Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. März 2016 - 3 K 496/14 - geändert.

Die Verfügung des Beklagten vom 29. April 2013 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 29. Januar 2014 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, die der Beklagte unter Berufung auf ein generalpräventiv begründetes Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG versagt hat.
Der am ... November 1976 geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 10. November 2009 unter dem Namen ... seine Anerkennung als Asylberechtigter. Den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 16. Juni 2010 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen würden. Die nachfolgende Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 21. April 2011 (A 8 K 1474/10) abgewiesen. In den Entscheidungsgründen findet sich der Satz „Allerdings folgt der Einzelrichter nicht im Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts.“ Im weiteren wird dort ausgeführt, dass und weshalb die Angaben des Klägers zu den Gründen seiner Ausreise aus Nigeria nicht glaubhaft gewesen seien. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2011 (A 9 K 2733/11) abgelehnt.
In der Folgezeit beantragte der Kläger unter dem Namen ... Duldungen, die auch erteilt wurden. Eine Abschiebung war mangels Pass- oder Ersatzpapieren nicht möglich. Wegen wiederholter Zuwiderhandlungen gegen eine Aufenthaltsbeschränkung wurde der Kläger durch das Amtsgericht Biberach mit Strafbefehl vom 2. November 2010 rechtskräftig einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen und mit Strafbefehl vom 20. Januar 2011 rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt.
Am 22. Januar 2013 erkannte der Kläger die Vaterschaft des von der deutschen Staatsangehörigen ... erwarteten Kindes an. Eine gemeinsame Sorgerechtserklärung wurde abgegeben. Mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 29. Januar 2013 teilte der Kläger der damals zuständigen Ausländerbehörde, dem Landratsamt Biberach, mit, dass er im Rahmen seiner Asylantragstellung wahrheitswidrig den Namen ... angegeben habe. Richtig heiße er ... Er legte die Kopie eines am 20. November 2012 ausgestellten und bis zum 19. November 2017 gültigen nigerianischen Reisepasses vor, beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, da er nach der Geburt des Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten werde, einen Anspruch hierauf habe. Das Kind wurde am 3. März 2013 geboren, ist deutscher Staatsangehöriger und lebte zunächst bei der Mutter in ..., danach und in der Folge seitdem mit dieser in ... Nach den Erkenntnissen der Ausländerbehörde besuchte der Kläger sein Kind regelmäßig. Ihm wurde seit April 2014 fortlaufend die Erlaubnis erteilt, den Bereich der räumlichen Beschränkung der Duldung zu verlassen und sich nach ...-... zu seinem Kind und dessen Mutter zu begeben.
Die Ausländerbehörde lehnte mit Bescheid vom 29. April 2013 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ab. Sie berief sich dabei auf § 10 Abs. 3 AufenthG, nach dem einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden sei oder der seinen Asylantrag zurückgenommen habe, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Fünften Abschnitts des Aufenthaltsgesetz erteilt werden dürfe. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG abgelehnt worden sei, dürfe vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 der Vorschrift fänden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung, Satz 2 sei ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzung des §§ 25 Abs. 3 AufenthG erfülle. Der Asylantrag des Klägers sei nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG abgelehnt worden. Zwar vermittele § 28 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, durch seine Straftaten habe der Kläger jedoch objektive Ausweisungsgründe nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG verwirklicht. Durch seine langjährigen Falschangaben habe er die Strafvorschriften der §§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG und §§ 271, 276 und 276a StGB erfüllt. Außerdem seien zwei Strafbefehle gegen ihn erlassen worden. Damit liege die Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vor. Gründe, von dieser Regel abzuweichen, seien nicht erkennbar.
Der Kläger legte im Mai 2013 Widerspruch ein und berief sich auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 AufenthG, hilfsweise auf § 25 Abs. 5 AufenthG, dies mit Blick auf die Vaterschaft bezüglich eines deutschen Kindes und das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter, das er auch mit dieser ausübe. Er berief sich im Weiteren auf seinen Umgang mit dem gemeinsamen Kind. Eine Ausreise zur Durchführung des Visumsverfahrens sei mit Blick auf die Wertungen aus Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK nicht zumutbar. Erfahrungsgemäß sei die Durchführung des Visumsverfahrens für nigerianische Staatsangehörige mit einem mehrmonatigen Aufenthalt im Heimatland verbunden, was unter Berücksichtigung des Kindeswohls nicht vertretbar sei.
Am 16. Mai 2013 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Erschleichens von Aufenthaltstiteln gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29. Januar 2014 zurück. Es berief sich auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, der der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entgegenstehe. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bestehe nicht. § 10 Abs. 3 AufenthG stehe dem entgegen. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG erfülle der Kläger nicht.
Am 27. Februar 2014 erhob der Kläger Klage. Der Beklagte hatte sich unter anderem darauf berufen, dass eine Abschiebung des Klägers wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit seinem deutschen Kind nicht im Raum stehe und es das Bemühen der Behörde gewesen sei, durch eine kurzzeitige Ausreise des Klägers mit einer Vorabzustimmung zur Wiedereinreise die Rechtslage zu klären und ihm zu seinem rechtmäßigen Aufenthaltstitel zu verhelfen, wozu der Kläger jedoch nicht bereit gewesen sei.
10 
Seit dem 16. Mai 2014 arbeitet der Kläger bei einer Firma in ... Er erzielt ein monatliches Durchschnittseinkommen von netto 900 EUR. Am 17. September 2015 wurde der zweite Sohn des Klägers geboren, der ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Am 30. Juni 2015 zog der Kläger nach ... zu seinen Kindern und deren Mutter. Das Landratsamt ...-... hat der Fortführung des Verfahrens durch den Beklagten zugestimmt.
11 
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Es berief sich im Wesentlichen darauf, dass die Voraussetzung des § 28 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen würden. Das erfolglos durchgeführte Asylverfahren entfalte die Sperrwirkung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, da die gerichtliche Entscheidung hierzu die Abweisung des Asylantrags der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet bestätigt habe. Die Formulierung in den Entscheidungsgründen führe zu keinem anderen Ergebnis, da diese im Widerspruch zum Tenor der Entscheidung stehe und die übrigen Entscheidungsgründe kein Anhaltspunkt dafür böten, dass der Offensichtlichkeitsausspruch geändert werden sollte. Davon ausgehend fehle es an einem strikten Rechtsanspruch, der in diesem Fall Voraussetzung für eine Titelerteilung nach § 28 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sei, denn der Kläger erfülle nicht den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Danach setze die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse bestehe. Ein solches sei im Sinne dieser Vorschrift nicht erst dann zu bejahen, wenn auch eine Ausweisung im konkreten Fall zulässig wäre, also als Ergebnis die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgesehene Abwägung die Ausweisung verfügt werden dürfte. Die Vorschrift sei durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, 1386) insoweit geändert, als der Begriff des „Ausweisungsgrundes“ durch den des „Ausweisungsinteresses“ ersetzt worden sei. Hierbei handle es sich nach der Begründung des Gesetzentwurfes um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff. (BT-Drucks. 18/4097, S. 35). Es sei nicht ersichtlich, dass damit eine materielle Änderung verbunden sein solle. Es habe dem bislang allgemeinen Konsens entsprochen, dass die Bejahung eines Ausweisungsgrundes nicht voraussetze, dass etwa auch im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei hätte erlassen werden dürfen. Entsprechendes gelte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die Bejahung des Ausweisungsinteresses. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein Ausweisungsinteresse bereits dann vorliege, wenn ein Tatbestand des § 54 AufenthG erfüllt sei oder ob darüber hinaus schon zur Bejahung des Ausweisungsinteresses (und nicht erst für die Frage, ob ein atypischer Ausnahmefall vorliege) eine Gefahrenprognose anzustellen sei und diese ergeben müsse, dass von dem Aufenthalt des Klägers aktuell noch eine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik ausgehe, wie wohl der Verwaltungsgerichtshof meine. Beide Anforderungen seien hier erfüllt. Hinsichtlich der beiden Strafbefehle sei inzwischen wohl Tilgungsreife eingetreten, so dass diese kein Ausweisungsinteresse mehr begründen könnten. Der Kläger habe aber darüber hinaus jahrelang und bis ins Jahr 2013 hinein über seine Identität getäuscht und damit das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG erfüllt, das nach § 53 Abs. 1 AufenthG schwer wiege. Diese Taten seien auch noch verwertbar, sie fielen zwar mangels Verurteilung nicht unter die Tilgungsvorschriften des BZRG, würden aber auch im Falle einer Verurteilung aufgrund der Beendigung der Identitätstäuschung erst im Januar 2013 noch innerhalb der Mindesttilgungsfrist des §§ 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG liegen. Gründe, weswegen eine kürzere Frist anzusetzen sei, lägen nicht vor. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hierzu eingestellt worden sei. Von dem Aufenthalt des Klägers gehe auch immer noch eine Gefahr im Sinne des §§ 53 Abs. 1 AufenthG aus. Zwar bestünden keine spezialpräventiven Gründe mehr für eine Ausweisung, nachdem dieser seine Identität offengelegt habe und eine Wiederholungsgefahr der Identitätstäuschung nicht mehr zu befürchten sei. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zukünftig erneut Straftaten begehen werde, seien nicht erkennbar. Jedoch lägen generalpräventive Gründe für eine Ausweisung vor. Es bestehe daher ein Interesse an der Ausweisung des Klägers, um andere vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer von der Begehung vergleichbarer Taten abzuhalten. Seine familiäre Situation lasse diese Gefahr nicht entfallen. Denn erst die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung durch die Identitätstäuschung habe es diesem ermöglicht, im Bundesgebiet eine Familie zu gründen und ohne vorherige Prüfung eines Rechts auf Familiennachzug im Wege des Visumsverfahrens mit ihr zusammen zu leben. Ob der Kläger tatsächlich ausgewiesen werden könne oder ob ihm ein überwiegendes Bleibeinteresse entgegenstehe, sei hier unerheblich. Aus anderen Gründen bestehe kein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.
12 
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 10. Oktober 2016 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da es der Klärung bedarf, ob das Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auch allein generalpräventiv begründet werden kann.
13 
Der Kläger hat unter Stellung eines Antrags die Berufung sodann begründet und insbesondere darauf abgestellt, dass generalpräventive Gründe aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht ungeachtet des Vorliegens von Bleibeinteressen als Versagungsgrund berücksichtigt werden könnten, sofern sie den Kläger überhaupt entgegengehalten werden könnten.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. März 2016 - 3 K 496/14 - zu ändern und die Verfügung des Beklagten vom 29. April 2013 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 29. Januar 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Der Kläger lebt seit Januar 2017 getrennt von seinen Kindern und deren Mutter in ... Es besteht regelmäßiger Umgang des Klägers mit seinen Kindern. Das Landratsamt Ulm hat der Fortführung des Verfahrens durch den Beklagten zugestimmt.
19 
Dem Senat liegen die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts sowie die Behördenakten vor.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Versagung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Zu Recht gehen Beklagter und Verwaltungsgericht zunächst davon aus, dass dem Kläger ein Aufenthaltstitel nur aufgrund eines strikten Rechtsanspruchs zu erteilen ist, nachdem sein Asylantrag - wie das Verwaltungsgericht richtigerweise annimmt - als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war. Denn dies hat nach § 10 Abs. 3 AufenthG zur Folge, dass ein Aufenthaltstitel nur dann ohne vorherige Ausreise erteilt wird, wenn ein gesetzlicher Anspruch hierauf besteht (BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, BVerwGE 153, 353).
22 
Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels steht dem Kläger hier nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auch zu, da dessen besondere Erteilungsvoraussetzungen nach der hier maßgeblichen Sach- und Rechtslage der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014 - 1 C 15.44 -, juris) ebenso erfüllt sind wie die allgemeine gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n.F.
23 
Zutreffend legt das Verwaltungsgericht sodann zugrunde, dass die Vorschrift einer Titelerteilung nur entgegensteht, wenn neben einem Ausweisungsinteresse eine Gefahr fortbesteht. Schon bislang wurde die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F. - das Fehlen eines „Ausweisungsgrundes“ - nicht isoliert, sondern in Bezug zu den Ausweisungsvorschriften, in denen der Ausweisungsgrund in den Ausweisungstatbeständen näher ausgeformt war, und damit unter Beachtung des gefahrenabwehrrechtlichen Zwecks der Ausweisungsvorschriften interpretiert. Eine materielle Änderung sollte durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386), mit dem in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG einzig die Wörter „Ausweisungsgrund vorliegt“ durch die Wörter „Ausweisungsinteresse besteht“ ersetzt wurden (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.08.2015 - 11 S 1500/15 -, juris), insoweit nicht erfolgen. Die Gesetzesbegründung spricht hierzu lapidar von einer „Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ (BT-Drucks. 18/4097, S. 35).
24 
Davon ausgehend setzt die Bejahung eines Ausweisungsinteresses zwar nicht voraus, dass im konkreten Fall eine Ausweisung rechtmäßig verfügt werden könnte, es kommt also nach der insoweit fortgeschriebenen Systematik nicht darauf an, ob Bleibeinteressen vorliegen und welches konkrete Gewicht solchen im Rahmen einer Ausweisungsentscheidung zukäme (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.01.1997 - 1 C 23.94 -, juris, vom 27.08.1996 - 1 C 8.94 -, juris und vom 31.05.1994 - 1 C 5.93 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.08.2015 - 11 S 1500/15 -, juris; Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 -, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Oktober 2015, § 5 AufenthG Rn. 56 ff., m.w.N.).
25 
Gleichwohl muss das gefahrenabwehrrechtlich und damit zukunftsbezogen zu interpretierende Ausweisungsinteresse noch „aktuell“ vorliegen in dem Sinne, dass eine gegenwärtige bzw. in absehbarer Zukunft fortwirkende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft droht (VGH Bayern, Beschlüsse vom 16.07.2008 - 19 CS 08.1436 -, juris, m.w.N. und vom 02.11.2010 - 19 B 10.1941, juris, m.w.N.; OVG Hamburg, Urteil vom 10.04.2014 - 4 Bf 19/13 -, juris; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 5 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 03.03.2017 Rn. 26; Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 63 ff.). Die Anforderungen an die erforderliche Gefahr ist dabei - unbeschadet der teilweise divergierenden Anforderungen, wie sie in Rechtsprechung und Literatur zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelt wurden - grundsätzlich anhand des Gewichts des jeweils betroffenen Ausweisungsinteresses zu bestimmen (VGH Bayern, Beschluss vom 29.08.2016 - 10 AS 16.1602 -, juris; Zeitler, a.a.O. Rn. 30; Hailbronner, AuslR, 72. Aktualisierung Juni 2011, § 5 AufenthG Rn. 17, m.w.N.).
26 
Die Gefahrenprognose ist schon mit der Feststellung des Tatbestands zu treffen und nicht erst bei der Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt (VGH Bayern, Beschlüsse vom 29.08.2016 - 10 AS 16.1602 -, juris und vom 01.09.2016 - 10 AS 16.1602 -, BeckRS 2016, 51505; Zeitler, a.a.O. Rn. 31 ff., m.w.N.; Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 74; Maor, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 01.02.2017, § 5 AufenthG Rn. 11; Nr. 5.1.2.2 AufenthG-VwV; a.A.: OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 16.08.2016 - 18 B 754/16 -, juris; Hailbronner, a.a.O. Rn. 31a; Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 5 AufenthG Rn. 50). Etwas anderes lässt sich nicht unter Berufung auf die Ausgestaltung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG als Regelerteilungsvoraussetzungen herleiten, weil Regelfälle solche sind, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden (BVerwG, Urteil vom 29.07.1993 - 1 C 25.93 -, BVerwGE 94, 35; Zeitler, a.a.O. zu Abs. 1 - Regel und Ausnahme, Stand: 06.02.2017 Rn. 4). Die Frage nach einer Gefahr ist eine solche, die sich im spezialpräventiven Fällen regelmäßig stellt und in generalpräventiven von vornherein als gegeben angesehen wird. Eine Atypik lässt sich hier gerade nicht begründen.
27 
Auch systematische Gründe sprechen für eine zukunftsbezogen zu interpretierende Auslegung des Begriffs des Ausweisungsinteresses. Dies ergibt sich zum einen aus der Binnensystematik des § 5 Abs. 1 AufenthG selbst und zum anderen aus dem Regelungszusammenhang mit den §§ 53, 54 AufenthG.
28 
Für § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits ausdrücklich bestätigt, dass die Vorschrift nicht darauf angelegt ist, etwa eine Inanspruchnahme von Sozialleistungen in der Vergangenheit zu sanktionieren, sondern der fortdauernden künftigen Inanspruchnahme solcher Leistungen entgegenzuwirken (Urteil vom 16.08.2011 - 1 C 4.10 -, juris). Auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG setzt das Nichtvorliegen einer Beeinträchtigung oder Gefährdung durch den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet aus einem sonstigen Grund voraus, soweit kein Anspruch auf Titelerteilung besteht und verfolgt damit ersichtlich einen ordnungsrechtlichen Zweck, der zukunftsbezogen zu beurteilen ist. Zudem ergänzt er § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 75 ff.). Es ist angesichts dessen nicht ersichtlich, weshalb § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Sinne einer alleine vergangenheitsbezogenen Prüfung zu verstehen sein könnte. Dass § 5 Abs. 1 Nrn. 1a und 4 AufenthG auf den aktuellen Sachstand zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt abstellen, führt zu keinem anderen Ergebnis, da hier die zeitliche Fixierung der Natur der Regelungsmaterien geschuldet ist: Identität, Staatsangehörigkeit und der Besitz eines Passes lassen sich nur am jeweiligen Entscheidungszeitpunkt feststellen und nicht etwa prognostizieren.
29 
Die Neufassungen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und §§ 53, 54 AufenthG streiten ebenfalls für eine gleichlaufend zukunftsbezogen zu interpretierende Auslegung des Begriffs des Ausweisungsinteresses, nachdem nunmehr in beiden Vorschriften ausdrücklich auf ein solches abgestellt wird.
30 
Alleine wenn man davon ausgehen wollte, § 54 AufenthG sei gänzlich isoliert von § 53 Abs. 1 AufenthG zu verstehen, könnte man zu einem Normverständnis des § 54 AufenthG - und in der Folge zu einem gleichlaufenden des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gelangen -, das sich in der tatbestandlichen Erfüllung von Ausweisungsinteressen erschöpft. Dies würde jedoch den ordnungsrechtlichen Regelungszusammenhang der Vorschriften auflösen und der Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose, den gerade das Gewicht des jeweiligen Ausweisungsinteresses bildet, würde verloren gehen (darauf weist zu Recht Funke, ZAR 2016, 209 <211>, hin). Daher ist weiterhin daran festzuhalten, dass ein Ausweisungsinteresse mehr ist als ein in der Vergangenheit liegender und damit zunächst einmal abgeschlossener Sachverhalt. Das „Interesse“ im Sinne zu ziehender ausländerrechtlicher Konsequenzen aus solchen Sachverhalten ergibt sich nicht alleine daraus, dass sie geschehen sind, sondern aus den sich daraus ableitbaren zukünftigen Folgen im Sinne einer fortbestehenden Gefahr (Funke-Kaiser, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 58).
31 
Soweit daher bislang im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Wesentlichen darauf abgestellt wurde, ob ein Ausweisungsinteresse noch „aktuell“ sein müsse, lässt sich dies unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung - auch wenn häufig so nicht explizit formuliert - letztlich nur als eine gleichwohl gefahrenabwehrrechtlich zu verstehende Definition auffassen, deren sprachliche Unschärfe dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass nach bisheriger Rechtslage dem Ausweisungsrecht ein textlich hinreichend klarer Bezug zur Gefahr fehlte und der Begriff der „Beeinträchtigung“ in § 55 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F. für ein weiteres Verständnis des öffentlichen Interesses herangezogen werden konnte, was nunmehr nicht mehr der Fall ist. Unbeschadet dessen ist nicht der dem Ausweisungsinteresse zugrunde liegende Sachverhalt „aktuell“ - im Sinne von „gegenwärtig existierend und vorhanden“ -, sondern dessen Fortwirkungen, die in Ansehung des Rechtsgebiets ordnungsrechtlicher Natur sein müssen, wie sowohl die aufgezeigte Binnensystematik des § 5 Abs. 1 AufenthG als auch die des § 53 Abs. 1 AufenthG verdeutlichen.
32 
Dies berücksichtigt, verneint das Verwaltungsgericht zu Recht eine vom Kläger ausgehende Gefahr, nachdem dessen Falschangaben von ihm im Januar 2013 offengelegt wurden und eine Wiederholungsgefahr aufgrund der nunmehr eingetretenen familiären Situation insoweit ausgeschlossen ist. Auch sonstige Gründe, die eine auf andere Ausweisungsinteressen bezogene Gefahren begründen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich, nachdem etwa die mit Strafbefehl geahndeten aufenthaltsrechtlichen Straftaten schon aufgrund eingetretener Tilgungsreife nach § 46 BZRG kein aktuelles Ausweisungsinteresse mehr begründen können und dürfen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.07.2014 - 11 S 2450/13 -, juris).
33 
Nach neuer Gesetzeslage kann ein generalpräventiv fundiertes Ausweisungsinteresse, auf das das Verwaltungsgericht und der Beklagte sich unter Berufung auf § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG stützen, jedoch nicht mehr angenommen werden, wobei hier aufgrund gesetzlicher Wertungsgleichheit offen bleiben kann, ob die Falschangaben des Klägers, weil sie erfolgten, um die Aussetzung der Abschiebung zu erreichen, unter Nr. 8a fallen oder ob Nr. 9 anzuwenden wäre.
34 
Denn ein solches lässt sich zunächst nicht im Rahmen des Wortlauts des § 53 Abs. 1 AufenthG damit begründen, vom Aufenthalt des Klägers gehe immer noch eine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG aus, da generalpräventive Gefahren vorlägen. Eine alleine dem Zweck der Abschreckung anderer Ausländer dienende Ausweisung begründet keine Gefährdung „durch den Aufenthalt“ des von der Ausweisung betroffenen Ausländers, mit ihr sollen vielmehr von Dritten ausgehende Gefahren (ordnungsrechtlich) bekämpft werden.
35 
§ 53 Abs. 1 AufenthG n.F. verlangt nach seinem Wortlaut eine Gefährdung der dort genannten Schutzgüter durch den Aufenthalt des Ausländers („Ein Ausländer, dessen Aufenthalt … gefährdet, wird ausgewiesen,…“). Die Vorschrift stellt damit das Erfordernis einer - aktuellen - Gefahr (und nicht nur eine Gefährdung im Sinne einer Ausdehnung in den Bereich der Gefahrenvorsorge: Funke, ZAR 2016, 209 <211>) und deren Verknüpfung mit dem Gefährdungsgrund - dem Aufenthalt des Ausländers, der auszuweisen ist - ausdrücklich in das Zentrum des Normprogramms (vgl. nunmehr auch: BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 - Rn. 26: „…bedarf es … stets der Feststellung, dass die vom Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbesteht.“).
36 
Insoweit unterscheidet sich das neue Ausweisungsrecht textlich vom bisherigen, das den Begriff der Gefährdung so deutlich nicht kannte und in dem alleine § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. - betreffend die Ermessensausweisung - regelte, dass ein Ausländer ausgewiesen werden kann, „wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt“. Den Vorschriften zur zwingenden Ausweisung und zur Ausweisung im Regelfall fehlte, schon in Vorfassungen des AuslG, ein textlicher Bezug zur Frage einer Gefahr oder Beeinträchtigung, woraus die Rechtsprechung die Zulässigkeit generalpräventiv begründeter Ausweisungen unter Berufung auf die damalige Gesetzesbegründung und den zwingenden Charakter der Normen abgeleitet hatte (vgl. nur: BVerwG, Urteile vom 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247-265 und vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 -, BVerwGE 121, 356-365, juris Rn. 16).
37 
Unbeschadet der dem Senat bewussten Unschärfe des Wortlauts von Normtexten, die mehrdeutig, vage, wandelbar und wertausfüllungsbedürftig sein können (dazu Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, S. 142 Rn. 281; zu den Grenzen der Auslegung vgl. nur: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 322; Schenke, DStR-Beih 2011, 54), lässt sich eine generalpräventiv begründete Ausweisung daher nach neuem Recht nicht mehr im Rahmen des Wortlauts der Norm durch Auslegung begründen (so auch: Bergmann/Hörich, ZAR 2016, 296 <297>; Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 24 f.; Kießling, ZAR 2016, 45 <51>).
38 
Diese Wortlautgrenze lässt sich auch nicht etwa unter Bezugnahme auf die Existenz des § 53 Abs. 3 AufenthG im Wege wortlautimmanenter Auslegung ausdehnen. Diese Vorschrift stellt eine dem Unionsrecht - und damit einem anderen als dem nationalen Rechtskreis - geschuldete Sonderregelung dar und eignet sich daher schon nicht, den Inhalt und die Grenzen nationalen Rechts aus systematischer Sicht zu bestimmen. Zudem ließe sich mit einem systematischen Rückschluss der Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F., der an die Gefährdung durch den Aufenthalt des Ausländers, der auszuweisen ist, anknüpft, nicht ausdehnen. Eine Mehrdeutigkeit, die einer Auslegung aus dem Normenkontext zugänglich wäre, liegt insoweit nicht vor.
39 
Soweit gleichwohl nach der Neufassung des Ausweisungsrechts davon ausgegangen wird, Ausweisungsentscheidungen könnten grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, berufen sich die dahingehenden Auffassungen nicht auf den Wortlaut der Norm, sondern alleine auf den erklärten Willen des Gesetzgebers, da dieser an der bislang geltenden Rechtslage insoweit nichts habe ändern wollen (etwa: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 1 Generalprävention, Stand: 18.01.2016 Rn. 6; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 34).
40 
Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-Drucks. 18/4097, S. 49), auf die sich diese Auffassungen stützen, führt hierzu aus:
41 
„Die Ausweisungsentscheidung kann grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Dies gilt allerdings nicht für die in § 53 Absatz 3 genannten Personengruppen. Hier ist die Ausweisung nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.“
42 
Diese Begründung ist nach Auffassung des Senats allerdings nicht geeignet, eine Erstreckung des neuen Ausweisungsrechts auf generalpräventive Ausweisungen entgegen dem Wortlaut der Vorschrift zu legitimieren (so im Ergebnis auch: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 25; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 8; Funke, a.a.O., 215 Fn. 61). Denn dies müsste über eine Analogiebildung bzw. über eine „Korrektur des Normtextes“ im Wege teleologischer Extension unter Berufung auf eine unvollkommene Umsetzung einer Wertentscheidung durch den Normsetzer erfolgen (vgl. hierzu: Reimer, Juristische Methodenlehre, S. 249, 274 ff.), wofür die Voraussetzungen jedoch nicht gegeben sind.
43 
Schon aus dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 20 Abs. 3 GG folgt, dass eine Rechtsgrundlage für die grundrechtsintensive Maßnahme der generalpräventiv fundierten Ausweisung im Wege einer Analogie bzw. einer teleologischen Extension nicht geschaffen werden kann.
44 
Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Ferner sichern Klarheit und Bestimmtheit der Norm, dass der Betroffene die Rechtslage erkennen und sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Je schwerwiegender die Auswirkungen sind, desto höhere Anforderungen werden an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen sein. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt (so: Burghart, in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 72. Lieferung 08.2016, Art. 20 GG Rn. 731, unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, BVerfGE 120, 274 <316> und Beschluss vom 08.01.1981 - 2 BvL 3/77 -, BVerfGE 56, 1-22).
45 
Eingriffsregelungen müssen daher nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein (BVerfG, Beschluss vom 12.11.1958 - 2 BvL 4/56 -, juris; Burghart, a.a.O. Rn. 946), um sicherzustellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können (BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris Rn. 118, m.w.N.). Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (BVerfG, a.a.O. Rn. 124 unter Verweis auf den Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33 <56>), wobei gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe keine Bedenken bestehen, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (BVerfG, Beschluss vom 11.07.2013 - 2 BvR 2302/11 -, Rn. 112, juris). In Fällen präventiver Freiheitsentziehungen folgert das Bundesverfassungsgericht aufgrund der Stärke des Eingriffs in die Freiheit der Person, die einer Freiheitsstrafe gleichkomme, aus Art. 104 Abs. 1 GG ein im Ergebnis ähnliches Bestimmtheitsgebot, wie es sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt (Beschluss vom 11.07.2013 - 2 BvR 2302/11 -, juris Rn. 111, m.w.N.).
46 
Daraus kann sich, jedenfalls im Bereich öffentlich-rechtlicher Eingriffsbefugnisse in die Freiheit der Person bzw. in Fällen grundrechtsintensiver Eingriffsbefugnisse ein Analogieverbot auch jenseits des Anwendungsbereiches des Art. 103 Abs. 2 GG ergeben (ausführlich: Beaucamp, AöR 2009, S. 83<87 ff.>, m.w.N.; Reimer, a.a.O., S. 253; für ein grundlegenderes Analogieverbot: BVerfG, Beschluss vom 14.08.1996 - 2 BvR 2088/93 -, NJW 1996, 3146: Analogieverbot im verwaltungsrechtlichen Eingriffsrecht; in diesem Sinne auch: Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 1981, S. 399 f., der zur Begründung auf den Planungscharakter von öffentlich-rechtlichen Kompetenznormen abstellt sowie die bei Beaucamp, a.a.O., S. 90 Fn. 45 aufgeführten Stimmen, die jedwede Analogie zu Lasten des Bürgers ablehnen).
47 
Daraus zieht der Senat den Schluss, dass eine Ausweisungsbefugnis für generalpräventiv fundierte Ausweisungen nicht im Wege einer Rechtsfortbildung gegen den Wortlaut des Gesetzes geschaffen werden kann. Dem steht die Stärke des Eingriffs in - regelhaft - grundrechtsintensiven Konstellationen (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), die über die Zwecksetzung der Rechtsfigur noch verstärkt wird (Übelszufügung zur Abschreckung Dritter trotz fehlenden Verantwortungszusammenhangs, so: Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176<177 f.>) sowie die dogmatische Nähe der Rechtsfigur zum Sanktionenrecht (Anknüpfung der Maßnahme an den Nichtstörer unter Anlastung vorangegangenen Fehlverhaltens) entgegen.
48 
Dies folgt auch aus dem strafähnlichen Charakter generalpräventiv fundierter Ausweisungen (so: Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 89), der auf eine Bindung derselben an den Schuldgrundsatz und an das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2014 - 1 BvR 299/13 -, juris Rn. 13 zum Ordnungsgeld nach § 335 HGB). Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 14.01.2004 - 2 BvR 564/95 -, BVerfGE 110, 1-33, Rn. 59) definiert strafähnliche Maßnahmen in seiner Entscheidung zum erweiterten Verfall nach § 73d StGB wie folgt:
49 
„Dem Schuldgrundsatz unterliegen auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 22, 125 <131>; 27, 36 <40 ff.>; 35, 311 <320>; 74, 358 <375 f.>). Strafähnlich ist eine Maßnahme freilich nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende, Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 9, 137 <144 ff.>; 21, 378 <383 ff.>; 21, 391 <403 ff.>; 22, 125 <131>; 23, 113 <126>; 27, 36 <40 ff.>; 80, 109 <120 ff.>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - ; siehe auch Volk, ZStW 1971, S. 405 ff.). So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 890 Abs. 1 ZPO geregelten Zwangsmaßnahmen, die neben der Disziplinierung des Schuldners auch Sühne für eine begangene Zuwiderhandlung bezwecken, strafähnliche Wirkung beigemessen (vgl. BVerfGE 20, 323 <330 ff.>; 58, 159 <162>; 84, 82 <87>); dagegen hat es die Anordnung von Untersuchungshaft im Ermittlungsverfahren und die Unterbringung drogenabhängiger Täter in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB wegen des sichernden Charakters dieser Maßnahmen nicht als strafähnlich angesehen (vgl. BVerfGE 19, 342 <347 f.> und BVerfGE 91, 1 <27 ff.>)“
50 
Es führt im weiteren zur näheren Bestimmung des pönalen Charakters einer Maßnahme aus (Rn. 68-76):
51 
„Die vermögensordnende Funktion macht den erweiterten Verfall nicht zu einem strafähnlichen Rechtsinstitut. Die Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung der Vermögensordnung setzt zwar vergangenheitsbezogene Feststellungen voraus und ist insoweit retrospektiv. Der korrigierende Eingriff aber, mit dem der Staat auf eine deliktisch entstandene Vermögenslage reagiert, ist nicht notwendig repressiv. Auch das öffentliche Gefahrenabwehrrecht erlaubt hoheitliche Maßnahmen, um Störungen zu beseitigen. Gefahrenabwehr endet nicht dort, wo gegen eine Vorschrift verstoßen und hierdurch eine Störung der öffentlichen Sicherheit bewirkt wurde. Sie umfasst auch die Aufgabe, eine Fortdauer der Störung zu verhindern (vgl. etwa Friauf, in: Badura u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl., S. 138; Würtenberger, in: Achterberg u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2. Aufl., S. 445; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., S. 63, jeweils m.w.N.).
52 
Maßnahmen der Störungsbeseitigung sind ein Fall der Gefahrenabwehr. Sie knüpfen zwar an in der Vergangenheit begründete Zustände an, sind in ihrer Zielrichtung aber zukunftsbezogen. Sie wollen nicht ein normwidriges Verhalten öffentlich missbilligen und sühnen, sondern verhindern, dass eine bereits eingetretene Störung der Rechtsordnung in Zukunft andauert. Dementsprechend sollte eine auf § 21 f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. gestützte Einziehung von Elfenbein, das ohne die erforderliche Genehmigung in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt worden war, einen Verstoß gegen die für Elfenbein geltenden Handelsbeschränkungen beseitigen (vgl. den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Januar 1989 - 2 BvR 554/88 -, NJW 1990, S. 1229). § 21f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. zielte nicht auf Repression und Vergeltung für ein rechtswidriges Verhalten, sondern diente als Teil eines Systems von Handelsbeschränkungen, die die wirtschaftliche Nutzung gefährdeter Arten eindämmen sollen, der Gefahrenabwehr (a.a.O., S. 1229).
53 
Auch § 73d StGB verfolgt einen solchen präventiven Zweck. Der erweiterte Verfall ist zwar nicht systematisch als Sicherungsmaßregel ausgestaltet, die eine drohende Reinvestition von Deliktsgewinnen durch kriminelle Organisationen verhindern soll und sich auf eine entsprechende Gefahrenprognose stützt. Die Erwägung des Gesetzgebers, die strafrechtliche Gewinnabschöpfung könne auch sichernde Wirkungen erzielen (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7 und BTDrucks 12/989, S. 1), hat in der Regelung des § 73d StGB nicht unmittelbar Niederschlag gefunden (vgl. Weßlau, StV 1991, S. 226, 232 f.; Wallschläger, Die strafrechtlichen Verfallsvorschriften, 2002, S. 158). Die vermögensordnende Zielsetzung der Vorschrift ist aber klar zukunftsbezogen und präventiv: Der betroffene Straftäter soll deliktisch erlangte Gegenstände nicht behalten; die mit der Bereicherung des Täters verbundene Störung der Rechtsordnung soll nicht auf Dauer bestehen bleiben; die Gewinnabschöpfung soll verhindern, dass die bereits eingetretene Störung der Vermögensordnung auch zukünftig fortdauert.
54 
Mit dieser präventiven Zielsetzung wirkt der erweiterte Verfall nicht wie eine Strafsanktion. Seine Anordnung erfolgt nicht, um dem Betroffenen die Begehung der Herkunftstat vorzuhalten und über sie ein sozialethisches Unwerturteil zu sprechen. Sie zielt vielmehr darauf, einen rechtswidrigen Zustand für die Zukunft zu beseitigen. Die Entziehung deliktisch erlangten Vermögens ist nicht Ausdruck vergeltender, sondern ordnender Gerechtigkeit (ähnlich BGH, NStZ 1995, S. 491; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 ff., 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Jekewitz, GA 1998, S. 276, 277).“
55 
(2) Der mit der Regelung des § 73d StGB beabsichtigte vermögensordnende Zugriff soll nach dem Willen des Gesetzgebers zugleich Anreize für gewinnorientierte Delikte reduzieren. Auch dieses in der Begründung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Erweiterter Verfall - (... StrÄndG) vom 9. März 1990 (BTDrucks 11/6623, S. 4) als generalpräventiv bezeichnete Ziel der Gewinnabschöpfung verleiht dem erweiterten Verfall keinen strafähnlichen Charakter.
56 
Der Entziehung deliktisch erzielter Vermögensvorteile wird zwar zu Recht eine strafergänzende Funktion beigemessen. Denn die übelzufügende und damit abschreckende Wirkung einer Strafe kann sich mindern, wenn der materielle Tatvorteil in der Hand des Täters verbleibt (vgl. Eser, Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum, 1969, S. 86 und S. 284). Dies wird vor allem bei Geldstrafen deutlich, die der Täter aus dem Tatgewinn bestreiten könnte. Ein möglicher negativer Einfluss unterbliebener Gewinnabschöpfung auf die Nachdrücklichkeit einer Strafe bedeutet aber nicht, dass die Gewinnabschöpfung selbst strafende Wirkung erzielt oder intendiert (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 15 ff.).
57 
Eine Abschreckungswirkung im Sinne der negativen Generalprävention ist mit dem erweiterten Verfall ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht beabsichtigt. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) heißt es im Anschluss an die Darstellung der mit der Gewinnabschöpfung verfolgten Ziele, der Entwurf sehe neben der Gewinnabschöpfung auch Strafschärfungen zur Erhöhung der Abschreckungswirkung bei Straftaten der organisierten Kriminalität vor (vgl. BTDrucks 12/989, S. 1). Der Gesetzgeber hat damit die Ziele der Gewinnabschöpfung ausdrücklich vom Abschreckungszweck erhöhter Strafandrohungen unterschieden (siehe auch BTDrucks 12/989, S. 21 sub B.).
58 
Die mit den strafrechtlichen Verfallvorschriften beabsichtigte generalpräventive Wirkung soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf andere Weise erzielt werden: Indem der Staat dem Täter deliktisch Erlangtes wegnimmt, führt er ihm, wie auch der Rechtsgemeinschaft, vor Augen, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen. Der vermögensordnende Eingriff soll die Unverbrüchlichkeit und die Gerechtigkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.
59 
Diese auch als positiver Aspekt strafrechtlicher Generalprävention anerkannte Zielsetzung (vgl. BVerfGE 45, 187 <256>) ist - wie die Ausführungen zum Gefahrenabwehrrecht gezeigt haben - kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften (vgl. BVerfGE 22, 125 <132>). Soweit es um die Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens geht, deckt sie sich mit einem alle Rechtsgebiete übergreifenden Grundsatz, wonach eine mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 m.w.N.). Die normbestätigende Zielsetzung des § 73d StGB charakterisiert den erweiterten Verfall daher nicht zwingend als pönale Maßnahme (vgl. BGHSt 47, 369 <373 ff.>; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 489 f.; Groth, Verdeckte Ermittlung im Strafverfahren und Gewinnabschöpfung, 1995, S. 151; anders Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung bei Betäubungsmitteldelikten - Zur Problematik der geplanten Vorschrift über den erweiterten Verfall, 1991, S. 153 f.; wohl auch Weßlau, StV 1991, S. 226, 231 f., und Hoyer, GA 1993, S. 406, 417 ff., 421).“
60 
Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind danach insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und die vom Gesetzgeber mit ihnen verfolgten Zwecke in wertender Betrachtung zu berücksichtigen, wobei einer Maßnahme auch Doppelcharakter zukommen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2014 - 1 BvR 299/13 -, juris Rn. 13 zum Ordnungsgeld nach § 335 HGB). In Abgrenzung zu gefahrenabwehrrechtlichen Zwecksetzungen, bei denen nicht in erster Linie ein normwidriges Verhalten öffentlich missbilligt und gesühnt werden soll, stellt das Bundesverfassungsgericht entscheidend darauf ab, ob ein etwaiger abschreckender Zweck, der den pönalen Charakter begründet, oder ein positiv-generalpräventiver Zweck verfolgt wird, der kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften ist.
61 
Davon ausgehend ergibt sich der strafähnliche Charakter einer generalpräventiv fundierten Ausweisung aus ihrer abschreckenden Zwecksetzung und der Rechtfertigung der Inanspruchnahme gerade des auszuweisenden Ausländers, von dem in diesen Fällen selbst keine Gefahr mehr ausgeht, unter Vorhalt der zugrundeliegenden Herkunftstat, ohne dass sich ein Verantwortungszusammenhang zwischen dem betroffenen Ausländer und den abzuschreckenden Dritten begründen ließe (so schon: Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176 <177 f.>). Es ist für den Senat nicht ersichtlich, wie sich dies, wenn nicht über den Vorhalt eines sozialethischen Unwerturteils, rechtfertigen könnte, woraus sich dann aber die Strafähnlichkeit zwingend ergibt.
62 
Im Weiteren fehlt es jedenfalls auch an einer Wertungsgleichheit von geregeltem (spezialpräventive Ausweisungsinteressen) und ungeregeltem (generalpräventive Ausweisungsinteressen) Sachverhalt und es liegt auch kein Fall einer bloß unvollkommenen Umsetzung einer Wertentscheidung des Gesetzgebers vor, die unter Berufung auf einen gesetzgeberischen Willen und bei Berücksichtigung des geschriebenen Rechts in vertretbarer Weise unter Beachtung des Parlamentsvorbehalts im Wege richterrechtlicher Rechtfortbildung hergestellt bzw. ergänzt werden könnte (vgl. Reimer, a.a.O, S. S. 249, 274 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. Aufl. 2006, S. 67 ff.).
63 
Die Grenze einer zulässigen Rechtsfortbildung wird überschritten, wenn sich die damit einhergehenden Unwägbarkeiten nicht in rechtsstaatlich vertretbarer Weise - und damit gerade bei Gesetzen mit erheblichem Eingriffscharakter unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Normunterworfenen und unter Achtung des Grundsatzes der Normenkohärenz - überwinden ließen, weil die Gerichte in solchen Fällen gezwungen wären, mangels unmittelbar anwendbarer gesetzlicher Wertmaßstäbe weiträumige Bewertungsaufgaben im grundrechtssensiblen Bereich anstelle des dazu berufenen Gesetzgebers zu übernehmen (vgl.: Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, S. 540 ff.; BVerwG, Beschluss vom 07.04.2016 - 1 B 82.16 -, BeckRS 2016, 52800 Rn. 7), was dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der Rechtssicherheit und dem Gesetzesvorbehalt widersprechen würde (Beaucamp, a.a.O., S. 93 ff.).
64 
So liegt der Fall hier, nachdem das geschriebene Recht die Rechtsfigur der generalpräventiven Ausweisung nicht erfasst, dessen Grenzen demzufolge nicht regelt und eine schlichte Übertragung der geschriebenen Regelungen nicht ausreichend erscheint, um die Rechtsfigur - zumal angesichts der vagen Vorstellungen des Gesetzgebers hierzu - unter angemessener Berücksichtigung der weiteren Gesetzesziele und der berechtigten Interessen der Normunterworfenen kohärent und hinreichend bestimmt anzuwenden.
65 
Selbst wenn man die Bedeutung von Begründungen der Bundesregierung zu Gesetzentwürfen im Rahmen einer Rechtsfortbildung nicht von vornherein und abstrakt in Abrede stellt (obgleich die Bundesregierung nicht der Gesetzgeber und ein Gesetzentwurf kein Gesetz ist) und man daher davon ausgehen will, dass solche einen Willen des Gesetzgebers ausdrücken können - allerdings wiederum nur als Hilfstatsachen, aus denen auf einen übereinstimmenden Willen des Gesetzgebers geschlossen werden müsste -, ist zu berücksichtigen, dass sich die Begründung im konkreten Fall in der unspezifischen Behauptung erschöpft, eine Ausweisungsentscheidung könne grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiege.
66 
Isoliert betrachtet ergeben sich hieraus keine weiterführenden Ansatzpunkte für eine vertretbare Rechtsfortbildung. Denn dieser Wille bleibt weitgehend abstrakt, gerät aber gleichwohl in Konflikt mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für generalpräventive Ausweisungen. Er wirft mehr Fragen zur Reichweite generalpräventiver Ausweisungen auf als er zu klären vermag und er setzt sich in Widerspruch zu dem unstreitigen Ziel der Gesetzesnovelle, keine Verschärfung der Rechtszulage einzuführen.
67 
Schon der Ansatz der Gesetzesbegründung der Bundesregierung, eine Ausweisungsentscheidung könne „grundsätzlich auch“ auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, gerät in Konflikt mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für generalpräventive Ausweisungen, wie sie das Bundesverfassungsgericht formuliert hat (Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), nach denen
68 
„…auch bei generalpräventiv motivierten Ausweisungen, die ihren Anlass im Bereich der Drogenkriminalität finden, gilt, dass die Umstände der begangenen Straftat, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, individuell zu würdigen sind (vgl. BVerwGE 101, 247 [255] = NVwZ 1997, 297)“,
es
69 
„im Grundsatz nicht anders als bei der Würdigung der von dem Ausländer künftig ausgehenden Gefahren im Rahmen spezialpräventiv motivierter Ausweisungen insbesondere nicht [genügt], das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu bestimmen (vgl. BVerfG, NVwZ 2007, 946 = ZAR 2007, 243)“
70 
und
71 
„der Umstand, dass der Bf. erheblich gegen die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, [ ] für sich allein eine generalpräventive Ausweisung noch nicht [rechtfertigt] (vgl. auch BVerwG, NVwZ 1997, 1119 [1121]).“.
72 
Nach bisheriger Rechtslage - wie sie von der Rechtsprechung verstanden wurde - bedurften generalpräventiv begründete Ausweisungen aufgrund ihres spezifischen Ansatzpunktes, unbeschadet der grundlegenden Zweifel an dieser Rechtsfigur, die die Rechtsprechung konsequent unbeachtet ließ, einer besonderen Rechtfertigung, was ihren nicht nur rechtstatsächlichen Ausnahmecharakter begründet hat (hierzu: Discher, in: GK-AuslR, Vor §§ 53 ff. AufenthG, Juni 2009 Rn. 437 ff., m.w.N.: unterschiedliches Maß der Verhaltenssteuerung bei unterschiedlichen Straftaten und § 53 AufenthG Rn. 21 f., m.w.N.: „§ 53 dient…in erster Linie spezialpräventiven Zwecken…“; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016 Rn. 7, m.w.N.; Graßhof, in: BeckOK AuslR, § 53 AufenthG, 01.02.2017 Rn. 29: „Ein nur generalpräventiv begründetes öffentliches Interesse an einer Ausweisung besitzt im Allgemeinen ein geringeres Gewicht als die spezialpräventive Reaktion auf eine konkrete Wiederholungsgefahr.“; zu den grundlegenden Einwänden gegen die Rechtsfigur: Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016 Rn. 8; Kießling, ZAR 2016, 45 <47>; dies., Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 93 ff.; Mayer, VerwArch 2010, 482 <506 ff.>; Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176 <177 f.>: fehlender Verantwortungszusammenhang; Huber, NJW 1976, 1008 <1010>; Schnapp, DVBl. 1974, 88 <89>; Dolde, NJW 1974, 780; Pagenkopf, DVBl. 1975, 764 <767>; Franz, DVBl. 1973, 662 <672>).
73 
Die Gesetzesbegründung übergeht diesen Befund gänzlich, wenn sie generalpräventive Erwägungen regelhaft für zulässig erklärt und solche ohne Weiteres neben spezialpräventive stellt. Es bleibt im Dunkeln, in welchen Fällen nach neuem Recht generalpräventive Ausweisungen - einen dahingehend ausgebildeten und daher nur zu erforschenden Willen des Gesetzgebers einmal unterstellt - legitim sein und in welchem Verhältnis die Ausweisungszwecke der General- und der Spezialprävention in dem völlig neuartigen Abwägungsmodell des Ausweisungsrechts zueinander stehen sollen. Der schlichte Verweis auf die Notwendigkeit einer umfassenden Abwägung führt nicht weiter und ist auch nicht geeignet, generalpräventive Ausweisungen vorhersehbar einzugrenzen, da sich die entscheidende Frage, welches Gewicht generalpräventiven Erwägungen im Rahmen einer Abwägung mit Bleibeinteressen zukommen könnte, auch aus der Zusammenschau der Gesetzesbegründung mit dem Normtexten des Rechtsgebiets und unter Beachtung der spezifischen Bindungen generalpräventiver Ausweisungsentscheidungen nicht hinreichend vorhersehbar erschließen lässt. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die unterschiedlichen Problemlagen beider und die sich daraus ergebenden spezifischen Fragen zu den Grenzen generalpräventiver Ausweisungen sowie erst recht die Auswirkungen dieser Fragen für Titelerteilungsfälle vom Gesetzgeber - gerade im Kontext des völlig neu strukturierten Ausweisungsrechtes - schon nicht gesehen wurden.
74 
Spezialpräventiv begründete Ausweisungsentscheidungen bewegen sich - auch im Kontext des neuen Ausweisungsrechts - im Rahmen der ordnungsrechtlich vorgegebenen Begrenzungen, da diese an eine aktuelle und vom jeweils von der Maßnahme betroffenen Ausländer ausgehenden Gefährdung für die Schutzgüter des § 53 Abs. 1 AufenthG anknüpfen, wobei diese Schutzgüter regelmäßig durch die gesetzlich vertypten und zugleich - in einem ersten Zugriff - hinsichtlich ihrer Bedeutung bewerteten Ausweisungsinteressen vorgeprägt werden (Bauer/Beichel-Benedetti, NVwZ 2016, 416; a.A.: Funke, ZAR 2016, 209 ff., der angesichts der Verortung des gesamten Prüfprogramms - in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung - im Tatbestand den eingrenzenden Charakter des Systems im ordnungsrechtlichen Kontext grundsätzlich bezweifelt). Diese bilden damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den Ansatzpunkt für den gleitenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab, mit dem das Maß der notwendigen Gefährdung bestimmt wird (BVerwG, Urteile vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 -, juris und vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.09.2016 - 11 S 1413/16 -, juris).
75 
Im Falle generalpräventiv begründeter Ausweisungen greift dieser Gefährdungsmaßstab nicht, da es nicht um eine Gefahrenprognose in Bezug auf den auszuweisenden Ausländer geht. Den gesetzlichen Wertungen in § 54 AufenthG kommt daher insoweit keine maßstabsbildende Kraft zu. Diese Wertungen können allenfalls einen ersten Anhalt für das Gewicht des Anlasses geben, der die Ausweisung legitimieren soll, ohne dass sich daraus die Antwort auf die Frage, in welchen Fällen dies der Fall ist und in welchen nicht, aus dem Gesetz vorhersehbar - oder gar trennscharf - ergeben würde. Für den hier im Streit stehenden Fall einer Titelerteilung gilt dies umso mehr, da § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nach seinem Wortlaut alleine auf das Fehlen eines Ausweisungsinteresses abstellt, ohne in irgend einer Weise nach dem Gewicht solcher Interessen zu differenzieren, was allenfalls in Fällen erstmaliger Titelerteilung bei nicht bestehenden familiären Bindungen im Bundesgebiet unproblematisch erscheint, weil hier das staatliche Ermessen den Zuzug zuzulassen keinen wesentlichen Beschränkungen unterliegt (vgl. Funke-Kaiser, GK-AuslR, § 1 AufenthG, August 2013 Rn. 1). Generalpräventive Gründe sind daher schon aus strukturellen Gründen von vornherein ungeeignet, sich in das normative Konzept des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG einzufügen.
76 
Hinzu kommt, dass das Wesen der Generalprävention („Abschreckung durch Härte“) regelmäßig für eine zugunsten der Generalprävention sprechende Auslegung der Regelungen streitet. Dem Erfordernis einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis, die das Bundesverwaltungsgericht - insoweit folgerichtig - verlangt (Urteil vom 24.09.1996 - 1 C 9.94 -, NVwZ 1997, 1123 <1125>), kommt daher tatsächlich kein begrenzender Charakter zu, nachdem die bisherige Rechtsprechung Nachweise für eine solche Praxis gleichwohl nicht verlangt und das vollmundig formulierte Postulat zu keinem Zeitpunkt eingelöst hat. Das ist umso bedenklicher, nachdem dieser Rechtsfigur auf unionsrechtlicher Ebene, also für Unionsbürger, Assoziationsfreizügige, Daueraufenthaltsberechtigte und Schutzsuchende und damit für einen ganz erheblichen Anteil der Ausländer jede Anerkennung versagt geblieben ist (so treffend: Mayer, VerwArch 2010 482 <507>, m.w.N.) und daher eine abschreckende Wirkung, die es noch rechtfertigt, auszuweisen, umso mehr in Zweifel zu ziehen ist (kritisch zur Einschätzungsprärogative etwa: Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176 <178>; Gutmann, InfAuslR 1996, 27; Ventzke, InfAuslR 1994, 219 <220>; Wegner, DÖV 1993, 1031 <1033 f.>; Frankenberg, JZ 1986, 414 <419 f.>; zur obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu ausführlich: Discher, in: GK-AuslR, Vor §§ 53 ff. AufenthG, Juni 2009 Rn. 431 ff.; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG Rn. 3 f., m.w.N.).
77 
Zudem steht das Erfordernis einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis in einem unübersehbaren Spannungsverhältnis zum bereits dargestellten Ausnahmecharakter der Rechtsfigur, die mangels Aussagekraft eines Gefahrenaspekts nur über eine Definition von Sachverhalten oder Personengruppen, die von vornherein von der Generalprävention nicht erfasst werden dürfen, sichergestellt werden könnte. Daran fehlt es aber. Denn das Bundesverwaltungsgericht ist für die bisherige Rechtslage davon ausgegangen, dass mit der (richterrechtlichen) Bildung von spezifischen Begrenzungen, soweit sie in der Rechtsprechung statuiert wurden, übergangen werde, dass die Generalprävention in den zwingenden Ausweisungsgründen angelegt sei und zudem dem gesetzgeberischen Willen entsprochen habe (vgl. einerseits BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 -, BVerwGE 142, 29-48 Rn. 20 und andererseits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 -, juris Rn. 24 ff.; OVG Bremen, Urteile vom 10.05.2011 - 1 A 306/10 -, juris Rn. 87 ff., m.w.N. und vom 06.11.2007 - 1 A 82/07 -, juris Rn. 56, jew. unter Berufung auf die Unzulässigkeit generalpräventiver Ausweisungen in Fällen von hier verwurzelten oder in familiärer Lebensgemeinschaft mit Deutschen lebenden Ausländern).
78 
Diesem Argument kommt freilich nach neuer Rechtslage und im Rahmen der Frage der Zulässigkeit einer richterlichen Rechtsfortbildung keine wesentliche Bedeutung zu, so dass auch nicht mehr entscheidend ist, dass diese Argumentation aufgrund der ihr zugrunde gelegten Prämisse, die Generalprävention sei im bisherigen Recht stets angelegt gewesen, ihrerseits angreifbar war, nachdem sie sich letztlich auch nur auf richterliche (Rechts-)Schöpfung stützte, deren gesetzliche Verankerung sich nur vor dem Hintergrund eines Normverständnisses erklären ließ, das zwingende Ausweisungen lange Zeit für rechtsstaatlich unbedenklich hielt, was sich letztlich aber als unzutreffend erwiesen hat (BVerfG, Beschlüsse vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946 und vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300; dem folgend BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, BVerwGE 367; Mayer, VerwArch 2010 482 <483 ff.>, m.w.N.).
79 
Weiterhin ließ sich in der Breite der instanzgerichtlichen Rechtsprechung tendenziell eine relativ inhomogene Spruchpraxis feststellen, die der Unschärfe des vom Bundesverwaltungsgericht an generalpräventiv fundierte Ausweisungen angelegten Maßstabs der Verhältnismäßigkeit geschuldet sein dürfte. Denn trotz einer gewissen Ausdifferenzierung dieser Rechtsprechung nach Ausweisungsanlässen, deren Gewicht und den Folgen für die Betroffenen blieb es aus der Natur der Sache heraus nicht selten im Kern bei Abwägungen von Großbegriffen („Abschreckung versus Familie“), deren Vergleichbarkeit durchaus nicht auf der Hand liegt und deren Ergebnisse aufgrund der Abschreckungslogik („viel Härte hilft viel“) und der Setzung einer stets vorhandenen Gefahr in Richtung Ausweisung tendierten. In Titelerteilungsfällen spielten zudem Bleibeinteressen aus den dargestellten Gründen schon keine entscheidungserhebliche Rolle.
80 
Wesentlich verschärft wird das Problem fehlender Maßstabsbildung nunmehr durch die neue Struktur von Ausweisungen als vollständig gebundene Entscheidungen.
81 
Denn aus dem nunmehr vollständig gebundenen Entscheidungsprogramm, bei dem tatbestandlich sämtliche für und gegen eine Ausweisung sprechenden Umstände in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einzustellen sind, folgt sachlogisch die Verpflichtung, sämtliche Wirkungen von Ausweisungen zu berücksichtigen. Eine Wahlfreiheit, Ausweisungen nur auf bestimmte Gesichtspunkte zu stützen, kommt daher nunmehr weder der Ausländerbehörde noch dem Verwaltungsgericht bei der Kontrolle der Entscheidung zu (so zutreffend Graßhof, in: BeckOK AuslR, § 53 AufenthG, 01.02.2017 Rn. 30, der allerdings davon ausgeht, dass Ausweisungen auch nach neuem Recht generalpräventiv erfolgen können).
82 
Solche sich aus dem Systemwechsel ergebenden Rechtswirkungen werden in der Gesetzesbegründung nicht reflektiert und sie führen sowohl in Ausweisungsfällen als auch in den hier in Rede stehenden Fallkonstellationen eines Ausweisungsinteresses als einem einer Titelerteilung entgegenstehendem Tatbestandsmerkmal zu einer Verschärfung der Rechtslage, die jedoch nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung nicht das Ziel der Neuregelung ist. Sie verfehlte insoweit zudem die weiteren Ziele, Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden zu erleichtern (BT-Drucks. 18/4097, S. 49).
83 
Die bislang entwickelten Anforderungen an generalpräventiv begründete Ausweisungen sind daher nicht geeignet, das Fehlen gesetzgeberischer Maßstäbe vor dem Hintergrund des nunmehr gebundenen Charakters der Ausweisungsentscheidungen und der sich daraus ergebenden Verschärfung der Gesetzeslage auszugleichen.
84 
All dies macht der vorliegende Fall deutlich: Der - insoweit zutreffenden - Feststellung des Verwaltungsgerichts, die familiäre Situation des Klägers lasse die Gefahr, dass andere Ausländer vergleichbare Taten begehen, nicht entfallen, kann der Kläger seriöser Weise nichts entgegensetzen, da sich unter Zugrundelegung einer von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade eingeräumten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers in Bezug auf die Wirksamkeit generalpräventiver Ausweisungen eine abschreckende Wirkung von Ausweisungen nicht falsifizieren lässt. Mit anderen Worten: Da stets Bezugsgruppen von Ausländern gebildet werden können, die vergleichbare Taten begehen, ist ein generalpräventives Ausweisungsinteresse stets begründbar und die gesetzgeberische Wertung, Ausweisungen wirkten abschreckend, lässt sich nicht widerlegen.
85 
Die weitere Argumentation des Verwaltungsgerichts, es gebe ein erhebliches Interesse, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und aus einwanderungspolitischen Gründen Falschangaben zur Identität von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern durch Ausweisung des Klägers zu verhindern, geht zwar insoweit fehl, als eine Ausweisung des Klägers hier nicht im Streit steht und eine solche wegen seiner entstandenen familiären Bindungen zu seinen beiden minderjährigen deutschen Kindern fern läge. Sie ist aber - was die Bewertung eines solchen Interesses für die Frage einer Titelerteilung angeht - unter Zugrundelegung des Normtextes der Ausweisungsvorschriften und bei Erstreckung der Regelungen auf generalpräventiv begründete Ausweisungen durchaus konsequent. Aus den gesetzlichen Vorgaben lässt sich - gerade für den Fall der Titelerteilung - kein durchschlagendes oder gar zwingendes Argument benennen, das das öffentliche Interesse und dessen Gewichtung begrenzen könnte. Dies gilt gerade auch für Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 Nrn. 8 und 9 AufenthG, wenn diesen aus Sicht der Verwaltungspraxis hohe praktische Bedeutung zugesprochen wird, woraus sich aus Gründen der Abschreckung ein entsprechend hohes Gewicht ableiten lässt (so etwa: Zeitler, in: HTK-AuslR, § 5 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 03.03.2017 Rn. 35, zu Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG – wiederholter oder nicht geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften: „Gleichwohl ist genau dies eine Verhaltensweise, die das Visumverfahren unterläuft. Auch ohne Wiederholungsgefahr besteht hier nach wie vor ein der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entgegenstehendes Ausweisungsinteresse aus generalpräventiven Gründen.“). Das ist freilich unproblematisch, soweit der Gesetzgeber die besondere Bedeutung einer Titelerteilungsvoraussetzung normtextlich und unter Bezug auf einen klaren Regelungszweck deutlich herausgestellt und eindeutig tatbestandlich eingegrenzt hat, wie etwa im Fall des Visumserfordernisses nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und somit in einem völlig anderen und anders strukturierten Kontext (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014 - 1 C 15.14 -, juris Rn. 20).
86 
Als Grenze bliebe - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - nur noch die Heranziehung der Wertung des § 46 BZRG im Wege einer weiteren Analogiebildung im grundrechtssensiblen Bereich über die Grenzen des eigentlichen Rechtsgebiets hinaus, die in einem Fall wie dem vorliegenden gleich zweifach erfolgen müsste, da eine eintragungsfähige Verurteilung im Sinne des BZRG schon nicht vorliegt. Damit würde der Generalprävention ein weitaus größerer Anwendungsbereich zugebilligt als der Spezialprävention, was zu einem deutlichen Wertungswiderspruch führen würde.
87 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
88 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

