § 2 AsylbLG nicht unterscheide und sie daher - wie diese - auf die mit der vollständig unentgeltlichen Nutzung des Personennahverkehrs verbundenen Möglichkeiten der Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben angewiesen sei. Mit ähnlichen Gründen kritisiert sie ihre Schlechterstellung gegenüber Beziehern von Leistungen aus anderen Systemen der Existenzsicherung wie der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialhilfe als verfassungswidrig. Damit greift sie zentral Gesichtspunkte auf, die für das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 18. Juli 2012 der Grund waren, § 3 AsylbLG in wesentlichen Teilen für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären und den Gesetzgeber zu verpflichten, unverzüglich für den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen, sowie eine Übergangsregelung anzuordnen (vgl. BVerfGE 132, 134 <135 f.>). Das hat den Gesetzgeber zwischenzeitlich zu einer entsprechenden Änderung des Asylbewerberleistungsrechts veranlasst; dabei hat er namentlich den Kreis der auf Leistungen nach § 3 AsylbLG verwiesenen Personen substantiell verkleinert, so dass sich die daran anknüpfenden, auf § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX a.F. bezogenen Fragen in einem wesentlich geänderten rechtlichen Kontext stellen; die Annahme einer Verfassungswidrigkeit der hier mittelbar angegriffenen Vorschrift im damals maßgeblichen rechtlichen Rahmen ließe daher keineswegs zwingend Rückschlüsse auf die heutige Rechtslage zu.

22

Das lässt sich nicht zuletzt daran verdeutlichen, dass eine Person in der Lage, in der sich die Beschwerdeführerin im streitigen Zeitraum befand, nach heutigem Recht unproblematisch eine kostenfreie Wertmarke erhalten könnte: Auf Grund der geänderten Fassung von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe c AsylbLG gehörte sie nach der heutigen Rechtslage als Inhaberin eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG bei einer sieben Jahre zurückliegenden Einreise ganz regelmäßig nicht mehr zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern erhielte Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch oder dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch und hätte dadurch Zugang zu einer kostenfreien Wertmarke; jedenfalls aber führte die geänderte Regelung zu den Vorbezugszeiten in § 2 Abs. 1 AsylbLG dazu, dass sie wegen des zu diesem Zeitpunkt langjährigen Aufenthalts im Inland bereits bei der ersten Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Analogleistungen und damit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine kostenfreie Wertmarke erhalten könnte.

23

Dass trotz dieser zwischenzeitlichen Änderung der rechtlichen Lage und der Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu den Ansprüchen aus § 3 AsylbLG eine Annahme ihrer auf die frühere Rechtslage bezogenen Verfassungsbeschwerde zu Fragen führen könnte, hinsichtlich derer sich eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung bejahen ließe und zu der eine ausreichend substantiierte Begründung vorläge, ist nicht ersichtlich und von der Beschwerdeführerin nicht dargetan. Das käme allenfalls in Frage, wenn sie hinreichend substantiiert ausgeführt hätte, dass der fehlende Zugang der Bezieher von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu einer kostenfreien Wertmarke ganz unabhängig von dessen Ausgestaltung als verfassungswidrig angesehen werden müsste. Das hätte eine ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit der Frage erfordert, ob dies auch bei einer hinreichend engen Umschreibung des Anwendungsbereichs von § 3 AsylbLG auf Personen mit einer tatsächlich nur kurzfristigen Bleibeperspektive in Deutschland zu gelten hätte oder ob in diesem Falle nicht möglicherweise doch unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse und damit eine ausreichende Rechtfertigung für Differenzierungen beim (gänzlich) kostenfreien Zugang zum öffentlichen Nahverkehr und den damit verbundenen Mobilitätsmöglichkeiten vorhanden sein könnten (vgl. zu entsprechenden Überlegungen sogar unmittelbar im Kontext der Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums BVerfGE 132, 134 <164 f.>). In diesem Zusammenhang hätte sich die Beschwerdeführerin auch näher damit auseinandersetzen müssen, ob die vollständig kostenfreie Beförderungsmöglichkeit in der weiten Ausgestaltung, die der Begriff des Schienenverkehrs in § 147 Abs. 1 SGB IX a.F. (ab 1. Januar 2018: § 230 Abs. 1 SGB IX) gefunden hat, nicht jedenfalls partiell über den Ausgleich eines behinderungsbedingten Nachteils hinausgeht (vgl. in diesem Sinne BTDrucks 10/3138, S. 35 für die Beförderung im Nahverkehr der Deutschen [Bundes-]Bahn) und dass nach der durchaus plausiblen ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Mobilitätsförderung schwerbehinderter Menschen grundsätzlich bereits durch die grundsätzlich kostenlose Nutzung des Nahverkehrs erreicht und durch die regelhaft vorgesehene Pflicht zu einem vergleichsweise geringen Kostenbeitrag nur moderat relativiert werde (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 9/9a SB 11/06 R -, SozR 4-3250 § 145 Nr. 1; BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 7/10 R -, BSGE 109, 154 <162 Rn. 36>; BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 1/12 R -, SozR 4-3250 § 145 Nr. 4). Nachdem die Beschwerdeführerin überdies eine Verletzung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (dazu BVerfGE 125, 175<222 ff.>) jedenfalls nicht hinreichend substantiiert gerügt hat, hätte es für die danach allein in Betracht zu ziehende Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG - auch unter Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention - der Darlegung bedurft, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des streitigen Vorteils nicht der bei Sozialleistungen übliche weite Gestaltungsspielraum zustand (vgl. für viele BVerfGK 20, 9 <20> m.w.N.) oder er diesen überschritten haben könnte. Das hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend getan.

24

Soweit ihre Argumentation dadurch geprägt ist, dass sie ganz grundsätzlich die Schlechterstellung von Leistungsberechtigen nach § 3 AsylbLG gegenüber Beziehern von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, aber auch im Verhältnis zu Leistungsempfängern nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch oder nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch rügt, hätte sie eingehend darlegen müssen, dass diesbezüglich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (BVerfGE 132, 134) und vor dem Hintergrund der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 125, 175 <227>), wonach andere Grundrechte als das auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für dessen Bemessung keine weiteren Maßstäbe zu setzen vermögen, noch Klärungsbedarf besteht.

25

2. Alternativ ist nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen, wenn dies zur Durchsetzung eines der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte, also eines Grund- oder grundrechtsgleichen Rechts, angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

26

a) Eine solche Fallgestaltung liegt vor, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt. Eine existentielle Betroffenheit des Beschwerdeführers kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung oder seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

27

b) Die Beschwerdeführerin macht insoweit nur geltend, sie sei durch das klagabweisende Urteil des Landessozialgerichts und die Nichtzulassung der Revision in ihren Grundrechten verletzt, wobei "die Zurückweisung einer Privilegierung nach § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX (a.F.) auf eine generelle Vernachlässigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung und eines Verstoßes gegen die UN-BRK" hindeute und in ihrer Wirkung geeignet sei, sie und andere hiervon Betroffene von der Ausübung ihrer Grundrechte abzuhalten.

28

Ihre Ausführungen gehen damit über die Wiedergabe der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe und die Behauptung, die entsprechenden Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, nicht wesentlich hinaus. Tatsächlich ist dagegen nicht ersichtlich, dass den Versorgungsbehörden, dem Landessozialgericht oder dem Bundessozialgericht eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten vorgeworfen werden könnte, sie also die Grundrechte nicht nur im konkreten Fall und mit Blick auf die inzwischen überholte Rechtslage nicht hinreichend beachtet haben könnten. Auf die fehlende Maßstäblichkeit anderer Grundrechte als des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bei dessen Bemessung (BVerfGE 125, 175 <227>) sei ergänzend nochmals hingewiesen.

29

Umso weniger ist ein leichtfertiger Umgang mit Grundrechten ersichtlich und wird als solcher von der Beschwerdeführerin auch gar nicht geltend gemacht. Die Fachgerichte haben sich vielmehr ausführlich mit der (verfassungs-)rechtlichen Lage auseinandergesetzt; dass sie danach zu der Auffassung gelangt sind, der Beschwerdeführerin stehe die streitige Privilegierung nicht zu und dies sei im Ergebnis auch nicht verfassungswidrig, lässt einen leichtfertigen Umgang mit Grundrechten nicht erkennen.

30

c) Die Beschwerdeführerin macht überdies ihre existentielle Betroffenheit und damit einen besonders schweren Nachteil geltend, weil sie die Kosten für die Wertmarke selbst habe aufbringen müssen und der Grundrechtsverstoß insoweit schwer wiege. Auch insoweit gehen jedoch ihre Darlegungen über die Wiederholung der zu diesem Annahmegrund entwickelten Maßstäbe und die Behauptung, diese seien hier erfüllt, nicht wesentlich hinaus. Damit ist - obwohl bei Menschen, die auf die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG angewiesen ist, zweifellos schon geringe finanzielle Belastungen von erheblichem Gewicht sein können - ein existentieller Nachteil angesichts des Umstandes, dass im Ausgangsverfahren um Kosten von 60 Euro für ein Jahr gestritten wurde, nicht ausreichend dargelegt. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin für den streitigen Zeitraum auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (BVerfGE 132, 134) eine Nachzahlung erhalten hat. Dabei sind in die Höhe der Leistungen, die auf Grund der vom Bundesverfassungsgericht erlassenen Übergangsregelung zu erbringen waren, auch die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für die Abteilung 7 (Verkehr) nach §§ 5 f. des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) - in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung eingegangen (vgl. Ziffer 3 Buchstabe b des Urteils vom 18. Juli 2012, BVerfGE 132, 134 <135 f.>). Diese betrugen für Einpersonenhaushalte monatlich 22,78 Euro (vgl. § 5 Abs. 1 RBEG 2011). Der Jahresbetrag ging also über die für den Erwerb einer Wertmarke notwendigen Aufwendungen deutlich hinaus. Die Beschwerdeführerin hätte daher zumindest aufzeigen müssen, welche weiteren Mobilitätsbedarfe ihr entstanden sind, aber nicht gedeckt werden konnten, um eine existentielle Betroffenheit erkennbar werden zu lassen.

31

Jedenfalls das auf das konkrete Verfahren bezogene und das auch für die heutige rechtliche Lage relevante Vorbringen ist im Übrigen nicht hinreichend substantiiert, so dass eine sogenannte Durchsetzungsannahme auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet.

32

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zu

Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG | § 2 Leistungen in besonderen Fällen


(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechun

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 145 Hilfsmerkmale


(1) Hilfsmerkmale sind1.Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,2.Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,3.für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

Regelbedarfsermittlungsgesetz - RBEG 2021 | § 5 Regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte


(1) Von den Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 werden für die Ermittlung des Regelbedarfs folgende Verbrauchsausgaben der einzelnen Abteilungen aus der Sonderauswertung für Einpersonenhaus

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 228 Unentgeltliche Beförderung, Anspruch auf Erstattung der Fahrgeldausfälle


(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 147 Auskunftspflicht


(1) Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Die Angaben nach § 145 Absatz 1 Nummer 2 und die Angaben zum Gemeindeteil nach § 144 Absatz 1 Nummer 1 sind freiwillig. (2) Auskunftspflichtig sind die Träger der Eingliederungshilfe.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 230 Nah- und Fernverkehr


(1) Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit1.Straßenbahnen und Obussen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes,2.Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach den §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien,

Referenzen - Urteile

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Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 05. März 2018 - 1 BvR 2926/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 05. März 2018 - 1 BvR 2926/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - B 9 SB 1/12 R

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Okt. 2011 - B 9 SB 7/10 R

bei uns veröffentlicht am 06.10.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Okt. 2011 - B 9 SB 6/10 R

bei uns veröffentlicht am 06.10.2011

Tenor Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage

Referenzen

(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Absatz 5 im Nahverkehr im Sinne des § 230 Absatz 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.

(2) Die Wertmarke wird gegen Entrichtung eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Der Betrag erhöht sich in entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die nächste Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe erfolgt. Liegt dieser Zeitpunkt innerhalb der Gültigkeitsdauer einer bereits ausgegebenen Wertmarke, ist der höhere Betrag erst im Zusammenhang mit der Ausgabe der darauffolgenden Wertmarke zu entrichten. Abweichend von § 160 Absatz 3 Satz 4 sind die sich ergebenden Beträge auf den nächsten vollen Eurobetrag aufzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 Satz 3 ergebenden Beträge im Bundesanzeiger bekannt.

(3) Wird die für ein Jahr ausgegebene Wertmarke vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag die Hälfte der Gebühr erstattet. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der schwerbehinderte Mensch vor Ablauf eines halben Jahres der Gültigkeitsdauer der für ein Jahr ausgegebenen Wertmarke verstirbt.

(4) Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Absatz 2 in seiner jeweiligen Höhe zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

1.
die blind im Sinne des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder
2.
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder
3.
die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.

(5) Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung nach § 3a Absatz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Anspruch genommen wird. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach den Absätzen 2 bis 4 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Absatz 1 Nummer 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.

(6) Absatz 1 gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 230, ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung

1.
einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und
2.
des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist, sowie für einen nach § 12e Absatz 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes gekennzeichneten Assistenzhund.

(7) Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 bis 6 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 231 bis 233 erstattet. Die Erstattungen sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) ausgenommen.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Absatz 5 im Nahverkehr im Sinne des § 230 Absatz 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.

(2) Die Wertmarke wird gegen Entrichtung eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Der Betrag erhöht sich in entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die nächste Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe erfolgt. Liegt dieser Zeitpunkt innerhalb der Gültigkeitsdauer einer bereits ausgegebenen Wertmarke, ist der höhere Betrag erst im Zusammenhang mit der Ausgabe der darauffolgenden Wertmarke zu entrichten. Abweichend von § 160 Absatz 3 Satz 4 sind die sich ergebenden Beträge auf den nächsten vollen Eurobetrag aufzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 Satz 3 ergebenden Beträge im Bundesanzeiger bekannt.

(3) Wird die für ein Jahr ausgegebene Wertmarke vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag die Hälfte der Gebühr erstattet. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der schwerbehinderte Mensch vor Ablauf eines halben Jahres der Gültigkeitsdauer der für ein Jahr ausgegebenen Wertmarke verstirbt.

(4) Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Absatz 2 in seiner jeweiligen Höhe zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

1.
die blind im Sinne des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder
2.
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder
3.
die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.

(5) Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung nach § 3a Absatz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Anspruch genommen wird. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach den Absätzen 2 bis 4 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Absatz 1 Nummer 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.

(6) Absatz 1 gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 230, ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung

1.
einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und
2.
des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist, sowie für einen nach § 12e Absatz 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes gekennzeichneten Assistenzhund.

(7) Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 bis 6 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 231 bis 233 erstattet. Die Erstattungen sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) ausgenommen.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Absatz 5 im Nahverkehr im Sinne des § 230 Absatz 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.

(2) Die Wertmarke wird gegen Entrichtung eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Der Betrag erhöht sich in entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die nächste Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe erfolgt. Liegt dieser Zeitpunkt innerhalb der Gültigkeitsdauer einer bereits ausgegebenen Wertmarke, ist der höhere Betrag erst im Zusammenhang mit der Ausgabe der darauffolgenden Wertmarke zu entrichten. Abweichend von § 160 Absatz 3 Satz 4 sind die sich ergebenden Beträge auf den nächsten vollen Eurobetrag aufzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 Satz 3 ergebenden Beträge im Bundesanzeiger bekannt.

(3) Wird die für ein Jahr ausgegebene Wertmarke vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag die Hälfte der Gebühr erstattet. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der schwerbehinderte Mensch vor Ablauf eines halben Jahres der Gültigkeitsdauer der für ein Jahr ausgegebenen Wertmarke verstirbt.

(4) Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Absatz 2 in seiner jeweiligen Höhe zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

1.
die blind im Sinne des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder
2.
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder
3.
die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.

(5) Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung nach § 3a Absatz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Anspruch genommen wird. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach den Absätzen 2 bis 4 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Absatz 1 Nummer 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.

(6) Absatz 1 gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 230, ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung

1.
einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und
2.
des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist, sowie für einen nach § 12e Absatz 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes gekennzeichneten Assistenzhund.

(7) Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 bis 6 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 231 bis 233 erstattet. Die Erstattungen sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) ausgenommen.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Revisionsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Betrages, den der Kläger für eine an ihn ausgegebene Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr entrichtet hat.

2

Der 1970 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger; er hält sich nach eigenen Angaben seit 2003 in Deutschland auf und durchlief erfolglos das Asylverfahren. Er leidet seit 2006 an einer koronaren Herzerkrankung und ist aus diesem Grunde reiseunfähig. Im Februar 2009 erhielt der Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Gültigkeit in der Folgezeit verlängert wurde.

3

Seit Juni 2009 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Es sind bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er zumindest seit dem 1.7.2009 durch Leistungen nach § 2 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) iVm den Vorschriften des SGB XII.

4

Am 2.7.2009 beantragte der Kläger beim Kreis A. die Ausstellung eines Beiblatts mit unentgeltlicher Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; insbesondere beziehe er keine der dort aufgeführten Leistungen (Bescheid vom 20.7.2009). Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Münster zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009).

5

Auf die hiergegen am 19.9.2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Aachen die ab dem 20.10.2009 an die Stelle des Kreises Aachen getretene Städteregion Aachen (Beklagte) unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszustellen (Urteil vom 11.1.2010), weil Leistungsbezieher gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG nach einer am Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX orientierten Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm - zu dem wegen Bedürftigkeit von der Entrichtung des Eigenanteils befreiten Personenkreis gehörten.

6

Die Beklagte hat hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger seinen Klageantrag im Einvernehmen mit der Beklagten dahingehend geändert, dass er von ihr die Kostenerstattung von 60 Euro begehre, da er sich die ursprünglich beantragte Wertmarke mittlerweile gegen Entrichtung des Eigenanteils selbst beschafft hatte.

7

Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 3.9.2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

8

Dem Kläger stehe ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da die Beklagte von ihm für die Wertmarke zu Unrecht den Eigenanteil in Höhe von 60 Euro entgegengenommen habe. Der Kläger sei in analoger Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX von vornherein nicht verpflichtet gewesen, einen Eigenanteil zu leisten. Die Vorschrift sei zwar nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar anzuwenden, auch wenn die dem Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG gewährten Leistungen der Höhe nach ausschließlich nach den Vorschriften des SGB XII bemessen seien. Denn nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhielten Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gerade keine Leistungen nach dem SGB XII, sondern Leistungen nach dem AsylbLG. Mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte zur Beteiligung von Schwerbehinderten an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr gemäß § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF liege aber eine Regelungslücke vor. Ursprünglich seien einkommensschwache Ausländer nämlich von der Kostenpflicht befreit gewesen, da sie vor Einführung des AsylbLG im Jahre 1993 bei Bedürftigkeit einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gehabt hätten. Auch wenn der Gesetzgeber mit dem AsylbLG eigenständige Regelungen des Unterhalts von Asylbewerbern und gegenüber den Leistungen nach dem BSHG eine deutlich abgesenkte Versorgung während des Asylverfahrens eingeführt habe, lasse sich eine bewusste Beseitigung der Kostenfreiheit gegenüber dem vorher bestehenden Rechtszustand jedenfalls für die Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG aus den Gesetzesmaterialien nicht eindeutig ableiten. Auch könne nicht angenommen werden, der moderne, oft unter Zeitdruck arbeitende Gesetzgeber wolle dieser Personengruppe einen regelungsbedürftigen Anspruch bewusst nicht gewähren, wenn er dazu schweige ("beredtes Schweigen").

9

Für die analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX spreche zum einen der Normzweck, einkommensschwache Personen von der Kostenbeteiligung zu befreien, weil sie mangels finanzieller Mittel ohnehin auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen seien. Dies treffe auf schwerbehinderte Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG in genau derselben Weise zu wie auf schwerbehinderte Sozialhilfeempfänger. Zum anderen entspreche diese Rechtsanwendung dem hier aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Gebot verfassungskonformer Auslegung, da die Umwandlung einer unentgeltlichen Freifahrt in eine Freifahrt mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtige, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Eine Ungleichbehandlung von mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Analog-Leistungen nach dem AsylbLG gegenüber mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sei sachlich nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht wegen eines nur vorläufigen Aufenthalts der Bezieher von Analog-Leistungen in Deutschland. Einerseits setze der Bezug dieser Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG einen Voraufenthalt von 48 Monaten voraus, andererseits gelte die Wertmarke jeweils nur für ein Jahr. Im Fall des Klägers könne wegen der schweren Herzerkrankung ohnehin nicht von einem nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden.

10

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehenden Kläger angewandt. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. Bei dem Erwerb der Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr seien insbesondere Bezieher von laufenden Leistungen nach dem SGB XII von dem Eigenanteil in Höhe von 60 Euro befreit (§ 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX), nicht aber Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Dem Gesetzgeber stehe es hier bis zur Grenze der Willkür frei, nach sachgemäßen Erwägungen bestimmte Personenkreise gegenüber anderen zu begünstigen. Insoweit belege die Gesetzesentwicklung seit Jahrzehnten das Bemühen des Gesetzgebers, die ständig steigende Belastung der öffentlichen Haushalte durch Anspruchsberechtigte - ob Schwerbehinderte, Asylbewerber oder Sozialhilfebezieher - abzumildern. Insbesondere habe der Gesetzgeber mit Neufassung des AsylbLG im Jahr 1993 eine eigenständige gesetzliche Regelung des Mindestunterhalts von Asylbewerbern geschaffen, mit der eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen einhergegangen sei. Die Entkoppelung dieses Leistungssystems vom regulären Sozialhilferecht sei ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber den Personen gewesen, die direkt anspruchsberechtigt nach dem BSHG bzw SGB XII seien.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.9.2010 und des SG Aachen vom 11.1.2010 aufzuheben sowie die Klage gegen den Bescheid des Kreises Aachen vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 25.8.2009 abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 zurückzuweisen.

13

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und macht ergänzend geltend, ein Ausschluss aus dem Kreis der Begünstigten iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX verstoße in seinem Fall mangels sachlicher Rechtfertigung nicht nur gegen die Verfassung(Art 3 Abs 1 GG), sondern sei auch mit völkerrechtlichen Diskriminierungsverboten nicht zu vereinbaren.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

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1. Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des erkennenden Senats liegen vor.

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a) Im Laufe des Gerichtsverfahrens ist auf der Beklagtenseite ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes erfolgt (vgl dazu BSG Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f, BSG Beschluss vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Der seit dem 1.1.2008 für die Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX zuständige Kreis Aachen(vgl § 2 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW 482; vgl zur Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte: BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - SozialVerw 2009, 59) ist nach Klageerhebung am 19.9.2009 mit Ablauf des 20.10.2009 durch § 1 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz vom 26.2.2008 (GVBl NRW 162) aufgelöst worden. Rechtsnachfolgerin ist gemäß § 2 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz die Städteregion Aachen(vgl hierzu bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 16 und Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 13).

18

Die Klage richtet sich jetzt zutreffend gegen die Städteregion Aachen, zumal mit Wirkung vom 1.1.2011 die Beteiligtenfähigkeit einer Behörde nach § 70 Nr 3 SGG iVm § 3 Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen (AG-SGG NRW) vom 3.9.1953 (GVBl NRW 412) idF des Gesetzes vom 17.12.1974 (GVBl NRW 1588) weggefallen ist. Durch Art 2 Nr 29 iVm Art 4 Satz 1 Gesetz zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) sind mit Wirkung vom 1.1.2011 die vorgenannten landesrechtlichen Bestimmungen ersatzlos aufgehoben worden (vgl hierzu bereits BSG Urteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R und B 10B 10 EG 2/10 R - juris RdNr 11). Der Senat hat sich deshalb nicht mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Auffassung des 8. Senats des BSG (s Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 14) zutrifft, dass eine Klage bei Bestehen eines landesrechtlich vorgesehenen Behördenprinzips zwingend gegen die Behörde zu richten ist (zur Gegenansicht BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 21; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 70 RdNr 4).

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b) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und 4 SGG) zulässig.

20

aa) Der Kläger begehrt die Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes und - nach Umstellung seines Klageantrags im Berufungsverfahren - die Erstattung des Eigenanteils für die Ausgabe der Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr. Insoweit betrifft der Rechtsstreit die Fragen, ob der seinerzeit zuständige Kreis die Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für die Zeit von September 2009 bis August 2010 kostenlos an den Kläger abzugeben hatte und die Beklagte zur Erstattung des vom Kläger dafür geleisteten Eigenanteils von 60 Euro verpflichtet ist. Der Kläger hat zunächst die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke begehrt und sich nach erfolglosem Verwaltungsverfahren die Wertmarke gegen Entrichtung des Eigenanteils iHv 60 Euro selbst beschafft. Das LSG hat zwar in seiner Entscheidung die Gültigkeitsdauer der dem Kläger ausgegebenen Wertmarke nicht festgestellt (§ 163 SGG). Diese ergibt sich aber aus der Sitzungsniederschrift vom 3.9.2010, nach der sich die Beteiligten nach Vorlage des Schwerbehindertenausweises des Klägers darüber einig geworden sind, dass Gegenstand des Verfahrens allein die für den Zeitraum September 2009 bis August 2010 beschaffte Wertmarke ist. Diesen Sachverhalt legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde. Denn über Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung hinaus kann das BSG den erforderlichen Tatsachenstoff auch der vorinstanzlichen Sitzungsniederschrift entnehmen (§ 202 SGG iVm § 559 Abs 1 Satz 1 ZPO; vgl auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 23.9.1969 - II C 25.66 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 4; Lüdtke in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 163 RdNr 2). Insoweit ist hier die Frage der Kostenpflicht oder Kostenfreiheit nach § 145 Abs 1 SGB IX für diesen Zeitraum weiterhin streitig(vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 13).

21

bb) Der Senat kann offen lassen, ob in der Umstellung des Klageantrags im Berufungsverfahren eine stets zulässige Umwandlung des Klagebegehrens wegen einer später eingetretenen Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG oder eine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu sehen ist. Das LSG hat sich mit dieser prozessualen Frage nicht befasst. Nach seinen Feststellungen, an die das BSG gebunden ist (§ 163 SGG), kann bereits nicht beurteilt werden, ob der Kläger die kostenpflichtige Wertmarke (§ 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX) vor oder nach Klageerhebung beim SG Aachen erworben hat, also eine später eingetretene Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vorliegt. Auch erscheint fraglich, ob die Rechtsprechung zur Ersatzbeschaffung im Krankenversicherungsrecht, nach der ohne Änderung des Klagegrundes (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG) an die Stelle eines Sachleistungsanspruchs nach Maßgabe des § 13 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch treten kann(vgl etwa BSG Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261, 262 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 113 mwN), auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist. Denn der Kläger hat die Sachleistung (Wertmarke) - wie begehrt - von der zuständigen Behörde erhalten, jedoch nur gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Der Erwerb der Wertmarke mit Eigenbeteiligung ist insoweit keine Ersatzbeschaffung, sondern gleicht der Beteiligung an den Kosten einer kranken- oder rentenversicherungsrechtlichen Sozialleistung (so bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

22

Selbst wenn man den Übergang auf ein anderes Klagebegehren - hier auf einen Kostenerstattungsanspruch - als eine Klageänderung ansieht, wäre diese nach den Maßgaben des § 99 Abs 1 SGG zulässig gewesen(vgl dazu BSG Urteil vom 17.5.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85 S 86). Die Beklagte hat sich nämlich in der mündlichen Verhandlung des LSG vom 3.9.2010 mit der Umstellung des Klagebegehrens ausdrücklich einverstanden erklärt.

23

cc) Auch die Sachurteilsvoraussetzungen für die Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage liegen vor.

24

Im Hinblick auf die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 20.7.2009 ist das Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage durchgeführt worden (zur Durchführung eines Vorverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung etwa BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5). Ob die Entscheidung über eine unentgeltliche Wertmarkenausgabe überhaupt durch Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X zu erfolgen hat(vgl zur Problematik LSG Baden Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 26 ff), kann (weiterhin) offen bleiben, weil der Beklagte hier die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat (vgl bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 14).

25

Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Bezirksregierung Münster nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 25.8.2009 maßgeblichen Rechtslage gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 SGG befugt war, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.7.2009 zu entscheiden (vgl zur Frage der Zuständigkeit in Verfahren nach §§ 69, 145 SGB IX gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 oder 4 SGG in NRW: LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - SozialVerw 2010, 8 ff, Revision anhängig unter B 9 SB 2/10 R; LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 5.3.2008 - L 10 SB 40/06 - Juris RdNr 39 ff). Denn sie ist jedenfalls seit Inkrafttreten des § 4a AG SGG NRW rückwirkend ab 1.1.2008 durch Art 3, 4 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) als Widerspruchsbehörde in Angelegenheiten nach den §§ 69, 145 SGB IX festgelegt worden(vgl zu § 4a AG SGG NRW bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 19). Diese landesrechtliche Zuständigkeitsregelung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Sowohl nach §§ 219, 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGG als auch gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGG iVm § 2 Abs 2 Satz 2 EingliederungsG sind insoweit abweichende Zuständigkeitsregelungen erlaubt.

26

Soweit es den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Anspruch des Klägers auf Erstattung des von ihm geleisteten Eigenanteils von 60 Euro betrifft, ist hier unschädlich, dass die Beklagte zu dem neuen Streitgegenstand kein eigenständiges Verwaltungsverfahren durchgeführt und dieses nicht mit einem Bescheid abgeschlossen hat (vgl § 8 SGB X). Erst recht schadet es nicht, dass kein Widerspruchsverfahren als Klagevoraussetzung durchgeführt worden ist (§ 78 Abs 3 iVm Abs 1 SGG). Zwar müssen auch im Falle einer zulässigen Klageänderung für die geänderte Klage im Regelfall die Sachurteilsvoraussetzungen in gleicher Weise vorliegen, wie es bei einer sofortigen Klageerhebung mit einem entsprechenden Begehren nötig gewesen wäre (vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54). Es ist aber anerkannt, dass in bestimmten Fällen nicht nur die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich sein kann (vgl im Einzelnen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 8, 8a mwN), sondern auch die Durchführung eines selbstständigen Verwaltungsverfahrens während eines anhängigen Rechtsstreits. Dies ist der Fall, wenn von einer eigenständigen Verwaltungsentscheidung nichts anderes zu erwarten ist als eine Bestätigung des prozessualen Vorbringens und die Verwaltung durch rügelose Einlassung oder gar durch ausdrückliches Einverständnis auf ihren Vorrang bei der Gesetzesausführung verzichtet hat (BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54; BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 9 SB 13/97 R - juris RdNr 12). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Kläger hat sich die Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nur deswegen gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX beschafft, weil die Beklagte die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke mit der angegriffenen Entscheidung abgelehnt hat und hieran - wie der vorliegende Prozess zeigt - weiterhin festhält.

27

2. In der Sache hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten.

28

a) Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Eigenanteils in Höhe von 60 Euro ist - wie das LSG zutreffend erkannt hat - der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl zu diesem allgemein anerkannten Rechtsinstitut BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 ff). Eine spezialgesetzliche Regelung über die Rückerstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Beträge nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist nicht ersichtlich.

