Auflösungsantrag mit umgekehrten Vorzeichen

bei uns veröffentlicht am17.01.2014

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Rechtsanwalt

Christian Velten

Wie sich ein Arbeitgeber vor Gericht besser nicht verhalten sollten, zeigt eine Entscheidung des LAG Hamburg (Urt. v. 13.02.2013 - 5 Sa 58/12) sehr anschaulich.

Rechtlicher Kernpunkt der Entscheidung war ein Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 KSchG. Mit einem solchen Antrag verfolgen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer das Ziel, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen. Voraussetzung ist, dass das Gericht die Sozialwidrigkeit einer zuvor ausgesprochenen Kündigung feststellt, so dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst ist. Zudem muss die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die antragstellende Partei unzumutbar sein bzw. eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten sein. In der Praxis wird ein solcher Auflösungsantrag regelmäßig seitens des Arbeitgebers als Rettungsanker im Kündigungsschutzprozess gestellt. Eher selten sind Auflösungsanträge eines Arbeitnehmers.

Eine solche Konstellation betraf die Entscheidung des LAG Hamburg: Die Klägerin war bei der Beklagten als Küchenhilfe tätig. Im Oktober 2011 erhielt sie ein vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnetes Schreiben in dem es unter anderem heißt:

„der Bewirtschaftungsvertrag zwischen dem Ru.-Wa.-Ha. und Ex. Ca. GmbH ist zum 31.12.2011 gekündigt worden, weil die dortige Küche geschlossen wird. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2011. Der Vollständigkeit halber drücken wir unser Unverständnis darüber aus, dass Sie ohne Angabe von Gründen wiederholt von Ihrem Arbeitsplatz fern geblieben sind. Dies ist aus Sicht von Ex. Ca. nicht tolerierbar. Darum sprechen wir zusätzlich noch eine verhaltensbedingte Kündigung ebenfalls zum 31.12.2011 aus. Wir sind an einer Zusammenarbeit mit Ihnen definitiv nicht interessiert.“

Die Klägerin erhob daraufhin auch gegen diese Kündigungen, gewerkschaftlich vertreten, Kündigungsschutzklage. Zu diesem Zeitpunkt war zwischen den Parteien bereits eine Änderungsschutzklage anhängig. Ebenfalls im Oktober 2011 ließ die Beklagte dem Arbeitsgericht ein Schreiben zukommen, welches folgenden Wortlaut hatte:

„die unter obigem Aktenzeichen geführte Klage ist albern und lächerlich dumm. Es ist höchst bedauerlich, dass wir als leistungsorientiertes Unternehmen von einer eigentlich zu verbietenden Vereinigung mit kommunistischen Zügen vor ein Gericht gezerrt werden, obwohl hierzu keinerlei Anlass besteht. Die Änderungskündigung zum 31.03.2012 ist als Angebot zur Arbeitsplatzerhaltung zu verstehen. Insofern teilen wir mit, dass der mit dem Ru.-Wa.-Ha. geschlossene Vertrag zur Bewirtschaftung der Küche zum 31.12.2011 aufgekündigt worden ist. Dadurch fällt der Arbeitsplatz der Klägerin ohnehin weg, weil die Küche im Ru.-Wa.-Ha. nicht weiter betrieben wird. Wenn die Klägerin das Arbeitsplatzangebot der Ex. Ca. GmbH nicht annimmt, ist die Klägerin ab dem 01.01.2012 arbeitslos. In diesem Zusammenhang werden wir der Klägerin zum 31.12.2011 die Kündigung aussprechen. Der Vollständigkeit halber bringen wir unser Erstaunen zum Ausdruck, dass das Arbeitsgericht € 1.000,00 Ordnungsgeld androht, falls niemand zu dem willkürlich festgesetzten Termin erscheint. Dies lässt sich schwerlich mit demokratischen Rechtsgrundsätzen vereinbaren. Es ist nicht von uns erwünscht, dass wir uns mit irgendwelchen profilierungssüchtigen Gewerkschaftsdelegierten herumschlagen müssen. Der Termin am 10.11.2011 kann seitens der Ex. Ca. nicht wahrgenommen werden. Insoweit erwarten wir eine Neuterminierung mit entsprechendem Zeitvorlauf.“

Im Verlauf des Verfahrens kündigte die Beklagte dann erneut im Feburar 2012 außerordentlich aus betriebsbedingten Gründen.

Das LAG Hamburg löste das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitnehmers gegen Zahlung von 10 Bruttomonatsgehältern zum 31.05.2012 auf. Dem Arbeitnehmer war eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Auffassung des LAG Hamburg nicht zumutbar. Die für die Unzumutbarkeit sprechenden Gründe können in einem Verhalten des Arbeitgebers vor oder nach Ausspruch der Kündigung liegen. Sie müssen jedoch in einem inneren Zusammenhang zur Kündigung stehen.

Das LAG Hamburg entschied, dass die Beklagte bereits im Kündigungsschreiben zum Ausdruck gebracht habe, dass sie an einer weiteren Zusammenarbeit mit der Klägerin definitiv nicht interessiert sei. Eine solche innere Einstellung der Beklagten lässt erkennen, dass sie ein rechtsstaatlichen Verfahren zur Überprüfung der Kündigung und ggf. die Festellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses nicht akzeptieren werde. Diese Haltung wurde auch aus dem Schreiben der Beklagten an das Gericht deutlich. Das LAG Hamburg schließt daraus, dass die Beklagte die Rechtsordnung allenfalls wegen des staatlichen Zwangs akzeptieren würde. Selbst wenn also die Klägerin ihre Rückkehr auf den Arbeitsplatz bei der Beklagten mittels staatlichen Zwangs durchsetzen würde, sei dort eine gedeihliche, zumutbare Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten.

Rechtsanwalt Dr. Christian Velten - Arbeitsrecht Gießen / Eltville

Gesetze

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3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers


(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältni

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Referenzen

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.