Gründe

 
20 
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Versagung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Zu Recht gehen Beklagter und Verwaltungsgericht zunächst davon aus, dass dem Kläger ein Aufenthaltstitel nur aufgrund eines strikten Rechtsanspruchs zu erteilen ist, nachdem sein Asylantrag - wie das Verwaltungsgericht richtigerweise annimmt - als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war. Denn dies hat nach § 10 Abs. 3 AufenthG zur Folge, dass ein Aufenthaltstitel nur dann ohne vorherige Ausreise erteilt wird, wenn ein gesetzlicher Anspruch hierauf besteht (BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, BVerwGE 153, 353).
22 
Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels steht dem Kläger hier nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auch zu, da dessen besondere Erteilungsvoraussetzungen nach der hier maßgeblichen Sach- und Rechtslage der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014 - 1 C 15.44 -, juris) ebenso erfüllt sind wie die allgemeine gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n.F.
23 
Zutreffend legt das Verwaltungsgericht sodann zugrunde, dass die Vorschrift einer Titelerteilung nur entgegensteht, wenn neben einem Ausweisungsinteresse eine Gefahr fortbesteht. Schon bislang wurde die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F. - das Fehlen eines „Ausweisungsgrundes“ - nicht isoliert, sondern in Bezug zu den Ausweisungsvorschriften, in denen der Ausweisungsgrund in den Ausweisungstatbeständen näher ausgeformt war, und damit unter Beachtung des gefahrenabwehrrechtlichen Zwecks der Ausweisungsvorschriften interpretiert. Eine materielle Änderung sollte durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386), mit dem in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG einzig die Wörter „Ausweisungsgrund vorliegt“ durch die Wörter „Ausweisungsinteresse besteht“ ersetzt wurden (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.08.2015 - 11 S 1500/15 -, juris), insoweit nicht erfolgen. Die Gesetzesbegründung spricht hierzu lapidar von einer „Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ (BT-Drucks. 18/4097, S. 35).
24 
Davon ausgehend setzt die Bejahung eines Ausweisungsinteresses zwar nicht voraus, dass im konkreten Fall eine Ausweisung rechtmäßig verfügt werden könnte, es kommt also nach der insoweit fortgeschriebenen Systematik nicht darauf an, ob Bleibeinteressen vorliegen und welches konkrete Gewicht solchen im Rahmen einer Ausweisungsentscheidung zukäme (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.01.1997 - 1 C 23.94 -, juris, vom 27.08.1996 - 1 C 8.94 -, juris und vom 31.05.1994 - 1 C 5.93 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.08.2015 - 11 S 1500/15 -, juris; Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 -, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Oktober 2015, § 5 AufenthG Rn. 56 ff., m.w.N.).
25 
Gleichwohl muss das gefahrenabwehrrechtlich und damit zukunftsbezogen zu interpretierende Ausweisungsinteresse noch „aktuell“ vorliegen in dem Sinne, dass eine gegenwärtige bzw. in absehbarer Zukunft fortwirkende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft droht (VGH Bayern, Beschlüsse vom 16.07.2008 - 19 CS 08.1436 -, juris, m.w.N. und vom 02.11.2010 - 19 B 10.1941, juris, m.w.N.; OVG Hamburg, Urteil vom 10.04.2014 - 4 Bf 19/13 -, juris; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 5 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 03.03.2017 Rn. 26; Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 63 ff.). Die Anforderungen an die erforderliche Gefahr ist dabei - unbeschadet der teilweise divergierenden Anforderungen, wie sie in Rechtsprechung und Literatur zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelt wurden - grundsätzlich anhand des Gewichts des jeweils betroffenen Ausweisungsinteresses zu bestimmen (VGH Bayern, Beschluss vom 29.08.2016 - 10 AS 16.1602 -, juris; Zeitler, a.a.O. Rn. 30; Hailbronner, AuslR, 72. Aktualisierung Juni 2011, § 5 AufenthG Rn. 17, m.w.N.).
26 
Die Gefahrenprognose ist schon mit der Feststellung des Tatbestands zu treffen und nicht erst bei der Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt (VGH Bayern, Beschlüsse vom 29.08.2016 - 10 AS 16.1602 -, juris und vom 01.09.2016 - 10 AS 16.1602 -, BeckRS 2016, 51505; Zeitler, a.a.O. Rn. 31 ff., m.w.N.; Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 74; Maor, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 01.02.2017, § 5 AufenthG Rn. 11; Nr. 5.1.2.2 AufenthG-VwV; a.A.: OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 16.08.2016 - 18 B 754/16 -, juris; Hailbronner, a.a.O. Rn. 31a; Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 5 AufenthG Rn. 50). Etwas anderes lässt sich nicht unter Berufung auf die Ausgestaltung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG als Regelerteilungsvoraussetzungen herleiten, weil Regelfälle solche sind, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden (BVerwG, Urteil vom 29.07.1993 - 1 C 25.93 -, BVerwGE 94, 35; Zeitler, a.a.O. zu Abs. 1 - Regel und Ausnahme, Stand: 06.02.2017 Rn. 4). Die Frage nach einer Gefahr ist eine solche, die sich im spezialpräventiven Fällen regelmäßig stellt und in generalpräventiven von vornherein als gegeben angesehen wird. Eine Atypik lässt sich hier gerade nicht begründen.
27 
Auch systematische Gründe sprechen für eine zukunftsbezogen zu interpretierende Auslegung des Begriffs des Ausweisungsinteresses. Dies ergibt sich zum einen aus der Binnensystematik des § 5 Abs. 1 AufenthG selbst und zum anderen aus dem Regelungszusammenhang mit den §§ 53, 54 AufenthG.
28 
Für § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits ausdrücklich bestätigt, dass die Vorschrift nicht darauf angelegt ist, etwa eine Inanspruchnahme von Sozialleistungen in der Vergangenheit zu sanktionieren, sondern der fortdauernden künftigen Inanspruchnahme solcher Leistungen entgegenzuwirken (Urteil vom 16.08.2011 - 1 C 4.10 -, juris). Auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG setzt das Nichtvorliegen einer Beeinträchtigung oder Gefährdung durch den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet aus einem sonstigen Grund voraus, soweit kein Anspruch auf Titelerteilung besteht und verfolgt damit ersichtlich einen ordnungsrechtlichen Zweck, der zukunftsbezogen zu beurteilen ist. Zudem ergänzt er § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 75 ff.). Es ist angesichts dessen nicht ersichtlich, weshalb § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Sinne einer alleine vergangenheitsbezogenen Prüfung zu verstehen sein könnte. Dass § 5 Abs. 1 Nrn. 1a und 4 AufenthG auf den aktuellen Sachstand zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt abstellen, führt zu keinem anderen Ergebnis, da hier die zeitliche Fixierung der Natur der Regelungsmaterien geschuldet ist: Identität, Staatsangehörigkeit und der Besitz eines Passes lassen sich nur am jeweiligen Entscheidungszeitpunkt feststellen und nicht etwa prognostizieren.
29 
Die Neufassungen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und §§ 53, 54 AufenthG streiten ebenfalls für eine gleichlaufend zukunftsbezogen zu interpretierende Auslegung des Begriffs des Ausweisungsinteresses, nachdem nunmehr in beiden Vorschriften ausdrücklich auf ein solches abgestellt wird.
30 
Alleine wenn man davon ausgehen wollte, § 54 AufenthG sei gänzlich isoliert von § 53 Abs. 1 AufenthG zu verstehen, könnte man zu einem Normverständnis des § 54 AufenthG - und in der Folge zu einem gleichlaufenden des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gelangen -, das sich in der tatbestandlichen Erfüllung von Ausweisungsinteressen erschöpft. Dies würde jedoch den ordnungsrechtlichen Regelungszusammenhang der Vorschriften auflösen und der Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose, den gerade das Gewicht des jeweiligen Ausweisungsinteresses bildet, würde verloren gehen (darauf weist zu Recht Funke, ZAR 2016, 209 <211>, hin). Daher ist weiterhin daran festzuhalten, dass ein Ausweisungsinteresse mehr ist als ein in der Vergangenheit liegender und damit zunächst einmal abgeschlossener Sachverhalt. Das „Interesse“ im Sinne zu ziehender ausländerrechtlicher Konsequenzen aus solchen Sachverhalten ergibt sich nicht alleine daraus, dass sie geschehen sind, sondern aus den sich daraus ableitbaren zukünftigen Folgen im Sinne einer fortbestehenden Gefahr (Funke-Kaiser, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 58).
31 
Soweit daher bislang im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Wesentlichen darauf abgestellt wurde, ob ein Ausweisungsinteresse noch „aktuell“ sein müsse, lässt sich dies unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung - auch wenn häufig so nicht explizit formuliert - letztlich nur als eine gleichwohl gefahrenabwehrrechtlich zu verstehende Definition auffassen, deren sprachliche Unschärfe dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass nach bisheriger Rechtslage dem Ausweisungsrecht ein textlich hinreichend klarer Bezug zur Gefahr fehlte und der Begriff der „Beeinträchtigung“ in § 55 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F. für ein weiteres Verständnis des öffentlichen Interesses herangezogen werden konnte, was nunmehr nicht mehr der Fall ist. Unbeschadet dessen ist nicht der dem Ausweisungsinteresse zugrunde liegende Sachverhalt „aktuell“ - im Sinne von „gegenwärtig existierend und vorhanden“ -, sondern dessen Fortwirkungen, die in Ansehung des Rechtsgebiets ordnungsrechtlicher Natur sein müssen, wie sowohl die aufgezeigte Binnensystematik des § 5 Abs. 1 AufenthG als auch die des § 53 Abs. 1 AufenthG verdeutlichen.
32 
Dies berücksichtigt, verneint das Verwaltungsgericht zu Recht eine vom Kläger ausgehende Gefahr, nachdem dessen Falschangaben von ihm im Januar 2013 offengelegt wurden und eine Wiederholungsgefahr aufgrund der nunmehr eingetretenen familiären Situation insoweit ausgeschlossen ist. Auch sonstige Gründe, die eine auf andere Ausweisungsinteressen bezogene Gefahren begründen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich, nachdem etwa die mit Strafbefehl geahndeten aufenthaltsrechtlichen Straftaten schon aufgrund eingetretener Tilgungsreife nach § 46 BZRG kein aktuelles Ausweisungsinteresse mehr begründen können und dürfen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.07.2014 - 11 S 2450/13 -, juris).
33 
Nach neuer Gesetzeslage kann ein generalpräventiv fundiertes Ausweisungsinteresse, auf das das Verwaltungsgericht und der Beklagte sich unter Berufung auf § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG stützen, jedoch nicht mehr angenommen werden, wobei hier aufgrund gesetzlicher Wertungsgleichheit offen bleiben kann, ob die Falschangaben des Klägers, weil sie erfolgten, um die Aussetzung der Abschiebung zu erreichen, unter Nr. 8a fallen oder ob Nr. 9 anzuwenden wäre.
34 
Denn ein solches lässt sich zunächst nicht im Rahmen des Wortlauts des § 53 Abs. 1 AufenthG damit begründen, vom Aufenthalt des Klägers gehe immer noch eine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG aus, da generalpräventive Gefahren vorlägen. Eine alleine dem Zweck der Abschreckung anderer Ausländer dienende Ausweisung begründet keine Gefährdung „durch den Aufenthalt“ des von der Ausweisung betroffenen Ausländers, mit ihr sollen vielmehr von Dritten ausgehende Gefahren (ordnungsrechtlich) bekämpft werden.
35 
§ 53 Abs. 1 AufenthG n.F. verlangt nach seinem Wortlaut eine Gefährdung der dort genannten Schutzgüter durch den Aufenthalt des Ausländers („Ein Ausländer, dessen Aufenthalt … gefährdet, wird ausgewiesen,…“). Die Vorschrift stellt damit das Erfordernis einer - aktuellen - Gefahr (und nicht nur eine Gefährdung im Sinne einer Ausdehnung in den Bereich der Gefahrenvorsorge: Funke, ZAR 2016, 209 <211>) und deren Verknüpfung mit dem Gefährdungsgrund - dem Aufenthalt des Ausländers, der auszuweisen ist - ausdrücklich in das Zentrum des Normprogramms (vgl. nunmehr auch: BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 - 1 C 3.16 - Rn. 26: „…bedarf es … stets der Feststellung, dass die vom Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbesteht.“).
36 
Insoweit unterscheidet sich das neue Ausweisungsrecht textlich vom bisherigen, das den Begriff der Gefährdung so deutlich nicht kannte und in dem alleine § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. - betreffend die Ermessensausweisung - regelte, dass ein Ausländer ausgewiesen werden kann, „wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt“. Den Vorschriften zur zwingenden Ausweisung und zur Ausweisung im Regelfall fehlte, schon in Vorfassungen des AuslG, ein textlicher Bezug zur Frage einer Gefahr oder Beeinträchtigung, woraus die Rechtsprechung die Zulässigkeit generalpräventiv begründeter Ausweisungen unter Berufung auf die damalige Gesetzesbegründung und den zwingenden Charakter der Normen abgeleitet hatte (vgl. nur: BVerwG, Urteile vom 11.06.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247-265 und vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 -, BVerwGE 121, 356-365, juris Rn. 16).
37 
Unbeschadet der dem Senat bewussten Unschärfe des Wortlauts von Normtexten, die mehrdeutig, vage, wandelbar und wertausfüllungsbedürftig sein können (dazu Reimer, Juristische Methodenlehre, 2016, S. 142 Rn. 281; zu den Grenzen der Auslegung vgl. nur: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 322; Schenke, DStR-Beih 2011, 54), lässt sich eine generalpräventiv begründete Ausweisung daher nach neuem Recht nicht mehr im Rahmen des Wortlauts der Norm durch Auslegung begründen (so auch: Bergmann/Hörich, ZAR 2016, 296 <297>; Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 24 f.; Kießling, ZAR 2016, 45 <51>).
38 
Diese Wortlautgrenze lässt sich auch nicht etwa unter Bezugnahme auf die Existenz des § 53 Abs. 3 AufenthG im Wege wortlautimmanenter Auslegung ausdehnen. Diese Vorschrift stellt eine dem Unionsrecht - und damit einem anderen als dem nationalen Rechtskreis - geschuldete Sonderregelung dar und eignet sich daher schon nicht, den Inhalt und die Grenzen nationalen Rechts aus systematischer Sicht zu bestimmen. Zudem ließe sich mit einem systematischen Rückschluss der Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F., der an die Gefährdung durch den Aufenthalt des Ausländers, der auszuweisen ist, anknüpft, nicht ausdehnen. Eine Mehrdeutigkeit, die einer Auslegung aus dem Normenkontext zugänglich wäre, liegt insoweit nicht vor.
39 
Soweit gleichwohl nach der Neufassung des Ausweisungsrechts davon ausgegangen wird, Ausweisungsentscheidungen könnten grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, berufen sich die dahingehenden Auffassungen nicht auf den Wortlaut der Norm, sondern alleine auf den erklärten Willen des Gesetzgebers, da dieser an der bislang geltenden Rechtslage insoweit nichts habe ändern wollen (etwa: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 1 Generalprävention, Stand: 18.01.2016 Rn. 6; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 34).
40 
Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-Drucks. 18/4097, S. 49), auf die sich diese Auffassungen stützen, führt hierzu aus:
41 
„Die Ausweisungsentscheidung kann grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Dies gilt allerdings nicht für die in § 53 Absatz 3 genannten Personengruppen. Hier ist die Ausweisung nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.“
42 
Diese Begründung ist nach Auffassung des Senats allerdings nicht geeignet, eine Erstreckung des neuen Ausweisungsrechts auf generalpräventive Ausweisungen entgegen dem Wortlaut der Vorschrift zu legitimieren (so im Ergebnis auch: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 25; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 8; Funke, a.a.O., 215 Fn. 61). Denn dies müsste über eine Analogiebildung bzw. über eine „Korrektur des Normtextes“ im Wege teleologischer Extension unter Berufung auf eine unvollkommene Umsetzung einer Wertentscheidung durch den Normsetzer erfolgen (vgl. hierzu: Reimer, Juristische Methodenlehre, S. 249, 274 ff.), wofür die Voraussetzungen jedoch nicht gegeben sind.
43 
Schon aus dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 20 Abs. 3 GG folgt, dass eine Rechtsgrundlage für die grundrechtsintensive Maßnahme der generalpräventiv fundierten Ausweisung im Wege einer Analogie bzw. einer teleologischen Extension nicht geschaffen werden kann.
44 
Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Ferner sichern Klarheit und Bestimmtheit der Norm, dass der Betroffene die Rechtslage erkennen und sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Je schwerwiegender die Auswirkungen sind, desto höhere Anforderungen werden an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen sein. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt (so: Burghart, in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 72. Lieferung 08.2016, Art. 20 GG Rn. 731, unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, BVerfGE 120, 274 <316> und Beschluss vom 08.01.1981 - 2 BvL 3/77 -, BVerfGE 56, 1-22).
45 
Eingriffsregelungen müssen daher nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein (BVerfG, Beschluss vom 12.11.1958 - 2 BvL 4/56 -, juris; Burghart, a.a.O. Rn. 946), um sicherzustellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können (BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris Rn. 118, m.w.N.). Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (BVerfG, a.a.O. Rn. 124 unter Verweis auf den Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33 <56>), wobei gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe keine Bedenken bestehen, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (BVerfG, Beschluss vom 11.07.2013 - 2 BvR 2302/11 -, Rn. 112, juris). In Fällen präventiver Freiheitsentziehungen folgert das Bundesverfassungsgericht aufgrund der Stärke des Eingriffs in die Freiheit der Person, die einer Freiheitsstrafe gleichkomme, aus Art. 104 Abs. 1 GG ein im Ergebnis ähnliches Bestimmtheitsgebot, wie es sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt (Beschluss vom 11.07.2013 - 2 BvR 2302/11 -, juris Rn. 111, m.w.N.).
46 
Daraus kann sich, jedenfalls im Bereich öffentlich-rechtlicher Eingriffsbefugnisse in die Freiheit der Person bzw. in Fällen grundrechtsintensiver Eingriffsbefugnisse ein Analogieverbot auch jenseits des Anwendungsbereiches des Art. 103 Abs. 2 GG ergeben (ausführlich: Beaucamp, AöR 2009, S. 83<87 ff.>, m.w.N.; Reimer, a.a.O., S. 253; für ein grundlegenderes Analogieverbot: BVerfG, Beschluss vom 14.08.1996 - 2 BvR 2088/93 -, NJW 1996, 3146: Analogieverbot im verwaltungsrechtlichen Eingriffsrecht; in diesem Sinne auch: Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 1981, S. 399 f., der zur Begründung auf den Planungscharakter von öffentlich-rechtlichen Kompetenznormen abstellt sowie die bei Beaucamp, a.a.O., S. 90 Fn. 45 aufgeführten Stimmen, die jedwede Analogie zu Lasten des Bürgers ablehnen).
47 
Daraus zieht der Senat den Schluss, dass eine Ausweisungsbefugnis für generalpräventiv fundierte Ausweisungen nicht im Wege einer Rechtsfortbildung gegen den Wortlaut des Gesetzes geschaffen werden kann. Dem steht die Stärke des Eingriffs in - regelhaft - grundrechtsintensiven Konstellationen (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), die über die Zwecksetzung der Rechtsfigur noch verstärkt wird (Übelszufügung zur Abschreckung Dritter trotz fehlenden Verantwortungszusammenhangs, so: Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176<177 f.>) sowie die dogmatische Nähe der Rechtsfigur zum Sanktionenrecht (Anknüpfung der Maßnahme an den Nichtstörer unter Anlastung vorangegangenen Fehlverhaltens) entgegen.
48 
Dies folgt auch aus dem strafähnlichen Charakter generalpräventiv fundierter Ausweisungen (so: Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 89), der auf eine Bindung derselben an den Schuldgrundsatz und an das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2014 - 1 BvR 299/13 -, juris Rn. 13 zum Ordnungsgeld nach § 335 HGB). Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 14.01.2004 - 2 BvR 564/95 -, BVerfGE 110, 1-33, Rn. 59) definiert strafähnliche Maßnahmen in seiner Entscheidung zum erweiterten Verfall nach § 73d StGB wie folgt:
49 
„Dem Schuldgrundsatz unterliegen auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 22, 125 <131>; 27, 36 <40 ff.>; 35, 311 <320>; 74, 358 <375 f.>). Strafähnlich ist eine Maßnahme freilich nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende, Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 9, 137 <144 ff.>; 21, 378 <383 ff.>; 21, 391 <403 ff.>; 22, 125 <131>; 23, 113 <126>; 27, 36 <40 ff.>; 80, 109 <120 ff.>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - ; siehe auch Volk, ZStW 1971, S. 405 ff.). So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 890 Abs. 1 ZPO geregelten Zwangsmaßnahmen, die neben der Disziplinierung des Schuldners auch Sühne für eine begangene Zuwiderhandlung bezwecken, strafähnliche Wirkung beigemessen (vgl. BVerfGE 20, 323 <330 ff.>; 58, 159 <162>; 84, 82 <87>); dagegen hat es die Anordnung von Untersuchungshaft im Ermittlungsverfahren und die Unterbringung drogenabhängiger Täter in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB wegen des sichernden Charakters dieser Maßnahmen nicht als strafähnlich angesehen (vgl. BVerfGE 19, 342 <347 f.> und BVerfGE 91, 1 <27 ff.>)“
50 
Es führt im weiteren zur näheren Bestimmung des pönalen Charakters einer Maßnahme aus (Rn. 68-76):
51 
„Die vermögensordnende Funktion macht den erweiterten Verfall nicht zu einem strafähnlichen Rechtsinstitut. Die Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung der Vermögensordnung setzt zwar vergangenheitsbezogene Feststellungen voraus und ist insoweit retrospektiv. Der korrigierende Eingriff aber, mit dem der Staat auf eine deliktisch entstandene Vermögenslage reagiert, ist nicht notwendig repressiv. Auch das öffentliche Gefahrenabwehrrecht erlaubt hoheitliche Maßnahmen, um Störungen zu beseitigen. Gefahrenabwehr endet nicht dort, wo gegen eine Vorschrift verstoßen und hierdurch eine Störung der öffentlichen Sicherheit bewirkt wurde. Sie umfasst auch die Aufgabe, eine Fortdauer der Störung zu verhindern (vgl. etwa Friauf, in: Badura u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl., S. 138; Würtenberger, in: Achterberg u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 2. Aufl., S. 445; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., S. 63, jeweils m.w.N.).
52 
Maßnahmen der Störungsbeseitigung sind ein Fall der Gefahrenabwehr. Sie knüpfen zwar an in der Vergangenheit begründete Zustände an, sind in ihrer Zielrichtung aber zukunftsbezogen. Sie wollen nicht ein normwidriges Verhalten öffentlich missbilligen und sühnen, sondern verhindern, dass eine bereits eingetretene Störung der Rechtsordnung in Zukunft andauert. Dementsprechend sollte eine auf § 21 f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. gestützte Einziehung von Elfenbein, das ohne die erforderliche Genehmigung in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt worden war, einen Verstoß gegen die für Elfenbein geltenden Handelsbeschränkungen beseitigen (vgl. den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Januar 1989 - 2 BvR 554/88 -, NJW 1990, S. 1229). § 21f Abs. 2 Satz 3 BNatSchG a.F. zielte nicht auf Repression und Vergeltung für ein rechtswidriges Verhalten, sondern diente als Teil eines Systems von Handelsbeschränkungen, die die wirtschaftliche Nutzung gefährdeter Arten eindämmen sollen, der Gefahrenabwehr (a.a.O., S. 1229).
53 
Auch § 73d StGB verfolgt einen solchen präventiven Zweck. Der erweiterte Verfall ist zwar nicht systematisch als Sicherungsmaßregel ausgestaltet, die eine drohende Reinvestition von Deliktsgewinnen durch kriminelle Organisationen verhindern soll und sich auf eine entsprechende Gefahrenprognose stützt. Die Erwägung des Gesetzgebers, die strafrechtliche Gewinnabschöpfung könne auch sichernde Wirkungen erzielen (vgl. BTDrucks 11/6623, S. 7 und BTDrucks 12/989, S. 1), hat in der Regelung des § 73d StGB nicht unmittelbar Niederschlag gefunden (vgl. Weßlau, StV 1991, S. 226, 232 f.; Wallschläger, Die strafrechtlichen Verfallsvorschriften, 2002, S. 158). Die vermögensordnende Zielsetzung der Vorschrift ist aber klar zukunftsbezogen und präventiv: Der betroffene Straftäter soll deliktisch erlangte Gegenstände nicht behalten; die mit der Bereicherung des Täters verbundene Störung der Rechtsordnung soll nicht auf Dauer bestehen bleiben; die Gewinnabschöpfung soll verhindern, dass die bereits eingetretene Störung der Vermögensordnung auch zukünftig fortdauert.
54 
Mit dieser präventiven Zielsetzung wirkt der erweiterte Verfall nicht wie eine Strafsanktion. Seine Anordnung erfolgt nicht, um dem Betroffenen die Begehung der Herkunftstat vorzuhalten und über sie ein sozialethisches Unwerturteil zu sprechen. Sie zielt vielmehr darauf, einen rechtswidrigen Zustand für die Zukunft zu beseitigen. Die Entziehung deliktisch erlangten Vermögens ist nicht Ausdruck vergeltender, sondern ordnender Gerechtigkeit (ähnlich BGH, NStZ 1995, S. 491; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 ff., 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Jekewitz, GA 1998, S. 276, 277).“
55 
(2) Der mit der Regelung des § 73d StGB beabsichtigte vermögensordnende Zugriff soll nach dem Willen des Gesetzgebers zugleich Anreize für gewinnorientierte Delikte reduzieren. Auch dieses in der Begründung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Erweiterter Verfall - (... StrÄndG) vom 9. März 1990 (BTDrucks 11/6623, S. 4) als generalpräventiv bezeichnete Ziel der Gewinnabschöpfung verleiht dem erweiterten Verfall keinen strafähnlichen Charakter.
56 
Der Entziehung deliktisch erzielter Vermögensvorteile wird zwar zu Recht eine strafergänzende Funktion beigemessen. Denn die übelzufügende und damit abschreckende Wirkung einer Strafe kann sich mindern, wenn der materielle Tatvorteil in der Hand des Täters verbleibt (vgl. Eser, Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum, 1969, S. 86 und S. 284). Dies wird vor allem bei Geldstrafen deutlich, die der Täter aus dem Tatgewinn bestreiten könnte. Ein möglicher negativer Einfluss unterbliebener Gewinnabschöpfung auf die Nachdrücklichkeit einer Strafe bedeutet aber nicht, dass die Gewinnabschöpfung selbst strafende Wirkung erzielt oder intendiert (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 15 ff.).
57 
Eine Abschreckungswirkung im Sinne der negativen Generalprävention ist mit dem erweiterten Verfall ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht beabsichtigt. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) heißt es im Anschluss an die Darstellung der mit der Gewinnabschöpfung verfolgten Ziele, der Entwurf sehe neben der Gewinnabschöpfung auch Strafschärfungen zur Erhöhung der Abschreckungswirkung bei Straftaten der organisierten Kriminalität vor (vgl. BTDrucks 12/989, S. 1). Der Gesetzgeber hat damit die Ziele der Gewinnabschöpfung ausdrücklich vom Abschreckungszweck erhöhter Strafandrohungen unterschieden (siehe auch BTDrucks 12/989, S. 21 sub B.).
58 
Die mit den strafrechtlichen Verfallvorschriften beabsichtigte generalpräventive Wirkung soll nach dem Willen des Gesetzgebers auf andere Weise erzielt werden: Indem der Staat dem Täter deliktisch Erlangtes wegnimmt, führt er ihm, wie auch der Rechtsgemeinschaft, vor Augen, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen. Der vermögensordnende Eingriff soll die Unverbrüchlichkeit und die Gerechtigkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken.
59 
Diese auch als positiver Aspekt strafrechtlicher Generalprävention anerkannte Zielsetzung (vgl. BVerfGE 45, 187 <256>) ist - wie die Ausführungen zum Gefahrenabwehrrecht gezeigt haben - kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften (vgl. BVerfGE 22, 125 <132>). Soweit es um die Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens geht, deckt sie sich mit einem alle Rechtsgebiete übergreifenden Grundsatz, wonach eine mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (vgl. Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 11 m.w.N.). Die normbestätigende Zielsetzung des § 73d StGB charakterisiert den erweiterten Verfall daher nicht zwingend als pönale Maßnahme (vgl. BGHSt 47, 369 <373 ff.>; Güntert, Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, S. 17; Schmidt, in: LKStGB, 11. Aufl., § 73 Rn. 8; Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 489 f.; Groth, Verdeckte Ermittlung im Strafverfahren und Gewinnabschöpfung, 1995, S. 151; anders Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung bei Betäubungsmitteldelikten - Zur Problematik der geplanten Vorschrift über den erweiterten Verfall, 1991, S. 153 f.; wohl auch Weßlau, StV 1991, S. 226, 231 f., und Hoyer, GA 1993, S. 406, 417 ff., 421).“
60 
Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind danach insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und die vom Gesetzgeber mit ihnen verfolgten Zwecke in wertender Betrachtung zu berücksichtigen, wobei einer Maßnahme auch Doppelcharakter zukommen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2014 - 1 BvR 299/13 -, juris Rn. 13 zum Ordnungsgeld nach § 335 HGB). In Abgrenzung zu gefahrenabwehrrechtlichen Zwecksetzungen, bei denen nicht in erster Linie ein normwidriges Verhalten öffentlich missbilligt und gesühnt werden soll, stellt das Bundesverfassungsgericht entscheidend darauf ab, ob ein etwaiger abschreckender Zweck, der den pönalen Charakter begründet, oder ein positiv-generalpräventiver Zweck verfolgt wird, der kein Spezifikum strafrechtlicher Vorschriften ist.
61 
Davon ausgehend ergibt sich der strafähnliche Charakter einer generalpräventiv fundierten Ausweisung aus ihrer abschreckenden Zwecksetzung und der Rechtfertigung der Inanspruchnahme gerade des auszuweisenden Ausländers, von dem in diesen Fällen selbst keine Gefahr mehr ausgeht, unter Vorhalt der zugrundeliegenden Herkunftstat, ohne dass sich ein Verantwortungszusammenhang zwischen dem betroffenen Ausländer und den abzuschreckenden Dritten begründen ließe (so schon: Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176 <177 f.>). Es ist für den Senat nicht ersichtlich, wie sich dies, wenn nicht über den Vorhalt eines sozialethischen Unwerturteils, rechtfertigen könnte, woraus sich dann aber die Strafähnlichkeit zwingend ergibt.
62 
Im Weiteren fehlt es jedenfalls auch an einer Wertungsgleichheit von geregeltem (spezialpräventive Ausweisungsinteressen) und ungeregeltem (generalpräventive Ausweisungsinteressen) Sachverhalt und es liegt auch kein Fall einer bloß unvollkommenen Umsetzung einer Wertentscheidung des Gesetzgebers vor, die unter Berufung auf einen gesetzgeberischen Willen und bei Berücksichtigung des geschriebenen Rechts in vertretbarer Weise unter Beachtung des Parlamentsvorbehalts im Wege richterrechtlicher Rechtfortbildung hergestellt bzw. ergänzt werden könnte (vgl. Reimer, a.a.O, S. S. 249, 274 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. Aufl. 2006, S. 67 ff.).
63 
Die Grenze einer zulässigen Rechtsfortbildung wird überschritten, wenn sich die damit einhergehenden Unwägbarkeiten nicht in rechtsstaatlich vertretbarer Weise - und damit gerade bei Gesetzen mit erheblichem Eingriffscharakter unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Normunterworfenen und unter Achtung des Grundsatzes der Normenkohärenz - überwinden ließen, weil die Gerichte in solchen Fällen gezwungen wären, mangels unmittelbar anwendbarer gesetzlicher Wertmaßstäbe weiträumige Bewertungsaufgaben im grundrechtssensiblen Bereich anstelle des dazu berufenen Gesetzgebers zu übernehmen (vgl.: Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl. 2015, S. 540 ff.; BVerwG, Beschluss vom 07.04.2016 - 1 B 82.16 -, BeckRS 2016, 52800 Rn. 7), was dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der Rechtssicherheit und dem Gesetzesvorbehalt widersprechen würde (Beaucamp, a.a.O., S. 93 ff.).
64 
So liegt der Fall hier, nachdem das geschriebene Recht die Rechtsfigur der generalpräventiven Ausweisung nicht erfasst, dessen Grenzen demzufolge nicht regelt und eine schlichte Übertragung der geschriebenen Regelungen nicht ausreichend erscheint, um die Rechtsfigur - zumal angesichts der vagen Vorstellungen des Gesetzgebers hierzu - unter angemessener Berücksichtigung der weiteren Gesetzesziele und der berechtigten Interessen der Normunterworfenen kohärent und hinreichend bestimmt anzuwenden.
65 
Selbst wenn man die Bedeutung von Begründungen der Bundesregierung zu Gesetzentwürfen im Rahmen einer Rechtsfortbildung nicht von vornherein und abstrakt in Abrede stellt (obgleich die Bundesregierung nicht der Gesetzgeber und ein Gesetzentwurf kein Gesetz ist) und man daher davon ausgehen will, dass solche einen Willen des Gesetzgebers ausdrücken können - allerdings wiederum nur als Hilfstatsachen, aus denen auf einen übereinstimmenden Willen des Gesetzgebers geschlossen werden müsste -, ist zu berücksichtigen, dass sich die Begründung im konkreten Fall in der unspezifischen Behauptung erschöpft, eine Ausweisungsentscheidung könne grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiege.
66 
Isoliert betrachtet ergeben sich hieraus keine weiterführenden Ansatzpunkte für eine vertretbare Rechtsfortbildung. Denn dieser Wille bleibt weitgehend abstrakt, gerät aber gleichwohl in Konflikt mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für generalpräventive Ausweisungen. Er wirft mehr Fragen zur Reichweite generalpräventiver Ausweisungen auf als er zu klären vermag und er setzt sich in Widerspruch zu dem unstreitigen Ziel der Gesetzesnovelle, keine Verschärfung der Rechtszulage einzuführen.
67 
Schon der Ansatz der Gesetzesbegründung der Bundesregierung, eine Ausweisungsentscheidung könne „grundsätzlich auch“ auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, gerät in Konflikt mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für generalpräventive Ausweisungen, wie sie das Bundesverfassungsgericht formuliert hat (Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), nach denen
68 
„…auch bei generalpräventiv motivierten Ausweisungen, die ihren Anlass im Bereich der Drogenkriminalität finden, gilt, dass die Umstände der begangenen Straftat, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, individuell zu würdigen sind (vgl. BVerwGE 101, 247 [255] = NVwZ 1997, 297)“,
es
69 
„im Grundsatz nicht anders als bei der Würdigung der von dem Ausländer künftig ausgehenden Gefahren im Rahmen spezialpräventiv motivierter Ausweisungen insbesondere nicht [genügt], das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu bestimmen (vgl. BVerfG, NVwZ 2007, 946 = ZAR 2007, 243)“
70 
und
71 
„der Umstand, dass der Bf. erheblich gegen die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, [ ] für sich allein eine generalpräventive Ausweisung noch nicht [rechtfertigt] (vgl. auch BVerwG, NVwZ 1997, 1119 [1121]).“.
72 
Nach bisheriger Rechtslage - wie sie von der Rechtsprechung verstanden wurde - bedurften generalpräventiv begründete Ausweisungen aufgrund ihres spezifischen Ansatzpunktes, unbeschadet der grundlegenden Zweifel an dieser Rechtsfigur, die die Rechtsprechung konsequent unbeachtet ließ, einer besonderen Rechtfertigung, was ihren nicht nur rechtstatsächlichen Ausnahmecharakter begründet hat (hierzu: Discher, in: GK-AuslR, Vor §§ 53 ff. AufenthG, Juni 2009 Rn. 437 ff., m.w.N.: unterschiedliches Maß der Verhaltenssteuerung bei unterschiedlichen Straftaten und § 53 AufenthG Rn. 21 f., m.w.N.: „§ 53 dient…in erster Linie spezialpräventiven Zwecken…“; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016 Rn. 7, m.w.N.; Graßhof, in: BeckOK AuslR, § 53 AufenthG, 01.02.2017 Rn. 29: „Ein nur generalpräventiv begründetes öffentliches Interesse an einer Ausweisung besitzt im Allgemeinen ein geringeres Gewicht als die spezialpräventive Reaktion auf eine konkrete Wiederholungsgefahr.“; zu den grundlegenden Einwänden gegen die Rechtsfigur: Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016 Rn. 8; Kießling, ZAR 2016, 45 <47>; dies., Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 93 ff.; Mayer, VerwArch 2010, 482 <506 ff.>; Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176 <177 f.>: fehlender Verantwortungszusammenhang; Huber, NJW 1976, 1008 <1010>; Schnapp, DVBl. 1974, 88 <89>; Dolde, NJW 1974, 780; Pagenkopf, DVBl. 1975, 764 <767>; Franz, DVBl. 1973, 662 <672>).
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Die Gesetzesbegründung übergeht diesen Befund gänzlich, wenn sie generalpräventive Erwägungen regelhaft für zulässig erklärt und solche ohne Weiteres neben spezialpräventive stellt. Es bleibt im Dunkeln, in welchen Fällen nach neuem Recht generalpräventive Ausweisungen - einen dahingehend ausgebildeten und daher nur zu erforschenden Willen des Gesetzgebers einmal unterstellt - legitim sein und in welchem Verhältnis die Ausweisungszwecke der General- und der Spezialprävention in dem völlig neuartigen Abwägungsmodell des Ausweisungsrechts zueinander stehen sollen. Der schlichte Verweis auf die Notwendigkeit einer umfassenden Abwägung führt nicht weiter und ist auch nicht geeignet, generalpräventive Ausweisungen vorhersehbar einzugrenzen, da sich die entscheidende Frage, welches Gewicht generalpräventiven Erwägungen im Rahmen einer Abwägung mit Bleibeinteressen zukommen könnte, auch aus der Zusammenschau der Gesetzesbegründung mit dem Normtexten des Rechtsgebiets und unter Beachtung der spezifischen Bindungen generalpräventiver Ausweisungsentscheidungen nicht hinreichend vorhersehbar erschließen lässt. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die unterschiedlichen Problemlagen beider und die sich daraus ergebenden spezifischen Fragen zu den Grenzen generalpräventiver Ausweisungen sowie erst recht die Auswirkungen dieser Fragen für Titelerteilungsfälle vom Gesetzgeber - gerade im Kontext des völlig neu strukturierten Ausweisungsrechtes - schon nicht gesehen wurden.
74 
Spezialpräventiv begründete Ausweisungsentscheidungen bewegen sich - auch im Kontext des neuen Ausweisungsrechts - im Rahmen der ordnungsrechtlich vorgegebenen Begrenzungen, da diese an eine aktuelle und vom jeweils von der Maßnahme betroffenen Ausländer ausgehenden Gefährdung für die Schutzgüter des § 53 Abs. 1 AufenthG anknüpfen, wobei diese Schutzgüter regelmäßig durch die gesetzlich vertypten und zugleich - in einem ersten Zugriff - hinsichtlich ihrer Bedeutung bewerteten Ausweisungsinteressen vorgeprägt werden (Bauer/Beichel-Benedetti, NVwZ 2016, 416; a.A.: Funke, ZAR 2016, 209 ff., der angesichts der Verortung des gesamten Prüfprogramms - in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung - im Tatbestand den eingrenzenden Charakter des Systems im ordnungsrechtlichen Kontext grundsätzlich bezweifelt). Diese bilden damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den Ansatzpunkt für den gleitenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab, mit dem das Maß der notwendigen Gefährdung bestimmt wird (BVerwG, Urteile vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 -, juris und vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.09.2016 - 11 S 1413/16 -, juris).
75 
Im Falle generalpräventiv begründeter Ausweisungen greift dieser Gefährdungsmaßstab nicht, da es nicht um eine Gefahrenprognose in Bezug auf den auszuweisenden Ausländer geht. Den gesetzlichen Wertungen in § 54 AufenthG kommt daher insoweit keine maßstabsbildende Kraft zu. Diese Wertungen können allenfalls einen ersten Anhalt für das Gewicht des Anlasses geben, der die Ausweisung legitimieren soll, ohne dass sich daraus die Antwort auf die Frage, in welchen Fällen dies der Fall ist und in welchen nicht, aus dem Gesetz vorhersehbar - oder gar trennscharf - ergeben würde. Für den hier im Streit stehenden Fall einer Titelerteilung gilt dies umso mehr, da § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nach seinem Wortlaut alleine auf das Fehlen eines Ausweisungsinteresses abstellt, ohne in irgend einer Weise nach dem Gewicht solcher Interessen zu differenzieren, was allenfalls in Fällen erstmaliger Titelerteilung bei nicht bestehenden familiären Bindungen im Bundesgebiet unproblematisch erscheint, weil hier das staatliche Ermessen den Zuzug zuzulassen keinen wesentlichen Beschränkungen unterliegt (vgl. Funke-Kaiser, GK-AuslR, § 1 AufenthG, August 2013 Rn. 1). Generalpräventive Gründe sind daher schon aus strukturellen Gründen von vornherein ungeeignet, sich in das normative Konzept des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG einzufügen.
76 
Hinzu kommt, dass das Wesen der Generalprävention („Abschreckung durch Härte“) regelmäßig für eine zugunsten der Generalprävention sprechende Auslegung der Regelungen streitet. Dem Erfordernis einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis, die das Bundesverwaltungsgericht - insoweit folgerichtig - verlangt (Urteil vom 24.09.1996 - 1 C 9.94 -, NVwZ 1997, 1123 <1125>), kommt daher tatsächlich kein begrenzender Charakter zu, nachdem die bisherige Rechtsprechung Nachweise für eine solche Praxis gleichwohl nicht verlangt und das vollmundig formulierte Postulat zu keinem Zeitpunkt eingelöst hat. Das ist umso bedenklicher, nachdem dieser Rechtsfigur auf unionsrechtlicher Ebene, also für Unionsbürger, Assoziationsfreizügige, Daueraufenthaltsberechtigte und Schutzsuchende und damit für einen ganz erheblichen Anteil der Ausländer jede Anerkennung versagt geblieben ist (so treffend: Mayer, VerwArch 2010 482 <507>, m.w.N.) und daher eine abschreckende Wirkung, die es noch rechtfertigt, auszuweisen, umso mehr in Zweifel zu ziehen ist (kritisch zur Einschätzungsprärogative etwa: Schmitt-Glaeser, ZAR 2003, 176 <178>; Gutmann, InfAuslR 1996, 27; Ventzke, InfAuslR 1994, 219 <220>; Wegner, DÖV 1993, 1031 <1033 f.>; Frankenberg, JZ 1986, 414 <419 f.>; zur obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu ausführlich: Discher, in: GK-AuslR, Vor §§ 53 ff. AufenthG, Juni 2009 Rn. 431 ff.; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG Rn. 3 f., m.w.N.).
77 
Zudem steht das Erfordernis einer kontinuierlichen Ausweisungspraxis in einem unübersehbaren Spannungsverhältnis zum bereits dargestellten Ausnahmecharakter der Rechtsfigur, die mangels Aussagekraft eines Gefahrenaspekts nur über eine Definition von Sachverhalten oder Personengruppen, die von vornherein von der Generalprävention nicht erfasst werden dürfen, sichergestellt werden könnte. Daran fehlt es aber. Denn das Bundesverwaltungsgericht ist für die bisherige Rechtslage davon ausgegangen, dass mit der (richterrechtlichen) Bildung von spezifischen Begrenzungen, soweit sie in der Rechtsprechung statuiert wurden, übergangen werde, dass die Generalprävention in den zwingenden Ausweisungsgründen angelegt sei und zudem dem gesetzgeberischen Willen entsprochen habe (vgl. einerseits BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 -, BVerwGE 142, 29-48 Rn. 20 und andererseits VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.03.2011 - 11 S 2/11 -, juris Rn. 24 ff.; OVG Bremen, Urteile vom 10.05.2011 - 1 A 306/10 -, juris Rn. 87 ff., m.w.N. und vom 06.11.2007 - 1 A 82/07 -, juris Rn. 56, jew. unter Berufung auf die Unzulässigkeit generalpräventiver Ausweisungen in Fällen von hier verwurzelten oder in familiärer Lebensgemeinschaft mit Deutschen lebenden Ausländern).
78 
Diesem Argument kommt freilich nach neuer Rechtslage und im Rahmen der Frage der Zulässigkeit einer richterlichen Rechtsfortbildung keine wesentliche Bedeutung zu, so dass auch nicht mehr entscheidend ist, dass diese Argumentation aufgrund der ihr zugrunde gelegten Prämisse, die Generalprävention sei im bisherigen Recht stets angelegt gewesen, ihrerseits angreifbar war, nachdem sie sich letztlich auch nur auf richterliche (Rechts-)Schöpfung stützte, deren gesetzliche Verankerung sich nur vor dem Hintergrund eines Normverständnisses erklären ließ, das zwingende Ausweisungen lange Zeit für rechtsstaatlich unbedenklich hielt, was sich letztlich aber als unzutreffend erwiesen hat (BVerfG, Beschlüsse vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946 und vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300; dem folgend BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, BVerwGE 367; Mayer, VerwArch 2010 482 <483 ff.>, m.w.N.).
79 
Weiterhin ließ sich in der Breite der instanzgerichtlichen Rechtsprechung tendenziell eine relativ inhomogene Spruchpraxis feststellen, die der Unschärfe des vom Bundesverwaltungsgericht an generalpräventiv fundierte Ausweisungen angelegten Maßstabs der Verhältnismäßigkeit geschuldet sein dürfte. Denn trotz einer gewissen Ausdifferenzierung dieser Rechtsprechung nach Ausweisungsanlässen, deren Gewicht und den Folgen für die Betroffenen blieb es aus der Natur der Sache heraus nicht selten im Kern bei Abwägungen von Großbegriffen („Abschreckung versus Familie“), deren Vergleichbarkeit durchaus nicht auf der Hand liegt und deren Ergebnisse aufgrund der Abschreckungslogik („viel Härte hilft viel“) und der Setzung einer stets vorhandenen Gefahr in Richtung Ausweisung tendierten. In Titelerteilungsfällen spielten zudem Bleibeinteressen aus den dargestellten Gründen schon keine entscheidungserhebliche Rolle.
80 
Wesentlich verschärft wird das Problem fehlender Maßstabsbildung nunmehr durch die neue Struktur von Ausweisungen als vollständig gebundene Entscheidungen.
81 
Denn aus dem nunmehr vollständig gebundenen Entscheidungsprogramm, bei dem tatbestandlich sämtliche für und gegen eine Ausweisung sprechenden Umstände in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einzustellen sind, folgt sachlogisch die Verpflichtung, sämtliche Wirkungen von Ausweisungen zu berücksichtigen. Eine Wahlfreiheit, Ausweisungen nur auf bestimmte Gesichtspunkte zu stützen, kommt daher nunmehr weder der Ausländerbehörde noch dem Verwaltungsgericht bei der Kontrolle der Entscheidung zu (so zutreffend Graßhof, in: BeckOK AuslR, § 53 AufenthG, 01.02.2017 Rn. 30, der allerdings davon ausgeht, dass Ausweisungen auch nach neuem Recht generalpräventiv erfolgen können).
82 
Solche sich aus dem Systemwechsel ergebenden Rechtswirkungen werden in der Gesetzesbegründung nicht reflektiert und sie führen sowohl in Ausweisungsfällen als auch in den hier in Rede stehenden Fallkonstellationen eines Ausweisungsinteresses als einem einer Titelerteilung entgegenstehendem Tatbestandsmerkmal zu einer Verschärfung der Rechtslage, die jedoch nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung nicht das Ziel der Neuregelung ist. Sie verfehlte insoweit zudem die weiteren Ziele, Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden zu erleichtern (BT-Drucks. 18/4097, S. 49).
83 
Die bislang entwickelten Anforderungen an generalpräventiv begründete Ausweisungen sind daher nicht geeignet, das Fehlen gesetzgeberischer Maßstäbe vor dem Hintergrund des nunmehr gebundenen Charakters der Ausweisungsentscheidungen und der sich daraus ergebenden Verschärfung der Gesetzeslage auszugleichen.
84 
All dies macht der vorliegende Fall deutlich: Der - insoweit zutreffenden - Feststellung des Verwaltungsgerichts, die familiäre Situation des Klägers lasse die Gefahr, dass andere Ausländer vergleichbare Taten begehen, nicht entfallen, kann der Kläger seriöser Weise nichts entgegensetzen, da sich unter Zugrundelegung einer von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade eingeräumten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers in Bezug auf die Wirksamkeit generalpräventiver Ausweisungen eine abschreckende Wirkung von Ausweisungen nicht falsifizieren lässt. Mit anderen Worten: Da stets Bezugsgruppen von Ausländern gebildet werden können, die vergleichbare Taten begehen, ist ein generalpräventives Ausweisungsinteresse stets begründbar und die gesetzgeberische Wertung, Ausweisungen wirkten abschreckend, lässt sich nicht widerlegen.
85 
Die weitere Argumentation des Verwaltungsgerichts, es gebe ein erhebliches Interesse, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und aus einwanderungspolitischen Gründen Falschangaben zur Identität von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern durch Ausweisung des Klägers zu verhindern, geht zwar insoweit fehl, als eine Ausweisung des Klägers hier nicht im Streit steht und eine solche wegen seiner entstandenen familiären Bindungen zu seinen beiden minderjährigen deutschen Kindern fern läge. Sie ist aber - was die Bewertung eines solchen Interesses für die Frage einer Titelerteilung angeht - unter Zugrundelegung des Normtextes der Ausweisungsvorschriften und bei Erstreckung der Regelungen auf generalpräventiv begründete Ausweisungen durchaus konsequent. Aus den gesetzlichen Vorgaben lässt sich - gerade für den Fall der Titelerteilung - kein durchschlagendes oder gar zwingendes Argument benennen, das das öffentliche Interesse und dessen Gewichtung begrenzen könnte. Dies gilt gerade auch für Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 Nrn. 8 und 9 AufenthG, wenn diesen aus Sicht der Verwaltungspraxis hohe praktische Bedeutung zugesprochen wird, woraus sich aus Gründen der Abschreckung ein entsprechend hohes Gewicht ableiten lässt (so etwa: Zeitler, in: HTK-AuslR, § 5 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 03.03.2017 Rn. 35, zu Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG – wiederholter oder nicht geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften: „Gleichwohl ist genau dies eine Verhaltensweise, die das Visumverfahren unterläuft. Auch ohne Wiederholungsgefahr besteht hier nach wie vor ein der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entgegenstehendes Ausweisungsinteresse aus generalpräventiven Gründen.“). Das ist freilich unproblematisch, soweit der Gesetzgeber die besondere Bedeutung einer Titelerteilungsvoraussetzung normtextlich und unter Bezug auf einen klaren Regelungszweck deutlich herausgestellt und eindeutig tatbestandlich eingegrenzt hat, wie etwa im Fall des Visumserfordernisses nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und somit in einem völlig anderen und anders strukturierten Kontext (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014 - 1 C 15.14 -, juris Rn. 20).
86 
Als Grenze bliebe - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - nur noch die Heranziehung der Wertung des § 46 BZRG im Wege einer weiteren Analogiebildung im grundrechtssensiblen Bereich über die Grenzen des eigentlichen Rechtsgebiets hinaus, die in einem Fall wie dem vorliegenden gleich zweifach erfolgen müsste, da eine eintragungsfähige Verurteilung im Sinne des BZRG schon nicht vorliegt. Damit würde der Generalprävention ein weitaus größerer Anwendungsbereich zugebilligt als der Spezialprävention, was zu einem deutlichen Wertungswiderspruch führen würde.
87 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
88 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Apr. 2017 - 11 S 1967/16 zitiert 32 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege


Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Zivilprozessordnung - ZPO | § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen


(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 10 Aufenthaltstitel bei Asylantrag


(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann ertei

Handelsgesetzbuch - HGB | § 335 Festsetzung von Ordnungsgeld; Verordnungsermächtigungen


(1) Gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die1.§ 325 über die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses, des Lageberichts, des Konzernabschlusses, des Konzernlageberichts und anderer Unterlagen der Rec

Strafgesetzbuch - StGB | § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung


(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbei

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 46 Länge der Tilgungsfrist


(1) Die Tilgungsfrist beträgt 1. fünf Jahre bei Verurteilungen a) zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,b) zu Freiheitsstrafe oder Strafar

Strafgesetzbuch - StGB | § 271 Mittelbare Falschbeurkundung


(1) Wer bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werde

Strafgesetzbuch - StGB | § 276 Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen


(1) Wer einen unechten oder verfälschten amtlichen Ausweis oder einen amtlichen Ausweis, der eine falsche Beurkundung der in den §§ 271 und 348 bezeichneten Art enthält, 1. einzuführen oder auszuführen unternimmt oder2. in der Absicht, dessen Gebrauc

Strafgesetzbuch - StGB | § 276a Aufenthaltsrechtliche Papiere; Fahrzeugpapiere


Die §§ 275 und 276 gelten auch für aufenthaltsrechtliche Papiere, namentlich Aufenthaltstitel und Duldungen, sowie für Fahrzeugpapiere, namentlich Fahrzeugscheine und Fahrzeugbriefe.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Apr. 2017 - 11 S 1967/16 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Apr. 2017 - 11 S 1967/16 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 26. Sept. 2016 - 11 S 1413/16

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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 16. Aug. 2016 - 18 B 754/16

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Tenor Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,- EUR festgesetzt. 1Gründe: 2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Grü

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 25. Aug. 2015 - 11 S 1500/15

bei uns veröffentlicht am 25.08.2015

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11. Juni 2015 - 6 K 2550/13 - wird abgelehnt.Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.Der Streitwert für das Zulassungsverfa

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 10. Apr. 2014 - 4 Bf 19/13

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Januar 2013 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 1. September 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2012 ver

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 18. März 2011 - 11 S 2/11

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Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 - 5 K 1778/09 - insoweit geändert, als es die Klage als unbegründet abgewiesen hat.Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23. Juni 20

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Sept. 2007 - 11 S 837/06

bei uns veröffentlicht am 15.09.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. Dezember 2004 - 2 K 1469/03 - geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. April 2003 und des Widerspru
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Apr. 2017 - 11 S 1967/16.

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 22. Aug. 2017 - Au 1 K 16.1866

bei uns veröffentlicht am 22.08.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der am * 1980 geborene Kläge

Verwaltungsgericht München Urteil, 26. Okt. 2017 - M 24 K 17.2899

bei uns veröffentlicht am 26.10.2017

Tenor I. Der Bescheid vom 23. Mai 2017 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, zum Antrag vom 21. Februar 2017 dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu trag

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 12. Nov. 2018 - 2 M 96/18

bei uns veröffentlicht am 12.11.2018

Gründe I. 1 Der Antragsteller ist abgelehnter Asylbewerber. Am (…) 2017 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Den von ihm gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.06.2018 ab.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 05. Apr. 2018 - 7 A 11529/17

bei uns veröffentlicht am 05.04.2018

Diese Entscheidung zitiert Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Januar 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten

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(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Wer bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern, Dateien oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet oder gespeichert werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine falsche Beurkundung oder Datenspeicherung der in Absatz 1 bezeichneten Art zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern oder eine andere Person zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen unechten oder verfälschten amtlichen Ausweis oder einen amtlichen Ausweis, der eine falsche Beurkundung der in den §§ 271 und 348 bezeichneten Art enthält,

1.
einzuführen oder auszuführen unternimmt oder
2.
in der Absicht, dessen Gebrauch zur Täuschung im Rechtsverkehr zu ermöglichen, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überläßt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Die §§ 275 und 276 gelten auch für aufenthaltsrechtliche Papiere, namentlich Aufenthaltstitel und Duldungen, sowie für Fahrzeugpapiere, namentlich Fahrzeugscheine und Fahrzeugbriefe.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Tilgungsfrist beträgt

1.
fünf Jahrebei Verurteilungen
a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,
b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist,
c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr,
d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist,
g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
1a.
zehn Jahrebei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn
a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt,
b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
2.
zehn Jahrebei Verurteilungen zu
a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen,
b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
d)
(weggefallen)
3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr,
4.
fünfzehn Jahrein allen übrigen Fällen.