29

aa) Als vorrangige Erstattungsregelung kommt insbesondere § 145 Abs 1 Satz 4 SGB IX nicht in Betracht. Danach gilt für die gemäß § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX grundsätzlich gegen einen Betrag von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr erhältliche Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im Personennahverkehr(§ 145 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX), dass im Falle der Rückgabe der Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer auf Antrag ein Betrag von 5 Euro für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe erstattet wird, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet, da sie nur diejenigen Fälle erfasst, in denen Berechtigte die gegen eine Selbstbeteiligung erhaltene Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer zurückgeben oder versterben. Der Wertmarkenbetrag wird infolgedessen für diejenigen Monate erstattet, in denen die Berechtigten von ihrem Recht auf unentgeltliche Beförderung keinen Gebrauch mehr machen können (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 8). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich hingegen auf die Erstattung des für die (inzwischen bereits abgelaufene) Wertmarke entrichteten Eigenanteils mit der Begründung, dass gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX überhaupt kein Betrag iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu leisten gewesen sei.

30

bb) Auch § 15 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist hier als besondere Erstattungsregel nicht einschlägig. Danach ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, soweit sich Leistungsberechtigte nach fruchtloser Fristsetzung und weiteren Voraussetzungen (vgl § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX). Es muss sich um eine Rehabilitationsleistung nach dem SGB IX (§§ 4, 5 SGB IX) bzw den speziellen Leistungsgesetzen handeln (vgl Luik in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 15 RdNr 27). Hieran fehlt es. Die gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ohne Eigenanteil auszugebende Wertmarke ist keine eigenständige Leistung nach dem SGB IX und kann überdies (auf rechtmäßige Weise) nicht selbst beschafft werden, soweit die Behörde die Ausgabe der Wertmarke von der Entrichtung des Betrags nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX abhängig macht. Die Sozialleistung besteht im Verhältnis zwischen Schwerbehinderten und Staat vielmehr in der Vergünstigung, von der Pflicht zur Zahlung des üblichen Beförderungsentgelts an die Verkehrsunternehmen freigestellt zu werden (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

31

b) Dem hier einschlägigen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch liegt der allgemeine, auch im Sozialrecht geltende Rechtsgrundsatz zu Grunde, dass zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzugeben sind (vgl zur Erstattung des anteiligen Eigenanteils bei vorzeitiger Rückgabe der Wertmarke für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 57 Abs 1 Satz 4 SchwbG idF vom 18.7.1985 bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7 ff). Auf diesen Anspruch kann sich nicht nur die Behörde, sondern auch der Bürger stützen, wenn zu seinen Lasten eine Vermögensverschiebung eingetreten ist und ein Sozialleistungsträger etwas erhalten hat, was ihm nicht zusteht (vgl BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513, 514). Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des bei der Ausgabe der Wertmarke für den Zeitraum September 2009 bis Oktober 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 60 Euro hat, wenn er seinerzeit diesen Eigenanteil gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX nicht zu entrichten hatte, der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX also rechtsgrundlos von der Beklagten entgegengenommen worden ist. Dies ist hier der Fall. Denn der Kläger konnte eine kostenfreie Wertmarke beanspruchen.

32

Rechtsgrundlage für die von dem damals zuständigen Kreis abgelehnte unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Vermögensverschiebung vor Ausgabe der von September 2009 bis August 2010 gültigen Wertmarke. Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

33

Soweit danach ein Antrag erforderlich ist, steht dem Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die Zeit von September 2009 bis August 2010 nicht bereits entgegen, dass der Kläger vor der Ausgabe der für diesen Zeitraum gültigen kostenpflichtigen Wertmarke möglicherweise keinen erneuten, "ausdrücklichen" Antrag iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke gestellt hat(vgl zu dieser Problematik LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 34). Zu einer wiederholten Antragstellung hat nämlich wegen der vom Kläger angefochtenen und damit nicht bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung der zuständigen Behörde (Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009) kein Anlass bestanden.

34

Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke liegen für den maßgeblichen Zeitraum vor. Der Kläger hat zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX gehört, denn ihm war das Merkzeichen "G" erteilt worden. Zudem hat der Kläger seinerzeit Leistungen iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erhalten. Denn die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII stellen nach Auffassung des erkennenden Senats "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS dieser Vorschrift dar. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

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aa) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

36

bb) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

37

cc) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (1). Zudem ist unter dem Begriff "erhalten" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX der faktische Bezug der in der Vorschrift genannten Leistungen zu verstehen, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Leistungsberechtigung des Empfängers ankommt(2).

38

(1) Einem weiten Verständnis des Begriffs der "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung mit Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

39

(a) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" zu, im sprachlichem Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

40

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen hat das LSG im Ansatz zutreffend erkannt, dass der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX so verstanden werden kann, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

41

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IV erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, obwohl das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

42

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

43

(b) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

44

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

45

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat seine letzte Fassung jedoch erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

46

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich - wie das LSG zutreffend erkannt hat - aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

47

(c) Für die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

48

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen im Rahmen des § 145 Abs 1 SGB IX stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

49

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesem sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

50

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung eines Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

51

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft seien könnte.

52

(d) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

53

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

54

Hierbei ist auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten bereits durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

55

(e) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Recht ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

56

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

57

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßgebend für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

58

(2) Zur Auslegung des Begriffs "erhalten" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX hat der erkennende Senat bereits die möglichen Deutungen und die in anderen Rechtsgebieten vertretenen Auffassungen dargelegt; danach kann unter diesem Begriff sowohl der faktische Bezug einer Leistung zu verstehen sein als auch das Empfangen der Leistung durch den sachlich-rechtlichen Inhaber der Forderung (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 18 mwN). Der Senat ist der Auffassung, dass bei § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX eine dem engeren Wortsinn entsprechende Auslegung vorzugswürdig ist, nach der es allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt(so auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 46). Hierfür spricht maßgeblich die nach den Gesetzesmaterialien zur insoweit inhaltsgleichen Vorläufervorschrift des § 57 Abs 1 Nr 2 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) vom Gesetzgeber gewollte Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Danach sollen die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter berücksichtigt werden, "ohne dass die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im einzelnen prüfen müssen". Über die Befreiung von der Kostenbeteiligung soll nach Vorlage eines Bescheids entschieden werden, "aus dem hervorgeht, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die genannten Leistungen bezogen werden" (BT-Drucks 10/335 S 89).

59

dd) Gemessen an diesen Kriterien werden die vom Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII bezogenen Leistungen von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Unerheblich ist hierbei, ob der Kläger auch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf diese Leistungen hatte, da es im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt. Ferner ergibt sich ein gesetzlicher Ausschluss des Klägers von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB XII weder unmittelbar noch mittelbar aus § 9 Abs 1 AsylbLG (1). Die vom Kläger bezogenen Leistungen werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt (2), und zwar an Personen, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (3).

60

(1) Nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen, wobei als Leistungsberechtigte dieser Vorschrift nach allgemeiner Meinung alle Berechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG zählen, also sowohl Bezieher von sog Grundleistungen(§§ 3 ff AsylbLG) als auch Analog-Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 7).

61

Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs 1 AsylbLG, dass Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG von der in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX vorgesehenen Vergünstigung ausgeschlossen sind (a). Hierfür sprechen auch nicht die Entstehungsgeschichte (b), der systematische Zusammenhang (c) oder der Sinn und Zweck der Vorschrift (d).

62

(a) Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht zwangsläufig eine übereinstimmende Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" iS des § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dem letztgenannten Begriff kommt im Rahmen der sozialen Vergünstigung bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im Personenverkehr eine weitergehende Bedeutung zu. Er umfasst auch Leistungen, die ihren Rechtsgrund nicht (allein) im SGB XII haben, sondern in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen gewährt werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Die Zweckrichtung der Vorschrift kann insoweit zu einem Begriffsverständnis führen, das von der in anderem gesetzlichen Zusammenhang entwickelten Auslegung abweicht.

63

(b) § 9 AsylbLG ist mit Einführung des AsylbLG am 1.11.1993 in Kraft getreten (BGBl I 1074) und regelt seither das Verhältnis dieses Leistungsgesetzes zu anderen gesetzlichen Vorschriften (vgl BT-Drucks 12/4451 S 10 zu der im ersten Gesetzentwurf ursprünglich als § 8 vorgesehenen Regelung und BT-Drucks 13/2746 S 17 zu § 9). Denn bei dem AsylbLG handelt es sich um ein besonderes Sicherungssystem, das aus dem Asylkompromiss 1992 heraus entstanden ist und eigenständige, abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen eng begrenzten Personenkreis von Ausländern enthält (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5; BT-Drucks 15/1516 S 52 zu § 7 SGB II). Nach dem ursprünglichen Wortlaut sah § 9 Abs 1 AsylbLG vor, dass Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten; dieser Wortlaut ist durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) zum 1.1.2005 lediglich redaktionell angepasst worden (Groth in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 9 AsylbLG RdNr 3).

64

Es ergeben sich weder aus den Gesetzmaterialen zur Einführung und zu späteren Änderungen der Beteiligung Berechtigter an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nach dem SchwbG bzw dem SGB IX noch aus den Vorgängen zu § 9 AsylbLG (und dem AsylbLG insgesamt) hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX übereinstimmend verstanden wissen und damit ausnahmslos alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG (mittelbar) von der sozialen Vergünstigung nach dem SGB IX ausschließen wollte.

65

Mit Einführung der Kostenbeteiligung im Jahr 1984 durch § 57 Abs 1 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) waren auch bedürftige Ausländer von der Entrichtung des Eigenanteils iS des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 Alt 2 SGB IX befreit, soweit sie zur Sicherung des Lebensunterhalts Leistungen der öffentlichen Fürsorge in Anspruch genommen haben. Denn sie hatten im Rahmen der Sozialhilfe ausnahmslos einen Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (§ 120 Abs 1 und 2 BSHG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532); dies galt auch für Asylbewerber (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5). Die Einführung des AsylbLG zum 1.11.1993 hatte im Hinblick auf den Mindestunterhalt während des Asylverfahrens eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen nach § 120 Abs 2 BSHG(idF bis zum 30.10.1993, BGBl I 1991, 94, 808; BGBl I 1993, 278) und einen Vorrang der Sachleistungsgewährung zum Ziel, um das Leistungsrecht dem Ausländer- und Asylrecht anzupassen (vgl BT-Drucks 12/4451 S 4). Den Materialien ist nicht zu entnehmen, dass sich dieser Systemwechsel auch auf die Rechtstellung des Personenkreises nach § 1 Abs 1 AsylbLG(idF vom 30.6.1993, BGBl I 1074) im Schwerbehindertenrecht, namentlich im Rahmen des damals geltenden § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG(idF vom 21.6.1991, BGBl I 1310), auswirken sollte. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres auf eine übereinstimmende Verwendung des Begriffs "Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz" in § 9 AsylbLG und § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG geschlossen werden. Vielmehr sollte die Formulierung in § 9 Abs 1 AsylbLG (lediglich) im Verhältnis zum Sozialhilferecht festlegen, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen zustehen(BT-Drucks 12/4451 S 10).

66

Ein gewichtiges Argument für einen übereinstimmenden Wortsinn ist es zwar, dass der Gesetzgeber seit Inkrafttreten des AsylbLG die Regelung des § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG bzw § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX trotz deren häufigen redaktionellen Änderungen nicht ausdrücklich zumindest auf einen Teil der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG(§ 2 Abs 1 AsylbLG) erstreckt hat. Daraus könnte man folgern, dass ein an sich regelungsbedürftiger Anspruch bewusst nicht gewährt werden sollte (sog "beredtes Schweigen"). Hiergegen spricht wiederum die weitere Entwicklung des Asylbewerberleistungsrechts. Denn der Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG ist im Laufe der Jahre mehrmals geändert worden, ohne dass sich der Gesetzgeber mit den Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht nachvollziehbar auseinandergesetzt hat.

67

Dies gilt insbesondere für das Erste Änderungsgesetz des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130). Mit ihm ist der Gedanke der Kosteneinsparung durch Einführung der sog Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG in den Vordergrund getreten(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21; BT-Drucks 17/3660 S 5) und die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs iS des § 1 Abs 1 AsylbLG ua auf Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge einhergegangen(vgl § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG idF vom 5.8.1997, BGBl I 1130), die ursprünglich nach dem Asylkompromiss 1992 ausdrücklich ausgenommen gewesen sind (vgl BT-Drucks 12/5008 S 13). Im Gesetzgebungsverfahren sind zwar auf Länderseite den Mehrkosten im Sozialhilfewesen durch eine Begrenzung der Arbeitslosenhilfe und durch die finanzielle Verantwortung für die unentgeltliche Beförderung ua von Schwerbehinderten im Personenverkehr Einsparungen durch die Änderungen des AsylbLG gegenübergestellt worden (vgl BT-Drucks 13/3475 S 3). Mögliche Auswirkungen der inhaltlichen Änderungen des AsylbLG auf die Rechtstellung der Betroffenen im Schwerbehindertenrecht und insbesondere bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr werden jedoch in den vorliegenden Gesetzesmaterialien (ua BT-Drucks 13/2746, Erstentwurf vom 24.10.1995; BT-Drucks 13/3475, Entwurf der Bundesregierung vom 12.1.1996; BT-Drucks 13/3720, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 7.2.1996; BT-Drucks 13/7510, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 23.4.1997) an keiner Stelle erörtert, obwohl dies bei einer gemeinsamen Behandlung dieser Regelungsgegenstände nahe gelegen hätte.

68

Entsprechendes gilt auch für die Änderungen und Anpassungen des persönlichen Anwendungsbereichs (§ 1 Abs 1 AsylbLG) an das neue Asyl- und Aufenthaltsrecht mit der Einführung des AufenthG, das mit Wirkung zum 1.1.2005 das Ausländergesetz abgelöst hat (vgl Art 8 Nr 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004, BGBl I 1950). Mit dem Zuwanderungsgesetz 2004 ist zum einen ein Teil der bis dahin regelmäßig nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten wegen europa- und völkerrechtlich vorgegebener Mindeststandards bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen (vgl Art 28 Abs 1 Richtlinie 2004/83/EG , ABl.EU L 304 vom 30.9.2004 und Art 23 Genfer Flüchtlingskommission, BGBl II 1953, 559) aus dem persönlichen Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen worden (vgl hierzu ausführlich Frerichs in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 1 AsylbLG RdNr 42 f, 56-58, 71 ff, 73; vgl auch BT-Drucks 15/420 S 61). Zum anderen sind Inhaber bestimmter Aufenthaltstitel (Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs 3 und 4 AuslG), die zuvor leistungsberechtigt nach dem BSHG gewesen sind, durch die Überführung ihres Titels in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG(vgl § 101 Abs 2 AufenthG)erstmals in den Anwendungsbereich des AsylbLG (§ 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG) einbezogen worden (vgl Frerichs, aaO, § 1 AsylbLG RdNr 95 f). Gleichwohl werden in den Gesetzesmaterialien die Änderungen des § 1 Abs 1 AsylbLG nicht näher erläutert, auch nicht im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht(BT-Drucks 15/420 S 120 f).

69

(c) Systematisch regelt § 9 Abs 1 AsylbLG nach Art einer Konkurrenznorm das Verhältnis des AsylbLG als abgeschlossenes Leistungssystem zu anderen Leistungsgesetzen. Er legt ausdrücklich fest, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem Sozialhilferecht (SGB XII) noch nach vergleichbaren Landesgesetzen, wie etwa Landesblinden- oder Landespflegegeldleistungen, zustehen (so die Gesetzesbegründung vom 2.3.1993 zum inhaltsgleichen § 8 Abs 1 des ersten Gesetzesentwurfs, BT-Drucks 12/4451 S 10; vgl jüngst etwa zum Landesblindengeld NRW OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.6.2011 - 12 A 1011/10 - juris). Die Vorschrift korrespondiert insoweit mit § 23 Abs 2 SGB XII, derzufolge Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten, und mit § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II(vgl hierzu BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 14; zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R - BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 10; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R - juris). Über seinen leistungsausschließenden Charakter hinaus, stellt die Vorschrift klar, dass es sich bei den Leistungen nach diesem Gesetz, auch bei denjenigen nach § 2 Abs 1 AsylbLG, ihrem Rechtsgrund nach um Leistungen nach dem AsylbLG handelt(vgl BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung; vgl auch Hohm, AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 8; Groth in jurisPK-SGB XII, § 9 AsylbLG RdNr 17).

70

Die Reichweite des § 9 Abs 1 AsylbLG ist systematisch aber auf das Verhältnis von AsylbLG und SGB XII (und vergleichbaren Ländergesetzen) begrenzt und erstreckt sich gemäß § 9 Abs 2 AsylbLG grundsätzlich nicht auf das Aufgaben- und Leistungsprogramm anderer Leistungsträger(vgl BVerwG Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24/98 - BVerwGE 109, 155 - juris RdNr 30 ). Für die Mobilitätsförderung nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX selbst ist dies offensichtlich; von einem Ausschluss des Klägers von diesem Nachteilsausgleich geht auch die Beklagte nicht aus. Aus dieser Systematik folgt zugleich, dass die Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX nicht übereinstimmen muss. Bemerkenswert sind insoweit die Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 9 Abs 2 AsylbLG. Danach können Leistungen anderer Leistungsträger nicht unter Hinweis auf Leistungen nach dem AsylbLG eingeschränkt werden, "sofern dies nicht ausdrücklich im Rahmen von Einkommensvoraussetzungen vorgesehen ist" (BT-Drucks 12/4451 S 10 zu § 8). Zumindest eine ausdrückliche Einschränkung enthält § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX für Leistungsbezieher nach dem AsylbLG nicht. Da das AsylbLG als eigenständiges Leistungssystem nicht in das SGB eingegliedert und kein besonderer Teil iS des § 68 SGB I ist(vgl Herbst in Mergler/Zink, SGB XII/AsylbLG, Einführung zum AsylbLG RdNr 12), lässt sich auch nicht mit einer übereinstimmenden Bedeutung der Begriffe innerhalb des SGB argumentieren.

71

(d) Der Gesetzgeber hat die durch § 9 Abs 1 AsylbLG klar zum Ausdruck kommende Abgrenzung dieses Leistungssystems vom Recht der Sozialhilfe(vgl dazu auch § 23 Abs 2 SGB XII) als notwendig erachtet, um bei der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG von grundlegenden Prinzipien des Sozialhilferechts, insbesondere vom Individualisierungsgrundsatz, abweichen zu können (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2; vgl auch Kunkel, NVwZ 1994, 352, 353; zum Abschied von den sog Strukturprinzipien der Sozialhilfe, die vom BVerwG entwickelt worden sind, vgl insb BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 5/07 R - SozR 4-3520 § 9 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, Vor § 1 RdNr 4 f, 8 f). Die Leistungen an Asylbewerber zur Deckung ihres Lebensunterhalts sollten außerhalb des BSHG "vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthaltes" ausgerichtet werden. Nach der zuvor geltenden Rechtslage (§ 120 Abs 2 BSHG) war die Einschränkung der Leistungen auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nur aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles zulässig (BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2 unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 26.8.1991 - 5 C 61.88 - BVerwGE 89, 87 ff).

72

Der Beklagten ist insoweit einzuräumen, dass die Herausnahme der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG aus dem Kreis der Sozialhilfebezieher ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber denjenigen Personen darstellt, die unmittelbar anspruchsberechtigt nach dem BSHG waren bzw heute nach dem SGB XII sind. Nicht beantwortet hat sie aber die entscheidende Frage, ob hieraus auch auf eine bewusste Schlechterstellung dieses Personenkreises im Schwerbehindertenrecht geschlossen werden kann. Dies wäre bei einem übereinstimmenden Wortsinn der "Leistungen nach dem SGB XII" iS des § 9 Abs 1 AsylbLG und der "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX der Fall. Der Senat verneint diese Frage. Denn § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG - und Entsprechendes gilt für § 23 Abs 2 SGB XII - ist nicht nur systematisch, sondern auch nach seinem Sinn und Zweck vornehmlich als Vorschrift betreffend die Gesetzeskonkurrenz im Bereich der Existenz sichernden Leistungen (SGB XII, AsylbLG) zu verstehen. Er stellt lediglich klar, dass Berechtigten nach § 1 AsylbLG über die Asylbewerberleistungen hinaus keine (weiteren) Existenz sichernden Leistungen der Sozialhilfe zustehen. Die gewollte Schlechterstellung dieser Personen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Recht der Sozialhilfe, lässt deren Rechtstellung im SGB IX unberührt. Durch das Schwerbehindertenrecht sollen nämlich alle Menschen mit Behinderungen - grundsätzlich unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status - durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderung in die Gesellschaft integriert werden (vgl BSG Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 2/09 R - BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 69 Nr 11, RdNr 31). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

73

(2) Die Leistungen, die der Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII erhalten hat, werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt. Denn nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf einen bestimmten Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG entsprechend anzuwenden. Hierbei kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 2 Abs 1 AsylbLG eine Rechtsfolgenverweisung(vgl hierzu ausführlich Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 2 RdNr 94 ff mwN) oder eine Rechtsgrundverweisung auf § 23 SGB XII(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40) enthält, unbeantwortet bleiben (ebenfalls offen gelassen durch BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 und BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 AY 1/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR RdNr 14 f; zur praktischen Bedeutung dieses Streits vgl auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 2 AsylbLG RdNr 108).

74

Es handelt sich zwar in der Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG um eine sog Analogieverweisung(vgl hierzu Handbuch der Rechtsförmlichkeit, herausgegeben vom BMJ, 3. Aufl 2008, RdNr 232), bei der der Bezugstext - das SGB XII - nicht wörtlich mitgelesen werden kann und nur eine "entsprechende" und ggf eine nach der Regelungsmaterie des AsylbLG abweichende Anwendung findet (zur entsprechenden Anwendung des SGB XII iS des § 2 Abs 1 AsylbLG vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 101 ff). Die Leistungen bestimmen sich jedoch grundsätzlich nach den näheren Leistungsvoraussetzungen, den Bestimmungen über Art, Form und Maß der Leistung und den einzelnen Verfahrensregelungen des Sozialhilferechts (vgl BT-Drucks 12/5008 S 15). Es gelten die - auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX maßgeblichen - Einkommens- und Vermögensgrenzen des SGB XII, da die asylbewerberleistungsrechtliche Vorschrift über zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen(§ 7 AsylbLG) gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG ("abweichend von den §§ 3 bis 7" AsylbLG) nicht anzuwenden ist(vgl auch Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 39; Hohm, aaO, § 2 RdNr 105 mwN). Ungeachtet des Streits über die Art der Verweisung besteht nach ganz herrschender Meinung jedenfalls im Hinblick auf die Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt Einigkeit darüber, dass die Regelungen über diese Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG heranzuziehen sind(vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 185 f; Decker, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 53; Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 42; Oppermann, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 121 f).

75

(3) Die Bezieher von Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm den Vorschriften des SGB XII stehen zudem - wie von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorausgesetzt - den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. Der Gesetzgeber mag die (in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 23 Abs 2 SGB XII zum Ausdruck kommende) klare Abgrenzung der Leistungssysteme (SGB XII/AsylbLG) aus systematischen Gründen als notwendig erachtet haben. Materiell-rechtlich sind Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG jedoch dem "System der Sozialhilfe" zugewiesen. Auch hierbei kann der Streit über die Art der Verweisung in § 2 Abs 1 AsylbLG unentschieden bleiben. Selbst wenn diese allein als Verweisung auf § 23 SGB XII zu verstehen wäre(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40), steht der berechtigte Personenkreis Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. § 23 SGB XII regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ausländer Sozialhilfe beziehen können. Die Vorschrift sieht für diesen Personenkreis zwar nur einen reduzierten Leistungskatalog vor. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII sind aber als Pflichtleistung die Hilfe zum Lebensunterhalt(§§ 27 ff SGB XII), die Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII), die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 50 SGB XII) sowie die Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII) auf sozialhilferechtlichem Niveau vorgesehen. Entsprechendes gilt für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§§ 41 bis 46 SGB XII), da diese Regelungen nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XII unberührt bleiben. Die Erbringung der übrigen Sozialhilfeleistungen liegt einzelfallbezogen im Ermessen der Behörde (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII).

76

Zwar erstreckt sich der Rechtsanspruch damit grundsätzlich nicht auf die Leistungen der übrigen Kapitel des SGB XII, insbesondere nicht auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 bis 60 SGB XII). Dieser sozialhilferechtliche Regelausschluss ist aber für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX ohne Belang. Zum einen sind auch Leistungsberechtigte nach § 23 Abs 1 SGB XII, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII beziehen, nach dieser Vorschrift von der Entrichtung des Eigenanteils befreit. Zum anderen führt der Erhalt der Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII allein noch nicht zu der Kostenbefreiung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

77

Aus den Besonderheiten des AsylbLG ergibt sich keine andere Bewertung. Vielmehr verbindet auch der Gesetzgeber mit der Anspruchsberechtigung nach § 2 Abs 1 AsylbLG "eine weitgehende Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht", weil bei einem längeren Zeitraum des Aufenthaltes und - mangels Entscheidung (über den Asylantrag) - noch nicht absehbarer weiterer Dauer nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden könne, der bei einem in der Regel nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entstehe. Insbesondere seien nunmehr Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung). Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 AsylbLG ging diese Integrationskomponente allerdings in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130) weitgehend verloren. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung, wie er sich an der Leistungsvoraussetzung eines 36 Monate währenden Leistungsbezugs nach §§ 3 ff AsylbLG (sog Vorbezugszeit) zeigt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 unter Bezugnahme auf den Ausschussbericht vom 7.2.1996, BT-Drucks 13/3728 S 3).

78

Auch bei der Anhebung der Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG auf 48 Monate mit Wirkung ab 28.8.2007 (Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) spielte die Integrationskomponente keine wesentliche Rolle (vgl BSG, aaO, RdNr 23 mwN). Immerhin kommt in den Materialien zum Ausdruck, nach einem Voraufenthalt von vier Jahren könne davon ausgegangen werden, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065 S 232 zu Nr 2). Hieraus ergibt sich jedenfalls für die Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen "einer weitgehenden Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht" nicht aufgegeben hat. Auf die wegen der entsprechenden Anwendung des SGB XII im Detail gegebenenfalls abweichende Leistungsgewährung nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl hierzu ausführlich Hohm, aaO, § 2 RdNr 110 ff) kommt es nach Auffassung des Senats insoweit nicht entscheidend an.

79

c) Die Beklagte war nach alledem gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX verpflichtet, an den Kläger eine für ein Jahr gültige Wertmarke - hier für den Zeitraum von September 2009 bis August 2010 - kostenlos, also ohne Entrichtung des Eigenanteils nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX, auszugeben. Der angefochtene Verwaltungsakt ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben. Zudem hat die Beklagte dem Kläger den rechtsgrundlos erhaltenen Betrag in Höhe von 60 Euro zu erstatten.

80

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des Landgerichts (LG) Hannover vom 9.1.2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 (BGBl I 2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SGB XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) gelten.

4

Nachdem ihm Besuchsausgang bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollzG nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SGB XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SGB XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im Anschluss an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

14

1. Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

15

2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2495, betrifft Abs 2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

16

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollzG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

17

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

18

b) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

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c) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

20

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

21

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

22

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen kann der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

23

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

24

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

25

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

26

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

27

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

28

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

29

cc) Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

30

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II, SGB VIII und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

31

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

32

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

33

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

34

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

35

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

36

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

37

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

38

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

39

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

40

d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollzG nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem SGB XII im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom Senat vertretenen Verständnis des Befreiungstatbestands auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

41

aa) § 11 Nds MVollzG stellt irrevisibeles Landesrecht iS des § 162 SGG dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat(vgl BSG etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 RK 1/89 - juris RdNr 12 f; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 - SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, S 322 RdNr 59). Insoweit hat das LSG ausgeführt, dass in Niedersachsen im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 Abs 2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollzG einen Rechtsgrundverweis auf § 35 Abs 2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des SGB XII gewährt werde.

42

Bei dem Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollzG ordnet aber - auch nach der vom LSG vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 Abs 2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten.

43

bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat(zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerfG Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 12 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, RdNr 100 ff ; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des Maßregelvollzugs nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSHG bereits BVerwG Urteil vom 13.1.1971 - V C 70.70 - BVerwGE 37, 87; zum SGB XII jüngst BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris RdNr 25 ff mwN; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 2 RdNr 56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den Vollzugseinrichtungen gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 98 RdNr 91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

44

e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf den Fall des Klägers lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur Freifahrt Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den Vollzugsgesetzen erhalten - abschließend(so allg schon BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der sozialen Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des Befreiungstatbestands seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

45

3. Dass der Kläger nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

46

Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 Abs 1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1). Danach ist Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

47

Soweit das LSG in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 Abs 2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LSG bei § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der Befreiungstatbestände nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem SGB IX oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 Abs 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris RdNr 33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 105 f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Revisionsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Betrages, den der Kläger für eine an ihn ausgegebene Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr entrichtet hat.

2

Der 1970 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger; er hält sich nach eigenen Angaben seit 2003 in Deutschland auf und durchlief erfolglos das Asylverfahren. Er leidet seit 2006 an einer koronaren Herzerkrankung und ist aus diesem Grunde reiseunfähig. Im Februar 2009 erhielt der Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Gültigkeit in der Folgezeit verlängert wurde.

3

Seit Juni 2009 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Es sind bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er zumindest seit dem 1.7.2009 durch Leistungen nach § 2 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) iVm den Vorschriften des SGB XII.

4

Am 2.7.2009 beantragte der Kläger beim Kreis A. die Ausstellung eines Beiblatts mit unentgeltlicher Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; insbesondere beziehe er keine der dort aufgeführten Leistungen (Bescheid vom 20.7.2009). Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Münster zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009).

5

Auf die hiergegen am 19.9.2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Aachen die ab dem 20.10.2009 an die Stelle des Kreises Aachen getretene Städteregion Aachen (Beklagte) unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszustellen (Urteil vom 11.1.2010), weil Leistungsbezieher gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG nach einer am Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX orientierten Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm - zu dem wegen Bedürftigkeit von der Entrichtung des Eigenanteils befreiten Personenkreis gehörten.

6

Die Beklagte hat hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger seinen Klageantrag im Einvernehmen mit der Beklagten dahingehend geändert, dass er von ihr die Kostenerstattung von 60 Euro begehre, da er sich die ursprünglich beantragte Wertmarke mittlerweile gegen Entrichtung des Eigenanteils selbst beschafft hatte.

7

Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 3.9.2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

8

Dem Kläger stehe ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da die Beklagte von ihm für die Wertmarke zu Unrecht den Eigenanteil in Höhe von 60 Euro entgegengenommen habe. Der Kläger sei in analoger Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX von vornherein nicht verpflichtet gewesen, einen Eigenanteil zu leisten. Die Vorschrift sei zwar nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar anzuwenden, auch wenn die dem Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG gewährten Leistungen der Höhe nach ausschließlich nach den Vorschriften des SGB XII bemessen seien. Denn nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhielten Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gerade keine Leistungen nach dem SGB XII, sondern Leistungen nach dem AsylbLG. Mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte zur Beteiligung von Schwerbehinderten an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr gemäß § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF liege aber eine Regelungslücke vor. Ursprünglich seien einkommensschwache Ausländer nämlich von der Kostenpflicht befreit gewesen, da sie vor Einführung des AsylbLG im Jahre 1993 bei Bedürftigkeit einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gehabt hätten. Auch wenn der Gesetzgeber mit dem AsylbLG eigenständige Regelungen des Unterhalts von Asylbewerbern und gegenüber den Leistungen nach dem BSHG eine deutlich abgesenkte Versorgung während des Asylverfahrens eingeführt habe, lasse sich eine bewusste Beseitigung der Kostenfreiheit gegenüber dem vorher bestehenden Rechtszustand jedenfalls für die Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG aus den Gesetzesmaterialien nicht eindeutig ableiten. Auch könne nicht angenommen werden, der moderne, oft unter Zeitdruck arbeitende Gesetzgeber wolle dieser Personengruppe einen regelungsbedürftigen Anspruch bewusst nicht gewähren, wenn er dazu schweige ("beredtes Schweigen").