(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11. Juni 2015 - 6 K 2550/13 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der nach § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 4 VwGO rechtzeitig gestellte und begründete, auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
Es kann offen bleiben, ob der Antrag auf Zulassung der Berufung rechtzeitig gestellt wurde bzw. ob dem Kläger insoweit Wiedereinsetzung hätte gewährt werden müssen. Denn der Antrag ist jedenfalls in der Sache nicht begründet.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl. 2004, 838, vom 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744, vom 12.11.2002 - 7 AV 4.02 - juris, vom 11.11.2002 - 7 AV 3.02 - DVBl. 2003, 401, und vom 14.06.2002 - 7 AV 1.02 - DVBl. 2002, 1556). Mit anderen Worten: Sie sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2510, Kammerbeschluss vom 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546). Dabei ist davon auszugehen, dass das Zulassungsverfahren das Berufungsverfahren nicht vorwegnehmen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 - NJW 2010, 1062), es sei denn, es lässt sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004, a.a.O.), sofern nicht seinerseits andere Gründe wiederum auf einen anderen Zulassungsgrund hinführen würden (vgl. hierzu Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 124 Rdn. 22). Dabei sind auch nach Erlass der angegriffenen Entscheidung und bis zum Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) neu eingetretene Tatsachen sowie erhebliche Änderungen des maßgeblichen Rechts zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14.06.2002 und vom 15.12.2003, jew. a.a.O.).
Zur Darlegung ernstlicher Zweifel ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich. Der Streitstoff muss dabei unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden; erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwendige Ermittlungen ermöglicht. Das Maß der zu leistenden Substantiierung kann dabei von der jeweiligen Begründungsdichte und dem Begründungsaufwand der Entscheidung abhängig sein.
Gemessen hieran zeigt die Antragsbegründung nicht auf, dass das angegriffene Urteil ernstlich zweifelhaft sein könnte. Sie geht schon nicht in dem gebotenen Maße auf die konkrete, die Entscheidung tragende Argumentation des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil ein, das ausgeführt hat, dass der Erteilung der begehrten Aufenthaltstitel zwingend die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegenstehe und auch keine Ausnahmemöglichkeit nach Absatz 3 Satz 2 gegeben ist. Das Verwaltungsgericht stellt gerade nicht infrage und übersieht - entgegen dem Vorbringen des Klägers - nicht, dass nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vom entgegenstehenden Ausweisungsgrund bzw. Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden kann; es weist insbesondere darauf hin, dass hier auch in Betracht zu ziehen sei, von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen (vgl. UA S. 9 unten), weshalb auch die Ausländerbehörde die Erteilung einer Vorabzustimmung in Aussicht gestellt habe. Das Verwaltungsgericht hat aber ebenfalls in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (zu Recht) ausgeführt, dass eine Ermessensreduzierung nicht auf einen Anspruch im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG hinführen könne. Mit alledem setzt sich die Antragsbegründung nicht hinreichend auseinander.
Dem angegriffenen Urteil lässt sich entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht entnehmen, dass es - in unzulässiger Weise - allein auf die Sichtweise des Vaters und nicht auch auf die des Kindes abgestellt haben könnte, wenn es um die Beurteilung einer Unzumutbarkeit der vorübergehenden Trennung geht. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Trennung nicht unverhältnismäßig lang sein werde, weil zum einen die Ausländerbehörde eine Vorabzustimmung konkret in Aussicht gestellt und, wie bereits oben angesprochen, den familiären Belangen mit hohem Gewicht von der Auslandsvertretung Rechnung getragen werden müsse. Diese Einschätzung ist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht vom Kläger erschüttert worden.
Sollen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gerade hinsichtlich einer Tatsachen- oder Beweiswürdigung – wie sie auch im vorliegenden Fall erfolgt ist – geltend gemacht werden, sind besondere Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe zu stellen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 - AuAS 2008, 150; BayVGH, Beschlüsse vom 29.07.2009 - 11 ZB 07.1043 - juris und vom 21.01.2013 - 8 ZB 11.2030 - juris; NiedersOVG, Beschlüsse vom 18.01.2001 - 4 L 2401/00 - juris und vom 23.01.2013 - 8 LA 226/12 - juris; SächsOVG, Beschluss vom 08.01.2010 - 3 B 197/07 - juris). Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Verwaltungsgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist bei der Würdigung aller erheblichen Tatsachen - nicht nur des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten förmlichen Beweisaufnahme, sondern auch des Inhalts der Akten, des Vortrags der Beteiligten, eingeholter Auskünfte usw. - frei, d.h. nur an die innere Überzeugungskraft der in Betracht kommenden Gesichtspunkte und Argumente, an die Denkgesetze, anerkannten Erfahrungssätze und Auslegungsgrundsätze gebunden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., 2014, § 108 Rdn. 4 m.w.N.). Ist das Gericht unter umfassender Würdigung des Akteninhalts und der Angaben der Beteiligten (sowie gegebenenfalls des Ergebnisses einer Beweisaufnahme) zu der Überzeugung gelangt, dass entscheidungserhebliche Tatsachen vorliegen oder nicht, können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung nicht schon durch die Darlegung von Tatsachen hervorgerufen werden, die lediglich belegen, dass auch eine inhaltlich andere Überzeugung möglich gewesen wäre oder dass das Berufungsgericht bei einer Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Aktenlage zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte; für die umfassende Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht fehlt dem Berufungsgericht im Zulassungsverfahren ohnehin regelmäßig der im Einzelfall wesentliche persönliche Eindruck von den Beteiligten und Zeugen. Vielmehr bedarf es der Darlegung erheblicher Fehler bei der Tatsachen- oder Beweiswürdigung, die etwa dann vorliegen können, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen Denkgesetze verstoßen, gesetzliche Beweisregeln missachtet hat oder die entscheidungstragenden Erwägungen nicht nachvollzogen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 - InfAuslR 1994, 424; Beschluss vom 28.03.2012 - 8 B 76.11 - juris m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 12.07.2012 - 2 S 1265/12 - NVwZ-RR 2012, 778, vom 27.03.2008 - 11 S 2194/07 und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 - a.a.O.; Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 124 Rdn. 18 und 20). Derartige Mängel zeigt die Begründung des Zulassungsantrags nicht auf. Auch sieht der Senat keinen ausreichenden Ansatz dafür, dass eine hier nur kurzfristige Trennung mit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Ehe- und Familienschutzes nicht mehr zu vereinbaren sein könnte. Eine Ausnahmesituation derart, dass im konkreten Fall eine ständige Anwesenheit des Klägers erforderlich wäre, ist nicht substantiiert dargelegt.
Wenn die Richtigkeit der amtsgerichtlichen Verurteilung unter Berufung auf die Auskunft des Generalkonsulats Lagos vom 01.08.2012 infrage gestellt wird, so liegt dieser Einwand offensichtlich neben der Sache. Der Kläger trat zunächst unter dem Namen „Emeka Nduka MADUABUCHI, geb. 10.04.1971 in Nnewi auf. Das Generalkonsulat bestätigte später die Personalien mit „Mmaduabuchukwu Chukwuemeka NDUKA, geb. 17.06.1982 in Nnewi“. Selbst unter Berücksichtigung gewisser phonetischer Verschiebungen kann auch mit Blick auf die unterschiedlichen Geburtsdaten offensichtlich von keiner Identität ausgegangen werden.
Aus den Ausführungen im Zulassungsantrag ergibt sich auch nicht hinreichend deutlich, dass dieses im Hinblick auf die Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 (BGBl. I, S. 1386) nunmehr ernstlichen Zweifeln ausgesetzt sein könnte. Zwar wurde insoweit der Begriff des „Ausweisungsgrundes“ durch den des „Ausweisungsinteresses“ ersetzt. Es ist jedoch nicht - auch nicht aufgrund der Ausführungen im Zulassungsverfahren - ersichtlich, dass damit eine materielle Änderung verbunden sein sollte. Denn es entsprach bislang allgemeinem Konsens, dass die Bejahung eines Ausweisungsgrundes nicht voraussetzt, dass etwa auch im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei hätte erlassen werden dürfen (vgl. GK-AufenthG § 5 Rn. 56 m.w.N.). Dass nunmehr etwa ein Ausweisungsinteresse nur dann bejaht werden dürfte, wenn auch eine Ausweisung im konkreten Fall zulässig wäre, ist nicht ausreichend dargetan und auch nicht ersichtlich. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es nämlich lapidar, „es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 35). Es liegt daher nahe, wie bisher von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. § 53 Abs. 1 AufenthG n.F.). Die Ausführungen im Zulassungsverfahren lassen keinen ausreichend tragfähigen Ansatz für eine andere Interpretation erkennen. Der aktuellen Anwendbarkeit der Vorschrift des neuen § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht auch nicht entgegen, dass gem. Art. 9 des Gesetzes vom 27.07.2015 die §§ 53 ff. erst zum 01.01.2016 in Kraft treten werden. Denn hieraus folgt nur, dass auf der Grundlage der neuen §§ 53 ff. vor dem 01.01.2016 noch keine Ausweisungsentscheidung ergehen darf (vgl. auch Zühlcke, in: HTK-AuslR, zu § 25 b Abs. 2 Ziff. 3).
10 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 3 VwGO).
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
13 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. Dezember 2004 - 2 K 1469/03 - geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. April 2003 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Freiburg vom 3. Juli 2003 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt eine Aufenthaltserlaubnis zur Wahrnehmung des Sorgerechts für seine Tochter S. und des Umgangsrechts für seine Tochter E..
Der 1979 in Benin geborene Kläger reiste im November 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte unter der falschen Identität K. S. aus Togo erfolglos seine Anerkennung als Asylberechtigter. Das Verfahren ist durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 28.03.2002 - A 1 K 10842/00 - abgeschlossen. Im Anschluss an das Asylverfahren wurde der Kläger geduldet.
Mit Schreiben vom 13.09.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für seine am 06.09.2002 geborene Tochter S., für die er gemeinsam mit deren Mutter die elterliche Sorge übernommen hatte. Gleichzeitig legte er Kopien seines beninischen Passes vor. Seine Tochter S. lebt entsprechend einer Absprache zwischen der Mutter des Kindes und dem Kläger bei ihrer Großmutter mütterlicherseits in Pforzheim. Der Kläger lebt und arbeitet als Zeitungszusteller in Lahr.
Mit Bescheid vom 01.04.2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung ab, er übe nicht die Personensorge für seine Tochter S. aus. Da das Kind bei seiner Großmutter in Pforzheim aufwachse und sich der Umgang des Klägers mit seiner Tochter auf telefonische Nachfragen und gelegentliche Besuche beschränke, liege keine Betreuungsgemeinschaft, sondern nur eine Begegnungsgemeinschaft vor. Diese könne auch vom Ausland aus ausgeübt werden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Freiburg unter Bezugnahme auf die Gründe des Ausgangsbescheides mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2003 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 08.07.2003 zugestellt.
Am 08.08.2003 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Die Klage wurde nicht begründet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wurde der Kläger angehört. Dabei gab er an, er besuche S. an den beiden ersten Sonntagen im Monat in Pforzheim. Er halte sich dort jeweils etwa zwei Stunden, gegebenenfalls auch etwas länger, auf. Meistens spiele er mit S.. In der Regel seien auch noch andere Kinder sowie die Großmutter des Kindes anwesend. Außerdem erkundige er sich telefonisch bei der Großmutter nach dem Befinden des Kindes. Er zahle keinen laufenden Unterhalt, sondern steuere je nach seiner finanziellen Situation etwas Geld bei. Es handele sich nicht um regelmäßige Leistungen, durchschnittlich seien es jedoch zwischen 40,-- und 50,-- EUR pro Monat. Die Mutter seiner Tochter sei nicht anwesend, wenn er sie besuche. Die Mutter wohne auch nicht bei der Großmutter und habe auch sonst wenig Kontakt zum Kind. Die Großmutter wolle nicht, dass er das Kind häufiger als zweimal pro Monat besuche, obwohl er mit dem Auto mittlerweile auch viermal im Monat nach Pforzheim fahren könne. Mit S. spreche er deutsch.
Mittlerweile habe er ein weiteres Kind, die am 14.12.2003 geborene E.. Sie wachse bei Pflegeeltern in Lahr auf. Für E. habe er nicht das Sorgerecht, sondern lediglich ein Besuchsrecht. Mit seinem Antrag, ihm das Sorgerecht für E. übertragen zu lassen, sei er vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe gescheitert. Seit der Entscheidung des Oberlandesgerichts wollten die Pflegeeltern nicht mehr, dass er Kontakt mit dem Kind aufnehme. Deshalb habe er seit einigen Monaten keinen Kontakt mehr.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Klage mit Urteil vom 08.12.2004 - 2 K 1469/03 - abgewiesen: Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zur Ausübung der Personensorge für seine deutsche Tochter S. könne er nicht beanspruchen, weil es an der erforderlichen Beistandgemeinschaft fehle. Es bestehe keine über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehende Beziehung zu seiner Tochter. Denn diese werde im Einverständnis mit dem Kläger von ihrer Großmutter erzogen. Der Kläger besuche sie lediglich an zwei Sonntagen im Monat und halte telefonischen Kontakt. Er komme auch nicht in nennenswerter Höhe für den Unterhalt des Kindes auf. Für den Fall einer Abschiebung ändere sich an der Betreuungssituation nichts. Die Gefahr, dass das Kind in diesem Fall Schaden nehmen könnte, bestehe nicht, da die Verbundenheit zwischen dem Kläger und seinem Kind infolge der wenigen Besuche nicht so groß sei.
Auch im Hinblick auf seine weitere deutsche Tochter E. stehe ihm kein Aufenthaltsrecht zu. Denn es fehle an der nach § 23 Abs. 1 Halbsatz 2 AuslG erforderlichen familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet. Das Kind lebe bei Pflegeeltern in Lahr und der Kläger übe nicht einmal ein Besuchsrecht aus. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis folge auch nicht aus § 22 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 4 AuslG, denn es fehle an der nach § 22 Satz 1 AuslG erforderlichen außergewöhnlichen Härte für einen der Beteiligten, da nicht einmal eine Begegnungsgemeinschaft bestehe. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG nicht vor.
10 
Gegen dieses Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 04.04.2006 - 11 S 363/05 - auf Antrag des Klägers die Berufung zugelassen. Der Beschluss wurde am 18.04.2006 zugestellt
11 
Der Kläger hat die Berufung am 18.05.2006 - ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag - wie folgt begründet: Er habe mit den Pflegeeltern von E. sowie dem Amt für Soziale und Psychologische Dienste des Landratsamts Ortenaukreis (im Folgenden: Sozialamt des Ortenaukreises) eine Vereinbarung über einen einmaligen Besuchskontakt pro Monat zwischen ihm und E. in einem Raum der psychologischen Beratungsstelle getroffen. Aufgrund der regelmäßigen Besuche sowohl bei E. als auch bei S. habe sich zu beiden Kindern eine verantwortungsvolle Vater-Kind-Beziehung entwickelt. Es bestehe eine enge emotionale Verbundenheit der Kinder zu ihm. Eine Trennung wäre schädlich. Obwohl er wegen seines geringen Verdienstes zu Unterhaltszahlungen nicht verpflichtet sei, versuche er seine Tochter S. sowie deren Großmutter zu unterstützen und zahle unregelmäßige Unterhaltsbeiträge zwischen 50,-- und 100,-- EUR. Er habe S. einen Roller und ein Laufrad nebst Zubehör geschenkt und habe das Bett für S. mit 200,-- EUR mit finanziert. S. nenne ihn D. oder D.-Papa. Bei den Besuchen spiele er mit S. im Kinderzimmer. Sie freue sich, wenn er komme. Auch nach Auffassung der Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt Pforzheim sei der Kontakt zwischen S. und ihm unverzichtbar, damit S. immer wisse, woher sie komme. Im Falle einer Ausreise würden ihn beide Töchter vermissen und in ihrer Entwicklung und Identitätsfindung dauerhaft stark beeinträchtigt werden, weil ihnen nicht plausibel erklärt werden könne, warum ihr Vater nicht mehr komme.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 08.12.2004 - 2 K 1469/03 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 01.04.2003 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.07.2003 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu erteilen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie führt aus, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG stehe bereits § 10 Abs. 3 AufenthG entgegen. Denn der Anspruch nach § 28 Abs. 1 AufenthG reduziere sich gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu einer Ermessensentscheidung, weil ein Ausweisungsgrund vorliege. Da der Kläger sein Asylverfahren unter falschen Personalien betrieben habe, erfülle er den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG. Es handele sich um einen Regelfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, denn die Verwendung von Falschidentitäten sei bei schwarzafrikanischen Staatsangehörigen mittlerweile zu einem Massendelikt geworden.
17 
Der Senat hat zu dem Kontakt des Klägers zu seinen Töchtern Auskünfte des Sozialamtes des Ortenaukreises und des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Pforzheim (im Folgenden: Jugendamt der Stadt Pforzheim) eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben des Sozialamtes des Ortenaukreises vom 22.01.2007 und des Jugendamtes der Stadt Pforzheim vom 06.03.2007 verwiesen.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Ausländerakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten und der Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat entscheidet nach dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2007 geschlossenen Vergleichs über die Berufung mit Zustimmung der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
I.
20 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere gemäß § 124a Abs. 6 VwGO fristgerecht und entsprechend den formellen Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO begründet.
II.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für seine deutsche Tochter S. (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Keiner Entscheidung bedarf, ob dem Kläger auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter E. zusteht.
22 
1. Über den von dem Kläger ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG für ausländische Familienangehörige Deutscher ist auf der Grundlage des zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I, S. 1970), zu entscheiden. Denn nach § 104 Abs. 1 AufenthG sind die Vorschriften des bis zum 31.12.2004 geltenden Ausländergesetzes nur auf vor dem 01.01.2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anzuwenden. An die Stelle des bisher begehrten Aufenthaltstitels tritt der diesem nach Aufenthaltszweck und Sachverhalt (vgl. § 101 Abs. 1 und 2 AufenthG) entsprechende Aufenthaltstitel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
23 
2. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis setzt darüber hinaus nach § 27 Abs. 1 AufenthG eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem ausländischen Elternteil und dem minderjährigen deutschen Kind voraus. Denn § 27 Abs. 1 AufenthG enthält den für sämtliche Aufenthaltstitel des Abschnitts 6 des Aufenthaltsgesetzes geltenden Grundsatz, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt wird. Der ausländische Elternteil muss daher das Personensorgerecht für ein minderjähriges deutsches Kind nicht nur besitzen, sondern es auch tatsächlich zum Wohl des Kindes ausüben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
24 
Dem Kläger obliegt die elterliche Sorge für seine in Pforzheim lebende Tochter S., nachdem er am 22.08.2002 gemeinsam mit der Mutter des Kindes eine Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1, § 1626b Abs. 2 BGB abgegeben hat. Zwischen ihm und seiner Tochter S. besteht auch eine familiäre Lebensgemeinschaft. Er nimmt seine Elternverantwortung, soweit es ihm die äußeren Umstände erlauben, zuverlässig wahr, hat regelmäßigen Kontakt mit S. und trägt seinen Möglichkeiten entsprechend zum Unterhalt des Kindes bei. Nach den übereinstimmenden und nicht bestrittenen Angaben der Großmutter seiner Tochter und auch der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt Pforzheim besucht der Kläger seine Tochter an zwei Sonntagen im Monat, beteiligt sich regelmäßig mit ca. 50,-- EUR am Unterhalt und bespricht sich mit der Großmutter seiner Tochter in Erziehungsfragen. Auch hat er seiner Tochter in Absprache mit der Großmutter einen Roller und ein Fahrrad gekauft. Zwar wohnt er von seiner Tochter weit entfernt. Dies liegt jedoch daran, dass er eine Arbeitsstelle in Lahr besitzt, während seine Tochter bei der Großmutter in Pforzheim lebt. Außerdem hat der Kläger ein weiteres uneheliches Kind, seine Tochter E., die in Lahr bei Pflegeeltern lebt und die er - zumindest in der Vergangenheit - einmal im Monat besuchen konnte. Trotz der weiten Entfernung kommt er seiner Elternverantwortung nach. Denn er nimmt die ihm eingeräumten Möglichkeiten zum Umgang mit seiner Tochter zuverlässig wahr und bringt sich im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Wohl seiner Tochter in die Erziehung ein. Vor dem Hintergrund dieser Lebenssituation und der reservierten Haltung der Großmutter von S. gegenüber Besuchen des Klägers sind daher seine Erziehungs- und Betreuungsleistungen trotz des eher geringen zeitlichen Umfangs des persönlichen Kontakts als nicht unerheblich einzustufen. Auch der Tatsache, dass er seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Umverteilung nicht weiterbetrieben hat, kommt in dieser Situation keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
25 
Die Ausübung der Personensorge durch den Kläger entspricht auch dem Wohl seiner Tochter. Nach Angaben des Klägers nennt diese ihn „D.“ oder „D.-Papa“ und freut sich, wenn er kommt. Nach Auffassung des Jugendamtes ist der regelmäßige Kontakt des Klägers für die Persönlichkeitsentwicklung und Identifikationsfindung seiner Tochter wichtig, da sie nur über ihren Vater die Verbindung zur Familie väterlicherseits und deren kulturellen Wurzeln haben könne. Mit zunehmendem Alter werde diese Bedeutung noch gewichtiger werden, da sie schon aufgrund ihrer Hautfarbe ihre Andersartigkeit gegenüber der Familie ihrer Mutter erkennen werde. Ausgehend von der Prämisse des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 08.12.2005 (- 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122, 125), wonach in der Regel der persönliche Kontakt der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und es beide Eltern braucht, sind im Fall des Klägers keine Umstände ersichtlich, dass dem Kindeswohl auch dann Genüge getan wäre, wenn der Kläger sich in seinem Heimatstaat Benin aufhalten würde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass bei einer Ausreise des Klägers schon wegen der großen Entfernung zwischen Deutschland und Benin der Abbruch des persönlichen Kontakts drohen würde.
26 
In der Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt Pforzheim vom 06.03.2007 ist allerdings die Rede davon, dass die Großmutter seiner Tochter den Eindruck habe, dass S. nach den Besuchen völlig durcheinander sei und Angst habe, dass sie von ihrer Großmutter weg müsse, da der Kläger sage, dass er sie zu sich holen werde. Dabei ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass die Besuchskontakte mit Schwierigkeiten verbunden sind, da die Großmutter nach Aussage des Jugendamtes dem Kontakt mit dem Kläger eher reserviert gegenüber steht und sich dies auch auf das Kind übertragen dürfte. Das Jugendamt geht aber jedenfalls davon aus, dass S. eine Beziehung zu ihrem Vater hat und er eine bedeutende Rolle in ihrem Leben spielt. Auf Seiten des Klägers sieht das Jugendamt ein Bemühen, trotz der erschwerten Bedingungen bei den Besuchen im Haushalt der Großmutter und bei den Telefonaten eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen. Der Kläger zeige im Gespräch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Bedürfnisse des Kindes. Es werde deutlich, dass ihm das Wohlergehen seiner Tochter am Herzen liege und er bereit sei, Verantwortung zu übernehmen.
27 
3. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG sind ebenfalls erfüllt. Es liegt zwar ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Dies steht dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gleichwohl nicht entgegen, weil ein Ausnahmefall vorliegt.
28 
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger allerdings nicht gegen § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG verstoßen. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer entgegen § 49 Abs. 1 AufenthG eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht. Nach § 49 Abs. 1 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen unter anderem die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen. Der Kläger hat zwar sein Asylverfahren unter falschen Personalien geführt. Die Vorschriften des § 49 Abs. 1 und des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG wurden jedoch erst durch das am 01.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz geschaffen und hatten keine Vorläuferregelungen im Ausländergesetz (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/420 S. 88 zu § 49 Abs. 1 und S. 98 zu § 95 Abs. 1 Nr. 5). Da nach § 1 StGB eine Tat aber nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde und der Kläger noch vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, kann er sich nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG strafbar gemacht haben.
29 
b) Der Kläger hat jedoch den Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 Abs. 1 StGB verwirklicht. Denn aufgrund seiner falschen Angaben zu seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung mit falschen Personalien ausgestellt. Nach § 271 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer die Beurkundung eines unwahren Sachverhalts in einer öffentlichen Urkunde gleichsam als mittelbarer Täter herbeiführt. Die Aufenthaltsgestattung stellt eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 271 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil v. 16.04.1996 - 1 StR 127/96 -, NJW 1996, 2170; Brandenb. OLG, Beschluss vom 06.12.2001 - 2 Ss 19/01 -, Juris). Die Eintragung der falschen Personalien hat der Kläger durch seine Angaben bewirkt. Nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens wurde der Kläger geduldet und ihm wurden entsprechende Bescheinigungen ausgestellt. Auch diese waren öffentliche Urkunden (vgl. dazu AG Bremen, Urteil vom 23.01.2003 - 87 (72) Ds 290 Js 15959/02 - juris) und lauteten - auf Veranlassung des Klägers - auf die falschen Personalien. Der Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB stellt einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG dar. Nach dieser Vorschrift ist eine strafrechtliche Verurteilung nicht erforderlich; es genügt ein nicht nur vereinzelter geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften. Ob es sich im strafrechtlichen Sinn um einen Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB und damit um ein vereinzeltes Delikt im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG handelt, bedarf keiner Entscheidung. Er ist jedenfalls nicht geringfügig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine vorsätzlich begangene Straftat grundsätzlich nicht geringfügig (BVerwG, Urteil vom 05.05.1998 - 1 C 17/97 -, InfAuslR 1998, 383, 385; Urteil vom 24.09.1996 - 1 C 9/94 -, InfAuslR 1997, 63). Von einer Vorsatztat ist im Fall des Klägers auszugehen. Allerdings kann auch bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausnahmsweise ein Ausweisungsgrund zu verneinen sein, wenn besondere Umstände des Einzelfalls zu der Bewertung führen, dass es sich um einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften handelt (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 1 C 23/03 -, NVwZ 2005, 601). Solche besonderen Umstände, die die Annahme der Geringfügigkeit rechtfertigen könnten, vermag der Senat im Fall des Klägers jedoch nicht zu erkennen. Der Kläger hat über einen Zeitraum von fast drei Jahren die zuständigen Behörden über seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht. Außerdem weisen weder die Umstände der Tat noch die Tatbegehung selbst Besonderheiten auf, die zugunsten des Klägers gewertet werden könnten.
30 
c) Ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG liegt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn der Tatbestand einer Ausweisung erfüllt ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Ausweisung auch tatsächlich verfügt werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16.07.2002 - 1 C 8.02 -, NVwZ 2003, 217, 219). Der Ausweisungsgrund ist trotz der Tatsache, dass der Kläger bereits im September 2002 seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, noch nicht verbraucht. Der bloße Zeitablauf reicht grundsätzlich für einen Verbrauch nicht aus. Der Gesichtspunkt des Verbrauchs eines Ausweisungsgrundes ist mit dem Gedanken der Verwirkung vergleichbar. Dieser erfordert sowohl ein Zeitmoment als auch ein Umstandsmoment, d.h. neben den Zeitablauf müssen zusätzliche Umstände treten, aus denen der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen darf, die Behörde werde von ihren Befugnissen keinen Gebrauch (mehr) machen. Zudem muss der Betroffene darauf vertraut haben, dass die Befugnis nicht mehr ausgeübt wird (st. Rspr. vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 12.07.2006 - 8 B 14/06 - juris). Aus diesem Grund ist der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 04.03.2002 (- 12 UE 203/02 -, AuAS 2002, 172, 173 f.) nicht zu folgen, wonach bereits eine Zeitspanne von etwas mehr als zwei Jahren ausreicht, um von einem Verbrauch des Ausweisungsgrundes auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 18.04.2007 - 11 S 1034/06 -). Umstände, aus denen der Kläger hätte schließen können, sein Verhalten werde folgenlos bleiben, liegen nicht vor. Die Ausländerbehörde hat insbesondere keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafbaren Verhaltens des Klägers erteilt.
31 
d) Offen bleiben kann, ob der Rechtsverstoß des Klägers noch verwertbar ist. Denn es liegt jedenfalls eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil der Geschehensverlauf im Fall des Klägers so sehr vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweicht, dass er das ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelerteilungsvoraussetzung beseitigt.
32 
Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Regel- oder einem Ausnahmefall nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auszugehen ist, kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG herangezogen werden (so auch Bäuerle in GK-AuslR, § 5 Rn 26; nicht eindeutig: Jakober in Jakober/Welte, Akt. AuslR, § 5 AufenthG Rn. 21 und 25). § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG enthielt zwar einen Regelversagungsgrund für solche Aufenthaltstitel, deren Erteilung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde stand, während § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Regelerteilungsvoraussetzung für sämtliche Aufenthaltstitel des Aufenthaltsgesetzes normiert. Durch das Inkrafttreten des § 5 Abs. 2 AufenthG ist aber keine völlig neue Rechtslage geschaffen worden, die einen Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 AuslG von vornherein ausschlösse. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 15/420 S. 69 f. zu § 5) sollten durch § 5 AufenthG vielmehr die für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern geltenden Grundentscheidungen der Erteilungs- und Versagungsvorschriften der §§ 6 bis 9 AuslG in vereinfachter Form zusammengefasst werden. Der im Verhältnis zu § 7 Abs. 2 AuslG weitere Anwendungsbereich und die durch § 5 Abs. 1 AufenthG ausgelöste Änderung der Beweislastverteilung berühren nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Regel- oder ein Ausnahmefall vorliegt. Die bisherigen Entscheidungskriterien können weiterhin herangezogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts waren Regelfälle im Sinne des § 7 Abs. 2 AuslG dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterschieden. Ausnahmefälle zeichneten sich dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf aus, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 1 B 262/96 -, Buchholz 402.240 § 7 AuslG 1990 Nr. 7). Diese abstrakte Definition lässt sich auf das Regel-/Ausnahmeverhältnis des § 5 Abs. 1 AufenthG übertragen. Dagegen spricht nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 29.07.1993 - 1 C 25/93 -, NVwZ 1994, 381, 383) hervorgehoben hat, dass § 7 Abs. 2 AuslG die Versagung, nicht aber die Verpflichtung zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung regele (vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 05.04.2005 - 12 K 521/96 - juris). Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls waren nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Entscheidung dann erfüllt, wenn ein atypischer Geschehensverlauf vorlag, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigte, nicht aber - wie teilweise in der Literatur vertreten wurde -, wenn besondere Gründe für einen weiteren Aufenthalt des Ausländers sprachen. Damit machte das Bundesverwaltungsgericht jedoch nur deutlich, dass bei der Prüfung eines Ausnahmefalls die gesetzliche Zielsetzung des Regelfalls zugrunde zu legen ist. Die in seinem Urteil vom 31.01.1997 (a.a.O.) verwendete offenere Formulierung lässt sich daher - unter Berücksichtigung der geänderten Zielsetzung - ohne weiteres für die Beurteilung eines Regel- oder Ausnahmefalls nach § 5 Abs. 1 AufenthG heranziehen.
33 
Im Fall des Klägers liegt ein atypischer Geschehensverlauf im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, der es rechtfertigt, ausnahmsweise von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen. Dabei ist ausschlaggebend, dass der Kläger wegen des Verstoßes gegen § 271 Abs. 1 StGB strafrechtlich nicht belangt wurde und mittlerweile wohl auch nicht mehr belangt werden könnte, weil Verfolgungsverjährung eingetreten sein dürfte. Für eine mittelbare Falschbeurkundung, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, gerechnet ab der Beendigung der Tat (§ 78a StGB). Die Tat dürfte am 20.06.2002, dem Tag der letztmaligen Verlängerung der auf die falschen Personalien lautenden Duldung beendet gewesen sein. Dass der Kläger nach diesem Datum von der Duldungsbescheinigung im Sinne des § 271 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht hat, lässt sich nicht feststellen. Legt man den 20.06.2002 zugrunde, wäre am 20.06.2007 Verfolgungsverjährung eingetreten.
34 
Darüber hinaus wäre der Rechtsverstoß - falls der Kläger verurteilt worden wäre - wohl schon in Kürze nach § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr verwertbar. Das Verwertungsverbot des § 51 BZRG ist zwar mangels Verurteilung weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.1996 - 1 C 12/95 -, NJW 1997, 336, 337). Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es für die Zulässigkeit der Verwertung gleichwohl nicht bedeutungslos, ob wegen einer Verfehlung bereits Tilgungsreife eingetreten wäre, wenn eine ihretwegen erfolgte Ahndung in das Bundeszentralregister hätte eingetragen werden können. Dem Schutzzweck des § 51 Abs. 1 BZRG, die Eingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft nicht unnötig zu gefährden, entspreche es, solchen Verfehlungen regelmäßig kein Gewicht mehr beizumessen, sobald sie länger zurückliegen, wobei eine Orientierung an dem mutmaßlichen Ablauf von Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes sachgerecht erscheine. Für den Verstoß des Klägers gegen § 271 StGB kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren des § 46 Abs. 1 Nr. 1a BZRG herangezogen werden. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob danach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre oder wann sie eintreten würde. Jedenfalls rechtfertigt die zumindest in Kürze eintretende hypothetische Tilgungsreife zusammen mit den weiteren vom Regelfall abweichenden Umständen die Annahme eines Ausnahmefalls. Zu den Gesichtspunkten der Verfolgungsverjährung und der Tilgungsreife kommt noch hinzu, dass der Kläger sich außer diesem Rechtsverstoß nichts hat zu schulden kommen lassen (zum Vorliegen eines Ausnahmefalls und zur Entstehung eines „Anspruchs“ vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2005 - Au 1 K 04.1152 - InfAuslR 2005, 318).
35 
Liegt somit im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ein Ausnahmefall vor, greift entgegen der Auffassung der Beklagten § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der im Ergebnis den gesetzlichen Anspruch des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung herabstuft, wenn die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt ist, im Fall des Klägers nicht ein.
36 
Die übrigen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG liegen vor. Die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bedarf keiner Prüfung, da die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abweichend von dieser Voraussetzung erteilt wird. Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers sind geklärt, die Passpflicht wird erfüllt.
37 
4. Auch § 5 Abs. 2 AufenthG steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Der Kläger ist als Asylbewerber ohne Visum eingereist. Seine Einreise erfolgte - bezogen auf den nunmehr erstrebten Aufenthalt aus familiären Gründen - dennoch nicht ohne das erforderliche Visum (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 03.06.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352, 254), weil er nach § 39 Nr. 5 AufenthV die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen darf. Seine Abschiebung ist nach § 60a AufenthG ausgesetzt und er hat auf Grund der Geburt seiner Tochter S. während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats. Die Privilegierung des § 39 Nr. 5 AufenthV setzt nicht voraus, dass der Kläger gleichzeitig mit der Geburt seiner Tochter den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis - ebenso wie die Duldung nach § 60a AufenthG - im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausnahmsweise nicht gilt.
38 
5. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht schließlich auch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Der Asylantrag des Klägers wurde zwar unanfechtbar abgelehnt. Die Vorschrift findet nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG aber keine Anwendung auf den Kläger, weil er einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Unter einem Anspruch im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Senats nur ein gesetzlicher Anspruch zu verstehen; die Vorschrift findet keine Anwendung auf Fälle der Ermessensreduktion auf Null (Urteil vom 26.07.2006 - 11 S 2523/05 -, VBlBW 2007, 30, 31; so auch Discher in GK-Ausländerrecht, AufenthG § 10 RdNr. 172 ff.).
39 
Ein solcher gesetzlicher Anspruch steht dem Kläger zu, denn die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG liegen vor. Das gleiche gilt hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - von einem Ausnahmefall ausgehen ist, soweit es die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG betrifft. Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht auch dann, wenn im Hinblick auf die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen eines atypischen Sachverhalts ein Ausnahmefall vorliegt. Die Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist in diesem Fall nicht erforderlich.
III.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war notwendig. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts bestimmt sich danach, welche Anforderungen in dem konkreten Fall eine - zweckentsprechende - Rechtsverfolgung gestellt hat. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist damit die Schwierigkeit der Sache, die jedoch nicht abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Sachkunde und der (persönlichen) Verhältnisse des Widerspruchsführers festzustellen ist (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982 - 8 B 10.82 - NVwZ 1983, 346; Beschluss vom 15.03.1999 - 8 B 225.98 - Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 4 S. 2). Es kommt nicht auf die subjektive Sicht des Widerspruchsführers an, sondern darauf, wie ein verständiger Dritter in dessen Situation gehandelt hätte. Die Beurteilung ist nach der Sachlage vorzunehmen, wie sie sich im Zeitpunkt der Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten dargestellt hat (BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 8 C 39.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 39 S. 16 f. und vom 26.01.1996 - 8 C 15.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36 S. 4). Die Voraussetzungen liegen etwa vor, wenn schwierige Sach- und Rechtsfragen zu klären sind. So lag es auch hier im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG und des Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter S.
42 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss
vom 15. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG auf
5.000,-- EUR
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
19 
Der Senat entscheidet nach dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2007 geschlossenen Vergleichs über die Berufung mit Zustimmung der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
I.
20 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere gemäß § 124a Abs. 6 VwGO fristgerecht und entsprechend den formellen Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO begründet.
II.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für seine deutsche Tochter S. (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Keiner Entscheidung bedarf, ob dem Kläger auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter E. zusteht.
22 
1. Über den von dem Kläger ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG für ausländische Familienangehörige Deutscher ist auf der Grundlage des zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I, S. 1970), zu entscheiden. Denn nach § 104 Abs. 1 AufenthG sind die Vorschriften des bis zum 31.12.2004 geltenden Ausländergesetzes nur auf vor dem 01.01.2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anzuwenden. An die Stelle des bisher begehrten Aufenthaltstitels tritt der diesem nach Aufenthaltszweck und Sachverhalt (vgl. § 101 Abs. 1 und 2 AufenthG) entsprechende Aufenthaltstitel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
23 
2. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis setzt darüber hinaus nach § 27 Abs. 1 AufenthG eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem ausländischen Elternteil und dem minderjährigen deutschen Kind voraus. Denn § 27 Abs. 1 AufenthG enthält den für sämtliche Aufenthaltstitel des Abschnitts 6 des Aufenthaltsgesetzes geltenden Grundsatz, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt wird. Der ausländische Elternteil muss daher das Personensorgerecht für ein minderjähriges deutsches Kind nicht nur besitzen, sondern es auch tatsächlich zum Wohl des Kindes ausüben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
24 
Dem Kläger obliegt die elterliche Sorge für seine in Pforzheim lebende Tochter S., nachdem er am 22.08.2002 gemeinsam mit der Mutter des Kindes eine Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1, § 1626b Abs. 2 BGB abgegeben hat. Zwischen ihm und seiner Tochter S. besteht auch eine familiäre Lebensgemeinschaft. Er nimmt seine Elternverantwortung, soweit es ihm die äußeren Umstände erlauben, zuverlässig wahr, hat regelmäßigen Kontakt mit S. und trägt seinen Möglichkeiten entsprechend zum Unterhalt des Kindes bei. Nach den übereinstimmenden und nicht bestrittenen Angaben der Großmutter seiner Tochter und auch der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt Pforzheim besucht der Kläger seine Tochter an zwei Sonntagen im Monat, beteiligt sich regelmäßig mit ca. 50,-- EUR am Unterhalt und bespricht sich mit der Großmutter seiner Tochter in Erziehungsfragen. Auch hat er seiner Tochter in Absprache mit der Großmutter einen Roller und ein Fahrrad gekauft. Zwar wohnt er von seiner Tochter weit entfernt. Dies liegt jedoch daran, dass er eine Arbeitsstelle in Lahr besitzt, während seine Tochter bei der Großmutter in Pforzheim lebt. Außerdem hat der Kläger ein weiteres uneheliches Kind, seine Tochter E., die in Lahr bei Pflegeeltern lebt und die er - zumindest in der Vergangenheit - einmal im Monat besuchen konnte. Trotz der weiten Entfernung kommt er seiner Elternverantwortung nach. Denn er nimmt die ihm eingeräumten Möglichkeiten zum Umgang mit seiner Tochter zuverlässig wahr und bringt sich im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Wohl seiner Tochter in die Erziehung ein. Vor dem Hintergrund dieser Lebenssituation und der reservierten Haltung der Großmutter von S. gegenüber Besuchen des Klägers sind daher seine Erziehungs- und Betreuungsleistungen trotz des eher geringen zeitlichen Umfangs des persönlichen Kontakts als nicht unerheblich einzustufen. Auch der Tatsache, dass er seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Umverteilung nicht weiterbetrieben hat, kommt in dieser Situation keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
25 
Die Ausübung der Personensorge durch den Kläger entspricht auch dem Wohl seiner Tochter. Nach Angaben des Klägers nennt diese ihn „D.“ oder „D.-Papa“ und freut sich, wenn er kommt. Nach Auffassung des Jugendamtes ist der regelmäßige Kontakt des Klägers für die Persönlichkeitsentwicklung und Identifikationsfindung seiner Tochter wichtig, da sie nur über ihren Vater die Verbindung zur Familie väterlicherseits und deren kulturellen Wurzeln haben könne. Mit zunehmendem Alter werde diese Bedeutung noch gewichtiger werden, da sie schon aufgrund ihrer Hautfarbe ihre Andersartigkeit gegenüber der Familie ihrer Mutter erkennen werde. Ausgehend von der Prämisse des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 08.12.2005 (- 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122, 125), wonach in der Regel der persönliche Kontakt der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und es beide Eltern braucht, sind im Fall des Klägers keine Umstände ersichtlich, dass dem Kindeswohl auch dann Genüge getan wäre, wenn der Kläger sich in seinem Heimatstaat Benin aufhalten würde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass bei einer Ausreise des Klägers schon wegen der großen Entfernung zwischen Deutschland und Benin der Abbruch des persönlichen Kontakts drohen würde.
26 
In der Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt Pforzheim vom 06.03.2007 ist allerdings die Rede davon, dass die Großmutter seiner Tochter den Eindruck habe, dass S. nach den Besuchen völlig durcheinander sei und Angst habe, dass sie von ihrer Großmutter weg müsse, da der Kläger sage, dass er sie zu sich holen werde. Dabei ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass die Besuchskontakte mit Schwierigkeiten verbunden sind, da die Großmutter nach Aussage des Jugendamtes dem Kontakt mit dem Kläger eher reserviert gegenüber steht und sich dies auch auf das Kind übertragen dürfte. Das Jugendamt geht aber jedenfalls davon aus, dass S. eine Beziehung zu ihrem Vater hat und er eine bedeutende Rolle in ihrem Leben spielt. Auf Seiten des Klägers sieht das Jugendamt ein Bemühen, trotz der erschwerten Bedingungen bei den Besuchen im Haushalt der Großmutter und bei den Telefonaten eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen. Der Kläger zeige im Gespräch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Bedürfnisse des Kindes. Es werde deutlich, dass ihm das Wohlergehen seiner Tochter am Herzen liege und er bereit sei, Verantwortung zu übernehmen.
27 
3. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG sind ebenfalls erfüllt. Es liegt zwar ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Dies steht dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gleichwohl nicht entgegen, weil ein Ausnahmefall vorliegt.
28 
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger allerdings nicht gegen § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG verstoßen. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer entgegen § 49 Abs. 1 AufenthG eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht. Nach § 49 Abs. 1 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen unter anderem die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen. Der Kläger hat zwar sein Asylverfahren unter falschen Personalien geführt. Die Vorschriften des § 49 Abs. 1 und des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG wurden jedoch erst durch das am 01.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz geschaffen und hatten keine Vorläuferregelungen im Ausländergesetz (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/420 S. 88 zu § 49 Abs. 1 und S. 98 zu § 95 Abs. 1 Nr. 5). Da nach § 1 StGB eine Tat aber nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde und der Kläger noch vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, kann er sich nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG strafbar gemacht haben.
29 
b) Der Kläger hat jedoch den Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 Abs. 1 StGB verwirklicht. Denn aufgrund seiner falschen Angaben zu seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung mit falschen Personalien ausgestellt. Nach § 271 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer die Beurkundung eines unwahren Sachverhalts in einer öffentlichen Urkunde gleichsam als mittelbarer Täter herbeiführt. Die Aufenthaltsgestattung stellt eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 271 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil v. 16.04.1996 - 1 StR 127/96 -, NJW 1996, 2170; Brandenb. OLG, Beschluss vom 06.12.2001 - 2 Ss 19/01 -, Juris). Die Eintragung der falschen Personalien hat der Kläger durch seine Angaben bewirkt. Nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens wurde der Kläger geduldet und ihm wurden entsprechende Bescheinigungen ausgestellt. Auch diese waren öffentliche Urkunden (vgl. dazu AG Bremen, Urteil vom 23.01.2003 - 87 (72) Ds 290 Js 15959/02 - juris) und lauteten - auf Veranlassung des Klägers - auf die falschen Personalien. Der Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB stellt einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG dar. Nach dieser Vorschrift ist eine strafrechtliche Verurteilung nicht erforderlich; es genügt ein nicht nur vereinzelter geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften. Ob es sich im strafrechtlichen Sinn um einen Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB und damit um ein vereinzeltes Delikt im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG handelt, bedarf keiner Entscheidung. Er ist jedenfalls nicht geringfügig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine vorsätzlich begangene Straftat grundsätzlich nicht geringfügig (BVerwG, Urteil vom 05.05.1998 - 1 C 17/97 -, InfAuslR 1998, 383, 385; Urteil vom 24.09.1996 - 1 C 9/94 -, InfAuslR 1997, 63). Von einer Vorsatztat ist im Fall des Klägers auszugehen. Allerdings kann auch bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausnahmsweise ein Ausweisungsgrund zu verneinen sein, wenn besondere Umstände des Einzelfalls zu der Bewertung führen, dass es sich um einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften handelt (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 1 C 23/03 -, NVwZ 2005, 601). Solche besonderen Umstände, die die Annahme der Geringfügigkeit rechtfertigen könnten, vermag der Senat im Fall des Klägers jedoch nicht zu erkennen. Der Kläger hat über einen Zeitraum von fast drei Jahren die zuständigen Behörden über seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht. Außerdem weisen weder die Umstände der Tat noch die Tatbegehung selbst Besonderheiten auf, die zugunsten des Klägers gewertet werden könnten.
30 
c) Ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG liegt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn der Tatbestand einer Ausweisung erfüllt ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Ausweisung auch tatsächlich verfügt werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16.07.2002 - 1 C 8.02 -, NVwZ 2003, 217, 219). Der Ausweisungsgrund ist trotz der Tatsache, dass der Kläger bereits im September 2002 seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, noch nicht verbraucht. Der bloße Zeitablauf reicht grundsätzlich für einen Verbrauch nicht aus. Der Gesichtspunkt des Verbrauchs eines Ausweisungsgrundes ist mit dem Gedanken der Verwirkung vergleichbar. Dieser erfordert sowohl ein Zeitmoment als auch ein Umstandsmoment, d.h. neben den Zeitablauf müssen zusätzliche Umstände treten, aus denen der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen darf, die Behörde werde von ihren Befugnissen keinen Gebrauch (mehr) machen. Zudem muss der Betroffene darauf vertraut haben, dass die Befugnis nicht mehr ausgeübt wird (st. Rspr. vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 12.07.2006 - 8 B 14/06 - juris). Aus diesem Grund ist der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 04.03.2002 (- 12 UE 203/02 -, AuAS 2002, 172, 173 f.) nicht zu folgen, wonach bereits eine Zeitspanne von etwas mehr als zwei Jahren ausreicht, um von einem Verbrauch des Ausweisungsgrundes auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 18.04.2007 - 11 S 1034/06 -). Umstände, aus denen der Kläger hätte schließen können, sein Verhalten werde folgenlos bleiben, liegen nicht vor. Die Ausländerbehörde hat insbesondere keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafbaren Verhaltens des Klägers erteilt.
31 
d) Offen bleiben kann, ob der Rechtsverstoß des Klägers noch verwertbar ist. Denn es liegt jedenfalls eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil der Geschehensverlauf im Fall des Klägers so sehr vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweicht, dass er das ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelerteilungsvoraussetzung beseitigt.
32 
Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Regel- oder einem Ausnahmefall nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auszugehen ist, kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG herangezogen werden (so auch Bäuerle in GK-AuslR, § 5 Rn 26; nicht eindeutig: Jakober in Jakober/Welte, Akt. AuslR, § 5 AufenthG Rn. 21 und 25). § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG enthielt zwar einen Regelversagungsgrund für solche Aufenthaltstitel, deren Erteilung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde stand, während § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Regelerteilungsvoraussetzung für sämtliche Aufenthaltstitel des Aufenthaltsgesetzes normiert. Durch das Inkrafttreten des § 5 Abs. 2 AufenthG ist aber keine völlig neue Rechtslage geschaffen worden, die einen Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 AuslG von vornherein ausschlösse. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 15/420 S. 69 f. zu § 5) sollten durch § 5 AufenthG vielmehr die für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern geltenden Grundentscheidungen der Erteilungs- und Versagungsvorschriften der §§ 6 bis 9 AuslG in vereinfachter Form zusammengefasst werden. Der im Verhältnis zu § 7 Abs. 2 AuslG weitere Anwendungsbereich und die durch § 5 Abs. 1 AufenthG ausgelöste Änderung der Beweislastverteilung berühren nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Regel- oder ein Ausnahmefall vorliegt. Die bisherigen Entscheidungskriterien können weiterhin herangezogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts waren Regelfälle im Sinne des § 7 Abs. 2 AuslG dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterschieden. Ausnahmefälle zeichneten sich dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf aus, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 1 B 262/96 -, Buchholz 402.240 § 7 AuslG 1990 Nr. 7). Diese abstrakte Definition lässt sich auf das Regel-/Ausnahmeverhältnis des § 5 Abs. 1 AufenthG übertragen. Dagegen spricht nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 29.07.1993 - 1 C 25/93 -, NVwZ 1994, 381, 383) hervorgehoben hat, dass § 7 Abs. 2 AuslG die Versagung, nicht aber die Verpflichtung zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung regele (vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 05.04.2005 - 12 K 521/96 - juris). Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls waren nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Entscheidung dann erfüllt, wenn ein atypischer Geschehensverlauf vorlag, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigte, nicht aber - wie teilweise in der Literatur vertreten wurde -, wenn besondere Gründe für einen weiteren Aufenthalt des Ausländers sprachen. Damit machte das Bundesverwaltungsgericht jedoch nur deutlich, dass bei der Prüfung eines Ausnahmefalls die gesetzliche Zielsetzung des Regelfalls zugrunde zu legen ist. Die in seinem Urteil vom 31.01.1997 (a.a.O.) verwendete offenere Formulierung lässt sich daher - unter Berücksichtigung der geänderten Zielsetzung - ohne weiteres für die Beurteilung eines Regel- oder Ausnahmefalls nach § 5 Abs. 1 AufenthG heranziehen.
33 
Im Fall des Klägers liegt ein atypischer Geschehensverlauf im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, der es rechtfertigt, ausnahmsweise von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen. Dabei ist ausschlaggebend, dass der Kläger wegen des Verstoßes gegen § 271 Abs. 1 StGB strafrechtlich nicht belangt wurde und mittlerweile wohl auch nicht mehr belangt werden könnte, weil Verfolgungsverjährung eingetreten sein dürfte. Für eine mittelbare Falschbeurkundung, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, gerechnet ab der Beendigung der Tat (§ 78a StGB). Die Tat dürfte am 20.06.2002, dem Tag der letztmaligen Verlängerung der auf die falschen Personalien lautenden Duldung beendet gewesen sein. Dass der Kläger nach diesem Datum von der Duldungsbescheinigung im Sinne des § 271 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht hat, lässt sich nicht feststellen. Legt man den 20.06.2002 zugrunde, wäre am 20.06.2007 Verfolgungsverjährung eingetreten.
34 
Darüber hinaus wäre der Rechtsverstoß - falls der Kläger verurteilt worden wäre - wohl schon in Kürze nach § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr verwertbar. Das Verwertungsverbot des § 51 BZRG ist zwar mangels Verurteilung weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.1996 - 1 C 12/95 -, NJW 1997, 336, 337). Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es für die Zulässigkeit der Verwertung gleichwohl nicht bedeutungslos, ob wegen einer Verfehlung bereits Tilgungsreife eingetreten wäre, wenn eine ihretwegen erfolgte Ahndung in das Bundeszentralregister hätte eingetragen werden können. Dem Schutzzweck des § 51 Abs. 1 BZRG, die Eingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft nicht unnötig zu gefährden, entspreche es, solchen Verfehlungen regelmäßig kein Gewicht mehr beizumessen, sobald sie länger zurückliegen, wobei eine Orientierung an dem mutmaßlichen Ablauf von Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes sachgerecht erscheine. Für den Verstoß des Klägers gegen § 271 StGB kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren des § 46 Abs. 1 Nr. 1a BZRG herangezogen werden. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob danach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre oder wann sie eintreten würde. Jedenfalls rechtfertigt die zumindest in Kürze eintretende hypothetische Tilgungsreife zusammen mit den weiteren vom Regelfall abweichenden Umständen die Annahme eines Ausnahmefalls. Zu den Gesichtspunkten der Verfolgungsverjährung und der Tilgungsreife kommt noch hinzu, dass der Kläger sich außer diesem Rechtsverstoß nichts hat zu schulden kommen lassen (zum Vorliegen eines Ausnahmefalls und zur Entstehung eines „Anspruchs“ vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2005 - Au 1 K 04.1152 - InfAuslR 2005, 318).
35 
Liegt somit im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ein Ausnahmefall vor, greift entgegen der Auffassung der Beklagten § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der im Ergebnis den gesetzlichen Anspruch des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung herabstuft, wenn die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt ist, im Fall des Klägers nicht ein.
36 
Die übrigen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG liegen vor. Die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bedarf keiner Prüfung, da die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abweichend von dieser Voraussetzung erteilt wird. Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers sind geklärt, die Passpflicht wird erfüllt.
37 
4. Auch § 5 Abs. 2 AufenthG steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Der Kläger ist als Asylbewerber ohne Visum eingereist. Seine Einreise erfolgte - bezogen auf den nunmehr erstrebten Aufenthalt aus familiären Gründen - dennoch nicht ohne das erforderliche Visum (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 03.06.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352, 254), weil er nach § 39 Nr. 5 AufenthV die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen darf. Seine Abschiebung ist nach § 60a AufenthG ausgesetzt und er hat auf Grund der Geburt seiner Tochter S. während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats. Die Privilegierung des § 39 Nr. 5 AufenthV setzt nicht voraus, dass der Kläger gleichzeitig mit der Geburt seiner Tochter den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis - ebenso wie die Duldung nach § 60a AufenthG - im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausnahmsweise nicht gilt.
38 
5. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht schließlich auch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Der Asylantrag des Klägers wurde zwar unanfechtbar abgelehnt. Die Vorschrift findet nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG aber keine Anwendung auf den Kläger, weil er einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Unter einem Anspruch im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Senats nur ein gesetzlicher Anspruch zu verstehen; die Vorschrift findet keine Anwendung auf Fälle der Ermessensreduktion auf Null (Urteil vom 26.07.2006 - 11 S 2523/05 -, VBlBW 2007, 30, 31; so auch Discher in GK-Ausländerrecht, AufenthG § 10 RdNr. 172 ff.).
39 
Ein solcher gesetzlicher Anspruch steht dem Kläger zu, denn die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG liegen vor. Das gleiche gilt hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - von einem Ausnahmefall ausgehen ist, soweit es die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG betrifft. Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht auch dann, wenn im Hinblick auf die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen eines atypischen Sachverhalts ein Ausnahmefall vorliegt. Die Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist in diesem Fall nicht erforderlich.
III.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war notwendig. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts bestimmt sich danach, welche Anforderungen in dem konkreten Fall eine - zweckentsprechende - Rechtsverfolgung gestellt hat. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist damit die Schwierigkeit der Sache, die jedoch nicht abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Sachkunde und der (persönlichen) Verhältnisse des Widerspruchsführers festzustellen ist (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982 - 8 B 10.82 - NVwZ 1983, 346; Beschluss vom 15.03.1999 - 8 B 225.98 - Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 4 S. 2). Es kommt nicht auf die subjektive Sicht des Widerspruchsführers an, sondern darauf, wie ein verständiger Dritter in dessen Situation gehandelt hätte. Die Beurteilung ist nach der Sachlage vorzunehmen, wie sie sich im Zeitpunkt der Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten dargestellt hat (BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 8 C 39.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 39 S. 16 f. und vom 26.01.1996 - 8 C 15.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36 S. 4). Die Voraussetzungen liegen etwa vor, wenn schwierige Sach- und Rechtsfragen zu klären sind. So lag es auch hier im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG und des Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter S.
42 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss
vom 15. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG auf
5.000,-- EUR
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Januar 2013 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 1. September 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2012 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau.

2

Der … 1983 in … /Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Im Dezember 2002 wurde er während seines illegalen Aufenthalts in Hamburg vorläufig festgenommen und mit Bescheid vom 20. Februar 2003 wegen illegalen Aufenthalts ausgewiesen. Der Bescheid wurde öffentlich zugestellt.

3

Am 14. April 2011 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung und eine Duldung, um seine Verlobte, die deutsche Staatsangehörige M., heiraten zu können. Er teilte mit, er sei am 6. März 2010 mit Hilfe eines Schleppers auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereist und habe hier Arbeit gesucht. Im Mai 2010 habe er seine Verlobte kennengelernt, bei der er seit September 2010 wohne. Wehrdienst habe er in der Türkei noch nicht geleistet. Die Beklagte erteilte dem Kläger am 18. April 2011 eine Duldung, die fortwährend verlängert wurde. Gegen die Ausweisung erhob der Kläger Widerspruch und machte u.a. geltend, sie sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

4

Am … 2011 heiratete der Kläger seine Verlobte.

5

Durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 11. August 2011 wurde der Kläger wegen illegaler Einreise in Tateinheit mit illegalem Aufenthalt zu einer Geldstrafe von 60 Tages-sätzen verurteilt.

6

Mit Bescheid vom 1. September 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG oder § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 28. September 2011 Widerspruch.

7

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtete das Berufungsgericht mit Beschluss vom 9. Mai 2012 (4 Bs 15/12, juris) die Beklagte, die beabsichtigte Abschiebung des Klägers einstweilen auszusetzen. Mit Schreiben vom 14. Juni 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie betrachte die Ausweisungsverfügung vom 20. Februar 2003 als obsolet und habe diese im Register gelöscht.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie verwies u.a. darauf, nach der Aufhebung der Ausweisung vom 20. Februar 2003 sei die Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG weggefallen. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe aber entgegen, dass es an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG fehle. Es liege ein Ausweisungsgrund i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil das Verhalten des Klägers den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfülle. Das Vorliegen eines abstrakten Ausweisungsgrundes sei ausreichend. Eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege nicht vor. Der Sachverhalt unterscheide sich nicht von demjenigen anderer Ausländer, die mit deutschen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen hätten. Der Umstand, dass es familiäre Bindungen gebe, sei allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen. Dabei übe sie, die Beklagte, das Ermessen zu Ungunsten des Klägers aus. Das öffentliche Interesse an einem geregelten Visumverfahren und damit an der staatlichen Steuerung der Zuwanderung überwiege das Interesse des Klägers an der sofortigen Aufnahme bzw. Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Der Kläger sei nicht mit dem erforderlichen Visum im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG eingereist. Dem Kläger könne die Aufenthaltserlaubnis auch nicht visumfrei nach § 39 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) erteilt werden. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Erfüllung der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG seien nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehe nicht. Die Pflicht, das Bundesgebiet vorübergehend zu verlassen, um das Visumverfahren nachzuholen, sei für den Kläger zumutbar und verstoße nicht gegen seine Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 Abs. 1 EMRK. Somit sei das Ermessen nicht eröffnet. Eine Ausnahme von der Durchführung des Visumverfahrens im Fall des Ehegattennachzugs komme im Ergebnis nur nach § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG und nur in den auf Seite 19 ff. der Fachanweisung der Behörde für Inneres und Sport zum Ausländerrecht Nr. 1/2012 aufgeführten Fällen in Betracht. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor.

9

Der Kläger hat am 29. Juni 2012 Klage erhoben und u.a. geltend gemacht: Ihm stehe ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufentG zu. Zwar liege die negative Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, es sei jedoch ein Ausnahmefall anzunehmen, weil er besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG genieße. Von der Durchführung des Visumverfahrens hätte die Beklagte absehen müssen. Die Beklagte habe das ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Dieses Ermessen sei auf Grund ihrer Fachanweisung Nr. 1/2012 gebunden, soweit darin ausgeführt werde, dass in Fällen des Rechtsanspruchs aus familiären Gründen das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung des Visumverfahrens regelmäßig hinter dem durch Art. 6 GG, Art. 8 EMRK gebotenen Schutz von Ehe und Familie zurücktrete.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2012 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG,
hilfsweise ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide bezogen.

15

Der Klage hat das Verwaltungsgericht Hamburg durch Urteil vom 24. Januar 2013 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2012 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, ohne vorher ausreisen und das Visumverfahren durchführen zu müssen. Er erfülle die Voraussetzungen der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Den Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse habe er erbracht. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG stehe der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Zwar liege ein Ausweisungsgrund vor, weil der Kläger unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist sei und sich hier illegal aufgehalten habe. In seinem Fall liege jedoch kein Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, sondern ein Ausnahmefall. Der Kläger genieße als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Diese in § 56 AufenthG zum Ausdruck kommende Wertung sei bei § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu berücksichtigen. Auch bestehe keine Wiederholungsgefahr. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe auch § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Der Kläger erfülle wegen seiner illegalen Einreise zwar nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Er könne einen Anspruch auch nicht auf § 39 Nr. 5 AufenthV stützen. Es sei aber das Ermessen für eine Entscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG eröffnet. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lägen vor. Das Ermessen der Beklagten sei zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert. Es sei durch die Fachanweisung Nr. 1/2012, Seite 17 ff., 20 entsprechend gebunden.

16

Mit der vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 17. April 2013 zugelassenen und am 7. Mai 2013 begründeten Berufung macht die Beklagte u.a. geltend: Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis kein Ausweisungsgrund i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegenstehe. Der Kläger habe einen Ausweisungsgrund verwirklicht. Es komme nicht darauf an, ob er im konkreten Fall – etwa wegen besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG - tatsächlich (nicht) ausgewiesen werden könne. Auch sei es unerheblich, ob die Gefahr der Begehung neuer Straftaten drohe. Es gehe hier nicht um die Durchsetzung der Ausweisung und ein längeres Fernhalten des Klägers, sondern nur um die Einhaltung des Visumverfahrens, das üblicherweise drei bis vier Monate dauere und an dessen Durchsetzung auch bei mit Deutschen verheirateten Ausländern ein öffentliches Interesse bestehe. Der aufgrund besonderer familiärer Bindungen im Bundesgebiet bestehende besondere Ausweisungsschutz sei allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen, nicht aber bei der Prüfung eines Ausnahmefalls nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei die Ausnahmeregelung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht gegeben, weil ein gesetzlicher Anspruch nicht bestehe. Bei der illegalen Einreise träfen zwei Tatbestandsmerkmale zusammen: der Ausweisungsgrund nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und der Visumverstoß nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Diese Rechtsgrundlagen dürften nicht vermischt werden. Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG könne nie vorliegen, wenn ein Ausländer zur Eheschließung illegal eingereist sei und sich später dauerhaft hier aufhalten wolle. Ferner sei die Annahme des Verwaltungsgerichts falsch, das Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei im Fall eines gesetzlichen Anspruchs aufgrund der früheren und der nunmehr geltenden Fachanweisung der Behörde für Inneres und Sport zum Ausländerrecht Nr. 1/2013 auf Null reduziert. Die Ausführungen auf Seite 22 der aktuellen Fachanweisung bezögen sich auf sonstige Fälle des Rechtsanspruchs aus familiären Gründen und ausdrücklich nicht auf Fälle des Ehegattennachzugs.

17

Für den Fall, dass das Berufungsgericht weiterhin von einem gesetzlichen Anspruch i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausgehe und damit das nach dieser Vorschrift gegebene Ermessen als eröffnet ansehe, übe sie, die Beklagte, hilfsweise dieses Ermessen wie folgt aus: Sie habe zwischen dem Interesse des Klägers an der ununterbrochenen Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet und dem öffentlichen Interesse an der Durchführung des Visumverfahrens abzuwägen. Das private Interesse des Klägers ergebe sich u.a. daraus, dass ihm Kosten für Aus- und Wiedereinreise entstünden. Außerdem wären die Eheleute etwa drei bis vier Monate getrennt. Der Kläger habe aber die Situation selbst herbeigeführt, weil er - bereits zum zweiten Mal - bewusst unerlaubt eingereist sei. Er habe gezeigt, dass er die Einreisevorschriften nicht einhalten wolle und sogar in Kauf nehme, gegen Strafvorschriften zu verstoßen. Es bestehe ein öffentliches Interesse an dem geregelten Zuzug von Ausländern, die sich auf Dauer im Bundesgebiet niederlassen wollten. Dieses öffentliche Interesse umfasse auch die staatliche Pflicht, Schaden von den berechtigt im Bundesgebiet lebenden Personen möglichst abzuhalten. Dies erfordere die Kontrolle der einreisewilligen Personen, die einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet anstrebten, vor ihrer Einreise. Das öffentliche Interesse an der Durchführung des Visumverfahrens entfalle auch dann nicht, wenn sich im konkreten Einzelfall herausstelle, dass der unerlaubt eingereiste Ausländer keine konkrete Gefahr darstelle oder sonst die öffentlichen Belange nicht beeinträchtige. Anderenfalls werde strafbares Verhalten prämiert. Die für den Kläger durch das Nachholen des Visumverfahrens entstehenden Nachteile seien gegenüber dem dargestellten öffentlichen Interesse von weitaus geringerer Bedeutung und stellten für ihn auch keine unzumutbare Belastung dar.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Januar 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

22

Er macht u.a. geltend, die Beklagte verkenne, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG alle denkbaren Ausweisungsgründe betreffe, während nur § 5 Abs. 2 die Frage der unerlaubten Einreise und Ausnahmen hiervon regle. In jedem Einzelfall, in dem ein Ausweisungsgrund vorliege, müsse geprüft werden, ob ein Ausnahmefall gegeben sei. Bei dieser Prüfung sei es aber verfehlt, auf die Rechtsfolgen abzustellen, die sich aus der Feststellung eines Ausnahmefalls im Hinblick auf die Ausnahmemöglichkeiten des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergäben. Die Beklagte sei zu Unrecht im Hinblick auf ihr Ziel, die Visumpflicht durchzusetzen, in Fällen wie dem vorliegenden generell der Ansicht, dass eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht angenommen werden könne. Gerade wenn diese Regelerteilungsvoraussetzung mit dem Grundrecht aus Art. 6 GG und mit Art. 8 EMRK nicht zu vereinbaren sei, müsse ein Ausnahmefall anerkannt werden.

23

Im Hinblick auf das der Beklagten nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufentG eingeräumte Ermessen bestehe eine Ermessensbindung aufgrund der nunmehr geltenden Fachanweisung Nr. 1/2013. Die in der Fachanweisung für den Fall des § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG beim Ehegattennachzug bindend festgelegten Ermessenserwägungen gälten auch für den Fall eines gesetzlichen Anspruchs nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG. Eine voraussichtlich lange Dauer der Trennung von Familienangehörigen aufgrund der Nachholung des Visumverfahrens rechtfertige einen ausnahmsweisen Verzicht auf die Nachholung aus familiären Gründen. Eine solch lange Trennung sei wegen des 15-monatigen Wehrdienstes zu erwarten. Die im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG von der Beklagten jetzt angestellten Ermessenserwägungen seien fehlerhaft, weil die Beklagte von einer Trennungszeit von drei bis vier Monaten für die Dauer des Visumverfahrens ausgehe, der in der Türkei bei seiner Rückkehr noch abzuleistende Militärdienst aber 15 Monate betrage. Die Ermessenerwägungen seien auch deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte geltend mache, der Gesetzgeber halte auch in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich am Visumverfahren fest. Damit verkenne die Beklagte, dass das ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eingeräumte Ermessen gerade ermögliche, hiervon anzusehen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des Verfahrens 4 Bs 15/12, die Sachakten der Beklagten und den Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die Türkei vom 26. August 2012 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht vollen Umfangs stattgegeben. Die zulässige Klage des Klägers hat nur insoweit Erfolg, als die Beklagte verpflichtet wird, über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden; insoweit ist das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern. Die darüber hinausgehende Berufung hat keinen Erfolg.

I.

26

Die zulässige Klage des Klägers ist teilweise begründet.

27

Der Bescheid vom 1. September 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zum Zweck des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau abgelehnt hat (dazu unter 1.). Die Sache ist aber nicht spruchreif. Deshalb hat der Kläger lediglich einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, dazu unter 2.).

28

1. Die Beklagte hat es in rechtswidriger Weise abgelehnt, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

29

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (st. Rspr., BVerwG, Urt. v. 13.6.2013, 10 C 24.12, juris Rn. 8; Urt. v. 7.4.2009, 1 C 17.08, BVerwGE 133, 329, juris Rn. 10). Daher ist dem Begehren des Klägers das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 3 des Änderungsgesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3556), zu Grunde zu legen.

30

Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG steht nicht bereits § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entgegen. Denn aus dem Schreiben der Beklagten vom 14. Juni 2012 ergibt sich, dass sie die Ausweisungsverfügung vom 20. März 2012 aufgehoben hat. Dies hat sie im Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 bestätigt.

31

Die für die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis erforderlichen besonderen Erteilungsvoraussetzungen (hierzu unter a) sowie die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG liegen vor (hierzu unter b). Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht zwingend entgegen, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist ist, da der Beklagten Ermessen eingeräumt ist, von dieser Anforderung abzusehen (hierzu unter c). Die Beklagte hat von diesem Ermessen allerdings nicht bzw. fehlerhaft Gebrauch gemacht (hierzu unter d).

32

a) Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die beantragte Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung liegen vor.

33

Der Kläger hat für einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nachgewiesen, dass er den Aufenthaltstitel als Ehegatte seiner deutschen Ehefrau erstrebt, um mit ihr in der Bundesrepublik zusammenzuleben. Zweifel daran, dass der Kläger mit seiner Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft führt, bestehen nicht.

34

Der Kläger erfüllt zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch die in §§ 28 Abs. 1 Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorgesehene Voraussetzung, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können. Er hat bereits im Verwaltungsverfahren einen Nachweis darüber vorgelegt, dass er die deutsche Sprache auf dem Niveau A1 beherrscht (Bescheinigung des Diakonie – Cafes „Why Not“ vom 23.1.2012). Unerheblich ist, dass der Kläger die deutschen Sprachkenntnisse erst in der Bundesrepublik erworben und nachgewiesen hat (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2011, 4 Bs 153/11, m.w.N., n.v.). Weder dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG noch der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 173 f.) lässt sich entnehmen, dass der Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse zwingend vor der Einreise erbracht werden muss. Deshalb besteht kein Grund, von dem allgemeinen Grundsatz für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzuweichen und nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2011, 4 Bs 153/11; Beschl. v. 27.9.2010, 2 Bs 183/10, NordÖR 2011, 250). Dies wird auch von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen.

35

b) Die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG sind ebenfalls erfüllt.

36

aa) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Dahinstehen kann, ob eine Berechnung des Einkommens der Eheleute ergeben würde, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sichern kann. Denn auch ein möglicher Anspruch des Klägers auf öffentliche Leistungen stünde der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Die Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung mit einem deutschen Ehepartner soll nach § 28 Abs. 1 Satz 3 AufentG in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Besondere Umstände, die es gebieten, ausnahmsweise entgegen der gesetzlichen Regel den Ehegattennachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 4.9.2012, 10 C 12.12, BVerwGE 144, 141, juris Rn. 30), liegen nicht vor.

37

bb) Der Kläger ist im Besitz eines gültigen Nationalpasses (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG).

38

cc) Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist ebenfalls gegeben. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt danach in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Ein Ausweisungsgrund liegt zwar vor, allerdings steht dieser der Erteilung nicht entgegen, da eine Ausnahme von der Regel anzunehmen ist.

39

(1) Ein Ausweisungsgrund liegt vor. Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 6. März 2010 illegal in die Bundesrepublik eingereist ist, hat durch diese illegale Einreise und durch seinen anschließenden (nach eigenem Vortrag) 13-monatigen illegalen Aufenthalt einen Ausweisungsgrund verwirklicht.

40

Ein Ausweisungsgrund i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liegt dann vor, wenn einer der Tatbestände der §§ 53 bis 55 AufenthG erfüllt ist. Das ist der Fall. Der Kläger hat einen nicht geringfügigen Rechtsverstoß im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG begangen. Er hat durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt bis April 2011 gegen §§ 4, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verstoßen und damit den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG vorsätzlich verwirklicht. Vorsätzlich begangene Straftaten stellen grundsätzlich keinen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 2 AufenthG dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.1998, 1 C 27.96, BVerwGE 107, 58, juris Rn. 27). Die hier begangenen Verstöße rechtfertigen nicht ausnahmsweise eine andere Bewertung.

41

Für das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes ist die Verwirklichung des Tatbestandes des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ausreichend, ohne dass es in diesem Zusammenhang auf die Zulässigkeit der Ausweisung im Einzelfall und das Eingreifen eines besonderen Ausweisungsschutzes ankommt (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juli 2013, § 5 Rn. 55 f.). Es ist somit nicht erforderlich, dass der Ausländer ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.7.2002, 1 C 8/02, BVerwGE 116, 378, juris Rn. 20; OVG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2011, 5 Bs 158/11, AuAS 2012, 2, juris Rn. 18; Beschl. v. 21.7.2010, 3 Bs 58/10, AuAS 2010, 256, juris Rn. 14; BayVGH, Beschl. v. 3.1.2007, 24 CS 06.2634, juris Rn. 13).

42

Der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geht nicht § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als speziellere Regelung im – hier vorliegenden - Fall eines Verstoßes gegen Einreisevorschriften vor. Diese weitere allgemeine Erteilungsvoraussetzung verlangt die Einreise mit dem erforderlichen Visum und regelt damit die Verletzung von Einreisevorschriften ausdrücklich als einen der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehenden Tatbestand; sie sieht ein eigenständiges Prüfungs- und Entscheidungsprogramm vor. Der Verstoß gegen Visumvorschriften hindert aber nicht die Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Zwar könnte die innere Systematik des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AufenthG darauf hindeuten, dass solche Ausweisungsgründe von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgeschlossen sind, die Gegenstand der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind. Allerdings ist § 5 Abs. 2 AufenthG nicht als in diesem Sinne speziellere Regelung zu verstehen. Die Vorschrift steht ausdrücklich neben dem allgemein und umfassend formulierten Abs. 1 mit der Folge, dass der konkrete Sachverhalt sowohl an der (negativen) Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als auch an der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu messen ist (so im Ergebnis: BVerwG, Urt. v. 30.7.2013, 1 C 15.12, BVerwGE 147, 278, juris Rn. 21, 23, 24; Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 24, 27).

43

(2) Im Fall des Klägers liegt nicht der Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Vielmehr ist ein Ausnahmefall gegeben mit der Folge, dass der bestehende Ausweisungsgrund der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht.

44

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hindert ein Ausweisungsgrund die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel, d.h. nur dann, wenn nicht ein Ausnahmefall anzunehmen ist. Dieser ist für jede einzelne Norm und für jeden Einzelfall zu prüfen. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn ein atypischer Sachverhalt gegeben ist, der sich von der Menge gleich liegender Fälle durch besondere Umstände unterscheidet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht des der Regelerteilungsvoraussetzung zugrunde liegenden öffentlichen Interesses beseitigen. Auch Rechtsgründe, etwa verfassungsrechtliche Wertentscheidungen, insbesondere aus Art. 6 Abs. 1 GG, können die Annahme eines Ausnahmefalles gebieten (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.6.2013, 10 C 16.12, InfAuslR 2013, 364, juris Rn. 16; Urt. v. 22.5.2012, 1 C 6.11, BVerwGE 143, 150, juris Rn. 11; Urt. v. 26.8.2008, 1 C 32.07, BVerwGE 131, 370, juris Rn. 27; OVG Bautzen, Beschl. v. 7.3.2013, 3 A 132/12, juris Rn. 56; OVG Hamburg, Beschl. v. 16.6.2011, 3 Bf 361/06, BA S. 4 f.; OVG Bremen, Beschl. v. 27.10.2009, 1 B 224/09, ZAR 2010, 32, juris Rn. 25; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Juli 2013, § 5 Rn. 22, 62; Hailbronner, AuslR, Stand April 2013/Juni 2011, § 5 Rn. 6). Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar (BVerwG, Urt. v. 22.5.2012, 1 C 6.11, BVerwGE 143, 150, juris Rn. 11 m.w.N.). Nach diesem Maßstab liegt im Fall des Klägers ein Sachverhalt vor, der im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm vom Regelfall abweichende besondere Umstände aufweist.

45

Die Annahme eines Ausnahmefalls scheidet entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits deshalb aus, weil sich - wie die Beklagte meint - der Kläger nicht von anderen deutschverheirateten Ausländern unterscheide. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist nicht auf eine bestimmte Gruppe von Ausländern ausgerichtet. Sie betrifft alle Ausländer und nicht nur diejenigen, die mit deutschen Staatsangehörigen verheiratet sind. Die Regelung betrifft auch keineswegs nur Ausweisungsgründe, die auf Verstößen gegen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beruhen, sondern alle denkbaren Ausweisungsgründe, insbesondere auch solche, die so gewichtig sind, dass sie zwingend oder regelhaft zur Ausweisung führen würden. In jeder denkbaren Konstellation kann daher ein Ausnahmefall vorliegen.

46

Die besonderen, einen atypischen Sachverhalt begründenden Umstände beruhen darauf, dass der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt und dass der Ausweisungsgrund allein in der Einreise ohne das erforderliche Visum und dem anschließenden Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen besteht. Im Hinblick auf den Regelungszweck des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bedarf es bei deutschverheirateten Ausländern, bei denen der Ausweisungsgrund allein in dem oben genannten Verstoß gegen die Einreise- und Aufenthaltsvorschriften besteht, einer besonderen Bewertung. Auf sie lassen sich die Rechtsfolgen, die für den Regelfall gelten, nicht ohne Weiteres übertragen. Bereits die Bewertung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit deutschen Staatsangehörigen im Ausländerrecht zeigt, dass hier gegenüber dem Regelfall eine differenzierende Betrachtung angezeigt ist. Eine differenzierende Betrachtung ist zudem angezeigt, wenn es um das Gewicht geht, das dem oben genannten Verstoß gegen die Einreise- und Aufenthaltsvorschriften durch deutschverheiratete Ausländer zukommt. Im Einzelnen:

47

Regelungszweck des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist es, solchen Personen den Aufenthalt zu verwehren, deren Aufenthalt die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 55 Abs. 1 AufenthG beeinträchtigt (vgl. Funke-Kaiser, in GK-AufenthG, Stand August 2013, § 5 Rn. 63, m.w.N.). Soweit der Ausweisungsgrund darin besteht, dass der Ausländer gegen Rechtsvorschriften verstoßen und möglicherweise sogar Straftaten begangen hat, liegt dem ein (auch) spezialpräventiver Ansatz zugrunde; es sollen gegenwärtige bzw. in absehbarer Zukunft zu befürchtende Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit durch Versagung eines Aufenthaltsrechts abgewendet werden (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 10.12.2010, 18 B 1598/10, juris Rn. 3). Dieser Zweck verliert an Gewicht, wenn es - wie es hier der Fall ist - um Ausländer geht, die mit deutschen Staatsangehörigen verheiratet sind, und wenn deren Verstoß gegen die Rechtsordnung allein in dem oben genannten Verstoß gegen die Einreise- und Aufenthaltsvorschriften besteht. Denn nach den Wertungen des Aufenthaltsgesetzes soll in einem derartigen Fall ein Aufenthalt in Deutschland nicht zwingend verwehrt werden.

48

Die deutschverheiratete Ausländer betreffenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen sind wegen der Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK grundsätzlich auf die Gewährleistung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ausgerichtet. Für die ausländischen Ehepartner Deutscher gelten erleichterte Anforderungen an die Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 AufenthG) und an die Aufrechterhaltung des Aufenthalts sowie höhere rechtliche Hürden bei der Beendigung des Aufenthalts. Ehegatten deutscher Staatsangehöriger genießen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz und können deshalb jedenfalls hinsichtlich der hier relevanten Straftaten wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts nicht ausgewiesen werden; dies wäre nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich, an denen es hier fehlt. Der Einbeziehung von ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger in den besonderen Ausweisungsschutz trägt Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung. Auch aus Art. 8 EMRK folgt, dass jedenfalls dann, wenn eine Ausweisung zur Trennung der Ehegatten führt, ein qualifizierter Ausweisungsgrund gegeben sein muss (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 27.10.2009, 1 B 224/09, ZAR 2010, 32, juris Rn. 30, m.w.N.). Der hier verwirklichte Ausweisungsgrund würde somit nicht zu einer Beendigung des Aufenthaltes führen; ein bestehender Aufenthaltstitel würde nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Ausweisung erlöschen (gegen die Berücksichtigung einer solchen Wertung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: OVG Hamburg, Beschl. v. 19.6.2013, 3 Bs 163/13, n.v.).

49

Diese aufenthaltsrechtliche Bewertung bestehender ehelicher Lebensgemeinschaften mit deutschen Staatsangehörigen schlägt auch auf das Gewicht durch, das dem Ausweisungsgrund für die Frage zukommt, ob eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Beruht der von einem deutschverheirateten Ausländer verwirklichte Ausweisungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausschließlich auf Rechtsverstößen, die unmittelbar durch die Einreise selbst und den anschließenden illegalen Aufenthalt begründet sind, und bestehen keine Begleit- oder Folgedelikte wie z.B. die Fälschung eines Visums oder vorsätzlich falsche Angaben gegenüber der Botschaft zur Erlangung des Visums (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 135; juris Rn. 24 f.), kommt dem Ausweisungsgrund seine vertypte Gefahrenabwehrfunktion nicht mehr zu. Der spezialpräventive Zweck der (negativen) Erteilungsvoraussetzung geht ins Leere. In diesem Fall ist der Ausweisungsgrund nicht beachtlich, da die öffentliche Sicherheit und Ordnung aktuell nicht mehr beeinträchtigt wird (zu diesem Maßstab vgl. auch Nr. 5.1.2.2 der Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26.10.2009, GMBl. S. 877, 918). Denn eine zukünftige Wiederholung der Verstöße gegen die Einreisevorschriften ist grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Ausländer, der mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, hat - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – regelmäßig ein Aufenthaltsrecht und kann einen Aufenthaltstitel nach §§ 4 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG beanspruchen. Damit sind bezogen auf den Aufenthaltszweck der ehelichen Lebensgemeinschaft ein erneuter Verstoß gegen Visumbestimmungen sowie ein illegaler Aufenthalt und damit eine erneute Verletzung der einschlägigen Strafvorschriften (§ 95 Abs. 1 Nr. 2, 3 AufenthG) nicht zu erwarten (in diesem Sinne auch: VGH Mannheim, Beschl. v. 20.9.2012, 11 S 1608/12, InfAuslR 2013, 30, juris Rn. 5).

50

(3) Das Regel- / Ausnahmeverhältnis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wird in dem - hier vorliegenden - Fall, dass familiäre Bindungen zu berücksichtigen sind, nicht durch die Vorschrift des § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verdrängt.

51

Familiäre Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet sind bereits bei der Frage zu berücksichtigen, ob im konkreten Fall eine Ausnahme von der (negativen) Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gegeben ist, und sie können zur Annahme einer Ausnahme führen. Familiäre Bindungen sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erst und ausschließlich im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen. Denn § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, wonach von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden kann, steht zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht in einem Verhältnis der Spezialität (a.A. OVG Magdeburg, Beschl. v. 9.2.2009, 2 M 276/08, juris Rn. 25; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.4.2006, 5 LC 110/05, NVwZ-RR 2007, 62, juris Rn. 50; diese Frage nicht ansprechend: BVerwG, Urt. v. 30.7.2013, 1 C 15.12, BVerwGE 147, 292, juris Rn. 23).

52

Der Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (BT-Drs. 15/420, S. 81) lässt sich zwar entnehmen, dass der Gesetzgeber die Vorstellung hatte, bei Vorliegen von Ausweisungsgründen sei wie im bisherigen Recht (§ 17 Abs. 5 AuslG) eine Ermessensentscheidung zu treffen. Weder die Gesetzessystematik noch der Wortlaut oder Sinn und Zweck der Vorschrift lassen aber den Schluss zu, dass sie darauf gerichtet ist, die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dahingehend einzuschränken, dass bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes familiäre Umstände keinen Ausnahmefall begründen, sondern nur im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG berücksichtigt werden können (vgl. auch OVG Bautzen, Beschl. v. 7.3.2013, 3 A 132/12, juris Rn. 54; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 5 Rn. 72). § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG regelt allein die Möglichkeit, von einem sonst zwingend der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehenden Ausweisungsgrund abzusehen. Die Ermessenseröffnung knüpft damit an § 5 Abs. 1 AufenthG und das dieser Vorschrift zugrunde liegende System von Regel und Ausnahme an. § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG setzt voraus, dass ein Regelfall vorliegt. Denn im Falle einer Ausnahme stünde der Ausweisungsgrund der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ohnehin nicht entgegen; einer Ermessensentscheidung bedürfte es nicht. Die Vorschrift trifft hingegen keinerlei Aussagen zum Gegenstand möglicher Ausweisungsgründe. Sie regelt insbesondere nicht, wann die (negative) Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorliegt und unter welchen Umständen ein Ausnahmefall anzunehmen ist.

53

Zur Auslegung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG und damit auch des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kann im Übrigen nicht auf die zum früheren § 7 Abs. 2 AuslG ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 29.7.1993, 1 C 25.93, BVerwGE 94, 35, juris Rn. 36) zurückgegriffen werden. Nach dieser Norm war im Falle einer Ausnahme vom Regelfall Ermessen eröffnet. Das ist nach dem heutigen System des § 5 Abs. 1 AufenthG nicht der Fall. Vielmehr steht im Falle einer Ausnahme der Ausweisungsgrund der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis generell nicht entgegen. Deshalb lässt sich die zum früheren Recht ergangene Rechtsprechung auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht übertragen (vgl. zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 30.4.2009, 1 C 3.08, InfAuslR 2009, 333, juris Rn. 15).

54

(4) Liegt somit ein Ausnahmefall vor, ist die (negative) Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass kein Ausweisungsgrund bestehen darf, erfüllt. Der gleichwohl vorliegende Ausweisungsgrund steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Insoweit folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.7.2013, 1 C 15.12, BVerwGE 147, 278, juris Rn. 23; Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 23) nichts anderes. Denn dort ist das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis von einem der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehenden Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgegangen.

55

c) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitert nicht daran, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist ist. Zwar erfüllt der Kläger die weitere Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht (hierzu unter aa). Doch sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen hiervon nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden kann (hierzu unter bb).

56

aa) Der Kläger erfüllt nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

57

(1) Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Daran fehlt es. Der Kläger ist als türkischer Staatsangehöriger für die Einreise und den Aufenthalt zum Zweck der der Arbeitsaufnahme bzw. der Familienzusammenführung nach §§ 4, 6 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl. EG Nr. L 81 S. 1) und deren Anhang I visumpflichtig. Ein solches Visum hat der Kläger vor seiner Einreise nicht eingeholt.

58

(2) Die Möglichkeit zur visumfreien Einreise folgt nicht aus dem Verschlechterungsverbot des Art. 13 ARB 1/80.

59

Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ANBA 1981 S. 4) - ARB 1/80 - berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, Vorschriften über die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet und über die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung zu erlassen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.1992, Rs. C-237/91 [Kus], Slg. 1992, I-06781, Rn. 25). Selbst wenn Art. 13 ARB 1/80 auch in Bezug auf die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats der Einführung neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit entgegenstehen sollte, kann sich dies nur auf solche Personen beziehen, die von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen wollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.3.2010, 1 C 8.09, BVerwGE 136, 231, juris Rn. 20). Der Kläger als Ehemann einer deutschen Staatsangehörigen begehrt aber einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Familienzusammenführung. Im Übrigen wäre eine Verschlechterung seiner Rechtsposition, der die Stillhalteklausel entgegenwirken könnte, jedenfalls nicht festzustellen. Er wäre weder im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 13 ARB 1/80 am 1. Dezember 1980 (vgl. Art. 16 Abs. 1 ARB 1/80) noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt berechtigt gewesen, ohne das erforderliche Visum in das Bundesgebiet einzureisen. Nach § 5 Abs. 2 AuslG 1965 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 DV AuslG in der Fassung der 11. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Juli 1980 (BGBl. I 1980, 782), in Kraft getreten am 5. Oktober 1980, galt das Erfordernis einer vor der Einreise in der Form eines Sichtvermerks einzuholenden Aufenthaltserlaubnis für einen geplanten Daueraufenthalt u.a. für die Staatsangehörigen eines Staates, der - wie die Türkei - in der Anlage zur Verordnung nicht aufgeführt war. Entsprechendes galt für den Kläger nach § 3 Abs. 3 AuslG 1990 i.V.m. §§ 2, 9 f. DVAuslG vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I 2983). Soweit der Kläger auch beabsichtigt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, folgt für ihn aus der Stillhalteklausel ebenfalls keine Befreiung von der Visumpflicht. Denn schon vor Inkrafttreten des Art. 7 ARB 2/76 und des Art. 6 ARB 1/80 bestand für den Aufenthaltszweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 5 Abs. 2 des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 (BGBl. I S. 353 - AuslG 1965) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes 1965 (hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1976, BGBl. I S. 1717) das Erfordernis, vor der Einreise eine Aufenthaltserlaubnis in Form eines Sichtvermerks (Visum) einzuholen (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 16.7.2013, 4 Bs 162/13, n.v.; OVG Saarlouis, Beschl. v. 2.5.2012, 2 B 47/12, juris Rn. 15).