9

Für die analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX spreche zum einen der Normzweck, einkommensschwache Personen von der Kostenbeteiligung zu befreien, weil sie mangels finanzieller Mittel ohnehin auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen seien. Dies treffe auf schwerbehinderte Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG in genau derselben Weise zu wie auf schwerbehinderte Sozialhilfeempfänger. Zum anderen entspreche diese Rechtsanwendung dem hier aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Gebot verfassungskonformer Auslegung, da die Umwandlung einer unentgeltlichen Freifahrt in eine Freifahrt mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtige, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Eine Ungleichbehandlung von mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Analog-Leistungen nach dem AsylbLG gegenüber mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sei sachlich nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht wegen eines nur vorläufigen Aufenthalts der Bezieher von Analog-Leistungen in Deutschland. Einerseits setze der Bezug dieser Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG einen Voraufenthalt von 48 Monaten voraus, andererseits gelte die Wertmarke jeweils nur für ein Jahr. Im Fall des Klägers könne wegen der schweren Herzerkrankung ohnehin nicht von einem nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden.

10

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehenden Kläger angewandt. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. Bei dem Erwerb der Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr seien insbesondere Bezieher von laufenden Leistungen nach dem SGB XII von dem Eigenanteil in Höhe von 60 Euro befreit (§ 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX), nicht aber Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Dem Gesetzgeber stehe es hier bis zur Grenze der Willkür frei, nach sachgemäßen Erwägungen bestimmte Personenkreise gegenüber anderen zu begünstigen. Insoweit belege die Gesetzesentwicklung seit Jahrzehnten das Bemühen des Gesetzgebers, die ständig steigende Belastung der öffentlichen Haushalte durch Anspruchsberechtigte - ob Schwerbehinderte, Asylbewerber oder Sozialhilfebezieher - abzumildern. Insbesondere habe der Gesetzgeber mit Neufassung des AsylbLG im Jahr 1993 eine eigenständige gesetzliche Regelung des Mindestunterhalts von Asylbewerbern geschaffen, mit der eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen einhergegangen sei. Die Entkoppelung dieses Leistungssystems vom regulären Sozialhilferecht sei ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber den Personen gewesen, die direkt anspruchsberechtigt nach dem BSHG bzw SGB XII seien.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.9.2010 und des SG Aachen vom 11.1.2010 aufzuheben sowie die Klage gegen den Bescheid des Kreises Aachen vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 25.8.2009 abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 zurückzuweisen.

13

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und macht ergänzend geltend, ein Ausschluss aus dem Kreis der Begünstigten iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX verstoße in seinem Fall mangels sachlicher Rechtfertigung nicht nur gegen die Verfassung(Art 3 Abs 1 GG), sondern sei auch mit völkerrechtlichen Diskriminierungsverboten nicht zu vereinbaren.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

16

1. Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des erkennenden Senats liegen vor.

17

a) Im Laufe des Gerichtsverfahrens ist auf der Beklagtenseite ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes erfolgt (vgl dazu BSG Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f, BSG Beschluss vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Der seit dem 1.1.2008 für die Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX zuständige Kreis Aachen(vgl § 2 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW 482; vgl zur Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte: BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - SozialVerw 2009, 59) ist nach Klageerhebung am 19.9.2009 mit Ablauf des 20.10.2009 durch § 1 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz vom 26.2.2008 (GVBl NRW 162) aufgelöst worden. Rechtsnachfolgerin ist gemäß § 2 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz die Städteregion Aachen(vgl hierzu bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 16 und Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 13).

18

Die Klage richtet sich jetzt zutreffend gegen die Städteregion Aachen, zumal mit Wirkung vom 1.1.2011 die Beteiligtenfähigkeit einer Behörde nach § 70 Nr 3 SGG iVm § 3 Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen (AG-SGG NRW) vom 3.9.1953 (GVBl NRW 412) idF des Gesetzes vom 17.12.1974 (GVBl NRW 1588) weggefallen ist. Durch Art 2 Nr 29 iVm Art 4 Satz 1 Gesetz zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) sind mit Wirkung vom 1.1.2011 die vorgenannten landesrechtlichen Bestimmungen ersatzlos aufgehoben worden (vgl hierzu bereits BSG Urteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R und B 10B 10 EG 2/10 R - juris RdNr 11). Der Senat hat sich deshalb nicht mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Auffassung des 8. Senats des BSG (s Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 14) zutrifft, dass eine Klage bei Bestehen eines landesrechtlich vorgesehenen Behördenprinzips zwingend gegen die Behörde zu richten ist (zur Gegenansicht BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 21; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 70 RdNr 4).

19

b) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und 4 SGG) zulässig.

20

aa) Der Kläger begehrt die Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes und - nach Umstellung seines Klageantrags im Berufungsverfahren - die Erstattung des Eigenanteils für die Ausgabe der Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr. Insoweit betrifft der Rechtsstreit die Fragen, ob der seinerzeit zuständige Kreis die Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für die Zeit von September 2009 bis August 2010 kostenlos an den Kläger abzugeben hatte und die Beklagte zur Erstattung des vom Kläger dafür geleisteten Eigenanteils von 60 Euro verpflichtet ist. Der Kläger hat zunächst die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke begehrt und sich nach erfolglosem Verwaltungsverfahren die Wertmarke gegen Entrichtung des Eigenanteils iHv 60 Euro selbst beschafft. Das LSG hat zwar in seiner Entscheidung die Gültigkeitsdauer der dem Kläger ausgegebenen Wertmarke nicht festgestellt (§ 163 SGG). Diese ergibt sich aber aus der Sitzungsniederschrift vom 3.9.2010, nach der sich die Beteiligten nach Vorlage des Schwerbehindertenausweises des Klägers darüber einig geworden sind, dass Gegenstand des Verfahrens allein die für den Zeitraum September 2009 bis August 2010 beschaffte Wertmarke ist. Diesen Sachverhalt legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde. Denn über Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung hinaus kann das BSG den erforderlichen Tatsachenstoff auch der vorinstanzlichen Sitzungsniederschrift entnehmen (§ 202 SGG iVm § 559 Abs 1 Satz 1 ZPO; vgl auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 23.9.1969 - II C 25.66 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 4; Lüdtke in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 163 RdNr 2). Insoweit ist hier die Frage der Kostenpflicht oder Kostenfreiheit nach § 145 Abs 1 SGB IX für diesen Zeitraum weiterhin streitig(vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 13).

21

bb) Der Senat kann offen lassen, ob in der Umstellung des Klageantrags im Berufungsverfahren eine stets zulässige Umwandlung des Klagebegehrens wegen einer später eingetretenen Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG oder eine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu sehen ist. Das LSG hat sich mit dieser prozessualen Frage nicht befasst. Nach seinen Feststellungen, an die das BSG gebunden ist (§ 163 SGG), kann bereits nicht beurteilt werden, ob der Kläger die kostenpflichtige Wertmarke (§ 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX) vor oder nach Klageerhebung beim SG Aachen erworben hat, also eine später eingetretene Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vorliegt. Auch erscheint fraglich, ob die Rechtsprechung zur Ersatzbeschaffung im Krankenversicherungsrecht, nach der ohne Änderung des Klagegrundes (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG) an die Stelle eines Sachleistungsanspruchs nach Maßgabe des § 13 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch treten kann(vgl etwa BSG Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261, 262 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 113 mwN), auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist. Denn der Kläger hat die Sachleistung (Wertmarke) - wie begehrt - von der zuständigen Behörde erhalten, jedoch nur gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Der Erwerb der Wertmarke mit Eigenbeteiligung ist insoweit keine Ersatzbeschaffung, sondern gleicht der Beteiligung an den Kosten einer kranken- oder rentenversicherungsrechtlichen Sozialleistung (so bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

22

Selbst wenn man den Übergang auf ein anderes Klagebegehren - hier auf einen Kostenerstattungsanspruch - als eine Klageänderung ansieht, wäre diese nach den Maßgaben des § 99 Abs 1 SGG zulässig gewesen(vgl dazu BSG Urteil vom 17.5.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85 S 86). Die Beklagte hat sich nämlich in der mündlichen Verhandlung des LSG vom 3.9.2010 mit der Umstellung des Klagebegehrens ausdrücklich einverstanden erklärt.

23

cc) Auch die Sachurteilsvoraussetzungen für die Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage liegen vor.

24

Im Hinblick auf die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 20.7.2009 ist das Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage durchgeführt worden (zur Durchführung eines Vorverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung etwa BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5). Ob die Entscheidung über eine unentgeltliche Wertmarkenausgabe überhaupt durch Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X zu erfolgen hat(vgl zur Problematik LSG Baden Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 26 ff), kann (weiterhin) offen bleiben, weil der Beklagte hier die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat (vgl bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 14).

25

Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Bezirksregierung Münster nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 25.8.2009 maßgeblichen Rechtslage gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 SGG befugt war, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.7.2009 zu entscheiden (vgl zur Frage der Zuständigkeit in Verfahren nach §§ 69, 145 SGB IX gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 oder 4 SGG in NRW: LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - SozialVerw 2010, 8 ff, Revision anhängig unter B 9 SB 2/10 R; LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 5.3.2008 - L 10 SB 40/06 - Juris RdNr 39 ff). Denn sie ist jedenfalls seit Inkrafttreten des § 4a AG SGG NRW rückwirkend ab 1.1.2008 durch Art 3, 4 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) als Widerspruchsbehörde in Angelegenheiten nach den §§ 69, 145 SGB IX festgelegt worden(vgl zu § 4a AG SGG NRW bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 19). Diese landesrechtliche Zuständigkeitsregelung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Sowohl nach §§ 219, 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGG als auch gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGG iVm § 2 Abs 2 Satz 2 EingliederungsG sind insoweit abweichende Zuständigkeitsregelungen erlaubt.

26

Soweit es den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Anspruch des Klägers auf Erstattung des von ihm geleisteten Eigenanteils von 60 Euro betrifft, ist hier unschädlich, dass die Beklagte zu dem neuen Streitgegenstand kein eigenständiges Verwaltungsverfahren durchgeführt und dieses nicht mit einem Bescheid abgeschlossen hat (vgl § 8 SGB X). Erst recht schadet es nicht, dass kein Widerspruchsverfahren als Klagevoraussetzung durchgeführt worden ist (§ 78 Abs 3 iVm Abs 1 SGG). Zwar müssen auch im Falle einer zulässigen Klageänderung für die geänderte Klage im Regelfall die Sachurteilsvoraussetzungen in gleicher Weise vorliegen, wie es bei einer sofortigen Klageerhebung mit einem entsprechenden Begehren nötig gewesen wäre (vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54). Es ist aber anerkannt, dass in bestimmten Fällen nicht nur die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich sein kann (vgl im Einzelnen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 8, 8a mwN), sondern auch die Durchführung eines selbstständigen Verwaltungsverfahrens während eines anhängigen Rechtsstreits. Dies ist der Fall, wenn von einer eigenständigen Verwaltungsentscheidung nichts anderes zu erwarten ist als eine Bestätigung des prozessualen Vorbringens und die Verwaltung durch rügelose Einlassung oder gar durch ausdrückliches Einverständnis auf ihren Vorrang bei der Gesetzesausführung verzichtet hat (BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54; BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 9 SB 13/97 R - juris RdNr 12). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Kläger hat sich die Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nur deswegen gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX beschafft, weil die Beklagte die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke mit der angegriffenen Entscheidung abgelehnt hat und hieran - wie der vorliegende Prozess zeigt - weiterhin festhält.

27

2. In der Sache hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten.

28

a) Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Eigenanteils in Höhe von 60 Euro ist - wie das LSG zutreffend erkannt hat - der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl zu diesem allgemein anerkannten Rechtsinstitut BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 ff). Eine spezialgesetzliche Regelung über die Rückerstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Beträge nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist nicht ersichtlich.

29

aa) Als vorrangige Erstattungsregelung kommt insbesondere § 145 Abs 1 Satz 4 SGB IX nicht in Betracht. Danach gilt für die gemäß § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX grundsätzlich gegen einen Betrag von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr erhältliche Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im Personennahverkehr(§ 145 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX), dass im Falle der Rückgabe der Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer auf Antrag ein Betrag von 5 Euro für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe erstattet wird, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet, da sie nur diejenigen Fälle erfasst, in denen Berechtigte die gegen eine Selbstbeteiligung erhaltene Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer zurückgeben oder versterben. Der Wertmarkenbetrag wird infolgedessen für diejenigen Monate erstattet, in denen die Berechtigten von ihrem Recht auf unentgeltliche Beförderung keinen Gebrauch mehr machen können (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 8). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich hingegen auf die Erstattung des für die (inzwischen bereits abgelaufene) Wertmarke entrichteten Eigenanteils mit der Begründung, dass gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX überhaupt kein Betrag iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu leisten gewesen sei.

30

bb) Auch § 15 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist hier als besondere Erstattungsregel nicht einschlägig. Danach ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, soweit sich Leistungsberechtigte nach fruchtloser Fristsetzung und weiteren Voraussetzungen (vgl § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX). Es muss sich um eine Rehabilitationsleistung nach dem SGB IX (§§ 4, 5 SGB IX) bzw den speziellen Leistungsgesetzen handeln (vgl Luik in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 15 RdNr 27). Hieran fehlt es. Die gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ohne Eigenanteil auszugebende Wertmarke ist keine eigenständige Leistung nach dem SGB IX und kann überdies (auf rechtmäßige Weise) nicht selbst beschafft werden, soweit die Behörde die Ausgabe der Wertmarke von der Entrichtung des Betrags nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX abhängig macht. Die Sozialleistung besteht im Verhältnis zwischen Schwerbehinderten und Staat vielmehr in der Vergünstigung, von der Pflicht zur Zahlung des üblichen Beförderungsentgelts an die Verkehrsunternehmen freigestellt zu werden (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

31

b) Dem hier einschlägigen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch liegt der allgemeine, auch im Sozialrecht geltende Rechtsgrundsatz zu Grunde, dass zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzugeben sind (vgl zur Erstattung des anteiligen Eigenanteils bei vorzeitiger Rückgabe der Wertmarke für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 57 Abs 1 Satz 4 SchwbG idF vom 18.7.1985 bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7 ff). Auf diesen Anspruch kann sich nicht nur die Behörde, sondern auch der Bürger stützen, wenn zu seinen Lasten eine Vermögensverschiebung eingetreten ist und ein Sozialleistungsträger etwas erhalten hat, was ihm nicht zusteht (vgl BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513, 514). Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des bei der Ausgabe der Wertmarke für den Zeitraum September 2009 bis Oktober 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 60 Euro hat, wenn er seinerzeit diesen Eigenanteil gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX nicht zu entrichten hatte, der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX also rechtsgrundlos von der Beklagten entgegengenommen worden ist. Dies ist hier der Fall. Denn der Kläger konnte eine kostenfreie Wertmarke beanspruchen.

32

Rechtsgrundlage für die von dem damals zuständigen Kreis abgelehnte unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Vermögensverschiebung vor Ausgabe der von September 2009 bis August 2010 gültigen Wertmarke. Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

33

Soweit danach ein Antrag erforderlich ist, steht dem Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die Zeit von September 2009 bis August 2010 nicht bereits entgegen, dass der Kläger vor der Ausgabe der für diesen Zeitraum gültigen kostenpflichtigen Wertmarke möglicherweise keinen erneuten, "ausdrücklichen" Antrag iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke gestellt hat(vgl zu dieser Problematik LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 34). Zu einer wiederholten Antragstellung hat nämlich wegen der vom Kläger angefochtenen und damit nicht bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung der zuständigen Behörde (Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009) kein Anlass bestanden.

34

Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke liegen für den maßgeblichen Zeitraum vor. Der Kläger hat zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX gehört, denn ihm war das Merkzeichen "G" erteilt worden. Zudem hat der Kläger seinerzeit Leistungen iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erhalten. Denn die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII stellen nach Auffassung des erkennenden Senats "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS dieser Vorschrift dar. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

35

aa) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

36

bb) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

37

cc) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (1). Zudem ist unter dem Begriff "erhalten" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX der faktische Bezug der in der Vorschrift genannten Leistungen zu verstehen, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Leistungsberechtigung des Empfängers ankommt(2).

38

(1) Einem weiten Verständnis des Begriffs der "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung mit Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

39

(a) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" zu, im sprachlichem Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

40

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen hat das LSG im Ansatz zutreffend erkannt, dass der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX so verstanden werden kann, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

41

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IV erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, obwohl das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

42

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

43

(b) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

44

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

45

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat seine letzte Fassung jedoch erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

46

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich - wie das LSG zutreffend erkannt hat - aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

47

(c) Für die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

48

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen im Rahmen des § 145 Abs 1 SGB IX stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

49

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesem sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

50

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung eines Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

51

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft seien könnte.

52

(d) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

53

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

54

Hierbei ist auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten bereits durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

55

(e) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Recht ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

56

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

57

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßgebend für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

58

(2) Zur Auslegung des Begriffs "erhalten" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX hat der erkennende Senat bereits die möglichen Deutungen und die in anderen Rechtsgebieten vertretenen Auffassungen dargelegt; danach kann unter diesem Begriff sowohl der faktische Bezug einer Leistung zu verstehen sein als auch das Empfangen der Leistung durch den sachlich-rechtlichen Inhaber der Forderung (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 18 mwN). Der Senat ist der Auffassung, dass bei § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX eine dem engeren Wortsinn entsprechende Auslegung vorzugswürdig ist, nach der es allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt(so auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 46). Hierfür spricht maßgeblich die nach den Gesetzesmaterialien zur insoweit inhaltsgleichen Vorläufervorschrift des § 57 Abs 1 Nr 2 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) vom Gesetzgeber gewollte Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Danach sollen die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter berücksichtigt werden, "ohne dass die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im einzelnen prüfen müssen". Über die Befreiung von der Kostenbeteiligung soll nach Vorlage eines Bescheids entschieden werden, "aus dem hervorgeht, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die genannten Leistungen bezogen werden" (BT-Drucks 10/335 S 89).

59

dd) Gemessen an diesen Kriterien werden die vom Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII bezogenen Leistungen von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Unerheblich ist hierbei, ob der Kläger auch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf diese Leistungen hatte, da es im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt. Ferner ergibt sich ein gesetzlicher Ausschluss des Klägers von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB XII weder unmittelbar noch mittelbar aus § 9 Abs 1 AsylbLG (1). Die vom Kläger bezogenen Leistungen werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt (2), und zwar an Personen, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (3).

60

(1) Nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen, wobei als Leistungsberechtigte dieser Vorschrift nach allgemeiner Meinung alle Berechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG zählen, also sowohl Bezieher von sog Grundleistungen(§§ 3 ff AsylbLG) als auch Analog-Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 7).

61

Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs 1 AsylbLG, dass Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG von der in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX vorgesehenen Vergünstigung ausgeschlossen sind (a). Hierfür sprechen auch nicht die Entstehungsgeschichte (b), der systematische Zusammenhang (c) oder der Sinn und Zweck der Vorschrift (d).

62

(a) Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht zwangsläufig eine übereinstimmende Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" iS des § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dem letztgenannten Begriff kommt im Rahmen der sozialen Vergünstigung bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im Personenverkehr eine weitergehende Bedeutung zu. Er umfasst auch Leistungen, die ihren Rechtsgrund nicht (allein) im SGB XII haben, sondern in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen gewährt werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Die Zweckrichtung der Vorschrift kann insoweit zu einem Begriffsverständnis führen, das von der in anderem gesetzlichen Zusammenhang entwickelten Auslegung abweicht.

63

(b) § 9 AsylbLG ist mit Einführung des AsylbLG am 1.11.1993 in Kraft getreten (BGBl I 1074) und regelt seither das Verhältnis dieses Leistungsgesetzes zu anderen gesetzlichen Vorschriften (vgl BT-Drucks 12/4451 S 10 zu der im ersten Gesetzentwurf ursprünglich als § 8 vorgesehenen Regelung und BT-Drucks 13/2746 S 17 zu § 9). Denn bei dem AsylbLG handelt es sich um ein besonderes Sicherungssystem, das aus dem Asylkompromiss 1992 heraus entstanden ist und eigenständige, abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen eng begrenzten Personenkreis von Ausländern enthält (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5; BT-Drucks 15/1516 S 52 zu § 7 SGB II). Nach dem ursprünglichen Wortlaut sah § 9 Abs 1 AsylbLG vor, dass Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten; dieser Wortlaut ist durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) zum 1.1.2005 lediglich redaktionell angepasst worden (Groth in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 9 AsylbLG RdNr 3).

64

Es ergeben sich weder aus den Gesetzmaterialen zur Einführung und zu späteren Änderungen der Beteiligung Berechtigter an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nach dem SchwbG bzw dem SGB IX noch aus den Vorgängen zu § 9 AsylbLG (und dem AsylbLG insgesamt) hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX übereinstimmend verstanden wissen und damit ausnahmslos alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG (mittelbar) von der sozialen Vergünstigung nach dem SGB IX ausschließen wollte.

65

Mit Einführung der Kostenbeteiligung im Jahr 1984 durch § 57 Abs 1 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) waren auch bedürftige Ausländer von der Entrichtung des Eigenanteils iS des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 Alt 2 SGB IX befreit, soweit sie zur Sicherung des Lebensunterhalts Leistungen der öffentlichen Fürsorge in Anspruch genommen haben. Denn sie hatten im Rahmen der Sozialhilfe ausnahmslos einen Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (§ 120 Abs 1 und 2 BSHG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532); dies galt auch für Asylbewerber (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5). Die Einführung des AsylbLG zum 1.11.1993 hatte im Hinblick auf den Mindestunterhalt während des Asylverfahrens eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen nach § 120 Abs 2 BSHG(idF bis zum 30.10.1993, BGBl I 1991, 94, 808; BGBl I 1993, 278) und einen Vorrang der Sachleistungsgewährung zum Ziel, um das Leistungsrecht dem Ausländer- und Asylrecht anzupassen (vgl BT-Drucks 12/4451 S 4). Den Materialien ist nicht zu entnehmen, dass sich dieser Systemwechsel auch auf die Rechtstellung des Personenkreises nach § 1 Abs 1 AsylbLG(idF vom 30.6.1993, BGBl I 1074) im Schwerbehindertenrecht, namentlich im Rahmen des damals geltenden § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG(idF vom 21.6.1991, BGBl I 1310), auswirken sollte. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres auf eine übereinstimmende Verwendung des Begriffs "Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz" in § 9 AsylbLG und § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG geschlossen werden. Vielmehr sollte die Formulierung in § 9 Abs 1 AsylbLG (lediglich) im Verhältnis zum Sozialhilferecht festlegen, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen zustehen(BT-Drucks 12/4451 S 10).

66

Ein gewichtiges Argument für einen übereinstimmenden Wortsinn ist es zwar, dass der Gesetzgeber seit Inkrafttreten des AsylbLG die Regelung des § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG bzw § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX trotz deren häufigen redaktionellen Änderungen nicht ausdrücklich zumindest auf einen Teil der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG(§ 2 Abs 1 AsylbLG) erstreckt hat. Daraus könnte man folgern, dass ein an sich regelungsbedürftiger Anspruch bewusst nicht gewährt werden sollte (sog "beredtes Schweigen"). Hiergegen spricht wiederum die weitere Entwicklung des Asylbewerberleistungsrechts. Denn der Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG ist im Laufe der Jahre mehrmals geändert worden, ohne dass sich der Gesetzgeber mit den Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht nachvollziehbar auseinandergesetzt hat.

67

Dies gilt insbesondere für das Erste Änderungsgesetz des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130). Mit ihm ist der Gedanke der Kosteneinsparung durch Einführung der sog Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG in den Vordergrund getreten(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21; BT-Drucks 17/3660 S 5) und die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs iS des § 1 Abs 1 AsylbLG ua auf Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge einhergegangen(vgl § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG idF vom 5.8.1997, BGBl I 1130), die ursprünglich nach dem Asylkompromiss 1992 ausdrücklich ausgenommen gewesen sind (vgl BT-Drucks 12/5008 S 13). Im Gesetzgebungsverfahren sind zwar auf Länderseite den Mehrkosten im Sozialhilfewesen durch eine Begrenzung der Arbeitslosenhilfe und durch die finanzielle Verantwortung für die unentgeltliche Beförderung ua von Schwerbehinderten im Personenverkehr Einsparungen durch die Änderungen des AsylbLG gegenübergestellt worden (vgl BT-Drucks 13/3475 S 3). Mögliche Auswirkungen der inhaltlichen Änderungen des AsylbLG auf die Rechtstellung der Betroffenen im Schwerbehindertenrecht und insbesondere bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr werden jedoch in den vorliegenden Gesetzesmaterialien (ua BT-Drucks 13/2746, Erstentwurf vom 24.10.1995; BT-Drucks 13/3475, Entwurf der Bundesregierung vom 12.1.1996; BT-Drucks 13/3720, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 7.2.1996; BT-Drucks 13/7510, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 23.4.1997) an keiner Stelle erörtert, obwohl dies bei einer gemeinsamen Behandlung dieser Regelungsgegenstände nahe gelegen hätte.

68

Entsprechendes gilt auch für die Änderungen und Anpassungen des persönlichen Anwendungsbereichs (§ 1 Abs 1 AsylbLG) an das neue Asyl- und Aufenthaltsrecht mit der Einführung des AufenthG, das mit Wirkung zum 1.1.2005 das Ausländergesetz abgelöst hat (vgl Art 8 Nr 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004, BGBl I 1950). Mit dem Zuwanderungsgesetz 2004 ist zum einen ein Teil der bis dahin regelmäßig nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten wegen europa- und völkerrechtlich vorgegebener Mindeststandards bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen (vgl Art 28 Abs 1 Richtlinie 2004/83/EG , ABl.EU L 304 vom 30.9.2004 und Art 23 Genfer Flüchtlingskommission, BGBl II 1953, 559) aus dem persönlichen Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen worden (vgl hierzu ausführlich Frerichs in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 1 AsylbLG RdNr 42 f, 56-58, 71 ff, 73; vgl auch BT-Drucks 15/420 S 61). Zum anderen sind Inhaber bestimmter Aufenthaltstitel (Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs 3 und 4 AuslG), die zuvor leistungsberechtigt nach dem BSHG gewesen sind, durch die Überführung ihres Titels in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG(vgl § 101 Abs 2 AufenthG)erstmals in den Anwendungsbereich des AsylbLG (§ 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG) einbezogen worden (vgl Frerichs, aaO, § 1 AsylbLG RdNr 95 f). Gleichwohl werden in den Gesetzesmaterialien die Änderungen des § 1 Abs 1 AsylbLG nicht näher erläutert, auch nicht im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht(BT-Drucks 15/420 S 120 f).

69

(c) Systematisch regelt § 9 Abs 1 AsylbLG nach Art einer Konkurrenznorm das Verhältnis des AsylbLG als abgeschlossenes Leistungssystem zu anderen Leistungsgesetzen. Er legt ausdrücklich fest, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem Sozialhilferecht (SGB XII) noch nach vergleichbaren Landesgesetzen, wie etwa Landesblinden- oder Landespflegegeldleistungen, zustehen (so die Gesetzesbegründung vom 2.3.1993 zum inhaltsgleichen § 8 Abs 1 des ersten Gesetzesentwurfs, BT-Drucks 12/4451 S 10; vgl jüngst etwa zum Landesblindengeld NRW OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.6.2011 - 12 A 1011/10 - juris). Die Vorschrift korrespondiert insoweit mit § 23 Abs 2 SGB XII, derzufolge Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten, und mit § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II(vgl hierzu BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 14; zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R - BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 10; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R - juris). Über seinen leistungsausschließenden Charakter hinaus, stellt die Vorschrift klar, dass es sich bei den Leistungen nach diesem Gesetz, auch bei denjenigen nach § 2 Abs 1 AsylbLG, ihrem Rechtsgrund nach um Leistungen nach dem AsylbLG handelt(vgl BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung; vgl auch Hohm, AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 8; Groth in jurisPK-SGB XII, § 9 AsylbLG RdNr 17).

70

Die Reichweite des § 9 Abs 1 AsylbLG ist systematisch aber auf das Verhältnis von AsylbLG und SGB XII (und vergleichbaren Ländergesetzen) begrenzt und erstreckt sich gemäß § 9 Abs 2 AsylbLG grundsätzlich nicht auf das Aufgaben- und Leistungsprogramm anderer Leistungsträger(vgl BVerwG Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24/98 - BVerwGE 109, 155 - juris RdNr 30 ). Für die Mobilitätsförderung nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX selbst ist dies offensichtlich; von einem Ausschluss des Klägers von diesem Nachteilsausgleich geht auch die Beklagte nicht aus. Aus dieser Systematik folgt zugleich, dass die Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX nicht übereinstimmen muss. Bemerkenswert sind insoweit die Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 9 Abs 2 AsylbLG. Danach können Leistungen anderer Leistungsträger nicht unter Hinweis auf Leistungen nach dem AsylbLG eingeschränkt werden, "sofern dies nicht ausdrücklich im Rahmen von Einkommensvoraussetzungen vorgesehen ist" (BT-Drucks 12/4451 S 10 zu § 8). Zumindest eine ausdrückliche Einschränkung enthält § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX für Leistungsbezieher nach dem AsylbLG nicht. Da das AsylbLG als eigenständiges Leistungssystem nicht in das SGB eingegliedert und kein besonderer Teil iS des § 68 SGB I ist(vgl Herbst in Mergler/Zink, SGB XII/AsylbLG, Einführung zum AsylbLG RdNr 12), lässt sich auch nicht mit einer übereinstimmenden Bedeutung der Begriffe innerhalb des SGB argumentieren.

71

(d) Der Gesetzgeber hat die durch § 9 Abs 1 AsylbLG klar zum Ausdruck kommende Abgrenzung dieses Leistungssystems vom Recht der Sozialhilfe(vgl dazu auch § 23 Abs 2 SGB XII) als notwendig erachtet, um bei der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG von grundlegenden Prinzipien des Sozialhilferechts, insbesondere vom Individualisierungsgrundsatz, abweichen zu können (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2; vgl auch Kunkel, NVwZ 1994, 352, 353; zum Abschied von den sog Strukturprinzipien der Sozialhilfe, die vom BVerwG entwickelt worden sind, vgl insb BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 5/07 R - SozR 4-3520 § 9 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, Vor § 1 RdNr 4 f, 8 f). Die Leistungen an Asylbewerber zur Deckung ihres Lebensunterhalts sollten außerhalb des BSHG "vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthaltes" ausgerichtet werden. Nach der zuvor geltenden Rechtslage (§ 120 Abs 2 BSHG) war die Einschränkung der Leistungen auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nur aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles zulässig (BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2 unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 26.8.1991 - 5 C 61.88 - BVerwGE 89, 87 ff).