60

(3) Die Visumpflicht entfällt auch nicht wegen Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385) - ZP-. Nach dem am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Art. 41 Abs. 1 ZP verpflichten sich die Vertragsparteien, untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen. Es fehlt bereits an einer neuen Beschränkung, soweit türkische Staatsangehörige – wie möglicherweise der Kläger bei seiner Einreise – im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen. Denn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 41 ZP bestand für diese die Visumpflicht (s.o.). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Vorschriften über die Assoziation EWG-Türkei nicht die Befugnis der Mitgliedsstaaten berühren, Vorschriften sowohl über die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet als auch über die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung zu erlassen, und lediglich die Stellung türkischer Arbeitnehmer regeln, die bereits ordnungsgemäß in den Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten eingegliedert sind (vgl. EuGH, Urt. v. 11.5.2000, Rs. C-37/98 [Savas], Slg. 2000, I-20927 Rn. 58). Mit dem Familiennachzug strebt der Kläger einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet an; dieser unterfällt weder der Niederlassungs- noch der Dienstleistungsfreiheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.3.2010, 1 C 8.09, BVerwGE 136, 231, juris Rn. 19; OVG Hamburg, Beschl. v. 11.2.2013, 4 Bs 162/12, S. 12 f. BA, n.v.; OVG Münster, Beschl. v. 11.7.2012, 18 B 562/12, juris Rn. 4 ff.; OVG Saarlouis, Beschl. v. 2.5.2012, 2 B 47/12, juris Rn. 13). Die Stillhalteklausel ist im Übrigen auch nicht geeignet, türkischen Staatsangehörigen, die nur Dienstleistungen in einem Mitgliedsstaat empfangen wollen, allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen oder ein Recht auf visumfreie Einreise zu verschaffen. Denn der dort verwendete Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs umfasst nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH, Urt. v. 24.9.2013, Rs. C-221/11 [Demirkan], NVwZ 2013, 1465).

61

(4) Der Kläger kann die Aufenthaltserlaubnis auch nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG nach § 39 Nr. 5 AufenthV ohne vorherige Ausreise einholen.

62

Gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Der Kläger war weder zum Zeitpunkt der Antragstellung oder der letzten Behördenentscheidung noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Besitz einer Duldung, wie sie § 39 Nr. 5 AufenthV voraussetzt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung besaß der Kläger noch keine Duldung und auf die Duldungen, die ihm nach der Eheschließung bis jetzt erteilt wurden, kann sich der Kläger nicht berufen. Diese Duldungen dienten dem Zweck, ihm die Vorbereitung einer freiwilligen Ausreise zu ermöglichen und anschließend seine Abschiebung vorzubereiten bzw. gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten. Es widerspräche dem Sinn der Regelung in § 39 Nr. 5 AufenthV, wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift auch dann in zulässiger Weise im Bundesgebiet eingeholt werden dürfte, wenn gerade über diese – von der Behörde verneinte – Berechtigung Streit besteht und die Duldungserteilung im Hinblick auf eine von der Behörde betriebene baldige Aufenthaltsbeendigung erfolgt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2012, 4 Bs 15/12, juris Rn. 37; Beschl. v. 16.11.2010, 4 Bs 220/10, AuAS 2011, 65, juris Rn. 10 ff.; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.1.2012, OVG 11 S 6.12, juris Rn. 10, OVG Münster, Beschl. v. 30.4.2010, 18 B 180/10, juris Rn. 10).

63

bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen, unter denen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG Ermessen eröffnet ist, von der Einhaltung des Visumverfahrens abzusehen, liegen vor. Das ist der Fall, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind (1. Altern.) oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (2. Altern.). Zwar ist das Ermessen nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG eröffnet (hierzu unter (1)). Der Kläger hat aber einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sodass die Beklagte Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG auszuüben hat (hierzu unter (2)).

64

(1) Für den Kläger ist es nicht auf Grund besonderer Umstände unzumutbar im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG, das Visumverfahren nachzuholen. Gründe, die eine zeitweise Trennung der Eheleute als unzumutbar erscheinen lassen, liegen nicht vor.

65

Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.8.2013, 2 BvR 586/13, juris Rn. 12; Beschl. v. 12.5.1987, 2 BvR 1226/83, 2 BvR 101/84, 2 BvR 32 BvR 313/84, BVerfGE 76, 1, 49 ff., juris Rn. 103). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.5.2011, 2 BvR 1367/10, NVwZ-RR 2011, 585, juris Rn. 14 m.w.N.).

66

Dass die zeitweise Trennung der Eheleute aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar und deshalb unverhältnismäßig sein könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen und dies ist auch nicht ersichtlich. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der wehrpflichtige Kläger nach seiner Rückkehr in die Türkei den Wehrdienst ableisten muss, der grundsätzlich 15 Monate andauert (vgl. zu den altersmäßigen Anforderungen und zur Dauer des obligatorischen Wehrdienstes: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.8.2012, S. 17 f.). Eine Trennung von seiner Ehefrau für diese Zeit erscheint allerdings auch unter Berücksichtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten privaten Interessen der Eheleute nicht unverhältnismäßig.

67

Nachzugshindernisse von begrenzter Zeitdauer, wie es das Visumverfahren darstellt, sind auch beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nicht von vornherein verfassungswidrig (vgl. zum Visumverfahren: BVerfG, Beschl. v. 17.5.2011, 2 BvR 1367/10, juris Rn. 15; Beschl. v. 4.12.2007, 2 BvR 2341/06, InfAuslR 2008, 239 f., juris Rn. 6; BVerwG, Urt. v. 11.1.2011, 1 C 23.09, BVerwGE 138, 353, juris Rn. 34). Ob eine Warte- und Trennungszeit für Eheleute unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Ziele mit der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, bedarf vielmehr der Bewertung des Einzelfalls.

68

Danach erweist sich die Trennungszeit von 15 Monaten, die - wenn der Kläger das Visumverfahren nachholt - wegen des noch zu leistenden Wehrdienstes zu erwarten ist, nicht als unverhältnismäßig. Zwar kann z.B. das gesetzlich verlangte Spracherfordernis nach § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz Nr. 2 AufenthG als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG qualifiziert geschützten Belange des ausländischen und des deutschen Ehegatten übersteigen und damit unzumutbar sein, wenn es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache in seinem Heimatland zu erlernen. In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung im Fall zumutbarer Bemühungen spätestens nach einem Jahr in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.2012, 10 C 12.12, BVerwGE 144, 141, juris Rn. 26 ff.). Diese bezogen auf den Spracherwerb geltenden Wertungen lassen sich aber auf den Wehrdienst nicht übertragen. Der Wehrdienst ist nicht ein durch nationale Regelungen des deutschen Gesetzgebers bestimmtes Nachzugserfordernis, sondern beruht auf den gesetzlichen Bestimmungen und öffentlichen Interessen eines anderen Staates, denen der Kläger als türkischer Staatsangehöriger unterliegt. Dass es wegen des noch nicht geleisteten Wehrdienstes zu einer Trennung kommen könnte, war beiden Eheleuten bei Eingehung der Beziehung bekannt. Diese Trennung stellt einen von vornherein zeitlich beschränkten Zeitraum dar, der die Zeitdauer von einem Jahr nur geringfügig übersteigt. Das zeitweise Nachzugshindernis der Wehrpflicht kann nicht in ein der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet auf unabsehbare Zeit oder dauerhaft entgegenstehendes Nachzugshindernis umschlagen. Denn die Ableistung des zeitlich begrenzten Wehrdienstes ist - anders als der erfolgreiche Erwerb von Sprachkenntnissen - unabhängig von persönlichen Fähigkeiten des Wehrpflichtigen. Die durch die Ableistung des Wehrdienstes im Heimatland des Antragstellers bedingte Trennung wird im Übrigen dadurch gemildert, dass während dieser Zeit die Möglichkeit der Kommunikation mit seiner Ehefrau sowie von Besuchen besteht (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 11.2.2013, 4 Bs 269/12, n.v., S. 16 BA; Beschl. v. 16.11.2010, 4 Bs 220/10, juris Rn. 14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.1.2011, OVG 11 S 51.10, juris Rn. 14).

69

(2) Die Beklagte kann von der Einhaltung des Visumverfahrens nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG absehen, weil im Fall des Klägers die Voraussetzungen eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen.

70

Unter einem „Anspruch“ ist grundsätzlich ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen, der nur vorliegt, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. zu § 39 Abs. 3 AufenthV: BVerwG, Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 24, 27; vgl. zu § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 16.12.2008, 1 C 37.07, BVerwGE 132, 382, juris Rn. 24 m.w.N.). Die Voraussetzungen eines Anspruchs i.S. d. § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG sind auch dann erfüllt, wenn zwar eine regelhaft zu erfüllende Anspruchsvoraussetzung – vorliegend aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – nicht vorliegt, dies jedoch unschädlich ist, weil ein Ausnahmefall gegeben ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2012, 4 Bs 15/12, juris Rn. 38; Beschl. v. 26.10.2011, 5 Bs 158/11, AuAS 2012, 2, juris Rn. 24). Denn in einem solchen Fall steht § 5 Abs. 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen.

71

Dem Anspruch auf Erteilung steht entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht entgegen, dass hier die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht vorliegt und daher Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VwGO eröffnet ist. Der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG kann nur so verstanden werden, dass außer den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1im Übrigen die Voraussetzungen eines gesetzlichen Anspruchs vorliegen müssen. Denn § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG setzt tatbestandlich für die Eröffnung des Ermessens und damit für ein mögliches Absehen von einer Voraussetzung des Satzes 1 gerade voraus, dass es an einer solchen Voraussetzung des Satzes 1 fehlt, ansonsten aber alle allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Anderenfalls würde die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG leerlaufen. Der Begriff des gesetzlichen Anspruchs bzw. des Rechtsanspruchs ist vor dem Hintergrund des jeweiligen Regelungskontexts zu verstehen (vgl. zu § 39 Abs. 3 AufenthV: BVerwG, Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 24, 25; vgl. zum „strikten Rechtsanspruch“ i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG: BVerwG, Beschl. v. 16.2.2012, 1 B 22.11, juris Rn. 4; Urt. v. 16.12.2008, 1 C 37.07, BVerwGE 132, 382, Rn. 21 ff.; OVG Hamburg, Beschl. 16.1.2013, 4 Bs 185/12, n.v.; Beschl. v. 10.1.2013, 3 Bs 38/13, n.v.).

72

d) Die Entscheidung der Beklagten, von der Einhaltung des Visumverfahrens nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG abzusehen, ist fehlerhaft.

73

aa) In den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG eröffnetes Ermessen nicht ausgeübt.

74

Im maßgeblichen Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 hat die Beklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. und 2. Altern. AufenthG geprüft und ihr Vorliegen verneint. Auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung konsequent, hat die Beklagte sodann Ermessen im Hinblick auf § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ausgeübt (S. 4 des Widerspruchsbescheids). Ferner hat sie - unter Bezugnahme auf die Fachanweisung 1/2012 – lediglich (hilfsweise) Erwägungen in Bezug auf § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG angestellt (S. 6, Absatz 1 bis 3 des Widerspruchsbescheids).

75

Die zu § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG angestellten Ermessenserwägungen sind für die erforderliche Ausübung des Ermessens entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht maßgeblich. Es bedurfte eigenständiger Ermessenserwägungen zu § 5 Abs. 2 Satz 1 1. Altern. AufenthG. Denn die 1. Tatbestandsalternative des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG besitzt einen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Tatbestandsalternativen „gesetzlicher Anspruch“ und „Unzumutbarkeit“ weisen unterschiedliche Zweckrichtungen auf, denen die Ermessensbetätigung Rechnung tragen muss. Mit der 1. Alternative soll verhindert werden, dass das für die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung grundsätzlich unverzichtbare Visumverfahren im Einzelfall lediglich als eine bloße (für den Ausländer teure und auch für die Behörde zeit- und ressourcenaufwändige) Förmelei durchgeführt werden muss, wenn die materielle Prüfung schon zugunsten des Ausländers abgeschlossen ist (BT-Drs. 15/470, S. 70; vgl. auch Nr. 5.2.2.1 AVwV-AufenthG). Die 2. Alternative dient hingegen der Vermeidung von unzumutbaren Härten, die mit der (grundsätzlich erforderlichen) Nachholung des Visumverfahrens einhergehen (vgl. auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, a.a.O., § 5 Rn. 121). Hier stehen insbesondere individuelle Belastungen des Ausländers und/oder seiner Familienangehörigen durch seine Ausreise im Vordergrund, die im Fall der Nachholung des Visumverfahrens zu unverhältnismäßigen Eingriffen in geschützte Rechte aus Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1 GG führen können. Die Ausführungen der Beklagten zur (Un-)Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens (S. 6 des Widerspruchsbescheides) für die Eheleute tragen dem Regelungszweck der 1. Tatbestandsalternative „Anspruch auf Erteilung“ nicht Rechnung.

76

Die im Widerspruchsbescheid zu § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG angestellten Ermessenserwägungen können ebenfalls nicht als Ermessensentscheidung (auch) zu § 5 Abs. 2 Satz 1 1. Altern. AufenthG angesehen werden. Mit diesen Erwägungen hat die Beklagte das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens mit dem Interesse an der sofortigen Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft abgewogen und dabei die Zumutbarkeit der vorübergehenden Trennung bewertet. Dabei hat sie die Dauer der Trennung, fehlende die Ehe betreffende besondere Umstände und die Einbeziehung der Trennung in die Lebensplanung der Eheleute berücksichtigt. Den für die Ausübung des Ermessens im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG relevanten Gesichtspunkt, dass im Fall des Klägers ein Anspruch auf Erteilung besteht und dass sich das Visumverfahren deshalb als eine bloße Förmelei erweisen könnte, hat die Beklagte bei ihrer Ermessensbetätigung nicht berücksichtigt.

77

bb) Einschlägige Regelungen zur Ermessensausübung ergeben sich weder aus der Fachanweisung Nr. 1/2012, die die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid zur Grundlage ihrer Verwaltungsübung gemacht hat, noch aus der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht geltenden Fachanweisung Nr. 1/2013. Darin hat die Beklagte Anordnungen für eine regelmäßige Ermessensausübung für den Fall des Ehegattennachzugs bei einem bestehenden gesetzlichen Anspruch (§ 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG) nicht getroffen. Wie die Beklagte inzwischen klargestellt hat, beziehen sich die Ausführungen unter Abschnitt A.VI. (S. 20 ff.), denen der Senat in seiner früheren Rechtsprechung eine einschlägige Ermessensbindung entnommen hat (Beschl. v. 9.5.2012, 4 Bs 15/12, juris Rn. 39), zunächst nur auf den Fall des Ehegattennachzugs nach § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG und die weiteren Ausführungen - in Abgrenzung zum geregelten Ehegattennachzug im Fall der 2. Alternative des § 5 Abs. 2 Satz 2 - allein auf sonstige Fälle eines Rechtsanspruchs aus familiären Gründen, nicht jedoch auf Fälle des Ehegattennachzugs. Ob dieses Verständnis der Verwaltungsvorschrift zwingend ist, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist allein, dass die Beklagte sie in dieser Weise versteht und anwendet. An seiner in der Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geäußerten Rechtsansicht hält das Berufungsgericht deshalb nicht mehr fest.

78

cc) Die von der Beklagten nachgeholte Ermessensentscheidung ist fehlerhaft.

79

Die Beklagte hat Ermessenserwägungen zu § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG erstmals im Berufungsverfahren (hilfsweise) angestellt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine Nachholung von Ermessenserwägungen im Fall des Ermessensausfalls auch dann zulässig ist, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat und sich nicht erst wegen Umständen, die während des Klageverfahrens entstanden sind, die Notwendigkeit einer Ermessensausübung ergibt (ausdrücklich offenlassend im Fall einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme: BVerwG, Urt. v. 13.12.2011, 1 C 14.10, BVerwGE 141, 253, juris Rn. 13). Denn die nachgeholten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nach dem Prüfungsmaßstab des § 114 Satz 1 VwGO fehlerhaft. Die Beklagte ist im Hinblick auf die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG in ihrem Ermessen stehende Entscheidung, im Fall eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung von den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, teilweise von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und hat zudem eine fehlerhafte Gewichtung der privaten und öffentlichen Belange zu Lasten des Klägers vorgenommen.

80

Die Beklagte hat die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Visumpflicht im Fall des beabsichtigten Ehegattennachzugs, bei dem sich der Ehegatte bereits im Bundesgebiet aufhält, und die privaten und wirtschaftlichen Interessen des Klägers nicht vollständig und zutreffend ermittelt und in ihre Abwägung eingestellt. Ein Ermessensfehler liegt darin, dass sie bei ihrer Abwägung teilweise von falschen Tatsachen ausgegangen ist. Sie hat nicht berücksichtigt, dass das (private) Interesse des Klägers an der ununterbrochenen Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau im Bundesgebiet im Fall der Nachholung des Visumverfahrens nicht nur durch die aus Sicht der Beklagten zumutbare Trennungszeit von drei bis vier Monaten während der Dauer des Visumverfahrens beeinträchtigt wird, sondern dass bei einer Rückkehr des Klägers in die Türkei eine durch die erforderliche Ableistung des Wehrdienstes bedingte Trennungszeit der Ehepartner von mindestens 15 Monaten zu erwarten ist. Dieser vom Kläger vorgetragene und in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erörterte Sachverhalt war der Beklagten bekannt. Ihre Ermessenserwägungen hat sie trotz des Hinweises des Klägers in seiner Berufungserwiderung und deren Darstellung in der mündlichen Verhandlung nicht korrigiert oder ergänzt.

81

Zudem besteht ein Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO darin, dass die Beklagte dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG nicht hinreichend Rechnung getragen und die in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet hat. Eine solche fehlerhafte Gewichtung kann z.B. dann vorliegen, wenn die Behörde einzelnen Tatsachen ein Gewicht beimisst, das objektiven Wertungsmaßstäben nicht entspricht (vgl. zur Überprüfung der einzustellenden Belange: BVerwG, Urt. v. 19.11.1996, 1 C 6.95, BVerwGE 102, 249, juris Rn. 24 ff.). Ein solcher bei der Abwägung relevanter Maßstab für die Gewichtung der einander gegenüberstehenden Belange kann sich aus der einfachrechtlichen Wertung des Gesetzes und insbesondere aus den durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten privaten Belangen des Ausländers ergeben, die entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind (vgl. zum Maßstab Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2010, § 114 Rn. 181, 184; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 114 Rn. 7, 39-41).

82

Daran gemessen hat die Beklagte die auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Klägers zu gering gewichtet. Die Beklagte hat ein Übergewicht der öffentlichen Interessen mit der Begründung angenommen, das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Einreisevorschriften zum Zweck der Kontrolle von einreisewilligen Personen, die sich auf Dauer im Bundesgebiet niederlassen wollten, sowie am geregelten Zuzug von Ausländern überwiege deutlich die privaten Interessen des Klägers. Der Staat führe die gesetzliche Regelung ad absurdum, wenn er die Visumpflicht einführe, aber nicht dafür sorge, dass diese eingehalten werde. Sehe er trotz illegaler Einreise des Ausländers – wie im Fall des Klägers – von der Durchführung des Visumverfahrens ab, prämiere er damit strafbares Verhalten. Demgegenüber stelle die Nachholung für den Kläger – auch unter Berücksichtigung der Kosten für die Aus- und Wiedereinreise und der zeitweisen Trennung - keine unzumutbare Belastung dar.

83

Mit dieser Gewichtung verkennt die Beklagte die Reichweite und den Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG. Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte generalpräventive Gesichtspunkte wie die Bedeutung und Wirksamkeit des Visumverfahrens als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung (vgl. BT-Drs 15/420 S. 70) in ihre Ermessensbetätigung einstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.1.2011, 1 C 23.09, BVerwGE 138, 353, juris Rn. 34; Urt. v. 4.9.1986, 1 C 19.86, BVerwGE 75, 20, juris Rn. 14). Die Beklagte hat aber auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Eröffnung des Ermessens in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gerade ermöglichen will, im Einzelfall zu Gunsten des Ausländers von der Nachholung des Visumverfahrens abzusehen, und zwar nicht nur bei der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens, sondern auch dann, wenn ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht. Dem hat die Beklagte nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Beklagte hat trotz des gesetzlichen Anspruchs des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beim Ehegattennachzug generell dem – bereits die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG begründenden - öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Visumpflicht und an der Einholung des für den jeweiligen Aufenthaltszweck erforderlichen Aufenthaltstitels vom Ausland aus entscheidendes Gewicht beigemessen. Damit hat sie den vom Gesetzgeber eröffneten Ermessensspielraum faktisch nicht ausgenutzt und eine dem Einzelfall des Klägers Rechnung tragende Entscheidung nicht getroffen. Auch die weiteren Erwägungen tragen der Tatsache, dass im Fall des Klägers ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG vorliegt, nicht ausreichend Rechnung. Da bereits feststeht, dass dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sein wird, ist die von der Beklagten generell für erforderlich gehaltene Kontrolle von einreisewilligen Personen zum Schutz vor Gefahren für die im Bundesgebiet lebenden Menschen nicht mehr notwendig. Damit steigt das Gewicht der privaten Belange, eine Trennung von seiner Ehefrau zu vermeiden und die Kosten für die Reise in die Türkei sowie die Rückreise zu ersparen. Inwieweit der Kläger in der Lage ist, diese Kosten aufzubringen, hat die Beklagte noch nicht einmal geprüft. Die generalpräventiv motivierte Erwägung der Beklagten, es dürften keine Anreize für eine Einreise unter Verstoß gegen die Einreisevorschriften geschaffen werden, verkennt, dass es eine zwangsläufige Folge der Eröffnung des Ermessens (im Fall eines gesetzlichen Anspruchs) ist, dass im Einzelfall von den Einreisevorschriften abgesehen werden kann. Mit der von der Beklagten gegebenen Begründung läuft der vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessensspielraum leer.

84

Weiter hat die Beklagte bei ihrer Gewichtung der einander gegenüberstehenden Interessen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht berücksichtigt. Auf der Grundlage ihrer Fachanweisung 1/2013 (Seite 22) lässt die Beklagte in sonstigen Fällen eines Rechtsanspruchs aus familiären Gründen (Nachzug von Kindern oder Eltern) das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung des Visumverfahrens als wichtigem Steuerungsinstrument der Zuwanderung regelmäßig hinter dem gemäß Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebotenen Schutz von Ehe und Familie zurücktreten. Hierzu heißt es in der Fachanweisung weiter: „… Denn steht wegen des Vorliegens eines Rechtsanspruchs von vornherein fest, dass das Visum umgehend nach der Ausreise zu erteilen wäre, kommt der Nachholung des Visumverfahrens eine wesentliche Steuerungsfunktion, die eine Beeinträchtigung des gemäß Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebotenen Schutzes von Ehe und Familie durch – vorübergehende – Trennung der Familienangehörigen rechtfertigen könnte, nicht mehr zu. Das Bestehen auf der Durchführung eines Visumverfahrens würde in solchen Fällen allein zu Arbeitsaufwand für die beteiligten Behörden sowie zu wirtschaftlichem Aufwand für die Betroffenen führen, ohne eine echte Funktion in der Steuerung der Zuwanderung zu erfüllen.“ Diese Gründe gelten grundsätzlich gleichermaßen im Fall des hier vorliegenden Ehegattennachzugs, bei dem der ausländische Ehepartner sich bereits im Bundesgebiet aufhält und einen Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Familienzusammenführung hat. Die Beklagte hat keine Gründe angeführt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, aus denen sich ergeben könnte, dass im Fall des Ehegattennachzugs der Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis weniger wiegt und die öffentlichen Interessen an der Einhaltung des Visumverfahrens ein höheres Gewicht haben als im Falle des Nachzugs von anderen Familienangehörigen.

85

2. Die Beklagte kann nicht zur Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis verpflichtet werden, da die Sache nicht spruchreif ist. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Beklagte ihr Ermessen dahin ausübt, dass von der Durchführung des Visumverfahrens abgesehen wird.

86

Eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Klägers ist vorliegend nicht gegeben. Auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ist nicht ersichtlich, dass trotz des der Beklagten zukommenden Ermessensspielraums angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls nur die Erteilung des Aufenthaltstitels ermessensfehlerfrei wäre. Der mit der Nachholung des Visumverfahrens verbundene Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition des Klägers ist nicht so schwerwiegend, dass zwingend sogleich eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen wäre. Wie ausgeführt, ergibt sich aus der Fachanweisung 1/2013 keine Bindung des Ermessens für den Fall des Ehegattennachzugs im Fall eines bestehenden Rechtsanspruchs auf eine Aufenthaltserlaubnis; dieser Fall ist nach der Verwaltungspraxis von der Fachanweisung nicht erfasst. Auch scheidet ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den in der Fachanweisung 1/2013 geregelten Fällen des Familiennachzugs aus, da es der Beklagten grundsätzlich unbenommen ist, eine etwa erforderliche Gleichbehandlung auf andere Weise, ggf. auch durch eine Änderung ihrer derzeitigen Entscheidungspraxis in Fällen des sonstigen Familiennachzugs, herzustellen.

87

Im Übrigen ist für das Berufungsgericht nicht abschätzbar, ob es über die von der Beklagten herangezogenen hinaus weitere Gründe gibt, trotz des bestehenden Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis den Kläger noch auf das Visumverfahren zu verweisen. Dass es derartige Gründe gibt, welche die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen und zu den persönlichen Belangen des Klägers in ein angemessenes Verhältnis bringen dürfte, ist jedenfalls nicht auszuschließen.

88

Die Beklagte hat daher unter Beachtung der oben dargestellten Rechtsauffassung des Berufungsgerichts über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erneut zu entscheiden und dabei das ihr bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zustehende Ermessen (erneut) auszuüben.

II.

89

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

90

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Rechtssache wegen der höchstrichterlich nicht geklärten und in der Rechtsprechung umstrittenen Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalls im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Fall des Ehegattennachzugs zu einem deutschen Ehepartner grundsätzliche Bedeutung zukommt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,- EUR festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Tilgungsfrist beträgt

1.
fünf Jahrebei Verurteilungen
a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,
b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist,
c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr,
d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist,
g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
1a.
zehn Jahrebei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn
a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt,
b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
2.
zehn Jahrebei Verurteilungen zu
a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen,
b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
d)
(weggefallen)
3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr,
4.
fünfzehn Jahrein allen übrigen Fällen.

(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die

1.
§ 325 über die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses, des Lageberichts, des Konzernabschlusses, des Konzernlageberichts und anderer Unterlagen der Rechnungslegung oder
2.
§ 325a über die Pflicht zur Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen der Hauptniederlassung
nicht befolgen, ist wegen des pflichtwidrigen Unterlassens der rechtzeitigen Offenlegung vom Bundesamt für Justiz (Bundesamt) ein Ordnungsgeldverfahren nach den Absätzen 2 bis 6 durchzuführen; im Fall der Nummer 2 treten die in § 13e Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 genannten angemeldeten Personen, sobald sie angemeldet sind, an die Stelle der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft. Das Ordnungsgeldverfahren kann auch gegen die Kapitalgesellschaft durchgeführt werden, für die die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs die in Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Pflichten zu erfüllen haben. Dem Verfahren steht nicht entgegen, dass eine der Offenlegung vorausgehende Pflicht, insbesondere die Aufstellung des Jahres- oder Konzernabschlusses oder die unverzügliche Erteilung des Prüfauftrags, noch nicht erfüllt ist. Das Ordnungsgeld beträgt mindestens zweitausendfünfhundert und höchstens fünfundzwanzigtausend Euro. Eingenommene Ordnungsgelder fließen dem Bundesamt zu.

(1a) Ist die Kapitalgesellschaft kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d, beträgt das Ordnungsgeld höchstens den höheren der folgenden Beträge:

1.
zehn Millionen Euro,
2.
5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes, den die Kapitalgesellschaft im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, oder
3.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen wirtschaftlichen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.
Wird das Ordnungsgeld einem Mitglied des gesetzlichen Vertretungsorgans der Kapitalgesellschaft angedroht, beträgt das Ordnungsgeld abweichend von Satz 1 höchstens den höheren der folgenden Beträge:
1.
zwei Millionen Euro oder
2.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.

(1b) Gesamtumsatz im Sinne des Absatzes 1a Satz 1 Nummer 2 ist

1.
im Falle von Kapitalgesellschaften, die ihren Jahresabschluss nach den handelsrechtlichen Vorschriften oder dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU aufstellen, der Betrag der Umsatzerlöse nach § 277 Absatz 1 oder der Betrag der Nettoumsatzerlöse nach Maßgabe des auf die Gesellschaft anwendbaren nationalen Rechts im Einklang mit Artikel 2 Nummer 5 der Richtlinie 2013/34/EU,
2.
in allen Fällen, die nicht in Nummer 1 genannt sind, der Betrag der Umsatzerlöse, der sich bei Anwendung der Rechnungslegungsgrundsätze ergibt, die nach dem jeweiligen nationalen Recht für die Aufstellung des Jahresabschlusses der Kapitalgesellschaft gelten.
Handelt es sich bei der Kapitalgesellschaft um ein Mutterunternehmen oder um ein Tochterunternehmen im Sinne von § 290, ist anstelle des Gesamtumsatzes der Kapitalgesellschaft der Gesamtumsatz im Konzernabschluss des Mutterunternehmens maßgeblich, der für den größten Kreis von Unternehmen aufgestellt wird. Ist ein Jahresabschluss oder Konzernabschluss für das maßgebliche Geschäftsjahr nicht verfügbar, ist der Jahres- oder Konzernabschluss für das unmittelbar vorausgehende Geschäftsjahr maßgeblich; ist auch dieser nicht verfügbar, kann der Gesamtumsatz geschätzt werden.

(1c) Soweit dem Bundesamt Ermessen bei der Höhe eines Ordnungsgeldes zusteht, hat es auch frühere Verstöße der betroffenen Person zu berücksichtigen.

(1d) Das Bundesamt unterrichtet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich über jedes Ordnungsgeld, das gemäß Absatz 1 gegen eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264d oder gegen ein Mitglied ihrer Vertretungsorgane festgesetzt wird. Wird gegen eine solche Ordnungsgeldfestsetzung Beschwerde eingelegt, unterrichtet das Bundesamt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über diesen Umstand sowie über den Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

(2) Auf das Verfahren sind die §§ 15 bis 19 Absatz 1 und 3, § 40 Abs. 1, § 388 Abs. 1, § 389 Abs. 3, § 390 Abs. 2 bis 6 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie im Übrigen § 11 Nr. 1 und 2, § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und 3, §§ 14, 15, 20 Abs. 1 und 3, § 21 Abs. 1, §§ 23 und 26 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze entsprechend anzuwenden. Das Ordnungsgeldverfahren ist ein Justizverwaltungsverfahren. Zur Vertretung der Beteiligten sind auch befugt

1.
Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer,
2.
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte,
3.
Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes,
4.
zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie
5.
Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln.

(2a) Die Akten einschließlich der Verfahrensakten in der Zwangsvollstreckung werden elektronisch geführt. Auf die elektronische Aktenführung und die elektronische Kommunikation ist § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten entsprechend anzuwenden, jedoch dessen Satz 1

1.
nicht in Verbindung mit dessen Satz 2 und § 32b der Strafprozessordnung auf
a)
die Androhung eines Ordnungsgeldes nach Absatz 3 Satz 1,
b)
die Kostenentscheidung nach Absatz 3 Satz 2 und
c)
den Erlass von Zwischenverfügungen;
2.
nicht in Verbindung mit den §§ 32d und 32e Absatz 3 Satz 1 und 2 der Strafprozessordnung auf das Verfahren insgesamt sowie
3.
einschließlich dessen Sätze 2 und 3 nicht auf die Beitreibung nach dem Justizbeitreibungsgesetz.
Satz 2 gilt entsprechend auch für Verfügungen im Sinne der Absätze 3 und 4, die automatisiert erlassen werden können.

(3) Den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten ist unter Androhung eines Ordnungsgeldes in bestimmter Höhe aufzugeben, innerhalb einer Frist von sechs Wochen vom Zugang der Androhung an ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Mit der Androhung des Ordnungsgeldes sind den Beteiligten zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Einspruch kann auf Einwendungen gegen die Entscheidung über die Kosten beschränkt werden. Der Einspruch gegen die Androhung des Ordnungsgeldes und gegen die Entscheidung über die Kosten hat keine aufschiebende Wirkung. Führt der Einspruch zu einer Einstellung des Verfahrens, ist zugleich auch die Kostenentscheidung nach Satz 2 aufzuheben.

(4) Wenn die Beteiligten nicht spätestens sechs Wochen nach dem Zugang der Androhung der gesetzlichen Pflicht entsprochen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gerechtfertigt haben, ist das Ordnungsgeld festzusetzen und zugleich die frühere Verfügung unter Androhung eines erneuten Ordnungsgeldes zu wiederholen. Haben die Beteiligten die gesetzliche Pflicht erst nach Ablauf der Sechswochenfrist erfüllt, hat das Bundesamt das Ordnungsgeld wie folgt herabzusetzen:

1.
auf einen Betrag von 500 Euro, wenn die Beteiligten von dem Recht einer Kleinstkapitalgesellschaft nach § 326 Absatz 2 Gebrauch gemacht haben;
2.
auf einen Betrag von 1 000 Euro, wenn es sich um eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 handelt;
3.
auf einen Betrag von 2 500 Euro, wenn ein höheres Ordnungsgeld angedroht worden ist und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 nicht vorliegen, oder
4.
jeweils auf einen geringeren Betrag, wenn die Beteiligten die Sechswochenfrist nur geringfügig überschritten haben.
Bei der Herabsetzung sind nur Umstände zu berücksichtigen, die vor der Entscheidung des Bundesamtes eingetreten sind.

(5) Waren die Beteiligten unverschuldet gehindert, in der Sechswochenfrist nach Absatz 4 Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, hat ihnen das Bundesamt auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist der vertretenen Person zuzurechnen. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist oder fehlerhaft ist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses schriftlich beim Bundesamt zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die versäumte Handlung ist spätestens sechs Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen. Ist innerhalb eines Jahres seit dem Ablauf der Sechswochenfrist nach Absatz 4 weder Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Handlung nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung nicht mehr gewährt werden. Die Wiedereinsetzung ist nicht anfechtbar; § 335a Absatz 3 Satz 4 bleibt unberührt. Haben die Beteiligten Wiedereinsetzung nicht beantragt oder ist die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags bestandskräftig geworden, können sich die Beteiligten mit der Beschwerde nicht mehr darauf berufen, dass sie unverschuldet gehindert waren, in der Sechswochenfrist Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.

(5a) (weggefallen)

(6) Liegen dem Bundesamt in einem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 5 keine Anhaltspunkte über die Einstufung einer Gesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 bis 3 oder des § 267a vor, kann es den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten aufgeben, die Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags (§ 268 Absatz 3), die Umsatzerlöse (§ 277 Absatz 1) und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer (§ 267 Absatz 5) für das betreffende Geschäftsjahr und für diejenigen Geschäftsjahre, die für die Einstufung erforderlich sind, anzugeben. Unterbleiben die Angaben nach Satz 1, so wird für das weitere Verfahren vermutet, dass die Erleichterungen der §§ 326 und 327 nicht in Anspruch genommen werden können. Die Sätze 1 und 2 gelten für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der §§ 267, 326 und 327 der § 293 tritt.

(7) Das Bundesministerium der Justiz kann zur näheren Ausgestaltung der elektronischen Aktenführung und elektronischen Kommunikation nach Absatz 2a in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf,

1.
die Weiterführung von Akten in Papierform gestatten, die bereits vor Einführung der elektronischen Aktenführung in Papierform angelegt wurden,
2.
die organisatorischen und dem Stand der Technik entsprechenden technischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung einschließlich der einzuhaltenden Anforderungen des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Barrierefreiheit festlegen,
3.
die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen dem Bundesamt und einer anderen Behörde oder einem Gericht näher bestimmen,
4.
die Standards für die Einsicht in elektronische Akten vorgeben,
5.
elektronische Formulare einführen und
a)
bestimmen, dass die in den Formularen enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind,
b)
eine Kommunikationsplattform vorgeben, auf der die Formulare im Internet zur Nutzung bereitzustellen sind, und
c)
bestimmen, dass eine Identifikation des Formularverwenders abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a Absatz 3 der Strafprozessordnung durch Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes, § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen kann,
6.
Formanforderungen und weitere Einzelheiten für den automatisierten Erlass von Entscheidungen festlegen,
7.
die Einreichung elektronischer Dokumente, abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a der Strafprozessordnung, erst zum 1. Januar des Jahres 2019 oder 2020 zulassen und
8.
die Weiterführung der Akten in der bisherigen elektronischen Form bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem 1. Januar 2026 gestatten.
Das Bundesministerium der Justiz kann die Ermächtigungen des Satzes 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf das Bundesamt für Justiz übertragen.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

(1) Gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die

1.
§ 325 über die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses, des Lageberichts, des Konzernabschlusses, des Konzernlageberichts und anderer Unterlagen der Rechnungslegung oder
2.
§ 325a über die Pflicht zur Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen der Hauptniederlassung
nicht befolgen, ist wegen des pflichtwidrigen Unterlassens der rechtzeitigen Offenlegung vom Bundesamt für Justiz (Bundesamt) ein Ordnungsgeldverfahren nach den Absätzen 2 bis 6 durchzuführen; im Fall der Nummer 2 treten die in § 13e Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 genannten angemeldeten Personen, sobald sie angemeldet sind, an die Stelle der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft. Das Ordnungsgeldverfahren kann auch gegen die Kapitalgesellschaft durchgeführt werden, für die die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs die in Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Pflichten zu erfüllen haben. Dem Verfahren steht nicht entgegen, dass eine der Offenlegung vorausgehende Pflicht, insbesondere die Aufstellung des Jahres- oder Konzernabschlusses oder die unverzügliche Erteilung des Prüfauftrags, noch nicht erfüllt ist. Das Ordnungsgeld beträgt mindestens zweitausendfünfhundert und höchstens fünfundzwanzigtausend Euro. Eingenommene Ordnungsgelder fließen dem Bundesamt zu.

(1a) Ist die Kapitalgesellschaft kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d, beträgt das Ordnungsgeld höchstens den höheren der folgenden Beträge:

1.
zehn Millionen Euro,
2.
5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes, den die Kapitalgesellschaft im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, oder
3.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen wirtschaftlichen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.
Wird das Ordnungsgeld einem Mitglied des gesetzlichen Vertretungsorgans der Kapitalgesellschaft angedroht, beträgt das Ordnungsgeld abweichend von Satz 1 höchstens den höheren der folgenden Beträge:
1.
zwei Millionen Euro oder
2.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.

(1b) Gesamtumsatz im Sinne des Absatzes 1a Satz 1 Nummer 2 ist

1.
im Falle von Kapitalgesellschaften, die ihren Jahresabschluss nach den handelsrechtlichen Vorschriften oder dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU aufstellen, der Betrag der Umsatzerlöse nach § 277 Absatz 1 oder der Betrag der Nettoumsatzerlöse nach Maßgabe des auf die Gesellschaft anwendbaren nationalen Rechts im Einklang mit Artikel 2 Nummer 5 der Richtlinie 2013/34/EU,
2.
in allen Fällen, die nicht in Nummer 1 genannt sind, der Betrag der Umsatzerlöse, der sich bei Anwendung der Rechnungslegungsgrundsätze ergibt, die nach dem jeweiligen nationalen Recht für die Aufstellung des Jahresabschlusses der Kapitalgesellschaft gelten.
Handelt es sich bei der Kapitalgesellschaft um ein Mutterunternehmen oder um ein Tochterunternehmen im Sinne von § 290, ist anstelle des Gesamtumsatzes der Kapitalgesellschaft der Gesamtumsatz im Konzernabschluss des Mutterunternehmens maßgeblich, der für den größten Kreis von Unternehmen aufgestellt wird. Ist ein Jahresabschluss oder Konzernabschluss für das maßgebliche Geschäftsjahr nicht verfügbar, ist der Jahres- oder Konzernabschluss für das unmittelbar vorausgehende Geschäftsjahr maßgeblich; ist auch dieser nicht verfügbar, kann der Gesamtumsatz geschätzt werden.

(1c) Soweit dem Bundesamt Ermessen bei der Höhe eines Ordnungsgeldes zusteht, hat es auch frühere Verstöße der betroffenen Person zu berücksichtigen.

(1d) Das Bundesamt unterrichtet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich über jedes Ordnungsgeld, das gemäß Absatz 1 gegen eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264d oder gegen ein Mitglied ihrer Vertretungsorgane festgesetzt wird. Wird gegen eine solche Ordnungsgeldfestsetzung Beschwerde eingelegt, unterrichtet das Bundesamt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über diesen Umstand sowie über den Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

(2) Auf das Verfahren sind die §§ 15 bis 19 Absatz 1 und 3, § 40 Abs. 1, § 388 Abs. 1, § 389 Abs. 3, § 390 Abs. 2 bis 6 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie im Übrigen § 11 Nr. 1 und 2, § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und 3, §§ 14, 15, 20 Abs. 1 und 3, § 21 Abs. 1, §§ 23 und 26 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze entsprechend anzuwenden. Das Ordnungsgeldverfahren ist ein Justizverwaltungsverfahren. Zur Vertretung der Beteiligten sind auch befugt

1.
Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer,
2.
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte,
3.
Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes,
4.
zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie
5.
Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln.

(2a) Die Akten einschließlich der Verfahrensakten in der Zwangsvollstreckung werden elektronisch geführt. Auf die elektronische Aktenführung und die elektronische Kommunikation ist § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten entsprechend anzuwenden, jedoch dessen Satz 1

1.
nicht in Verbindung mit dessen Satz 2 und § 32b der Strafprozessordnung auf
a)
die Androhung eines Ordnungsgeldes nach Absatz 3 Satz 1,
b)
die Kostenentscheidung nach Absatz 3 Satz 2 und
c)
den Erlass von Zwischenverfügungen;
2.
nicht in Verbindung mit den §§ 32d und 32e Absatz 3 Satz 1 und 2 der Strafprozessordnung auf das Verfahren insgesamt sowie
3.
einschließlich dessen Sätze 2 und 3 nicht auf die Beitreibung nach dem Justizbeitreibungsgesetz.
Satz 2 gilt entsprechend auch für Verfügungen im Sinne der Absätze 3 und 4, die automatisiert erlassen werden können.

(3) Den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten ist unter Androhung eines Ordnungsgeldes in bestimmter Höhe aufzugeben, innerhalb einer Frist von sechs Wochen vom Zugang der Androhung an ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Mit der Androhung des Ordnungsgeldes sind den Beteiligten zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Einspruch kann auf Einwendungen gegen die Entscheidung über die Kosten beschränkt werden. Der Einspruch gegen die Androhung des Ordnungsgeldes und gegen die Entscheidung über die Kosten hat keine aufschiebende Wirkung. Führt der Einspruch zu einer Einstellung des Verfahrens, ist zugleich auch die Kostenentscheidung nach Satz 2 aufzuheben.

(4) Wenn die Beteiligten nicht spätestens sechs Wochen nach dem Zugang der Androhung der gesetzlichen Pflicht entsprochen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gerechtfertigt haben, ist das Ordnungsgeld festzusetzen und zugleich die frühere Verfügung unter Androhung eines erneuten Ordnungsgeldes zu wiederholen. Haben die Beteiligten die gesetzliche Pflicht erst nach Ablauf der Sechswochenfrist erfüllt, hat das Bundesamt das Ordnungsgeld wie folgt herabzusetzen:

1.
auf einen Betrag von 500 Euro, wenn die Beteiligten von dem Recht einer Kleinstkapitalgesellschaft nach § 326 Absatz 2 Gebrauch gemacht haben;
2.
auf einen Betrag von 1 000 Euro, wenn es sich um eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 handelt;
3.
auf einen Betrag von 2 500 Euro, wenn ein höheres Ordnungsgeld angedroht worden ist und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 nicht vorliegen, oder
4.
jeweils auf einen geringeren Betrag, wenn die Beteiligten die Sechswochenfrist nur geringfügig überschritten haben.
Bei der Herabsetzung sind nur Umstände zu berücksichtigen, die vor der Entscheidung des Bundesamtes eingetreten sind.

(5) Waren die Beteiligten unverschuldet gehindert, in der Sechswochenfrist nach Absatz 4 Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, hat ihnen das Bundesamt auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist der vertretenen Person zuzurechnen. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist oder fehlerhaft ist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses schriftlich beim Bundesamt zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die versäumte Handlung ist spätestens sechs Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen. Ist innerhalb eines Jahres seit dem Ablauf der Sechswochenfrist nach Absatz 4 weder Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Handlung nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung nicht mehr gewährt werden. Die Wiedereinsetzung ist nicht anfechtbar; § 335a Absatz 3 Satz 4 bleibt unberührt. Haben die Beteiligten Wiedereinsetzung nicht beantragt oder ist die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags bestandskräftig geworden, können sich die Beteiligten mit der Beschwerde nicht mehr darauf berufen, dass sie unverschuldet gehindert waren, in der Sechswochenfrist Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.

(5a) (weggefallen)

(6) Liegen dem Bundesamt in einem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 5 keine Anhaltspunkte über die Einstufung einer Gesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 bis 3 oder des § 267a vor, kann es den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten aufgeben, die Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags (§ 268 Absatz 3), die Umsatzerlöse (§ 277 Absatz 1) und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer (§ 267 Absatz 5) für das betreffende Geschäftsjahr und für diejenigen Geschäftsjahre, die für die Einstufung erforderlich sind, anzugeben. Unterbleiben die Angaben nach Satz 1, so wird für das weitere Verfahren vermutet, dass die Erleichterungen der §§ 326 und 327 nicht in Anspruch genommen werden können. Die Sätze 1 und 2 gelten für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der §§ 267, 326 und 327 der § 293 tritt.

(7) Das Bundesministerium der Justiz kann zur näheren Ausgestaltung der elektronischen Aktenführung und elektronischen Kommunikation nach Absatz 2a in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf,

1.
die Weiterführung von Akten in Papierform gestatten, die bereits vor Einführung der elektronischen Aktenführung in Papierform angelegt wurden,
2.
die organisatorischen und dem Stand der Technik entsprechenden technischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung einschließlich der einzuhaltenden Anforderungen des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Barrierefreiheit festlegen,
3.
die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen dem Bundesamt und einer anderen Behörde oder einem Gericht näher bestimmen,
4.
die Standards für die Einsicht in elektronische Akten vorgeben,
5.
elektronische Formulare einführen und
a)
bestimmen, dass die in den Formularen enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind,
b)
eine Kommunikationsplattform vorgeben, auf der die Formulare im Internet zur Nutzung bereitzustellen sind, und
c)
bestimmen, dass eine Identifikation des Formularverwenders abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a Absatz 3 der Strafprozessordnung durch Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes, § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen kann,
6.
Formanforderungen und weitere Einzelheiten für den automatisierten Erlass von Entscheidungen festlegen,
7.
die Einreichung elektronischer Dokumente, abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a der Strafprozessordnung, erst zum 1. Januar des Jahres 2019 oder 2020 zulassen und
8.
die Weiterführung der Akten in der bisherigen elektronischen Form bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem 1. Januar 2026 gestatten.
Das Bundesministerium der Justiz kann die Ermächtigungen des Satzes 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf das Bundesamt für Justiz übertragen.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2016 - 11 K 276/16 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für die Beschwerdeinstanz auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde (vgl. §§ 146 Abs. 4 Sätze 1 bis 3, 147 Abs. 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Zwar zieht die Beschwerde mit den dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) die angegriffene Entscheidung, mit der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung wiederherzustellen, erfolgreich in Zweifel (I.). Jedoch erweist sich der Beschluss im Ergebnis als zutreffend (II.).
I.
1.) Das Verwaltungsgericht hat u.a. entschieden, dass ein gefahrbegründendes Verhalten - wie die Leitungsfunktion in der „Red Legion“ - nur dann keine gegenwärtige Gefährlichkeit mehr begründe, wenn „äußerlich feststellbare“ Umstände auf eine geänderte „innere Einstellung“ des Betroffenen und auf ein Ausbleiben künftiger gefahrbegründender Handlungen schließen lasse. Dabei stellt es - unter Verweis auf die Entscheidung des Senats vom 16. Mai 2012 (11 S 2328/11, juris) - auf den zu § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. entwickelten Gefahrenmaßstab ab.
Mit der Beschwerde wird hiergegen geltend gemacht, dass § 53 Abs. 3 AufenthG eine individuelle Gefahrenprognose verlange und aus dem früheren Verhalten des Antragstellers nicht automatisch auf eine daher erforderliche gegenwärtige Gefahr geschlossen werden dürfe, weil dieser eine innere Wandlung nicht nachweisen könne.
2.) Mit diesem Vorbringen zieht die Beschwerde den angegriffenen Beschluss der Sache nach erfolgreich in Zweifel, da das Verwaltungsgericht seiner Prüfung, ob eine Gefahr vorliegt, einen falschen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat. Denn der spezielle Maßstab des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. ist nicht auf die Gefahrenprognose bei Vorliegen anderer Ausweisungsinteressen übertragbar. Nichts anderes gilt für den für die Nachfolgervorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geltenden Maßstab (vgl. VGH Bad-.Württ., Urteil vom 02.03.2016 - 11 S 1389/15 -, juris Rn. 62, auch zur Vorgängervorschrift; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45).
Jenseits dieser Vorschriften, die durch einen verschärften Gefahrenmaßstab dem Schutz vor spezifischen Gefahren des Terrorismus dienen und hierdurch ihre Rechtfertigung erfahren, ist die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten (VGH Bad-.Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris Rn. 121, m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG Rn. 5 und § 54 AufenthG Rn. 10; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 28 und § 54 AufenthG Rn. 21).
II.
Ergibt die auf dargelegte Gründe beschränkte Prüfung des Beschwerdegerichts (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht rechtfertigt, hat es umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 -, VBlBW 2013, 384 m.w.N.).
1.) Die umfassende Prüfung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durch den Senat ergibt, dass das Verwaltungsgericht diesen in der Sache zu Recht abgelehnt hat. Die vom Senat zu treffende umfassende Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers fällt zu dessen Lasten aus. Der Klage gegen die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsandrohung kommen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 und vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230 Rn. 16) keine Erfolgsaussichten zu (dazu unten (2. ff.). Darüber hinaus liegt auch das erforderliche besondere Vollzugsinteresse vor, das den Vollzug der Ausweisungsverfügung vor Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren rechtfertigt (dazu unten (7.).
2.) Die Ausweisung des Antragstellers erweist sich nach dem aktuellen Sach- und Streitstand aus den vom Antragsgegner dargelegten und in tatsächlicher Hinsicht überwiegend unbestritten gebliebenen Umständen, denen entgegen der Auffassung der Beschwerde auch Beweiskraft zukommt, ebenso als voraussichtlich rechtmäßig wie die Anordnung des Sofortvollzugs, dessen Anordnung in der Verfügung vom 18. Dezember 2015 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet wurde.
Der Antragsteller rügt ohne Erfolg, ihm sei eine Funktion als Leiter eines verbotenen Vereins nicht nachgewiesen worden, ebenso wenig die Fortsetzung der Aktivitäten der Gruppierung nach deren Verbot unter seiner Beteiligung und demzufolge auch keine von ihm aktuell ausgehende Gefahr, da die zu Grunde gelegte Tatsachenbasis für eine solche Bewertung nicht ausreichend sei. Nachweise zu den Erkenntnissen von LKA und Polizei für deren Behauptungen fehlten. Nachgewiesen sei nur, „dass dieser auf einer handschriftlichen Liste im Kopf stand“. Die Gestaltung eines Logos verlange nicht unbedingt besondere Führungsqualitäten.
10 
Der Antragsteller verkennt hierbei zunächst, dass § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht an eine strafgerichtliche Verurteilung und dort getroffene Feststellungen anknüpft, sondern eine eigenständige verwaltungsgerichtliche Feststellung und Bewertung der den Fall prägenden Umstände im Rahmen der das verwaltungsgerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes prägenden Maßstäbe für die Überzeugungsbildung verlangt (§ 122 i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Davon ausgehend bestehen aufgrund des aktuellen Sach- und Streitstands für den Senat aufgrund der sich aus der Akte ergebenden und auch nachgewiesenen Umstände keine vernünftigen Zweifel daran, dass eine ausreichende Tatsachengrundlage vorliegt, die sowohl die Ausweisungsverfügung nebst Abschiebungsandrohung als auch die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigt.
11 
Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann den in Bezug genommenen Polizeiberichten der Beweiswert nicht pauschal abgesprochen werden und es ist zu beachten, dass hier eine Vielzahl von übereinstimmenden Erkenntnissen aus verschiedenen Quellen vorliegen, die in der Summe die Bewertung des Sachverhalts durch den Antragsgegner bestätigen.
12 
Daher verhilft es der Beschwerde auch nicht zum Erfolg, wenn sie darauf abstellt, dass das Verwaltungsgericht sich zur Begründung einer Fortsetzung der Aktivitäten der Gruppierung auf zitierte Zeitungsartikel gestützt habe, deren Erkenntniswert zweifelhaft sei, da nicht ersichtlich werde, auf welche Fakten diese gestützt würden. Im Ansatz wird damit zurecht darauf abgestellt, dass eine einzig auf Zeitungsberichte gestützte Überzeugungsbildung aus den ausgeführten Gründen Bedenken begegnen kann, wobei es jedoch stets auf den jeweiligen Inhalt der Erkenntnisquelle ankommt. Auch hätten diese vom Verwaltungsgericht verwendeten Erkenntnismittel, die sich auf keine allgemeinkundigen Tatsachen beziehen (vgl. zur Frage, ob bei solchen rechtliche Gehör zu gewähren ist: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 16.05.1989 - 1 BvR 705/88 -, NJW 1990, 1783 und vom 13.03.1993 - 2 BvR 1988/92 -, InfAuslR 1993, 229) zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 108 Abs. 2 VwGO zuvor in das Verfahren eingeführt werden müssen, um dem Antragsteller vor der gerichtlichen Entscheidung Gelegenheit zur Auseinandersetzung damit zu geben (vgl. hierzu Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., 2014, § 108 VwGO Rn. 26), was hier offensichtlich nicht geschehen ist. Darauf kommt es mit Blick auf die die angegriffenen Verfügungen tragenden Gründe jedoch im Ergebnis nicht an. Denn die Beschwerde setzt sich mit den die Verfügungen tragenden Tatsachen schon nicht ausreichend auseinander sondern beschränkt sich darauf, diese nur punktuell in Abrede zu stellen und in pauschaler Weise deren Bewertung anzuzweifeln, ohne dass hierfür überzeugende Argumente vorgebracht würden.
13 
3.) Im Einzelnen: Die Ausweisungsverfügung - ursprünglich nach § 54 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG a. F. - ist nunmehr auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen.
14 
a) Die Rüge, es sei fehlerhaft § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG als Ausgangspunkt der Prüfung herangezogen worden, obwohl diese Vorschrift wegen § 53 Abs. 3 AufenthG nicht anwendbar sei, greift nicht durch.
15 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2016 - 11 S 1389/15 -, juris Rn. 29). Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
16 
Es ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich bei aktuellem Sach- und Streitstand unter Zugrundlegung der Rechtsauffassung des Antragstellers Erfolgsaussichten der Klage gegen die Ausweisungsverfügung ergeben könnten, wenn § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG unbeachtet bliebe, da auch die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorliegend erfüllt sind (dazu unten (d)).
17 
b) Der Antragsgegner führt in seiner Ausweisungsverfügung (S. 19 ff.) unter anderem folgendes aus:
18 
„….2. Sie werden gemäß § 54 Nr. 7 AufenthG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, da Sie Führungsperson der bestandskräftig verbotenen „Red Legion“ sind. Gemäß § 54 Nr. 7 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Der Verein „Red Legion“ wurde mit Verfügung des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 22.05.2013 verboten, da sein Zweck und seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Die Verbotsverfügung ist seit dem 15.07.2013 unanfechtbar. Sie waren auch Leiter dieses Vereins, da Sie im Führungskreis der „Red Legion“ waren, also zu den Führungspersonen der „Red-Legion“ gehörten. Dies ergibt sich bereits aus der Aussage des Vize-Präsidenten der „Red Legion“ - ... - am 26.09.2012 vor dem LG Stuttgart im Verfahren ..., wo er Ihre Führungseigenschaft bei der „Red Legion“ bestätigt hat. Er hat damals gesagt, dass die „Jüngeren“ der „Red Legion“ auf Sie, Herrn ..., Herrn ... und Herrn ... hören sollten. Nach den Feststellungen des IM war Herr ... Präsident der „Red Legion“, Herr ... war verantwortlich für die Finanzen und Herr ... der Vize-Präsident. Sie selbst waren danach im erweiterten Führungskreis der „Red Legion“. Ihre Führungsrolle wird durch die Ermittlungen des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg und der Polizeipräsidien Stuttgart und Ludwigsburg bestätigt. So wurden bei der bei Ihnen durchgeführten Wohnungsdurchsuchung am 21.02.2012 Dokumente aufgefunden über Regeln und Strukturen von Rockergruppen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 14.03.2013 konnten zudem Dokumente mit eindeutigem Bezug zur Red Legion aufgefunden werden. Dabei hat es sich um eine Mitgliederliste sowie um Listen mit Funktionen innerhalb der „Red Legion“ sowie um Listen mit Mitgliedsbeiträgen gehandelt. Auf der Mitgliederliste, auf der auch Funktionen vermerkt sind, sind Sie auf der Ebene der Führung aufgeführt. Auch diese Dokumente bestätigen, dass Sie eine führende Rolle innerhalb der Vereinigung eingenommen haben. Im Sommer 2013 haben Sie sich im Rahmen einer Gefährderansprache gegenüber der Polizei als Ansprechpartner für die Gründung eines Chapters der „Mongols MC“ zu erkennen gegeben. Zusammen mit ..., dem Präsidenten der Red Legion. Auch im Rahmen des gegen Sie geführten Ermittlungsverfahrens wegen Mordes konnte durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt werden, dass Sie zum engeren Führungskreise der „Red Legion“ um ... Aygün gehörten, und enger telefonischer Kontakt zwischen den unmittelbaren Tätern des Mordes in Esslingen und der Führungsebene der „Red Legion“ in Person von Ihnen bestand.
19 
Auch nachdem der Verein „Red Legion“ verboten wurde, haben Sie eine Führungsfunktion bei den Nachfolgevereinen „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ eingenommen. Dies ergibt sich aus dem Bericht des LKA vom 20.04.2015. Dort wird ausgeführt, dass Sie bei mehreren Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der „Red Legion“ als Führungsperson von Gruppierungen der „Red Legion“ festgestellt werden konnten. Auch bei verschiedenen Gelegenheiten, bei denen die „Red Legion“ bzw. deren Nachfolgevereinigungen öffentlich in Erscheinung getreten sind, konnten Sie festgestellt werden. So waren Sie am 27.07.2013 nachweislich an einer Auseinandersetzung zwischen der „Red Legion“ und den „Hells Angels“ beteiligt. Ein gegen Sie geführtes Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs musste nur deshalb eingestellt werden, da es nicht möglich war – aufgrund der Unübersichtlichkeit des Tatgeschehens – Ihnen einzelne Tathandlungen eindeutig zuzuordnen. Am 29.03.2015 konnten Sie bei einer Machtdemonstration der „Red Legion“ erneut festgestellt werden, Ihnen musste zweimal ein Platzverweis erteilt werden. Dabei ist auch anzumerken, dass Sie bei dieser Machtdemonstration ein Messer bei sich trugen. Am 19.03.2015 waren Sie mit mehreren Mitgliedern der „Red Legion“ zu einer Solidaritätsbekundung in Lörrach an der dortigen JVA.
20 
Der Tatbestand des § 54 Nr. 7 AufenthG ist damit erfüllt, eine Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall liegt nicht vor. Dabei ist einerseits auf die von der „Red Legion“, „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ ausgehenden Gefahren abzustellen. Wobei zunächst auf die Vielzahl und Schwere der festgestellten Vorfälle und Straftaten im Zusammenhang mit der „Red Legion“ zu verweisen ist. Dabei handelt es sich um schwere, aber auch schwerste Straftaten gegen zum Teil höchste Rechtsgüter. Aber auch um solche Taten und Verhaltensweisen, die eine Missachtung und Untergrabung des staatlichen Gewaltmonopols zum Ausdruck bringen. Das IM hat hierzu in der Verbotsverfügung festgestellt: „Ziel der Red Legion ist es, in dem von ihm beanspruchten Gebiet konkurrierende Gruppierungen zu verdrängen bzw. zu verhindern, dass solche dort Fuß fassen können. Hierbei schreckt der Verein nicht vor illegalen Mitteln zurück, insbesondere der Anwendung von Gewalt. Die Szene der rockerähnlichen Gruppierungen ist von einem hohen Bedrohungs- und Gewaltpotential gekennzeichnet. Auf Grund des Expansionsbestrebens der Gruppierungen kommt es innerhalb der Szene zu Machtkämpfen um Hoheitsgebiete, zu Racheakten und Vergeltungsschlägen, in deren Zusammenhang von ihren Mitgliedern schwere Straftaten begangen werden.“ Insbesondere aber auch das Auftreten der Gruppierung, das von hoher Aggressivität gekennzeichnet ist und bei dem auch unbeteiligten Teilen der Bevölkerung massiv Angst eingejagt wird, lässt gerade ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung nicht zu. Dabei ist auch festzuhalten, dass bei den von der „Red Legion“ und ihren Nachfolgeorganisationen durchgeführten Aktionen auch immer wieder Waffen zum Einsatz gebracht werden. In unzähligen Wohnungsdurchsuchungen wurden bei verschiedenen Mitgliedern der Gruppierung – unter anderem auch bei Ihnen – Waffen aufgefunden. Wobei auch anzumerken ist, dass Sie ohnehin bereits mehrfach mit Waffen auffällig geworden sind. Hinzu kommt hier auch Ihre eigene Einbindung in die Führungsstruktur dieser Vereinigung und die von Ihnen persönlich ausgehenden Gefahren. Sie haben mit der Ihnen als einem der Leiter der Vereinigung eingeräumten Verantwortung dafür Sorge getragen, dass die „Red Legion“ zu der Vereinigung wurde – mit allen Gefahren und Konsequenzen die sich daraus ergeben - die die „Red Legion“ nunmehr ist. Ihre Führungsfunktion wurde bereits ausgeführt. Zu ergänzen bleibt jedoch, dass Sie auch selbst im Zusammenhang mit der „Red Legion“ strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Sie weisen darüber hinaus auch ohnehin ein von hoher Aggressivität geprägtes Verhalten auf. Insbesondere auch gegenüber staatlicher Autorität sind Sie in der Vergangenheit immer wieder in dieser Weise auffällig geworden. Damit verkörpern Sie aber auch geradezu die Rolle, die die „Red Legion“ ihren Mitgliedern zudenkt und deren Leitbild, nämlich die Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols. In keinem Fall ist aufgrund Ihrer Rolle innerhalb der „Red Legion“ und deren Nachfolgeorganisationen ein absehen vom Regelfall geboten. …“
21 
S. 22 ff.:
22 
„…Bei Ihnen ist von einer fortbestehenden hohen Gefährlichkeit auszugehen. Die von Ihnen mitgeleitete Gruppierung „Red Legion“ hat nicht nur eine erhebliches Gefährdungspotential an den Tag gelegt, die von dieser Gruppierung ausgehenden Gefahren haben sich auch mehrfach realisiert. Es kam zu ganz erheblichen Straftaten, die durch Mitglieder der Gruppierung begangen wurden und der Gruppierung insgesamt zurechenbar waren. Letztlich kam es sogar zu Tötungsdelikten.
23 
Sie selbst waren nicht nur Leiter des Vereins, wie bereits ausgeführt wurde, und haben bereits deshalb die von der Vereinigung ausgehenden Gefahren mitgetragen. Sie haben auch selbst Straftaten im Zusammenhang mit der Red Legion begangen und damit aktiv, und nicht nur als Leiter der Vereinigung, dazu beigetragen, dass es zu einem Schadenseintritt kommt.
24 
Hinzu kommt, dass die Red Legion zwar mit Verfügung vom 22.05.2013 verboten wurde. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass sich die Vereinigung unter neuem Namen, nämlich „Stuttgarter Kurde und „Sondame“ weiter betätigt hat und auch noch betätigt. Dies ergibt sich aus dem Bericht des LKA vom 20.04.2015. Dort führt das LKA deutlich auf, dass die Gruppierung „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ aufgrund Personengleichheit der Mitglieder, der Verwendung ähnlicher Logos, die Sympathiebekundungen für inhaftierte Mitglieder der Red Legion sowie der Verstöße gegen das Vereinsgesetz durch Mitglieder der neuen Gruppierung, ein Fortbestand der Red Legion unter anderem Namen angenommen werden muss.
25 
Zwar ist im Rahmen der Beurteilung der von Ihnen ausgehenden Gefahren zunächst zu berücksichtigen, dass die Strafvollstreckungskammer des LG Tübingen mit Beschluss vom 15.08.2014 das letzte Drittel der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des AG Stuttgart vom 20.09.2013 zur Bewährung ausgesetzt hat. Das LG Tübingen hat eine positive legal- und Sozialprognose getroffen, da Sie begonnen hätten, an Ihrer Gewaltproblematik zu arbeiten und Ihr Vollzugsverhalten positiv war. Schon an der Gültigkeit dieser Einschätzung für den jetzigen Zeitpunkt kann man Zweifel haben. Sie haben gerade durch Ihre weiteren Verbindungen zur „Red Legion“ und deren Nachfolgeorganisationen gezeigt, dass Sie an frühere Verhaltensmuster anknüpfen wollen. Auch ob Sie in ausreichendem Maße an Ihrer Gewaltproblematik gearbeitet haben ist mehr als zweifelhaft, bedenkt man, dass Sie bei der Machtdemonstration der „Red Legion“ in der Stuttgarter Innenstadt – bei der durchaus die Gefahr einer Auseinandersetzung mit den „United Tribuns“ bestand – ein Messer bei sich trugen.
26 
Unabhängig davon ist aber darauf abzustellen, dass die durch § 54 Nr. 7 AufenthG bekämpften Gefahren nicht deckungsgleich mit den durch das Strafrecht verfolgten Zielen sind. Hintergrund des § 54 Nr. 7 AufenthG ist einerseits die Bekämpfung der von bestimmten Vereinigungen ausgehenden Gefahren – was gleichsam durch das Verbot und den hieraus folgenden vereinsrechtlichen Konsequenzen geschieht - andererseits aber auch durch die Zerschlagung verbliebener Strukturen, wie hier etwa die Leitungsfunktionen. Durch eine Ausweisung und daran anknüpfende Aufenthaltsbeendigung wird der (verbotene) Verein seiner Handlungsfähigkeit mangels Führung beraubt. Dementsprechend ist der Ausweisungszweck als Konsequenz aus dem Vereinsverbot zu begreifen (so Graßhof in Kluth/Heusch Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht 7. Ed. Stand 01.01.2015, § 54 AufenthG Rn. 35). Es soll verhindert werden – auch wenn der Verein aufgrund des Verbots (zumindest rechtlich) nicht mehr existiert – dass sich Strukturen oder Nachfolgeorganisationen erhalten und an die von dem ursprüngliche existenten nun aber verbotenen Verein ausgehenden Gefahren anknüpfen. Mit dieser Sichtweise wäre also, unabhängig von der durch das LG Tübingen angenommenen hinreichend positiven Prognose, hier kein atypischer Fall anzunehmen. Hier ist insbesondere auch zu sehen, dass indem Sie den Nachfolgeorganisationen der „Red Legion“ wiederum zur Verfügung gestanden sind, gerade die Handlungsweise an den Tag gelegt haben, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 54 Nr. 7 AufenthG bekämpfen wollte.
27 
Andererseits ist aber Sinn und Zweck des § 54 Nr. 7 AufenthG auch darin zu sehen, dass der Leiter eines verbotenen Vereins, der durch seine Führungsfunktion die von der Vereinigung ausgehenden Gefahren mitverantwortet und mitverursacht – und dadurch in sich selbst eine Gefahr verkörpert – wiederum die Gelegenheit erhält, diese Gefahren durch die Einbindung in einer Nachfolgeorganisation oder einer neuen Vereinigung einzubringen oder gar realisieren zu lassen. Dass von Ihnen in diesem Sinne keine Gefahren mehr ausgehen ist nicht ersichtlich. Insbesondere spielt es auch keine Rolle, ob Sie sich von der „Red Legion“ distanziert haben oder nicht. Denn dies kann bereits nicht dazu führen, dass von Ihnen keine Gefahren – im Sinne des § 54 Nr. 7 AufenthG - mehr ausgehen. Der Tatbestand des § 54 Nr. 7 AufenthG setzt gerade voraus, dass eine Vereinigung verboten wurde, also nicht mehr existiert. Vielmehr ist Zweck der Vorschrift, wie oben bereits ausgeführt, zu verhindern, dass sich die von Ihnen ausgehenden Gefahren, die sich durch Ihre Leiterfunktion in der verbotenen Vereinigung und dem damit einhergehenden Schaden bereits gezeigt haben, nicht nochmals realisieren können. Dies ist aber bei Ihnen zu befürchten. Wie bereits ausgeführt, hat sich aus der Vereinigung „Red Legion“ mittlerweile die Gruppierung „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ gebildet. Auch Sie sind in diesem Zusammenhang weiterhin aufgefallen. Im Rahmen einer Gefährderansprache bei der Gründung eines Chapters des „Mongols MC“ im Jahr 2013 haben Sie sich als Ansprechpartner zu erkennen gegeben, zusammen mit ... dem Präsidenten der „Red Legion“. Am 27.07.2013 waren Sie bei einer Auseinandersetzung zwischen der „Red Legion“ und den „Hells Angels“ involviert. Bei der Urteilsverkündung in einem Strafverfahren gegen Mitglieder der „Red Legion“ am 03.02.2015 waren Sie im Gerichtssaal zugegen und konnten als Führungsperson einer ganzen Gruppe von „Red Legion“-Anhängern identifiziert werden. Am 19.03.2015 waren Sie bei einer Solidaritätskundgebung an der JVA Lörrach, zusammen mit anderen Führungskadern der „Red Legion“, wo auch Pyrotechnik über die Mauern der JVA abgefeuert wurde. Am 29.03.2015, als in der Stuttgarter Innenstadt eine Machtdemonstration der „Red Legion“ bzw. „Sondame“ stattfand, waren Sie anwesend. Ihnen mussten zwei Platzverweise erteilt werden, bei Ihnen wurde ein Messer festgestellt. Zusammengefasst kann, aufgrund der weiterhin von Ihnen ausgehenden Gefahren – unter Berücksichtigung der Schwere dieser Gefahren – unter keinen Umständen ein Abweichen von der gesetzlichen Regel angenommen werden.
28 
Hier sei auch noch auf Ihr Vorbringen eingegangen, dass Sie keinerlei Verbindungen mehr zur „Red Legion“ oder „Sondame“ hätten, dass Sie auch keine Verbindungen oder Kontakte mehr zu irgendwelchen anderen Gruppierungen oder „MCs“ oder zu Personen aus diesem Umfeld haben. Unabhängig davon, dass dies nach den oben gemachten Ausführungen keine Rolle spielt, ist dies für das Regierungspräsidium nicht mehr glaubhaft, bzw. eine reine Schutzbehauptung und rein taktisch motiviert. Zu diesem Ergebnis kommt das Regierungspräsidium insbesondere deshalb, da Sie in der Vergangenheit mehrfach der „Red Legion“ abgeschworen, bzw. Ihre Verbindungen bewusst abgestritten haben, wenn Sie sich hieraus Vorteile versprochen haben.
29 
- So ergibt sich aus Ihrer Gefangenenpersonalakte, dass Sie gegenüber Bediensteten der JVA mehrfach geäußert haben, Sie hätten mit der „Red Legion“ nichts mehr zu tun. In einer Aktennotiz vom 06.02.2014 wird über Ihre Äußerungen berichtet: „..wenn es so sei, dass man ihm Kontakte zu Menschen aus der Rockerszene vorwerfe, dann sei dies nicht in Ordnung. Er sei im Jahr 2011 bei den „Red Legion“ ausgetreten, also noch bevor sie verboten wurden, verfolge die Ziele der Gruppierung nicht. …“
30 
Dies war nachweislich eine Lüge, denn bereits zwischen 2011 und Ihrer Inhaftierung waren Sie mehrfach mit der „Red Legion“ aktiv: Am 15.01.2012 waren Sie maßgeblich an dem Vorfall am Café „Zeitlos“ beteiligt. Am 21.12.2012 waren Sie, als die Tötungsdelikte in Esslingen begangen wurden, mit den anderen Führungskadern der „Red Legion“ in Heilbronn und hielten telefonischen Kontakt zu den unmittelbaren Tätern in Esslingen. Am 26./27.07.2013 waren Sie an der Auseinandersetzung mit den „Hells Angels“ beteiligt.
31 
Selbst wenn Sie gesagt hätten, dass Sie seit Ihrer Inhaftierung keine Kontakte mehr zur „Red Legion“ unterhalten würden, wäre dies nachweislich falsch. Denn Sie wurden in der Haft von vielen Mitgliedern der verbotenen „Red Legion“ besucht, wie sich aus den Besuchslisten der JVA ergibt. Nach Ihrer Haftentlassung hat sich Ihre gegenüber den Bediensteten gemachte Behauptung, dass Sie keine Kontakte mehr zur „Red Legion“ hätten, ohnehin überholt. Hier kann auf den bereits mehrfach zitierten Bericht des LKA verwiesen werden.
32 
- Mit Schreiben vom 27.01.2015 hat dann Ihre Bevollmächtigte für Sie vorgetragen: „…Diese Haftzeit hat ihn nachhaltig beeindruckt. Der Mandant hatte Gelegenheit, sich mit seinem Verhalten in der Vergangenheit kritisch auseinanderzusetzen. Rückblickend erkennt er, dass sein von Aggression getriebenes Verhalten falsch war. […] Herr ... gehört nicht, wie in dem Schreiben vom 24.09.2014 ausgeführt ist, zum Führungskreis der Red Legion…“. Auch diesen Vortrag Ihrer Bevollmächtigten haben Sie durch Ihr unmittelbar folgendes Verhalten widerlegt. Am 19.03.2015 und 29.03.2015 waren Sie erneut für die „Red Legion“ aktiv (s.o.), am 29.03.2015 hatten Sie sogar eine Waffe mit sich geführt. …“
33 
c) Der Antragsgegner folgert die Leitungsfunktion des Antragstellers, die Fortsetzung der Aktivitäten der Gruppe trotz deren Verbots - und unter maßgeblicher Beteiligung des Antragstellers - sowie seine daraus abzuleitende gegenwärtige Gefährlichkeit demzufolge aus zahlreichen Erkenntnissen, die den Senat überzeugen.
34 
Dass der Antragsteller innerhalb der Gruppierung eine Rolle innehatte, die über die bloße Mitgliedschaft deutlich hinausging und ihn Kraft seiner in der Gruppe anerkannten Autorität zu einer führenden Person der „Red Legion“ im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG machte (vgl. zum Maßstab: BVerwG, Beschluss vom 06.09.1995 - 1 Vr 2/95 -, NVwZ 1997, 68; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 42; Beichel-Benedetti, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 12), kann angesichts der Erkenntnislage ebenso wenig in Zweifel stehen wie der Umstand, dass der Antragsteller auch nach dem Vereinsverbot und entgegen seiner Beteuerungen die Aktivitäten der Gruppe fortgesetzt hat, weswegen von ihm auch gegenwärtige eine erhebliche Gefahr ausgeht.
35 
Zur Abrundung dieser Bewertung ist den in der Ausweisungsverfügung aufgeführten Erkenntnissen lediglich noch die in der Akte des Antragsgegners befindliche Aussage eines Polizeibeamten im Zusammenhang mit einer drohenden Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der ehemaligen „Red Legion“ und den „Hells Angels“ am 27. Juli 2013 in Stuttgart-Mitte hinzuzufügen (Verfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart ..., Bl. 69 ff. der Behördenakte): Im Zuge einer Lichtbildvorlage am 18. Dezember 2013 identifizierte ein eingesetzter Polizeibeamter den Antragsteller und gab zu Protokoll, dass dieser im PG (Polizeigewahrsam) Stress gemacht habe, augenscheinlich für die Gruppe zuständig gewesen sei, er einen „Chef“ von der Polizei als Ansprechpartner gesucht und anderen Anweisungen gegeben habe. Die Schilderung des Verhaltens des Antragstellers deckt sich mit den Beobachtungen der Polizei im Zusammenhang mit dem in der angegriffenen Verfügung geschilderten Auftritt ehemaliger Mitglieder der „Red Legion“ bei einer Urteilsverkündung des Landgerichts Stuttgart und bestätigt damit erneut, dass auch dieser selbst seine Rolle als bestimmendes Mitglied der Gruppierung auch nach deren Verbot wahrgenommen hat.
36 
Wenn vor diesem breiten Erkenntnishintergrund mit der Beschwerde die Bedeutung der Aussagen zum Verhältnis der „Älteren“ zu den „Jüngeren“ als fraglich dargestellt wird, kann dies den Senat nicht überzeugen, zumal die Aussage des ehemaligen Präsidenten vom 26. September 2012 vor dem Landgericht Stuttgart im Verfahren ..., in dem dieser angab, dass die „Jüngeren“ auf die „Älteren“, auch auf den Antragsteller hörten, vom Antragsteller ausweislich der Feststellungen des Landgerichts Stuttgart in seinem Urteil vom 10. Oktober 2012 in diesem Verfahren bestätigt wurde.
37 
Nichts anderes gilt, soweit es die Beschwerde für zweifelhaft hält, dass der Antragsteller und weitere Mitglieder der „Red Legion“ auch nach deren Verbot weiter gemeinsame Machtdemonstrationen durchgeführt haben und gewalttätig aufgetreten sind, ohne sich zu den zahlreichen polizeilichen Erkenntnissen hierzu zu erklären oder sich mit diesen auseinanderzusetzen.
38 
In der Beschwerde wird etwa auch nicht bestritten, dass der Antragsteller am 20. Oktober 2014 - und damit nach Verbot der „Red Legion“ - eine Fahrt früherer Mitglieder der Gruppierung zur JVA Rottweil organisiert hat. Dieser Umstand wird zudem durch die Erkenntnisse einer Telefonüberwachung belegt (TKÜ-Auswertung „...“ vom 23. Juli 2015). Mit Blick auf ein weiteres gleichartiges Auftreten vor der JVA Lörrach am 19. März 2015, bei dem Feuerwerkskörper abgebrannt wurden, hat der Antragsteller zwar seine Beteiligung im erstinstanzlichen Verfahren (noch) bestritten - ohne auch nur ansatzweise zu erklären und glaubhaft zu machen, wo er sich statt dessen aufgehalten hat - und er behauptet, er sei auf der zur Akte gereichten Videoaufnahme (Datei 17.avi, bei Minute 3:28) nicht zu erkennen, die dort zu sehende Person habe nur eine ähnliche Statur. Nach Inaugenscheinnahme der Videosequenz durch den Senat und Vergleich mit den in der Akte befindlichen Lichtbildern des Antragstellers - die Übereinstimmung der Personen ist frappierend - fällt es dem Senat schwer, dem schlichten Bestreiten Glauben zu schenken. Wie, wenn nicht als eine den Gruppenzusammenhalt stärkende Machtdemonstration, ein solches Auftreten ehemaliger Mitglieder bewertet werden sollte, zeigt die Beschwerde schon im Ansatz nicht auf. Eine andere Bewertung liegt für den Senat auch fern.
39 
Im Übrigen schweigt sich die Beschwerde zu den zahlreichen für eine Fortsetzung von Gruppenaktivitäten sprechenden Tatsachenschilderungen nach dem Vereinsverbot schlicht aus. Aus welchen konkreten Umständen sich unter Berücksichtigung der umfassenden und größtenteils nicht in Abrede gestellten Geschehnisse ernsthafte Zweifel an der Fortsetzung der Aktivitäten der verbotenen Gruppierung unter aktiver Beteiligung des Antragstellers als Führungsfigur ergeben sollten, ist für den Senat davon ausgehend nicht erkennbar.
40 
d) Soweit der Antragsteller meint, die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG lägen hier nicht vor, da vom Antragsteller keine gegenwärtige Gefahr im Sinne dieser Vorschrift mehr ausgehe, überzeugt dies vor diesem Hintergrund und auch angesichts seiner zahlreichen, erheblichen und teilweise im Zusammenhang mit den „Red Legion“ verübten Straftaten nicht.
41 
Die Ausweisungsverfügung wird auf eine umfassende Gefahrenprognose unter Berücksichtigung sämtlicher erkennbarer Umstände des Falles gestützt, auf deren Grundlage auch der Senat bei der notwendigen wertenden Gesamtbetrachtung zu der Einschätzung gelangt, dass vom Antragsteller auch gegenwärtig eine erhebliche Gefahr ausgeht.
42 
Mit Blick hierauf erweist sich die frühere (positive) Sozialprognose aufgrund der unzutreffenden Annahme, der Antragsteller habe sich von den „Red Legion“ distanziert, als nicht haltbar. Auch die vom Antragsteller vorgelegte Therapiebescheinigung ist nicht geeignet, den Wegfall einer fortwirkende Gefahr zu begründen, nachdem diese, unbeschadet ihrer inhaltlichen Vagheit, von einer tatsächlich nicht festzustellenden veränderten Einstellung des Antragstellers und einem tatsächlich nicht erfolgten Abstandnehmen von seiner früheren Rolle bei den „Red Legion“ ausgeht.
43 
Zusammenfassend bestehen für den Senat daher keine Zweifel daran, dass der Antragsteller selbst durch sein fortgeführtes Handeln Gründe für die Annahme eines weiterhin bestehenden hohen Sicherheitsrisikos gesetzt hat. Mögen die ehemaligen Mitglieder der „Red Legion“ nach deren Verbot auch nicht mehr unter deren Namen auftreten, so spricht doch alles dafür, dass die tatsächlichen Machtverhältnisse bei diesen Personen weiterhin bestehen und der Antragsteller sich mitnichten hiervon distanziert hat. Die aus der Akte zu entnehmenden aktuellen Erkenntnisse über fortgesetzte Aufmärsche, Gewalttaten und Ankündigungen hierzu in „sozialen“ Netzwerken machen bei verständiger Würdigung auch deutlich, dass alleine durch das Vereinsverbot diese Gefahren nicht gebannt sind. Eine nennenswerte und daher in vorliegendem Kontext möglicherweise relevante Verringerung der vom Antragsteller auch aktuell ausgehenden Gefahr kann der Senat angesichts dessen nicht erkennen. Das in der Ausweisungsverfügung in Bezug genommene Strafverfahren wegen des Tötungsdelikts in Esslingen macht im Übrigen deutlich, dass die von einer grundsätzlich gewaltbereiten Gruppierung ausgehenden Gefahren auch dann hoch sind, wenn der Einsatz von Waffen im konkreten Einzelfall nicht allen an einer Auseinandersetzung beteiligten Gruppenmitgliedern strafrechtlich zugerechnet werden kann.
44 
4.) Diese Gefahr genügt auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der im Falle des Besitzes einer assoziationsrechtlichen Rechtsstellung eine Ausweisung nur zulässt, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses "unerlässlich" ist (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 -; BVerwG, Urteile vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, InfAuslR 2013, 169 und vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 -, InfAuslR 2013, 217; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, juris Rn. 64 ff.). In Anbetracht des differenzierten, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkten Grads der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (BVerwG, Urteile vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 -, juris und vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3) liegt eine fortwirkenden hohe Gefährlichkeit des Antragstellers in Bezug auf hochrangige Rechtsgüter vor.
45 
5.) Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen die aus Art. 13 ARB 1/80 folgende Stand-Still-Klausel, da hier eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Rede steht, die auch schon nach dem 1965 geltenden Ausländergesetz ohne Weiteres einen Ausweisungsgrund darstellte. Die Leitung eines Vereins, der in Tötungsdelikten, gefährliche Körperverletzungen und schweren Landfriedensbruch verstrickt ist, stellt eine solche Gefahr dar. Unbeschadet dessen wäre eine unterstellte Gesetzesverschärfung auch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, DVBl 2016, 387 ff.).
46 
6.) Davon ausgehend begegnet die Ausweisungsverfügung auch mit Blick auf die Feststellung und Bewertung seines Bleibeinteresses und der Abwägung der widerstreitenden Interessen keinen Bedenken, was mit der Beschwerde auch nicht geltend gemacht wird.
47 
7.) Nach all dem bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die für die Begründung eines besonderen Sofortvollzugsinteresses notwendigen Voraussetzungen vorliegen, da vom Antragsteller weiterhin eine erhebliche und aktuelle Gefahr ausgeht, die sich schon vor rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache realisieren kann, hinter die das Aufschubinteresse des Antragstellers zurückzutreten hat.
48 
Der Sofortvollzug einer Ausweisung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO setzt ein besonderes öffentliches Interesse voraus, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Ein solches besonderes öffentliches Interesse kann dann angenommen werden, wenn - mit Blick auf den spezialpräventiven Zweck der Ausweisung - die begründete Besorgnis besteht, die vom Ausländer ausgehende, mit der Ausweisung bekämpfte Gefahr werde sich schon in dem Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung realisieren; der allgemeine Verdacht einer Beeinträchtigung erheblicher Belange der Bundesrepublik genügt nicht. Die das Sofortvollzugsinteresse begründende negative Gefahrenprognose muss auf Tatsachen beruhen, bloße Behauptungen und Vermutungen genügen nicht (vgl. etwa: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.06.2005 - 2 BvR 485/05 -, juris; Discher, in: GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. Rn. 1530 ff. m.w.N.).
49 
Die Anordnung des Sofortvollzuges wird in der Verfügung vom 18. Dezember 2015 wie folgt und den Vorgaben des § 80 Abs. 3 VwGO genügend begründet:
50 
„…Das Regierungspräsidium hatte bereits frühzeitig darauf hingewiesen, dass intensiv darüber nachgedacht wird, die sofortige Vollziehung in Ihrem Fall anzuordnen. So geschehen im Schriftsatz vom 28.08.2015. Hintergrund für diese Überlegung war, dass nach Erlass der gegen Sie gerichteten Ausweisung Tatsachen bekannt wurden, wonach Sie im März/April 2015 in Ludwigsburg zusammen mit anderen als „Führungsebene“ im Konflikt mit den „United Tribuns“ aktiv waren. Der Konflikt zwischen der „Red Legion“ und den „United Tribuns“ gipfelte – nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart im Verfahren ... – am 29.03.2015 in einem Angriff der „Red Legion“ auf eine von der Polizei eingekesselte Gruppe der „United Tribuns“. Dieser Angriff – nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft – führte zu erheblichen Straftaten die durch Mitglieder der „Red Legion“ begangen wurden. So wurden auch Angriffe auf Einheiten der Bereitschaftspolizei ausgeführt, es wurde ein Samuraischwert das zum Durchstoßen von Körperpanzerungen geeignet ist gefunden und während der Kampfhandlungen herrschte in Ludwigsburg normaler Personenverkehr. Nach den Schilderungen der Staatsanwaltschaft hatten „die Fußgänger, darunter Mütter mit ihren Kindern“ „durch die Ereignisse an einem Sonntagabend geschockt und verängstigt“ gewirkt. …“
51 
Davon ausgehend begegnet die Anordnung des Sofortvollzugs keinen Bedenken. Es liegt angesichts des bisherigen Verhaltens des Antragstellers auch für den Senat schlicht fern, annehmen zu wollen, dass die Anwesenheit des Antragstellers bei dem geschilderten Vorfall auf einer bloßen Zufälligkeit beruhte, wie dieser erstinstanzlich noch behauptet hat.
52 
8.) Bedenken gegen die Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG bestehen davon ausgehend nicht, solche werden auch nicht geltend gemacht.
III.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
54 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Danach ist der Streitwert in der Beschwerdeinstanz auf 10.000,-- EUR festzusetzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 25.05.2016 - 11 S 2480/15 -, juris und vom 09.08.2016 - 11 S 1256/16 -, juris).
55 
Eine Reduzierung des Streitwerts dieses Eilverfahrens ist aufgrund der schon mit dem Vollzug der Ausweisungsverfügung eintretenden Folgen für den Antragsteller nicht angezeigt (vgl. zuletzt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 01.07.2016 - 11 S 46/16 -, AuAS 2016, 206).
56 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern. Die Regelungen in anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Ausländer,

1.
deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist,
2.
die nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen,
3.
soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzuzeigen und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 - 5 K 1778/09 - insoweit geändert, als es die Klage als unbegründet abgewiesen hat.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23. Juni 2009 wird (mit Ausnahme der in Ziffer 2 verfügten Abschiebungsandrohung aus der Haft heraus) aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1978 in Gornje (Kosovo) geborene Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 07.08.1996 in die Bundesrepublik ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.08.1996 abgelehnt. Hiergegen erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage (Az.: A 14 K 30993/96). 1998 lernte er seine erste Ehefrau, die deutsche Staatsangehörige D. S. kennen, und heiratete sie am 22.06.1999. Am 24.09.1999 nahm er Asylantrag und Klage zurück. Er reiste am 18.05.2000 in sein Heimatland aus und am 11.06.2000 mit einem Visum zum Familiennachzug wieder in die Bundesrepublik ein.
Am 26.06.2000 wurde dem Kläger eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach - zuletzt bis 24.06.2005 - verlängert wurde. Am 21.05.2004 beantragte der Kläger die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Mit Bescheid vom 14.07.2004 lehnte das Ausländeramt der Stadt W... diesen Antrag ab, weil beim Kläger Ausweisungsgründe vorlägen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er damit begründete, dass frühere Eintragungen im Zentralregister getilgt seien. Mit Bescheid vom 28.10.2004 half die Stadt Wiesloch dem Widerspruch ab und erteilte dem Kläger die begehrte unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Am 27.04.2006 wurde die erste Ehe des Klägers geschieden. Die im Jahr 2007 geschlossene zweite Ehe des Klägers mit einer Kosovarin, die im Kosovo lebte, hielt nur vier Monate. Im Januar 2008 heiratete der Kläger Frau G. D., die gleichfalls kosovarische Staatsangehörige ist. Aufgrund seiner Inhaftierung am 24.06.2008 kam es nicht zum Ehegattennachzug.
Der Kläger übte in der Bundesrepublik zunächst verschiedene kurzfristige Gelegenheitsjobs aus. Ab 2002 arbeitete er als Staplerfahrer bei der Firma R. in W... Bis zu seiner Inhaftierung hatte er dort eine feste Arbeitsstelle, bei der er ein Nettoeinkommen zwischen 1.800 EUR und 1.900 EUR erzielte.
Am 18.02.2009 verurteilte das Landgericht ... den Kläger wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in zwölf Fällen, darunter in zwei tateinheitlichen Fällen, und wegen Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten (Az.: 1 KLs 45 Js 6611/08; rechtskräftig). Im Strafurteil wird ausgeführt, der Kläger habe sich im Mai 2008 mit drei anderen Mittätern zusammengeschlossen, um zwischen dem 24.05.2008 und dem 23.06.2008 nach gleich bleibender Methode Einbrüche in Gewerbebetriebe zu begehen. Die Bande habe in aller Regel Geld gesucht, wenngleich vereinzelt auch Kraftfahrzeuge und sonstige Wertgegenstände im Gesamtwert von fast 80.000 EUR erbeutet worden seien. Der Kläger habe an den insgesamt 21 Taten gelegentlich mitgewirkt. Er sei zwar von Anfang an in die Tatvorbereitung eingebunden gewesen. Planung und Auswahl des Einbruchsobjekts hätten ihm aber nicht oblegen. Bei der Tatausführung habe er lediglich als Fahrer agiert. An den eigentlichen Taten sei er nicht unmittelbar beteiligt gewesen und habe nicht gewusst, in welches Objekt seine Komplizen eingebrochen seien, weshalb er den Tatablauf in keiner Weise habe beeinflussen können. Er habe auch keinen gleichen Beuteanteil erhalten, sondern eine Belohnung, die regelmäßig deutlich hinter einem rechnerischen Anteil von einem Viertel bzw. später einem Fünftel zurückgeblieben sei. Zur Strafzumessung führte das Landgericht aus: Zwar sei ein minderschwerer Fall bei keiner Tat in Frage gekommen. Denn die rechtliche als Beihilfe zu qualifizierende Tat habe sich an der Grenze zur Mittäterschaft bewegt. Andererseits habe der Kläger als einziger Tatbeteiligter frühzeitig im Ermittlungsverfahren ein Geständnis abgelegt, durch das auch die übrigen Beteiligten hätten namhaft gemacht werden können. Dies habe einerseits die Ermittlungen erheblich erleichtert, andererseits zu erheblichen Anfeindungen durch die anderen Beteiligten geführt. Zu Gunsten des Klägers sei zu berücksichtigen gewesen, dass er nicht vorbestraft und erstmals in Haft und seine Frau im Kosovo schwer erkrankt gewesen sei. Demgegenüber sei zu seinen Lasten zu berücksichtigen gewesen, dass er in einer gut bezahlten Arbeit gestanden und nicht aus einer finanziellen Notlage heraus gehandelt habe.
Nach Anhörung wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger mit Bescheid vom 23.06.2009 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1) und drohte ihm die Abschiebung in das Kosovo oder einen anderen Staat an, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist. Für den Fall der Haftentlassung vor einer Abschiebung wurde er aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monat zu verlassen (Ziffer 2). Zur Begründung stützte sich das Regierungspräsidium primär auf spezialpräventive Gründe. Bei den von dem Kläger verwirklichten Delikten handele es sich um schwere Eigentumsdelikte, die in einer außerordentlichen Häufigkeit begangen worden seien. Die erforderliche Wiederholungsgefahr sei gegeben. Die Ausweisung des Klägers sei aber auch aus generalpräventiven Gründen geboten. Es sei unstreitig, dass Eigentumsdelikte, die in einer solch hohen Zahl und über einen relativ langen Zeitraum hinweg begangen würden, geeignet seien, eine generalpräventiv motivierte Ausweisung zu begründen. Innerhalb des Strafrahmens habe sein Strafmaß letztlich deutlich über der unteren Grenze von drei Monaten gelegen und in keinem Fall sei ein minderschwerer Fall angenommen worden. Deshalb sei es hier unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich, den Kläger zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auszuweisen. Seine privaten Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet müssten hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.06.2009 zugestellt.
Am 29.07.2009 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, die Straftaten gehörten zwar auf den ersten Blick zur mittleren bzw. schweren Kriminalität. Bei individueller Prüfung des Falles seien jedoch Besonderheiten gegeben, die den Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen ließen. Zu seiner Beteiligung an den Straftaten sei es gekommen, als ihn im Mai 2008 der Mitangeklagte G. - der Cousin seiner Ehefrau - gebeten habe, zwei Landsleute für eine gewisse Zeit in der Wohnung aufzunehmen. Er habe eingewilligt, weil es die Bitte eines Familienangehörigen gewesen sei. Kurze Zeit später sei er von G. gebeten worden, ihn und seine Freunde nachts irgendwo hinzufahren und sie gegebenenfalls auch wieder abzuholen. Da man ihm hierfür eine Belohnung versprochen habe, habe er seine anfänglichen Bedenken beiseite gewischt und eingewilligt. Grund hierfür sei gewesen, dass er seine im Kosovo lebende, an Krebs erkrankte Ehefrau mit Medikamenten versorgt und er deshalb, trotz regelmäßigen Einkommens, einen finanziellen Engpass gehabt habe. Wegen seiner späten aktiven Kooperation mit den Strafverfolgungsorganen sei er während der mehrtägigen Hauptverhandlung von den Mitangeklagten als „Verräter“ angefeindet worden. Berücksichtige man weiter den Umstand, dass er Ersttäter gewesen sei, sei bei individueller Prüfung nicht von einem schwerwiegenden Ausweisungsanlass auszugehen. Jedenfalls sei seine Ausweisung rechtswidrig, weil keine Wiederholungsgefahr angenommen werden könne. Er sei nicht vorbestraft und lebe seit über 13 Jahren in Deutschland. Er habe immer gearbeitet. Sein letztes Arbeitszeugnis belege, dass er „ein zuverlässiger, gewissenhafter und ehrlicher Mitarbeiter“ sei, der „seine Aufgaben immer selbstständig und termingerecht erledigt“ habe. Er sei in Deutschland nicht nur beruflich, sondern auch sozial integriert. Deutsch beherrsche er gut in Wort und Schrift. Sein Vollzug sei beanstandungsfrei. Bereits vier Monate nach seiner Inhaftierung habe er in der Gefängnisküche arbeiten dürfen. Auch der erstmalige Freiheitsentzug, der ihn nachhaltig beeindrucke, werde ihn davon abhalten, erneut straffällig zu werden. Eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen sei in seinem Fall nicht geboten, weil bereits der Ausweisungsgrund nicht hinreichend schwer wiege. Hinzu komme, dass sich sein besonders gelagerter Einzelfall nicht dazu eigne, andere Ausländer von der Begehung von Straftaten abzuhalten. Der Beklagte trat dem entgegen und führte aus, dass generalpräventiv motivierte Ausweisungen durchaus geeignet seien, entsprechende Wirkung zu erzeugen. In der Bundesrepublik würde eine Vielzahl von Landsleuten leben, die gerade auch im abgeurteilten Deliktsbereich delinquent würden. Im vorliegenden Falle sei es nach Abwägung aller Umstände ermessensgerecht, den Kläger jedenfalls generalpräventiv motiviert auszuweisen.
Mit Beschluss vom 07.05.2010 hat die Strafvollstreckungskammer am Landgericht ... die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger ist am 12.05.2010 aus der Haft entlassen worden. Er ist seit 01.06.2010 erneut in Vollzeit beschäftigt.
Mit Urteil vom 21.07.2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit sie sich gegen die inzwischen erledigte Abschiebungsandrohung aus der Haft heraus richte. Im Übrigen sei die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Zwar bestehe nach Überzeugung der Kammer im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die für eine spezialpräventiv begründete Ausweisung erforderliche Wiederholungsgefahr nicht mehr. In generalpräventiver Hinsicht jedoch seien bei dem Kläger schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne eine Ausweisung grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, also zu dem Zweck erfolgen, andere Ausländer zu einem ordnungsgemäßen Verhalten in der Bundesrepublik zu veranlassen und von der Begehung von Straftaten abzuschrecken. Dies gelte gerade auch für den Bereich des Bandendiebstahls als einer Art des organisierten Verbrechens. Dessen Bekämpfung habe wegen der großen Gefahren, die von ihm ausgingen, einen hohen Rang und erfordere in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein möglichst kontinuierliches Vorgehen auch der Ordnungsbehörden. Mit Rücksicht auf die hohe Gefährlichkeit der hier zu beurteilenden Kriminalität sei ein dringendes Bedürfnis gegeben, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung des Klägers andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Der Kläger halte sich zwar seit 1996 in der Bundesrepublik Deutschland auf und besitze seit 2000 einen Aufenthaltstitel, er sei aber erst als Erwachsener in das Bundesgebiet eingereist. Auch lebten seine Schwester und sein Bruder im Bundesgebiet; er habe aber noch starke Kontakte zum Kosovo. Schließlich erweise sich die Ausweisung nicht deswegen als unverhältnismäßig, weil der Kläger aufgrund seines Aussageverhaltens zur Aufklärung der Straftaten beigetragen und deshalb im Kosovo mit „erheblichen Repressalien" zu rechnen habe. Auch Art. 8 EMRK führe im konkreten Einzelfall nicht dazu, die Ausweisung des Klägers als unverhältnismäßig zu bewerten. Die Wirkungen der Ausweisung müssten auch nicht schon jetzt befristet werden.
10 
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung führt der Kläger insbesondere aus, die Ausweisung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Seine persönlichen Umstände würden nicht hinreichend gewichtet. Bereits 14 von 32 Lebensjahren habe er mit rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet verbracht. Neben seiner persönlichen Prägung sei die gesamte berufliche Integration hier erfolgt. Sein Lebensmittelpunkt sei trotz bestehender Kontakte auch zu Kosovaren eindeutig in Deutschland. Sein Verhalten sei situationsbedingt und nicht in seiner Persönlichkeit begründet gewesen. Ein Vergleich seiner Biografie etwa mit den Biographien der Mittäter zeige, dass diese eine längere kriminelle Vergangenheit gehabt und für bandenmäßige Strukturen typische Verhaltenstendenzen aufgewiesen hätten. Er hingegen weise eine stabile Persönlichkeit auf und habe sich hier eine Existenz aufgebaut. Aus den besonderen Umständen des Einzelfalls folge, dass seine Ausweisung nicht geeignet sei, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Straftaten abzuschrecken.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 – 5 K 1778/09 – insoweit zu ändern, als es die Klage als unbegründet abgewiesen hat und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23. Juni 2009 (mit Ausnahme der in Ziffer 2 verfügten Abschiebungsandrohung aus der Haft heraus) aufzuheben.
13 
Das beklagte Land beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Es tritt dem Vortrag des Klägers entgegen und hält eine Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen im konkreten Einzelfall für möglich und gerechtfertigt.
16 
In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Kläger, dass er einen guten Arbeitsplatz innehabe, bei dem er monatlich ca. 1.250 EUR (netto) verdiene. Sein Chef sei sehr zufrieden mit ihm und wolle ihn demnächst auf eine Schulung für Trocknungstechnik nach Stuttgart schicken. Er gehe fest davon aus, dass er „unbefristet“ weiterarbeiten könne. Bis auf Weiteres wohne er kostenfrei und könne deshalb auch etwas sparen. Er habe jedoch noch ca. 12.000 EUR Altschulden und ca. 23.000 EUR Schulden im Zusammenhang mit dem Strafverfahren; mit Hilfe der Schuldnerberatung der Diakonie W. suche er nach einer Lösung, wie er diese Schulden bewältigen könne. Die Ehe mit Frau G. D. sei seit 22.11.2010 geschieden. Er habe inzwischen eine deutsche Freundin, wolle sich mit dem Heiraten diesmal aber Zeit lassen.
17 
Im Rahmen der Erörterung der Rechtsfrage der fortdauernden Zulässigkeit einer tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung vertrat auch die Beklagten-Vertreterin den Standpunkt, vom Kläger ginge keine Wiederholungsgefahr aus, sodass eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen ausscheide.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die Strafakten des Landgerichts ... und die Gefangenenpersonalakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist ebenso begründet wie seine Anfechtungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der angefochtenen Androhung der Abschiebung in das Kosovo vor allem die Ausweisung des Klägers. Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten ist auch der Senat (nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung sowie insbesondere dem schlüssigen Strafaussetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 07.05.2010 und den positiven Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt in den Gefangenen-Personalakten) der Überzeugung, dass von dem Kläger heute keine gesteigerte Wiederholungsgefahr mehr ausgeht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden. Die Ausweisung wird von dem Beklagten deshalb allein tragend zur - generalpräventiven - Abschreckung anderer Ausländer aufrechterhalten. Damit verstößt sie hier im Lichte des gemäß Art. 8 EMRK qualifiziert geschützten Privatlebens gegen § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.
21 
1. Der Kläger erfüllt aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Heidelberg am 18.02.2009 zu zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe den Regel-Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG. Er genießt jedoch nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund seines rechtmäßigen Aufenthalts, jedenfalls seit 2000, und der am 28.10.2004 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungserlaubnis besonderen Ausweisungsschutz, weswegen er nach Satz 2 der Norm nur „aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausgewiesen werden darf. Maßgebend für die Frage, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, also des Senats. Ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, ist voll gerichtlich überprüfbar; es besteht für die Ausländerbehörde kein Beurteilungsspielraum.
22 
Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG vor. Diese gesetzliche Vermutung beruht darauf, dass bei Verwirklichung der genannten Ausweisungstatbestände regelmäßig das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Ausweisung des Ausländers erfordert und der vom Gesetz bezweckte Schutz des Ausländers dahinter zurückzutreten hat. Die Regelung enthält allerdings keine Automatik, sondern erfordert eine individuelle Prüfung im jeweiligen Einzelfall, ob nicht Besonderheiten vorliegen, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - BVerwGE 121, 356).
23 
Erfüllt ein Ausländer, der besonderen Ausweisungsschutz genießt, - wie der Kläger - keinen der in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aufgeführten Ist- oder Regelausweisungsgründe, steht dies einer Ausweisung im Ermessenswege nicht entgegen (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). In diesem Fall fehlt es aber an einer gesetzlichen Vermutung für die Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dennoch können solche schwerwiegenden Gründe auch bei Vorliegen eines sonstigen (Regel- oder Ermessens-)Ausweisungsanlasses gegeben sein. Erforderlich ist dann jedoch, dass dem Ausweisungsgrund ein besonderes Gewicht zukommt. Dieses kann sich bei Straftaten insbesondere aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.2009 - 1 C 2.08 - ZAR 2009, 145).
24 
2. Bei einer durch eine Straftat veranlassten Ausweisung, die tragend zur generalpräventiven Abschreckung anderer Ausländer verfügt oder aufrechterhalten wird, fehlt es im Lichte von Art. 8 EMRK in der Regel an schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn hierdurch ein in Deutschland nachhaltig „verwurzelter“ Ausländer betroffen wird. Die regelmäßige Unzulässigkeit von tragend generalpräventiv motivierten Ausweisungen bei dieser Personengruppe folgert der Senat in einer Gesamtschau aus den neueren Rechtsprechungslinien sowohl des Bundesverfassungsgerichts (a) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - (b) und im Übrigen auch aus der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - bezüglich Unionsbürgern (c) sowie des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen (d). Dies gilt jedenfalls seit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon am 01.12.2009 (e).
25 
a) Im Beschluss der Zweiten Kammer des Zweiten Senats vom 10.08.2007 (- 2 BvR 535/06, Rn. 24 f. - NVwZ 2007, 1300) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
26 
„Eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Entscheidung über die Zulässigkeit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung setzt … voraus, dass die Ausländerbehörde die Umstände der Straftat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen sorgfältig ermittelt und eingehend würdigt. Ohne die Kenntnis von Einzelheiten der Tatbegehung und der persönlichen Situation des Betroffenen können in der Regel die Auswirkungen der Ausweisung auf die Individualinteressen nicht hinreichend sicher festgestellt und in einer einzelfallbezogenen Abwägung den die Ausweisung verlangenden Interessen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden. … Im Grundsatz nicht anders als bei der Würdigung der von dem Ausländer künftig ausgehenden Gefahren im Rahmen spezialpräventiv motivierter Ausweisungen genügt es insbesondere nicht, das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu bestimmen.“
27 
In der Literatur wird die Auffassung vertreten, mit dieser inhaltlich teilweisen Neukonturierung des Anforderungsprofils habe das Bundesverfassungsgericht der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen „nicht nur die Zähne gezogen, sondern ihr - jedenfalls was eine praktische Anwendung betrifft - gleichsam auf kaltem Wege den (endgültigen) Todesstoß versetzt“ (Mayer, Systemwechsel im Ausweisungsrecht, VerwArch 2010, 507). Denn eine generalpräventive Ausweisung, die im Grundsatz nicht anders als bei einer spezialpräventiven Ausweisung auch eine Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der Umstände der begangenen Straftat verlangt und daran anschließend eine einzelfallbezogene Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit erfordert, sei in Wahrheit nichts anderes als eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen. Da das Wesen der generalpräventiven Ausweisung vor allem darin bestehe, eine Ausweisung ohne das Abstellen auf die individuelle Gefährlichkeit des Ausländers zu ermöglichen (so schon Pagenkopf, DVBl. 1975, S. 766), könne es allenfalls noch eine „generalpräventiv motivierte“ Ausweisung geben, die jedoch zugleich auch spezialpräventiv gerechtfertigt sein müsse. Ohnehin wäre eine selbständig rechtfertigende Wirkung generalpräventiver Erwägungen mit dem Garantiegehalt der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn diese schließe es aus, den Ausgewiesenen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu denaturieren und ihn als Vehikel zu benutzen, um auf andere abschreckend und damit verhaltenssteuernd einzuwirken (Mayer, a.a.O., m.w.N.). Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann hier offen bleiben. Jedenfalls bei nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern, die sich auf den qualifizierten Schutz von Art. 8 EMRK berufen können - was nicht notwendig zugleich eine tiefgreifende „Entwurzelung“ voraussetzt -, steht der vom Bundesverfassungsgericht besonders betonte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 17.01.1979 - 1 BvR 241/77 - BVerfGE 50, 166) einer Ausweisung aus generalpräventiven Gründen aber in der Regel entgegen. Eine tragend generalpräventiv motivierte Ausweisung stellt sich bei nachhaltig „Verwurzelten“ auch im Lichte der Ausführungen des BVerfG mithin regelmäßig als unverhältnismäßig dar, sodass es an hierfür rechtfertigenden schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fehlt.
28 
b) Auch der Straßburger EGMR steht der Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Dies ergibt sich aus seiner Rechtsprechung zu Ausweisungen, die er an Art. 8 EMRK misst. Seine sogenannten Boultif/Üner-Kriterien hat er etwa im Urteil Chair vom 06.12.2007 - 69735/01 - InfAuslR 2008, 111 (Rn. 58 ff.) wie folgt zusammengefasst:
29 
„Der Gerichtshof hat bekräftigt, dass in allen Rechtssachen, die niedergelassene Zuwanderer betreffen, bei der Prüfung der Frage, ob eine Ausweisungsmaßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stand, die folgenden Kriterien heranzuziehen sind:
30 
- Die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat;
- die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll;
- die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;
- die Staatsangehörigkeit der verschiedenen Betroffenen;
- die familiäre Situation des Beschwerdeführers, wie z.B. die Dauer der Ehe, und andere Faktoren, die erkennen lassen, wie intakt das Familienleben eines Ehepaars ist;
- ob der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin von der Straftat wusste, als er bzw. sie eine familiäre Beziehung einging;
- ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und gegebenenfalls deren Alter und
- das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin in dem Land, in das der Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen wird.
31 
Im Urteil Üner hat der Gerichtshof außerdem ausdrücklich die beiden folgenden Kriterien genannt:
32 
- Die Belange und das Wohl der Kinder, insbesondere das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen Kinder des Beschwerdeführers in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen werden, und
- die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland.“
33 
Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht verlangt mithin auch der Menschenrechtsgerichtshof (angesiedelt auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung), dass für eine konventionsgemäße Ausweisung zwingend eine genaue und auf den Einzelfall bezogene Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der konkreten Umstände der begangenen Straftat getroffen und daran anschließend eine Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit durchgeführt wird (vgl. auch EGMR, Urteil vom 23.06.2008 - 1638/03 - Maslov). Auch dies läuft jedenfalls in rechtstatsächlicher Hinsicht sehr stark auf eine Ausweisung (nur oder nur auch) aus spezialpräventiven Gründen zu.
34 
c) Der Luxemburger EuGH hält hinsichtlich Unionsbürgern eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen schon seit 1975 für rechtswidrig, wie er erstmals im Urteil Bonsignore (Urteil vom 26.02.1975, Rs. 67/74, Rn. 7) klarstellte:
35 
„Auf die gestellten Fragen ist daher zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie Nr. 64/221 der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates entgegensteht, wenn diese zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird, das heißt, wenn sie - in der Formulierung des innerstaatlichen Gerichts - auf ‚generalpräventive‘ Gesichtspunkte gestützt wird.“
36 
Im Urteil Orfanopoulos und Oliveri (Urteil vom 29.04.2004, Rs. C-482/01 u. 493/01, Rn. 66-68) hat er dies 2004 nochmals ausführlicher dargelegt:
37 
„Maßnahmen der öffentlichen Ordnung sind nach Art. 3 der Richtlinie 64/221 nur dann gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen gestützt sind. In dieser Bestimmung heißt es, dass strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres diese Maßnahmen nicht rechtfertigen können. Wie der Gerichtshof u. a. im Urteil vom 27.10.1977 in der Rechtssache 30/77 (Bouchereau, Slg. 1977, 1999, Rn. 35) festgestellt hat, setzt die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung voraus, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
38 
Zwar kann ein Mitgliedstaat die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen, doch ist die Ausnahme der öffentlichen Ordnung eng auszulegen, so dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen kann, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (vgl. u. a. Urteil vom 19.01.1999, Rs. C-348/96, Calfa, Rn. 22-24).
39 
Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats entgegensteht, die auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt, d. h. zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird (vgl. u.a. Urteil Bonsignore, Rn. 7), insbesondere, wenn die Ausweisung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (vgl. Urteile Calfa, Rn. 27, und Nazli, Rn. 59).“
40 
d) Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Impulse aus Luxemburg aufgegriffen und seine diesbezügliche Rechtsprechung mit Urteil vom 03.08.2004 -1 C 30.02 - auch hinsichtlich der generalpräventiv begründeten Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern geändert (BVerwGE 121, 297, Rn. 24):
41 
„Die Gefährdung kann sich im Einzelfall auch allein aufgrund des abgeurteilten Verhaltens ergeben. Es besteht aber keine dahin gehende Regel, dass bei schwerwiegenden Taten das abgeurteilte Verhalten die hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen begründet. Eine vom Einzelfall losgelöste oder auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützte Begründung der Ausweisung ist in jedem Fall unzulässig.“
42 
Im Urteil vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - (BVerwGE 124, 243) wurde dies nochmals bekräftigt:
43 
„Das Gemeinschaftsrecht lässt eine Ausweisung ausnahmslos nur aus spezialpräventiven Gründen zu, d.h. zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, die von dem einzelnen Ausländer persönlich ausgehen, nicht aber - tragend oder auch nur mittragend - zur (generalpräventiven) Abschreckung anderer Ausländer.“
44 
Mit Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - (BVerwGE 121, 315, Rn. 17) hat das Bundesverwaltungsgericht diese Grundsätze des unionsrechtlichen Ausweisungsschutzes auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige erstreckt, d.h. deren Ausweisungsschutz in gleicher Weise materiellrechtlich begründet und ausgestaltet wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger:
45 
„Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Übertragung der nach dem Urteil des Senats im Verfahren BVerwG 1 C 30.02 anzuwendenden Maßstäbe entgegenstehen.“
46 
Der EuGH hat die Richtigkeit dieser Entscheidung mit Urteil vom 11.11.2004 (Rs. C-467/02 - Cetinkaya) bestätigt.
47 
Seither können freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nur noch ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen darf eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt und auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet; aufenthaltsbeendende Maßnahmen dürfen daher nicht mehr aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung zum Zwecke der Generalprävention angeordnet werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - ZAR 2010, 284). Hier kann mithin kein „dringendes Bedürfnis“ mehr angenommen werden, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus „durch eine kontinuierliche Ausweisungspraxis andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten“ (so noch: BVerwG, Beschluss vom 08.05.1996 - 1 B 136.95 - InfAuslR 1996, 299).
48 
Seit der 2. EU-Osterweiterung am 01.01.2007 kommen zunächst alle Staatsangehörigen der anderen 26 Mitgliedstaaten in den Genuss dieses europarechtlichen Ausweisungsschutzes. Das sind rund 35 % aller in Deutschland lebenden Ausländer (Stand: 31.12.2009; zit. nach BAMF, Ausländerzahlen 2009, S. 12). Hinzu kommen des Weiteren wohl rund 23 % türkische Staatsangehörige (vgl. BAMF, a.a.O., S. 11), weil nur ca. 5 % der in Deutschland lebenden Türken (ca. 25 % der ausländischen Bevölkerung von insgesamt 6,7 Mio. Menschen) kürzer als sechs Jahre hier leben; über 86 % der türkischen Staatsangehörigen leben sogar länger als 10 Jahre in Deutschland (vgl. BAMF, a.a.O. S. 14). Dies bedeutet ausländerrechtlich, dass sich möglicherweise rund 95 % der hier lebenden türkischen Staatsangehörigen auf Art. 6 oder 7 ARB 1/80 berufen können (vgl. Günes, Europäischer Ausweisungsschutz, 2009, S. 49 ff.). Geht man davon aus, dass zudem ein Teil sowohl der Unionsbürger als auch der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen mit ebenfalls aufenthaltsrechtlich besonders geschützten Drittstaatern (vgl. Art. 27 Abs. 2 Unionsbürger-RL 2004/38/EG, Art. 12 Abs. 1 Daueraufenthalts-RL 2003/109/EG und Renner/Dienelt, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 FreizügG/EU, Rn. 20 ff.) familiär verbunden ist, dürfte aufgrund insbesondere der Rechtsprechung des EuGH zwischenzeitlich möglicherweise für rund zwei Drittel aller in Deutschland lebenden Ausländer ein absolutes Verbot der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen bestehen. Dies würde deren - nach Auskunft des Beklagten und Erfahrung des Senats - heute nur noch sehr geringe Praxisrelevanz schlüssig erklären. Die Frage, ob vor diesem empirisch-europarechtlichen Hintergrund auch mangels „kontinuierlicher Verwaltungspraxis“ eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen überhaupt noch abschreckende Wirkung im Sinne einer „Verhaltenssteuerung“ entfalten kann - wofür im Übrigen die Ausländerbehörde darlegungs- und beweispflichtig wäre -, sei nur am Rande gestellt. Neuere empirische Studien hierzu hat der Senat jedenfalls nicht auffinden können.
49 
e) Die Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen beruht bis heute auf richterlicher Schöpfung, nicht aber auf einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers (vgl. GK-AufenthG, 6/2009, Vor §§ 53 ff., Rn. 1300.1, m.w.N.). Nach Überzeugung des Senats hat sie nunmehr auch bezüglich der in Deutschland nachhaltig „verwurzelten“ Ausländer ihre Berechtigung grundsätzlich verloren. Eine Anpassung ist erforderlich, um im Wege einer Gesamtschau insbesondere dem Schutz von Art. 8 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR noch besser gerecht zu werden und insoweit eine Angleichung mit der Rechtsprechung des EuGH zu erzielen. Die Personengruppe der nachhaltig „Verwurzelten“ steht Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen in mancherlei Hinsicht gleich. Da jedoch nach wie vor keine vollständige Identität der Rechtsstellung besteht, kann der Schutz vor einer tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung nur eine Grundregel darstellen.
50 
Anders als bei Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen kann bei „Verwurzelten“ demnach eine generalpräventiv begründete Ausweisung weiterhin ausnahmsweise zulässig sein, wenn ganz besonders schwerwiegende Delikte verwirklicht wurden, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates oder der Gesellschaft gefährden. Als Maßstab aus anderen Regelungszusammenhängen kann sich - zur Fallgruppenbildung im Europäischen Rechtsraum - insoweit zum einen Art. 12 Abs. 2 der Qualifikations-RL 2004/83/EG anbieten (insbesondere „Terrorismusdelikte“; vgl. Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 AsylVfG Rn. 8 f.). Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es auch im europäischen Flüchtlingsrecht hier nicht auf eine gegenwärtige Wiederholungsgefahr an (EuGH, Urteil vom 09.11.2010, Rs. C-101/09 - Deutschland vs. D). Zum anderen kann der Rechtsgedanke von Art. 28 Abs. 3 Unionsbürger-RL 2004/38/EG herangezogen werden („staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte“), weil auch Unionsbürger insoweit selbst nach 10-jährigem Aufenthalt im Aufnahmestaat nur einen eingeschränkten Schutz gegen (weiterhin ausschließlich spezialpräventiv begründete) Ausweisungen genießen (EuGH, Urteil vom 23.11.2010, Rs. C-145/09 - Tsakouridis). Liegen jedoch keine vergleichbar schwerwiegenden Delikte vor, verdient derjenige, der sich in qualifizierter Weise auf Art. 8 EMRK berufen kann, insbesondere weil er in Deutschland ein nach der Rechtsprechung des EGMR nachhaltig zu schützendes Privatleben entfaltet hat, menschenrechtlich einen mit Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen vergleichbaren Ausweisungsschutz. Die weitgehende Vereinheitlichung des bisweilen nur noch schlecht überschaubaren Ausländerrechts liegt insoweit nahe.
51 
Als Stichtag bietet sich das Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon an, d.h. der 01.12.2009. Denn der Lissabon-Vertrag hebt den Prozess der europäischen Integration „auf eine neue Stufe“ (Abs. 1 EUV-Präambel) und strebt mit der Vergemeinschaftung, heute genauer „Verunionung“ (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 3 EUV) der vormaligen 3. EU-Säule die Schaffung eines europaweiten „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ an, in dem - gerade auch für die Bereiche Asyl, Einwanderung und Freizügigkeit - im Wesentlichen einheitliche Standards gelten sollen (vgl. Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 67 ff. AEUV und das Stockholmer Programm vom 11.12.2010 - ABlEU Nr. C 115/1). Auch wird mit dem gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV angestrebten Beitritt der neu verfassten EU zur EMRK diese Konvention normhierarchisch gewissermaßen auf die höchste Stufe gestellt. Selbst das bezüglich allen nationalen Rechts anwendungsvorrangige Unionsrecht wird künftig vom EGMR am Maßstab der EMRK gemessen und, trotz EU-Grundrechtecharta, gegebenenfalls als menschenrechtswidrig eingestuft. Damit wird durch den Lissabon-Vertrag klargestellt - und mit dessen Ratifikation auch von der Bundesrepublik angestrebt -, dass in Sachen Menschenrechtsschutz der Straßburger EGMR europaweit „das letzte Wort“ haben soll (ausführlich: Bergmann, Diener dreier Herren? - Der Instanzrichter zwischen BVerfG, EuGH und EGMR, EuR 2006, S. 101). Der Straßburger Rechtsprechung ist deshalb seit 01.12.2009 noch größeres Gewicht beizumessen. Seit 01.12.2009 muss bei der dogmatischen Durchdringung und Fortbildung des mitgliedstaatlichen Rechts vom „Europäischen Rechtsraum“ her gedacht werden (v. Bogdandy, Perspektiven einer europäischen Rechtswissenschaft, in: Handlexikon der EU, 4. Aufl., Baden-Baden, sowie JZ 2011, S. 4).
52 
Als diesbezügliches Vorbild für die Erstreckung des grundsätzlichen Verbots der generalpräventiven Ausweisung auf nachhaltig „verwurzelte“ Ausländer ab 01.12.2009 sieht der Senat die rechtspolitisch in gleiche Richtung weisende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur allgemeinen Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung. Mit Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - (BVerwGE 130, 20) hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28.08.2007 – nach der Geltung für Unionsbürger und sodann für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige – nunmehr bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich ist, was insoweit zu einer Rechtsvereinheitlichung in dem durch EGMR- und EuGH-Rechtsprechung geprägten Europäischen Rechtsraum geführt hat.
53 
3. Der Kläger ist ein in Deutschland „verwurzelter“ Ausländer und kann sich auf den Schutz von Art. 8 EMRK berufen. Der EGMR geht von einem weiten Begriff des Privatlebens aus, dessen Schutzbereich auch das „Recht auf Entwicklung einer Person“ sowie das „Recht, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt zu knüpfen und zu entwickeln“ und damit letztlich die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts - hier Deutschland - „gewachsenen Bindungen“ umfasst. Maßgebend ist, ob der Ausländer aufgrund seines (längeren) Aufenthalts über „starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte“ zum Aufnahmestaat verfügt (vgl. die im Senatsurteil vom 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - referierte EGMR-Rechtsprechung). Im konkreten Einzelfall des Klägers ist dies nach Auffassung des Senats gegeben. Der Kläger lebt nunmehr bereits seit 14 Jahren im Bundesgebiet. Seine gesamte berufliche Entwicklung ist hier erfolgt. Hier leben enge Familienangehörige und sein Freundeskreis. Hier hat er einen Arbeitsplatz, der ihn ohne ergänzenden Sozialleistungsbezug unterhält. Hier verlebt der Kläger sein Privatleben mit seiner deutschen Partnerin.
54 
Auf die Frage der zugleich tiefgreifenden „Entwurzelung“ kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Denn auch der diesbezügliche Ausweisungsschutz von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen besteht unabhängig davon, ob die Sprache der früheren Heimat beherrscht wird oder ob dort etwa noch Verwandte bzw. Bekannte leben. Solche Umstände können allerdings (insbesondere auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung) einen noch weitergehenden Schutz gegenüber einer ausnahmsweise generalpräventiv oder aber spezialpräventiv motivierten Ausweisung begründen.
55 
Damit greift bezüglich des Klägers die oben dargelegte Regel des Verbots der tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung. Da keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dieser Regel vorliegen (Terrorismus, staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte), ist seine Ausweisung gesperrt. Anders formuliert fehlt es damit im konkreten Einzelfall an den für die Ausweisung erforderlichen „schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ im Sinne von § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Die allein auf generalpräventive Motive gestützte Ausweisung des Klägers ist also im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtswidrig.
II.
56 
Ist die angefochtene Ausweisung aufzuheben, entfällt die nach §§ 51 Abs. 1 Nr. 5, 50 Abs. 1 AufenthG entstandene Ausreisepflicht und die dem Kläger am 28.10.2004 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgilt, lebt wieder auf. Demgemäß ist auch die im Bescheid vom 23.06.2009 verfügte unselbständige Abschiebungsandrohung aufzuheben, soweit sie sich nach der Haftentlassung nicht erledigt hat. Denn Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ist eine bestehende Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG (ebenso: Nds. OVG, Urteil vom 10.03.2011 - 8 LB 153/09 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2009 - 18 A 2620/08 - juris).
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
58 
Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat und die Frage der Möglichkeit einer Ausweisung bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Gründen zur Herstellung einer bundeseinheitlichen Rechtslage vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden sollte. Das Bundesverwaltungsgericht ging bisher in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Straftat als Ausweisungsgrund im Sinne von § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG regelmäßig auch bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Erwägungen als besonders schwerwiegend bewertet werden und ein öffentliches Interesse an der Ausweisung des Ausländers begründen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25/03 - BVerwGE 121, 356; hierauf sich berufend etwa Bay. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 10 ZB 10.2868 - juris).
59 
Beschluss vom 18. März 2011
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist ebenso begründet wie seine Anfechtungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der angefochtenen Androhung der Abschiebung in das Kosovo vor allem die Ausweisung des Klägers. Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten ist auch der Senat (nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung sowie insbesondere dem schlüssigen Strafaussetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 07.05.2010 und den positiven Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt in den Gefangenen-Personalakten) der Überzeugung, dass von dem Kläger heute keine gesteigerte Wiederholungsgefahr mehr ausgeht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden. Die Ausweisung wird von dem Beklagten deshalb allein tragend zur - generalpräventiven - Abschreckung anderer Ausländer aufrechterhalten. Damit verstößt sie hier im Lichte des gemäß Art. 8 EMRK qualifiziert geschützten Privatlebens gegen § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.
21 
1. Der Kläger erfüllt aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Heidelberg am 18.02.2009 zu zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe den Regel-Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG. Er genießt jedoch nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund seines rechtmäßigen Aufenthalts, jedenfalls seit 2000, und der am 28.10.2004 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungserlaubnis besonderen Ausweisungsschutz, weswegen er nach Satz 2 der Norm nur „aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausgewiesen werden darf. Maßgebend für die Frage, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, also des Senats. Ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, ist voll gerichtlich überprüfbar; es besteht für die Ausländerbehörde kein Beurteilungsspielraum.
22 
Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG vor. Diese gesetzliche Vermutung beruht darauf, dass bei Verwirklichung der genannten Ausweisungstatbestände regelmäßig das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Ausweisung des Ausländers erfordert und der vom Gesetz bezweckte Schutz des Ausländers dahinter zurückzutreten hat. Die Regelung enthält allerdings keine Automatik, sondern erfordert eine individuelle Prüfung im jeweiligen Einzelfall, ob nicht Besonderheiten vorliegen, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - BVerwGE 121, 356).
23 
Erfüllt ein Ausländer, der besonderen Ausweisungsschutz genießt, - wie der Kläger - keinen der in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aufgeführten Ist- oder Regelausweisungsgründe, steht dies einer Ausweisung im Ermessenswege nicht entgegen (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). In diesem Fall fehlt es aber an einer gesetzlichen Vermutung für die Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dennoch können solche schwerwiegenden Gründe auch bei Vorliegen eines sonstigen (Regel- oder Ermessens-)Ausweisungsanlasses gegeben sein. Erforderlich ist dann jedoch, dass dem Ausweisungsgrund ein besonderes Gewicht zukommt. Dieses kann sich bei Straftaten insbesondere aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.2009 - 1 C 2.08 - ZAR 2009, 145).
24 
2. Bei einer durch eine Straftat veranlassten Ausweisung, die tragend zur generalpräventiven Abschreckung anderer Ausländer verfügt oder aufrechterhalten wird, fehlt es im Lichte von Art. 8 EMRK in der Regel an schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn hierdurch ein in Deutschland nachhaltig „verwurzelter“ Ausländer betroffen wird. Die regelmäßige Unzulässigkeit von tragend generalpräventiv motivierten Ausweisungen bei dieser Personengruppe folgert der Senat in einer Gesamtschau aus den neueren Rechtsprechungslinien sowohl des Bundesverfassungsgerichts (a) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - (b) und im Übrigen auch aus der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - bezüglich Unionsbürgern (c) sowie des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen (d). Dies gilt jedenfalls seit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon am 01.12.2009 (e).
25 
a) Im Beschluss der Zweiten Kammer des Zweiten Senats vom 10.08.2007 (- 2 BvR 535/06, Rn. 24 f. - NVwZ 2007, 1300) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
26 
„Eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Entscheidung über die Zulässigkeit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung setzt … voraus, dass die Ausländerbehörde die Umstände der Straftat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen sorgfältig ermittelt und eingehend würdigt. Ohne die Kenntnis von Einzelheiten der Tatbegehung und der persönlichen Situation des Betroffenen können in der Regel die Auswirkungen der Ausweisung auf die Individualinteressen nicht hinreichend sicher festgestellt und in einer einzelfallbezogenen Abwägung den die Ausweisung verlangenden Interessen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden. … Im Grundsatz nicht anders als bei der Würdigung der von dem Ausländer künftig ausgehenden Gefahren im Rahmen spezialpräventiv motivierter Ausweisungen genügt es insbesondere nicht, das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu bestimmen.“
27 
In der Literatur wird die Auffassung vertreten, mit dieser inhaltlich teilweisen Neukonturierung des Anforderungsprofils habe das Bundesverfassungsgericht der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen „nicht nur die Zähne gezogen, sondern ihr - jedenfalls was eine praktische Anwendung betrifft - gleichsam auf kaltem Wege den (endgültigen) Todesstoß versetzt“ (Mayer, Systemwechsel im Ausweisungsrecht, VerwArch 2010, 507). Denn eine generalpräventive Ausweisung, die im Grundsatz nicht anders als bei einer spezialpräventiven Ausweisung auch eine Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der Umstände der begangenen Straftat verlangt und daran anschließend eine einzelfallbezogene Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit erfordert, sei in Wahrheit nichts anderes als eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen. Da das Wesen der generalpräventiven Ausweisung vor allem darin bestehe, eine Ausweisung ohne das Abstellen auf die individuelle Gefährlichkeit des Ausländers zu ermöglichen (so schon Pagenkopf, DVBl. 1975, S. 766), könne es allenfalls noch eine „generalpräventiv motivierte“ Ausweisung geben, die jedoch zugleich auch spezialpräventiv gerechtfertigt sein müsse. Ohnehin wäre eine selbständig rechtfertigende Wirkung generalpräventiver Erwägungen mit dem Garantiegehalt der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn diese schließe es aus, den Ausgewiesenen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu denaturieren und ihn als Vehikel zu benutzen, um auf andere abschreckend und damit verhaltenssteuernd einzuwirken (Mayer, a.a.O., m.w.N.). Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann hier offen bleiben. Jedenfalls bei nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern, die sich auf den qualifizierten Schutz von Art. 8 EMRK berufen können - was nicht notwendig zugleich eine tiefgreifende „Entwurzelung“ voraussetzt -, steht der vom Bundesverfassungsgericht besonders betonte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 17.01.1979 - 1 BvR 241/77 - BVerfGE 50, 166) einer Ausweisung aus generalpräventiven Gründen aber in der Regel entgegen. Eine tragend generalpräventiv motivierte Ausweisung stellt sich bei nachhaltig „Verwurzelten“ auch im Lichte der Ausführungen des BVerfG mithin regelmäßig als unverhältnismäßig dar, sodass es an hierfür rechtfertigenden schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fehlt.
28 
b) Auch der Straßburger EGMR steht der Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Dies ergibt sich aus seiner Rechtsprechung zu Ausweisungen, die er an Art. 8 EMRK misst. Seine sogenannten Boultif/Üner-Kriterien hat er etwa im Urteil Chair vom 06.12.2007 - 69735/01 - InfAuslR 2008, 111 (Rn. 58 ff.) wie folgt zusammengefasst:
29 
„Der Gerichtshof hat bekräftigt, dass in allen Rechtssachen, die niedergelassene Zuwanderer betreffen, bei der Prüfung der Frage, ob eine Ausweisungsmaßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stand, die folgenden Kriterien heranzuziehen sind:
30 
- Die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat;
- die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll;
- die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;
- die Staatsangehörigkeit der verschiedenen Betroffenen;
- die familiäre Situation des Beschwerdeführers, wie z.B. die Dauer der Ehe, und andere Faktoren, die erkennen lassen, wie intakt das Familienleben eines Ehepaars ist;
- ob der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin von der Straftat wusste, als er bzw. sie eine familiäre Beziehung einging;
- ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und gegebenenfalls deren Alter und
- das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin in dem Land, in das der Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen wird.
31 
Im Urteil Üner hat der Gerichtshof außerdem ausdrücklich die beiden folgenden Kriterien genannt:
32 
- Die Belange und das Wohl der Kinder, insbesondere das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen Kinder des Beschwerdeführers in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen werden, und
- die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland.“
33 
Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht verlangt mithin auch der Menschenrechtsgerichtshof (angesiedelt auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung), dass für eine konventionsgemäße Ausweisung zwingend eine genaue und auf den Einzelfall bezogene Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der konkreten Umstände der begangenen Straftat getroffen und daran anschließend eine Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit durchgeführt wird (vgl. auch EGMR, Urteil vom 23.06.2008 - 1638/03 - Maslov). Auch dies läuft jedenfalls in rechtstatsächlicher Hinsicht sehr stark auf eine Ausweisung (nur oder nur auch) aus spezialpräventiven Gründen zu.
34 
c) Der Luxemburger EuGH hält hinsichtlich Unionsbürgern eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen schon seit 1975 für rechtswidrig, wie er erstmals im Urteil Bonsignore (Urteil vom 26.02.1975, Rs. 67/74, Rn. 7) klarstellte:
35 
„Auf die gestellten Fragen ist daher zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie Nr. 64/221 der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates entgegensteht, wenn diese zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird, das heißt, wenn sie - in der Formulierung des innerstaatlichen Gerichts - auf ‚generalpräventive‘ Gesichtspunkte gestützt wird.“
36 
Im Urteil Orfanopoulos und Oliveri (Urteil vom 29.04.2004, Rs. C-482/01 u. 493/01, Rn. 66-68) hat er dies 2004 nochmals ausführlicher dargelegt:
37 
„Maßnahmen der öffentlichen Ordnung sind nach Art. 3 der Richtlinie 64/221 nur dann gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen gestützt sind. In dieser Bestimmung heißt es, dass strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres diese Maßnahmen nicht rechtfertigen können. Wie der Gerichtshof u. a. im Urteil vom 27.10.1977 in der Rechtssache 30/77 (Bouchereau, Slg. 1977, 1999, Rn. 35) festgestellt hat, setzt die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung voraus, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
38 
Zwar kann ein Mitgliedstaat die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen, doch ist die Ausnahme der öffentlichen Ordnung eng auszulegen, so dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen kann, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (vgl. u. a. Urteil vom 19.01.1999, Rs. C-348/96, Calfa, Rn. 22-24).
39 
Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats entgegensteht, die auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt, d. h. zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird (vgl. u.a. Urteil Bonsignore, Rn. 7), insbesondere, wenn die Ausweisung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (vgl. Urteile Calfa, Rn. 27, und Nazli, Rn. 59).“
40 
d) Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Impulse aus Luxemburg aufgegriffen und seine diesbezügliche Rechtsprechung mit Urteil vom 03.08.2004 -1 C 30.02 - auch hinsichtlich der generalpräventiv begründeten Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern geändert (BVerwGE 121, 297, Rn. 24):
41 
„Die Gefährdung kann sich im Einzelfall auch allein aufgrund des abgeurteilten Verhaltens ergeben. Es besteht aber keine dahin gehende Regel, dass bei schwerwiegenden Taten das abgeurteilte Verhalten die hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen begründet. Eine vom Einzelfall losgelöste oder auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützte Begründung der Ausweisung ist in jedem Fall unzulässig.“
42 
Im Urteil vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - (BVerwGE 124, 243) wurde dies nochmals bekräftigt:
43 
„Das Gemeinschaftsrecht lässt eine Ausweisung ausnahmslos nur aus spezialpräventiven Gründen zu, d.h. zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, die von dem einzelnen Ausländer persönlich ausgehen, nicht aber - tragend oder auch nur mittragend - zur (generalpräventiven) Abschreckung anderer Ausländer.“
44 
Mit Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - (BVerwGE 121, 315, Rn. 17) hat das Bundesverwaltungsgericht diese Grundsätze des unionsrechtlichen Ausweisungsschutzes auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige erstreckt, d.h. deren Ausweisungsschutz in gleicher Weise materiellrechtlich begründet und ausgestaltet wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger:
45 
„Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Übertragung der nach dem Urteil des Senats im Verfahren BVerwG 1 C 30.02 anzuwendenden Maßstäbe entgegenstehen.“
46 
Der EuGH hat die Richtigkeit dieser Entscheidung mit Urteil vom 11.11.2004 (Rs. C-467/02 - Cetinkaya) bestätigt.
47 
Seither können freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nur noch ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen darf eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt und auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet; aufenthaltsbeendende Maßnahmen dürfen daher nicht mehr aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung zum Zwecke der Generalprävention angeordnet werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - ZAR 2010, 284). Hier kann mithin kein „dringendes Bedürfnis“ mehr angenommen werden, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus „durch eine kontinuierliche Ausweisungspraxis andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten“ (so noch: BVerwG, Beschluss vom 08.05.1996 - 1 B 136.95 - InfAuslR 1996, 299).
48 
Seit der 2. EU-Osterweiterung am 01.01.2007 kommen zunächst alle Staatsangehörigen der anderen 26 Mitgliedstaaten in den Genuss dieses europarechtlichen Ausweisungsschutzes. Das sind rund 35 % aller in Deutschland lebenden Ausländer (Stand: 31.12.2009; zit. nach BAMF, Ausländerzahlen 2009, S. 12). Hinzu kommen des Weiteren wohl rund 23 % türkische Staatsangehörige (vgl. BAMF, a.a.O., S. 11), weil nur ca. 5 % der in Deutschland lebenden Türken (ca. 25 % der ausländischen Bevölkerung von insgesamt 6,7 Mio. Menschen) kürzer als sechs Jahre hier leben; über 86 % der türkischen Staatsangehörigen leben sogar länger als 10 Jahre in Deutschland (vgl. BAMF, a.a.O. S. 14). Dies bedeutet ausländerrechtlich, dass sich möglicherweise rund 95 % der hier lebenden türkischen Staatsangehörigen auf Art. 6 oder 7 ARB 1/80 berufen können (vgl. Günes, Europäischer Ausweisungsschutz, 2009, S. 49 ff.). Geht man davon aus, dass zudem ein Teil sowohl der Unionsbürger als auch der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen mit ebenfalls aufenthaltsrechtlich besonders geschützten Drittstaatern (vgl. Art. 27 Abs. 2 Unionsbürger-RL 2004/38/EG, Art. 12 Abs. 1 Daueraufenthalts-RL 2003/109/EG und Renner/Dienelt, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 FreizügG/EU, Rn. 20 ff.) familiär verbunden ist, dürfte aufgrund insbesondere der Rechtsprechung des EuGH zwischenzeitlich möglicherweise für rund zwei Drittel aller in Deutschland lebenden Ausländer ein absolutes Verbot der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen bestehen. Dies würde deren - nach Auskunft des Beklagten und Erfahrung des Senats - heute nur noch sehr geringe Praxisrelevanz schlüssig erklären. Die Frage, ob vor diesem empirisch-europarechtlichen Hintergrund auch mangels „kontinuierlicher Verwaltungspraxis“ eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen überhaupt noch abschreckende Wirkung im Sinne einer „Verhaltenssteuerung“ entfalten kann - wofür im Übrigen die Ausländerbehörde darlegungs- und beweispflichtig wäre -, sei nur am Rande gestellt. Neuere empirische Studien hierzu hat der Senat jedenfalls nicht auffinden können.
49 
e) Die Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen beruht bis heute auf richterlicher Schöpfung, nicht aber auf einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers (vgl. GK-AufenthG, 6/2009, Vor §§ 53 ff., Rn. 1300.1, m.w.N.). Nach Überzeugung des Senats hat sie nunmehr auch bezüglich der in Deutschland nachhaltig „verwurzelten“ Ausländer ihre Berechtigung grundsätzlich verloren. Eine Anpassung ist erforderlich, um im Wege einer Gesamtschau insbesondere dem Schutz von Art. 8 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR noch besser gerecht zu werden und insoweit eine Angleichung mit der Rechtsprechung des EuGH zu erzielen. Die Personengruppe der nachhaltig „Verwurzelten“ steht Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen in mancherlei Hinsicht gleich. Da jedoch nach wie vor keine vollständige Identität der Rechtsstellung besteht, kann der Schutz vor einer tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung nur eine Grundregel darstellen.
50 
Anders als bei Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen kann bei „Verwurzelten“ demnach eine generalpräventiv begründete Ausweisung weiterhin ausnahmsweise zulässig sein, wenn ganz besonders schwerwiegende Delikte verwirklicht wurden, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates oder der Gesellschaft gefährden. Als Maßstab aus anderen Regelungszusammenhängen kann sich - zur Fallgruppenbildung im Europäischen Rechtsraum - insoweit zum einen Art. 12 Abs. 2 der Qualifikations-RL 2004/83/EG anbieten (insbesondere „Terrorismusdelikte“; vgl. Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 AsylVfG Rn. 8 f.). Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es auch im europäischen Flüchtlingsrecht hier nicht auf eine gegenwärtige Wiederholungsgefahr an (EuGH, Urteil vom 09.11.2010, Rs. C-101/09 - Deutschland vs. D). Zum anderen kann der Rechtsgedanke von Art. 28 Abs. 3 Unionsbürger-RL 2004/38/EG herangezogen werden („staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte“), weil auch Unionsbürger insoweit selbst nach 10-jährigem Aufenthalt im Aufnahmestaat nur einen eingeschränkten Schutz gegen (weiterhin ausschließlich spezialpräventiv begründete) Ausweisungen genießen (EuGH, Urteil vom 23.11.2010, Rs. C-145/09 - Tsakouridis). Liegen jedoch keine vergleichbar schwerwiegenden Delikte vor, verdient derjenige, der sich in qualifizierter Weise auf Art. 8 EMRK berufen kann, insbesondere weil er in Deutschland ein nach der Rechtsprechung des EGMR nachhaltig zu schützendes Privatleben entfaltet hat, menschenrechtlich einen mit Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen vergleichbaren Ausweisungsschutz. Die weitgehende Vereinheitlichung des bisweilen nur noch schlecht überschaubaren Ausländerrechts liegt insoweit nahe.
51 
Als Stichtag bietet sich das Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon an, d.h. der 01.12.2009. Denn der Lissabon-Vertrag hebt den Prozess der europäischen Integration „auf eine neue Stufe“ (Abs. 1 EUV-Präambel) und strebt mit der Vergemeinschaftung, heute genauer „Verunionung“ (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 3 EUV) der vormaligen 3. EU-Säule die Schaffung eines europaweiten „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ an, in dem - gerade auch für die Bereiche Asyl, Einwanderung und Freizügigkeit - im Wesentlichen einheitliche Standards gelten sollen (vgl. Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 67 ff. AEUV und das Stockholmer Programm vom 11.12.2010 - ABlEU Nr. C 115/1). Auch wird mit dem gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV angestrebten Beitritt der neu verfassten EU zur EMRK diese Konvention normhierarchisch gewissermaßen auf die höchste Stufe gestellt. Selbst das bezüglich allen nationalen Rechts anwendungsvorrangige Unionsrecht wird künftig vom EGMR am Maßstab der EMRK gemessen und, trotz EU-Grundrechtecharta, gegebenenfalls als menschenrechtswidrig eingestuft. Damit wird durch den Lissabon-Vertrag klargestellt - und mit dessen Ratifikation auch von der Bundesrepublik angestrebt -, dass in Sachen Menschenrechtsschutz der Straßburger EGMR europaweit „das letzte Wort“ haben soll (ausführlich: Bergmann, Diener dreier Herren? - Der Instanzrichter zwischen BVerfG, EuGH und EGMR, EuR 2006, S. 101). Der Straßburger Rechtsprechung ist deshalb seit 01.12.2009 noch größeres Gewicht beizumessen. Seit 01.12.2009 muss bei der dogmatischen Durchdringung und Fortbildung des mitgliedstaatlichen Rechts vom „Europäischen Rechtsraum“ her gedacht werden (v. Bogdandy, Perspektiven einer europäischen Rechtswissenschaft, in: Handlexikon der EU, 4. Aufl., Baden-Baden, sowie JZ 2011, S. 4).
52 
Als diesbezügliches Vorbild für die Erstreckung des grundsätzlichen Verbots der generalpräventiven Ausweisung auf nachhaltig „verwurzelte“ Ausländer ab 01.12.2009 sieht der Senat die rechtspolitisch in gleiche Richtung weisende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur allgemeinen Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung. Mit Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - (BVerwGE 130, 20) hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28.08.2007 – nach der Geltung für Unionsbürger und sodann für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige – nunmehr bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich ist, was insoweit zu einer Rechtsvereinheitlichung in dem durch EGMR- und EuGH-Rechtsprechung geprägten Europäischen Rechtsraum geführt hat.
53 
3. Der Kläger ist ein in Deutschland „verwurzelter“ Ausländer und kann sich auf den Schutz von Art. 8 EMRK berufen. Der EGMR geht von einem weiten Begriff des Privatlebens aus, dessen Schutzbereich auch das „Recht auf Entwicklung einer Person“ sowie das „Recht, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt zu knüpfen und zu entwickeln“ und damit letztlich die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts - hier Deutschland - „gewachsenen Bindungen“ umfasst. Maßgebend ist, ob der Ausländer aufgrund seines (längeren) Aufenthalts über „starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte“ zum Aufnahmestaat verfügt (vgl. die im Senatsurteil vom 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - referierte EGMR-Rechtsprechung). Im konkreten Einzelfall des Klägers ist dies nach Auffassung des Senats gegeben. Der Kläger lebt nunmehr bereits seit 14 Jahren im Bundesgebiet. Seine gesamte berufliche Entwicklung ist hier erfolgt. Hier leben enge Familienangehörige und sein Freundeskreis. Hier hat er einen Arbeitsplatz, der ihn ohne ergänzenden Sozialleistungsbezug unterhält. Hier verlebt der Kläger sein Privatleben mit seiner deutschen Partnerin.
54 
Auf die Frage der zugleich tiefgreifenden „Entwurzelung“ kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Denn auch der diesbezügliche Ausweisungsschutz von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen besteht unabhängig davon, ob die Sprache der früheren Heimat beherrscht wird oder ob dort etwa noch Verwandte bzw. Bekannte leben. Solche Umstände können allerdings (insbesondere auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung) einen noch weitergehenden Schutz gegenüber einer ausnahmsweise generalpräventiv oder aber spezialpräventiv motivierten Ausweisung begründen.
55 
Damit greift bezüglich des Klägers die oben dargelegte Regel des Verbots der tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung. Da keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dieser Regel vorliegen (Terrorismus, staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte), ist seine Ausweisung gesperrt. Anders formuliert fehlt es damit im konkreten Einzelfall an den für die Ausweisung erforderlichen „schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ im Sinne von § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Die allein auf generalpräventive Motive gestützte Ausweisung des Klägers ist also im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtswidrig.
II.
56 
Ist die angefochtene Ausweisung aufzuheben, entfällt die nach §§ 51 Abs. 1 Nr. 5, 50 Abs. 1 AufenthG entstandene Ausreisepflicht und die dem Kläger am 28.10.2004 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgilt, lebt wieder auf. Demgemäß ist auch die im Bescheid vom 23.06.2009 verfügte unselbständige Abschiebungsandrohung aufzuheben, soweit sie sich nach der Haftentlassung nicht erledigt hat. Denn Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ist eine bestehende Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG (ebenso: Nds. OVG, Urteil vom 10.03.2011 - 8 LB 153/09 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2009 - 18 A 2620/08 - juris).
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
58 
Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat und die Frage der Möglichkeit einer Ausweisung bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Gründen zur Herstellung einer bundeseinheitlichen Rechtslage vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden sollte. Das Bundesverwaltungsgericht ging bisher in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Straftat als Ausweisungsgrund im Sinne von § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG regelmäßig auch bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Erwägungen als besonders schwerwiegend bewertet werden und ein öffentliches Interesse an der Ausweisung des Ausländers begründen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25/03 - BVerwGE 121, 356; hierauf sich berufend etwa Bay. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 10 ZB 10.2868 - juris).
59 
Beschluss vom 18. März 2011
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Tilgungsfrist beträgt