72

Der Beklagten ist insoweit einzuräumen, dass die Herausnahme der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG aus dem Kreis der Sozialhilfebezieher ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber denjenigen Personen darstellt, die unmittelbar anspruchsberechtigt nach dem BSHG waren bzw heute nach dem SGB XII sind. Nicht beantwortet hat sie aber die entscheidende Frage, ob hieraus auch auf eine bewusste Schlechterstellung dieses Personenkreises im Schwerbehindertenrecht geschlossen werden kann. Dies wäre bei einem übereinstimmenden Wortsinn der "Leistungen nach dem SGB XII" iS des § 9 Abs 1 AsylbLG und der "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX der Fall. Der Senat verneint diese Frage. Denn § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG - und Entsprechendes gilt für § 23 Abs 2 SGB XII - ist nicht nur systematisch, sondern auch nach seinem Sinn und Zweck vornehmlich als Vorschrift betreffend die Gesetzeskonkurrenz im Bereich der Existenz sichernden Leistungen (SGB XII, AsylbLG) zu verstehen. Er stellt lediglich klar, dass Berechtigten nach § 1 AsylbLG über die Asylbewerberleistungen hinaus keine (weiteren) Existenz sichernden Leistungen der Sozialhilfe zustehen. Die gewollte Schlechterstellung dieser Personen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Recht der Sozialhilfe, lässt deren Rechtstellung im SGB IX unberührt. Durch das Schwerbehindertenrecht sollen nämlich alle Menschen mit Behinderungen - grundsätzlich unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status - durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderung in die Gesellschaft integriert werden (vgl BSG Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 2/09 R - BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 69 Nr 11, RdNr 31). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

73

(2) Die Leistungen, die der Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII erhalten hat, werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt. Denn nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf einen bestimmten Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG entsprechend anzuwenden. Hierbei kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 2 Abs 1 AsylbLG eine Rechtsfolgenverweisung(vgl hierzu ausführlich Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 2 RdNr 94 ff mwN) oder eine Rechtsgrundverweisung auf § 23 SGB XII(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40) enthält, unbeantwortet bleiben (ebenfalls offen gelassen durch BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 und BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 AY 1/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR RdNr 14 f; zur praktischen Bedeutung dieses Streits vgl auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 2 AsylbLG RdNr 108).

74

Es handelt sich zwar in der Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG um eine sog Analogieverweisung(vgl hierzu Handbuch der Rechtsförmlichkeit, herausgegeben vom BMJ, 3. Aufl 2008, RdNr 232), bei der der Bezugstext - das SGB XII - nicht wörtlich mitgelesen werden kann und nur eine "entsprechende" und ggf eine nach der Regelungsmaterie des AsylbLG abweichende Anwendung findet (zur entsprechenden Anwendung des SGB XII iS des § 2 Abs 1 AsylbLG vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 101 ff). Die Leistungen bestimmen sich jedoch grundsätzlich nach den näheren Leistungsvoraussetzungen, den Bestimmungen über Art, Form und Maß der Leistung und den einzelnen Verfahrensregelungen des Sozialhilferechts (vgl BT-Drucks 12/5008 S 15). Es gelten die - auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX maßgeblichen - Einkommens- und Vermögensgrenzen des SGB XII, da die asylbewerberleistungsrechtliche Vorschrift über zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen(§ 7 AsylbLG) gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG ("abweichend von den §§ 3 bis 7" AsylbLG) nicht anzuwenden ist(vgl auch Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 39; Hohm, aaO, § 2 RdNr 105 mwN). Ungeachtet des Streits über die Art der Verweisung besteht nach ganz herrschender Meinung jedenfalls im Hinblick auf die Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt Einigkeit darüber, dass die Regelungen über diese Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG heranzuziehen sind(vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 185 f; Decker, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 53; Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 42; Oppermann, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 121 f).

75

(3) Die Bezieher von Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm den Vorschriften des SGB XII stehen zudem - wie von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorausgesetzt - den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. Der Gesetzgeber mag die (in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 23 Abs 2 SGB XII zum Ausdruck kommende) klare Abgrenzung der Leistungssysteme (SGB XII/AsylbLG) aus systematischen Gründen als notwendig erachtet haben. Materiell-rechtlich sind Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG jedoch dem "System der Sozialhilfe" zugewiesen. Auch hierbei kann der Streit über die Art der Verweisung in § 2 Abs 1 AsylbLG unentschieden bleiben. Selbst wenn diese allein als Verweisung auf § 23 SGB XII zu verstehen wäre(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40), steht der berechtigte Personenkreis Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. § 23 SGB XII regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ausländer Sozialhilfe beziehen können. Die Vorschrift sieht für diesen Personenkreis zwar nur einen reduzierten Leistungskatalog vor. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII sind aber als Pflichtleistung die Hilfe zum Lebensunterhalt(§§ 27 ff SGB XII), die Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII), die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 50 SGB XII) sowie die Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII) auf sozialhilferechtlichem Niveau vorgesehen. Entsprechendes gilt für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§§ 41 bis 46 SGB XII), da diese Regelungen nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XII unberührt bleiben. Die Erbringung der übrigen Sozialhilfeleistungen liegt einzelfallbezogen im Ermessen der Behörde (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII).

76

Zwar erstreckt sich der Rechtsanspruch damit grundsätzlich nicht auf die Leistungen der übrigen Kapitel des SGB XII, insbesondere nicht auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 bis 60 SGB XII). Dieser sozialhilferechtliche Regelausschluss ist aber für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX ohne Belang. Zum einen sind auch Leistungsberechtigte nach § 23 Abs 1 SGB XII, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII beziehen, nach dieser Vorschrift von der Entrichtung des Eigenanteils befreit. Zum anderen führt der Erhalt der Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII allein noch nicht zu der Kostenbefreiung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

77

Aus den Besonderheiten des AsylbLG ergibt sich keine andere Bewertung. Vielmehr verbindet auch der Gesetzgeber mit der Anspruchsberechtigung nach § 2 Abs 1 AsylbLG "eine weitgehende Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht", weil bei einem längeren Zeitraum des Aufenthaltes und - mangels Entscheidung (über den Asylantrag) - noch nicht absehbarer weiterer Dauer nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden könne, der bei einem in der Regel nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entstehe. Insbesondere seien nunmehr Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung). Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 AsylbLG ging diese Integrationskomponente allerdings in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130) weitgehend verloren. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung, wie er sich an der Leistungsvoraussetzung eines 36 Monate währenden Leistungsbezugs nach §§ 3 ff AsylbLG (sog Vorbezugszeit) zeigt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 unter Bezugnahme auf den Ausschussbericht vom 7.2.1996, BT-Drucks 13/3728 S 3).

78

Auch bei der Anhebung der Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG auf 48 Monate mit Wirkung ab 28.8.2007 (Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) spielte die Integrationskomponente keine wesentliche Rolle (vgl BSG, aaO, RdNr 23 mwN). Immerhin kommt in den Materialien zum Ausdruck, nach einem Voraufenthalt von vier Jahren könne davon ausgegangen werden, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065 S 232 zu Nr 2). Hieraus ergibt sich jedenfalls für die Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen "einer weitgehenden Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht" nicht aufgegeben hat. Auf die wegen der entsprechenden Anwendung des SGB XII im Detail gegebenenfalls abweichende Leistungsgewährung nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl hierzu ausführlich Hohm, aaO, § 2 RdNr 110 ff) kommt es nach Auffassung des Senats insoweit nicht entscheidend an.

79

c) Die Beklagte war nach alledem gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX verpflichtet, an den Kläger eine für ein Jahr gültige Wertmarke - hier für den Zeitraum von September 2009 bis August 2010 - kostenlos, also ohne Entrichtung des Eigenanteils nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX, auszugeben. Der angefochtene Verwaltungsakt ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben. Zudem hat die Beklagte dem Kläger den rechtsgrundlos erhaltenen Betrag in Höhe von 60 Euro zu erstatten.

80

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Absatz 5 im Nahverkehr im Sinne des § 230 Absatz 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.

(2) Die Wertmarke wird gegen Entrichtung eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Der Betrag erhöht sich in entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die nächste Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe erfolgt. Liegt dieser Zeitpunkt innerhalb der Gültigkeitsdauer einer bereits ausgegebenen Wertmarke, ist der höhere Betrag erst im Zusammenhang mit der Ausgabe der darauffolgenden Wertmarke zu entrichten. Abweichend von § 160 Absatz 3 Satz 4 sind die sich ergebenden Beträge auf den nächsten vollen Eurobetrag aufzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 Satz 3 ergebenden Beträge im Bundesanzeiger bekannt.

(3) Wird die für ein Jahr ausgegebene Wertmarke vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag die Hälfte der Gebühr erstattet. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der schwerbehinderte Mensch vor Ablauf eines halben Jahres der Gültigkeitsdauer der für ein Jahr ausgegebenen Wertmarke verstirbt.

(4) Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Absatz 2 in seiner jeweiligen Höhe zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

1.
die blind im Sinne des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder
2.
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder
3.
die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.

(5) Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung nach § 3a Absatz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Anspruch genommen wird. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach den Absätzen 2 bis 4 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Absatz 1 Nummer 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.

(6) Absatz 1 gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 230, ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung

1.
einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und
2.
des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist, sowie für einen nach § 12e Absatz 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes gekennzeichneten Assistenzhund.

(7) Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 bis 6 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 231 bis 233 erstattet. Die Erstattungen sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) ausgenommen.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. April 2010 und des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für den gesamten Rechtsstreit keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das beklagte Land an den Kläger eine kostenlose Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszugeben hat.

2

Bei dem 1966 geborenen Kläger sind aufgrund körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt. Seinen laufenden Lebensunterhalt bestritt er bis 2006 mit Leistungen der Sozialhilfe bzw Grundsicherungsleistungen.

3

Seit April 2006 ist der Kläger aufgrund eines Strafurteils des Landgerichts (LG) Hannover vom 9.1.2006 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er erhält gemäß § 11 Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds MVollzG) ein monatliches Taschengeld, das nach den Grundsätzen und Maßstäben bemessen ist, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I 3022), geändert durch Gesetz vom 2.12.2006 (BGBl I 2670; siehe jetzt § 27b Abs 2 SGB XII idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) gelten.

4

Nachdem ihm Besuchsausgang bewilligt worden war, beantragte der Kläger im Dezember 2007 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Beiblatts mit kostenloser Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; denn er beziehe keine der dort aufgeführten Sozialleistungen (Bescheid vom 13.3.2008; Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger eine unentgeltliche Wertmarke für ein Jahr auszugeben (Urteil vom 29.1.2009).

6

Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom 22.4.2010 zurückgewiesen und seine Entscheidung maßgeblich auf eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gestützt. Zwar handele es sich ua aus fiskalischen Gründen um eine abschließende Regelung, in der die begünstigten Personenkreise eindeutig benannt seien. Eine analoge Anwendung der Norm sei aber nach Sinn und Zweck der Regelung über die Berechtigung Schwerbehinderter zur Freifahrt im öffentlichen Personenverkehr im Allgemeinen und der Kostenbefreiung einkommensschwacher Behinderter im Besonderen sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Denn es bestehe bei denjenigen Schwerbehinderten, die gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten, eine Regelungslücke in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX. Die Interessenlage eines schwerbehinderten Empfängers von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII und eines schwerbehinderten Empfängers von Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG sei im Wesentlichen die gleiche, soweit letzterer - wie der Kläger - ausgangsberechtigt sei. Insbesondere seien beide Personengruppen in gleicher Weise auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen, da § 11 Nds MVollzG nach den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers einen Rechtsgrundverweis enthalte und sich damit die Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorschriften des SGB XII richte. Soweit bedürftig befänden sich in einer Einrichtung iS des § 35 SGB XII lebende und im Maßregelvollzug untergebrachte Schwerbehinderte in exakt der gleichen wirtschaftlichen Lage. Beide Personengruppen hätten auch das gleiche Interesse an der Sicherstellung ihrer Mobilität und Integration in die Gesellschaft. Insoweit sei eine Ungleichbehandlung dieser Personen sachlich nicht gerechtfertigt und aufgrund der Überschreitung der Grenze der Willkür nicht mit der Verfassung (Art 3 Abs 1 GG) zu vereinbaren.

7

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den ein Taschengeld gemäß § 11 Nds MVollzG beziehenden Kläger angewandt. Weder entspreche eine solche Gesetzesanwendung dem Sinn der Vorschrift noch bestehe eine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden dürfe. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX privilegiere eine ganz konkrete Gruppe von Menschen, die bestimmte und abschließend genannte unterhaltssichernde Leistungen beziehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger gerade nicht. Die damit einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht willkürlich und verstoße nicht gegen die Verfassung (Art 3 Abs 1 GG), weil sie wegen erheblicher Unterschiede zwischen bedürftigen Menschen mit Behinderung und Schwerbehinderten, die im Anschluss an Straftaten im Maßregelvollzug untergebracht seien, sachlich gerechtfertigt sei. Die durch eine Behinderung begründeten Teilhaberechte am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben seien nicht vergleichbar mit dem Resozialisierungsanspruch von Strafgefangenen oder dem Integrationsanspruch von Menschen im Maßregelvollzug.

9

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

14

1. Die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.4.2010 und des SG Hannover vom 29.1.2009 sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage ist abzuweisen. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für ein Jahr.

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2. Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959; die Änderung des § 145 SGB IX durch Gesetz vom 30.7.2009, BGBl I 2495, betrifft Abs 2 der Norm und ist hier unbeachtlich). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der auf die Zukunft gerichteten Leistungsklage ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (allgM, vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

16

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke. Er gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX, denn der Beklagte hatte ihm das Merkzeichen "G" erteilt. Der Kläger wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 11 Nds MVollzG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

17

a) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

18

b) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

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c) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

20

Einem weiten Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

21

aa) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII zu, im sprachlichen Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

22

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen kann der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX so verstanden werden, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

23

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, auch wenn das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

24

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

25

bb) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

26

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

27

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat gleichwohl seine letzte Fassung erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist wiederum auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

28

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus den Gesetzmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

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cc) Für die vom Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

30

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II, SGB VIII und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

31

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

32

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung des Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

33

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft sein könnte.

34

dd) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

35

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

36

Hierbei ist aber auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

37

ee) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Rechts ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

38

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

39

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßstab für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

40

d) Nach diesen Maßgaben erhält der Kläger nicht "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Zunächst liegt der Rechtsgrund der Gewährung des Taschengeldes nach § 11 Nds MVollzG nicht im SGB XII, es ist also keine Leistung nach dem SGB XII im engeren Sinne. Zudem ist es nach dem vom Senat vertretenen Verständnis des Befreiungstatbestands auch keine für den Lebensunterhalt laufende Leistung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII. Denn es wird weder in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften gewährt, noch erhalten es Berechtigte, die im Wesentlichen Sozialhilfeempfängern gleichstehen.

41

aa) § 11 Nds MVollzG stellt irrevisibeles Landesrecht iS des § 162 SGG dar, so dass das BSG die in der Entscheidung des Berufungsgerichts enthaltene Aussage über das Bestehen und den Inhalt der Rechtsnorm gemäß § 202 SGG iVm § 560 ZPO seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat(vgl BSG etwa Urteil vom 30.10.1990 - 4 RK 1/89 - juris RdNr 12 f; BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 - SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 30 f; May, Die Revision, 1995, S 322 RdNr 59). Insoweit hat das LSG ausgeführt, dass in Niedersachsen im Maßregelvollzug Untergebrachte gemäß § 11 Nds MVollzG ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben erhalten, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten. Zum einen richte sich damit die Höhe dieser Leistung nach den Grundsätzen des § 35 Abs 2 SGB XII aF. Zum anderen enthalte § 11 Nds MVollzG einen Rechtsgrundverweis auf § 35 Abs 2 SGB XII aF, so dass das Taschengeld bedürftigkeitsabhängig nach den maßgeblichen Regelungen des SGB XII gewährt werde.

42

Bei dem Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF handelt es sich zwar um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Auch dürfte das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG regelmäßig die gleiche Leistungshöhe wie der Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF aufweisen. § 11 Nds MVollzG ordnet aber - auch nach der vom LSG vertretenen Auslegung - keine entsprechende Anwendung des § 35 Abs 2 SGB XII aF an, sondern - ggf weitergehend - die Gewährung eines Taschengeldes nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 35 Abs 2 SGB XII aF gelten.

43

bb) Im Maßregelvollzug Untergebrachte stehen Sozialhilfeempfängern nicht im Wesentlichen gleich. Die Unterbringung im Maßregelvollzug - hier in einem psychiatrischen Krankenhaus - ist eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung iS des § 61 Strafgesetzbuch (StGB). Sie beruht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 63 ff StGB aus Anlass und als Rechtsfolge einer rechtswidrigen Tat(zum zweispurigen Sanktionensystem des StGB vgl jüngst BVerfG Urteil vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 12 BvR 1152/10 - NJW 2011, 1931, RdNr 100 ff ; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 1 f). Der Maßregelvollzug richtet sich nach uneinheitlichem Landesrecht (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris 21). Anders als die auf die Rehabilitation des Behinderten gerichtete Sozialhilfe zielt er auf die Resozialisierung des Betroffenen ab. Dieser Dualismus der Aufgabenstellung schließt ein nebeneinander von Sozialhilfe und Versorgung im Rahmen des Maßregelvollzugs nach bisheriger Rechtsprechung nicht aus (vgl zum BSHG bereits BVerwG Urteil vom 13.1.1971 - V C 70.70 - BVerwGE 37, 87; zum SGB XII jüngst BVerfG Beschluss vom 24.7.2008 - 2 BvR 840/06 - juris RdNr 25 ff mwN; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 2 RdNr 56). Die Versorgung der im Maßregelvollzug Untergebrachten wird insoweit zum ganz überwiegenden Teil von den Vollzugseinrichtungen gewährleistet, so dass der Sozialhilfeträger allenfalls für bestimmte "Restbedarfe" aufzukommen hat (vgl Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Juni 2011, K § 98 RdNr 91). Wenngleich sich die Leistungen für den Lebensunterhalt im Maßregelvollzug - insbesondere die Taschengeldgewährung - mitunter nicht wesentlich von den entsprechenden Sozialhilfeleistungen unterscheiden, sind die Berechtigten materiell dem Maßregelvollzugsrecht und damit einem eigenständigen und von dem Grundsicherungsrecht (SGB II/SGB XII) auch inhaltlich abgegrenzten Sicherungssystem zugewiesen. Die Sicherung ihres Lebensunterhalts richtet sich grundsätzlich nicht nach dem "System des Sozialhilferechts".

44

e) Eine Erstreckung des Inhalts des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf den Fall des Klägers lässt sich auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, insbesondere mittels eines Analogieschlusses erreichen. Es fehlt an einer erkennbaren Unvollständigkeit des Gesetzes. § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ist - auch im Hinblick auf zur Freifahrt Berechtigte, die im Maßregelvollzug untergebracht sind und ein Taschengeld nach den Vollzugsgesetzen erhalten - abschließend(so allg schon BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 2 f; BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Weder die Entstehungsgeschichte der Norm noch die systematischen Zusammenhänge sprechen für eine Ausweitung der sozialen Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX auf im Maßregelvollzug Untergebrachte, die nach dem einschlägigen Vollzugsrecht ein Taschengeld erhalten. Der Gesetzgeber hat neben den existenzsichernden Fürsorgesystemen (SGB II/SGB XII) auch andere Leistungssysteme (SGB VIII/BVG) ausdrücklich in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX aufgenommen. Angesichts der häufigen Änderungen des Befreiungstatbestands seit Einführung der Kostenbeteiligung Berechtigter an der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr im Jahr 1984 ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bedürftigkeitsabhängige Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Maßregelvollzugsrecht nur versehentlich nicht berücksichtigt hat. Vielmehr dient § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erkennbar dazu, den begünstigten Personenkreis nach dem "System des Sozialhilferechts" zu bestimmen, nicht hingegen nach anderen Sicherungssystemen, wie zB dem Maßregelvollzug.

45

3. Dass der Kläger nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

46

Nach den bereits dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art 3 Abs 1 GG ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1). Danach ist Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

47

Soweit das LSG in diesem Zusammenhang diejenigen zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr Berechtigten (§ 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die ihren laufenden Lebensunterhalt einerseits durch das Taschengeld nach § 11 Nds MVollzG und andererseits durch den Barbetrag iS des § 35 Abs 2 SGB XII aF bestreiten, heranzieht, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichend sachliche Gründe. Die Personengruppen sind nämlich unterschiedlichen Sicherungssystemen zugewiesen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des LSG bei § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX gerade nicht auf die gleiche wirtschaftliche Lage an bzw auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich im Maßregelvollzug befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Im Übrigen wäre eine bundeseinheitliche Regelung, die allen landesrechtlichen Maßregelvollzugsgesetzen Rechnung trägt, unter Beibehaltung der Struktur der Befreiungstatbestände nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich: Entweder durch komplexe Bezugnahmen auf die einzelnen Landesvorschriften oder durch eine eigenständige Bedürftigkeitsprüfung der Leistungsträger nach dem SGB IX oder aber - einfacher - durch eine Härtefallklausel (vgl etwa zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Personen im Maßregelvollzug nach § 6 Abs 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 26.5.2011 - 4 LC 59/10 - juris RdNr 33 ff; Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 6. Aufl 2003, S 105 f). Dies alles ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Revisionsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Betrages, den der Kläger für eine an ihn ausgegebene Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr entrichtet hat.

2

Der 1970 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger; er hält sich nach eigenen Angaben seit 2003 in Deutschland auf und durchlief erfolglos das Asylverfahren. Er leidet seit 2006 an einer koronaren Herzerkrankung und ist aus diesem Grunde reiseunfähig. Im Februar 2009 erhielt der Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Gültigkeit in der Folgezeit verlängert wurde.

3

Seit Juni 2009 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Es sind bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er zumindest seit dem 1.7.2009 durch Leistungen nach § 2 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) iVm den Vorschriften des SGB XII.

4

Am 2.7.2009 beantragte der Kläger beim Kreis A. die Ausstellung eines Beiblatts mit unentgeltlicher Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; insbesondere beziehe er keine der dort aufgeführten Leistungen (Bescheid vom 20.7.2009). Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Münster zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009).

5

Auf die hiergegen am 19.9.2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Aachen die ab dem 20.10.2009 an die Stelle des Kreises Aachen getretene Städteregion Aachen (Beklagte) unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszustellen (Urteil vom 11.1.2010), weil Leistungsbezieher gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG nach einer am Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX orientierten Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm - zu dem wegen Bedürftigkeit von der Entrichtung des Eigenanteils befreiten Personenkreis gehörten.

6

Die Beklagte hat hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger seinen Klageantrag im Einvernehmen mit der Beklagten dahingehend geändert, dass er von ihr die Kostenerstattung von 60 Euro begehre, da er sich die ursprünglich beantragte Wertmarke mittlerweile gegen Entrichtung des Eigenanteils selbst beschafft hatte.

7

Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 3.9.2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

8

Dem Kläger stehe ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da die Beklagte von ihm für die Wertmarke zu Unrecht den Eigenanteil in Höhe von 60 Euro entgegengenommen habe. Der Kläger sei in analoger Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX von vornherein nicht verpflichtet gewesen, einen Eigenanteil zu leisten. Die Vorschrift sei zwar nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar anzuwenden, auch wenn die dem Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG gewährten Leistungen der Höhe nach ausschließlich nach den Vorschriften des SGB XII bemessen seien. Denn nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhielten Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gerade keine Leistungen nach dem SGB XII, sondern Leistungen nach dem AsylbLG. Mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte zur Beteiligung von Schwerbehinderten an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr gemäß § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF liege aber eine Regelungslücke vor. Ursprünglich seien einkommensschwache Ausländer nämlich von der Kostenpflicht befreit gewesen, da sie vor Einführung des AsylbLG im Jahre 1993 bei Bedürftigkeit einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gehabt hätten. Auch wenn der Gesetzgeber mit dem AsylbLG eigenständige Regelungen des Unterhalts von Asylbewerbern und gegenüber den Leistungen nach dem BSHG eine deutlich abgesenkte Versorgung während des Asylverfahrens eingeführt habe, lasse sich eine bewusste Beseitigung der Kostenfreiheit gegenüber dem vorher bestehenden Rechtszustand jedenfalls für die Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG aus den Gesetzesmaterialien nicht eindeutig ableiten. Auch könne nicht angenommen werden, der moderne, oft unter Zeitdruck arbeitende Gesetzgeber wolle dieser Personengruppe einen regelungsbedürftigen Anspruch bewusst nicht gewähren, wenn er dazu schweige ("beredtes Schweigen").

9

Für die analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX spreche zum einen der Normzweck, einkommensschwache Personen von der Kostenbeteiligung zu befreien, weil sie mangels finanzieller Mittel ohnehin auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen seien. Dies treffe auf schwerbehinderte Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG in genau derselben Weise zu wie auf schwerbehinderte Sozialhilfeempfänger. Zum anderen entspreche diese Rechtsanwendung dem hier aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Gebot verfassungskonformer Auslegung, da die Umwandlung einer unentgeltlichen Freifahrt in eine Freifahrt mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtige, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Eine Ungleichbehandlung von mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Analog-Leistungen nach dem AsylbLG gegenüber mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sei sachlich nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht wegen eines nur vorläufigen Aufenthalts der Bezieher von Analog-Leistungen in Deutschland. Einerseits setze der Bezug dieser Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG einen Voraufenthalt von 48 Monaten voraus, andererseits gelte die Wertmarke jeweils nur für ein Jahr. Im Fall des Klägers könne wegen der schweren Herzerkrankung ohnehin nicht von einem nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden.

10

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehenden Kläger angewandt. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. Bei dem Erwerb der Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr seien insbesondere Bezieher von laufenden Leistungen nach dem SGB XII von dem Eigenanteil in Höhe von 60 Euro befreit (§ 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX), nicht aber Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Dem Gesetzgeber stehe es hier bis zur Grenze der Willkür frei, nach sachgemäßen Erwägungen bestimmte Personenkreise gegenüber anderen zu begünstigen. Insoweit belege die Gesetzesentwicklung seit Jahrzehnten das Bemühen des Gesetzgebers, die ständig steigende Belastung der öffentlichen Haushalte durch Anspruchsberechtigte - ob Schwerbehinderte, Asylbewerber oder Sozialhilfebezieher - abzumildern. Insbesondere habe der Gesetzgeber mit Neufassung des AsylbLG im Jahr 1993 eine eigenständige gesetzliche Regelung des Mindestunterhalts von Asylbewerbern geschaffen, mit der eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen einhergegangen sei. Die Entkoppelung dieses Leistungssystems vom regulären Sozialhilferecht sei ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber den Personen gewesen, die direkt anspruchsberechtigt nach dem BSHG bzw SGB XII seien.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.9.2010 und des SG Aachen vom 11.1.2010 aufzuheben sowie die Klage gegen den Bescheid des Kreises Aachen vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 25.8.2009 abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 zurückzuweisen.

13

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und macht ergänzend geltend, ein Ausschluss aus dem Kreis der Begünstigten iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX verstoße in seinem Fall mangels sachlicher Rechtfertigung nicht nur gegen die Verfassung(Art 3 Abs 1 GG), sondern sei auch mit völkerrechtlichen Diskriminierungsverboten nicht zu vereinbaren.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

16

1. Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des erkennenden Senats liegen vor.

17

a) Im Laufe des Gerichtsverfahrens ist auf der Beklagtenseite ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes erfolgt (vgl dazu BSG Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f, BSG Beschluss vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Der seit dem 1.1.2008 für die Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX zuständige Kreis Aachen(vgl § 2 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW 482; vgl zur Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte: BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - SozialVerw 2009, 59) ist nach Klageerhebung am 19.9.2009 mit Ablauf des 20.10.2009 durch § 1 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz vom 26.2.2008 (GVBl NRW 162) aufgelöst worden. Rechtsnachfolgerin ist gemäß § 2 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz die Städteregion Aachen(vgl hierzu bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 16 und Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 13).

18

Die Klage richtet sich jetzt zutreffend gegen die Städteregion Aachen, zumal mit Wirkung vom 1.1.2011 die Beteiligtenfähigkeit einer Behörde nach § 70 Nr 3 SGG iVm § 3 Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen (AG-SGG NRW) vom 3.9.1953 (GVBl NRW 412) idF des Gesetzes vom 17.12.1974 (GVBl NRW 1588) weggefallen ist. Durch Art 2 Nr 29 iVm Art 4 Satz 1 Gesetz zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) sind mit Wirkung vom 1.1.2011 die vorgenannten landesrechtlichen Bestimmungen ersatzlos aufgehoben worden (vgl hierzu bereits BSG Urteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R und B 10B 10 EG 2/10 R - juris RdNr 11). Der Senat hat sich deshalb nicht mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Auffassung des 8. Senats des BSG (s Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 14) zutrifft, dass eine Klage bei Bestehen eines landesrechtlich vorgesehenen Behördenprinzips zwingend gegen die Behörde zu richten ist (zur Gegenansicht BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 21; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 70 RdNr 4).

19

b) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und 4 SGG) zulässig.

20

aa) Der Kläger begehrt die Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes und - nach Umstellung seines Klageantrags im Berufungsverfahren - die Erstattung des Eigenanteils für die Ausgabe der Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr. Insoweit betrifft der Rechtsstreit die Fragen, ob der seinerzeit zuständige Kreis die Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für die Zeit von September 2009 bis August 2010 kostenlos an den Kläger abzugeben hatte und die Beklagte zur Erstattung des vom Kläger dafür geleisteten Eigenanteils von 60 Euro verpflichtet ist. Der Kläger hat zunächst die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke begehrt und sich nach erfolglosem Verwaltungsverfahren die Wertmarke gegen Entrichtung des Eigenanteils iHv 60 Euro selbst beschafft. Das LSG hat zwar in seiner Entscheidung die Gültigkeitsdauer der dem Kläger ausgegebenen Wertmarke nicht festgestellt (§ 163 SGG). Diese ergibt sich aber aus der Sitzungsniederschrift vom 3.9.2010, nach der sich die Beteiligten nach Vorlage des Schwerbehindertenausweises des Klägers darüber einig geworden sind, dass Gegenstand des Verfahrens allein die für den Zeitraum September 2009 bis August 2010 beschaffte Wertmarke ist. Diesen Sachverhalt legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde. Denn über Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung hinaus kann das BSG den erforderlichen Tatsachenstoff auch der vorinstanzlichen Sitzungsniederschrift entnehmen (§ 202 SGG iVm § 559 Abs 1 Satz 1 ZPO; vgl auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 23.9.1969 - II C 25.66 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 4; Lüdtke in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 163 RdNr 2). Insoweit ist hier die Frage der Kostenpflicht oder Kostenfreiheit nach § 145 Abs 1 SGB IX für diesen Zeitraum weiterhin streitig(vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 13).