1.
fünf Jahrebei Verurteilungen
a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,
b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist,
c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr,
d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist,
g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
1a.
zehn Jahrebei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn
a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt,
b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
2.
zehn Jahrebei Verurteilungen zu
a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen,
b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
d)
(weggefallen)
3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr,
4.
fünfzehn Jahrein allen übrigen Fällen.

(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11. Juni 2015 - 6 K 2550/13 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der nach § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 4 VwGO rechtzeitig gestellte und begründete, auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
Es kann offen bleiben, ob der Antrag auf Zulassung der Berufung rechtzeitig gestellt wurde bzw. ob dem Kläger insoweit Wiedereinsetzung hätte gewährt werden müssen. Denn der Antrag ist jedenfalls in der Sache nicht begründet.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl. 2004, 838, vom 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744, vom 12.11.2002 - 7 AV 4.02 - juris, vom 11.11.2002 - 7 AV 3.02 - DVBl. 2003, 401, und vom 14.06.2002 - 7 AV 1.02 - DVBl. 2002, 1556). Mit anderen Worten: Sie sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2510, Kammerbeschluss vom 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546). Dabei ist davon auszugehen, dass das Zulassungsverfahren das Berufungsverfahren nicht vorwegnehmen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 - NJW 2010, 1062), es sei denn, es lässt sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004, a.a.O.), sofern nicht seinerseits andere Gründe wiederum auf einen anderen Zulassungsgrund hinführen würden (vgl. hierzu Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 124 Rdn. 22). Dabei sind auch nach Erlass der angegriffenen Entscheidung und bis zum Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) neu eingetretene Tatsachen sowie erhebliche Änderungen des maßgeblichen Rechts zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14.06.2002 und vom 15.12.2003, jew. a.a.O.).
Zur Darlegung ernstlicher Zweifel ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich. Der Streitstoff muss dabei unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden; erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwendige Ermittlungen ermöglicht. Das Maß der zu leistenden Substantiierung kann dabei von der jeweiligen Begründungsdichte und dem Begründungsaufwand der Entscheidung abhängig sein.
Gemessen hieran zeigt die Antragsbegründung nicht auf, dass das angegriffene Urteil ernstlich zweifelhaft sein könnte. Sie geht schon nicht in dem gebotenen Maße auf die konkrete, die Entscheidung tragende Argumentation des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil ein, das ausgeführt hat, dass der Erteilung der begehrten Aufenthaltstitel zwingend die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegenstehe und auch keine Ausnahmemöglichkeit nach Absatz 3 Satz 2 gegeben ist. Das Verwaltungsgericht stellt gerade nicht infrage und übersieht - entgegen dem Vorbringen des Klägers - nicht, dass nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vom entgegenstehenden Ausweisungsgrund bzw. Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden kann; es weist insbesondere darauf hin, dass hier auch in Betracht zu ziehen sei, von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen (vgl. UA S. 9 unten), weshalb auch die Ausländerbehörde die Erteilung einer Vorabzustimmung in Aussicht gestellt habe. Das Verwaltungsgericht hat aber ebenfalls in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (zu Recht) ausgeführt, dass eine Ermessensreduzierung nicht auf einen Anspruch im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG hinführen könne. Mit alledem setzt sich die Antragsbegründung nicht hinreichend auseinander.
Dem angegriffenen Urteil lässt sich entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht entnehmen, dass es - in unzulässiger Weise - allein auf die Sichtweise des Vaters und nicht auch auf die des Kindes abgestellt haben könnte, wenn es um die Beurteilung einer Unzumutbarkeit der vorübergehenden Trennung geht. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Trennung nicht unverhältnismäßig lang sein werde, weil zum einen die Ausländerbehörde eine Vorabzustimmung konkret in Aussicht gestellt und, wie bereits oben angesprochen, den familiären Belangen mit hohem Gewicht von der Auslandsvertretung Rechnung getragen werden müsse. Diese Einschätzung ist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht vom Kläger erschüttert worden.
Sollen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gerade hinsichtlich einer Tatsachen- oder Beweiswürdigung – wie sie auch im vorliegenden Fall erfolgt ist – geltend gemacht werden, sind besondere Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe zu stellen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 - AuAS 2008, 150; BayVGH, Beschlüsse vom 29.07.2009 - 11 ZB 07.1043 - juris und vom 21.01.2013 - 8 ZB 11.2030 - juris; NiedersOVG, Beschlüsse vom 18.01.2001 - 4 L 2401/00 - juris und vom 23.01.2013 - 8 LA 226/12 - juris; SächsOVG, Beschluss vom 08.01.2010 - 3 B 197/07 - juris). Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Verwaltungsgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist bei der Würdigung aller erheblichen Tatsachen - nicht nur des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten förmlichen Beweisaufnahme, sondern auch des Inhalts der Akten, des Vortrags der Beteiligten, eingeholter Auskünfte usw. - frei, d.h. nur an die innere Überzeugungskraft der in Betracht kommenden Gesichtspunkte und Argumente, an die Denkgesetze, anerkannten Erfahrungssätze und Auslegungsgrundsätze gebunden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., 2014, § 108 Rdn. 4 m.w.N.). Ist das Gericht unter umfassender Würdigung des Akteninhalts und der Angaben der Beteiligten (sowie gegebenenfalls des Ergebnisses einer Beweisaufnahme) zu der Überzeugung gelangt, dass entscheidungserhebliche Tatsachen vorliegen oder nicht, können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung nicht schon durch die Darlegung von Tatsachen hervorgerufen werden, die lediglich belegen, dass auch eine inhaltlich andere Überzeugung möglich gewesen wäre oder dass das Berufungsgericht bei einer Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Aktenlage zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte; für die umfassende Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht fehlt dem Berufungsgericht im Zulassungsverfahren ohnehin regelmäßig der im Einzelfall wesentliche persönliche Eindruck von den Beteiligten und Zeugen. Vielmehr bedarf es der Darlegung erheblicher Fehler bei der Tatsachen- oder Beweiswürdigung, die etwa dann vorliegen können, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen Denkgesetze verstoßen, gesetzliche Beweisregeln missachtet hat oder die entscheidungstragenden Erwägungen nicht nachvollzogen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 - InfAuslR 1994, 424; Beschluss vom 28.03.2012 - 8 B 76.11 - juris m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 12.07.2012 - 2 S 1265/12 - NVwZ-RR 2012, 778, vom 27.03.2008 - 11 S 2194/07 und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 - a.a.O.; Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 124 Rdn. 18 und 20). Derartige Mängel zeigt die Begründung des Zulassungsantrags nicht auf. Auch sieht der Senat keinen ausreichenden Ansatz dafür, dass eine hier nur kurzfristige Trennung mit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Ehe- und Familienschutzes nicht mehr zu vereinbaren sein könnte. Eine Ausnahmesituation derart, dass im konkreten Fall eine ständige Anwesenheit des Klägers erforderlich wäre, ist nicht substantiiert dargelegt.
Wenn die Richtigkeit der amtsgerichtlichen Verurteilung unter Berufung auf die Auskunft des Generalkonsulats Lagos vom 01.08.2012 infrage gestellt wird, so liegt dieser Einwand offensichtlich neben der Sache. Der Kläger trat zunächst unter dem Namen „Emeka Nduka MADUABUCHI, geb. 10.04.1971 in Nnewi auf. Das Generalkonsulat bestätigte später die Personalien mit „Mmaduabuchukwu Chukwuemeka NDUKA, geb. 17.06.1982 in Nnewi“. Selbst unter Berücksichtigung gewisser phonetischer Verschiebungen kann auch mit Blick auf die unterschiedlichen Geburtsdaten offensichtlich von keiner Identität ausgegangen werden.
Aus den Ausführungen im Zulassungsantrag ergibt sich auch nicht hinreichend deutlich, dass dieses im Hinblick auf die Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 (BGBl. I, S. 1386) nunmehr ernstlichen Zweifeln ausgesetzt sein könnte. Zwar wurde insoweit der Begriff des „Ausweisungsgrundes“ durch den des „Ausweisungsinteresses“ ersetzt. Es ist jedoch nicht - auch nicht aufgrund der Ausführungen im Zulassungsverfahren - ersichtlich, dass damit eine materielle Änderung verbunden sein sollte. Denn es entsprach bislang allgemeinem Konsens, dass die Bejahung eines Ausweisungsgrundes nicht voraussetzt, dass etwa auch im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei hätte erlassen werden dürfen (vgl. GK-AufenthG § 5 Rn. 56 m.w.N.). Dass nunmehr etwa ein Ausweisungsinteresse nur dann bejaht werden dürfte, wenn auch eine Ausweisung im konkreten Fall zulässig wäre, ist nicht ausreichend dargetan und auch nicht ersichtlich. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es nämlich lapidar, „es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 35). Es liegt daher nahe, wie bisher von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. § 53 Abs. 1 AufenthG n.F.). Die Ausführungen im Zulassungsverfahren lassen keinen ausreichend tragfähigen Ansatz für eine andere Interpretation erkennen. Der aktuellen Anwendbarkeit der Vorschrift des neuen § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht auch nicht entgegen, dass gem. Art. 9 des Gesetzes vom 27.07.2015 die §§ 53 ff. erst zum 01.01.2016 in Kraft treten werden. Denn hieraus folgt nur, dass auf der Grundlage der neuen §§ 53 ff. vor dem 01.01.2016 noch keine Ausweisungsentscheidung ergehen darf (vgl. auch Zühlcke, in: HTK-AuslR, zu § 25 b Abs. 2 Ziff. 3).
10 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 3 VwGO).
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
13 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. Dezember 2004 - 2 K 1469/03 - geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. April 2003 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Freiburg vom 3. Juli 2003 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt eine Aufenthaltserlaubnis zur Wahrnehmung des Sorgerechts für seine Tochter S. und des Umgangsrechts für seine Tochter E..
Der 1979 in Benin geborene Kläger reiste im November 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte unter der falschen Identität K. S. aus Togo erfolglos seine Anerkennung als Asylberechtigter. Das Verfahren ist durch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 28.03.2002 - A 1 K 10842/00 - abgeschlossen. Im Anschluss an das Asylverfahren wurde der Kläger geduldet.
Mit Schreiben vom 13.09.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für seine am 06.09.2002 geborene Tochter S., für die er gemeinsam mit deren Mutter die elterliche Sorge übernommen hatte. Gleichzeitig legte er Kopien seines beninischen Passes vor. Seine Tochter S. lebt entsprechend einer Absprache zwischen der Mutter des Kindes und dem Kläger bei ihrer Großmutter mütterlicherseits in Pforzheim. Der Kläger lebt und arbeitet als Zeitungszusteller in Lahr.
Mit Bescheid vom 01.04.2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung ab, er übe nicht die Personensorge für seine Tochter S. aus. Da das Kind bei seiner Großmutter in Pforzheim aufwachse und sich der Umgang des Klägers mit seiner Tochter auf telefonische Nachfragen und gelegentliche Besuche beschränke, liege keine Betreuungsgemeinschaft, sondern nur eine Begegnungsgemeinschaft vor. Diese könne auch vom Ausland aus ausgeübt werden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Freiburg unter Bezugnahme auf die Gründe des Ausgangsbescheides mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2003 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 08.07.2003 zugestellt.
Am 08.08.2003 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Die Klage wurde nicht begründet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wurde der Kläger angehört. Dabei gab er an, er besuche S. an den beiden ersten Sonntagen im Monat in Pforzheim. Er halte sich dort jeweils etwa zwei Stunden, gegebenenfalls auch etwas länger, auf. Meistens spiele er mit S.. In der Regel seien auch noch andere Kinder sowie die Großmutter des Kindes anwesend. Außerdem erkundige er sich telefonisch bei der Großmutter nach dem Befinden des Kindes. Er zahle keinen laufenden Unterhalt, sondern steuere je nach seiner finanziellen Situation etwas Geld bei. Es handele sich nicht um regelmäßige Leistungen, durchschnittlich seien es jedoch zwischen 40,-- und 50,-- EUR pro Monat. Die Mutter seiner Tochter sei nicht anwesend, wenn er sie besuche. Die Mutter wohne auch nicht bei der Großmutter und habe auch sonst wenig Kontakt zum Kind. Die Großmutter wolle nicht, dass er das Kind häufiger als zweimal pro Monat besuche, obwohl er mit dem Auto mittlerweile auch viermal im Monat nach Pforzheim fahren könne. Mit S. spreche er deutsch.
Mittlerweile habe er ein weiteres Kind, die am 14.12.2003 geborene E.. Sie wachse bei Pflegeeltern in Lahr auf. Für E. habe er nicht das Sorgerecht, sondern lediglich ein Besuchsrecht. Mit seinem Antrag, ihm das Sorgerecht für E. übertragen zu lassen, sei er vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe gescheitert. Seit der Entscheidung des Oberlandesgerichts wollten die Pflegeeltern nicht mehr, dass er Kontakt mit dem Kind aufnehme. Deshalb habe er seit einigen Monaten keinen Kontakt mehr.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Klage mit Urteil vom 08.12.2004 - 2 K 1469/03 - abgewiesen: Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zur Ausübung der Personensorge für seine deutsche Tochter S. könne er nicht beanspruchen, weil es an der erforderlichen Beistandgemeinschaft fehle. Es bestehe keine über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehende Beziehung zu seiner Tochter. Denn diese werde im Einverständnis mit dem Kläger von ihrer Großmutter erzogen. Der Kläger besuche sie lediglich an zwei Sonntagen im Monat und halte telefonischen Kontakt. Er komme auch nicht in nennenswerter Höhe für den Unterhalt des Kindes auf. Für den Fall einer Abschiebung ändere sich an der Betreuungssituation nichts. Die Gefahr, dass das Kind in diesem Fall Schaden nehmen könnte, bestehe nicht, da die Verbundenheit zwischen dem Kläger und seinem Kind infolge der wenigen Besuche nicht so groß sei.
Auch im Hinblick auf seine weitere deutsche Tochter E. stehe ihm kein Aufenthaltsrecht zu. Denn es fehle an der nach § 23 Abs. 1 Halbsatz 2 AuslG erforderlichen familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet. Das Kind lebe bei Pflegeeltern in Lahr und der Kläger übe nicht einmal ein Besuchsrecht aus. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis folge auch nicht aus § 22 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 4 AuslG, denn es fehle an der nach § 22 Satz 1 AuslG erforderlichen außergewöhnlichen Härte für einen der Beteiligten, da nicht einmal eine Begegnungsgemeinschaft bestehe. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG nicht vor.
10 
Gegen dieses Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 04.04.2006 - 11 S 363/05 - auf Antrag des Klägers die Berufung zugelassen. Der Beschluss wurde am 18.04.2006 zugestellt
11 
Der Kläger hat die Berufung am 18.05.2006 - ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag - wie folgt begründet: Er habe mit den Pflegeeltern von E. sowie dem Amt für Soziale und Psychologische Dienste des Landratsamts Ortenaukreis (im Folgenden: Sozialamt des Ortenaukreises) eine Vereinbarung über einen einmaligen Besuchskontakt pro Monat zwischen ihm und E. in einem Raum der psychologischen Beratungsstelle getroffen. Aufgrund der regelmäßigen Besuche sowohl bei E. als auch bei S. habe sich zu beiden Kindern eine verantwortungsvolle Vater-Kind-Beziehung entwickelt. Es bestehe eine enge emotionale Verbundenheit der Kinder zu ihm. Eine Trennung wäre schädlich. Obwohl er wegen seines geringen Verdienstes zu Unterhaltszahlungen nicht verpflichtet sei, versuche er seine Tochter S. sowie deren Großmutter zu unterstützen und zahle unregelmäßige Unterhaltsbeiträge zwischen 50,-- und 100,-- EUR. Er habe S. einen Roller und ein Laufrad nebst Zubehör geschenkt und habe das Bett für S. mit 200,-- EUR mit finanziert. S. nenne ihn D. oder D.-Papa. Bei den Besuchen spiele er mit S. im Kinderzimmer. Sie freue sich, wenn er komme. Auch nach Auffassung der Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt Pforzheim sei der Kontakt zwischen S. und ihm unverzichtbar, damit S. immer wisse, woher sie komme. Im Falle einer Ausreise würden ihn beide Töchter vermissen und in ihrer Entwicklung und Identitätsfindung dauerhaft stark beeinträchtigt werden, weil ihnen nicht plausibel erklärt werden könne, warum ihr Vater nicht mehr komme.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 08.12.2004 - 2 K 1469/03 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 01.04.2003 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 03.07.2003 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen zu erteilen sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie führt aus, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG stehe bereits § 10 Abs. 3 AufenthG entgegen. Denn der Anspruch nach § 28 Abs. 1 AufenthG reduziere sich gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu einer Ermessensentscheidung, weil ein Ausweisungsgrund vorliege. Da der Kläger sein Asylverfahren unter falschen Personalien betrieben habe, erfülle er den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG. Es handele sich um einen Regelfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, denn die Verwendung von Falschidentitäten sei bei schwarzafrikanischen Staatsangehörigen mittlerweile zu einem Massendelikt geworden.
17 
Der Senat hat zu dem Kontakt des Klägers zu seinen Töchtern Auskünfte des Sozialamtes des Ortenaukreises und des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Pforzheim (im Folgenden: Jugendamt der Stadt Pforzheim) eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben des Sozialamtes des Ortenaukreises vom 22.01.2007 und des Jugendamtes der Stadt Pforzheim vom 06.03.2007 verwiesen.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Ausländerakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten und der Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat entscheidet nach dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2007 geschlossenen Vergleichs über die Berufung mit Zustimmung der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
I.
20 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere gemäß § 124a Abs. 6 VwGO fristgerecht und entsprechend den formellen Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO begründet.
II.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für seine deutsche Tochter S. (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Keiner Entscheidung bedarf, ob dem Kläger auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter E. zusteht.
22 
1. Über den von dem Kläger ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG für ausländische Familienangehörige Deutscher ist auf der Grundlage des zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I, S. 1970), zu entscheiden. Denn nach § 104 Abs. 1 AufenthG sind die Vorschriften des bis zum 31.12.2004 geltenden Ausländergesetzes nur auf vor dem 01.01.2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anzuwenden. An die Stelle des bisher begehrten Aufenthaltstitels tritt der diesem nach Aufenthaltszweck und Sachverhalt (vgl. § 101 Abs. 1 und 2 AufenthG) entsprechende Aufenthaltstitel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
23 
2. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis setzt darüber hinaus nach § 27 Abs. 1 AufenthG eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem ausländischen Elternteil und dem minderjährigen deutschen Kind voraus. Denn § 27 Abs. 1 AufenthG enthält den für sämtliche Aufenthaltstitel des Abschnitts 6 des Aufenthaltsgesetzes geltenden Grundsatz, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt wird. Der ausländische Elternteil muss daher das Personensorgerecht für ein minderjähriges deutsches Kind nicht nur besitzen, sondern es auch tatsächlich zum Wohl des Kindes ausüben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
24 
Dem Kläger obliegt die elterliche Sorge für seine in Pforzheim lebende Tochter S., nachdem er am 22.08.2002 gemeinsam mit der Mutter des Kindes eine Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1, § 1626b Abs. 2 BGB abgegeben hat. Zwischen ihm und seiner Tochter S. besteht auch eine familiäre Lebensgemeinschaft. Er nimmt seine Elternverantwortung, soweit es ihm die äußeren Umstände erlauben, zuverlässig wahr, hat regelmäßigen Kontakt mit S. und trägt seinen Möglichkeiten entsprechend zum Unterhalt des Kindes bei. Nach den übereinstimmenden und nicht bestrittenen Angaben der Großmutter seiner Tochter und auch der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt Pforzheim besucht der Kläger seine Tochter an zwei Sonntagen im Monat, beteiligt sich regelmäßig mit ca. 50,-- EUR am Unterhalt und bespricht sich mit der Großmutter seiner Tochter in Erziehungsfragen. Auch hat er seiner Tochter in Absprache mit der Großmutter einen Roller und ein Fahrrad gekauft. Zwar wohnt er von seiner Tochter weit entfernt. Dies liegt jedoch daran, dass er eine Arbeitsstelle in Lahr besitzt, während seine Tochter bei der Großmutter in Pforzheim lebt. Außerdem hat der Kläger ein weiteres uneheliches Kind, seine Tochter E., die in Lahr bei Pflegeeltern lebt und die er - zumindest in der Vergangenheit - einmal im Monat besuchen konnte. Trotz der weiten Entfernung kommt er seiner Elternverantwortung nach. Denn er nimmt die ihm eingeräumten Möglichkeiten zum Umgang mit seiner Tochter zuverlässig wahr und bringt sich im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Wohl seiner Tochter in die Erziehung ein. Vor dem Hintergrund dieser Lebenssituation und der reservierten Haltung der Großmutter von S. gegenüber Besuchen des Klägers sind daher seine Erziehungs- und Betreuungsleistungen trotz des eher geringen zeitlichen Umfangs des persönlichen Kontakts als nicht unerheblich einzustufen. Auch der Tatsache, dass er seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Umverteilung nicht weiterbetrieben hat, kommt in dieser Situation keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
25 
Die Ausübung der Personensorge durch den Kläger entspricht auch dem Wohl seiner Tochter. Nach Angaben des Klägers nennt diese ihn „D.“ oder „D.-Papa“ und freut sich, wenn er kommt. Nach Auffassung des Jugendamtes ist der regelmäßige Kontakt des Klägers für die Persönlichkeitsentwicklung und Identifikationsfindung seiner Tochter wichtig, da sie nur über ihren Vater die Verbindung zur Familie väterlicherseits und deren kulturellen Wurzeln haben könne. Mit zunehmendem Alter werde diese Bedeutung noch gewichtiger werden, da sie schon aufgrund ihrer Hautfarbe ihre Andersartigkeit gegenüber der Familie ihrer Mutter erkennen werde. Ausgehend von der Prämisse des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 08.12.2005 (- 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122, 125), wonach in der Regel der persönliche Kontakt der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und es beide Eltern braucht, sind im Fall des Klägers keine Umstände ersichtlich, dass dem Kindeswohl auch dann Genüge getan wäre, wenn der Kläger sich in seinem Heimatstaat Benin aufhalten würde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass bei einer Ausreise des Klägers schon wegen der großen Entfernung zwischen Deutschland und Benin der Abbruch des persönlichen Kontakts drohen würde.
26 
In der Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt Pforzheim vom 06.03.2007 ist allerdings die Rede davon, dass die Großmutter seiner Tochter den Eindruck habe, dass S. nach den Besuchen völlig durcheinander sei und Angst habe, dass sie von ihrer Großmutter weg müsse, da der Kläger sage, dass er sie zu sich holen werde. Dabei ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass die Besuchskontakte mit Schwierigkeiten verbunden sind, da die Großmutter nach Aussage des Jugendamtes dem Kontakt mit dem Kläger eher reserviert gegenüber steht und sich dies auch auf das Kind übertragen dürfte. Das Jugendamt geht aber jedenfalls davon aus, dass S. eine Beziehung zu ihrem Vater hat und er eine bedeutende Rolle in ihrem Leben spielt. Auf Seiten des Klägers sieht das Jugendamt ein Bemühen, trotz der erschwerten Bedingungen bei den Besuchen im Haushalt der Großmutter und bei den Telefonaten eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen. Der Kläger zeige im Gespräch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Bedürfnisse des Kindes. Es werde deutlich, dass ihm das Wohlergehen seiner Tochter am Herzen liege und er bereit sei, Verantwortung zu übernehmen.
27 
3. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG sind ebenfalls erfüllt. Es liegt zwar ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Dies steht dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gleichwohl nicht entgegen, weil ein Ausnahmefall vorliegt.
28 
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger allerdings nicht gegen § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG verstoßen. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer entgegen § 49 Abs. 1 AufenthG eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht. Nach § 49 Abs. 1 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen unter anderem die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen. Der Kläger hat zwar sein Asylverfahren unter falschen Personalien geführt. Die Vorschriften des § 49 Abs. 1 und des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG wurden jedoch erst durch das am 01.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz geschaffen und hatten keine Vorläuferregelungen im Ausländergesetz (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/420 S. 88 zu § 49 Abs. 1 und S. 98 zu § 95 Abs. 1 Nr. 5). Da nach § 1 StGB eine Tat aber nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde und der Kläger noch vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, kann er sich nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG strafbar gemacht haben.
29 
b) Der Kläger hat jedoch den Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 Abs. 1 StGB verwirklicht. Denn aufgrund seiner falschen Angaben zu seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung mit falschen Personalien ausgestellt. Nach § 271 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer die Beurkundung eines unwahren Sachverhalts in einer öffentlichen Urkunde gleichsam als mittelbarer Täter herbeiführt. Die Aufenthaltsgestattung stellt eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 271 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil v. 16.04.1996 - 1 StR 127/96 -, NJW 1996, 2170; Brandenb. OLG, Beschluss vom 06.12.2001 - 2 Ss 19/01 -, Juris). Die Eintragung der falschen Personalien hat der Kläger durch seine Angaben bewirkt. Nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens wurde der Kläger geduldet und ihm wurden entsprechende Bescheinigungen ausgestellt. Auch diese waren öffentliche Urkunden (vgl. dazu AG Bremen, Urteil vom 23.01.2003 - 87 (72) Ds 290 Js 15959/02 - juris) und lauteten - auf Veranlassung des Klägers - auf die falschen Personalien. Der Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB stellt einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG dar. Nach dieser Vorschrift ist eine strafrechtliche Verurteilung nicht erforderlich; es genügt ein nicht nur vereinzelter geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften. Ob es sich im strafrechtlichen Sinn um einen Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB und damit um ein vereinzeltes Delikt im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG handelt, bedarf keiner Entscheidung. Er ist jedenfalls nicht geringfügig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine vorsätzlich begangene Straftat grundsätzlich nicht geringfügig (BVerwG, Urteil vom 05.05.1998 - 1 C 17/97 -, InfAuslR 1998, 383, 385; Urteil vom 24.09.1996 - 1 C 9/94 -, InfAuslR 1997, 63). Von einer Vorsatztat ist im Fall des Klägers auszugehen. Allerdings kann auch bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausnahmsweise ein Ausweisungsgrund zu verneinen sein, wenn besondere Umstände des Einzelfalls zu der Bewertung führen, dass es sich um einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften handelt (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 1 C 23/03 -, NVwZ 2005, 601). Solche besonderen Umstände, die die Annahme der Geringfügigkeit rechtfertigen könnten, vermag der Senat im Fall des Klägers jedoch nicht zu erkennen. Der Kläger hat über einen Zeitraum von fast drei Jahren die zuständigen Behörden über seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht. Außerdem weisen weder die Umstände der Tat noch die Tatbegehung selbst Besonderheiten auf, die zugunsten des Klägers gewertet werden könnten.
30 
c) Ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG liegt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn der Tatbestand einer Ausweisung erfüllt ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Ausweisung auch tatsächlich verfügt werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16.07.2002 - 1 C 8.02 -, NVwZ 2003, 217, 219). Der Ausweisungsgrund ist trotz der Tatsache, dass der Kläger bereits im September 2002 seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, noch nicht verbraucht. Der bloße Zeitablauf reicht grundsätzlich für einen Verbrauch nicht aus. Der Gesichtspunkt des Verbrauchs eines Ausweisungsgrundes ist mit dem Gedanken der Verwirkung vergleichbar. Dieser erfordert sowohl ein Zeitmoment als auch ein Umstandsmoment, d.h. neben den Zeitablauf müssen zusätzliche Umstände treten, aus denen der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen darf, die Behörde werde von ihren Befugnissen keinen Gebrauch (mehr) machen. Zudem muss der Betroffene darauf vertraut haben, dass die Befugnis nicht mehr ausgeübt wird (st. Rspr. vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 12.07.2006 - 8 B 14/06 - juris). Aus diesem Grund ist der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 04.03.2002 (- 12 UE 203/02 -, AuAS 2002, 172, 173 f.) nicht zu folgen, wonach bereits eine Zeitspanne von etwas mehr als zwei Jahren ausreicht, um von einem Verbrauch des Ausweisungsgrundes auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 18.04.2007 - 11 S 1034/06 -). Umstände, aus denen der Kläger hätte schließen können, sein Verhalten werde folgenlos bleiben, liegen nicht vor. Die Ausländerbehörde hat insbesondere keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafbaren Verhaltens des Klägers erteilt.
31 
d) Offen bleiben kann, ob der Rechtsverstoß des Klägers noch verwertbar ist. Denn es liegt jedenfalls eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil der Geschehensverlauf im Fall des Klägers so sehr vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweicht, dass er das ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelerteilungsvoraussetzung beseitigt.
32 
Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Regel- oder einem Ausnahmefall nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auszugehen ist, kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG herangezogen werden (so auch Bäuerle in GK-AuslR, § 5 Rn 26; nicht eindeutig: Jakober in Jakober/Welte, Akt. AuslR, § 5 AufenthG Rn. 21 und 25). § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG enthielt zwar einen Regelversagungsgrund für solche Aufenthaltstitel, deren Erteilung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde stand, während § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Regelerteilungsvoraussetzung für sämtliche Aufenthaltstitel des Aufenthaltsgesetzes normiert. Durch das Inkrafttreten des § 5 Abs. 2 AufenthG ist aber keine völlig neue Rechtslage geschaffen worden, die einen Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 AuslG von vornherein ausschlösse. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 15/420 S. 69 f. zu § 5) sollten durch § 5 AufenthG vielmehr die für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern geltenden Grundentscheidungen der Erteilungs- und Versagungsvorschriften der §§ 6 bis 9 AuslG in vereinfachter Form zusammengefasst werden. Der im Verhältnis zu § 7 Abs. 2 AuslG weitere Anwendungsbereich und die durch § 5 Abs. 1 AufenthG ausgelöste Änderung der Beweislastverteilung berühren nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Regel- oder ein Ausnahmefall vorliegt. Die bisherigen Entscheidungskriterien können weiterhin herangezogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts waren Regelfälle im Sinne des § 7 Abs. 2 AuslG dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterschieden. Ausnahmefälle zeichneten sich dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf aus, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 1 B 262/96 -, Buchholz 402.240 § 7 AuslG 1990 Nr. 7). Diese abstrakte Definition lässt sich auf das Regel-/Ausnahmeverhältnis des § 5 Abs. 1 AufenthG übertragen. Dagegen spricht nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 29.07.1993 - 1 C 25/93 -, NVwZ 1994, 381, 383) hervorgehoben hat, dass § 7 Abs. 2 AuslG die Versagung, nicht aber die Verpflichtung zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung regele (vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 05.04.2005 - 12 K 521/96 - juris). Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls waren nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Entscheidung dann erfüllt, wenn ein atypischer Geschehensverlauf vorlag, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigte, nicht aber - wie teilweise in der Literatur vertreten wurde -, wenn besondere Gründe für einen weiteren Aufenthalt des Ausländers sprachen. Damit machte das Bundesverwaltungsgericht jedoch nur deutlich, dass bei der Prüfung eines Ausnahmefalls die gesetzliche Zielsetzung des Regelfalls zugrunde zu legen ist. Die in seinem Urteil vom 31.01.1997 (a.a.O.) verwendete offenere Formulierung lässt sich daher - unter Berücksichtigung der geänderten Zielsetzung - ohne weiteres für die Beurteilung eines Regel- oder Ausnahmefalls nach § 5 Abs. 1 AufenthG heranziehen.
33 
Im Fall des Klägers liegt ein atypischer Geschehensverlauf im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, der es rechtfertigt, ausnahmsweise von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen. Dabei ist ausschlaggebend, dass der Kläger wegen des Verstoßes gegen § 271 Abs. 1 StGB strafrechtlich nicht belangt wurde und mittlerweile wohl auch nicht mehr belangt werden könnte, weil Verfolgungsverjährung eingetreten sein dürfte. Für eine mittelbare Falschbeurkundung, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, gerechnet ab der Beendigung der Tat (§ 78a StGB). Die Tat dürfte am 20.06.2002, dem Tag der letztmaligen Verlängerung der auf die falschen Personalien lautenden Duldung beendet gewesen sein. Dass der Kläger nach diesem Datum von der Duldungsbescheinigung im Sinne des § 271 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht hat, lässt sich nicht feststellen. Legt man den 20.06.2002 zugrunde, wäre am 20.06.2007 Verfolgungsverjährung eingetreten.
34 
Darüber hinaus wäre der Rechtsverstoß - falls der Kläger verurteilt worden wäre - wohl schon in Kürze nach § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr verwertbar. Das Verwertungsverbot des § 51 BZRG ist zwar mangels Verurteilung weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.1996 - 1 C 12/95 -, NJW 1997, 336, 337). Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es für die Zulässigkeit der Verwertung gleichwohl nicht bedeutungslos, ob wegen einer Verfehlung bereits Tilgungsreife eingetreten wäre, wenn eine ihretwegen erfolgte Ahndung in das Bundeszentralregister hätte eingetragen werden können. Dem Schutzzweck des § 51 Abs. 1 BZRG, die Eingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft nicht unnötig zu gefährden, entspreche es, solchen Verfehlungen regelmäßig kein Gewicht mehr beizumessen, sobald sie länger zurückliegen, wobei eine Orientierung an dem mutmaßlichen Ablauf von Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes sachgerecht erscheine. Für den Verstoß des Klägers gegen § 271 StGB kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren des § 46 Abs. 1 Nr. 1a BZRG herangezogen werden. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob danach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre oder wann sie eintreten würde. Jedenfalls rechtfertigt die zumindest in Kürze eintretende hypothetische Tilgungsreife zusammen mit den weiteren vom Regelfall abweichenden Umständen die Annahme eines Ausnahmefalls. Zu den Gesichtspunkten der Verfolgungsverjährung und der Tilgungsreife kommt noch hinzu, dass der Kläger sich außer diesem Rechtsverstoß nichts hat zu schulden kommen lassen (zum Vorliegen eines Ausnahmefalls und zur Entstehung eines „Anspruchs“ vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2005 - Au 1 K 04.1152 - InfAuslR 2005, 318).
35 
Liegt somit im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ein Ausnahmefall vor, greift entgegen der Auffassung der Beklagten § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der im Ergebnis den gesetzlichen Anspruch des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung herabstuft, wenn die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt ist, im Fall des Klägers nicht ein.
36 
Die übrigen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG liegen vor. Die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bedarf keiner Prüfung, da die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abweichend von dieser Voraussetzung erteilt wird. Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers sind geklärt, die Passpflicht wird erfüllt.
37 
4. Auch § 5 Abs. 2 AufenthG steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Der Kläger ist als Asylbewerber ohne Visum eingereist. Seine Einreise erfolgte - bezogen auf den nunmehr erstrebten Aufenthalt aus familiären Gründen - dennoch nicht ohne das erforderliche Visum (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 03.06.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352, 254), weil er nach § 39 Nr. 5 AufenthV die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen darf. Seine Abschiebung ist nach § 60a AufenthG ausgesetzt und er hat auf Grund der Geburt seiner Tochter S. während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats. Die Privilegierung des § 39 Nr. 5 AufenthV setzt nicht voraus, dass der Kläger gleichzeitig mit der Geburt seiner Tochter den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis - ebenso wie die Duldung nach § 60a AufenthG - im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausnahmsweise nicht gilt.
38 
5. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht schließlich auch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Der Asylantrag des Klägers wurde zwar unanfechtbar abgelehnt. Die Vorschrift findet nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG aber keine Anwendung auf den Kläger, weil er einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Unter einem Anspruch im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Senats nur ein gesetzlicher Anspruch zu verstehen; die Vorschrift findet keine Anwendung auf Fälle der Ermessensreduktion auf Null (Urteil vom 26.07.2006 - 11 S 2523/05 -, VBlBW 2007, 30, 31; so auch Discher in GK-Ausländerrecht, AufenthG § 10 RdNr. 172 ff.).
39 
Ein solcher gesetzlicher Anspruch steht dem Kläger zu, denn die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG liegen vor. Das gleiche gilt hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - von einem Ausnahmefall ausgehen ist, soweit es die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG betrifft. Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht auch dann, wenn im Hinblick auf die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen eines atypischen Sachverhalts ein Ausnahmefall vorliegt. Die Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist in diesem Fall nicht erforderlich.
III.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war notwendig. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts bestimmt sich danach, welche Anforderungen in dem konkreten Fall eine - zweckentsprechende - Rechtsverfolgung gestellt hat. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist damit die Schwierigkeit der Sache, die jedoch nicht abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Sachkunde und der (persönlichen) Verhältnisse des Widerspruchsführers festzustellen ist (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982 - 8 B 10.82 - NVwZ 1983, 346; Beschluss vom 15.03.1999 - 8 B 225.98 - Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 4 S. 2). Es kommt nicht auf die subjektive Sicht des Widerspruchsführers an, sondern darauf, wie ein verständiger Dritter in dessen Situation gehandelt hätte. Die Beurteilung ist nach der Sachlage vorzunehmen, wie sie sich im Zeitpunkt der Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten dargestellt hat (BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 8 C 39.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 39 S. 16 f. und vom 26.01.1996 - 8 C 15.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36 S. 4). Die Voraussetzungen liegen etwa vor, wenn schwierige Sach- und Rechtsfragen zu klären sind. So lag es auch hier im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG und des Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter S.
42 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss
vom 15. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG auf
5.000,-- EUR
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
19 
Der Senat entscheidet nach dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2007 geschlossenen Vergleichs über die Berufung mit Zustimmung der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).
I.
20 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere gemäß § 124a Abs. 6 VwGO fristgerecht und entsprechend den formellen Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO begründet.
II.
21 
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für seine deutsche Tochter S. (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Keiner Entscheidung bedarf, ob dem Kläger auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter E. zusteht.
22 
1. Über den von dem Kläger ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG für ausländische Familienangehörige Deutscher ist auf der Grundlage des zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I, S. 1970), zu entscheiden. Denn nach § 104 Abs. 1 AufenthG sind die Vorschriften des bis zum 31.12.2004 geltenden Ausländergesetzes nur auf vor dem 01.01.2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anzuwenden. An die Stelle des bisher begehrten Aufenthaltstitels tritt der diesem nach Aufenthaltszweck und Sachverhalt (vgl. § 101 Abs. 1 und 2 AufenthG) entsprechende Aufenthaltstitel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
23 
2. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis setzt darüber hinaus nach § 27 Abs. 1 AufenthG eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem ausländischen Elternteil und dem minderjährigen deutschen Kind voraus. Denn § 27 Abs. 1 AufenthG enthält den für sämtliche Aufenthaltstitel des Abschnitts 6 des Aufenthaltsgesetzes geltenden Grundsatz, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt wird. Der ausländische Elternteil muss daher das Personensorgerecht für ein minderjähriges deutsches Kind nicht nur besitzen, sondern es auch tatsächlich zum Wohl des Kindes ausüben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
24 
Dem Kläger obliegt die elterliche Sorge für seine in Pforzheim lebende Tochter S., nachdem er am 22.08.2002 gemeinsam mit der Mutter des Kindes eine Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1, § 1626b Abs. 2 BGB abgegeben hat. Zwischen ihm und seiner Tochter S. besteht auch eine familiäre Lebensgemeinschaft. Er nimmt seine Elternverantwortung, soweit es ihm die äußeren Umstände erlauben, zuverlässig wahr, hat regelmäßigen Kontakt mit S. und trägt seinen Möglichkeiten entsprechend zum Unterhalt des Kindes bei. Nach den übereinstimmenden und nicht bestrittenen Angaben der Großmutter seiner Tochter und auch der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt Pforzheim besucht der Kläger seine Tochter an zwei Sonntagen im Monat, beteiligt sich regelmäßig mit ca. 50,-- EUR am Unterhalt und bespricht sich mit der Großmutter seiner Tochter in Erziehungsfragen. Auch hat er seiner Tochter in Absprache mit der Großmutter einen Roller und ein Fahrrad gekauft. Zwar wohnt er von seiner Tochter weit entfernt. Dies liegt jedoch daran, dass er eine Arbeitsstelle in Lahr besitzt, während seine Tochter bei der Großmutter in Pforzheim lebt. Außerdem hat der Kläger ein weiteres uneheliches Kind, seine Tochter E., die in Lahr bei Pflegeeltern lebt und die er - zumindest in der Vergangenheit - einmal im Monat besuchen konnte. Trotz der weiten Entfernung kommt er seiner Elternverantwortung nach. Denn er nimmt die ihm eingeräumten Möglichkeiten zum Umgang mit seiner Tochter zuverlässig wahr und bringt sich im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Wohl seiner Tochter in die Erziehung ein. Vor dem Hintergrund dieser Lebenssituation und der reservierten Haltung der Großmutter von S. gegenüber Besuchen des Klägers sind daher seine Erziehungs- und Betreuungsleistungen trotz des eher geringen zeitlichen Umfangs des persönlichen Kontakts als nicht unerheblich einzustufen. Auch der Tatsache, dass er seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Umverteilung nicht weiterbetrieben hat, kommt in dieser Situation keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
25 
Die Ausübung der Personensorge durch den Kläger entspricht auch dem Wohl seiner Tochter. Nach Angaben des Klägers nennt diese ihn „D.“ oder „D.-Papa“ und freut sich, wenn er kommt. Nach Auffassung des Jugendamtes ist der regelmäßige Kontakt des Klägers für die Persönlichkeitsentwicklung und Identifikationsfindung seiner Tochter wichtig, da sie nur über ihren Vater die Verbindung zur Familie väterlicherseits und deren kulturellen Wurzeln haben könne. Mit zunehmendem Alter werde diese Bedeutung noch gewichtiger werden, da sie schon aufgrund ihrer Hautfarbe ihre Andersartigkeit gegenüber der Familie ihrer Mutter erkennen werde. Ausgehend von der Prämisse des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 08.12.2005 (- 2 BvR 1001/04 -, InfAuslR 2006, 122, 125), wonach in der Regel der persönliche Kontakt der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und es beide Eltern braucht, sind im Fall des Klägers keine Umstände ersichtlich, dass dem Kindeswohl auch dann Genüge getan wäre, wenn der Kläger sich in seinem Heimatstaat Benin aufhalten würde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass bei einer Ausreise des Klägers schon wegen der großen Entfernung zwischen Deutschland und Benin der Abbruch des persönlichen Kontakts drohen würde.
26 
In der Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt Pforzheim vom 06.03.2007 ist allerdings die Rede davon, dass die Großmutter seiner Tochter den Eindruck habe, dass S. nach den Besuchen völlig durcheinander sei und Angst habe, dass sie von ihrer Großmutter weg müsse, da der Kläger sage, dass er sie zu sich holen werde. Dabei ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass die Besuchskontakte mit Schwierigkeiten verbunden sind, da die Großmutter nach Aussage des Jugendamtes dem Kontakt mit dem Kläger eher reserviert gegenüber steht und sich dies auch auf das Kind übertragen dürfte. Das Jugendamt geht aber jedenfalls davon aus, dass S. eine Beziehung zu ihrem Vater hat und er eine bedeutende Rolle in ihrem Leben spielt. Auf Seiten des Klägers sieht das Jugendamt ein Bemühen, trotz der erschwerten Bedingungen bei den Besuchen im Haushalt der Großmutter und bei den Telefonaten eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen. Der Kläger zeige im Gespräch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Bedürfnisse des Kindes. Es werde deutlich, dass ihm das Wohlergehen seiner Tochter am Herzen liege und er bereit sei, Verantwortung zu übernehmen.
27 
3. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG sind ebenfalls erfüllt. Es liegt zwar ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Dies steht dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gleichwohl nicht entgegen, weil ein Ausnahmefall vorliegt.
28 
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger allerdings nicht gegen § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG verstoßen. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer entgegen § 49 Abs. 1 AufenthG eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht. Nach § 49 Abs. 1 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen unter anderem die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen. Der Kläger hat zwar sein Asylverfahren unter falschen Personalien geführt. Die Vorschriften des § 49 Abs. 1 und des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG wurden jedoch erst durch das am 01.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz geschaffen und hatten keine Vorläuferregelungen im Ausländergesetz (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 15/420 S. 88 zu § 49 Abs. 1 und S. 98 zu § 95 Abs. 1 Nr. 5). Da nach § 1 StGB eine Tat aber nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde und der Kläger noch vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, kann er sich nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG strafbar gemacht haben.
29 
b) Der Kläger hat jedoch den Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 Abs. 1 StGB verwirklicht. Denn aufgrund seiner falschen Angaben zu seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung mit falschen Personalien ausgestellt. Nach § 271 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer die Beurkundung eines unwahren Sachverhalts in einer öffentlichen Urkunde gleichsam als mittelbarer Täter herbeiführt. Die Aufenthaltsgestattung stellt eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 271 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil v. 16.04.1996 - 1 StR 127/96 -, NJW 1996, 2170; Brandenb. OLG, Beschluss vom 06.12.2001 - 2 Ss 19/01 -, Juris). Die Eintragung der falschen Personalien hat der Kläger durch seine Angaben bewirkt. Nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens wurde der Kläger geduldet und ihm wurden entsprechende Bescheinigungen ausgestellt. Auch diese waren öffentliche Urkunden (vgl. dazu AG Bremen, Urteil vom 23.01.2003 - 87 (72) Ds 290 Js 15959/02 - juris) und lauteten - auf Veranlassung des Klägers - auf die falschen Personalien. Der Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB stellt einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG dar. Nach dieser Vorschrift ist eine strafrechtliche Verurteilung nicht erforderlich; es genügt ein nicht nur vereinzelter geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften. Ob es sich im strafrechtlichen Sinn um einen Verstoß gegen § 271 Abs. 1 StGB und damit um ein vereinzeltes Delikt im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG handelt, bedarf keiner Entscheidung. Er ist jedenfalls nicht geringfügig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine vorsätzlich begangene Straftat grundsätzlich nicht geringfügig (BVerwG, Urteil vom 05.05.1998 - 1 C 17/97 -, InfAuslR 1998, 383, 385; Urteil vom 24.09.1996 - 1 C 9/94 -, InfAuslR 1997, 63). Von einer Vorsatztat ist im Fall des Klägers auszugehen. Allerdings kann auch bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausnahmsweise ein Ausweisungsgrund zu verneinen sein, wenn besondere Umstände des Einzelfalls zu der Bewertung führen, dass es sich um einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften handelt (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 - 1 C 23/03 -, NVwZ 2005, 601). Solche besonderen Umstände, die die Annahme der Geringfügigkeit rechtfertigen könnten, vermag der Senat im Fall des Klägers jedoch nicht zu erkennen. Der Kläger hat über einen Zeitraum von fast drei Jahren die zuständigen Behörden über seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht. Außerdem weisen weder die Umstände der Tat noch die Tatbegehung selbst Besonderheiten auf, die zugunsten des Klägers gewertet werden könnten.
30 
c) Ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG liegt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn der Tatbestand einer Ausweisung erfüllt ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Ausweisung auch tatsächlich verfügt werden könnte (BVerwG, Urteil vom 16.07.2002 - 1 C 8.02 -, NVwZ 2003, 217, 219). Der Ausweisungsgrund ist trotz der Tatsache, dass der Kläger bereits im September 2002 seine wahre Identität und Staatsangehörigkeit offenbart hat, noch nicht verbraucht. Der bloße Zeitablauf reicht grundsätzlich für einen Verbrauch nicht aus. Der Gesichtspunkt des Verbrauchs eines Ausweisungsgrundes ist mit dem Gedanken der Verwirkung vergleichbar. Dieser erfordert sowohl ein Zeitmoment als auch ein Umstandsmoment, d.h. neben den Zeitablauf müssen zusätzliche Umstände treten, aus denen der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen darf, die Behörde werde von ihren Befugnissen keinen Gebrauch (mehr) machen. Zudem muss der Betroffene darauf vertraut haben, dass die Befugnis nicht mehr ausgeübt wird (st. Rspr. vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 12.07.2006 - 8 B 14/06 - juris). Aus diesem Grund ist der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 04.03.2002 (- 12 UE 203/02 -, AuAS 2002, 172, 173 f.) nicht zu folgen, wonach bereits eine Zeitspanne von etwas mehr als zwei Jahren ausreicht, um von einem Verbrauch des Ausweisungsgrundes auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 18.04.2007 - 11 S 1034/06 -). Umstände, aus denen der Kläger hätte schließen können, sein Verhalten werde folgenlos bleiben, liegen nicht vor. Die Ausländerbehörde hat insbesondere keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafbaren Verhaltens des Klägers erteilt.
31 
d) Offen bleiben kann, ob der Rechtsverstoß des Klägers noch verwertbar ist. Denn es liegt jedenfalls eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil der Geschehensverlauf im Fall des Klägers so sehr vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abweicht, dass er das ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelerteilungsvoraussetzung beseitigt.
32 
Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Regel- oder einem Ausnahmefall nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auszugehen ist, kann die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG herangezogen werden (so auch Bäuerle in GK-AuslR, § 5 Rn 26; nicht eindeutig: Jakober in Jakober/Welte, Akt. AuslR, § 5 AufenthG Rn. 21 und 25). § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG enthielt zwar einen Regelversagungsgrund für solche Aufenthaltstitel, deren Erteilung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde stand, während § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Regelerteilungsvoraussetzung für sämtliche Aufenthaltstitel des Aufenthaltsgesetzes normiert. Durch das Inkrafttreten des § 5 Abs. 2 AufenthG ist aber keine völlig neue Rechtslage geschaffen worden, die einen Rückgriff auf die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 AuslG von vornherein ausschlösse. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 15/420 S. 69 f. zu § 5) sollten durch § 5 AufenthG vielmehr die für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern geltenden Grundentscheidungen der Erteilungs- und Versagungsvorschriften der §§ 6 bis 9 AuslG in vereinfachter Form zusammengefasst werden. Der im Verhältnis zu § 7 Abs. 2 AuslG weitere Anwendungsbereich und die durch § 5 Abs. 1 AufenthG ausgelöste Änderung der Beweislastverteilung berühren nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Regel- oder ein Ausnahmefall vorliegt. Die bisherigen Entscheidungskriterien können weiterhin herangezogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts waren Regelfälle im Sinne des § 7 Abs. 2 AuslG dadurch gekennzeichnet, dass sie sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterschieden. Ausnahmefälle zeichneten sich dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf aus, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 1 B 262/96 -, Buchholz 402.240 § 7 AuslG 1990 Nr. 7). Diese abstrakte Definition lässt sich auf das Regel-/Ausnahmeverhältnis des § 5 Abs. 1 AufenthG übertragen. Dagegen spricht nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 29.07.1993 - 1 C 25/93 -, NVwZ 1994, 381, 383) hervorgehoben hat, dass § 7 Abs. 2 AuslG die Versagung, nicht aber die Verpflichtung zur Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung regele (vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 05.04.2005 - 12 K 521/96 - juris). Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls waren nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Entscheidung dann erfüllt, wenn ein atypischer Geschehensverlauf vorlag, der so bedeutsam war, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigte, nicht aber - wie teilweise in der Literatur vertreten wurde -, wenn besondere Gründe für einen weiteren Aufenthalt des Ausländers sprachen. Damit machte das Bundesverwaltungsgericht jedoch nur deutlich, dass bei der Prüfung eines Ausnahmefalls die gesetzliche Zielsetzung des Regelfalls zugrunde zu legen ist. Die in seinem Urteil vom 31.01.1997 (a.a.O.) verwendete offenere Formulierung lässt sich daher - unter Berücksichtigung der geänderten Zielsetzung - ohne weiteres für die Beurteilung eines Regel- oder Ausnahmefalls nach § 5 Abs. 1 AufenthG heranziehen.
33 
Im Fall des Klägers liegt ein atypischer Geschehensverlauf im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, der es rechtfertigt, ausnahmsweise von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen. Dabei ist ausschlaggebend, dass der Kläger wegen des Verstoßes gegen § 271 Abs. 1 StGB strafrechtlich nicht belangt wurde und mittlerweile wohl auch nicht mehr belangt werden könnte, weil Verfolgungsverjährung eingetreten sein dürfte. Für eine mittelbare Falschbeurkundung, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, gerechnet ab der Beendigung der Tat (§ 78a StGB). Die Tat dürfte am 20.06.2002, dem Tag der letztmaligen Verlängerung der auf die falschen Personalien lautenden Duldung beendet gewesen sein. Dass der Kläger nach diesem Datum von der Duldungsbescheinigung im Sinne des § 271 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht hat, lässt sich nicht feststellen. Legt man den 20.06.2002 zugrunde, wäre am 20.06.2007 Verfolgungsverjährung eingetreten.
34 
Darüber hinaus wäre der Rechtsverstoß - falls der Kläger verurteilt worden wäre - wohl schon in Kürze nach § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr verwertbar. Das Verwertungsverbot des § 51 BZRG ist zwar mangels Verurteilung weder unmittelbar noch analog anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.1996 - 1 C 12/95 -, NJW 1997, 336, 337). Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es für die Zulässigkeit der Verwertung gleichwohl nicht bedeutungslos, ob wegen einer Verfehlung bereits Tilgungsreife eingetreten wäre, wenn eine ihretwegen erfolgte Ahndung in das Bundeszentralregister hätte eingetragen werden können. Dem Schutzzweck des § 51 Abs. 1 BZRG, die Eingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft nicht unnötig zu gefährden, entspreche es, solchen Verfehlungen regelmäßig kein Gewicht mehr beizumessen, sobald sie länger zurückliegen, wobei eine Orientierung an dem mutmaßlichen Ablauf von Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes sachgerecht erscheine. Für den Verstoß des Klägers gegen § 271 StGB kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren des § 46 Abs. 1 Nr. 1a BZRG herangezogen werden. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob danach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre oder wann sie eintreten würde. Jedenfalls rechtfertigt die zumindest in Kürze eintretende hypothetische Tilgungsreife zusammen mit den weiteren vom Regelfall abweichenden Umständen die Annahme eines Ausnahmefalls. Zu den Gesichtspunkten der Verfolgungsverjährung und der Tilgungsreife kommt noch hinzu, dass der Kläger sich außer diesem Rechtsverstoß nichts hat zu schulden kommen lassen (zum Vorliegen eines Ausnahmefalls und zur Entstehung eines „Anspruchs“ vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2005 - Au 1 K 04.1152 - InfAuslR 2005, 318).
35 
Liegt somit im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ein Ausnahmefall vor, greift entgegen der Auffassung der Beklagten § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der im Ergebnis den gesetzlichen Anspruch des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung herabstuft, wenn die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt ist, im Fall des Klägers nicht ein.
36 
Die übrigen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG liegen vor. Die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bedarf keiner Prüfung, da die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abweichend von dieser Voraussetzung erteilt wird. Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers sind geklärt, die Passpflicht wird erfüllt.
37 
4. Auch § 5 Abs. 2 AufenthG steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Der Kläger ist als Asylbewerber ohne Visum eingereist. Seine Einreise erfolgte - bezogen auf den nunmehr erstrebten Aufenthalt aus familiären Gründen - dennoch nicht ohne das erforderliche Visum (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 03.06.1997 - 1 C 1/97 -, InfAuslR 1997, 352, 254), weil er nach § 39 Nr. 5 AufenthV die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einholen darf. Seine Abschiebung ist nach § 60a AufenthG ausgesetzt und er hat auf Grund der Geburt seiner Tochter S. während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben. Maßgebender Beurteilungszeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats. Die Privilegierung des § 39 Nr. 5 AufenthV setzt nicht voraus, dass der Kläger gleichzeitig mit der Geburt seiner Tochter den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis - ebenso wie die Duldung nach § 60a AufenthG - im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausnahmsweise nicht gilt.
38 
5. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht schließlich auch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Der Asylantrag des Klägers wurde zwar unanfechtbar abgelehnt. Die Vorschrift findet nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG aber keine Anwendung auf den Kläger, weil er einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Unter einem Anspruch im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Senats nur ein gesetzlicher Anspruch zu verstehen; die Vorschrift findet keine Anwendung auf Fälle der Ermessensreduktion auf Null (Urteil vom 26.07.2006 - 11 S 2523/05 -, VBlBW 2007, 30, 31; so auch Discher in GK-Ausländerrecht, AufenthG § 10 RdNr. 172 ff.).
39 
Ein solcher gesetzlicher Anspruch steht dem Kläger zu, denn die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG liegen vor. Das gleiche gilt hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG, nachdem - wie oben ausgeführt - von einem Ausnahmefall ausgehen ist, soweit es die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG betrifft. Ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht auch dann, wenn im Hinblick auf die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wegen eines atypischen Sachverhalts ein Ausnahmefall vorliegt. Die Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist in diesem Fall nicht erforderlich.
III.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Kläger war notwendig. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts bestimmt sich danach, welche Anforderungen in dem konkreten Fall eine - zweckentsprechende - Rechtsverfolgung gestellt hat. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist damit die Schwierigkeit der Sache, die jedoch nicht abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Sachkunde und der (persönlichen) Verhältnisse des Widerspruchsführers festzustellen ist (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982 - 8 B 10.82 - NVwZ 1983, 346; Beschluss vom 15.03.1999 - 8 B 225.98 - Buchholz 428 § 38 VermG Nr. 4 S. 2). Es kommt nicht auf die subjektive Sicht des Widerspruchsführers an, sondern darauf, wie ein verständiger Dritter in dessen Situation gehandelt hätte. Die Beurteilung ist nach der Sachlage vorzunehmen, wie sie sich im Zeitpunkt der Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten dargestellt hat (BVerwG, Urteile vom 22.01.1997 - 8 C 39.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 39 S. 16 f. und vom 26.01.1996 - 8 C 15.95 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36 S. 4). Die Voraussetzungen liegen etwa vor, wenn schwierige Sach- und Rechtsfragen zu klären sind. So lag es auch hier im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG und des Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter S.
42 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss
vom 15. September 2007
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG auf
5.000,-- EUR
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Januar 2013 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 1. September 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2012 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau.