21

bb) Der Senat kann offen lassen, ob in der Umstellung des Klageantrags im Berufungsverfahren eine stets zulässige Umwandlung des Klagebegehrens wegen einer später eingetretenen Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG oder eine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu sehen ist. Das LSG hat sich mit dieser prozessualen Frage nicht befasst. Nach seinen Feststellungen, an die das BSG gebunden ist (§ 163 SGG), kann bereits nicht beurteilt werden, ob der Kläger die kostenpflichtige Wertmarke (§ 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX) vor oder nach Klageerhebung beim SG Aachen erworben hat, also eine später eingetretene Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vorliegt. Auch erscheint fraglich, ob die Rechtsprechung zur Ersatzbeschaffung im Krankenversicherungsrecht, nach der ohne Änderung des Klagegrundes (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG) an die Stelle eines Sachleistungsanspruchs nach Maßgabe des § 13 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch treten kann(vgl etwa BSG Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261, 262 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 113 mwN), auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist. Denn der Kläger hat die Sachleistung (Wertmarke) - wie begehrt - von der zuständigen Behörde erhalten, jedoch nur gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Der Erwerb der Wertmarke mit Eigenbeteiligung ist insoweit keine Ersatzbeschaffung, sondern gleicht der Beteiligung an den Kosten einer kranken- oder rentenversicherungsrechtlichen Sozialleistung (so bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

22

Selbst wenn man den Übergang auf ein anderes Klagebegehren - hier auf einen Kostenerstattungsanspruch - als eine Klageänderung ansieht, wäre diese nach den Maßgaben des § 99 Abs 1 SGG zulässig gewesen(vgl dazu BSG Urteil vom 17.5.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85 S 86). Die Beklagte hat sich nämlich in der mündlichen Verhandlung des LSG vom 3.9.2010 mit der Umstellung des Klagebegehrens ausdrücklich einverstanden erklärt.

23

cc) Auch die Sachurteilsvoraussetzungen für die Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage liegen vor.

24

Im Hinblick auf die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 20.7.2009 ist das Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage durchgeführt worden (zur Durchführung eines Vorverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung etwa BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5). Ob die Entscheidung über eine unentgeltliche Wertmarkenausgabe überhaupt durch Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X zu erfolgen hat(vgl zur Problematik LSG Baden Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 26 ff), kann (weiterhin) offen bleiben, weil der Beklagte hier die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat (vgl bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 14).

25

Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Bezirksregierung Münster nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 25.8.2009 maßgeblichen Rechtslage gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 SGG befugt war, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.7.2009 zu entscheiden (vgl zur Frage der Zuständigkeit in Verfahren nach §§ 69, 145 SGB IX gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 oder 4 SGG in NRW: LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - SozialVerw 2010, 8 ff, Revision anhängig unter B 9 SB 2/10 R; LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 5.3.2008 - L 10 SB 40/06 - Juris RdNr 39 ff). Denn sie ist jedenfalls seit Inkrafttreten des § 4a AG SGG NRW rückwirkend ab 1.1.2008 durch Art 3, 4 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) als Widerspruchsbehörde in Angelegenheiten nach den §§ 69, 145 SGB IX festgelegt worden(vgl zu § 4a AG SGG NRW bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 19). Diese landesrechtliche Zuständigkeitsregelung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Sowohl nach §§ 219, 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGG als auch gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGG iVm § 2 Abs 2 Satz 2 EingliederungsG sind insoweit abweichende Zuständigkeitsregelungen erlaubt.

26

Soweit es den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Anspruch des Klägers auf Erstattung des von ihm geleisteten Eigenanteils von 60 Euro betrifft, ist hier unschädlich, dass die Beklagte zu dem neuen Streitgegenstand kein eigenständiges Verwaltungsverfahren durchgeführt und dieses nicht mit einem Bescheid abgeschlossen hat (vgl § 8 SGB X). Erst recht schadet es nicht, dass kein Widerspruchsverfahren als Klagevoraussetzung durchgeführt worden ist (§ 78 Abs 3 iVm Abs 1 SGG). Zwar müssen auch im Falle einer zulässigen Klageänderung für die geänderte Klage im Regelfall die Sachurteilsvoraussetzungen in gleicher Weise vorliegen, wie es bei einer sofortigen Klageerhebung mit einem entsprechenden Begehren nötig gewesen wäre (vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54). Es ist aber anerkannt, dass in bestimmten Fällen nicht nur die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich sein kann (vgl im Einzelnen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 8, 8a mwN), sondern auch die Durchführung eines selbstständigen Verwaltungsverfahrens während eines anhängigen Rechtsstreits. Dies ist der Fall, wenn von einer eigenständigen Verwaltungsentscheidung nichts anderes zu erwarten ist als eine Bestätigung des prozessualen Vorbringens und die Verwaltung durch rügelose Einlassung oder gar durch ausdrückliches Einverständnis auf ihren Vorrang bei der Gesetzesausführung verzichtet hat (BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54; BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 9 SB 13/97 R - juris RdNr 12). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Kläger hat sich die Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nur deswegen gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX beschafft, weil die Beklagte die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke mit der angegriffenen Entscheidung abgelehnt hat und hieran - wie der vorliegende Prozess zeigt - weiterhin festhält.

27

2. In der Sache hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten.

28

a) Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Eigenanteils in Höhe von 60 Euro ist - wie das LSG zutreffend erkannt hat - der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl zu diesem allgemein anerkannten Rechtsinstitut BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 ff). Eine spezialgesetzliche Regelung über die Rückerstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Beträge nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist nicht ersichtlich.

29

aa) Als vorrangige Erstattungsregelung kommt insbesondere § 145 Abs 1 Satz 4 SGB IX nicht in Betracht. Danach gilt für die gemäß § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX grundsätzlich gegen einen Betrag von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr erhältliche Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im Personennahverkehr(§ 145 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX), dass im Falle der Rückgabe der Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer auf Antrag ein Betrag von 5 Euro für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe erstattet wird, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet, da sie nur diejenigen Fälle erfasst, in denen Berechtigte die gegen eine Selbstbeteiligung erhaltene Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer zurückgeben oder versterben. Der Wertmarkenbetrag wird infolgedessen für diejenigen Monate erstattet, in denen die Berechtigten von ihrem Recht auf unentgeltliche Beförderung keinen Gebrauch mehr machen können (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 8). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich hingegen auf die Erstattung des für die (inzwischen bereits abgelaufene) Wertmarke entrichteten Eigenanteils mit der Begründung, dass gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX überhaupt kein Betrag iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu leisten gewesen sei.

30

bb) Auch § 15 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist hier als besondere Erstattungsregel nicht einschlägig. Danach ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, soweit sich Leistungsberechtigte nach fruchtloser Fristsetzung und weiteren Voraussetzungen (vgl § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX). Es muss sich um eine Rehabilitationsleistung nach dem SGB IX (§§ 4, 5 SGB IX) bzw den speziellen Leistungsgesetzen handeln (vgl Luik in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 15 RdNr 27). Hieran fehlt es. Die gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ohne Eigenanteil auszugebende Wertmarke ist keine eigenständige Leistung nach dem SGB IX und kann überdies (auf rechtmäßige Weise) nicht selbst beschafft werden, soweit die Behörde die Ausgabe der Wertmarke von der Entrichtung des Betrags nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX abhängig macht. Die Sozialleistung besteht im Verhältnis zwischen Schwerbehinderten und Staat vielmehr in der Vergünstigung, von der Pflicht zur Zahlung des üblichen Beförderungsentgelts an die Verkehrsunternehmen freigestellt zu werden (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

31

b) Dem hier einschlägigen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch liegt der allgemeine, auch im Sozialrecht geltende Rechtsgrundsatz zu Grunde, dass zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzugeben sind (vgl zur Erstattung des anteiligen Eigenanteils bei vorzeitiger Rückgabe der Wertmarke für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 57 Abs 1 Satz 4 SchwbG idF vom 18.7.1985 bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7 ff). Auf diesen Anspruch kann sich nicht nur die Behörde, sondern auch der Bürger stützen, wenn zu seinen Lasten eine Vermögensverschiebung eingetreten ist und ein Sozialleistungsträger etwas erhalten hat, was ihm nicht zusteht (vgl BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513, 514). Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des bei der Ausgabe der Wertmarke für den Zeitraum September 2009 bis Oktober 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 60 Euro hat, wenn er seinerzeit diesen Eigenanteil gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX nicht zu entrichten hatte, der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX also rechtsgrundlos von der Beklagten entgegengenommen worden ist. Dies ist hier der Fall. Denn der Kläger konnte eine kostenfreie Wertmarke beanspruchen.

32

Rechtsgrundlage für die von dem damals zuständigen Kreis abgelehnte unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Vermögensverschiebung vor Ausgabe der von September 2009 bis August 2010 gültigen Wertmarke. Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

33

Soweit danach ein Antrag erforderlich ist, steht dem Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die Zeit von September 2009 bis August 2010 nicht bereits entgegen, dass der Kläger vor der Ausgabe der für diesen Zeitraum gültigen kostenpflichtigen Wertmarke möglicherweise keinen erneuten, "ausdrücklichen" Antrag iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke gestellt hat(vgl zu dieser Problematik LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 34). Zu einer wiederholten Antragstellung hat nämlich wegen der vom Kläger angefochtenen und damit nicht bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung der zuständigen Behörde (Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009) kein Anlass bestanden.

34

Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke liegen für den maßgeblichen Zeitraum vor. Der Kläger hat zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX gehört, denn ihm war das Merkzeichen "G" erteilt worden. Zudem hat der Kläger seinerzeit Leistungen iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erhalten. Denn die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII stellen nach Auffassung des erkennenden Senats "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS dieser Vorschrift dar. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

35

aa) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

36

bb) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

37

cc) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (1). Zudem ist unter dem Begriff "erhalten" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX der faktische Bezug der in der Vorschrift genannten Leistungen zu verstehen, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Leistungsberechtigung des Empfängers ankommt(2).

38

(1) Einem weiten Verständnis des Begriffs der "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung mit Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

39

(a) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" zu, im sprachlichem Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

40

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen hat das LSG im Ansatz zutreffend erkannt, dass der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX so verstanden werden kann, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

41

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IV erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, obwohl das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

42

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

43

(b) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

44

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

45

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat seine letzte Fassung jedoch erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

46

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich - wie das LSG zutreffend erkannt hat - aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

47

(c) Für die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

48

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen im Rahmen des § 145 Abs 1 SGB IX stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

49

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesem sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

50

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung eines Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

51

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft seien könnte.

52

(d) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

53

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

54

Hierbei ist auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten bereits durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

55

(e) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Recht ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

56

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

57

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßgebend für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

58

(2) Zur Auslegung des Begriffs "erhalten" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX hat der erkennende Senat bereits die möglichen Deutungen und die in anderen Rechtsgebieten vertretenen Auffassungen dargelegt; danach kann unter diesem Begriff sowohl der faktische Bezug einer Leistung zu verstehen sein als auch das Empfangen der Leistung durch den sachlich-rechtlichen Inhaber der Forderung (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 18 mwN). Der Senat ist der Auffassung, dass bei § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX eine dem engeren Wortsinn entsprechende Auslegung vorzugswürdig ist, nach der es allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt(so auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 46). Hierfür spricht maßgeblich die nach den Gesetzesmaterialien zur insoweit inhaltsgleichen Vorläufervorschrift des § 57 Abs 1 Nr 2 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) vom Gesetzgeber gewollte Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Danach sollen die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter berücksichtigt werden, "ohne dass die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im einzelnen prüfen müssen". Über die Befreiung von der Kostenbeteiligung soll nach Vorlage eines Bescheids entschieden werden, "aus dem hervorgeht, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die genannten Leistungen bezogen werden" (BT-Drucks 10/335 S 89).

59

dd) Gemessen an diesen Kriterien werden die vom Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII bezogenen Leistungen von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Unerheblich ist hierbei, ob der Kläger auch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf diese Leistungen hatte, da es im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt. Ferner ergibt sich ein gesetzlicher Ausschluss des Klägers von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB XII weder unmittelbar noch mittelbar aus § 9 Abs 1 AsylbLG (1). Die vom Kläger bezogenen Leistungen werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt (2), und zwar an Personen, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (3).

60

(1) Nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen, wobei als Leistungsberechtigte dieser Vorschrift nach allgemeiner Meinung alle Berechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG zählen, also sowohl Bezieher von sog Grundleistungen(§§ 3 ff AsylbLG) als auch Analog-Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 7).

61

Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs 1 AsylbLG, dass Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG von der in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX vorgesehenen Vergünstigung ausgeschlossen sind (a). Hierfür sprechen auch nicht die Entstehungsgeschichte (b), der systematische Zusammenhang (c) oder der Sinn und Zweck der Vorschrift (d).

62

(a) Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht zwangsläufig eine übereinstimmende Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" iS des § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dem letztgenannten Begriff kommt im Rahmen der sozialen Vergünstigung bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im Personenverkehr eine weitergehende Bedeutung zu. Er umfasst auch Leistungen, die ihren Rechtsgrund nicht (allein) im SGB XII haben, sondern in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen gewährt werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Die Zweckrichtung der Vorschrift kann insoweit zu einem Begriffsverständnis führen, das von der in anderem gesetzlichen Zusammenhang entwickelten Auslegung abweicht.

63

(b) § 9 AsylbLG ist mit Einführung des AsylbLG am 1.11.1993 in Kraft getreten (BGBl I 1074) und regelt seither das Verhältnis dieses Leistungsgesetzes zu anderen gesetzlichen Vorschriften (vgl BT-Drucks 12/4451 S 10 zu der im ersten Gesetzentwurf ursprünglich als § 8 vorgesehenen Regelung und BT-Drucks 13/2746 S 17 zu § 9). Denn bei dem AsylbLG handelt es sich um ein besonderes Sicherungssystem, das aus dem Asylkompromiss 1992 heraus entstanden ist und eigenständige, abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen eng begrenzten Personenkreis von Ausländern enthält (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5; BT-Drucks 15/1516 S 52 zu § 7 SGB II). Nach dem ursprünglichen Wortlaut sah § 9 Abs 1 AsylbLG vor, dass Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten; dieser Wortlaut ist durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) zum 1.1.2005 lediglich redaktionell angepasst worden (Groth in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 9 AsylbLG RdNr 3).

64

Es ergeben sich weder aus den Gesetzmaterialen zur Einführung und zu späteren Änderungen der Beteiligung Berechtigter an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nach dem SchwbG bzw dem SGB IX noch aus den Vorgängen zu § 9 AsylbLG (und dem AsylbLG insgesamt) hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX übereinstimmend verstanden wissen und damit ausnahmslos alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG (mittelbar) von der sozialen Vergünstigung nach dem SGB IX ausschließen wollte.

65

Mit Einführung der Kostenbeteiligung im Jahr 1984 durch § 57 Abs 1 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) waren auch bedürftige Ausländer von der Entrichtung des Eigenanteils iS des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 Alt 2 SGB IX befreit, soweit sie zur Sicherung des Lebensunterhalts Leistungen der öffentlichen Fürsorge in Anspruch genommen haben. Denn sie hatten im Rahmen der Sozialhilfe ausnahmslos einen Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (§ 120 Abs 1 und 2 BSHG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532); dies galt auch für Asylbewerber (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5). Die Einführung des AsylbLG zum 1.11.1993 hatte im Hinblick auf den Mindestunterhalt während des Asylverfahrens eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen nach § 120 Abs 2 BSHG(idF bis zum 30.10.1993, BGBl I 1991, 94, 808; BGBl I 1993, 278) und einen Vorrang der Sachleistungsgewährung zum Ziel, um das Leistungsrecht dem Ausländer- und Asylrecht anzupassen (vgl BT-Drucks 12/4451 S 4). Den Materialien ist nicht zu entnehmen, dass sich dieser Systemwechsel auch auf die Rechtstellung des Personenkreises nach § 1 Abs 1 AsylbLG(idF vom 30.6.1993, BGBl I 1074) im Schwerbehindertenrecht, namentlich im Rahmen des damals geltenden § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG(idF vom 21.6.1991, BGBl I 1310), auswirken sollte. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres auf eine übereinstimmende Verwendung des Begriffs "Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz" in § 9 AsylbLG und § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG geschlossen werden. Vielmehr sollte die Formulierung in § 9 Abs 1 AsylbLG (lediglich) im Verhältnis zum Sozialhilferecht festlegen, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen zustehen(BT-Drucks 12/4451 S 10).

66

Ein gewichtiges Argument für einen übereinstimmenden Wortsinn ist es zwar, dass der Gesetzgeber seit Inkrafttreten des AsylbLG die Regelung des § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG bzw § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX trotz deren häufigen redaktionellen Änderungen nicht ausdrücklich zumindest auf einen Teil der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG(§ 2 Abs 1 AsylbLG) erstreckt hat. Daraus könnte man folgern, dass ein an sich regelungsbedürftiger Anspruch bewusst nicht gewährt werden sollte (sog "beredtes Schweigen"). Hiergegen spricht wiederum die weitere Entwicklung des Asylbewerberleistungsrechts. Denn der Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG ist im Laufe der Jahre mehrmals geändert worden, ohne dass sich der Gesetzgeber mit den Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht nachvollziehbar auseinandergesetzt hat.

67

Dies gilt insbesondere für das Erste Änderungsgesetz des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130). Mit ihm ist der Gedanke der Kosteneinsparung durch Einführung der sog Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG in den Vordergrund getreten(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21; BT-Drucks 17/3660 S 5) und die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs iS des § 1 Abs 1 AsylbLG ua auf Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge einhergegangen(vgl § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG idF vom 5.8.1997, BGBl I 1130), die ursprünglich nach dem Asylkompromiss 1992 ausdrücklich ausgenommen gewesen sind (vgl BT-Drucks 12/5008 S 13). Im Gesetzgebungsverfahren sind zwar auf Länderseite den Mehrkosten im Sozialhilfewesen durch eine Begrenzung der Arbeitslosenhilfe und durch die finanzielle Verantwortung für die unentgeltliche Beförderung ua von Schwerbehinderten im Personenverkehr Einsparungen durch die Änderungen des AsylbLG gegenübergestellt worden (vgl BT-Drucks 13/3475 S 3). Mögliche Auswirkungen der inhaltlichen Änderungen des AsylbLG auf die Rechtstellung der Betroffenen im Schwerbehindertenrecht und insbesondere bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr werden jedoch in den vorliegenden Gesetzesmaterialien (ua BT-Drucks 13/2746, Erstentwurf vom 24.10.1995; BT-Drucks 13/3475, Entwurf der Bundesregierung vom 12.1.1996; BT-Drucks 13/3720, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 7.2.1996; BT-Drucks 13/7510, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 23.4.1997) an keiner Stelle erörtert, obwohl dies bei einer gemeinsamen Behandlung dieser Regelungsgegenstände nahe gelegen hätte.

68

Entsprechendes gilt auch für die Änderungen und Anpassungen des persönlichen Anwendungsbereichs (§ 1 Abs 1 AsylbLG) an das neue Asyl- und Aufenthaltsrecht mit der Einführung des AufenthG, das mit Wirkung zum 1.1.2005 das Ausländergesetz abgelöst hat (vgl Art 8 Nr 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004, BGBl I 1950). Mit dem Zuwanderungsgesetz 2004 ist zum einen ein Teil der bis dahin regelmäßig nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten wegen europa- und völkerrechtlich vorgegebener Mindeststandards bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen (vgl Art 28 Abs 1 Richtlinie 2004/83/EG , ABl.EU L 304 vom 30.9.2004 und Art 23 Genfer Flüchtlingskommission, BGBl II 1953, 559) aus dem persönlichen Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen worden (vgl hierzu ausführlich Frerichs in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 1 AsylbLG RdNr 42 f, 56-58, 71 ff, 73; vgl auch BT-Drucks 15/420 S 61). Zum anderen sind Inhaber bestimmter Aufenthaltstitel (Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs 3 und 4 AuslG), die zuvor leistungsberechtigt nach dem BSHG gewesen sind, durch die Überführung ihres Titels in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG(vgl § 101 Abs 2 AufenthG)erstmals in den Anwendungsbereich des AsylbLG (§ 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG) einbezogen worden (vgl Frerichs, aaO, § 1 AsylbLG RdNr 95 f). Gleichwohl werden in den Gesetzesmaterialien die Änderungen des § 1 Abs 1 AsylbLG nicht näher erläutert, auch nicht im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht(BT-Drucks 15/420 S 120 f).

69

(c) Systematisch regelt § 9 Abs 1 AsylbLG nach Art einer Konkurrenznorm das Verhältnis des AsylbLG als abgeschlossenes Leistungssystem zu anderen Leistungsgesetzen. Er legt ausdrücklich fest, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem Sozialhilferecht (SGB XII) noch nach vergleichbaren Landesgesetzen, wie etwa Landesblinden- oder Landespflegegeldleistungen, zustehen (so die Gesetzesbegründung vom 2.3.1993 zum inhaltsgleichen § 8 Abs 1 des ersten Gesetzesentwurfs, BT-Drucks 12/4451 S 10; vgl jüngst etwa zum Landesblindengeld NRW OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.6.2011 - 12 A 1011/10 - juris). Die Vorschrift korrespondiert insoweit mit § 23 Abs 2 SGB XII, derzufolge Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten, und mit § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II(vgl hierzu BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 14; zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R - BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 10; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R - juris). Über seinen leistungsausschließenden Charakter hinaus, stellt die Vorschrift klar, dass es sich bei den Leistungen nach diesem Gesetz, auch bei denjenigen nach § 2 Abs 1 AsylbLG, ihrem Rechtsgrund nach um Leistungen nach dem AsylbLG handelt(vgl BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung; vgl auch Hohm, AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 8; Groth in jurisPK-SGB XII, § 9 AsylbLG RdNr 17).

70

Die Reichweite des § 9 Abs 1 AsylbLG ist systematisch aber auf das Verhältnis von AsylbLG und SGB XII (und vergleichbaren Ländergesetzen) begrenzt und erstreckt sich gemäß § 9 Abs 2 AsylbLG grundsätzlich nicht auf das Aufgaben- und Leistungsprogramm anderer Leistungsträger(vgl BVerwG Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24/98 - BVerwGE 109, 155 - juris RdNr 30 ). Für die Mobilitätsförderung nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX selbst ist dies offensichtlich; von einem Ausschluss des Klägers von diesem Nachteilsausgleich geht auch die Beklagte nicht aus. Aus dieser Systematik folgt zugleich, dass die Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX nicht übereinstimmen muss. Bemerkenswert sind insoweit die Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 9 Abs 2 AsylbLG. Danach können Leistungen anderer Leistungsträger nicht unter Hinweis auf Leistungen nach dem AsylbLG eingeschränkt werden, "sofern dies nicht ausdrücklich im Rahmen von Einkommensvoraussetzungen vorgesehen ist" (BT-Drucks 12/4451 S 10 zu § 8). Zumindest eine ausdrückliche Einschränkung enthält § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX für Leistungsbezieher nach dem AsylbLG nicht. Da das AsylbLG als eigenständiges Leistungssystem nicht in das SGB eingegliedert und kein besonderer Teil iS des § 68 SGB I ist(vgl Herbst in Mergler/Zink, SGB XII/AsylbLG, Einführung zum AsylbLG RdNr 12), lässt sich auch nicht mit einer übereinstimmenden Bedeutung der Begriffe innerhalb des SGB argumentieren.

71

(d) Der Gesetzgeber hat die durch § 9 Abs 1 AsylbLG klar zum Ausdruck kommende Abgrenzung dieses Leistungssystems vom Recht der Sozialhilfe(vgl dazu auch § 23 Abs 2 SGB XII) als notwendig erachtet, um bei der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG von grundlegenden Prinzipien des Sozialhilferechts, insbesondere vom Individualisierungsgrundsatz, abweichen zu können (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2; vgl auch Kunkel, NVwZ 1994, 352, 353; zum Abschied von den sog Strukturprinzipien der Sozialhilfe, die vom BVerwG entwickelt worden sind, vgl insb BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 5/07 R - SozR 4-3520 § 9 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, Vor § 1 RdNr 4 f, 8 f). Die Leistungen an Asylbewerber zur Deckung ihres Lebensunterhalts sollten außerhalb des BSHG "vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthaltes" ausgerichtet werden. Nach der zuvor geltenden Rechtslage (§ 120 Abs 2 BSHG) war die Einschränkung der Leistungen auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nur aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles zulässig (BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2 unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 26.8.1991 - 5 C 61.88 - BVerwGE 89, 87 ff).

72

Der Beklagten ist insoweit einzuräumen, dass die Herausnahme der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG aus dem Kreis der Sozialhilfebezieher ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber denjenigen Personen darstellt, die unmittelbar anspruchsberechtigt nach dem BSHG waren bzw heute nach dem SGB XII sind. Nicht beantwortet hat sie aber die entscheidende Frage, ob hieraus auch auf eine bewusste Schlechterstellung dieses Personenkreises im Schwerbehindertenrecht geschlossen werden kann. Dies wäre bei einem übereinstimmenden Wortsinn der "Leistungen nach dem SGB XII" iS des § 9 Abs 1 AsylbLG und der "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX der Fall. Der Senat verneint diese Frage. Denn § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG - und Entsprechendes gilt für § 23 Abs 2 SGB XII - ist nicht nur systematisch, sondern auch nach seinem Sinn und Zweck vornehmlich als Vorschrift betreffend die Gesetzeskonkurrenz im Bereich der Existenz sichernden Leistungen (SGB XII, AsylbLG) zu verstehen. Er stellt lediglich klar, dass Berechtigten nach § 1 AsylbLG über die Asylbewerberleistungen hinaus keine (weiteren) Existenz sichernden Leistungen der Sozialhilfe zustehen. Die gewollte Schlechterstellung dieser Personen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Recht der Sozialhilfe, lässt deren Rechtstellung im SGB IX unberührt. Durch das Schwerbehindertenrecht sollen nämlich alle Menschen mit Behinderungen - grundsätzlich unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status - durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderung in die Gesellschaft integriert werden (vgl BSG Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 2/09 R - BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 69 Nr 11, RdNr 31). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

73

(2) Die Leistungen, die der Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII erhalten hat, werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt. Denn nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf einen bestimmten Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG entsprechend anzuwenden. Hierbei kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 2 Abs 1 AsylbLG eine Rechtsfolgenverweisung(vgl hierzu ausführlich Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 2 RdNr 94 ff mwN) oder eine Rechtsgrundverweisung auf § 23 SGB XII(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40) enthält, unbeantwortet bleiben (ebenfalls offen gelassen durch BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 und BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 AY 1/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR RdNr 14 f; zur praktischen Bedeutung dieses Streits vgl auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 2 AsylbLG RdNr 108).

74

Es handelt sich zwar in der Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG um eine sog Analogieverweisung(vgl hierzu Handbuch der Rechtsförmlichkeit, herausgegeben vom BMJ, 3. Aufl 2008, RdNr 232), bei der der Bezugstext - das SGB XII - nicht wörtlich mitgelesen werden kann und nur eine "entsprechende" und ggf eine nach der Regelungsmaterie des AsylbLG abweichende Anwendung findet (zur entsprechenden Anwendung des SGB XII iS des § 2 Abs 1 AsylbLG vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 101 ff). Die Leistungen bestimmen sich jedoch grundsätzlich nach den näheren Leistungsvoraussetzungen, den Bestimmungen über Art, Form und Maß der Leistung und den einzelnen Verfahrensregelungen des Sozialhilferechts (vgl BT-Drucks 12/5008 S 15). Es gelten die - auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX maßgeblichen - Einkommens- und Vermögensgrenzen des SGB XII, da die asylbewerberleistungsrechtliche Vorschrift über zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen(§ 7 AsylbLG) gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG ("abweichend von den §§ 3 bis 7" AsylbLG) nicht anzuwenden ist(vgl auch Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 39; Hohm, aaO, § 2 RdNr 105 mwN). Ungeachtet des Streits über die Art der Verweisung besteht nach ganz herrschender Meinung jedenfalls im Hinblick auf die Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt Einigkeit darüber, dass die Regelungen über diese Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG heranzuziehen sind(vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 185 f; Decker, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 53; Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 42; Oppermann, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 121 f).

75

(3) Die Bezieher von Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm den Vorschriften des SGB XII stehen zudem - wie von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorausgesetzt - den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. Der Gesetzgeber mag die (in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 23 Abs 2 SGB XII zum Ausdruck kommende) klare Abgrenzung der Leistungssysteme (SGB XII/AsylbLG) aus systematischen Gründen als notwendig erachtet haben. Materiell-rechtlich sind Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG jedoch dem "System der Sozialhilfe" zugewiesen. Auch hierbei kann der Streit über die Art der Verweisung in § 2 Abs 1 AsylbLG unentschieden bleiben. Selbst wenn diese allein als Verweisung auf § 23 SGB XII zu verstehen wäre(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40), steht der berechtigte Personenkreis Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. § 23 SGB XII regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ausländer Sozialhilfe beziehen können. Die Vorschrift sieht für diesen Personenkreis zwar nur einen reduzierten Leistungskatalog vor. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII sind aber als Pflichtleistung die Hilfe zum Lebensunterhalt(§§ 27 ff SGB XII), die Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII), die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 50 SGB XII) sowie die Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII) auf sozialhilferechtlichem Niveau vorgesehen. Entsprechendes gilt für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§§ 41 bis 46 SGB XII), da diese Regelungen nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XII unberührt bleiben. Die Erbringung der übrigen Sozialhilfeleistungen liegt einzelfallbezogen im Ermessen der Behörde (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII).

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Zwar erstreckt sich der Rechtsanspruch damit grundsätzlich nicht auf die Leistungen der übrigen Kapitel des SGB XII, insbesondere nicht auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 bis 60 SGB XII). Dieser sozialhilferechtliche Regelausschluss ist aber für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX ohne Belang. Zum einen sind auch Leistungsberechtigte nach § 23 Abs 1 SGB XII, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII beziehen, nach dieser Vorschrift von der Entrichtung des Eigenanteils befreit. Zum anderen führt der Erhalt der Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII allein noch nicht zu der Kostenbefreiung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

77

Aus den Besonderheiten des AsylbLG ergibt sich keine andere Bewertung. Vielmehr verbindet auch der Gesetzgeber mit der Anspruchsberechtigung nach § 2 Abs 1 AsylbLG "eine weitgehende Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht", weil bei einem längeren Zeitraum des Aufenthaltes und - mangels Entscheidung (über den Asylantrag) - noch nicht absehbarer weiterer Dauer nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden könne, der bei einem in der Regel nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entstehe. Insbesondere seien nunmehr Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung). Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 AsylbLG ging diese Integrationskomponente allerdings in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130) weitgehend verloren. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung, wie er sich an der Leistungsvoraussetzung eines 36 Monate währenden Leistungsbezugs nach §§ 3 ff AsylbLG (sog Vorbezugszeit) zeigt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 unter Bezugnahme auf den Ausschussbericht vom 7.2.1996, BT-Drucks 13/3728 S 3).