2

Der … 1983 in … /Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Im Dezember 2002 wurde er während seines illegalen Aufenthalts in Hamburg vorläufig festgenommen und mit Bescheid vom 20. Februar 2003 wegen illegalen Aufenthalts ausgewiesen. Der Bescheid wurde öffentlich zugestellt.

3

Am 14. April 2011 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung und eine Duldung, um seine Verlobte, die deutsche Staatsangehörige M., heiraten zu können. Er teilte mit, er sei am 6. März 2010 mit Hilfe eines Schleppers auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereist und habe hier Arbeit gesucht. Im Mai 2010 habe er seine Verlobte kennengelernt, bei der er seit September 2010 wohne. Wehrdienst habe er in der Türkei noch nicht geleistet. Die Beklagte erteilte dem Kläger am 18. April 2011 eine Duldung, die fortwährend verlängert wurde. Gegen die Ausweisung erhob der Kläger Widerspruch und machte u.a. geltend, sie sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

4

Am … 2011 heiratete der Kläger seine Verlobte.

5

Durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 11. August 2011 wurde der Kläger wegen illegaler Einreise in Tateinheit mit illegalem Aufenthalt zu einer Geldstrafe von 60 Tages-sätzen verurteilt.

6

Mit Bescheid vom 1. September 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG oder § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 28. September 2011 Widerspruch.

7

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtete das Berufungsgericht mit Beschluss vom 9. Mai 2012 (4 Bs 15/12, juris) die Beklagte, die beabsichtigte Abschiebung des Klägers einstweilen auszusetzen. Mit Schreiben vom 14. Juni 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie betrachte die Ausweisungsverfügung vom 20. Februar 2003 als obsolet und habe diese im Register gelöscht.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie verwies u.a. darauf, nach der Aufhebung der Ausweisung vom 20. Februar 2003 sei die Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG weggefallen. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe aber entgegen, dass es an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG fehle. Es liege ein Ausweisungsgrund i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil das Verhalten des Klägers den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfülle. Das Vorliegen eines abstrakten Ausweisungsgrundes sei ausreichend. Eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege nicht vor. Der Sachverhalt unterscheide sich nicht von demjenigen anderer Ausländer, die mit deutschen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen hätten. Der Umstand, dass es familiäre Bindungen gebe, sei allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen. Dabei übe sie, die Beklagte, das Ermessen zu Ungunsten des Klägers aus. Das öffentliche Interesse an einem geregelten Visumverfahren und damit an der staatlichen Steuerung der Zuwanderung überwiege das Interesse des Klägers an der sofortigen Aufnahme bzw. Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Der Kläger sei nicht mit dem erforderlichen Visum im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG eingereist. Dem Kläger könne die Aufenthaltserlaubnis auch nicht visumfrei nach § 39 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) erteilt werden. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Erfüllung der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG seien nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehe nicht. Die Pflicht, das Bundesgebiet vorübergehend zu verlassen, um das Visumverfahren nachzuholen, sei für den Kläger zumutbar und verstoße nicht gegen seine Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 Abs. 1 EMRK. Somit sei das Ermessen nicht eröffnet. Eine Ausnahme von der Durchführung des Visumverfahrens im Fall des Ehegattennachzugs komme im Ergebnis nur nach § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG und nur in den auf Seite 19 ff. der Fachanweisung der Behörde für Inneres und Sport zum Ausländerrecht Nr. 1/2012 aufgeführten Fällen in Betracht. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor.

9

Der Kläger hat am 29. Juni 2012 Klage erhoben und u.a. geltend gemacht: Ihm stehe ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufentG zu. Zwar liege die negative Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, es sei jedoch ein Ausnahmefall anzunehmen, weil er besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG genieße. Von der Durchführung des Visumverfahrens hätte die Beklagte absehen müssen. Die Beklagte habe das ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Dieses Ermessen sei auf Grund ihrer Fachanweisung Nr. 1/2012 gebunden, soweit darin ausgeführt werde, dass in Fällen des Rechtsanspruchs aus familiären Gründen das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung des Visumverfahrens regelmäßig hinter dem durch Art. 6 GG, Art. 8 EMRK gebotenen Schutz von Ehe und Familie zurücktrete.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2012 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG,
hilfsweise ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide bezogen.

15

Der Klage hat das Verwaltungsgericht Hamburg durch Urteil vom 24. Januar 2013 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2012 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, ohne vorher ausreisen und das Visumverfahren durchführen zu müssen. Er erfülle die Voraussetzungen der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Den Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse habe er erbracht. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG stehe der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Zwar liege ein Ausweisungsgrund vor, weil der Kläger unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist sei und sich hier illegal aufgehalten habe. In seinem Fall liege jedoch kein Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, sondern ein Ausnahmefall. Der Kläger genieße als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Diese in § 56 AufenthG zum Ausdruck kommende Wertung sei bei § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu berücksichtigen. Auch bestehe keine Wiederholungsgefahr. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe auch § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Der Kläger erfülle wegen seiner illegalen Einreise zwar nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Er könne einen Anspruch auch nicht auf § 39 Nr. 5 AufenthV stützen. Es sei aber das Ermessen für eine Entscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG eröffnet. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lägen vor. Das Ermessen der Beklagten sei zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert. Es sei durch die Fachanweisung Nr. 1/2012, Seite 17 ff., 20 entsprechend gebunden.

16

Mit der vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 17. April 2013 zugelassenen und am 7. Mai 2013 begründeten Berufung macht die Beklagte u.a. geltend: Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis kein Ausweisungsgrund i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegenstehe. Der Kläger habe einen Ausweisungsgrund verwirklicht. Es komme nicht darauf an, ob er im konkreten Fall – etwa wegen besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG - tatsächlich (nicht) ausgewiesen werden könne. Auch sei es unerheblich, ob die Gefahr der Begehung neuer Straftaten drohe. Es gehe hier nicht um die Durchsetzung der Ausweisung und ein längeres Fernhalten des Klägers, sondern nur um die Einhaltung des Visumverfahrens, das üblicherweise drei bis vier Monate dauere und an dessen Durchsetzung auch bei mit Deutschen verheirateten Ausländern ein öffentliches Interesse bestehe. Der aufgrund besonderer familiärer Bindungen im Bundesgebiet bestehende besondere Ausweisungsschutz sei allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen, nicht aber bei der Prüfung eines Ausnahmefalls nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei die Ausnahmeregelung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht gegeben, weil ein gesetzlicher Anspruch nicht bestehe. Bei der illegalen Einreise träfen zwei Tatbestandsmerkmale zusammen: der Ausweisungsgrund nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und der Visumverstoß nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Diese Rechtsgrundlagen dürften nicht vermischt werden. Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG könne nie vorliegen, wenn ein Ausländer zur Eheschließung illegal eingereist sei und sich später dauerhaft hier aufhalten wolle. Ferner sei die Annahme des Verwaltungsgerichts falsch, das Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei im Fall eines gesetzlichen Anspruchs aufgrund der früheren und der nunmehr geltenden Fachanweisung der Behörde für Inneres und Sport zum Ausländerrecht Nr. 1/2013 auf Null reduziert. Die Ausführungen auf Seite 22 der aktuellen Fachanweisung bezögen sich auf sonstige Fälle des Rechtsanspruchs aus familiären Gründen und ausdrücklich nicht auf Fälle des Ehegattennachzugs.

17

Für den Fall, dass das Berufungsgericht weiterhin von einem gesetzlichen Anspruch i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausgehe und damit das nach dieser Vorschrift gegebene Ermessen als eröffnet ansehe, übe sie, die Beklagte, hilfsweise dieses Ermessen wie folgt aus: Sie habe zwischen dem Interesse des Klägers an der ununterbrochenen Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet und dem öffentlichen Interesse an der Durchführung des Visumverfahrens abzuwägen. Das private Interesse des Klägers ergebe sich u.a. daraus, dass ihm Kosten für Aus- und Wiedereinreise entstünden. Außerdem wären die Eheleute etwa drei bis vier Monate getrennt. Der Kläger habe aber die Situation selbst herbeigeführt, weil er - bereits zum zweiten Mal - bewusst unerlaubt eingereist sei. Er habe gezeigt, dass er die Einreisevorschriften nicht einhalten wolle und sogar in Kauf nehme, gegen Strafvorschriften zu verstoßen. Es bestehe ein öffentliches Interesse an dem geregelten Zuzug von Ausländern, die sich auf Dauer im Bundesgebiet niederlassen wollten. Dieses öffentliche Interesse umfasse auch die staatliche Pflicht, Schaden von den berechtigt im Bundesgebiet lebenden Personen möglichst abzuhalten. Dies erfordere die Kontrolle der einreisewilligen Personen, die einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet anstrebten, vor ihrer Einreise. Das öffentliche Interesse an der Durchführung des Visumverfahrens entfalle auch dann nicht, wenn sich im konkreten Einzelfall herausstelle, dass der unerlaubt eingereiste Ausländer keine konkrete Gefahr darstelle oder sonst die öffentlichen Belange nicht beeinträchtige. Anderenfalls werde strafbares Verhalten prämiert. Die für den Kläger durch das Nachholen des Visumverfahrens entstehenden Nachteile seien gegenüber dem dargestellten öffentlichen Interesse von weitaus geringerer Bedeutung und stellten für ihn auch keine unzumutbare Belastung dar.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Januar 2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

22

Er macht u.a. geltend, die Beklagte verkenne, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG alle denkbaren Ausweisungsgründe betreffe, während nur § 5 Abs. 2 die Frage der unerlaubten Einreise und Ausnahmen hiervon regle. In jedem Einzelfall, in dem ein Ausweisungsgrund vorliege, müsse geprüft werden, ob ein Ausnahmefall gegeben sei. Bei dieser Prüfung sei es aber verfehlt, auf die Rechtsfolgen abzustellen, die sich aus der Feststellung eines Ausnahmefalls im Hinblick auf die Ausnahmemöglichkeiten des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergäben. Die Beklagte sei zu Unrecht im Hinblick auf ihr Ziel, die Visumpflicht durchzusetzen, in Fällen wie dem vorliegenden generell der Ansicht, dass eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht angenommen werden könne. Gerade wenn diese Regelerteilungsvoraussetzung mit dem Grundrecht aus Art. 6 GG und mit Art. 8 EMRK nicht zu vereinbaren sei, müsse ein Ausnahmefall anerkannt werden.

23

Im Hinblick auf das der Beklagten nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufentG eingeräumte Ermessen bestehe eine Ermessensbindung aufgrund der nunmehr geltenden Fachanweisung Nr. 1/2013. Die in der Fachanweisung für den Fall des § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG beim Ehegattennachzug bindend festgelegten Ermessenserwägungen gälten auch für den Fall eines gesetzlichen Anspruchs nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG. Eine voraussichtlich lange Dauer der Trennung von Familienangehörigen aufgrund der Nachholung des Visumverfahrens rechtfertige einen ausnahmsweisen Verzicht auf die Nachholung aus familiären Gründen. Eine solch lange Trennung sei wegen des 15-monatigen Wehrdienstes zu erwarten. Die im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG von der Beklagten jetzt angestellten Ermessenserwägungen seien fehlerhaft, weil die Beklagte von einer Trennungszeit von drei bis vier Monaten für die Dauer des Visumverfahrens ausgehe, der in der Türkei bei seiner Rückkehr noch abzuleistende Militärdienst aber 15 Monate betrage. Die Ermessenerwägungen seien auch deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte geltend mache, der Gesetzgeber halte auch in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich am Visumverfahren fest. Damit verkenne die Beklagte, dass das ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eingeräumte Ermessen gerade ermögliche, hiervon anzusehen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des Verfahrens 4 Bs 15/12, die Sachakten der Beklagten und den Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die Türkei vom 26. August 2012 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht vollen Umfangs stattgegeben. Die zulässige Klage des Klägers hat nur insoweit Erfolg, als die Beklagte verpflichtet wird, über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden; insoweit ist das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern. Die darüber hinausgehende Berufung hat keinen Erfolg.

I.

26

Die zulässige Klage des Klägers ist teilweise begründet.

27

Der Bescheid vom 1. September 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zum Zweck des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau abgelehnt hat (dazu unter 1.). Die Sache ist aber nicht spruchreif. Deshalb hat der Kläger lediglich einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, dazu unter 2.).

28

1. Die Beklagte hat es in rechtswidriger Weise abgelehnt, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

29

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (st. Rspr., BVerwG, Urt. v. 13.6.2013, 10 C 24.12, juris Rn. 8; Urt. v. 7.4.2009, 1 C 17.08, BVerwGE 133, 329, juris Rn. 10). Daher ist dem Begehren des Klägers das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 3 des Änderungsgesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3556), zu Grunde zu legen.

30

Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG steht nicht bereits § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entgegen. Denn aus dem Schreiben der Beklagten vom 14. Juni 2012 ergibt sich, dass sie die Ausweisungsverfügung vom 20. März 2012 aufgehoben hat. Dies hat sie im Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 bestätigt.

31

Die für die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis erforderlichen besonderen Erteilungsvoraussetzungen (hierzu unter a) sowie die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG liegen vor (hierzu unter b). Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht zwingend entgegen, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist ist, da der Beklagten Ermessen eingeräumt ist, von dieser Anforderung abzusehen (hierzu unter c). Die Beklagte hat von diesem Ermessen allerdings nicht bzw. fehlerhaft Gebrauch gemacht (hierzu unter d).

32

a) Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die beantragte Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung liegen vor.

33

Der Kläger hat für einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nachgewiesen, dass er den Aufenthaltstitel als Ehegatte seiner deutschen Ehefrau erstrebt, um mit ihr in der Bundesrepublik zusammenzuleben. Zweifel daran, dass der Kläger mit seiner Ehefrau eine eheliche Lebensgemeinschaft führt, bestehen nicht.

34

Der Kläger erfüllt zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch die in §§ 28 Abs. 1 Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorgesehene Voraussetzung, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können. Er hat bereits im Verwaltungsverfahren einen Nachweis darüber vorgelegt, dass er die deutsche Sprache auf dem Niveau A1 beherrscht (Bescheinigung des Diakonie – Cafes „Why Not“ vom 23.1.2012). Unerheblich ist, dass der Kläger die deutschen Sprachkenntnisse erst in der Bundesrepublik erworben und nachgewiesen hat (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2011, 4 Bs 153/11, m.w.N., n.v.). Weder dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG noch der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 173 f.) lässt sich entnehmen, dass der Nachweis über deutsche Sprachkenntnisse zwingend vor der Einreise erbracht werden muss. Deshalb besteht kein Grund, von dem allgemeinen Grundsatz für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abzuweichen und nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2011, 4 Bs 153/11; Beschl. v. 27.9.2010, 2 Bs 183/10, NordÖR 2011, 250). Dies wird auch von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen.

35

b) Die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG sind ebenfalls erfüllt.

36

aa) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Dahinstehen kann, ob eine Berechnung des Einkommens der Eheleute ergeben würde, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sichern kann. Denn auch ein möglicher Anspruch des Klägers auf öffentliche Leistungen stünde der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Die Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung mit einem deutschen Ehepartner soll nach § 28 Abs. 1 Satz 3 AufentG in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Besondere Umstände, die es gebieten, ausnahmsweise entgegen der gesetzlichen Regel den Ehegattennachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 4.9.2012, 10 C 12.12, BVerwGE 144, 141, juris Rn. 30), liegen nicht vor.

37

bb) Der Kläger ist im Besitz eines gültigen Nationalpasses (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG).

38

cc) Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist ebenfalls gegeben. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt danach in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Ein Ausweisungsgrund liegt zwar vor, allerdings steht dieser der Erteilung nicht entgegen, da eine Ausnahme von der Regel anzunehmen ist.

39

(1) Ein Ausweisungsgrund liegt vor. Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 6. März 2010 illegal in die Bundesrepublik eingereist ist, hat durch diese illegale Einreise und durch seinen anschließenden (nach eigenem Vortrag) 13-monatigen illegalen Aufenthalt einen Ausweisungsgrund verwirklicht.

40

Ein Ausweisungsgrund i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liegt dann vor, wenn einer der Tatbestände der §§ 53 bis 55 AufenthG erfüllt ist. Das ist der Fall. Der Kläger hat einen nicht geringfügigen Rechtsverstoß im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG begangen. Er hat durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt bis April 2011 gegen §§ 4, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verstoßen und damit den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG vorsätzlich verwirklicht. Vorsätzlich begangene Straftaten stellen grundsätzlich keinen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 2 AufenthG dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.1998, 1 C 27.96, BVerwGE 107, 58, juris Rn. 27). Die hier begangenen Verstöße rechtfertigen nicht ausnahmsweise eine andere Bewertung.

41

Für das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes ist die Verwirklichung des Tatbestandes des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ausreichend, ohne dass es in diesem Zusammenhang auf die Zulässigkeit der Ausweisung im Einzelfall und das Eingreifen eines besonderen Ausweisungsschutzes ankommt (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juli 2013, § 5 Rn. 55 f.). Es ist somit nicht erforderlich, dass der Ausländer ermessensfehlerfrei ausgewiesen werden könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.7.2002, 1 C 8/02, BVerwGE 116, 378, juris Rn. 20; OVG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2011, 5 Bs 158/11, AuAS 2012, 2, juris Rn. 18; Beschl. v. 21.7.2010, 3 Bs 58/10, AuAS 2010, 256, juris Rn. 14; BayVGH, Beschl. v. 3.1.2007, 24 CS 06.2634, juris Rn. 13).

42

Der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geht nicht § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als speziellere Regelung im – hier vorliegenden - Fall eines Verstoßes gegen Einreisevorschriften vor. Diese weitere allgemeine Erteilungsvoraussetzung verlangt die Einreise mit dem erforderlichen Visum und regelt damit die Verletzung von Einreisevorschriften ausdrücklich als einen der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehenden Tatbestand; sie sieht ein eigenständiges Prüfungs- und Entscheidungsprogramm vor. Der Verstoß gegen Visumvorschriften hindert aber nicht die Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Zwar könnte die innere Systematik des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AufenthG darauf hindeuten, dass solche Ausweisungsgründe von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgeschlossen sind, die Gegenstand der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind. Allerdings ist § 5 Abs. 2 AufenthG nicht als in diesem Sinne speziellere Regelung zu verstehen. Die Vorschrift steht ausdrücklich neben dem allgemein und umfassend formulierten Abs. 1 mit der Folge, dass der konkrete Sachverhalt sowohl an der (negativen) Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als auch an der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu messen ist (so im Ergebnis: BVerwG, Urt. v. 30.7.2013, 1 C 15.12, BVerwGE 147, 278, juris Rn. 21, 23, 24; Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 24, 27).

43

(2) Im Fall des Klägers liegt nicht der Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Vielmehr ist ein Ausnahmefall gegeben mit der Folge, dass der bestehende Ausweisungsgrund der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht.

44

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hindert ein Ausweisungsgrund die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel, d.h. nur dann, wenn nicht ein Ausnahmefall anzunehmen ist. Dieser ist für jede einzelne Norm und für jeden Einzelfall zu prüfen. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn ein atypischer Sachverhalt gegeben ist, der sich von der Menge gleich liegender Fälle durch besondere Umstände unterscheidet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht des der Regelerteilungsvoraussetzung zugrunde liegenden öffentlichen Interesses beseitigen. Auch Rechtsgründe, etwa verfassungsrechtliche Wertentscheidungen, insbesondere aus Art. 6 Abs. 1 GG, können die Annahme eines Ausnahmefalles gebieten (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.6.2013, 10 C 16.12, InfAuslR 2013, 364, juris Rn. 16; Urt. v. 22.5.2012, 1 C 6.11, BVerwGE 143, 150, juris Rn. 11; Urt. v. 26.8.2008, 1 C 32.07, BVerwGE 131, 370, juris Rn. 27; OVG Bautzen, Beschl. v. 7.3.2013, 3 A 132/12, juris Rn. 56; OVG Hamburg, Beschl. v. 16.6.2011, 3 Bf 361/06, BA S. 4 f.; OVG Bremen, Beschl. v. 27.10.2009, 1 B 224/09, ZAR 2010, 32, juris Rn. 25; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Juli 2013, § 5 Rn. 22, 62; Hailbronner, AuslR, Stand April 2013/Juni 2011, § 5 Rn. 6). Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar (BVerwG, Urt. v. 22.5.2012, 1 C 6.11, BVerwGE 143, 150, juris Rn. 11 m.w.N.). Nach diesem Maßstab liegt im Fall des Klägers ein Sachverhalt vor, der im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm vom Regelfall abweichende besondere Umstände aufweist.

45

Die Annahme eines Ausnahmefalls scheidet entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits deshalb aus, weil sich - wie die Beklagte meint - der Kläger nicht von anderen deutschverheirateten Ausländern unterscheide. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist nicht auf eine bestimmte Gruppe von Ausländern ausgerichtet. Sie betrifft alle Ausländer und nicht nur diejenigen, die mit deutschen Staatsangehörigen verheiratet sind. Die Regelung betrifft auch keineswegs nur Ausweisungsgründe, die auf Verstößen gegen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beruhen, sondern alle denkbaren Ausweisungsgründe, insbesondere auch solche, die so gewichtig sind, dass sie zwingend oder regelhaft zur Ausweisung führen würden. In jeder denkbaren Konstellation kann daher ein Ausnahmefall vorliegen.

46

Die besonderen, einen atypischen Sachverhalt begründenden Umstände beruhen darauf, dass der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt und dass der Ausweisungsgrund allein in der Einreise ohne das erforderliche Visum und dem anschließenden Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen besteht. Im Hinblick auf den Regelungszweck des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bedarf es bei deutschverheirateten Ausländern, bei denen der Ausweisungsgrund allein in dem oben genannten Verstoß gegen die Einreise- und Aufenthaltsvorschriften besteht, einer besonderen Bewertung. Auf sie lassen sich die Rechtsfolgen, die für den Regelfall gelten, nicht ohne Weiteres übertragen. Bereits die Bewertung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit deutschen Staatsangehörigen im Ausländerrecht zeigt, dass hier gegenüber dem Regelfall eine differenzierende Betrachtung angezeigt ist. Eine differenzierende Betrachtung ist zudem angezeigt, wenn es um das Gewicht geht, das dem oben genannten Verstoß gegen die Einreise- und Aufenthaltsvorschriften durch deutschverheiratete Ausländer zukommt. Im Einzelnen:

47

Regelungszweck des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist es, solchen Personen den Aufenthalt zu verwehren, deren Aufenthalt die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 55 Abs. 1 AufenthG beeinträchtigt (vgl. Funke-Kaiser, in GK-AufenthG, Stand August 2013, § 5 Rn. 63, m.w.N.). Soweit der Ausweisungsgrund darin besteht, dass der Ausländer gegen Rechtsvorschriften verstoßen und möglicherweise sogar Straftaten begangen hat, liegt dem ein (auch) spezialpräventiver Ansatz zugrunde; es sollen gegenwärtige bzw. in absehbarer Zukunft zu befürchtende Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit durch Versagung eines Aufenthaltsrechts abgewendet werden (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 10.12.2010, 18 B 1598/10, juris Rn. 3). Dieser Zweck verliert an Gewicht, wenn es - wie es hier der Fall ist - um Ausländer geht, die mit deutschen Staatsangehörigen verheiratet sind, und wenn deren Verstoß gegen die Rechtsordnung allein in dem oben genannten Verstoß gegen die Einreise- und Aufenthaltsvorschriften besteht. Denn nach den Wertungen des Aufenthaltsgesetzes soll in einem derartigen Fall ein Aufenthalt in Deutschland nicht zwingend verwehrt werden.

48

Die deutschverheiratete Ausländer betreffenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen sind wegen der Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK grundsätzlich auf die Gewährleistung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ausgerichtet. Für die ausländischen Ehepartner Deutscher gelten erleichterte Anforderungen an die Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 AufenthG) und an die Aufrechterhaltung des Aufenthalts sowie höhere rechtliche Hürden bei der Beendigung des Aufenthalts. Ehegatten deutscher Staatsangehöriger genießen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz und können deshalb jedenfalls hinsichtlich der hier relevanten Straftaten wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts nicht ausgewiesen werden; dies wäre nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich, an denen es hier fehlt. Der Einbeziehung von ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger in den besonderen Ausweisungsschutz trägt Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung. Auch aus Art. 8 EMRK folgt, dass jedenfalls dann, wenn eine Ausweisung zur Trennung der Ehegatten führt, ein qualifizierter Ausweisungsgrund gegeben sein muss (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 27.10.2009, 1 B 224/09, ZAR 2010, 32, juris Rn. 30, m.w.N.). Der hier verwirklichte Ausweisungsgrund würde somit nicht zu einer Beendigung des Aufenthaltes führen; ein bestehender Aufenthaltstitel würde nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Ausweisung erlöschen (gegen die Berücksichtigung einer solchen Wertung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: OVG Hamburg, Beschl. v. 19.6.2013, 3 Bs 163/13, n.v.).

49

Diese aufenthaltsrechtliche Bewertung bestehender ehelicher Lebensgemeinschaften mit deutschen Staatsangehörigen schlägt auch auf das Gewicht durch, das dem Ausweisungsgrund für die Frage zukommt, ob eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Beruht der von einem deutschverheirateten Ausländer verwirklichte Ausweisungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausschließlich auf Rechtsverstößen, die unmittelbar durch die Einreise selbst und den anschließenden illegalen Aufenthalt begründet sind, und bestehen keine Begleit- oder Folgedelikte wie z.B. die Fälschung eines Visums oder vorsätzlich falsche Angaben gegenüber der Botschaft zur Erlangung des Visums (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 135; juris Rn. 24 f.), kommt dem Ausweisungsgrund seine vertypte Gefahrenabwehrfunktion nicht mehr zu. Der spezialpräventive Zweck der (negativen) Erteilungsvoraussetzung geht ins Leere. In diesem Fall ist der Ausweisungsgrund nicht beachtlich, da die öffentliche Sicherheit und Ordnung aktuell nicht mehr beeinträchtigt wird (zu diesem Maßstab vgl. auch Nr. 5.1.2.2 der Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26.10.2009, GMBl. S. 877, 918). Denn eine zukünftige Wiederholung der Verstöße gegen die Einreisevorschriften ist grundsätzlich ausgeschlossen. Ein Ausländer, der mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, hat - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – regelmäßig ein Aufenthaltsrecht und kann einen Aufenthaltstitel nach §§ 4 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG beanspruchen. Damit sind bezogen auf den Aufenthaltszweck der ehelichen Lebensgemeinschaft ein erneuter Verstoß gegen Visumbestimmungen sowie ein illegaler Aufenthalt und damit eine erneute Verletzung der einschlägigen Strafvorschriften (§ 95 Abs. 1 Nr. 2, 3 AufenthG) nicht zu erwarten (in diesem Sinne auch: VGH Mannheim, Beschl. v. 20.9.2012, 11 S 1608/12, InfAuslR 2013, 30, juris Rn. 5).

50

(3) Das Regel- / Ausnahmeverhältnis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wird in dem - hier vorliegenden - Fall, dass familiäre Bindungen zu berücksichtigen sind, nicht durch die Vorschrift des § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verdrängt.

51

Familiäre Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet sind bereits bei der Frage zu berücksichtigen, ob im konkreten Fall eine Ausnahme von der (negativen) Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gegeben ist, und sie können zur Annahme einer Ausnahme führen. Familiäre Bindungen sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erst und ausschließlich im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen. Denn § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, wonach von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgesehen werden kann, steht zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht in einem Verhältnis der Spezialität (a.A. OVG Magdeburg, Beschl. v. 9.2.2009, 2 M 276/08, juris Rn. 25; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.4.2006, 5 LC 110/05, NVwZ-RR 2007, 62, juris Rn. 50; diese Frage nicht ansprechend: BVerwG, Urt. v. 30.7.2013, 1 C 15.12, BVerwGE 147, 292, juris Rn. 23).

52

Der Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (BT-Drs. 15/420, S. 81) lässt sich zwar entnehmen, dass der Gesetzgeber die Vorstellung hatte, bei Vorliegen von Ausweisungsgründen sei wie im bisherigen Recht (§ 17 Abs. 5 AuslG) eine Ermessensentscheidung zu treffen. Weder die Gesetzessystematik noch der Wortlaut oder Sinn und Zweck der Vorschrift lassen aber den Schluss zu, dass sie darauf gerichtet ist, die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dahingehend einzuschränken, dass bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes familiäre Umstände keinen Ausnahmefall begründen, sondern nur im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG berücksichtigt werden können (vgl. auch OVG Bautzen, Beschl. v. 7.3.2013, 3 A 132/12, juris Rn. 54; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 5 Rn. 72). § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG regelt allein die Möglichkeit, von einem sonst zwingend der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehenden Ausweisungsgrund abzusehen. Die Ermessenseröffnung knüpft damit an § 5 Abs. 1 AufenthG und das dieser Vorschrift zugrunde liegende System von Regel und Ausnahme an. § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG setzt voraus, dass ein Regelfall vorliegt. Denn im Falle einer Ausnahme stünde der Ausweisungsgrund der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ohnehin nicht entgegen; einer Ermessensentscheidung bedürfte es nicht. Die Vorschrift trifft hingegen keinerlei Aussagen zum Gegenstand möglicher Ausweisungsgründe. Sie regelt insbesondere nicht, wann die (negative) Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorliegt und unter welchen Umständen ein Ausnahmefall anzunehmen ist.

53

Zur Auslegung des § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG und damit auch des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kann im Übrigen nicht auf die zum früheren § 7 Abs. 2 AuslG ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 29.7.1993, 1 C 25.93, BVerwGE 94, 35, juris Rn. 36) zurückgegriffen werden. Nach dieser Norm war im Falle einer Ausnahme vom Regelfall Ermessen eröffnet. Das ist nach dem heutigen System des § 5 Abs. 1 AufenthG nicht der Fall. Vielmehr steht im Falle einer Ausnahme der Ausweisungsgrund der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis generell nicht entgegen. Deshalb lässt sich die zum früheren Recht ergangene Rechtsprechung auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht übertragen (vgl. zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 30.4.2009, 1 C 3.08, InfAuslR 2009, 333, juris Rn. 15).

54

(4) Liegt somit ein Ausnahmefall vor, ist die (negative) Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass kein Ausweisungsgrund bestehen darf, erfüllt. Der gleichwohl vorliegende Ausweisungsgrund steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Insoweit folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.7.2013, 1 C 15.12, BVerwGE 147, 278, juris Rn. 23; Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 23) nichts anderes. Denn dort ist das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis von einem der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehenden Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgegangen.

55

c) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitert nicht daran, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist ist. Zwar erfüllt der Kläger die weitere Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht (hierzu unter aa). Doch sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen hiervon nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden kann (hierzu unter bb).

56

aa) Der Kläger erfüllt nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

57

(1) Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Daran fehlt es. Der Kläger ist als türkischer Staatsangehöriger für die Einreise und den Aufenthalt zum Zweck der der Arbeitsaufnahme bzw. der Familienzusammenführung nach §§ 4, 6 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl. EG Nr. L 81 S. 1) und deren Anhang I visumpflichtig. Ein solches Visum hat der Kläger vor seiner Einreise nicht eingeholt.

58

(2) Die Möglichkeit zur visumfreien Einreise folgt nicht aus dem Verschlechterungsverbot des Art. 13 ARB 1/80.

59

Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ANBA 1981 S. 4) - ARB 1/80 - berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, Vorschriften über die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet und über die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung zu erlassen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.1992, Rs. C-237/91 [Kus], Slg. 1992, I-06781, Rn. 25). Selbst wenn Art. 13 ARB 1/80 auch in Bezug auf die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats der Einführung neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit entgegenstehen sollte, kann sich dies nur auf solche Personen beziehen, die von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen wollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.3.2010, 1 C 8.09, BVerwGE 136, 231, juris Rn. 20). Der Kläger als Ehemann einer deutschen Staatsangehörigen begehrt aber einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Familienzusammenführung. Im Übrigen wäre eine Verschlechterung seiner Rechtsposition, der die Stillhalteklausel entgegenwirken könnte, jedenfalls nicht festzustellen. Er wäre weder im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 13 ARB 1/80 am 1. Dezember 1980 (vgl. Art. 16 Abs. 1 ARB 1/80) noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt berechtigt gewesen, ohne das erforderliche Visum in das Bundesgebiet einzureisen. Nach § 5 Abs. 2 AuslG 1965 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 DV AuslG in der Fassung der 11. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes vom 1. Juli 1980 (BGBl. I 1980, 782), in Kraft getreten am 5. Oktober 1980, galt das Erfordernis einer vor der Einreise in der Form eines Sichtvermerks einzuholenden Aufenthaltserlaubnis für einen geplanten Daueraufenthalt u.a. für die Staatsangehörigen eines Staates, der - wie die Türkei - in der Anlage zur Verordnung nicht aufgeführt war. Entsprechendes galt für den Kläger nach § 3 Abs. 3 AuslG 1990 i.V.m. §§ 2, 9 f. DVAuslG vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I 2983). Soweit der Kläger auch beabsichtigt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, folgt für ihn aus der Stillhalteklausel ebenfalls keine Befreiung von der Visumpflicht. Denn schon vor Inkrafttreten des Art. 7 ARB 2/76 und des Art. 6 ARB 1/80 bestand für den Aufenthaltszweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 5 Abs. 2 des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 (BGBl. I S. 353 - AuslG 1965) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes 1965 (hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1976, BGBl. I S. 1717) das Erfordernis, vor der Einreise eine Aufenthaltserlaubnis in Form eines Sichtvermerks (Visum) einzuholen (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 16.7.2013, 4 Bs 162/13, n.v.; OVG Saarlouis, Beschl. v. 2.5.2012, 2 B 47/12, juris Rn. 15).

60

(3) Die Visumpflicht entfällt auch nicht wegen Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385) - ZP-. Nach dem am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Art. 41 Abs. 1 ZP verpflichten sich die Vertragsparteien, untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen. Es fehlt bereits an einer neuen Beschränkung, soweit türkische Staatsangehörige – wie möglicherweise der Kläger bei seiner Einreise – im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen. Denn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 41 ZP bestand für diese die Visumpflicht (s.o.). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Vorschriften über die Assoziation EWG-Türkei nicht die Befugnis der Mitgliedsstaaten berühren, Vorschriften sowohl über die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet als auch über die Voraussetzungen für deren erste Beschäftigung zu erlassen, und lediglich die Stellung türkischer Arbeitnehmer regeln, die bereits ordnungsgemäß in den Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten eingegliedert sind (vgl. EuGH, Urt. v. 11.5.2000, Rs. C-37/98 [Savas], Slg. 2000, I-20927 Rn. 58). Mit dem Familiennachzug strebt der Kläger einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet an; dieser unterfällt weder der Niederlassungs- noch der Dienstleistungsfreiheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.3.2010, 1 C 8.09, BVerwGE 136, 231, juris Rn. 19; OVG Hamburg, Beschl. v. 11.2.2013, 4 Bs 162/12, S. 12 f. BA, n.v.; OVG Münster, Beschl. v. 11.7.2012, 18 B 562/12, juris Rn. 4 ff.; OVG Saarlouis, Beschl. v. 2.5.2012, 2 B 47/12, juris Rn. 13). Die Stillhalteklausel ist im Übrigen auch nicht geeignet, türkischen Staatsangehörigen, die nur Dienstleistungen in einem Mitgliedsstaat empfangen wollen, allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen oder ein Recht auf visumfreie Einreise zu verschaffen. Denn der dort verwendete Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs umfasst nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH, Urt. v. 24.9.2013, Rs. C-221/11 [Demirkan], NVwZ 2013, 1465).

61

(4) Der Kläger kann die Aufenthaltserlaubnis auch nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG nach § 39 Nr. 5 AufenthV ohne vorherige Ausreise einholen.

62

Gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Der Kläger war weder zum Zeitpunkt der Antragstellung oder der letzten Behördenentscheidung noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Besitz einer Duldung, wie sie § 39 Nr. 5 AufenthV voraussetzt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung besaß der Kläger noch keine Duldung und auf die Duldungen, die ihm nach der Eheschließung bis jetzt erteilt wurden, kann sich der Kläger nicht berufen. Diese Duldungen dienten dem Zweck, ihm die Vorbereitung einer freiwilligen Ausreise zu ermöglichen und anschließend seine Abschiebung vorzubereiten bzw. gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten. Es widerspräche dem Sinn der Regelung in § 39 Nr. 5 AufenthV, wenn eine Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift auch dann in zulässiger Weise im Bundesgebiet eingeholt werden dürfte, wenn gerade über diese – von der Behörde verneinte – Berechtigung Streit besteht und die Duldungserteilung im Hinblick auf eine von der Behörde betriebene baldige Aufenthaltsbeendigung erfolgt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2012, 4 Bs 15/12, juris Rn. 37; Beschl. v. 16.11.2010, 4 Bs 220/10, AuAS 2011, 65, juris Rn. 10 ff.; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.1.2012, OVG 11 S 6.12, juris Rn. 10, OVG Münster, Beschl. v. 30.4.2010, 18 B 180/10, juris Rn. 10).

63

bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen, unter denen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG Ermessen eröffnet ist, von der Einhaltung des Visumverfahrens abzusehen, liegen vor. Das ist der Fall, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind (1. Altern.) oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (2. Altern.). Zwar ist das Ermessen nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG eröffnet (hierzu unter (1)). Der Kläger hat aber einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sodass die Beklagte Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG auszuüben hat (hierzu unter (2)).

64

(1) Für den Kläger ist es nicht auf Grund besonderer Umstände unzumutbar im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG, das Visumverfahren nachzuholen. Gründe, die eine zeitweise Trennung der Eheleute als unzumutbar erscheinen lassen, liegen nicht vor.

65

Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.8.2013, 2 BvR 586/13, juris Rn. 12; Beschl. v. 12.5.1987, 2 BvR 1226/83, 2 BvR 101/84, 2 BvR 32 BvR 313/84, BVerfGE 76, 1, 49 ff., juris Rn. 103). Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.5.2011, 2 BvR 1367/10, NVwZ-RR 2011, 585, juris Rn. 14 m.w.N.).

66

Dass die zeitweise Trennung der Eheleute aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar und deshalb unverhältnismäßig sein könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen und dies ist auch nicht ersichtlich. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass der wehrpflichtige Kläger nach seiner Rückkehr in die Türkei den Wehrdienst ableisten muss, der grundsätzlich 15 Monate andauert (vgl. zu den altersmäßigen Anforderungen und zur Dauer des obligatorischen Wehrdienstes: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26.8.2012, S. 17 f.). Eine Trennung von seiner Ehefrau für diese Zeit erscheint allerdings auch unter Berücksichtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten privaten Interessen der Eheleute nicht unverhältnismäßig.

67

Nachzugshindernisse von begrenzter Zeitdauer, wie es das Visumverfahren darstellt, sind auch beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nicht von vornherein verfassungswidrig (vgl. zum Visumverfahren: BVerfG, Beschl. v. 17.5.2011, 2 BvR 1367/10, juris Rn. 15; Beschl. v. 4.12.2007, 2 BvR 2341/06, InfAuslR 2008, 239 f., juris Rn. 6; BVerwG, Urt. v. 11.1.2011, 1 C 23.09, BVerwGE 138, 353, juris Rn. 34). Ob eine Warte- und Trennungszeit für Eheleute unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Ziele mit der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, bedarf vielmehr der Bewertung des Einzelfalls.

68

Danach erweist sich die Trennungszeit von 15 Monaten, die - wenn der Kläger das Visumverfahren nachholt - wegen des noch zu leistenden Wehrdienstes zu erwarten ist, nicht als unverhältnismäßig. Zwar kann z.B. das gesetzlich verlangte Spracherfordernis nach § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz Nr. 2 AufenthG als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG qualifiziert geschützten Belange des ausländischen und des deutschen Ehegatten übersteigen und damit unzumutbar sein, wenn es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache in seinem Heimatland zu erlernen. In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung im Fall zumutbarer Bemühungen spätestens nach einem Jahr in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.2012, 10 C 12.12, BVerwGE 144, 141, juris Rn. 26 ff.). Diese bezogen auf den Spracherwerb geltenden Wertungen lassen sich aber auf den Wehrdienst nicht übertragen. Der Wehrdienst ist nicht ein durch nationale Regelungen des deutschen Gesetzgebers bestimmtes Nachzugserfordernis, sondern beruht auf den gesetzlichen Bestimmungen und öffentlichen Interessen eines anderen Staates, denen der Kläger als türkischer Staatsangehöriger unterliegt. Dass es wegen des noch nicht geleisteten Wehrdienstes zu einer Trennung kommen könnte, war beiden Eheleuten bei Eingehung der Beziehung bekannt. Diese Trennung stellt einen von vornherein zeitlich beschränkten Zeitraum dar, der die Zeitdauer von einem Jahr nur geringfügig übersteigt. Das zeitweise Nachzugshindernis der Wehrpflicht kann nicht in ein der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet auf unabsehbare Zeit oder dauerhaft entgegenstehendes Nachzugshindernis umschlagen. Denn die Ableistung des zeitlich begrenzten Wehrdienstes ist - anders als der erfolgreiche Erwerb von Sprachkenntnissen - unabhängig von persönlichen Fähigkeiten des Wehrpflichtigen. Die durch die Ableistung des Wehrdienstes im Heimatland des Antragstellers bedingte Trennung wird im Übrigen dadurch gemildert, dass während dieser Zeit die Möglichkeit der Kommunikation mit seiner Ehefrau sowie von Besuchen besteht (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 11.2.2013, 4 Bs 269/12, n.v., S. 16 BA; Beschl. v. 16.11.2010, 4 Bs 220/10, juris Rn. 14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.1.2011, OVG 11 S 51.10, juris Rn. 14).

69

(2) Die Beklagte kann von der Einhaltung des Visumverfahrens nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG absehen, weil im Fall des Klägers die Voraussetzungen eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen.

70

Unter einem „Anspruch“ ist grundsätzlich ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen, der nur vorliegt, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. zu § 39 Abs. 3 AufenthV: BVerwG, Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 24, 27; vgl. zu § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 16.12.2008, 1 C 37.07, BVerwGE 132, 382, juris Rn. 24 m.w.N.). Die Voraussetzungen eines Anspruchs i.S. d. § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG sind auch dann erfüllt, wenn zwar eine regelhaft zu erfüllende Anspruchsvoraussetzung – vorliegend aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – nicht vorliegt, dies jedoch unschädlich ist, weil ein Ausnahmefall gegeben ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2012, 4 Bs 15/12, juris Rn. 38; Beschl. v. 26.10.2011, 5 Bs 158/11, AuAS 2012, 2, juris Rn. 24). Denn in einem solchen Fall steht § 5 Abs. 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen.

71

Dem Anspruch auf Erteilung steht entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht entgegen, dass hier die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht vorliegt und daher Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VwGO eröffnet ist. Der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG kann nur so verstanden werden, dass außer den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1im Übrigen die Voraussetzungen eines gesetzlichen Anspruchs vorliegen müssen. Denn § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG setzt tatbestandlich für die Eröffnung des Ermessens und damit für ein mögliches Absehen von einer Voraussetzung des Satzes 1 gerade voraus, dass es an einer solchen Voraussetzung des Satzes 1 fehlt, ansonsten aber alle allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Anderenfalls würde die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG leerlaufen. Der Begriff des gesetzlichen Anspruchs bzw. des Rechtsanspruchs ist vor dem Hintergrund des jeweiligen Regelungskontexts zu verstehen (vgl. zu § 39 Abs. 3 AufenthV: BVerwG, Urt. v. 16.11.2010, 1 C 17.09, BVerwGE 138, 122, juris Rn. 24, 25; vgl. zum „strikten Rechtsanspruch“ i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG: BVerwG, Beschl. v. 16.2.2012, 1 B 22.11, juris Rn. 4; Urt. v. 16.12.2008, 1 C 37.07, BVerwGE 132, 382, Rn. 21 ff.; OVG Hamburg, Beschl. 16.1.2013, 4 Bs 185/12, n.v.; Beschl. v. 10.1.2013, 3 Bs 38/13, n.v.).

72

d) Die Entscheidung der Beklagten, von der Einhaltung des Visumverfahrens nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG abzusehen, ist fehlerhaft.

73

aa) In den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG eröffnetes Ermessen nicht ausgeübt.

74

Im maßgeblichen Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 hat die Beklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. und 2. Altern. AufenthG geprüft und ihr Vorliegen verneint. Auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung konsequent, hat die Beklagte sodann Ermessen im Hinblick auf § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ausgeübt (S. 4 des Widerspruchsbescheids). Ferner hat sie - unter Bezugnahme auf die Fachanweisung 1/2012 – lediglich (hilfsweise) Erwägungen in Bezug auf § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG angestellt (S. 6, Absatz 1 bis 3 des Widerspruchsbescheids).

75

Die zu § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG angestellten Ermessenserwägungen sind für die erforderliche Ausübung des Ermessens entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht maßgeblich. Es bedurfte eigenständiger Ermessenserwägungen zu § 5 Abs. 2 Satz 1 1. Altern. AufenthG. Denn die 1. Tatbestandsalternative des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG besitzt einen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Tatbestandsalternativen „gesetzlicher Anspruch“ und „Unzumutbarkeit“ weisen unterschiedliche Zweckrichtungen auf, denen die Ermessensbetätigung Rechnung tragen muss. Mit der 1. Alternative soll verhindert werden, dass das für die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung grundsätzlich unverzichtbare Visumverfahren im Einzelfall lediglich als eine bloße (für den Ausländer teure und auch für die Behörde zeit- und ressourcenaufwändige) Förmelei durchgeführt werden muss, wenn die materielle Prüfung schon zugunsten des Ausländers abgeschlossen ist (BT-Drs. 15/470, S. 70; vgl. auch Nr. 5.2.2.1 AVwV-AufenthG). Die 2. Alternative dient hingegen der Vermeidung von unzumutbaren Härten, die mit der (grundsätzlich erforderlichen) Nachholung des Visumverfahrens einhergehen (vgl. auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, a.a.O., § 5 Rn. 121). Hier stehen insbesondere individuelle Belastungen des Ausländers und/oder seiner Familienangehörigen durch seine Ausreise im Vordergrund, die im Fall der Nachholung des Visumverfahrens zu unverhältnismäßigen Eingriffen in geschützte Rechte aus Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1 GG führen können. Die Ausführungen der Beklagten zur (Un-)Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens (S. 6 des Widerspruchsbescheides) für die Eheleute tragen dem Regelungszweck der 1. Tatbestandsalternative „Anspruch auf Erteilung“ nicht Rechnung.

76

Die im Widerspruchsbescheid zu § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG angestellten Ermessenserwägungen können ebenfalls nicht als Ermessensentscheidung (auch) zu § 5 Abs. 2 Satz 1 1. Altern. AufenthG angesehen werden. Mit diesen Erwägungen hat die Beklagte das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens mit dem Interesse an der sofortigen Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft abgewogen und dabei die Zumutbarkeit der vorübergehenden Trennung bewertet. Dabei hat sie die Dauer der Trennung, fehlende die Ehe betreffende besondere Umstände und die Einbeziehung der Trennung in die Lebensplanung der Eheleute berücksichtigt. Den für die Ausübung des Ermessens im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG relevanten Gesichtspunkt, dass im Fall des Klägers ein Anspruch auf Erteilung besteht und dass sich das Visumverfahren deshalb als eine bloße Förmelei erweisen könnte, hat die Beklagte bei ihrer Ermessensbetätigung nicht berücksichtigt.

77

bb) Einschlägige Regelungen zur Ermessensausübung ergeben sich weder aus der Fachanweisung Nr. 1/2012, die die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nach den Ausführungen im Widerspruchsbescheid zur Grundlage ihrer Verwaltungsübung gemacht hat, noch aus der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht geltenden Fachanweisung Nr. 1/2013. Darin hat die Beklagte Anordnungen für eine regelmäßige Ermessensausübung für den Fall des Ehegattennachzugs bei einem bestehenden gesetzlichen Anspruch (§ 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG) nicht getroffen. Wie die Beklagte inzwischen klargestellt hat, beziehen sich die Ausführungen unter Abschnitt A.VI. (S. 20 ff.), denen der Senat in seiner früheren Rechtsprechung eine einschlägige Ermessensbindung entnommen hat (Beschl. v. 9.5.2012, 4 Bs 15/12, juris Rn. 39), zunächst nur auf den Fall des Ehegattennachzugs nach § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Altern. AufenthG und die weiteren Ausführungen - in Abgrenzung zum geregelten Ehegattennachzug im Fall der 2. Alternative des § 5 Abs. 2 Satz 2 - allein auf sonstige Fälle eines Rechtsanspruchs aus familiären Gründen, nicht jedoch auf Fälle des Ehegattennachzugs. Ob dieses Verständnis der Verwaltungsvorschrift zwingend ist, kann dahingestellt bleiben. Entscheidend ist allein, dass die Beklagte sie in dieser Weise versteht und anwendet. An seiner in der Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geäußerten Rechtsansicht hält das Berufungsgericht deshalb nicht mehr fest.

78

cc) Die von der Beklagten nachgeholte Ermessensentscheidung ist fehlerhaft.

79

Die Beklagte hat Ermessenserwägungen zu § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG erstmals im Berufungsverfahren (hilfsweise) angestellt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine Nachholung von Ermessenserwägungen im Fall des Ermessensausfalls auch dann zulässig ist, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat und sich nicht erst wegen Umständen, die während des Klageverfahrens entstanden sind, die Notwendigkeit einer Ermessensausübung ergibt (ausdrücklich offenlassend im Fall einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme: BVerwG, Urt. v. 13.12.2011, 1 C 14.10, BVerwGE 141, 253, juris Rn. 13). Denn die nachgeholten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nach dem Prüfungsmaßstab des § 114 Satz 1 VwGO fehlerhaft. Die Beklagte ist im Hinblick auf die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG in ihrem Ermessen stehende Entscheidung, im Fall eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung von den Anforderungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen, teilweise von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und hat zudem eine fehlerhafte Gewichtung der privaten und öffentlichen Belange zu Lasten des Klägers vorgenommen.

80

Die Beklagte hat die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Visumpflicht im Fall des beabsichtigten Ehegattennachzugs, bei dem sich der Ehegatte bereits im Bundesgebiet aufhält, und die privaten und wirtschaftlichen Interessen des Klägers nicht vollständig und zutreffend ermittelt und in ihre Abwägung eingestellt. Ein Ermessensfehler liegt darin, dass sie bei ihrer Abwägung teilweise von falschen Tatsachen ausgegangen ist. Sie hat nicht berücksichtigt, dass das (private) Interesse des Klägers an der ununterbrochenen Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau im Bundesgebiet im Fall der Nachholung des Visumverfahrens nicht nur durch die aus Sicht der Beklagten zumutbare Trennungszeit von drei bis vier Monaten während der Dauer des Visumverfahrens beeinträchtigt wird, sondern dass bei einer Rückkehr des Klägers in die Türkei eine durch die erforderliche Ableistung des Wehrdienstes bedingte Trennungszeit der Ehepartner von mindestens 15 Monaten zu erwarten ist. Dieser vom Kläger vorgetragene und in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erörterte Sachverhalt war der Beklagten bekannt. Ihre Ermessenserwägungen hat sie trotz des Hinweises des Klägers in seiner Berufungserwiderung und deren Darstellung in der mündlichen Verhandlung nicht korrigiert oder ergänzt.

81

Zudem besteht ein Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO darin, dass die Beklagte dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG nicht hinreichend Rechnung getragen und die in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet hat. Eine solche fehlerhafte Gewichtung kann z.B. dann vorliegen, wenn die Behörde einzelnen Tatsachen ein Gewicht beimisst, das objektiven Wertungsmaßstäben nicht entspricht (vgl. zur Überprüfung der einzustellenden Belange: BVerwG, Urt. v. 19.11.1996, 1 C 6.95, BVerwGE 102, 249, juris Rn. 24 ff.). Ein solcher bei der Abwägung relevanter Maßstab für die Gewichtung der einander gegenüberstehenden Belange kann sich aus der einfachrechtlichen Wertung des Gesetzes und insbesondere aus den durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten privaten Belangen des Ausländers ergeben, die entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind (vgl. zum Maßstab Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2010, § 114 Rn. 181, 184; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 114 Rn. 7, 39-41).

82

Daran gemessen hat die Beklagte die auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Klägers zu gering gewichtet. Die Beklagte hat ein Übergewicht der öffentlichen Interessen mit der Begründung angenommen, das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Einreisevorschriften zum Zweck der Kontrolle von einreisewilligen Personen, die sich auf Dauer im Bundesgebiet niederlassen wollten, sowie am geregelten Zuzug von Ausländern überwiege deutlich die privaten Interessen des Klägers. Der Staat führe die gesetzliche Regelung ad absurdum, wenn er die Visumpflicht einführe, aber nicht dafür sorge, dass diese eingehalten werde. Sehe er trotz illegaler Einreise des Ausländers – wie im Fall des Klägers – von der Durchführung des Visumverfahrens ab, prämiere er damit strafbares Verhalten. Demgegenüber stelle die Nachholung für den Kläger – auch unter Berücksichtigung der Kosten für die Aus- und Wiedereinreise und der zeitweisen Trennung - keine unzumutbare Belastung dar.

83

Mit dieser Gewichtung verkennt die Beklagte die Reichweite und den Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG. Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte generalpräventive Gesichtspunkte wie die Bedeutung und Wirksamkeit des Visumverfahrens als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung (vgl. BT-Drs 15/420 S. 70) in ihre Ermessensbetätigung einstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.1.2011, 1 C 23.09, BVerwGE 138, 353, juris Rn. 34; Urt. v. 4.9.1986, 1 C 19.86, BVerwGE 75, 20, juris Rn. 14). Die Beklagte hat aber auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Eröffnung des Ermessens in § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gerade ermöglichen will, im Einzelfall zu Gunsten des Ausländers von der Nachholung des Visumverfahrens abzusehen, und zwar nicht nur bei der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens, sondern auch dann, wenn ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht. Dem hat die Beklagte nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Beklagte hat trotz des gesetzlichen Anspruchs des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beim Ehegattennachzug generell dem – bereits die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG begründenden - öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Visumpflicht und an der Einholung des für den jeweiligen Aufenthaltszweck erforderlichen Aufenthaltstitels vom Ausland aus entscheidendes Gewicht beigemessen. Damit hat sie den vom Gesetzgeber eröffneten Ermessensspielraum faktisch nicht ausgenutzt und eine dem Einzelfall des Klägers Rechnung tragende Entscheidung nicht getroffen. Auch die weiteren Erwägungen tragen der Tatsache, dass im Fall des Klägers ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Altern. AufenthG vorliegt, nicht ausreichend Rechnung. Da bereits feststeht, dass dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sein wird, ist die von der Beklagten generell für erforderlich gehaltene Kontrolle von einreisewilligen Personen zum Schutz vor Gefahren für die im Bundesgebiet lebenden Menschen nicht mehr notwendig. Damit steigt das Gewicht der privaten Belange, eine Trennung von seiner Ehefrau zu vermeiden und die Kosten für die Reise in die Türkei sowie die Rückreise zu ersparen. Inwieweit der Kläger in der Lage ist, diese Kosten aufzubringen, hat die Beklagte noch nicht einmal geprüft. Die generalpräventiv motivierte Erwägung der Beklagten, es dürften keine Anreize für eine Einreise unter Verstoß gegen die Einreisevorschriften geschaffen werden, verkennt, dass es eine zwangsläufige Folge der Eröffnung des Ermessens (im Fall eines gesetzlichen Anspruchs) ist, dass im Einzelfall von den Einreisevorschriften abgesehen werden kann. Mit der von der Beklagten gegebenen Begründung läuft der vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessensspielraum leer.

84

Weiter hat die Beklagte bei ihrer Gewichtung der einander gegenüberstehenden Interessen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht berücksichtigt. Auf der Grundlage ihrer Fachanweisung 1/2013 (Seite 22) lässt die Beklagte in sonstigen Fällen eines Rechtsanspruchs aus familiären Gründen (Nachzug von Kindern oder Eltern) das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung des Visumverfahrens als wichtigem Steuerungsinstrument der Zuwanderung regelmäßig hinter dem gemäß Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebotenen Schutz von Ehe und Familie zurücktreten. Hierzu heißt es in der Fachanweisung weiter: „… Denn steht wegen des Vorliegens eines Rechtsanspruchs von vornherein fest, dass das Visum umgehend nach der Ausreise zu erteilen wäre, kommt der Nachholung des Visumverfahrens eine wesentliche Steuerungsfunktion, die eine Beeinträchtigung des gemäß Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebotenen Schutzes von Ehe und Familie durch – vorübergehende – Trennung der Familienangehörigen rechtfertigen könnte, nicht mehr zu. Das Bestehen auf der Durchführung eines Visumverfahrens würde in solchen Fällen allein zu Arbeitsaufwand für die beteiligten Behörden sowie zu wirtschaftlichem Aufwand für die Betroffenen führen, ohne eine echte Funktion in der Steuerung der Zuwanderung zu erfüllen.“ Diese Gründe gelten grundsätzlich gleichermaßen im Fall des hier vorliegenden Ehegattennachzugs, bei dem der ausländische Ehepartner sich bereits im Bundesgebiet aufhält und einen Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Familienzusammenführung hat. Die Beklagte hat keine Gründe angeführt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, aus denen sich ergeben könnte, dass im Fall des Ehegattennachzugs der Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis weniger wiegt und die öffentlichen Interessen an der Einhaltung des Visumverfahrens ein höheres Gewicht haben als im Falle des Nachzugs von anderen Familienangehörigen.

85

2. Die Beklagte kann nicht zur Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis verpflichtet werden, da die Sache nicht spruchreif ist. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Beklagte ihr Ermessen dahin ausübt, dass von der Durchführung des Visumverfahrens abgesehen wird.

86

Eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Klägers ist vorliegend nicht gegeben. Auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ist nicht ersichtlich, dass trotz des der Beklagten zukommenden Ermessensspielraums angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls nur die Erteilung des Aufenthaltstitels ermessensfehlerfrei wäre. Der mit der Nachholung des Visumverfahrens verbundene Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition des Klägers ist nicht so schwerwiegend, dass zwingend sogleich eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen wäre. Wie ausgeführt, ergibt sich aus der Fachanweisung 1/2013 keine Bindung des Ermessens für den Fall des Ehegattennachzugs im Fall eines bestehenden Rechtsanspruchs auf eine Aufenthaltserlaubnis; dieser Fall ist nach der Verwaltungspraxis von der Fachanweisung nicht erfasst. Auch scheidet ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den in der Fachanweisung 1/2013 geregelten Fällen des Familiennachzugs aus, da es der Beklagten grundsätzlich unbenommen ist, eine etwa erforderliche Gleichbehandlung auf andere Weise, ggf. auch durch eine Änderung ihrer derzeitigen Entscheidungspraxis in Fällen des sonstigen Familiennachzugs, herzustellen.

87

Im Übrigen ist für das Berufungsgericht nicht abschätzbar, ob es über die von der Beklagten herangezogenen hinaus weitere Gründe gibt, trotz des bestehenden Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis den Kläger noch auf das Visumverfahren zu verweisen. Dass es derartige Gründe gibt, welche die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen und zu den persönlichen Belangen des Klägers in ein angemessenes Verhältnis bringen dürfte, ist jedenfalls nicht auszuschließen.

88

Die Beklagte hat daher unter Beachtung der oben dargestellten Rechtsauffassung des Berufungsgerichts über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erneut zu entscheiden und dabei das ihr bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zustehende Ermessen (erneut) auszuüben.

II.

89

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

90

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Rechtssache wegen der höchstrichterlich nicht geklärten und in der Rechtsprechung umstrittenen Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalls im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Fall des Ehegattennachzugs zu einem deutschen Ehepartner grundsätzliche Bedeutung zukommt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,- EUR festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Tilgungsfrist beträgt

1.
fünf Jahrebei Verurteilungen
a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,
b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist,
c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr,
d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist,
g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
1a.
zehn Jahrebei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn
a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt,
b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
2.
zehn Jahrebei Verurteilungen zu
a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen,
b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
d)
(weggefallen)
3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr,
4.
fünfzehn Jahrein allen übrigen Fällen.

(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die

1.
§ 325 über die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses, des Lageberichts, des Konzernabschlusses, des Konzernlageberichts und anderer Unterlagen der Rechnungslegung oder
2.
§ 325a über die Pflicht zur Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen der Hauptniederlassung
nicht befolgen, ist wegen des pflichtwidrigen Unterlassens der rechtzeitigen Offenlegung vom Bundesamt für Justiz (Bundesamt) ein Ordnungsgeldverfahren nach den Absätzen 2 bis 6 durchzuführen; im Fall der Nummer 2 treten die in § 13e Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 genannten angemeldeten Personen, sobald sie angemeldet sind, an die Stelle der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft. Das Ordnungsgeldverfahren kann auch gegen die Kapitalgesellschaft durchgeführt werden, für die die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs die in Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Pflichten zu erfüllen haben. Dem Verfahren steht nicht entgegen, dass eine der Offenlegung vorausgehende Pflicht, insbesondere die Aufstellung des Jahres- oder Konzernabschlusses oder die unverzügliche Erteilung des Prüfauftrags, noch nicht erfüllt ist. Das Ordnungsgeld beträgt mindestens zweitausendfünfhundert und höchstens fünfundzwanzigtausend Euro. Eingenommene Ordnungsgelder fließen dem Bundesamt zu.

(1a) Ist die Kapitalgesellschaft kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d, beträgt das Ordnungsgeld höchstens den höheren der folgenden Beträge:

1.
zehn Millionen Euro,
2.
5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes, den die Kapitalgesellschaft im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, oder
3.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen wirtschaftlichen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.
Wird das Ordnungsgeld einem Mitglied des gesetzlichen Vertretungsorgans der Kapitalgesellschaft angedroht, beträgt das Ordnungsgeld abweichend von Satz 1 höchstens den höheren der folgenden Beträge:
1.
zwei Millionen Euro oder
2.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.

(1b) Gesamtumsatz im Sinne des Absatzes 1a Satz 1 Nummer 2 ist

1.
im Falle von Kapitalgesellschaften, die ihren Jahresabschluss nach den handelsrechtlichen Vorschriften oder dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU aufstellen, der Betrag der Umsatzerlöse nach § 277 Absatz 1 oder der Betrag der Nettoumsatzerlöse nach Maßgabe des auf die Gesellschaft anwendbaren nationalen Rechts im Einklang mit Artikel 2 Nummer 5 der Richtlinie 2013/34/EU,
2.
in allen Fällen, die nicht in Nummer 1 genannt sind, der Betrag der Umsatzerlöse, der sich bei Anwendung der Rechnungslegungsgrundsätze ergibt, die nach dem jeweiligen nationalen Recht für die Aufstellung des Jahresabschlusses der Kapitalgesellschaft gelten.
Handelt es sich bei der Kapitalgesellschaft um ein Mutterunternehmen oder um ein Tochterunternehmen im Sinne von § 290, ist anstelle des Gesamtumsatzes der Kapitalgesellschaft der Gesamtumsatz im Konzernabschluss des Mutterunternehmens maßgeblich, der für den größten Kreis von Unternehmen aufgestellt wird. Ist ein Jahresabschluss oder Konzernabschluss für das maßgebliche Geschäftsjahr nicht verfügbar, ist der Jahres- oder Konzernabschluss für das unmittelbar vorausgehende Geschäftsjahr maßgeblich; ist auch dieser nicht verfügbar, kann der Gesamtumsatz geschätzt werden.

(1c) Soweit dem Bundesamt Ermessen bei der Höhe eines Ordnungsgeldes zusteht, hat es auch frühere Verstöße der betroffenen Person zu berücksichtigen.

(1d) Das Bundesamt unterrichtet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich über jedes Ordnungsgeld, das gemäß Absatz 1 gegen eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264d oder gegen ein Mitglied ihrer Vertretungsorgane festgesetzt wird. Wird gegen eine solche Ordnungsgeldfestsetzung Beschwerde eingelegt, unterrichtet das Bundesamt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über diesen Umstand sowie über den Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

(2) Auf das Verfahren sind die §§ 15 bis 19 Absatz 1 und 3, § 40 Abs. 1, § 388 Abs. 1, § 389 Abs. 3, § 390 Abs. 2 bis 6 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie im Übrigen § 11 Nr. 1 und 2, § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und 3, §§ 14, 15, 20 Abs. 1 und 3, § 21 Abs. 1, §§ 23 und 26 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze entsprechend anzuwenden. Das Ordnungsgeldverfahren ist ein Justizverwaltungsverfahren. Zur Vertretung der Beteiligten sind auch befugt

1.
Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer,
2.
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte,
3.
Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes,
4.
zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie
5.
Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln.

(2a) Die Akten einschließlich der Verfahrensakten in der Zwangsvollstreckung werden elektronisch geführt. Auf die elektronische Aktenführung und die elektronische Kommunikation ist § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten entsprechend anzuwenden, jedoch dessen Satz 1

1.
nicht in Verbindung mit dessen Satz 2 und § 32b der Strafprozessordnung auf
a)
die Androhung eines Ordnungsgeldes nach Absatz 3 Satz 1,
b)
die Kostenentscheidung nach Absatz 3 Satz 2 und
c)
den Erlass von Zwischenverfügungen;
2.
nicht in Verbindung mit den §§ 32d und 32e Absatz 3 Satz 1 und 2 der Strafprozessordnung auf das Verfahren insgesamt sowie
3.
einschließlich dessen Sätze 2 und 3 nicht auf die Beitreibung nach dem Justizbeitreibungsgesetz.
Satz 2 gilt entsprechend auch für Verfügungen im Sinne der Absätze 3 und 4, die automatisiert erlassen werden können.

(3) Den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten ist unter Androhung eines Ordnungsgeldes in bestimmter Höhe aufzugeben, innerhalb einer Frist von sechs Wochen vom Zugang der Androhung an ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Mit der Androhung des Ordnungsgeldes sind den Beteiligten zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Einspruch kann auf Einwendungen gegen die Entscheidung über die Kosten beschränkt werden. Der Einspruch gegen die Androhung des Ordnungsgeldes und gegen die Entscheidung über die Kosten hat keine aufschiebende Wirkung. Führt der Einspruch zu einer Einstellung des Verfahrens, ist zugleich auch die Kostenentscheidung nach Satz 2 aufzuheben.

(4) Wenn die Beteiligten nicht spätestens sechs Wochen nach dem Zugang der Androhung der gesetzlichen Pflicht entsprochen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gerechtfertigt haben, ist das Ordnungsgeld festzusetzen und zugleich die frühere Verfügung unter Androhung eines erneuten Ordnungsgeldes zu wiederholen. Haben die Beteiligten die gesetzliche Pflicht erst nach Ablauf der Sechswochenfrist erfüllt, hat das Bundesamt das Ordnungsgeld wie folgt herabzusetzen:

1.
auf einen Betrag von 500 Euro, wenn die Beteiligten von dem Recht einer Kleinstkapitalgesellschaft nach § 326 Absatz 2 Gebrauch gemacht haben;
2.
auf einen Betrag von 1 000 Euro, wenn es sich um eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 handelt;
3.
auf einen Betrag von 2 500 Euro, wenn ein höheres Ordnungsgeld angedroht worden ist und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 nicht vorliegen, oder
4.
jeweils auf einen geringeren Betrag, wenn die Beteiligten die Sechswochenfrist nur geringfügig überschritten haben.
Bei der Herabsetzung sind nur Umstände zu berücksichtigen, die vor der Entscheidung des Bundesamtes eingetreten sind.

(5) Waren die Beteiligten unverschuldet gehindert, in der Sechswochenfrist nach Absatz 4 Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, hat ihnen das Bundesamt auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist der vertretenen Person zuzurechnen. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist oder fehlerhaft ist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses schriftlich beim Bundesamt zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die versäumte Handlung ist spätestens sechs Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen. Ist innerhalb eines Jahres seit dem Ablauf der Sechswochenfrist nach Absatz 4 weder Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Handlung nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung nicht mehr gewährt werden. Die Wiedereinsetzung ist nicht anfechtbar; § 335a Absatz 3 Satz 4 bleibt unberührt. Haben die Beteiligten Wiedereinsetzung nicht beantragt oder ist die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags bestandskräftig geworden, können sich die Beteiligten mit der Beschwerde nicht mehr darauf berufen, dass sie unverschuldet gehindert waren, in der Sechswochenfrist Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.

(5a) (weggefallen)

(6) Liegen dem Bundesamt in einem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 5 keine Anhaltspunkte über die Einstufung einer Gesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 bis 3 oder des § 267a vor, kann es den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten aufgeben, die Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags (§ 268 Absatz 3), die Umsatzerlöse (§ 277 Absatz 1) und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer (§ 267 Absatz 5) für das betreffende Geschäftsjahr und für diejenigen Geschäftsjahre, die für die Einstufung erforderlich sind, anzugeben. Unterbleiben die Angaben nach Satz 1, so wird für das weitere Verfahren vermutet, dass die Erleichterungen der §§ 326 und 327 nicht in Anspruch genommen werden können. Die Sätze 1 und 2 gelten für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der §§ 267, 326 und 327 der § 293 tritt.