78

Auch bei der Anhebung der Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG auf 48 Monate mit Wirkung ab 28.8.2007 (Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) spielte die Integrationskomponente keine wesentliche Rolle (vgl BSG, aaO, RdNr 23 mwN). Immerhin kommt in den Materialien zum Ausdruck, nach einem Voraufenthalt von vier Jahren könne davon ausgegangen werden, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065 S 232 zu Nr 2). Hieraus ergibt sich jedenfalls für die Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen "einer weitgehenden Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht" nicht aufgegeben hat. Auf die wegen der entsprechenden Anwendung des SGB XII im Detail gegebenenfalls abweichende Leistungsgewährung nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl hierzu ausführlich Hohm, aaO, § 2 RdNr 110 ff) kommt es nach Auffassung des Senats insoweit nicht entscheidend an.

79

c) Die Beklagte war nach alledem gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX verpflichtet, an den Kläger eine für ein Jahr gültige Wertmarke - hier für den Zeitraum von September 2009 bis August 2010 - kostenlos, also ohne Entrichtung des Eigenanteils nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX, auszugeben. Der angefochtene Verwaltungsakt ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben. Zudem hat die Beklagte dem Kläger den rechtsgrundlos erhaltenen Betrag in Höhe von 60 Euro zu erstatten.

80

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Absatz 5 im Nahverkehr im Sinne des § 230 Absatz 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.

(2) Die Wertmarke wird gegen Entrichtung eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Der Betrag erhöht sich in entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die nächste Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe erfolgt. Liegt dieser Zeitpunkt innerhalb der Gültigkeitsdauer einer bereits ausgegebenen Wertmarke, ist der höhere Betrag erst im Zusammenhang mit der Ausgabe der darauffolgenden Wertmarke zu entrichten. Abweichend von § 160 Absatz 3 Satz 4 sind die sich ergebenden Beträge auf den nächsten vollen Eurobetrag aufzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 Satz 3 ergebenden Beträge im Bundesanzeiger bekannt.

(3) Wird die für ein Jahr ausgegebene Wertmarke vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag die Hälfte der Gebühr erstattet. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der schwerbehinderte Mensch vor Ablauf eines halben Jahres der Gültigkeitsdauer der für ein Jahr ausgegebenen Wertmarke verstirbt.

(4) Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Absatz 2 in seiner jeweiligen Höhe zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

1.
die blind im Sinne des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder
2.
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder
3.
die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.

(5) Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung nach § 3a Absatz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Anspruch genommen wird. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach den Absätzen 2 bis 4 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Absatz 1 Nummer 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.

(6) Absatz 1 gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 230, ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung

1.
einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und
2.
des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist, sowie für einen nach § 12e Absatz 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes gekennzeichneten Assistenzhund.

(7) Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 bis 6 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 231 bis 233 erstattet. Die Erstattungen sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) ausgenommen.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Absatz 5 im Nahverkehr im Sinne des § 230 Absatz 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.

(2) Die Wertmarke wird gegen Entrichtung eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Der Betrag erhöht sich in entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die nächste Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe erfolgt. Liegt dieser Zeitpunkt innerhalb der Gültigkeitsdauer einer bereits ausgegebenen Wertmarke, ist der höhere Betrag erst im Zusammenhang mit der Ausgabe der darauffolgenden Wertmarke zu entrichten. Abweichend von § 160 Absatz 3 Satz 4 sind die sich ergebenden Beträge auf den nächsten vollen Eurobetrag aufzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach entsprechender Anwendung des § 160 Absatz 3 Satz 3 ergebenden Beträge im Bundesanzeiger bekannt.

(3) Wird die für ein Jahr ausgegebene Wertmarke vor Ablauf eines halben Jahres ihrer Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag die Hälfte der Gebühr erstattet. Entsprechendes gilt für den Fall, dass der schwerbehinderte Mensch vor Ablauf eines halben Jahres der Gültigkeitsdauer der für ein Jahr ausgegebenen Wertmarke verstirbt.

(4) Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Absatz 2 in seiner jeweiligen Höhe zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

1.
die blind im Sinne des § 72 Absatz 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder
2.
die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder
3.
die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.

(5) Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung nach § 3a Absatz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in Anspruch genommen wird. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 152 Absatz 5 zuständigen Behörden. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Aufgaben nach den Absätzen 2 bis 4 ganz oder teilweise auf andere Behörden übertragen. Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Absatz 1 Nummer 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.

(6) Absatz 1 gilt im Nah- und Fernverkehr im Sinne des § 230, ohne dass die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die Beförderung

1.
einer Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und
2.
des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in dessen Ausweis die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist, sowie für einen nach § 12e Absatz 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes gekennzeichneten Assistenzhund.

(7) Die durch die unentgeltliche Beförderung nach den Absätzen 1 bis 6 entstehenden Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§ 231 bis 233 erstattet. Die Erstattungen sind aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) ausgenommen.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Die Angaben nach § 145 Absatz 1 Nummer 2 und die Angaben zum Gemeindeteil nach § 144 Absatz 1 Nummer 1 sind freiwillig.

(2) Auskunftspflichtig sind die Träger der Eingliederungshilfe.

(1) Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit

1.
Straßenbahnen und Obussen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes,
2.
Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach den §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometern nicht übersteigt, es sei denn, dass bei den Verkehrsformen nach § 43 des Personenbeförderungsgesetzes die Genehmigungsbehörde auf die Einhaltung der Vorschriften über die Beförderungsentgelte gemäß § 45 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes ganz oder teilweise verzichtet hat,
3.
S-Bahnen in der 2. Wagenklasse,
4.
Eisenbahnen in der 2. Wagenklasse in Zügen und auf Strecken und Streckenabschnitten, die in ein von mehreren Unternehmern gebildetes, mit den unter Nummer 1, 2 oder 7 genannten Verkehrsmitteln zusammenhängendes Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten einbezogen sind,
5.
Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr zu befriedigen (Züge des Nahverkehrs),
6.
sonstigen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Sinne von § 2 Absatz 1 und § 3 Absatz 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in der 2. Wagenklasse auf Strecken, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometern nicht überschreitet,
7.
Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr, wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereiches liegen; Nachbarschaftsbereich ist der Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinander grenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind.

(2) Fernverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der öffentliche Personenverkehr mit

1.
Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach § 42a Satz 1 des Personenbeförderungsgesetzes,
2.
Eisenbahnen, ausgenommen der Sonderzugverkehr,
3.
Wasserfahrzeugen im Fähr- und Übersetzverkehr, sofern keine Häfen außerhalb des Geltungsbereiches dieses Buches angelaufen werden, soweit der Verkehr nicht Nahverkehr im Sinne des Absatzes 1 ist.

(3) Die Unternehmer, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, weisen im öffentlichen Personenverkehr nach Absatz 1 Nummer 2, 5, 6 und 7 im Fahrplan besonders darauf hin, inwieweit eine Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 228 Absatz 1 nicht besteht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Revisionsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Betrages, den der Kläger für eine an ihn ausgegebene Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr entrichtet hat.

2

Der 1970 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger; er hält sich nach eigenen Angaben seit 2003 in Deutschland auf und durchlief erfolglos das Asylverfahren. Er leidet seit 2006 an einer koronaren Herzerkrankung und ist aus diesem Grunde reiseunfähig. Im Februar 2009 erhielt der Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Gültigkeit in der Folgezeit verlängert wurde.

3

Seit Juni 2009 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Es sind bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er zumindest seit dem 1.7.2009 durch Leistungen nach § 2 Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) iVm den Vorschriften des SGB XII.

4

Am 2.7.2009 beantragte der Kläger beim Kreis A. die Ausstellung eines Beiblatts mit unentgeltlicher Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger zu keiner der in § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgezählten Personengruppen gehöre; insbesondere beziehe er keine der dort aufgeführten Leistungen (Bescheid vom 20.7.2009). Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Münster zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009).

5

Auf die hiergegen am 19.9.2009 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Aachen die ab dem 20.10.2009 an die Stelle des Kreises Aachen getretene Städteregion Aachen (Beklagte) unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr auszustellen (Urteil vom 11.1.2010), weil Leistungsbezieher gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG nach einer am Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX orientierten Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm - zu dem wegen Bedürftigkeit von der Entrichtung des Eigenanteils befreiten Personenkreis gehörten.

6

Die Beklagte hat hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die vom SG zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger seinen Klageantrag im Einvernehmen mit der Beklagten dahingehend geändert, dass er von ihr die Kostenerstattung von 60 Euro begehre, da er sich die ursprünglich beantragte Wertmarke mittlerweile gegen Entrichtung des Eigenanteils selbst beschafft hatte.

7

Das LSG hat die Berufung durch Urteil vom 3.9.2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

8

Dem Kläger stehe ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, da die Beklagte von ihm für die Wertmarke zu Unrecht den Eigenanteil in Höhe von 60 Euro entgegengenommen habe. Der Kläger sei in analoger Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX von vornherein nicht verpflichtet gewesen, einen Eigenanteil zu leisten. Die Vorschrift sei zwar nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar anzuwenden, auch wenn die dem Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG gewährten Leistungen der Höhe nach ausschließlich nach den Vorschriften des SGB XII bemessen seien. Denn nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhielten Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gerade keine Leistungen nach dem SGB XII, sondern Leistungen nach dem AsylbLG. Mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte zur Beteiligung von Schwerbehinderten an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr gemäß § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) aF liege aber eine Regelungslücke vor. Ursprünglich seien einkommensschwache Ausländer nämlich von der Kostenpflicht befreit gewesen, da sie vor Einführung des AsylbLG im Jahre 1993 bei Bedürftigkeit einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gehabt hätten. Auch wenn der Gesetzgeber mit dem AsylbLG eigenständige Regelungen des Unterhalts von Asylbewerbern und gegenüber den Leistungen nach dem BSHG eine deutlich abgesenkte Versorgung während des Asylverfahrens eingeführt habe, lasse sich eine bewusste Beseitigung der Kostenfreiheit gegenüber dem vorher bestehenden Rechtszustand jedenfalls für die Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG aus den Gesetzesmaterialien nicht eindeutig ableiten. Auch könne nicht angenommen werden, der moderne, oft unter Zeitdruck arbeitende Gesetzgeber wolle dieser Personengruppe einen regelungsbedürftigen Anspruch bewusst nicht gewähren, wenn er dazu schweige ("beredtes Schweigen").

9

Für die analoge Anwendung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX spreche zum einen der Normzweck, einkommensschwache Personen von der Kostenbeteiligung zu befreien, weil sie mangels finanzieller Mittel ohnehin auf die finanzielle Hilfe der öffentlichen Hand angewiesen seien. Dies treffe auf schwerbehinderte Bezieher von sog Analog-Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG in genau derselben Weise zu wie auf schwerbehinderte Sozialhilfeempfänger. Zum anderen entspreche diese Rechtsanwendung dem hier aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Gebot verfassungskonformer Auslegung, da die Umwandlung einer unentgeltlichen Freifahrt in eine Freifahrt mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtige, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Eine Ungleichbehandlung von mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Analog-Leistungen nach dem AsylbLG gegenüber mittellosen schwerbehinderten Beziehern von Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sei sachlich nicht gerechtfertigt, insbesondere nicht wegen eines nur vorläufigen Aufenthalts der Bezieher von Analog-Leistungen in Deutschland. Einerseits setze der Bezug dieser Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG einen Voraufenthalt von 48 Monaten voraus, andererseits gelte die Wertmarke jeweils nur für ein Jahr. Im Fall des Klägers könne wegen der schweren Herzerkrankung ohnehin nicht von einem nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden.

10

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Das LSG habe § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX zu Unrecht analog auf den Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehenden Kläger angewandt. Die Vorschrift sei abschließend und ihrem Wortlaut nach eindeutig. Bei dem Erwerb der Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr seien insbesondere Bezieher von laufenden Leistungen nach dem SGB XII von dem Eigenanteil in Höhe von 60 Euro befreit (§ 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX), nicht aber Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Dem Gesetzgeber stehe es hier bis zur Grenze der Willkür frei, nach sachgemäßen Erwägungen bestimmte Personenkreise gegenüber anderen zu begünstigen. Insoweit belege die Gesetzesentwicklung seit Jahrzehnten das Bemühen des Gesetzgebers, die ständig steigende Belastung der öffentlichen Haushalte durch Anspruchsberechtigte - ob Schwerbehinderte, Asylbewerber oder Sozialhilfebezieher - abzumildern. Insbesondere habe der Gesetzgeber mit Neufassung des AsylbLG im Jahr 1993 eine eigenständige gesetzliche Regelung des Mindestunterhalts von Asylbewerbern geschaffen, mit der eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen einhergegangen sei. Die Entkoppelung dieses Leistungssystems vom regulären Sozialhilferecht sei ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber den Personen gewesen, die direkt anspruchsberechtigt nach dem BSHG bzw SGB XII seien.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.9.2010 und des SG Aachen vom 11.1.2010 aufzuheben sowie die Klage gegen den Bescheid des Kreises Aachen vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 25.8.2009 abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2010 zurückzuweisen.

13

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und macht ergänzend geltend, ein Ausschluss aus dem Kreis der Begünstigten iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX verstoße in seinem Fall mangels sachlicher Rechtfertigung nicht nur gegen die Verfassung(Art 3 Abs 1 GG), sondern sei auch mit völkerrechtlichen Diskriminierungsverboten nicht zu vereinbaren.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

16

1. Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des erkennenden Senats liegen vor.

17

a) Im Laufe des Gerichtsverfahrens ist auf der Beklagtenseite ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes erfolgt (vgl dazu BSG Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f, BSG Beschluss vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Der seit dem 1.1.2008 für die Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX zuständige Kreis Aachen(vgl § 2 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes NRW vom 30.10.2007, GVBl NRW 482; vgl zur Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte: BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - SozialVerw 2009, 59) ist nach Klageerhebung am 19.9.2009 mit Ablauf des 20.10.2009 durch § 1 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz vom 26.2.2008 (GVBl NRW 162) aufgelöst worden. Rechtsnachfolgerin ist gemäß § 2 Abs 1 Städteregion Aachen Gesetz die Städteregion Aachen(vgl hierzu bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 16 und Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 13).

18

Die Klage richtet sich jetzt zutreffend gegen die Städteregion Aachen, zumal mit Wirkung vom 1.1.2011 die Beteiligtenfähigkeit einer Behörde nach § 70 Nr 3 SGG iVm § 3 Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande Nordrhein-Westfalen (AG-SGG NRW) vom 3.9.1953 (GVBl NRW 412) idF des Gesetzes vom 17.12.1974 (GVBl NRW 1588) weggefallen ist. Durch Art 2 Nr 29 iVm Art 4 Satz 1 Gesetz zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) sind mit Wirkung vom 1.1.2011 die vorgenannten landesrechtlichen Bestimmungen ersatzlos aufgehoben worden (vgl hierzu bereits BSG Urteile vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R und B 10B 10 EG 2/10 R - juris RdNr 11). Der Senat hat sich deshalb nicht mehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Auffassung des 8. Senats des BSG (s Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 14) zutrifft, dass eine Klage bei Bestehen eines landesrechtlich vorgesehenen Behördenprinzips zwingend gegen die Behörde zu richten ist (zur Gegenansicht BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 21; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 70 RdNr 4).

19

b) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und 4 SGG) zulässig.

20

aa) Der Kläger begehrt die Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes und - nach Umstellung seines Klageantrags im Berufungsverfahren - die Erstattung des Eigenanteils für die Ausgabe der Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr. Insoweit betrifft der Rechtsstreit die Fragen, ob der seinerzeit zuständige Kreis die Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr für die Zeit von September 2009 bis August 2010 kostenlos an den Kläger abzugeben hatte und die Beklagte zur Erstattung des vom Kläger dafür geleisteten Eigenanteils von 60 Euro verpflichtet ist. Der Kläger hat zunächst die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke begehrt und sich nach erfolglosem Verwaltungsverfahren die Wertmarke gegen Entrichtung des Eigenanteils iHv 60 Euro selbst beschafft. Das LSG hat zwar in seiner Entscheidung die Gültigkeitsdauer der dem Kläger ausgegebenen Wertmarke nicht festgestellt (§ 163 SGG). Diese ergibt sich aber aus der Sitzungsniederschrift vom 3.9.2010, nach der sich die Beteiligten nach Vorlage des Schwerbehindertenausweises des Klägers darüber einig geworden sind, dass Gegenstand des Verfahrens allein die für den Zeitraum September 2009 bis August 2010 beschaffte Wertmarke ist. Diesen Sachverhalt legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde. Denn über Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung hinaus kann das BSG den erforderlichen Tatsachenstoff auch der vorinstanzlichen Sitzungsniederschrift entnehmen (§ 202 SGG iVm § 559 Abs 1 Satz 1 ZPO; vgl auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 23.9.1969 - II C 25.66 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 4; Lüdtke in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 163 RdNr 2). Insoweit ist hier die Frage der Kostenpflicht oder Kostenfreiheit nach § 145 Abs 1 SGB IX für diesen Zeitraum weiterhin streitig(vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 13).

21

bb) Der Senat kann offen lassen, ob in der Umstellung des Klageantrags im Berufungsverfahren eine stets zulässige Umwandlung des Klagebegehrens wegen einer später eingetretenen Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG oder eine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG zu sehen ist. Das LSG hat sich mit dieser prozessualen Frage nicht befasst. Nach seinen Feststellungen, an die das BSG gebunden ist (§ 163 SGG), kann bereits nicht beurteilt werden, ob der Kläger die kostenpflichtige Wertmarke (§ 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX) vor oder nach Klageerhebung beim SG Aachen erworben hat, also eine später eingetretene Veränderung iS des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vorliegt. Auch erscheint fraglich, ob die Rechtsprechung zur Ersatzbeschaffung im Krankenversicherungsrecht, nach der ohne Änderung des Klagegrundes (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG) an die Stelle eines Sachleistungsanspruchs nach Maßgabe des § 13 SGB V ein Kostenerstattungsanspruch treten kann(vgl etwa BSG Urteil vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - BSGE 79, 261, 262 = SozR 3-2500 § 33 Nr 21 S 113 mwN), auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist. Denn der Kläger hat die Sachleistung (Wertmarke) - wie begehrt - von der zuständigen Behörde erhalten, jedoch nur gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Der Erwerb der Wertmarke mit Eigenbeteiligung ist insoweit keine Ersatzbeschaffung, sondern gleicht der Beteiligung an den Kosten einer kranken- oder rentenversicherungsrechtlichen Sozialleistung (so bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

22

Selbst wenn man den Übergang auf ein anderes Klagebegehren - hier auf einen Kostenerstattungsanspruch - als eine Klageänderung ansieht, wäre diese nach den Maßgaben des § 99 Abs 1 SGG zulässig gewesen(vgl dazu BSG Urteil vom 17.5.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167, 169 = SozR 1500 § 54 Nr 85 S 86). Die Beklagte hat sich nämlich in der mündlichen Verhandlung des LSG vom 3.9.2010 mit der Umstellung des Klagebegehrens ausdrücklich einverstanden erklärt.

23

cc) Auch die Sachurteilsvoraussetzungen für die Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage liegen vor.

24

Im Hinblick auf die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 20.7.2009 ist das Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage durchgeführt worden (zur Durchführung eines Vorverfahrens als Sachurteilsvoraussetzung etwa BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5). Ob die Entscheidung über eine unentgeltliche Wertmarkenausgabe überhaupt durch Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X zu erfolgen hat(vgl zur Problematik LSG Baden Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 26 ff), kann (weiterhin) offen bleiben, weil der Beklagte hier die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat (vgl bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 14).

25

Ebenfalls kann offen bleiben, ob die Bezirksregierung Münster nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 25.8.2009 maßgeblichen Rechtslage gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 SGG befugt war, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.7.2009 zu entscheiden (vgl zur Frage der Zuständigkeit in Verfahren nach §§ 69, 145 SGB IX gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 oder 4 SGG in NRW: LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 16.12.2009 - L 10 SB 39/09 - SozialVerw 2010, 8 ff, Revision anhängig unter B 9 SB 2/10 R; LSG Nordrhein Westfalen Urteil vom 5.3.2008 - L 10 SB 40/06 - Juris RdNr 39 ff). Denn sie ist jedenfalls seit Inkrafttreten des § 4a AG SGG NRW rückwirkend ab 1.1.2008 durch Art 3, 4 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein Westfalen vom 26.1.2010 (GVBl NRW 30) als Widerspruchsbehörde in Angelegenheiten nach den §§ 69, 145 SGB IX festgelegt worden(vgl zu § 4a AG SGG NRW bereits BSG Teilurteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 19). Diese landesrechtliche Zuständigkeitsregelung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Sowohl nach §§ 219, 85 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGG als auch gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGG iVm § 2 Abs 2 Satz 2 EingliederungsG sind insoweit abweichende Zuständigkeitsregelungen erlaubt.

26

Soweit es den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Anspruch des Klägers auf Erstattung des von ihm geleisteten Eigenanteils von 60 Euro betrifft, ist hier unschädlich, dass die Beklagte zu dem neuen Streitgegenstand kein eigenständiges Verwaltungsverfahren durchgeführt und dieses nicht mit einem Bescheid abgeschlossen hat (vgl § 8 SGB X). Erst recht schadet es nicht, dass kein Widerspruchsverfahren als Klagevoraussetzung durchgeführt worden ist (§ 78 Abs 3 iVm Abs 1 SGG). Zwar müssen auch im Falle einer zulässigen Klageänderung für die geänderte Klage im Regelfall die Sachurteilsvoraussetzungen in gleicher Weise vorliegen, wie es bei einer sofortigen Klageerhebung mit einem entsprechenden Begehren nötig gewesen wäre (vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54). Es ist aber anerkannt, dass in bestimmten Fällen nicht nur die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich sein kann (vgl im Einzelnen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 8, 8a mwN), sondern auch die Durchführung eines selbstständigen Verwaltungsverfahrens während eines anhängigen Rechtsstreits. Dies ist der Fall, wenn von einer eigenständigen Verwaltungsentscheidung nichts anderes zu erwarten ist als eine Bestätigung des prozessualen Vorbringens und die Verwaltung durch rügelose Einlassung oder gar durch ausdrückliches Einverständnis auf ihren Vorrang bei der Gesetzesausführung verzichtet hat (BSG Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94 - SozR 3-3870 § 4 Nr 13 S 54; BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 9 SB 13/97 R - juris RdNr 12). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Kläger hat sich die Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nur deswegen gegen Entrichtung des Eigenanteils iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX beschafft, weil die Beklagte die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke mit der angegriffenen Entscheidung abgelehnt hat und hieran - wie der vorliegende Prozess zeigt - weiterhin festhält.

27

2. In der Sache hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.7.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.8.2009 verurteilt wird, dem Kläger 60 Euro zu erstatten.

28

a) Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Eigenanteils in Höhe von 60 Euro ist - wie das LSG zutreffend erkannt hat - der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl zu diesem allgemein anerkannten Rechtsinstitut BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513 ff). Eine spezialgesetzliche Regelung über die Rückerstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Beträge nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist nicht ersichtlich.

29

aa) Als vorrangige Erstattungsregelung kommt insbesondere § 145 Abs 1 Satz 4 SGB IX nicht in Betracht. Danach gilt für die gemäß § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX grundsätzlich gegen einen Betrag von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr erhältliche Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im Personennahverkehr(§ 145 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX), dass im Falle der Rückgabe der Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer auf Antrag ein Betrag von 5 Euro für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe erstattet wird, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet, da sie nur diejenigen Fälle erfasst, in denen Berechtigte die gegen eine Selbstbeteiligung erhaltene Wertmarke vor Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer zurückgeben oder versterben. Der Wertmarkenbetrag wird infolgedessen für diejenigen Monate erstattet, in denen die Berechtigten von ihrem Recht auf unentgeltliche Beförderung keinen Gebrauch mehr machen können (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 8). Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich hingegen auf die Erstattung des für die (inzwischen bereits abgelaufene) Wertmarke entrichteten Eigenanteils mit der Begründung, dass gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX überhaupt kein Betrag iS des § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu leisten gewesen sei.

30

bb) Auch § 15 Abs 1 Satz 3 SGB IX ist hier als besondere Erstattungsregel nicht einschlägig. Danach ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, soweit sich Leistungsberechtigte nach fruchtloser Fristsetzung und weiteren Voraussetzungen (vgl § 15 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX). Es muss sich um eine Rehabilitationsleistung nach dem SGB IX (§§ 4, 5 SGB IX) bzw den speziellen Leistungsgesetzen handeln (vgl Luik in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 15 RdNr 27). Hieran fehlt es. Die gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX ohne Eigenanteil auszugebende Wertmarke ist keine eigenständige Leistung nach dem SGB IX und kann überdies (auf rechtmäßige Weise) nicht selbst beschafft werden, soweit die Behörde die Ausgabe der Wertmarke von der Entrichtung des Betrags nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX abhängig macht. Die Sozialleistung besteht im Verhältnis zwischen Schwerbehinderten und Staat vielmehr in der Vergünstigung, von der Pflicht zur Zahlung des üblichen Beförderungsentgelts an die Verkehrsunternehmen freigestellt zu werden (vgl BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7).

31

b) Dem hier einschlägigen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch liegt der allgemeine, auch im Sozialrecht geltende Rechtsgrundsatz zu Grunde, dass zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzugeben sind (vgl zur Erstattung des anteiligen Eigenanteils bei vorzeitiger Rückgabe der Wertmarke für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 57 Abs 1 Satz 4 SchwbG idF vom 18.7.1985 bereits BSG Urteil vom 11.11.1987 - 9a RVs 7/86 - SozR 3870 § 57 Nr 2 S 7 ff). Auf diesen Anspruch kann sich nicht nur die Behörde, sondern auch der Bürger stützen, wenn zu seinen Lasten eine Vermögensverschiebung eingetreten ist und ein Sozialleistungsträger etwas erhalten hat, was ihm nicht zusteht (vgl BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 34/93 - BSGE 75, 167 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 2 mwN; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513, 514). Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des bei der Ausgabe der Wertmarke für den Zeitraum September 2009 bis Oktober 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 60 Euro hat, wenn er seinerzeit diesen Eigenanteil gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX nicht zu entrichten hatte, der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX also rechtsgrundlos von der Beklagten entgegengenommen worden ist. Dies ist hier der Fall. Denn der Kläger konnte eine kostenfreie Wertmarke beanspruchen.

32

Rechtsgrundlage für die von dem damals zuständigen Kreis abgelehnte unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke ist hier § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX idF vom 22.12.2008 (BGBl I 2959). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Vermögensverschiebung vor Ausgabe der von September 2009 bis August 2010 gültigen Wertmarke. Nach den genannten Regelungen werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX zu entrichten ist, ua an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhalten.

33

Soweit danach ein Antrag erforderlich ist, steht dem Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die Zeit von September 2009 bis August 2010 nicht bereits entgegen, dass der Kläger vor der Ausgabe der für diesen Zeitraum gültigen kostenpflichtigen Wertmarke möglicherweise keinen erneuten, "ausdrücklichen" Antrag iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke gestellt hat(vgl zu dieser Problematik LSG Baden-Württemberg Urteil vom 29.8.2005 - L 6 SB 5511/04 - juris RdNr 34). Zu einer wiederholten Antragstellung hat nämlich wegen der vom Kläger angefochtenen und damit nicht bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung der zuständigen Behörde (Bescheid vom 20.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009) kein Anlass bestanden.

34

Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke liegen für den maßgeblichen Zeitraum vor. Der Kläger hat zum Kreis der berechtigten Personen iS des § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX gehört, denn ihm war das Merkzeichen "G" erteilt worden. Zudem hat der Kläger seinerzeit Leistungen iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erhalten. Denn die dem Kläger gewährten Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII stellen nach Auffassung des erkennenden Senats "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS dieser Vorschrift dar. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

35

aa) Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, kommen zunächst die herkömmlichen Auslegungsmethoden zur Anwendung. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihren Zweck (teleologische Auslegung) sowie die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts : BVerfGE 11, 126, 130; 82, 6, 11; 93, 37, 81; 105, 135, 157; dazu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 141 ff; 163 ff). Dabei sind die konkret einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Ist von mehreren möglichen Auslegungen nur eine mit dem GG vereinbar, muss diese gewählt werden (verfassungskonforme Auslegung; vgl etwa BVerfGE 88, 145, 166 f; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 159 ff). Die Grenzen jeder Auslegung ergeben sich daraus, dass einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht durch Auslegung eine entgegengesetzte Bedeutung verliehen werden darf (vgl BVerfGE 54, 277, 299 f; 59, 330, 334; 93, 37, 81; dazu auch Larenz/Canaris, aaO, S 143).

36

bb) Das BSG hat bereits zu den Vorgängervorschriften des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX entschieden, dass der Gesetzgeber nur einem bestimmten Personenkreis, der nach der damaligen Rechtslage eindeutig benannt war, den kostenlosen Erwerb der zur Freifahrt berechtigenden Wertmarke zubilligen wollte(vgl BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1; BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - RdLH 1996 Nr 1, 35 ), und an dieser Rechtsprechung auch seit Inkrafttreten des SGB IX festgehalten (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1§ 145 abs 1 satz 5 nr 2 sgb ix idf vom 21.3.2005, bgbl i 818, und idf vom 2.12.2006, bgbl i 2742>). Danach besteht keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX erweiternde Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind. Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert. Die kostenlose Ausgabe der Wertmarke stellt systematisch eine Ausnahme von der Pflicht zur Entrichtung des Eigenanteils dar. Die Regelung ist abschließend (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 27-29; vgl auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 47).

37

cc) Hieran anknüpfend hält der Senat - innerhalb der Wortlautgrenze - eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX für richtig. Von diesem Begriff sind nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (1). Zudem ist unter dem Begriff "erhalten" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX der faktische Bezug der in der Vorschrift genannten Leistungen zu verstehen, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Leistungsberechtigung des Empfängers ankommt(2).

38

(1) Einem weiten Verständnis des Begriffs der "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX steht nicht entgegen, dass es sich bei dieser Norm gegenüber dem Regelfall der Freifahrtberechtigung mit Zahlung einer Eigenbeteiligung nach § 145 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handelt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29). Die Regel, dass Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind, gilt nicht allgemein. Entscheidend ist vielmehr der Grund, warum der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen hat (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 337, 339 f).

39

(a) Zwar lässt der Wortlaut der Norm sowohl eine enge als auch eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" zu, im sprachlichem Zusammenhang betrachtet legt § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX jedoch bereits ein weites Begriffsverständnis nahe.

40

Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen richtet sich die Wortlautinterpretation zunächst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Ausdrucks bzw einer Wortverbindung. Haben Ausdrücke in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten, geht der besondere Sprachgebrauch des Gesetzes vor (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl 1983, S 305 ff). Nach diesen Grundsätzen hat das LSG im Ansatz zutreffend erkannt, dass der Befreiungstatbestand für Personen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" beziehen, im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX so verstanden werden kann, dass von diesem Begriff auch nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen umfasst sind. Das Wort "nach" kann im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutungen einnehmen, etwa "gemäß", "entsprechend" oder "im Sinne von". Es ist auch nach dem juristischen Sprachgebrauch keineswegs zwingend, dass mit der Wortverbindung "nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" nur Leistungen gemeint sind, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Vielmehr können auch Leistungen umfasst sein, die in entsprechender Anwendung der Regelungen des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

41

Ein solches Verständnis wird auch bei den ebenfalls von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IV erfassten Beziehern von Leistungen "nach" den §§ 27a und 27d BVG vertreten(Heinz in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand April 2010, § 145 RdNr 33; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14). Danach sollen nicht nur Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (in unmittelbarer Anwendung des BVG), sondern auch Berechtigte nach den sog "Nebengesetzen" zum BVG von der Zuzahlungspflicht befreit sein, obwohl das BVG nach diesen Gesetzen nur entsprechend anzuwenden ist (vgl etwa § 80 Abs 1 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz; § 47 Abs 1 Satz 1 Zivildienstgesetz; § 60 Abs 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz; § 1 Abs 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz).

42

Schließlich spricht auch der Aufbau der Wortverbindung dafür, dass von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX auch Leistungen umfasst sind, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Leistungen zunächst näher umschrieben als "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen"; die nachfolgende Nennung der materiell-rechtlichen Bezugsnorm ("nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches") kann dann allein dazu dienen, die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise - ungeachtet des genaueren Rechtsgrunds der erhaltenen Leistungen - "nach dem System des Sozialhilferechts" vorzunehmen, welches für sich bereits zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen (11. Kap SGB XII) sowie relevante Sonderbedarfe regelt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34).

43

(b) Ein weites Verständnis des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX steht mit der Entstehungsgeschichte der Norm im Einklang.

44

Die Vorschrift über die Freifahrtsberechtigung schwerbehinderter Menschen geht auf § 57 Abs 1 SchwbG idF des Art 20 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBegleitG) 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) zurück, durch den der Kreis der berechtigten Personen eingeschränkt und grundsätzlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von damals 120 DM jährlich bzw 60 DM halbjährlich eingeführt wurde. Nach der ersten Fassung des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG erhielten ua "Bezieher von laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG" eine kostenlose Wertmarke. Diesen Wortlaut änderte der Gesetzgeber bereits mit der ersten Korrektur des HBegleitG 1984 durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516), um auch bedürftige Heimbewohner eindeutig von der Eigenbeteiligung zu befreien. Denn einige Länder hatten bei der Durchführung des Gesetzes nach der damaligen Systematik des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ein enges Verständnis der Norm zu Grunde gelegt und unter "Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt" nicht Hilfen in besonderen Lebenslagen für bedürftige Heimbewohner verstanden, obwohl bei der Gewährung dieser Leistungen in einer Einrichtung gemäß § 27 Abs 3 BSHG idF vom 24.5.1983 (BGBl I 613) auch Leistungen zum Lebensunterhalt umfasst waren (vgl hierzu Cramer, VersorgB 1985, 87, 89 mwN). Dieser engen Auslegung trat der Gesetzgeber entgegen. Mit der Gesetzesänderung führte er den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" ein und bekundete das Anliegen, durch diesen Befreiungstatbestand "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Ähnlich der heutigen Fassung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX waren nach der damals geltenden Fassung des § 57 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SchwbG Berechtigte, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem BSHG erhalten", von der Entrichtung des Eigenanteils befreit.

45

Dieser Befreiungstatbestand ist inhaltlich sowohl mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) als auch mit Einführung des SGB XII durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) im Wesentlichen unverändert geblieben. Er hat seine letzte Fassung jedoch erst durch die Änderungsgesetze vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und 22.12.2008 (BGBl I 2959) erhalten, die nach den Gesetzesmaterialien vornehmlich redaktionelle Änderungen betrafen (vgl BT-Drucks 16/6985 S 5; BT-Drucks 16/10487 S 11). Die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der Leistungen nach dem "Dritten und Vierten Kapitel" des SGB XII ist auf die Eingliederung des Gesetzes über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) in das SGB XII (Viertes Kapitel) und die systematische Trennung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) und der Hilfen in besonderen Lebenslagen (nun Fünftes bis Neuntes Kapitel) zurückzuführen (vgl zur neueren Gesetzhistorie auch Spiolek in GK-SGB IX, Stand Februar 2011, § 145 RdNr 25).

46

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich - wie das LSG zutreffend erkannt hat - aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte.

47

(c) Für die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX sprechen auch systematische Erwägungen, insbesondere in Bezug auf das Verhältnis dieser sozialen Vergünstigung zu den existenzsichernden Systemen des Fürsorgerechts (SGB II/SGB XII).

48

Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen im Rahmen des § 145 Abs 1 SGB IX stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Vergünstigung des Schwerbehindertenrechts dar. Der Gesetzgeber hat diese Vergünstigung nicht allen einkommensschwachen Personen, die das Merkzeichen "G" besitzen, zukommen lassen wollen, sondern dabei eine systembezogene Zuordnung vorgenommen. Der Senat hat bereits entschieden, dass selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl hierzu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) vorliegt, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte (vgl § 27 Abs 1 SGB XII) soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 36). Konsequenterweise ist eine entsprechende soziale Vergünstigung (kostenfreie Wertmarke) bzw die Deckung eines entsprechenden Bedarfs bei Schwer- oder Gehbehinderung grundsätzlich kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII (vgl zum SGB II etwa BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 39; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 24). Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen der Nr 2 nur bestimmte Gruppen von Leistungsbeziehern nach dem SGB XII, SGB II und BVG in den Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB IX aufgenommen. Dementsprechend ist insoweit die Zuordnung von Freifahrtberechtigten nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu diesen Systemen der öffentlichen Fürsorge von entscheidender Bedeutung.

49

Dem System des SGB XII sind dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII beziehen, sondern auch Personen, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesem sieht der Gesetzgeber ersichtlich keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX. Im Fall der Zuordnung zu einem anderen Sicherungssystem geht er nachvollziehbar davon aus, dass ein etwa erforderlicher Ausgleich - zB durch Erstattung des Eigenanteils - ggf im Rahmen dieses Systems erfolgen kann.

50

Auf die "Zweckidentität" einer Leistung hinsichtlich der Gewährleistung des Existenzminimums kommt es mithin bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht entscheidend an, vielmehr auf die Zuordnung eines Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts". Folglich hält es der Senat aus systematischen Gründen für notwendig, dass es sich dabei nicht nur um Leistungen handelt, die zumindest in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden, sondern auch um Leistungsbezieher, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen, also nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich dem "System des Sozialhilferechts" zugewiesen sind.

51

Der Senat verkennt nicht, dass bei einer solchen Auslegung der ausdrücklichen Nennung der Bezieher von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt iS des § 27a BVG in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Var 4 SGB IX kaum eigenständige Bedeutung zukommt, da nach § 27a Satz 2 BVG bereits eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Dritten Kapitels des SGB XII unter Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten und Hinterbliebenen vorgesehen ist. Gerade im Zusammenhang mit der Begünstigung der Leistungsbezieher nach § 27d BVG kann die Nennung des § 27a BVG immerhin eine sinnvolle Klarstellung bedeuten, zumal eine Gleichstellung des von § 27a BVG erfassten Personenkreises - auch im Hinblick auf die angeordnete Berücksichtigung der besonderen Lage der Betroffenen - zweifelhaft seien könnte.

52

(d) Ein weites Begriffsverständnis entspricht auch am ehesten dem Sinn und Zweck des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX.

53

Durch die jetzt in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorgesehene soziale Vergünstigung sollen - wie schon seit Einführung des Eigenanteils bei der ermäßigten Beförderung eines Kreises schwerbehinderter Menschen im Jahre 1984(vgl § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) - die "Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter" berücksichtigt werden (BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Dabei ist es ein Anliegen des Gesetzgebers, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40). Durch die Anknüpfung ua an den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII macht der Gesetzgeber die Befreiung vom Unterschreiten einer Einkommensgrenze abhängig, die sich aus dem System des Sozialhilferechts (11. Kap SGB XII) ergibt (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34). Bei dieser Zweckrichtung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die für den Lebensunterhalt laufenden Leistungen in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII gewährt werden.

54

Hierbei ist auch das weitere Ziel des Gesetzgebers zu berücksichtigen, die verwaltungspraktische Arbeit der zuständigen Behörden dadurch zu erleichtern, dass die Hilfebedürftigkeit des Berechtigten bereits durch andere Träger - mittels Verwaltungsakt - festgestellt worden ist (vgl BT-Drucks 10/335 S 89; vgl auch BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 35). Dieser hatte insoweit offensichtlich das sozialhilferechtliche Verwaltungsverfahren vor Augen. Nicht nur aus systematischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf diese Zweckrichtung liegt es nahe, ein weites Verständnis des Befreiungstatbestands auf Leistungsbezieher zu beschränken, die - auch verfahrensmäßig - Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen.

55

(e) Auch mit Rücksicht auf höherrangiges Recht ist das vom Senat für zutreffend gehaltene Verständnis des Befreiungstatbestands nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX angebracht.

56

Das BSG hat bereits entschieden, dass die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung den Gesetzgeber nicht berechtigt, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen (BVerfGE 39, 148, 153). Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfG Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 - BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfG Beschluss vom 8.4.1998 - 1 BvL 16/90 - BVerfGE 98, 1, 12 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 S 5). Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36; BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1).

57

Diesen Vorgaben wird eine Auslegung des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht, die auch Personen erfasst, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII erhalten, und Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Maßgebend für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betreffende Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist.

58

(2) Zur Auslegung des Begriffs "erhalten" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX hat der erkennende Senat bereits die möglichen Deutungen und die in anderen Rechtsgebieten vertretenen Auffassungen dargelegt; danach kann unter diesem Begriff sowohl der faktische Bezug einer Leistung zu verstehen sein als auch das Empfangen der Leistung durch den sachlich-rechtlichen Inhaber der Forderung (BSG Urteil vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 18 mwN). Der Senat ist der Auffassung, dass bei § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX eine dem engeren Wortsinn entsprechende Auslegung vorzugswürdig ist, nach der es allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt(so auch Vogl in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl 2010, § 145 RdNr 46). Hierfür spricht maßgeblich die nach den Gesetzesmaterialien zur insoweit inhaltsgleichen Vorläufervorschrift des § 57 Abs 1 Nr 2 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) vom Gesetzgeber gewollte Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens. Danach sollen die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtsberechtigter berücksichtigt werden, "ohne dass die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im einzelnen prüfen müssen". Über die Befreiung von der Kostenbeteiligung soll nach Vorlage eines Bescheids entschieden werden, "aus dem hervorgeht, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die genannten Leistungen bezogen werden" (BT-Drucks 10/335 S 89).

59

dd) Gemessen an diesen Kriterien werden die vom Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII bezogenen Leistungen von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Unerheblich ist hierbei, ob der Kläger auch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf diese Leistungen hatte, da es im Rahmen des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX allein auf den tatsächlichen Zufluss der Leistungen ankommt. Ferner ergibt sich ein gesetzlicher Ausschluss des Klägers von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 Satz 5 SGB XII weder unmittelbar noch mittelbar aus § 9 Abs 1 AsylbLG (1). Die vom Kläger bezogenen Leistungen werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt (2), und zwar an Personen, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (3).

60

(1) Nach § 9 Abs 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen, wobei als Leistungsberechtigte dieser Vorschrift nach allgemeiner Meinung alle Berechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG zählen, also sowohl Bezieher von sog Grundleistungen(§§ 3 ff AsylbLG) als auch Analog-Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 7).

61

Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs 1 AsylbLG, dass Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG von der in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX vorgesehenen Vergünstigung ausgeschlossen sind (a). Hierfür sprechen auch nicht die Entstehungsgeschichte (b), der systematische Zusammenhang (c) oder der Sinn und Zweck der Vorschrift (d).

62

(a) Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich nicht zwangsläufig eine übereinstimmende Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" iS des § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX. Dem letztgenannten Begriff kommt im Rahmen der sozialen Vergünstigung bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im Personenverkehr eine weitergehende Bedeutung zu. Er umfasst auch Leistungen, die ihren Rechtsgrund nicht (allein) im SGB XII haben, sondern in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen gewährt werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen. Die Zweckrichtung der Vorschrift kann insoweit zu einem Begriffsverständnis führen, das von der in anderem gesetzlichen Zusammenhang entwickelten Auslegung abweicht.

63

(b) § 9 AsylbLG ist mit Einführung des AsylbLG am 1.11.1993 in Kraft getreten (BGBl I 1074) und regelt seither das Verhältnis dieses Leistungsgesetzes zu anderen gesetzlichen Vorschriften (vgl BT-Drucks 12/4451 S 10 zu der im ersten Gesetzentwurf ursprünglich als § 8 vorgesehenen Regelung und BT-Drucks 13/2746 S 17 zu § 9). Denn bei dem AsylbLG handelt es sich um ein besonderes Sicherungssystem, das aus dem Asylkompromiss 1992 heraus entstanden ist und eigenständige, abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen eng begrenzten Personenkreis von Ausländern enthält (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5; BT-Drucks 15/1516 S 52 zu § 7 SGB II). Nach dem ursprünglichen Wortlaut sah § 9 Abs 1 AsylbLG vor, dass Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten; dieser Wortlaut ist durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) zum 1.1.2005 lediglich redaktionell angepasst worden (Groth in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 9 AsylbLG RdNr 3).

64

Es ergeben sich weder aus den Gesetzmaterialen zur Einführung und zu späteren Änderungen der Beteiligung Berechtigter an den Kosten für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr nach dem SchwbG bzw dem SGB IX noch aus den Vorgängen zu § 9 AsylbLG (und dem AsylbLG insgesamt) hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX übereinstimmend verstanden wissen und damit ausnahmslos alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG (mittelbar) von der sozialen Vergünstigung nach dem SGB IX ausschließen wollte.

65

Mit Einführung der Kostenbeteiligung im Jahr 1984 durch § 57 Abs 1 SchwbG(idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532) waren auch bedürftige Ausländer von der Entrichtung des Eigenanteils iS des § 57 Abs 1 Satz 4 Nr 2 Alt 2 SGB IX befreit, soweit sie zur Sicherung des Lebensunterhalts Leistungen der öffentlichen Fürsorge in Anspruch genommen haben. Denn sie hatten im Rahmen der Sozialhilfe ausnahmslos einen Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (§ 120 Abs 1 und 2 BSHG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532); dies galt auch für Asylbewerber (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5). Die Einführung des AsylbLG zum 1.11.1993 hatte im Hinblick auf den Mindestunterhalt während des Asylverfahrens eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistungen nach § 120 Abs 2 BSHG(idF bis zum 30.10.1993, BGBl I 1991, 94, 808; BGBl I 1993, 278) und einen Vorrang der Sachleistungsgewährung zum Ziel, um das Leistungsrecht dem Ausländer- und Asylrecht anzupassen (vgl BT-Drucks 12/4451 S 4). Den Materialien ist nicht zu entnehmen, dass sich dieser Systemwechsel auch auf die Rechtstellung des Personenkreises nach § 1 Abs 1 AsylbLG(idF vom 30.6.1993, BGBl I 1074) im Schwerbehindertenrecht, namentlich im Rahmen des damals geltenden § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG(idF vom 21.6.1991, BGBl I 1310), auswirken sollte. Insbesondere kann nicht ohne Weiteres auf eine übereinstimmende Verwendung des Begriffs "Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz" in § 9 AsylbLG und § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG geschlossen werden. Vielmehr sollte die Formulierung in § 9 Abs 1 AsylbLG (lediglich) im Verhältnis zum Sozialhilferecht festlegen, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbaren Landesgesetzen zustehen(BT-Drucks 12/4451 S 10).

66

Ein gewichtiges Argument für einen übereinstimmenden Wortsinn ist es zwar, dass der Gesetzgeber seit Inkrafttreten des AsylbLG die Regelung des § 59 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SchwbG bzw § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX trotz deren häufigen redaktionellen Änderungen nicht ausdrücklich zumindest auf einen Teil der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG(§ 2 Abs 1 AsylbLG) erstreckt hat. Daraus könnte man folgern, dass ein an sich regelungsbedürftiger Anspruch bewusst nicht gewährt werden sollte (sog "beredtes Schweigen"). Hiergegen spricht wiederum die weitere Entwicklung des Asylbewerberleistungsrechts. Denn der Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG ist im Laufe der Jahre mehrmals geändert worden, ohne dass sich der Gesetzgeber mit den Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht nachvollziehbar auseinandergesetzt hat.

67

Dies gilt insbesondere für das Erste Änderungsgesetz des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130). Mit ihm ist der Gedanke der Kosteneinsparung durch Einführung der sog Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG in den Vordergrund getreten(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21; BT-Drucks 17/3660 S 5) und die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs iS des § 1 Abs 1 AsylbLG ua auf Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge einhergegangen(vgl § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG idF vom 5.8.1997, BGBl I 1130), die ursprünglich nach dem Asylkompromiss 1992 ausdrücklich ausgenommen gewesen sind (vgl BT-Drucks 12/5008 S 13). Im Gesetzgebungsverfahren sind zwar auf Länderseite den Mehrkosten im Sozialhilfewesen durch eine Begrenzung der Arbeitslosenhilfe und durch die finanzielle Verantwortung für die unentgeltliche Beförderung ua von Schwerbehinderten im Personenverkehr Einsparungen durch die Änderungen des AsylbLG gegenübergestellt worden (vgl BT-Drucks 13/3475 S 3). Mögliche Auswirkungen der inhaltlichen Änderungen des AsylbLG auf die Rechtstellung der Betroffenen im Schwerbehindertenrecht und insbesondere bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr werden jedoch in den vorliegenden Gesetzesmaterialien (ua BT-Drucks 13/2746, Erstentwurf vom 24.10.1995; BT-Drucks 13/3475, Entwurf der Bundesregierung vom 12.1.1996; BT-Drucks 13/3720, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 7.2.1996; BT-Drucks 13/7510, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 23.4.1997) an keiner Stelle erörtert, obwohl dies bei einer gemeinsamen Behandlung dieser Regelungsgegenstände nahe gelegen hätte.

68

Entsprechendes gilt auch für die Änderungen und Anpassungen des persönlichen Anwendungsbereichs (§ 1 Abs 1 AsylbLG) an das neue Asyl- und Aufenthaltsrecht mit der Einführung des AufenthG, das mit Wirkung zum 1.1.2005 das Ausländergesetz abgelöst hat (vgl Art 8 Nr 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004, BGBl I 1950). Mit dem Zuwanderungsgesetz 2004 ist zum einen ein Teil der bis dahin regelmäßig nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten wegen europa- und völkerrechtlich vorgegebener Mindeststandards bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen (vgl Art 28 Abs 1 Richtlinie 2004/83/EG , ABl.EU L 304 vom 30.9.2004 und Art 23 Genfer Flüchtlingskommission, BGBl II 1953, 559) aus dem persönlichen Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen worden (vgl hierzu ausführlich Frerichs in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 1 AsylbLG RdNr 42 f, 56-58, 71 ff, 73; vgl auch BT-Drucks 15/420 S 61). Zum anderen sind Inhaber bestimmter Aufenthaltstitel (Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs 3 und 4 AuslG), die zuvor leistungsberechtigt nach dem BSHG gewesen sind, durch die Überführung ihres Titels in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG(vgl § 101 Abs 2 AufenthG)erstmals in den Anwendungsbereich des AsylbLG (§ 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG) einbezogen worden (vgl Frerichs, aaO, § 1 AsylbLG RdNr 95 f). Gleichwohl werden in den Gesetzesmaterialien die Änderungen des § 1 Abs 1 AsylbLG nicht näher erläutert, auch nicht im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht(BT-Drucks 15/420 S 120 f).

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(c) Systematisch regelt § 9 Abs 1 AsylbLG nach Art einer Konkurrenznorm das Verhältnis des AsylbLG als abgeschlossenes Leistungssystem zu anderen Leistungsgesetzen. Er legt ausdrücklich fest, dass Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG weder Leistungen nach dem Sozialhilferecht (SGB XII) noch nach vergleichbaren Landesgesetzen, wie etwa Landesblinden- oder Landespflegegeldleistungen, zustehen (so die Gesetzesbegründung vom 2.3.1993 zum inhaltsgleichen § 8 Abs 1 des ersten Gesetzesentwurfs, BT-Drucks 12/4451 S 10; vgl jüngst etwa zum Landesblindengeld NRW OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.6.2011 - 12 A 1011/10 - juris). Die Vorschrift korrespondiert insoweit mit § 23 Abs 2 SGB XII, derzufolge Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten, und mit § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II(vgl hierzu BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 14; zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R - BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 10; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R - juris). Über seinen leistungsausschließenden Charakter hinaus, stellt die Vorschrift klar, dass es sich bei den Leistungen nach diesem Gesetz, auch bei denjenigen nach § 2 Abs 1 AsylbLG, ihrem Rechtsgrund nach um Leistungen nach dem AsylbLG handelt(vgl BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung; vgl auch Hohm, AsylbLG, Stand Juli 2011, § 9 RdNr 5; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand Mai 2011, § 9 AsylbLG RdNr 8; Groth in jurisPK-SGB XII, § 9 AsylbLG RdNr 17).

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Die Reichweite des § 9 Abs 1 AsylbLG ist systematisch aber auf das Verhältnis von AsylbLG und SGB XII (und vergleichbaren Ländergesetzen) begrenzt und erstreckt sich gemäß § 9 Abs 2 AsylbLG grundsätzlich nicht auf das Aufgaben- und Leistungsprogramm anderer Leistungsträger(vgl BVerwG Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24/98 - BVerwGE 109, 155 - juris RdNr 30 ). Für die Mobilitätsförderung nach § 145 Abs 1 Satz 1 SGB IX selbst ist dies offensichtlich; von einem Ausschluss des Klägers von diesem Nachteilsausgleich geht auch die Beklagte nicht aus. Aus dieser Systematik folgt zugleich, dass die Bedeutung der Begriffe "Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" in § 9 Abs 1 AsylbLG und "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" in § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX nicht übereinstimmen muss. Bemerkenswert sind insoweit die Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 9 Abs 2 AsylbLG. Danach können Leistungen anderer Leistungsträger nicht unter Hinweis auf Leistungen nach dem AsylbLG eingeschränkt werden, "sofern dies nicht ausdrücklich im Rahmen von Einkommensvoraussetzungen vorgesehen ist" (BT-Drucks 12/4451 S 10 zu § 8). Zumindest eine ausdrückliche Einschränkung enthält § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX für Leistungsbezieher nach dem AsylbLG nicht. Da das AsylbLG als eigenständiges Leistungssystem nicht in das SGB eingegliedert und kein besonderer Teil iS des § 68 SGB I ist(vgl Herbst in Mergler/Zink, SGB XII/AsylbLG, Einführung zum AsylbLG RdNr 12), lässt sich auch nicht mit einer übereinstimmenden Bedeutung der Begriffe innerhalb des SGB argumentieren.

71

(d) Der Gesetzgeber hat die durch § 9 Abs 1 AsylbLG klar zum Ausdruck kommende Abgrenzung dieses Leistungssystems vom Recht der Sozialhilfe(vgl dazu auch § 23 Abs 2 SGB XII) als notwendig erachtet, um bei der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG von grundlegenden Prinzipien des Sozialhilferechts, insbesondere vom Individualisierungsgrundsatz, abweichen zu können (vgl BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2; vgl auch Kunkel, NVwZ 1994, 352, 353; zum Abschied von den sog Strukturprinzipien der Sozialhilfe, die vom BVerwG entwickelt worden sind, vgl insb BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 5/07 R - SozR 4-3520 § 9 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, Vor § 1 RdNr 4 f, 8 f). Die Leistungen an Asylbewerber zur Deckung ihres Lebensunterhalts sollten außerhalb des BSHG "vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthaltes" ausgerichtet werden. Nach der zuvor geltenden Rechtslage (§ 120 Abs 2 BSHG) war die Einschränkung der Leistungen auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nur aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles zulässig (BT-Drucks 12/4451 S 5 zu Nr 2 unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 26.8.1991 - 5 C 61.88 - BVerwGE 89, 87 ff).

72

Der Beklagten ist insoweit einzuräumen, dass die Herausnahme der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs 1 AsylbLG aus dem Kreis der Sozialhilfebezieher ein bewusster Schritt der Schlechterstellung gegenüber denjenigen Personen darstellt, die unmittelbar anspruchsberechtigt nach dem BSHG waren bzw heute nach dem SGB XII sind. Nicht beantwortet hat sie aber die entscheidende Frage, ob hieraus auch auf eine bewusste Schlechterstellung dieses Personenkreises im Schwerbehindertenrecht geschlossen werden kann. Dies wäre bei einem übereinstimmenden Wortsinn der "Leistungen nach dem SGB XII" iS des § 9 Abs 1 AsylbLG und der "Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII" iS des § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX der Fall. Der Senat verneint diese Frage. Denn § 9 Abs 1 Alt 1 AsylbLG - und Entsprechendes gilt für § 23 Abs 2 SGB XII - ist nicht nur systematisch, sondern auch nach seinem Sinn und Zweck vornehmlich als Vorschrift betreffend die Gesetzeskonkurrenz im Bereich der Existenz sichernden Leistungen (SGB XII, AsylbLG) zu verstehen. Er stellt lediglich klar, dass Berechtigten nach § 1 AsylbLG über die Asylbewerberleistungen hinaus keine (weiteren) Existenz sichernden Leistungen der Sozialhilfe zustehen. Die gewollte Schlechterstellung dieser Personen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Recht der Sozialhilfe, lässt deren Rechtstellung im SGB IX unberührt. Durch das Schwerbehindertenrecht sollen nämlich alle Menschen mit Behinderungen - grundsätzlich unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status - durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderung in die Gesellschaft integriert werden (vgl BSG Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 2/09 R - BSGE 106, 101 = SozR 4-3250 § 69 Nr 11, RdNr 31). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

73

(2) Die Leistungen, die der Kläger nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm §§ 27 ff SGB XII erhalten hat, werden in entsprechender Anwendung des Dritten Kapitels des SGB XII gewährt. Denn nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf einen bestimmten Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG entsprechend anzuwenden. Hierbei kann die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 2 Abs 1 AsylbLG eine Rechtsfolgenverweisung(vgl hierzu ausführlich Hohm in AsylbLG, Stand Juli 2011, § 2 RdNr 94 ff mwN) oder eine Rechtsgrundverweisung auf § 23 SGB XII(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40) enthält, unbeantwortet bleiben (ebenfalls offen gelassen durch BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 und BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 AY 1/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR RdNr 14 f; zur praktischen Bedeutung dieses Streits vgl auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl 2010, § 2 AsylbLG RdNr 108).

74

Es handelt sich zwar in der Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG um eine sog Analogieverweisung(vgl hierzu Handbuch der Rechtsförmlichkeit, herausgegeben vom BMJ, 3. Aufl 2008, RdNr 232), bei der der Bezugstext - das SGB XII - nicht wörtlich mitgelesen werden kann und nur eine "entsprechende" und ggf eine nach der Regelungsmaterie des AsylbLG abweichende Anwendung findet (zur entsprechenden Anwendung des SGB XII iS des § 2 Abs 1 AsylbLG vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 101 ff). Die Leistungen bestimmen sich jedoch grundsätzlich nach den näheren Leistungsvoraussetzungen, den Bestimmungen über Art, Form und Maß der Leistung und den einzelnen Verfahrensregelungen des Sozialhilferechts (vgl BT-Drucks 12/5008 S 15). Es gelten die - auch für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX maßgeblichen - Einkommens- und Vermögensgrenzen des SGB XII, da die asylbewerberleistungsrechtliche Vorschrift über zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen(§ 7 AsylbLG) gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG ("abweichend von den §§ 3 bis 7" AsylbLG) nicht anzuwenden ist(vgl auch Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 39; Hohm, aaO, § 2 RdNr 105 mwN). Ungeachtet des Streits über die Art der Verweisung besteht nach ganz herrschender Meinung jedenfalls im Hinblick auf die Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt Einigkeit darüber, dass die Regelungen über diese Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG heranzuziehen sind(vgl Hohm, aaO, § 2 RdNr 185 f; Decker, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 53; Herbst, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 42; Oppermann, aaO, § 2 AsylbLG RdNr 121 f).

75

(3) Die Bezieher von Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG iVm den Vorschriften des SGB XII stehen zudem - wie von § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX vorausgesetzt - den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. Der Gesetzgeber mag die (in § 9 Abs 1 AsylbLG und § 23 Abs 2 SGB XII zum Ausdruck kommende) klare Abgrenzung der Leistungssysteme (SGB XII/AsylbLG) aus systematischen Gründen als notwendig erachtet haben. Materiell-rechtlich sind Leistungsberechtigte nach § 2 Abs 1 AsylbLG jedoch dem "System der Sozialhilfe" zugewiesen. Auch hierbei kann der Streit über die Art der Verweisung in § 2 Abs 1 AsylbLG unentschieden bleiben. Selbst wenn diese allein als Verweisung auf § 23 SGB XII zu verstehen wäre(so Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Juni 2011, § 2 AsylbLG RdNr 37 ff, 41 mwN; Herbst in Mergler/Zink, SGB XII - AsylbLG, Stand Januar 2011, § 2 RdNr 40), steht der berechtigte Personenkreis Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich. § 23 SGB XII regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Ausländer Sozialhilfe beziehen können. Die Vorschrift sieht für diesen Personenkreis zwar nur einen reduzierten Leistungskatalog vor. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII sind aber als Pflichtleistung die Hilfe zum Lebensunterhalt(§§ 27 ff SGB XII), die Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII), die Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 50 SGB XII) sowie die Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII) auf sozialhilferechtlichem Niveau vorgesehen. Entsprechendes gilt für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (§§ 41 bis 46 SGB XII), da diese Regelungen nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XII unberührt bleiben. Die Erbringung der übrigen Sozialhilfeleistungen liegt einzelfallbezogen im Ermessen der Behörde (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII).

76

Zwar erstreckt sich der Rechtsanspruch damit grundsätzlich nicht auf die Leistungen der übrigen Kapitel des SGB XII, insbesondere nicht auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 bis 60 SGB XII). Dieser sozialhilferechtliche Regelausschluss ist aber für die soziale Vergünstigung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX ohne Belang. Zum einen sind auch Leistungsberechtigte nach § 23 Abs 1 SGB XII, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII beziehen, nach dieser Vorschrift von der Entrichtung des Eigenanteils befreit. Zum anderen führt der Erhalt der Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII allein noch nicht zu der Kostenbefreiung nach § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX.

77

Aus den Besonderheiten des AsylbLG ergibt sich keine andere Bewertung. Vielmehr verbindet auch der Gesetzgeber mit der Anspruchsberechtigung nach § 2 Abs 1 AsylbLG "eine weitgehende Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht", weil bei einem längeren Zeitraum des Aufenthaltes und - mangels Entscheidung (über den Asylantrag) - noch nicht absehbarer weiterer Dauer nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden könne, der bei einem in der Regel nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entstehe. Insbesondere seien nunmehr Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet seien (BT-Drucks 12/5008 S 15 zu der im Entwurf als § 1a AsylbLG vorgesehenen Regelung). Im Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 AsylbLG ging diese Integrationskomponente allerdings in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26.5.1997 (BGBl I 1130) weitgehend verloren. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung, wie er sich an der Leistungsvoraussetzung eines 36 Monate währenden Leistungsbezugs nach §§ 3 ff AsylbLG (sog Vorbezugszeit) zeigt(vgl hierzu BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 21 unter Bezugnahme auf den Ausschussbericht vom 7.2.1996, BT-Drucks 13/3728 S 3).

78

Auch bei der Anhebung der Vorbezugszeit iS des § 2 Abs 1 AsylbLG auf 48 Monate mit Wirkung ab 28.8.2007 (Art 6 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) spielte die Integrationskomponente keine wesentliche Rolle (vgl BSG, aaO, RdNr 23 mwN). Immerhin kommt in den Materialien zum Ausdruck, nach einem Voraufenthalt von vier Jahren könne davon ausgegangen werden, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl BT-Drucks 16/5065 S 232 zu Nr 2). Hieraus ergibt sich jedenfalls für die Rechtsfolge des § 2 Abs 1 AsylbLG, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen "einer weitgehenden Angleichung des Leistungsrechts an das Sozialhilferecht" nicht aufgegeben hat. Auf die wegen der entsprechenden Anwendung des SGB XII im Detail gegebenenfalls abweichende Leistungsgewährung nach § 2 Abs 1 AsylbLG(vgl hierzu ausführlich Hohm, aaO, § 2 RdNr 110 ff) kommt es nach Auffassung des Senats insoweit nicht entscheidend an.

79

c) Die Beklagte war nach alledem gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX verpflichtet, an den Kläger eine für ein Jahr gültige Wertmarke - hier für den Zeitraum von September 2009 bis August 2010 - kostenlos, also ohne Entrichtung des Eigenanteils nach § 145 Abs 1 Satz 3 SGB IX, auszugeben. Der angefochtene Verwaltungsakt ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben. Zudem hat die Beklagte dem Kläger den rechtsgrundlos erhaltenen Betrag in Höhe von 60 Euro zu erstatten.

80

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke für die Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ohne Entrichtung eines Betrages in Höhe von 60 Euro hatte.

2

Bei dem 1945 geborenen Kläger sind ein Grad der Behinderung von 90 sowie die Voraussetzungen der Merkzeichen G und B festgestellt (Bescheid des beklagten Landes vom 6.7.2005). Er bezieht seit dem 1.2.2005 eine Beschädigtenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz iVm Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 vH (seit dem 21.12.2007: Grad der Schädigungsfolgen von 70) und (vom Landeswohlfahrtsverband Hessen) eine fortlaufend gewährte Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV). Diese bestand für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.1.2011 aus einem pauschalen Betrag von 50 Euro und einem Zuschuss von 19,01 Euro für die Beiträge zur Kraftfahrzeugversicherung (Bescheid vom 19.1.2010). Vom 1.2.2011 bis 31.1.2012 betrugen die Pauschale 50 Euro und der Beitragszuschuss 24,45 Euro (Bescheid vom 3.11.2010).

3

Am 22.2.2010 beantragte der Kläger auf einem ihm vom beklagten Land übersandten Formular unter Hinweis auf seinen Leistungsbezug nach § 27d BVG die Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke für die Beförderung im öffentlichen Personenverkehr gemäß § 145 Abs 1 S 5 SGB IX. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.2.2010 ab. Er wies darauf hin, dass Anspruch auf eine unentgeltliche Wertmarke nur Personen hätten, die laufende Leistungen für den Lebensunterhalt erhielten. Die dem Kläger gewährte Kraftfahrzeughilfe zähle zu den Hilfen in besonderen Lebenslagen und nicht zu den laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt im Sinne sozialhilferechtlicher Vorschriften. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.4.2010 als unbegründet zurück.

4

Mit seiner beim Sozialgericht Marburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Ausstellung einer unentgeltlichen Wertmarke begehrt. Nachdem ihm gegen Zahlung von 60 Euro eine für den Zeitraum vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 gültige Wertmarke ausgegeben worden war, hat er seinen Antrag auf die Erstattung des für die Wertmarke für diesen Zeitraum aufgewandten Betrages umgestellt. Durch Urteil vom 8.6.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom SG zugelassene Berufung ist vom Hessischen Landessozialgericht (LSG) nach Anhörung des Klägers mit Beschluss vom 28.9.2011 mit folgender Begründung zurückgewiesen worden:

5

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung des Betrages, den er für die vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 gültige Wertmarke entrichtet habe. Er gehöre nicht zu den Personen, die eine Ausgabe der Wertmarke ohne Eigenbeteiligung beanspruchen könnten. Zwar sei ihm iS von § 145 Abs 1 S 1 SGB IX das Merkzeichen G zuerkannt worden. Jedoch erfülle er die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 145 Abs 1 S 5 SGB IX nicht. Insbesondere stelle die vom Kläger bezogene Kraftfahrzeughilfe keine laufende Leistung für den Lebensunterhalt iS von § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX dar, sondern diene allein zur Eingliederung behinderter Menschen in die Gesellschaft. Entsprechendes gelte für den Betrag zur Kraftfahrzeugversicherung, auch wenn dieser von einer vorhergehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse abhängig sei.

6

Entgegen der klägerischen Auffassung verweise § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX nicht ohne Einschränkungen auf die in §§ 27a und 27d BVG aufgeführten Leistungen. Vielmehr müsse es sich nach dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung bei den Leistungen außerhalb des SGB II um "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" handeln. § 145 SGB IX diene der Förderung der Mobilität schwerbehinderter Menschen durch Teilnahme am öffentlichen Personenverkehr. Dieses Ziel werde bereits durch die Unentgeltlichkeit der Beförderung erreicht. Die Kostenbeteiligung vermindere lediglich die aufgrund der Zahlungsausfälle eintretenden finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand. Nur ein begrenzter Personenkreis solle seit der Einführung der Kostenbeteiligung das Privileg der unentgeltlichen Beförderung ohne Eigenbeteiligung erhalten. Der Kläger unterscheide sich jedoch von diesem privilegierten Personenkreis dadurch, dass er seinen Lebensunterhalt aufgrund eigenen Einkommens in Form der Beschädigtenrente nach dem BVG decken könne.

7

Hiergegen hat der Kläger die vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene Revision eingelegt. Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte (Schreiben vom 2.10.2012), bei für den Kläger günstigem Ausgang des Verfahrens würden die Kosten der Wertmarken mit Gültigkeitsdauer von Mai 2010 bis April 2011 und von Mai 2011 bis April 2012 erstattet, hat der Kläger erklärt, ein Erstattungsanspruch werde in diesem Verfahren nicht mehr geltend gemacht. Zur Begründung der Revision nimmt der Kläger auf seine Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Mit dieser hatte er ua vorgetragen:

8

Er könne eine Befreiung von der Eigenbeteiligung bei der Ausgabe der Wertmarke gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX verlangen. Soweit diese Vorschrift auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 27d BVG abstelle, handele es sich um ein Redaktionsversehen. Denn § 27d BVG regele lediglich Hilfen in besonderen Lebenslagen, aber keine laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt. Bereits das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) habe zwischen diesen Leistungsarten unterschieden. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dienten der Sicherung des Existenzminimums, Leistungen in besonderen Lebenslagen hingegen der Deckung einer spezifischen Bedarfssituation. Aufgrund der Ähnlichkeit von § 27d BVG und § 27 BSHG sei auf diese Begriffsunterscheidung zurückzugreifen. Alle Hilfen, die nach § 27d BVG zur Verfügung gestellt würden, unterfielen demnach § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX, jedenfalls solange sie nicht einmalig gewährt würden. Dies entspreche auch der gesetzgeberischen Intention, Kriegs- bzw Wehrdienstbeschädigte besserzustellen, als "normale" Sozialhilfeempfänger.

9

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Hessen vom 28. September 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8. Juni 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der erledigte Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2010 rechtswidrig war.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug und trägt vor: Vom Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX würden nur lebensunterhaltssichernde Leistungen erfasst. Der Kläger verfüge über Einkommen, mit dem er seinen individuellen sozialhilferechtlichen Bedarf decke; er habe keinen Anspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen. Bei der bezogenen Kraftfahrzeughilfe und den Beiträgen zur Kraftfahrzeugversicherung handele es sich nicht um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sodass der Kläger die Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke nicht beanspruchen könne.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie in hinreichender Form begründet worden.

13

Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ausnahmsweise die Bezugnahme auf die Ausführungen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unbedenklich, wenn der Revisionsführende sich bereits dort mit den Fragen des materiellen Rechts auseinandergesetzt hat, die sich auch im Revisionsverfahren stellen. In diesem Fall würde eine erneute eigenständige Begründung auf eine bloße Wiederholung des bereits Vorgetragenen hinauslaufen (vgl BSG Urteil vom 9.8.1995 - 9 RVs 3/95 - Juris OS 1, RdNr 7 mwN; so auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 200/10 R - Juris RdNr 9; Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9g mwN).

14

Da der Kläger sich bereits zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde materiell-rechtlich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt und eine Verletzung in seinen Rechten dargelegt hat, konnte er sich im Revisionsverfahren ausnahmsweise mit der Bezugnahme auf diese Ausführungen begnügen, zumal er lediglich eine Verletzung materiellen Bundesrechts geltend macht.

15

Die Revision ist nicht begründet.

16

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, seinen Erstattungsanspruch in diesem Verfahren nicht mehr geltend zu machen, ist Gegenstand des Verfahrens nur noch die Fortsetzungsfeststellungsklage, in die der Kläger seine ursprüngliche Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl dazu BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 7/10 R - BSGE 109, 154 = SozR 4-3250 § 145 Nr 2, RdNr 19 ff) umgestellt hat. Ein derartiger Wechsel ist auch im Revisionsverfahren zulässig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 168 RdNr 2b mwN).

17

Die Voraussetzungen für eine Fortsetzungsfeststellungsklage liegen hier vor.

18

Nach § 131 Abs 1 S 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich der Verwaltungsakt nach Klageerhebung vor der gerichtlichen Entscheidung durch Zurücknahme oder anders erledigt, sofern der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Regelung des SGG gilt zwar ausdrücklich nur für Anfechtungsklagen, ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 8 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 7c mwN).

19

Der Kläger hat mit seiner Klage ursprünglich die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke für die Zeit vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 begehrt. Auf diesen Zeitraum bezieht sich nach den Umständen des vorliegenden Falles der streitgegenständliche Bescheid vom 24.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010.Die Entscheidung über den Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr sowie darüber, ob die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Abgabe einer solchen Wertmarke im Einzelfall vorliegen, erfolgt bezogen auf einen bestimmten Gültigkeitszeitraum von einem halben bzw einem ganzen Jahr (vgl § 145 Abs 1 S 3 bis 5 SGB IX). Dem entspricht auch der vom Kläger verwandte Formularantrag vom 22.2.2010. In diesem ist zwar kein Zeitraum aufgeführt, jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass dieser Antrag auf die Ausgabe einer Wertmarke gerichtet ist, deren Gültigkeitsdauer sich an den Zeitraum anschließt, für den die zuletzt erteilte Wertmarke gilt. Dies legt bereits der vom Beklagten formulierte Text nahe. Darin heißt es:

        

"Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, die Gültigkeitsdauer Ihrer Wertmarke läuft in Kürze ab. Sofern Sie auch künftig die Freifahrt in Anspruch nehmen wollen (…)."

20

Zwar hat das LSG den Inhalt dieses Antrags vom 22.2.2010 nicht vollständig wiedergegeben, vielmehr im Urteil insoweit allein die Antragstellung und Begründung als solche geschildert sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten verwiesen. Diese Nennung und der Verweis sind jedoch ausreichend dafür, dass der Senat den vollen Inhalt des Antragsformulars als festgestellt iS von § 163 SGG ansehen kann(vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 43; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 4).

21

Die vom LSG festgestellte Ausgabe einer (entgeltlichen) Wertmarke für die Zeit vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 zeigt, dass die Gültigkeitsdauer der dem Kläger erteilten Wertmarken jeweils von Mai eines Jahres bis April des Folgejahres reicht. Im Hinblick auf diesen Zeitbezug des angefochtenen Verwaltungsaktes hat sich letzterer auf andere Weise - nämlich durch Zeitablauf - erledigt (§ 131 Abs 1 S 3 SGG iVm § 39 Abs 2 SGB X). Da die Ausgabe der Wertmarke für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum dem Kläger keine günstige Rechtsposition mehr verschaffen kann, ist mit Ablauf des begehrten Gültigkeitszeitraums das für die Fortführung der ursprünglich zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Der Kläger hat diesem Umstand durch eine entsprechende Umstellung des Klageantrags Rechnung getragen.

22

Das erforderliche Interesse des Klägers an der Feststellung, dass der zwischenzeitlich erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war, liegt ebenfalls vor. Denn der Kläger kann mit Erfolg eine bestehende Wiederholungsgefahr geltend machen. Eine solche ist gegeben, wenn die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage zwischen den Beteiligten besteht, etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 9 mwN; BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 22 mwN). Da der Antrag auf Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke gemäß § 145 SGB IX wegen des gesetzlich vorgesehenen Gültigkeitszeitraums spätestens jährlich erneut zu stellen ist, liegt es nahe, dass ein gleichartiges Leistungsbegehren und damit die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage mit Beginn des jeweils folgenden Gültigkeitszeitraums erneut entstehen wird.

23

In der Sache ist die Revision nicht erfolgreich. Es kann nicht festgestellt werden, dass durch den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 24.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010 materielles Bundesrecht verletzt worden ist. Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hatte für den Gültigkeitszeitraum 1.5.2010 bis 30.4.2011 keinen Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ohne Entrichtung des gesetzlich vorgesehenen Eigenanteils.

24

Rechtsgrundlage ist insoweit § 145 Abs 1 SGB IX in der ab 5.8.2009 - und damit für den streitigen Zeitraum - geltenden Fassung des Art 2 Nr 3 Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 (BGB l 2495). Diese Vorschrift lautet:

        

"(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Wird sie vor Ablauf der Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe ein Betrag von 5 Euro erstattet, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Satz 3 zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

        

1.    

die blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder

        

2.    

die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder

        

3.    

die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten."

25

Der Kläger gehörte in der Zeit vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 zwar nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX zum Kreis der Personen, die eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen können, da ihm das Merkzeichen "G" zuerkannt worden war. Jedoch erfüllte er nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Entrichtung eines Betrages von 60 Euro bzw 30 Euro für die Ausgabe der insoweit erforderlichen Wertmarke. Auf die vorliegend einzig in Betracht kommende Ausnahmeregelung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX kann sich der Kläger auch im Hinblick darauf nicht berufen, dass ihm vom Landeswohlfahrtsverband Hessen Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 KFürsV gewährt wurde. Zwar wird diese laufend gezahlt, es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Leistung für den Lebensunterhalt iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

26

Zunächst bezieht sich die Formulierung "für den Lebensunterhalt" in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX nicht nur auf die dort aufgeführten Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sowie nach dem SGB VIII, sondern auch auf Leistungen nach den §§ 27a und 27d BVG. Anders lässt sich der Wortlaut der Norm grammatikalisch nicht deuten. Es muss sich demnach auch bei den Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG um solche zum Lebensunterhalt handeln(vgl Masuch in Hauck/Noftz, SGB IX, Stand März 2012, K § 145 RdNr 26; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX Teil 2, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14).

27

An sich könnte der Begriff "Lebensunterhalt" so weit verstanden werden, dass er auch die Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs umfasst (vgl BSG Urteil vom 11.3.1976 - 7 RAr 45/75 - SozSich 1976, 186, 187); im vorliegenden Zusammenhang verbietet sich jedoch nach Auffassung des Senats eine solche Auslegung.

28

Für ein enges Verständnis des Begriffes "Lebensunterhalt" spricht bereits die Gesetzesentwicklung.

29

§ 145 SGB IX wurde durch Art 1 des SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) mit Wirkung ab 1.7.2001 eingeführt. Nach der Begründung zum Entwurf des SGB IX handelt es sich um eine inhaltsgleiche Übernahme des bis dahin gültigen Rechts (vgl BT-Drucks 14/5074, S 115). Die zuvor maßgebliche Regelung befand sich zunächst in § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) idF durch das Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9.7.1979 (BGBl I 989) und nach der Bekanntmachung der Neufassung des SchwbG vom 26.8.1986 (BGBl I 1421) ab 1.8.1986 in § 59 SchwbG.

30

Ziel der Vergünstigung war und ist es, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am öffentlichen Personenverkehr durch erleichterten Zugang zu öffentlichen Transportmitteln zu fördern, da Mobilität als Grundbedürfnis der modernen Gesellschaft anerkannt wird (Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 145 RdNr 1). Diese Kompensationsfunktion wird bereits an den Anspruchsvoraussetzungen deutlich, wonach eine behinderungsbedingte erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegen muss.

31

Im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) wurde aus Einsparungsgründen (BR-Drucks 302/83, S 63) erstmals eine Eigenbeteiligung in Höhe von 120 DM jährlich für die Ausgabe der zur Beförderung berechtigenden Wertmarke eingeführt. Die gleichzeitige Regelung von Ausnahmen für Berechtigte, die die Wertmarke nach wie vor ohne Leistung dieser Eigenbeteiligung erhalten sollten, diente dem Zweck, "die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtberechtigter" zu berücksichtigen, "ohne daß die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im Einzelnen prüfen müssen" (BR-Drucks 302/83, S 89; vgl dazu bereits auch die Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34 und vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 35).

32

Bald danach erkannte der Gesetzgeber, dass durch diese Regelungen des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 Härten aufgetreten waren (BT-Drucks 10/3218, S 1; BT-Drucks 10/3495, S 1), die durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516) beseitigt werden sollten. Es wurde der damalige § 57 Abs 1 S 4 Nr 2 SchwbG, der Vorgängervorschrift zur Ausnahmeregelung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX, neu gefasst und dabei auch Behinderte mit aufgenommen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach (…) den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten"(vgl BT-Drucks 10/3495, S 5; BR-Drucks 291/85, S 1).

33

Damit ergibt sich bereits aus der Gesetzeshistorie, dass die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke eine Ausnahme von der Regel einer Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung darstellt (vgl dazu Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29 sowie vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 18). Nur einem begrenzten Personenkreis sollte nach der Einführung der Eigenbeteiligung das Privileg unentgeltlicher Beförderung ohne Eigenbeteiligung zugutekommen. Alle übrigen Freifahrtberechtigten sollten sich an den Kosten der Vergünstigung beteiligen (vgl bereits zu § 57 Abs 1 S 4 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532: BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 und zur Rechtslage nach Einführung von § 145 SGB IX: Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29 sowie vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 18, jeweils mwN). Insoweit ist die Befreiungsvorschrift grundsätzlich eng auszulegen (vgl Vogl in jurisPK SGB IX, Online-Ausgabe, § 145 RdNr 47, Stand Februar 2010).

34

Ferner lässt sich aus der durch den Wortlaut geprägten inneren Systematik des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX schließen, dass der Begriff "Lebensunterhalt" einheitlich zu verstehen ist, unabhängig davon, ob Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, des SGB VIII oder den §§ 27a, 27d BVG angesprochen werden. Entsprechendes gilt für die an erster Stelle aufgeführten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Wenn sich die den Lebensunterhalt betreffenden Leistungen nach dem SGB II, SGB VIII und SGB XII grundsätzlich an dem menschenwürdigen Existenzminimum orientieren (vgl dazu § 1 Abs 1, § 20 SGB II, § 39 SGB VIII, § 1, §§ 27 ff SGB XII), hat dies auch für diejenigen Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG zu gelten, die gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX zu einer Befreiung von der Entrichtung des Eigenanteils führen. Einem so verstandenen notwendigen Lebensunterhalt dienen Leistungen zur Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich nicht (vgl dazu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

35

Entgegen der Ansicht des Klägers läuft die Bezugnahme auf § 27d BVG in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX bei einem solchen Verständnis des Begriffs "Lebensunterhalt" nicht leer.

36

Während § 27a BVG selbst ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt regelt und damit die Befreiung von der Leistung eines Eigenanteils bereits dann eintreten lässt, wenn die entsprechende Hilfeleistung für den Lebensunterhalt laufend gewährt wird, stellt ein laufender Leistungsbezug nach § 27d BVG nicht automatisch eine "Hilfe für den Lebensunterhalt" in diesem Sinne dar. Vielmehr betrifft § 27d BVG ausdrücklich "Hilfen in besonderen Lebenslagen", die darüber hinaus auch teilweise einkommens- und vermögensunabhängig geleistet werden. Je nach konkreter Hilfe in besonderen Lebenslagen ist zu unterscheiden, ob diese Leistungen gerade (auch) die Sicherung des Lebensunterhalts bezwecken oder der Abdeckung einer sich vom allgemeinen Lebensunterhalt abzugrenzenden speziellen Bedarfslage dienen.

37

§ 27d BVG in der vorliegend maßgeblichen, vom 21.12.2007 bis 30.6.2011 geltenden Fassung des Art 1 Nr 16 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) lautet:

        

"(1)   

Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

        

 1.     

Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,

        

 2.     

Hilfen zur Gesundheit,

        

 3.     

Eingliederungshilfe für behinderte Menschen,

        

 4.     

Blindenhilfe,

        

 5.     

Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

        

 (2)   

Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

        

 (3)   

Für die Hilfen in besonderen Lebenslagen gelten das Fünfte, Sechste und Achte Kapitel sowie §§ 72, 74, 88 Abs. 2 und § 92 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besondern Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu den in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Beträgen auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

                 

(4) - (7) … "

38

Schon gemäß § 27d Abs 1 Nr 1 BVG iVm § 28a KFürsV (§ 28a mit Wirkung vom 1.1.2005 eingeführt durch Art 18 Nr 24 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007, BGBl I 2904) können Hilfen zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage erbracht werden, wenn den Leistungsberechtigten sonst voraussichtlich ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt erbracht werden müssten. Diese Leistung soll gerade nicht nur in einer bestehenden Notlage Abhilfe schaffen, sondern dazu beitragen, nach Möglichkeit bereits vorbeugend, das Entstehen einer (Lebensunterhalts-)Notlage zu verhindern (vgl Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge, hrsg von Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Stand Januar 2012, 27d.2 S 7). Diese konkrete Hilfe in besonderen Lebenslagen knüpft folglich unmittelbar an das Fehlen einer ausreichenden wirtschaftlichen Lebensgrundlage des Betroffenen an und bezweckt, dem Berechtigten den Aufbau oder die Sicherung einer Lebensgrundlage durch eigene Tätigkeit zu erhalten (vgl § 28a Abs 1 KFürsV), um einen ergänzenden Bezug von Hilfen zum Lebensunterhalt zu vermeiden. Denn gemäß § 28a Abs 2 KFürsV sollen diese Leistungen in der Regel nur erbracht werden, wenn die Leistungsberechtigten sonst ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten müssten.

39

Auch im Rahmen der nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG zu erbringenden Eingliederungsleistungen gibt es solche, in denen Hilfen für den Lebensunterhalt enthalten sind. Dies kann insbesondere bei stationären Eingliederungshilfen, wie zB bei Leistungen in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe, der Fall sein, die neben dem Bedarf für die Wohnform behinderter Menschen auch den Bedarf für die Unterbringung berücksichtigen; dazu gehört auch eine Grundpauschale für Unterkunft und Verpflegung (vgl Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge, aaO, 27d.3 S 20/3, 35f).

40

Zum Sinn und Zweck der Vorgängerregelung des § 59 Abs 1 S 5 Nr 2 SchwbG hat das BSG bereits ausgeführt, dass die Privilegierung der Bezieher von Leistungen für den Lebensunterhalt ihre Begründung darin findet, dass bei diesen Personen bereits festgestellt wurde, dass der notwendige Lebensunterhalt ohne fremde Hilfe nicht gedeckt werden kann und eine Selbstbeteiligung dieser Personen an den Kosten für die Wertmarke im Ergebnis die sozialen Ausgleichssysteme belasten würde(vgl BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - Juris RdNr 10).

41

Entsprechend dieser Zielsetzung hat der Senat § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX innerhalb der Wortlautgrenze dahin ausgelegt, dass der Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen(vgl dazu Senatsurteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 19). Denn aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte (Senatsurteil, aaO, RdNr 28).

42

Etwas anderes gilt auch nicht für Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber, wie der Kläger meint, die Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge unabhängig von dem Bezug laufender Leistungen zum Lebensunterhalt begünstigen und damit besserstellen wollte als Bezieher lebensunterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II, SGB VIII oder SGB XII.

43

Der Kläger erhält die von ihm bezogene Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 KFürsV nicht für seinen so verstandenen Lebensunterhalt. § 28 KFürsV sieht vor:

        

"(1)   

Beschädigte erhalten als Hilfen in besonderen Lebenslagen nach § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes auch

        

 1.     

Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfen eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist,

        

 2.     

Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind.

        

 (2)   

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 2 gelten bei Beschädigten als erfüllt, die zum Personenkreis des § 23 Abs. 1 der Orthopädieverordnung in der jeweils geltenden Fassung gehören. Im Übrigen sind sie durch ärztliches Zeugnis nachzuweisen."

44

Da durch die Kraftfahrzeughilfe eine spezielle schädigungsbedingte Bedarfssituation abgedeckt und dem Betroffenen insoweit eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden soll (vgl BVerwG Urteil vom 23.11.1995 - 5 C 7/94 - Juris RdNr 15), ist diese konkrete Form der Eingliederungshilfe keine laufende Leistung für den Lebensunterhalt iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX. Dies wird auch dadurch deutlich, dass sie grundsätzlich unabhängig von den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen geleistet wird, sofern die gesundheitlichen Voraussetzungen zum Leistungsbezug erfüllt sind (vgl § 25c Abs 3 S 2 iVm § 25f Abs 1 S 6 BVG sowie Ernst, Die Entwicklung der Kriegsopferfürsorge, SuP 2000, 343, 352).

45

Dass der Kläger danach für den Zeitraum vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 nach § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr ohne Verpflichtung zur Entrichtung des Eigenanteils hatte, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere wird Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

46

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürften Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

47

Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 418 mwN). Die aus Art 3 Abs 1 GG folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416).

48

Demnach ergibt sich aus Art 3 Abs 1 GG auch ein Verbot gleichheitswidriger Begünstigungsausschlüsse, bei denen also eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt und einem anderen ohne hinreichenden Grund vorenthalten wird. Werden bei der Gewährung bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen die Empfänger anderer Sozial- oder Entschädigungsleistungen in unterschiedlicher Weise der Einkommensanrechnung unterworfen, muss also die Berechtigung zur unterschiedlichen Behandlung genau geprüft werden (BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - SGb 2011, 702, 705 mwN).

49

Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 46; vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36). Dieses wird hier nicht verletzt.

50

Soweit die Befreiung von der Verpflichtung, für die Ausgabe der Wertmarke nach § 145 SGB IX einen Eigenanteil in Höhe von 60 Euro für ein Jahr bzw 30 Euro für ein halbes Jahr leisten zu müssen, gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX für Bezieher von Leistungen nach § 27d BVG davon abhängig ist, dass diese laufende Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten, ist dieses Differenzierungsmerkmal jedenfalls nicht willkürlich. Personen, deren nach § 27d BVG bezogene Leistungen nicht dem Lebensunterhalt dienen, werden dadurch nicht sachwidrig benachteiligt.

51

Der Gesetzgeber wollte im Jahre 1983 die Kosten eindämmen, die vor dem Inkrafttreten der Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 mit der Freifahrtberechtigung einhergingen. Zu diesem Zweck hat er den Grundsatz eingeführt, dass alle Schwerbehinderten, die Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr haben, einen Eigenanteil in Höhe von monatlich umgerechnet 5 Euro zu leisten haben. Damit wird der gesetzliche Zweck der Mobilitätsförderung durch unentgeltliche Beförderung nur moderat relativiert, wobei gleichzeitig die durch Erstattung der Fahrgeldausfälle entstehenden finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand eingedämmt werden (vgl BSG vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

52

Lediglich für besonders schutzbedürftige Personengruppen hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von dieser Regel vorgesehen und ihnen die Wertmarke nach wie vor ohne Eigenanteilsleistung zugänglich gemacht. Insoweit hat das BSG bereits zur Vorgängerregelung in § 57 Abs 1 S 5 Ziff 1 bis 3 SchwbG entschieden, dass die Begünstigung der dort genannten Personenkreise gegenüber anderen Schwerbehinderten nicht willkürlich erfolgt ist(BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eigenbeteiligung im Vergleich zum Nutzen der Wertmarke nur eine geringe finanzielle monatliche Belastung darstellt. Insoweit erscheint es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber eine Befreiungsmöglichkeit nur in engen Grenzen zugelassen hat. Diese werden - soweit es § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX betrifft - durch das Erfordernis eines Bezuges laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sachgerecht bestimmt, da die begünstigten Personen wirtschaftlich vom Existenzminimum leben. Dadurch wird den Belangen "typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtberechtigter" (vgl BT-Drucks 10/335 S 89) angemessen Rechnung getragen. Im Gesamtzusammenhang der Vergünstigung ist zudem bedeutsam, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Vergünstigung, die mit der Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr einhergeht, allen nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX Berechtigten zukommen zu lassen, ohne dass es auf die Ursache ihrer Behinderung oder auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankäme(vgl BT-Drucks 8/2453, S 8f).

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Leistungsberechtigte nach § 1 erhalten Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf).

(2) Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes wird der notwendige Bedarf durch Sachleistungen gedeckt. Kann Kleidung nicht geleistet werden, so kann sie in Form von Wertgutscheinen oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen gewährt werden. Gebrauchsgüter des Haushalts können leihweise zur Verfügung gestellt werden. Der notwendige persönliche Bedarf soll durch Sachleistungen gedeckt werden, soweit dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich ist. Sind Sachleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden.

(3) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes sind vorbehaltlich des Satzes 3 vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie wird, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich des Satzes 6 durch Geldleistungen zu decken. In Gemeinschaftsunterkünften im Sinne von § 53 des Asylgesetzes kann der notwendige persönliche Bedarf soweit wie möglich auch durch Sachleistungen gedeckt werden.

(4) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben den Leistungen nach den Absätzen 1 bis 3 entsprechend den §§ 34, 34a und 34b des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berücksichtigt. Die Regelung des § 141 Absatz 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(5) Leistungen in Geld oder Geldeswert sollen der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht; dabei wird der Monat mit 30 Tagen berechnet. Geldleistungen dürfen längstens einen Monat im Voraus erbracht werden. Von Satz 3 kann nicht durch Landesrecht abgewichen werden.

(6) (weggefallen)

(1) Von den Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 werden für die Ermittlung des Regelbedarfs folgende Verbrauchsausgaben der einzelnen Abteilungen aus der Sonderauswertung für Einpersonenhaushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 für den Regelbedarf berücksichtigt (regelbedarfsrelevant):

Abteilung 1 und 2 (Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren)150,93 Euro
Abteilung 3 (Bekleidung und Schuhe)36,09 Euro
Abteilung 4 (Wohnungsmieten, Energie und Wohnungsinstandhaltung)36,87 Euro
Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung)26,49 Euro
Abteilung 6 (Gesundheitspflege)16,60 Euro
Abteilung 7 (Verkehr)39,01 Euro
Abteilung 8 (Post und Telekommunikation)38,89 Euro
Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur)42,44 Euro
Abteilung 10 (Bildungswesen)1,57 Euro
Abteilung 11 (Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen)11,36 Euro
Abteilung 12 (Andere Waren und Dienstleistungen)34,71 Euro

(2) Die Summe der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte nach Absatz 1 beträgt 434,96 Euro.