(7) Das Bundesministerium der Justiz kann zur näheren Ausgestaltung der elektronischen Aktenführung und elektronischen Kommunikation nach Absatz 2a in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf,

1.
die Weiterführung von Akten in Papierform gestatten, die bereits vor Einführung der elektronischen Aktenführung in Papierform angelegt wurden,
2.
die organisatorischen und dem Stand der Technik entsprechenden technischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung einschließlich der einzuhaltenden Anforderungen des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Barrierefreiheit festlegen,
3.
die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen dem Bundesamt und einer anderen Behörde oder einem Gericht näher bestimmen,
4.
die Standards für die Einsicht in elektronische Akten vorgeben,
5.
elektronische Formulare einführen und
a)
bestimmen, dass die in den Formularen enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind,
b)
eine Kommunikationsplattform vorgeben, auf der die Formulare im Internet zur Nutzung bereitzustellen sind, und
c)
bestimmen, dass eine Identifikation des Formularverwenders abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a Absatz 3 der Strafprozessordnung durch Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes, § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen kann,
6.
Formanforderungen und weitere Einzelheiten für den automatisierten Erlass von Entscheidungen festlegen,
7.
die Einreichung elektronischer Dokumente, abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a der Strafprozessordnung, erst zum 1. Januar des Jahres 2019 oder 2020 zulassen und
8.
die Weiterführung der Akten in der bisherigen elektronischen Form bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem 1. Januar 2026 gestatten.
Das Bundesministerium der Justiz kann die Ermächtigungen des Satzes 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf das Bundesamt für Justiz übertragen.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

(1) Gegen die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die

1.
§ 325 über die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses, des Lageberichts, des Konzernabschlusses, des Konzernlageberichts und anderer Unterlagen der Rechnungslegung oder
2.
§ 325a über die Pflicht zur Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen der Hauptniederlassung
nicht befolgen, ist wegen des pflichtwidrigen Unterlassens der rechtzeitigen Offenlegung vom Bundesamt für Justiz (Bundesamt) ein Ordnungsgeldverfahren nach den Absätzen 2 bis 6 durchzuführen; im Fall der Nummer 2 treten die in § 13e Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 genannten angemeldeten Personen, sobald sie angemeldet sind, an die Stelle der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Kapitalgesellschaft. Das Ordnungsgeldverfahren kann auch gegen die Kapitalgesellschaft durchgeführt werden, für die die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs die in Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Pflichten zu erfüllen haben. Dem Verfahren steht nicht entgegen, dass eine der Offenlegung vorausgehende Pflicht, insbesondere die Aufstellung des Jahres- oder Konzernabschlusses oder die unverzügliche Erteilung des Prüfauftrags, noch nicht erfüllt ist. Das Ordnungsgeld beträgt mindestens zweitausendfünfhundert und höchstens fünfundzwanzigtausend Euro. Eingenommene Ordnungsgelder fließen dem Bundesamt zu.

(1a) Ist die Kapitalgesellschaft kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d, beträgt das Ordnungsgeld höchstens den höheren der folgenden Beträge:

1.
zehn Millionen Euro,
2.
5 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes, den die Kapitalgesellschaft im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, oder
3.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen wirtschaftlichen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.
Wird das Ordnungsgeld einem Mitglied des gesetzlichen Vertretungsorgans der Kapitalgesellschaft angedroht, beträgt das Ordnungsgeld abweichend von Satz 1 höchstens den höheren der folgenden Beträge:
1.
zwei Millionen Euro oder
2.
das Zweifache des aus der unterlassenen Offenlegung gezogenen Vorteils; der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden.

(1b) Gesamtumsatz im Sinne des Absatzes 1a Satz 1 Nummer 2 ist

1.
im Falle von Kapitalgesellschaften, die ihren Jahresabschluss nach den handelsrechtlichen Vorschriften oder dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Einklang mit der Richtlinie 2013/34/EU aufstellen, der Betrag der Umsatzerlöse nach § 277 Absatz 1 oder der Betrag der Nettoumsatzerlöse nach Maßgabe des auf die Gesellschaft anwendbaren nationalen Rechts im Einklang mit Artikel 2 Nummer 5 der Richtlinie 2013/34/EU,
2.
in allen Fällen, die nicht in Nummer 1 genannt sind, der Betrag der Umsatzerlöse, der sich bei Anwendung der Rechnungslegungsgrundsätze ergibt, die nach dem jeweiligen nationalen Recht für die Aufstellung des Jahresabschlusses der Kapitalgesellschaft gelten.
Handelt es sich bei der Kapitalgesellschaft um ein Mutterunternehmen oder um ein Tochterunternehmen im Sinne von § 290, ist anstelle des Gesamtumsatzes der Kapitalgesellschaft der Gesamtumsatz im Konzernabschluss des Mutterunternehmens maßgeblich, der für den größten Kreis von Unternehmen aufgestellt wird. Ist ein Jahresabschluss oder Konzernabschluss für das maßgebliche Geschäftsjahr nicht verfügbar, ist der Jahres- oder Konzernabschluss für das unmittelbar vorausgehende Geschäftsjahr maßgeblich; ist auch dieser nicht verfügbar, kann der Gesamtumsatz geschätzt werden.

(1c) Soweit dem Bundesamt Ermessen bei der Höhe eines Ordnungsgeldes zusteht, hat es auch frühere Verstöße der betroffenen Person zu berücksichtigen.

(1d) Das Bundesamt unterrichtet die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich über jedes Ordnungsgeld, das gemäß Absatz 1 gegen eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264d oder gegen ein Mitglied ihrer Vertretungsorgane festgesetzt wird. Wird gegen eine solche Ordnungsgeldfestsetzung Beschwerde eingelegt, unterrichtet das Bundesamt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über diesen Umstand sowie über den Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

(2) Auf das Verfahren sind die §§ 15 bis 19 Absatz 1 und 3, § 40 Abs. 1, § 388 Abs. 1, § 389 Abs. 3, § 390 Abs. 2 bis 6 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie im Übrigen § 11 Nr. 1 und 2, § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und 3, §§ 14, 15, 20 Abs. 1 und 3, § 21 Abs. 1, §§ 23 und 26 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze entsprechend anzuwenden. Das Ordnungsgeldverfahren ist ein Justizverwaltungsverfahren. Zur Vertretung der Beteiligten sind auch befugt

1.
Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer,
2.
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte,
3.
Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes,
4.
zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie
5.
Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln.

(2a) Die Akten einschließlich der Verfahrensakten in der Zwangsvollstreckung werden elektronisch geführt. Auf die elektronische Aktenführung und die elektronische Kommunikation ist § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten entsprechend anzuwenden, jedoch dessen Satz 1

1.
nicht in Verbindung mit dessen Satz 2 und § 32b der Strafprozessordnung auf
a)
die Androhung eines Ordnungsgeldes nach Absatz 3 Satz 1,
b)
die Kostenentscheidung nach Absatz 3 Satz 2 und
c)
den Erlass von Zwischenverfügungen;
2.
nicht in Verbindung mit den §§ 32d und 32e Absatz 3 Satz 1 und 2 der Strafprozessordnung auf das Verfahren insgesamt sowie
3.
einschließlich dessen Sätze 2 und 3 nicht auf die Beitreibung nach dem Justizbeitreibungsgesetz.
Satz 2 gilt entsprechend auch für Verfügungen im Sinne der Absätze 3 und 4, die automatisiert erlassen werden können.

(3) Den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten ist unter Androhung eines Ordnungsgeldes in bestimmter Höhe aufzugeben, innerhalb einer Frist von sechs Wochen vom Zugang der Androhung an ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Mit der Androhung des Ordnungsgeldes sind den Beteiligten zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Einspruch kann auf Einwendungen gegen die Entscheidung über die Kosten beschränkt werden. Der Einspruch gegen die Androhung des Ordnungsgeldes und gegen die Entscheidung über die Kosten hat keine aufschiebende Wirkung. Führt der Einspruch zu einer Einstellung des Verfahrens, ist zugleich auch die Kostenentscheidung nach Satz 2 aufzuheben.

(4) Wenn die Beteiligten nicht spätestens sechs Wochen nach dem Zugang der Androhung der gesetzlichen Pflicht entsprochen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gerechtfertigt haben, ist das Ordnungsgeld festzusetzen und zugleich die frühere Verfügung unter Androhung eines erneuten Ordnungsgeldes zu wiederholen. Haben die Beteiligten die gesetzliche Pflicht erst nach Ablauf der Sechswochenfrist erfüllt, hat das Bundesamt das Ordnungsgeld wie folgt herabzusetzen:

1.
auf einen Betrag von 500 Euro, wenn die Beteiligten von dem Recht einer Kleinstkapitalgesellschaft nach § 326 Absatz 2 Gebrauch gemacht haben;
2.
auf einen Betrag von 1 000 Euro, wenn es sich um eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 handelt;
3.
auf einen Betrag von 2 500 Euro, wenn ein höheres Ordnungsgeld angedroht worden ist und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 nicht vorliegen, oder
4.
jeweils auf einen geringeren Betrag, wenn die Beteiligten die Sechswochenfrist nur geringfügig überschritten haben.
Bei der Herabsetzung sind nur Umstände zu berücksichtigen, die vor der Entscheidung des Bundesamtes eingetreten sind.

(5) Waren die Beteiligten unverschuldet gehindert, in der Sechswochenfrist nach Absatz 4 Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, hat ihnen das Bundesamt auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist der vertretenen Person zuzurechnen. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist oder fehlerhaft ist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses schriftlich beim Bundesamt zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die versäumte Handlung ist spätestens sechs Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen. Ist innerhalb eines Jahres seit dem Ablauf der Sechswochenfrist nach Absatz 4 weder Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Handlung nachgeholt worden, kann Wiedereinsetzung nicht mehr gewährt werden. Die Wiedereinsetzung ist nicht anfechtbar; § 335a Absatz 3 Satz 4 bleibt unberührt. Haben die Beteiligten Wiedereinsetzung nicht beantragt oder ist die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags bestandskräftig geworden, können sich die Beteiligten mit der Beschwerde nicht mehr darauf berufen, dass sie unverschuldet gehindert waren, in der Sechswochenfrist Einspruch einzulegen oder ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.

(5a) (weggefallen)

(6) Liegen dem Bundesamt in einem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 5 keine Anhaltspunkte über die Einstufung einer Gesellschaft im Sinne des § 267 Absatz 1 bis 3 oder des § 267a vor, kann es den in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Beteiligten aufgeben, die Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags (§ 268 Absatz 3), die Umsatzerlöse (§ 277 Absatz 1) und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer (§ 267 Absatz 5) für das betreffende Geschäftsjahr und für diejenigen Geschäftsjahre, die für die Einstufung erforderlich sind, anzugeben. Unterbleiben die Angaben nach Satz 1, so wird für das weitere Verfahren vermutet, dass die Erleichterungen der §§ 326 und 327 nicht in Anspruch genommen werden können. Die Sätze 1 und 2 gelten für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der §§ 267, 326 und 327 der § 293 tritt.

(7) Das Bundesministerium der Justiz kann zur näheren Ausgestaltung der elektronischen Aktenführung und elektronischen Kommunikation nach Absatz 2a in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf,

1.
die Weiterführung von Akten in Papierform gestatten, die bereits vor Einführung der elektronischen Aktenführung in Papierform angelegt wurden,
2.
die organisatorischen und dem Stand der Technik entsprechenden technischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung einschließlich der einzuhaltenden Anforderungen des Datenschutzes, der Datensicherheit und der Barrierefreiheit festlegen,
3.
die Standards für die Übermittlung elektronischer Akten zwischen dem Bundesamt und einer anderen Behörde oder einem Gericht näher bestimmen,
4.
die Standards für die Einsicht in elektronische Akten vorgeben,
5.
elektronische Formulare einführen und
a)
bestimmen, dass die in den Formularen enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind,
b)
eine Kommunikationsplattform vorgeben, auf der die Formulare im Internet zur Nutzung bereitzustellen sind, und
c)
bestimmen, dass eine Identifikation des Formularverwenders abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a Absatz 3 der Strafprozessordnung durch Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes, § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen kann,
6.
Formanforderungen und weitere Einzelheiten für den automatisierten Erlass von Entscheidungen festlegen,
7.
die Einreichung elektronischer Dokumente, abweichend von Absatz 2a in Verbindung mit § 110c des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 32a der Strafprozessordnung, erst zum 1. Januar des Jahres 2019 oder 2020 zulassen und
8.
die Weiterführung der Akten in der bisherigen elektronischen Form bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem 1. Januar 2026 gestatten.
Das Bundesministerium der Justiz kann die Ermächtigungen des Satzes 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf das Bundesamt für Justiz übertragen.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2016 - 11 K 276/16 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für die Beschwerdeinstanz auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde (vgl. §§ 146 Abs. 4 Sätze 1 bis 3, 147 Abs. 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Zwar zieht die Beschwerde mit den dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) die angegriffene Entscheidung, mit der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung wiederherzustellen, erfolgreich in Zweifel (I.). Jedoch erweist sich der Beschluss im Ergebnis als zutreffend (II.).
I.
1.) Das Verwaltungsgericht hat u.a. entschieden, dass ein gefahrbegründendes Verhalten - wie die Leitungsfunktion in der „Red Legion“ - nur dann keine gegenwärtige Gefährlichkeit mehr begründe, wenn „äußerlich feststellbare“ Umstände auf eine geänderte „innere Einstellung“ des Betroffenen und auf ein Ausbleiben künftiger gefahrbegründender Handlungen schließen lasse. Dabei stellt es - unter Verweis auf die Entscheidung des Senats vom 16. Mai 2012 (11 S 2328/11, juris) - auf den zu § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. entwickelten Gefahrenmaßstab ab.
Mit der Beschwerde wird hiergegen geltend gemacht, dass § 53 Abs. 3 AufenthG eine individuelle Gefahrenprognose verlange und aus dem früheren Verhalten des Antragstellers nicht automatisch auf eine daher erforderliche gegenwärtige Gefahr geschlossen werden dürfe, weil dieser eine innere Wandlung nicht nachweisen könne.
2.) Mit diesem Vorbringen zieht die Beschwerde den angegriffenen Beschluss der Sache nach erfolgreich in Zweifel, da das Verwaltungsgericht seiner Prüfung, ob eine Gefahr vorliegt, einen falschen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat. Denn der spezielle Maßstab des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. ist nicht auf die Gefahrenprognose bei Vorliegen anderer Ausweisungsinteressen übertragbar. Nichts anderes gilt für den für die Nachfolgervorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geltenden Maßstab (vgl. VGH Bad-.Württ., Urteil vom 02.03.2016 - 11 S 1389/15 -, juris Rn. 62, auch zur Vorgängervorschrift; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45).
Jenseits dieser Vorschriften, die durch einen verschärften Gefahrenmaßstab dem Schutz vor spezifischen Gefahren des Terrorismus dienen und hierdurch ihre Rechtfertigung erfahren, ist die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten (VGH Bad-.Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris Rn. 121, m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG Rn. 5 und § 54 AufenthG Rn. 10; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 28 und § 54 AufenthG Rn. 21).
II.
Ergibt die auf dargelegte Gründe beschränkte Prüfung des Beschwerdegerichts (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht rechtfertigt, hat es umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 -, VBlBW 2013, 384 m.w.N.).
1.) Die umfassende Prüfung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durch den Senat ergibt, dass das Verwaltungsgericht diesen in der Sache zu Recht abgelehnt hat. Die vom Senat zu treffende umfassende Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers fällt zu dessen Lasten aus. Der Klage gegen die Ausweisungsverfügung und die Abschiebungsandrohung kommen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 und vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230 Rn. 16) keine Erfolgsaussichten zu (dazu unten (2. ff.). Darüber hinaus liegt auch das erforderliche besondere Vollzugsinteresse vor, das den Vollzug der Ausweisungsverfügung vor Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren rechtfertigt (dazu unten (7.).
2.) Die Ausweisung des Antragstellers erweist sich nach dem aktuellen Sach- und Streitstand aus den vom Antragsgegner dargelegten und in tatsächlicher Hinsicht überwiegend unbestritten gebliebenen Umständen, denen entgegen der Auffassung der Beschwerde auch Beweiskraft zukommt, ebenso als voraussichtlich rechtmäßig wie die Anordnung des Sofortvollzugs, dessen Anordnung in der Verfügung vom 18. Dezember 2015 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet wurde.
Der Antragsteller rügt ohne Erfolg, ihm sei eine Funktion als Leiter eines verbotenen Vereins nicht nachgewiesen worden, ebenso wenig die Fortsetzung der Aktivitäten der Gruppierung nach deren Verbot unter seiner Beteiligung und demzufolge auch keine von ihm aktuell ausgehende Gefahr, da die zu Grunde gelegte Tatsachenbasis für eine solche Bewertung nicht ausreichend sei. Nachweise zu den Erkenntnissen von LKA und Polizei für deren Behauptungen fehlten. Nachgewiesen sei nur, „dass dieser auf einer handschriftlichen Liste im Kopf stand“. Die Gestaltung eines Logos verlange nicht unbedingt besondere Führungsqualitäten.
10 
Der Antragsteller verkennt hierbei zunächst, dass § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht an eine strafgerichtliche Verurteilung und dort getroffene Feststellungen anknüpft, sondern eine eigenständige verwaltungsgerichtliche Feststellung und Bewertung der den Fall prägenden Umstände im Rahmen der das verwaltungsgerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes prägenden Maßstäbe für die Überzeugungsbildung verlangt (§ 122 i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Davon ausgehend bestehen aufgrund des aktuellen Sach- und Streitstands für den Senat aufgrund der sich aus der Akte ergebenden und auch nachgewiesenen Umstände keine vernünftigen Zweifel daran, dass eine ausreichende Tatsachengrundlage vorliegt, die sowohl die Ausweisungsverfügung nebst Abschiebungsandrohung als auch die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigt.
11 
Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann den in Bezug genommenen Polizeiberichten der Beweiswert nicht pauschal abgesprochen werden und es ist zu beachten, dass hier eine Vielzahl von übereinstimmenden Erkenntnissen aus verschiedenen Quellen vorliegen, die in der Summe die Bewertung des Sachverhalts durch den Antragsgegner bestätigen.
12 
Daher verhilft es der Beschwerde auch nicht zum Erfolg, wenn sie darauf abstellt, dass das Verwaltungsgericht sich zur Begründung einer Fortsetzung der Aktivitäten der Gruppierung auf zitierte Zeitungsartikel gestützt habe, deren Erkenntniswert zweifelhaft sei, da nicht ersichtlich werde, auf welche Fakten diese gestützt würden. Im Ansatz wird damit zurecht darauf abgestellt, dass eine einzig auf Zeitungsberichte gestützte Überzeugungsbildung aus den ausgeführten Gründen Bedenken begegnen kann, wobei es jedoch stets auf den jeweiligen Inhalt der Erkenntnisquelle ankommt. Auch hätten diese vom Verwaltungsgericht verwendeten Erkenntnismittel, die sich auf keine allgemeinkundigen Tatsachen beziehen (vgl. zur Frage, ob bei solchen rechtliche Gehör zu gewähren ist: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 16.05.1989 - 1 BvR 705/88 -, NJW 1990, 1783 und vom 13.03.1993 - 2 BvR 1988/92 -, InfAuslR 1993, 229) zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß § 108 Abs. 2 VwGO zuvor in das Verfahren eingeführt werden müssen, um dem Antragsteller vor der gerichtlichen Entscheidung Gelegenheit zur Auseinandersetzung damit zu geben (vgl. hierzu Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., 2014, § 108 VwGO Rn. 26), was hier offensichtlich nicht geschehen ist. Darauf kommt es mit Blick auf die die angegriffenen Verfügungen tragenden Gründe jedoch im Ergebnis nicht an. Denn die Beschwerde setzt sich mit den die Verfügungen tragenden Tatsachen schon nicht ausreichend auseinander sondern beschränkt sich darauf, diese nur punktuell in Abrede zu stellen und in pauschaler Weise deren Bewertung anzuzweifeln, ohne dass hierfür überzeugende Argumente vorgebracht würden.
13 
3.) Im Einzelnen: Die Ausweisungsverfügung - ursprünglich nach § 54 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG a. F. - ist nunmehr auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen.
14 
a) Die Rüge, es sei fehlerhaft § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG als Ausgangspunkt der Prüfung herangezogen worden, obwohl diese Vorschrift wegen § 53 Abs. 3 AufenthG nicht anwendbar sei, greift nicht durch.
15 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2016 - 11 S 1389/15 -, juris Rn. 29). Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
16 
Es ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich bei aktuellem Sach- und Streitstand unter Zugrundlegung der Rechtsauffassung des Antragstellers Erfolgsaussichten der Klage gegen die Ausweisungsverfügung ergeben könnten, wenn § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG unbeachtet bliebe, da auch die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorliegend erfüllt sind (dazu unten (d)).
17 
b) Der Antragsgegner führt in seiner Ausweisungsverfügung (S. 19 ff.) unter anderem folgendes aus:
18 
„….2. Sie werden gemäß § 54 Nr. 7 AufenthG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, da Sie Führungsperson der bestandskräftig verbotenen „Red Legion“ sind. Gemäß § 54 Nr. 7 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Der Verein „Red Legion“ wurde mit Verfügung des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 22.05.2013 verboten, da sein Zweck und seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Die Verbotsverfügung ist seit dem 15.07.2013 unanfechtbar. Sie waren auch Leiter dieses Vereins, da Sie im Führungskreis der „Red Legion“ waren, also zu den Führungspersonen der „Red-Legion“ gehörten. Dies ergibt sich bereits aus der Aussage des Vize-Präsidenten der „Red Legion“ - ... - am 26.09.2012 vor dem LG Stuttgart im Verfahren ..., wo er Ihre Führungseigenschaft bei der „Red Legion“ bestätigt hat. Er hat damals gesagt, dass die „Jüngeren“ der „Red Legion“ auf Sie, Herrn ..., Herrn ... und Herrn ... hören sollten. Nach den Feststellungen des IM war Herr ... Präsident der „Red Legion“, Herr ... war verantwortlich für die Finanzen und Herr ... der Vize-Präsident. Sie selbst waren danach im erweiterten Führungskreis der „Red Legion“. Ihre Führungsrolle wird durch die Ermittlungen des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg und der Polizeipräsidien Stuttgart und Ludwigsburg bestätigt. So wurden bei der bei Ihnen durchgeführten Wohnungsdurchsuchung am 21.02.2012 Dokumente aufgefunden über Regeln und Strukturen von Rockergruppen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 14.03.2013 konnten zudem Dokumente mit eindeutigem Bezug zur Red Legion aufgefunden werden. Dabei hat es sich um eine Mitgliederliste sowie um Listen mit Funktionen innerhalb der „Red Legion“ sowie um Listen mit Mitgliedsbeiträgen gehandelt. Auf der Mitgliederliste, auf der auch Funktionen vermerkt sind, sind Sie auf der Ebene der Führung aufgeführt. Auch diese Dokumente bestätigen, dass Sie eine führende Rolle innerhalb der Vereinigung eingenommen haben. Im Sommer 2013 haben Sie sich im Rahmen einer Gefährderansprache gegenüber der Polizei als Ansprechpartner für die Gründung eines Chapters der „Mongols MC“ zu erkennen gegeben. Zusammen mit ..., dem Präsidenten der Red Legion. Auch im Rahmen des gegen Sie geführten Ermittlungsverfahrens wegen Mordes konnte durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt werden, dass Sie zum engeren Führungskreise der „Red Legion“ um ... Aygün gehörten, und enger telefonischer Kontakt zwischen den unmittelbaren Tätern des Mordes in Esslingen und der Führungsebene der „Red Legion“ in Person von Ihnen bestand.
19 
Auch nachdem der Verein „Red Legion“ verboten wurde, haben Sie eine Führungsfunktion bei den Nachfolgevereinen „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ eingenommen. Dies ergibt sich aus dem Bericht des LKA vom 20.04.2015. Dort wird ausgeführt, dass Sie bei mehreren Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der „Red Legion“ als Führungsperson von Gruppierungen der „Red Legion“ festgestellt werden konnten. Auch bei verschiedenen Gelegenheiten, bei denen die „Red Legion“ bzw. deren Nachfolgevereinigungen öffentlich in Erscheinung getreten sind, konnten Sie festgestellt werden. So waren Sie am 27.07.2013 nachweislich an einer Auseinandersetzung zwischen der „Red Legion“ und den „Hells Angels“ beteiligt. Ein gegen Sie geführtes Ermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs musste nur deshalb eingestellt werden, da es nicht möglich war – aufgrund der Unübersichtlichkeit des Tatgeschehens – Ihnen einzelne Tathandlungen eindeutig zuzuordnen. Am 29.03.2015 konnten Sie bei einer Machtdemonstration der „Red Legion“ erneut festgestellt werden, Ihnen musste zweimal ein Platzverweis erteilt werden. Dabei ist auch anzumerken, dass Sie bei dieser Machtdemonstration ein Messer bei sich trugen. Am 19.03.2015 waren Sie mit mehreren Mitgliedern der „Red Legion“ zu einer Solidaritätsbekundung in Lörrach an der dortigen JVA.
20 
Der Tatbestand des § 54 Nr. 7 AufenthG ist damit erfüllt, eine Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall liegt nicht vor. Dabei ist einerseits auf die von der „Red Legion“, „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ ausgehenden Gefahren abzustellen. Wobei zunächst auf die Vielzahl und Schwere der festgestellten Vorfälle und Straftaten im Zusammenhang mit der „Red Legion“ zu verweisen ist. Dabei handelt es sich um schwere, aber auch schwerste Straftaten gegen zum Teil höchste Rechtsgüter. Aber auch um solche Taten und Verhaltensweisen, die eine Missachtung und Untergrabung des staatlichen Gewaltmonopols zum Ausdruck bringen. Das IM hat hierzu in der Verbotsverfügung festgestellt: „Ziel der Red Legion ist es, in dem von ihm beanspruchten Gebiet konkurrierende Gruppierungen zu verdrängen bzw. zu verhindern, dass solche dort Fuß fassen können. Hierbei schreckt der Verein nicht vor illegalen Mitteln zurück, insbesondere der Anwendung von Gewalt. Die Szene der rockerähnlichen Gruppierungen ist von einem hohen Bedrohungs- und Gewaltpotential gekennzeichnet. Auf Grund des Expansionsbestrebens der Gruppierungen kommt es innerhalb der Szene zu Machtkämpfen um Hoheitsgebiete, zu Racheakten und Vergeltungsschlägen, in deren Zusammenhang von ihren Mitgliedern schwere Straftaten begangen werden.“ Insbesondere aber auch das Auftreten der Gruppierung, das von hoher Aggressivität gekennzeichnet ist und bei dem auch unbeteiligten Teilen der Bevölkerung massiv Angst eingejagt wird, lässt gerade ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung nicht zu. Dabei ist auch festzuhalten, dass bei den von der „Red Legion“ und ihren Nachfolgeorganisationen durchgeführten Aktionen auch immer wieder Waffen zum Einsatz gebracht werden. In unzähligen Wohnungsdurchsuchungen wurden bei verschiedenen Mitgliedern der Gruppierung – unter anderem auch bei Ihnen – Waffen aufgefunden. Wobei auch anzumerken ist, dass Sie ohnehin bereits mehrfach mit Waffen auffällig geworden sind. Hinzu kommt hier auch Ihre eigene Einbindung in die Führungsstruktur dieser Vereinigung und die von Ihnen persönlich ausgehenden Gefahren. Sie haben mit der Ihnen als einem der Leiter der Vereinigung eingeräumten Verantwortung dafür Sorge getragen, dass die „Red Legion“ zu der Vereinigung wurde – mit allen Gefahren und Konsequenzen die sich daraus ergeben - die die „Red Legion“ nunmehr ist. Ihre Führungsfunktion wurde bereits ausgeführt. Zu ergänzen bleibt jedoch, dass Sie auch selbst im Zusammenhang mit der „Red Legion“ strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Sie weisen darüber hinaus auch ohnehin ein von hoher Aggressivität geprägtes Verhalten auf. Insbesondere auch gegenüber staatlicher Autorität sind Sie in der Vergangenheit immer wieder in dieser Weise auffällig geworden. Damit verkörpern Sie aber auch geradezu die Rolle, die die „Red Legion“ ihren Mitgliedern zudenkt und deren Leitbild, nämlich die Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols. In keinem Fall ist aufgrund Ihrer Rolle innerhalb der „Red Legion“ und deren Nachfolgeorganisationen ein absehen vom Regelfall geboten. …“
21 
S. 22 ff.:
22 
„…Bei Ihnen ist von einer fortbestehenden hohen Gefährlichkeit auszugehen. Die von Ihnen mitgeleitete Gruppierung „Red Legion“ hat nicht nur eine erhebliches Gefährdungspotential an den Tag gelegt, die von dieser Gruppierung ausgehenden Gefahren haben sich auch mehrfach realisiert. Es kam zu ganz erheblichen Straftaten, die durch Mitglieder der Gruppierung begangen wurden und der Gruppierung insgesamt zurechenbar waren. Letztlich kam es sogar zu Tötungsdelikten.
23 
Sie selbst waren nicht nur Leiter des Vereins, wie bereits ausgeführt wurde, und haben bereits deshalb die von der Vereinigung ausgehenden Gefahren mitgetragen. Sie haben auch selbst Straftaten im Zusammenhang mit der Red Legion begangen und damit aktiv, und nicht nur als Leiter der Vereinigung, dazu beigetragen, dass es zu einem Schadenseintritt kommt.
24 
Hinzu kommt, dass die Red Legion zwar mit Verfügung vom 22.05.2013 verboten wurde. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass sich die Vereinigung unter neuem Namen, nämlich „Stuttgarter Kurde und „Sondame“ weiter betätigt hat und auch noch betätigt. Dies ergibt sich aus dem Bericht des LKA vom 20.04.2015. Dort führt das LKA deutlich auf, dass die Gruppierung „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ aufgrund Personengleichheit der Mitglieder, der Verwendung ähnlicher Logos, die Sympathiebekundungen für inhaftierte Mitglieder der Red Legion sowie der Verstöße gegen das Vereinsgesetz durch Mitglieder der neuen Gruppierung, ein Fortbestand der Red Legion unter anderem Namen angenommen werden muss.
25 
Zwar ist im Rahmen der Beurteilung der von Ihnen ausgehenden Gefahren zunächst zu berücksichtigen, dass die Strafvollstreckungskammer des LG Tübingen mit Beschluss vom 15.08.2014 das letzte Drittel der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des AG Stuttgart vom 20.09.2013 zur Bewährung ausgesetzt hat. Das LG Tübingen hat eine positive legal- und Sozialprognose getroffen, da Sie begonnen hätten, an Ihrer Gewaltproblematik zu arbeiten und Ihr Vollzugsverhalten positiv war. Schon an der Gültigkeit dieser Einschätzung für den jetzigen Zeitpunkt kann man Zweifel haben. Sie haben gerade durch Ihre weiteren Verbindungen zur „Red Legion“ und deren Nachfolgeorganisationen gezeigt, dass Sie an frühere Verhaltensmuster anknüpfen wollen. Auch ob Sie in ausreichendem Maße an Ihrer Gewaltproblematik gearbeitet haben ist mehr als zweifelhaft, bedenkt man, dass Sie bei der Machtdemonstration der „Red Legion“ in der Stuttgarter Innenstadt – bei der durchaus die Gefahr einer Auseinandersetzung mit den „United Tribuns“ bestand – ein Messer bei sich trugen.
26 
Unabhängig davon ist aber darauf abzustellen, dass die durch § 54 Nr. 7 AufenthG bekämpften Gefahren nicht deckungsgleich mit den durch das Strafrecht verfolgten Zielen sind. Hintergrund des § 54 Nr. 7 AufenthG ist einerseits die Bekämpfung der von bestimmten Vereinigungen ausgehenden Gefahren – was gleichsam durch das Verbot und den hieraus folgenden vereinsrechtlichen Konsequenzen geschieht - andererseits aber auch durch die Zerschlagung verbliebener Strukturen, wie hier etwa die Leitungsfunktionen. Durch eine Ausweisung und daran anknüpfende Aufenthaltsbeendigung wird der (verbotene) Verein seiner Handlungsfähigkeit mangels Führung beraubt. Dementsprechend ist der Ausweisungszweck als Konsequenz aus dem Vereinsverbot zu begreifen (so Graßhof in Kluth/Heusch Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht 7. Ed. Stand 01.01.2015, § 54 AufenthG Rn. 35). Es soll verhindert werden – auch wenn der Verein aufgrund des Verbots (zumindest rechtlich) nicht mehr existiert – dass sich Strukturen oder Nachfolgeorganisationen erhalten und an die von dem ursprüngliche existenten nun aber verbotenen Verein ausgehenden Gefahren anknüpfen. Mit dieser Sichtweise wäre also, unabhängig von der durch das LG Tübingen angenommenen hinreichend positiven Prognose, hier kein atypischer Fall anzunehmen. Hier ist insbesondere auch zu sehen, dass indem Sie den Nachfolgeorganisationen der „Red Legion“ wiederum zur Verfügung gestanden sind, gerade die Handlungsweise an den Tag gelegt haben, die der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 54 Nr. 7 AufenthG bekämpfen wollte.
27 
Andererseits ist aber Sinn und Zweck des § 54 Nr. 7 AufenthG auch darin zu sehen, dass der Leiter eines verbotenen Vereins, der durch seine Führungsfunktion die von der Vereinigung ausgehenden Gefahren mitverantwortet und mitverursacht – und dadurch in sich selbst eine Gefahr verkörpert – wiederum die Gelegenheit erhält, diese Gefahren durch die Einbindung in einer Nachfolgeorganisation oder einer neuen Vereinigung einzubringen oder gar realisieren zu lassen. Dass von Ihnen in diesem Sinne keine Gefahren mehr ausgehen ist nicht ersichtlich. Insbesondere spielt es auch keine Rolle, ob Sie sich von der „Red Legion“ distanziert haben oder nicht. Denn dies kann bereits nicht dazu führen, dass von Ihnen keine Gefahren – im Sinne des § 54 Nr. 7 AufenthG - mehr ausgehen. Der Tatbestand des § 54 Nr. 7 AufenthG setzt gerade voraus, dass eine Vereinigung verboten wurde, also nicht mehr existiert. Vielmehr ist Zweck der Vorschrift, wie oben bereits ausgeführt, zu verhindern, dass sich die von Ihnen ausgehenden Gefahren, die sich durch Ihre Leiterfunktion in der verbotenen Vereinigung und dem damit einhergehenden Schaden bereits gezeigt haben, nicht nochmals realisieren können. Dies ist aber bei Ihnen zu befürchten. Wie bereits ausgeführt, hat sich aus der Vereinigung „Red Legion“ mittlerweile die Gruppierung „Stuttgarter Kurden“ bzw. „Sondame“ gebildet. Auch Sie sind in diesem Zusammenhang weiterhin aufgefallen. Im Rahmen einer Gefährderansprache bei der Gründung eines Chapters des „Mongols MC“ im Jahr 2013 haben Sie sich als Ansprechpartner zu erkennen gegeben, zusammen mit ... dem Präsidenten der „Red Legion“. Am 27.07.2013 waren Sie bei einer Auseinandersetzung zwischen der „Red Legion“ und den „Hells Angels“ involviert. Bei der Urteilsverkündung in einem Strafverfahren gegen Mitglieder der „Red Legion“ am 03.02.2015 waren Sie im Gerichtssaal zugegen und konnten als Führungsperson einer ganzen Gruppe von „Red Legion“-Anhängern identifiziert werden. Am 19.03.2015 waren Sie bei einer Solidaritätskundgebung an der JVA Lörrach, zusammen mit anderen Führungskadern der „Red Legion“, wo auch Pyrotechnik über die Mauern der JVA abgefeuert wurde. Am 29.03.2015, als in der Stuttgarter Innenstadt eine Machtdemonstration der „Red Legion“ bzw. „Sondame“ stattfand, waren Sie anwesend. Ihnen mussten zwei Platzverweise erteilt werden, bei Ihnen wurde ein Messer festgestellt. Zusammengefasst kann, aufgrund der weiterhin von Ihnen ausgehenden Gefahren – unter Berücksichtigung der Schwere dieser Gefahren – unter keinen Umständen ein Abweichen von der gesetzlichen Regel angenommen werden.
28 
Hier sei auch noch auf Ihr Vorbringen eingegangen, dass Sie keinerlei Verbindungen mehr zur „Red Legion“ oder „Sondame“ hätten, dass Sie auch keine Verbindungen oder Kontakte mehr zu irgendwelchen anderen Gruppierungen oder „MCs“ oder zu Personen aus diesem Umfeld haben. Unabhängig davon, dass dies nach den oben gemachten Ausführungen keine Rolle spielt, ist dies für das Regierungspräsidium nicht mehr glaubhaft, bzw. eine reine Schutzbehauptung und rein taktisch motiviert. Zu diesem Ergebnis kommt das Regierungspräsidium insbesondere deshalb, da Sie in der Vergangenheit mehrfach der „Red Legion“ abgeschworen, bzw. Ihre Verbindungen bewusst abgestritten haben, wenn Sie sich hieraus Vorteile versprochen haben.
29 
- So ergibt sich aus Ihrer Gefangenenpersonalakte, dass Sie gegenüber Bediensteten der JVA mehrfach geäußert haben, Sie hätten mit der „Red Legion“ nichts mehr zu tun. In einer Aktennotiz vom 06.02.2014 wird über Ihre Äußerungen berichtet: „..wenn es so sei, dass man ihm Kontakte zu Menschen aus der Rockerszene vorwerfe, dann sei dies nicht in Ordnung. Er sei im Jahr 2011 bei den „Red Legion“ ausgetreten, also noch bevor sie verboten wurden, verfolge die Ziele der Gruppierung nicht. …“
30 
Dies war nachweislich eine Lüge, denn bereits zwischen 2011 und Ihrer Inhaftierung waren Sie mehrfach mit der „Red Legion“ aktiv: Am 15.01.2012 waren Sie maßgeblich an dem Vorfall am Café „Zeitlos“ beteiligt. Am 21.12.2012 waren Sie, als die Tötungsdelikte in Esslingen begangen wurden, mit den anderen Führungskadern der „Red Legion“ in Heilbronn und hielten telefonischen Kontakt zu den unmittelbaren Tätern in Esslingen. Am 26./27.07.2013 waren Sie an der Auseinandersetzung mit den „Hells Angels“ beteiligt.
31 
Selbst wenn Sie gesagt hätten, dass Sie seit Ihrer Inhaftierung keine Kontakte mehr zur „Red Legion“ unterhalten würden, wäre dies nachweislich falsch. Denn Sie wurden in der Haft von vielen Mitgliedern der verbotenen „Red Legion“ besucht, wie sich aus den Besuchslisten der JVA ergibt. Nach Ihrer Haftentlassung hat sich Ihre gegenüber den Bediensteten gemachte Behauptung, dass Sie keine Kontakte mehr zur „Red Legion“ hätten, ohnehin überholt. Hier kann auf den bereits mehrfach zitierten Bericht des LKA verwiesen werden.
32 
- Mit Schreiben vom 27.01.2015 hat dann Ihre Bevollmächtigte für Sie vorgetragen: „…Diese Haftzeit hat ihn nachhaltig beeindruckt. Der Mandant hatte Gelegenheit, sich mit seinem Verhalten in der Vergangenheit kritisch auseinanderzusetzen. Rückblickend erkennt er, dass sein von Aggression getriebenes Verhalten falsch war. […] Herr ... gehört nicht, wie in dem Schreiben vom 24.09.2014 ausgeführt ist, zum Führungskreis der Red Legion…“. Auch diesen Vortrag Ihrer Bevollmächtigten haben Sie durch Ihr unmittelbar folgendes Verhalten widerlegt. Am 19.03.2015 und 29.03.2015 waren Sie erneut für die „Red Legion“ aktiv (s.o.), am 29.03.2015 hatten Sie sogar eine Waffe mit sich geführt. …“
33 
c) Der Antragsgegner folgert die Leitungsfunktion des Antragstellers, die Fortsetzung der Aktivitäten der Gruppe trotz deren Verbots - und unter maßgeblicher Beteiligung des Antragstellers - sowie seine daraus abzuleitende gegenwärtige Gefährlichkeit demzufolge aus zahlreichen Erkenntnissen, die den Senat überzeugen.
34 
Dass der Antragsteller innerhalb der Gruppierung eine Rolle innehatte, die über die bloße Mitgliedschaft deutlich hinausging und ihn Kraft seiner in der Gruppe anerkannten Autorität zu einer führenden Person der „Red Legion“ im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG machte (vgl. zum Maßstab: BVerwG, Beschluss vom 06.09.1995 - 1 Vr 2/95 -, NVwZ 1997, 68; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 42; Beichel-Benedetti, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 12), kann angesichts der Erkenntnislage ebenso wenig in Zweifel stehen wie der Umstand, dass der Antragsteller auch nach dem Vereinsverbot und entgegen seiner Beteuerungen die Aktivitäten der Gruppe fortgesetzt hat, weswegen von ihm auch gegenwärtige eine erhebliche Gefahr ausgeht.
35 
Zur Abrundung dieser Bewertung ist den in der Ausweisungsverfügung aufgeführten Erkenntnissen lediglich noch die in der Akte des Antragsgegners befindliche Aussage eines Polizeibeamten im Zusammenhang mit einer drohenden Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der ehemaligen „Red Legion“ und den „Hells Angels“ am 27. Juli 2013 in Stuttgart-Mitte hinzuzufügen (Verfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart ..., Bl. 69 ff. der Behördenakte): Im Zuge einer Lichtbildvorlage am 18. Dezember 2013 identifizierte ein eingesetzter Polizeibeamter den Antragsteller und gab zu Protokoll, dass dieser im PG (Polizeigewahrsam) Stress gemacht habe, augenscheinlich für die Gruppe zuständig gewesen sei, er einen „Chef“ von der Polizei als Ansprechpartner gesucht und anderen Anweisungen gegeben habe. Die Schilderung des Verhaltens des Antragstellers deckt sich mit den Beobachtungen der Polizei im Zusammenhang mit dem in der angegriffenen Verfügung geschilderten Auftritt ehemaliger Mitglieder der „Red Legion“ bei einer Urteilsverkündung des Landgerichts Stuttgart und bestätigt damit erneut, dass auch dieser selbst seine Rolle als bestimmendes Mitglied der Gruppierung auch nach deren Verbot wahrgenommen hat.
36 
Wenn vor diesem breiten Erkenntnishintergrund mit der Beschwerde die Bedeutung der Aussagen zum Verhältnis der „Älteren“ zu den „Jüngeren“ als fraglich dargestellt wird, kann dies den Senat nicht überzeugen, zumal die Aussage des ehemaligen Präsidenten vom 26. September 2012 vor dem Landgericht Stuttgart im Verfahren ..., in dem dieser angab, dass die „Jüngeren“ auf die „Älteren“, auch auf den Antragsteller hörten, vom Antragsteller ausweislich der Feststellungen des Landgerichts Stuttgart in seinem Urteil vom 10. Oktober 2012 in diesem Verfahren bestätigt wurde.
37 
Nichts anderes gilt, soweit es die Beschwerde für zweifelhaft hält, dass der Antragsteller und weitere Mitglieder der „Red Legion“ auch nach deren Verbot weiter gemeinsame Machtdemonstrationen durchgeführt haben und gewalttätig aufgetreten sind, ohne sich zu den zahlreichen polizeilichen Erkenntnissen hierzu zu erklären oder sich mit diesen auseinanderzusetzen.
38 
In der Beschwerde wird etwa auch nicht bestritten, dass der Antragsteller am 20. Oktober 2014 - und damit nach Verbot der „Red Legion“ - eine Fahrt früherer Mitglieder der Gruppierung zur JVA Rottweil organisiert hat. Dieser Umstand wird zudem durch die Erkenntnisse einer Telefonüberwachung belegt (TKÜ-Auswertung „...“ vom 23. Juli 2015). Mit Blick auf ein weiteres gleichartiges Auftreten vor der JVA Lörrach am 19. März 2015, bei dem Feuerwerkskörper abgebrannt wurden, hat der Antragsteller zwar seine Beteiligung im erstinstanzlichen Verfahren (noch) bestritten - ohne auch nur ansatzweise zu erklären und glaubhaft zu machen, wo er sich statt dessen aufgehalten hat - und er behauptet, er sei auf der zur Akte gereichten Videoaufnahme (Datei 17.avi, bei Minute 3:28) nicht zu erkennen, die dort zu sehende Person habe nur eine ähnliche Statur. Nach Inaugenscheinnahme der Videosequenz durch den Senat und Vergleich mit den in der Akte befindlichen Lichtbildern des Antragstellers - die Übereinstimmung der Personen ist frappierend - fällt es dem Senat schwer, dem schlichten Bestreiten Glauben zu schenken. Wie, wenn nicht als eine den Gruppenzusammenhalt stärkende Machtdemonstration, ein solches Auftreten ehemaliger Mitglieder bewertet werden sollte, zeigt die Beschwerde schon im Ansatz nicht auf. Eine andere Bewertung liegt für den Senat auch fern.
39 
Im Übrigen schweigt sich die Beschwerde zu den zahlreichen für eine Fortsetzung von Gruppenaktivitäten sprechenden Tatsachenschilderungen nach dem Vereinsverbot schlicht aus. Aus welchen konkreten Umständen sich unter Berücksichtigung der umfassenden und größtenteils nicht in Abrede gestellten Geschehnisse ernsthafte Zweifel an der Fortsetzung der Aktivitäten der verbotenen Gruppierung unter aktiver Beteiligung des Antragstellers als Führungsfigur ergeben sollten, ist für den Senat davon ausgehend nicht erkennbar.
40 
d) Soweit der Antragsteller meint, die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 AufenthG lägen hier nicht vor, da vom Antragsteller keine gegenwärtige Gefahr im Sinne dieser Vorschrift mehr ausgehe, überzeugt dies vor diesem Hintergrund und auch angesichts seiner zahlreichen, erheblichen und teilweise im Zusammenhang mit den „Red Legion“ verübten Straftaten nicht.
41 
Die Ausweisungsverfügung wird auf eine umfassende Gefahrenprognose unter Berücksichtigung sämtlicher erkennbarer Umstände des Falles gestützt, auf deren Grundlage auch der Senat bei der notwendigen wertenden Gesamtbetrachtung zu der Einschätzung gelangt, dass vom Antragsteller auch gegenwärtig eine erhebliche Gefahr ausgeht.
42 
Mit Blick hierauf erweist sich die frühere (positive) Sozialprognose aufgrund der unzutreffenden Annahme, der Antragsteller habe sich von den „Red Legion“ distanziert, als nicht haltbar. Auch die vom Antragsteller vorgelegte Therapiebescheinigung ist nicht geeignet, den Wegfall einer fortwirkende Gefahr zu begründen, nachdem diese, unbeschadet ihrer inhaltlichen Vagheit, von einer tatsächlich nicht festzustellenden veränderten Einstellung des Antragstellers und einem tatsächlich nicht erfolgten Abstandnehmen von seiner früheren Rolle bei den „Red Legion“ ausgeht.
43 
Zusammenfassend bestehen für den Senat daher keine Zweifel daran, dass der Antragsteller selbst durch sein fortgeführtes Handeln Gründe für die Annahme eines weiterhin bestehenden hohen Sicherheitsrisikos gesetzt hat. Mögen die ehemaligen Mitglieder der „Red Legion“ nach deren Verbot auch nicht mehr unter deren Namen auftreten, so spricht doch alles dafür, dass die tatsächlichen Machtverhältnisse bei diesen Personen weiterhin bestehen und der Antragsteller sich mitnichten hiervon distanziert hat. Die aus der Akte zu entnehmenden aktuellen Erkenntnisse über fortgesetzte Aufmärsche, Gewalttaten und Ankündigungen hierzu in „sozialen“ Netzwerken machen bei verständiger Würdigung auch deutlich, dass alleine durch das Vereinsverbot diese Gefahren nicht gebannt sind. Eine nennenswerte und daher in vorliegendem Kontext möglicherweise relevante Verringerung der vom Antragsteller auch aktuell ausgehenden Gefahr kann der Senat angesichts dessen nicht erkennen. Das in der Ausweisungsverfügung in Bezug genommene Strafverfahren wegen des Tötungsdelikts in Esslingen macht im Übrigen deutlich, dass die von einer grundsätzlich gewaltbereiten Gruppierung ausgehenden Gefahren auch dann hoch sind, wenn der Einsatz von Waffen im konkreten Einzelfall nicht allen an einer Auseinandersetzung beteiligten Gruppenmitgliedern strafrechtlich zugerechnet werden kann.
44 
4.) Diese Gefahr genügt auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der im Falle des Besitzes einer assoziationsrechtlichen Rechtsstellung eine Ausweisung nur zulässt, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses "unerlässlich" ist (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 -; BVerwG, Urteile vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, InfAuslR 2013, 169 und vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 -, InfAuslR 2013, 217; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, juris Rn. 64 ff.). In Anbetracht des differenzierten, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkten Grads der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (BVerwG, Urteile vom 15.01.2013 - 1 C 10.12 -, juris und vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3) liegt eine fortwirkenden hohe Gefährlichkeit des Antragstellers in Bezug auf hochrangige Rechtsgüter vor.
45 
5.) Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen die aus Art. 13 ARB 1/80 folgende Stand-Still-Klausel, da hier eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Rede steht, die auch schon nach dem 1965 geltenden Ausländergesetz ohne Weiteres einen Ausweisungsgrund darstellte. Die Leitung eines Vereins, der in Tötungsdelikten, gefährliche Körperverletzungen und schweren Landfriedensbruch verstrickt ist, stellt eine solche Gefahr dar. Unbeschadet dessen wäre eine unterstellte Gesetzesverschärfung auch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, DVBl 2016, 387 ff.).
46 
6.) Davon ausgehend begegnet die Ausweisungsverfügung auch mit Blick auf die Feststellung und Bewertung seines Bleibeinteresses und der Abwägung der widerstreitenden Interessen keinen Bedenken, was mit der Beschwerde auch nicht geltend gemacht wird.
47 
7.) Nach all dem bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die für die Begründung eines besonderen Sofortvollzugsinteresses notwendigen Voraussetzungen vorliegen, da vom Antragsteller weiterhin eine erhebliche und aktuelle Gefahr ausgeht, die sich schon vor rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache realisieren kann, hinter die das Aufschubinteresse des Antragstellers zurückzutreten hat.
48 
Der Sofortvollzug einer Ausweisung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO setzt ein besonderes öffentliches Interesse voraus, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Ein solches besonderes öffentliches Interesse kann dann angenommen werden, wenn - mit Blick auf den spezialpräventiven Zweck der Ausweisung - die begründete Besorgnis besteht, die vom Ausländer ausgehende, mit der Ausweisung bekämpfte Gefahr werde sich schon in dem Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung realisieren; der allgemeine Verdacht einer Beeinträchtigung erheblicher Belange der Bundesrepublik genügt nicht. Die das Sofortvollzugsinteresse begründende negative Gefahrenprognose muss auf Tatsachen beruhen, bloße Behauptungen und Vermutungen genügen nicht (vgl. etwa: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.06.2005 - 2 BvR 485/05 -, juris; Discher, in: GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. Rn. 1530 ff. m.w.N.).
49 
Die Anordnung des Sofortvollzuges wird in der Verfügung vom 18. Dezember 2015 wie folgt und den Vorgaben des § 80 Abs. 3 VwGO genügend begründet:
50 
„…Das Regierungspräsidium hatte bereits frühzeitig darauf hingewiesen, dass intensiv darüber nachgedacht wird, die sofortige Vollziehung in Ihrem Fall anzuordnen. So geschehen im Schriftsatz vom 28.08.2015. Hintergrund für diese Überlegung war, dass nach Erlass der gegen Sie gerichteten Ausweisung Tatsachen bekannt wurden, wonach Sie im März/April 2015 in Ludwigsburg zusammen mit anderen als „Führungsebene“ im Konflikt mit den „United Tribuns“ aktiv waren. Der Konflikt zwischen der „Red Legion“ und den „United Tribuns“ gipfelte – nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart im Verfahren ... – am 29.03.2015 in einem Angriff der „Red Legion“ auf eine von der Polizei eingekesselte Gruppe der „United Tribuns“. Dieser Angriff – nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft – führte zu erheblichen Straftaten die durch Mitglieder der „Red Legion“ begangen wurden. So wurden auch Angriffe auf Einheiten der Bereitschaftspolizei ausgeführt, es wurde ein Samuraischwert das zum Durchstoßen von Körperpanzerungen geeignet ist gefunden und während der Kampfhandlungen herrschte in Ludwigsburg normaler Personenverkehr. Nach den Schilderungen der Staatsanwaltschaft hatten „die Fußgänger, darunter Mütter mit ihren Kindern“ „durch die Ereignisse an einem Sonntagabend geschockt und verängstigt“ gewirkt. …“
51 
Davon ausgehend begegnet die Anordnung des Sofortvollzugs keinen Bedenken. Es liegt angesichts des bisherigen Verhaltens des Antragstellers auch für den Senat schlicht fern, annehmen zu wollen, dass die Anwesenheit des Antragstellers bei dem geschilderten Vorfall auf einer bloßen Zufälligkeit beruhte, wie dieser erstinstanzlich noch behauptet hat.
52 
8.) Bedenken gegen die Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG bestehen davon ausgehend nicht, solche werden auch nicht geltend gemacht.
III.
53 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
54 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG. Danach ist der Streitwert in der Beschwerdeinstanz auf 10.000,-- EUR festzusetzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 25.05.2016 - 11 S 2480/15 -, juris und vom 09.08.2016 - 11 S 1256/16 -, juris).
55 
Eine Reduzierung des Streitwerts dieses Eilverfahrens ist aufgrund der schon mit dem Vollzug der Ausweisungsverfügung eintretenden Folgen für den Antragsteller nicht angezeigt (vgl. zuletzt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 01.07.2016 - 11 S 46/16 -, AuAS 2016, 206).
56 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Das Gesetz dient zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Es regelt hierzu die Einreise, den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern. Die Regelungen in anderen Gesetzen bleiben unberührt.

(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Ausländer,

1.
deren Rechtsstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern geregelt ist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist,
2.
die nach Maßgabe der §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen,
3.
soweit sie nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen von Einwanderungsbeschränkungen, von der Verpflichtung, ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzuzeigen und dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und wenn Gegenseitigkeit besteht, sofern die Befreiungen davon abhängig gemacht werden können.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 - 5 K 1778/09 - insoweit geändert, als es die Klage als unbegründet abgewiesen hat.

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23. Juni 2009 wird (mit Ausnahme der in Ziffer 2 verfügten Abschiebungsandrohung aus der Haft heraus) aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1978 in Gornje (Kosovo) geborene Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 07.08.1996 in die Bundesrepublik ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.08.1996 abgelehnt. Hiergegen erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage (Az.: A 14 K 30993/96). 1998 lernte er seine erste Ehefrau, die deutsche Staatsangehörige D. S. kennen, und heiratete sie am 22.06.1999. Am 24.09.1999 nahm er Asylantrag und Klage zurück. Er reiste am 18.05.2000 in sein Heimatland aus und am 11.06.2000 mit einem Visum zum Familiennachzug wieder in die Bundesrepublik ein.
Am 26.06.2000 wurde dem Kläger eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach - zuletzt bis 24.06.2005 - verlängert wurde. Am 21.05.2004 beantragte der Kläger die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Mit Bescheid vom 14.07.2004 lehnte das Ausländeramt der Stadt W... diesen Antrag ab, weil beim Kläger Ausweisungsgründe vorlägen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er damit begründete, dass frühere Eintragungen im Zentralregister getilgt seien. Mit Bescheid vom 28.10.2004 half die Stadt Wiesloch dem Widerspruch ab und erteilte dem Kläger die begehrte unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Am 27.04.2006 wurde die erste Ehe des Klägers geschieden. Die im Jahr 2007 geschlossene zweite Ehe des Klägers mit einer Kosovarin, die im Kosovo lebte, hielt nur vier Monate. Im Januar 2008 heiratete der Kläger Frau G. D., die gleichfalls kosovarische Staatsangehörige ist. Aufgrund seiner Inhaftierung am 24.06.2008 kam es nicht zum Ehegattennachzug.
Der Kläger übte in der Bundesrepublik zunächst verschiedene kurzfristige Gelegenheitsjobs aus. Ab 2002 arbeitete er als Staplerfahrer bei der Firma R. in W... Bis zu seiner Inhaftierung hatte er dort eine feste Arbeitsstelle, bei der er ein Nettoeinkommen zwischen 1.800 EUR und 1.900 EUR erzielte.
Am 18.02.2009 verurteilte das Landgericht ... den Kläger wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in zwölf Fällen, darunter in zwei tateinheitlichen Fällen, und wegen Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten (Az.: 1 KLs 45 Js 6611/08; rechtskräftig). Im Strafurteil wird ausgeführt, der Kläger habe sich im Mai 2008 mit drei anderen Mittätern zusammengeschlossen, um zwischen dem 24.05.2008 und dem 23.06.2008 nach gleich bleibender Methode Einbrüche in Gewerbebetriebe zu begehen. Die Bande habe in aller Regel Geld gesucht, wenngleich vereinzelt auch Kraftfahrzeuge und sonstige Wertgegenstände im Gesamtwert von fast 80.000 EUR erbeutet worden seien. Der Kläger habe an den insgesamt 21 Taten gelegentlich mitgewirkt. Er sei zwar von Anfang an in die Tatvorbereitung eingebunden gewesen. Planung und Auswahl des Einbruchsobjekts hätten ihm aber nicht oblegen. Bei der Tatausführung habe er lediglich als Fahrer agiert. An den eigentlichen Taten sei er nicht unmittelbar beteiligt gewesen und habe nicht gewusst, in welches Objekt seine Komplizen eingebrochen seien, weshalb er den Tatablauf in keiner Weise habe beeinflussen können. Er habe auch keinen gleichen Beuteanteil erhalten, sondern eine Belohnung, die regelmäßig deutlich hinter einem rechnerischen Anteil von einem Viertel bzw. später einem Fünftel zurückgeblieben sei. Zur Strafzumessung führte das Landgericht aus: Zwar sei ein minderschwerer Fall bei keiner Tat in Frage gekommen. Denn die rechtliche als Beihilfe zu qualifizierende Tat habe sich an der Grenze zur Mittäterschaft bewegt. Andererseits habe der Kläger als einziger Tatbeteiligter frühzeitig im Ermittlungsverfahren ein Geständnis abgelegt, durch das auch die übrigen Beteiligten hätten namhaft gemacht werden können. Dies habe einerseits die Ermittlungen erheblich erleichtert, andererseits zu erheblichen Anfeindungen durch die anderen Beteiligten geführt. Zu Gunsten des Klägers sei zu berücksichtigen gewesen, dass er nicht vorbestraft und erstmals in Haft und seine Frau im Kosovo schwer erkrankt gewesen sei. Demgegenüber sei zu seinen Lasten zu berücksichtigen gewesen, dass er in einer gut bezahlten Arbeit gestanden und nicht aus einer finanziellen Notlage heraus gehandelt habe.
Nach Anhörung wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger mit Bescheid vom 23.06.2009 aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1) und drohte ihm die Abschiebung in das Kosovo oder einen anderen Staat an, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist. Für den Fall der Haftentlassung vor einer Abschiebung wurde er aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monat zu verlassen (Ziffer 2). Zur Begründung stützte sich das Regierungspräsidium primär auf spezialpräventive Gründe. Bei den von dem Kläger verwirklichten Delikten handele es sich um schwere Eigentumsdelikte, die in einer außerordentlichen Häufigkeit begangen worden seien. Die erforderliche Wiederholungsgefahr sei gegeben. Die Ausweisung des Klägers sei aber auch aus generalpräventiven Gründen geboten. Es sei unstreitig, dass Eigentumsdelikte, die in einer solch hohen Zahl und über einen relativ langen Zeitraum hinweg begangen würden, geeignet seien, eine generalpräventiv motivierte Ausweisung zu begründen. Innerhalb des Strafrahmens habe sein Strafmaß letztlich deutlich über der unteren Grenze von drei Monaten gelegen und in keinem Fall sei ein minderschwerer Fall angenommen worden. Deshalb sei es hier unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich, den Kläger zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auszuweisen. Seine privaten Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet müssten hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.06.2009 zugestellt.
Am 29.07.2009 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, die Straftaten gehörten zwar auf den ersten Blick zur mittleren bzw. schweren Kriminalität. Bei individueller Prüfung des Falles seien jedoch Besonderheiten gegeben, die den Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen ließen. Zu seiner Beteiligung an den Straftaten sei es gekommen, als ihn im Mai 2008 der Mitangeklagte G. - der Cousin seiner Ehefrau - gebeten habe, zwei Landsleute für eine gewisse Zeit in der Wohnung aufzunehmen. Er habe eingewilligt, weil es die Bitte eines Familienangehörigen gewesen sei. Kurze Zeit später sei er von G. gebeten worden, ihn und seine Freunde nachts irgendwo hinzufahren und sie gegebenenfalls auch wieder abzuholen. Da man ihm hierfür eine Belohnung versprochen habe, habe er seine anfänglichen Bedenken beiseite gewischt und eingewilligt. Grund hierfür sei gewesen, dass er seine im Kosovo lebende, an Krebs erkrankte Ehefrau mit Medikamenten versorgt und er deshalb, trotz regelmäßigen Einkommens, einen finanziellen Engpass gehabt habe. Wegen seiner späten aktiven Kooperation mit den Strafverfolgungsorganen sei er während der mehrtägigen Hauptverhandlung von den Mitangeklagten als „Verräter“ angefeindet worden. Berücksichtige man weiter den Umstand, dass er Ersttäter gewesen sei, sei bei individueller Prüfung nicht von einem schwerwiegenden Ausweisungsanlass auszugehen. Jedenfalls sei seine Ausweisung rechtswidrig, weil keine Wiederholungsgefahr angenommen werden könne. Er sei nicht vorbestraft und lebe seit über 13 Jahren in Deutschland. Er habe immer gearbeitet. Sein letztes Arbeitszeugnis belege, dass er „ein zuverlässiger, gewissenhafter und ehrlicher Mitarbeiter“ sei, der „seine Aufgaben immer selbstständig und termingerecht erledigt“ habe. Er sei in Deutschland nicht nur beruflich, sondern auch sozial integriert. Deutsch beherrsche er gut in Wort und Schrift. Sein Vollzug sei beanstandungsfrei. Bereits vier Monate nach seiner Inhaftierung habe er in der Gefängnisküche arbeiten dürfen. Auch der erstmalige Freiheitsentzug, der ihn nachhaltig beeindrucke, werde ihn davon abhalten, erneut straffällig zu werden. Eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen sei in seinem Fall nicht geboten, weil bereits der Ausweisungsgrund nicht hinreichend schwer wiege. Hinzu komme, dass sich sein besonders gelagerter Einzelfall nicht dazu eigne, andere Ausländer von der Begehung von Straftaten abzuhalten. Der Beklagte trat dem entgegen und führte aus, dass generalpräventiv motivierte Ausweisungen durchaus geeignet seien, entsprechende Wirkung zu erzeugen. In der Bundesrepublik würde eine Vielzahl von Landsleuten leben, die gerade auch im abgeurteilten Deliktsbereich delinquent würden. Im vorliegenden Falle sei es nach Abwägung aller Umstände ermessensgerecht, den Kläger jedenfalls generalpräventiv motiviert auszuweisen.
Mit Beschluss vom 07.05.2010 hat die Strafvollstreckungskammer am Landgericht ... die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger ist am 12.05.2010 aus der Haft entlassen worden. Er ist seit 01.06.2010 erneut in Vollzeit beschäftigt.
Mit Urteil vom 21.07.2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit sie sich gegen die inzwischen erledigte Abschiebungsandrohung aus der Haft heraus richte. Im Übrigen sei die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Zwar bestehe nach Überzeugung der Kammer im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die für eine spezialpräventiv begründete Ausweisung erforderliche Wiederholungsgefahr nicht mehr. In generalpräventiver Hinsicht jedoch seien bei dem Kläger schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne eine Ausweisung grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, also zu dem Zweck erfolgen, andere Ausländer zu einem ordnungsgemäßen Verhalten in der Bundesrepublik zu veranlassen und von der Begehung von Straftaten abzuschrecken. Dies gelte gerade auch für den Bereich des Bandendiebstahls als einer Art des organisierten Verbrechens. Dessen Bekämpfung habe wegen der großen Gefahren, die von ihm ausgingen, einen hohen Rang und erfordere in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein möglichst kontinuierliches Vorgehen auch der Ordnungsbehörden. Mit Rücksicht auf die hohe Gefährlichkeit der hier zu beurteilenden Kriminalität sei ein dringendes Bedürfnis gegeben, über die strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung des Klägers andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Der Kläger halte sich zwar seit 1996 in der Bundesrepublik Deutschland auf und besitze seit 2000 einen Aufenthaltstitel, er sei aber erst als Erwachsener in das Bundesgebiet eingereist. Auch lebten seine Schwester und sein Bruder im Bundesgebiet; er habe aber noch starke Kontakte zum Kosovo. Schließlich erweise sich die Ausweisung nicht deswegen als unverhältnismäßig, weil der Kläger aufgrund seines Aussageverhaltens zur Aufklärung der Straftaten beigetragen und deshalb im Kosovo mit „erheblichen Repressalien" zu rechnen habe. Auch Art. 8 EMRK führe im konkreten Einzelfall nicht dazu, die Ausweisung des Klägers als unverhältnismäßig zu bewerten. Die Wirkungen der Ausweisung müssten auch nicht schon jetzt befristet werden.
10 
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung führt der Kläger insbesondere aus, die Ausweisung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Seine persönlichen Umstände würden nicht hinreichend gewichtet. Bereits 14 von 32 Lebensjahren habe er mit rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet verbracht. Neben seiner persönlichen Prägung sei die gesamte berufliche Integration hier erfolgt. Sein Lebensmittelpunkt sei trotz bestehender Kontakte auch zu Kosovaren eindeutig in Deutschland. Sein Verhalten sei situationsbedingt und nicht in seiner Persönlichkeit begründet gewesen. Ein Vergleich seiner Biografie etwa mit den Biographien der Mittäter zeige, dass diese eine längere kriminelle Vergangenheit gehabt und für bandenmäßige Strukturen typische Verhaltenstendenzen aufgewiesen hätten. Er hingegen weise eine stabile Persönlichkeit auf und habe sich hier eine Existenz aufgebaut. Aus den besonderen Umständen des Einzelfalls folge, dass seine Ausweisung nicht geeignet sei, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Straftaten abzuschrecken.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 – 5 K 1778/09 – insoweit zu ändern, als es die Klage als unbegründet abgewiesen hat und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23. Juni 2009 (mit Ausnahme der in Ziffer 2 verfügten Abschiebungsandrohung aus der Haft heraus) aufzuheben.
13 
Das beklagte Land beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Es tritt dem Vortrag des Klägers entgegen und hält eine Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen im konkreten Einzelfall für möglich und gerechtfertigt.
16 
In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Kläger, dass er einen guten Arbeitsplatz innehabe, bei dem er monatlich ca. 1.250 EUR (netto) verdiene. Sein Chef sei sehr zufrieden mit ihm und wolle ihn demnächst auf eine Schulung für Trocknungstechnik nach Stuttgart schicken. Er gehe fest davon aus, dass er „unbefristet“ weiterarbeiten könne. Bis auf Weiteres wohne er kostenfrei und könne deshalb auch etwas sparen. Er habe jedoch noch ca. 12.000 EUR Altschulden und ca. 23.000 EUR Schulden im Zusammenhang mit dem Strafverfahren; mit Hilfe der Schuldnerberatung der Diakonie W. suche er nach einer Lösung, wie er diese Schulden bewältigen könne. Die Ehe mit Frau G. D. sei seit 22.11.2010 geschieden. Er habe inzwischen eine deutsche Freundin, wolle sich mit dem Heiraten diesmal aber Zeit lassen.
17 
Im Rahmen der Erörterung der Rechtsfrage der fortdauernden Zulässigkeit einer tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung vertrat auch die Beklagten-Vertreterin den Standpunkt, vom Kläger ginge keine Wiederholungsgefahr aus, sodass eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen ausscheide.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die Strafakten des Landgerichts ... und die Gefangenenpersonalakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist ebenso begründet wie seine Anfechtungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der angefochtenen Androhung der Abschiebung in das Kosovo vor allem die Ausweisung des Klägers. Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten ist auch der Senat (nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung sowie insbesondere dem schlüssigen Strafaussetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 07.05.2010 und den positiven Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt in den Gefangenen-Personalakten) der Überzeugung, dass von dem Kläger heute keine gesteigerte Wiederholungsgefahr mehr ausgeht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden. Die Ausweisung wird von dem Beklagten deshalb allein tragend zur - generalpräventiven - Abschreckung anderer Ausländer aufrechterhalten. Damit verstößt sie hier im Lichte des gemäß Art. 8 EMRK qualifiziert geschützten Privatlebens gegen § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.
21 
1. Der Kläger erfüllt aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Heidelberg am 18.02.2009 zu zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe den Regel-Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG. Er genießt jedoch nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund seines rechtmäßigen Aufenthalts, jedenfalls seit 2000, und der am 28.10.2004 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungserlaubnis besonderen Ausweisungsschutz, weswegen er nach Satz 2 der Norm nur „aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausgewiesen werden darf. Maßgebend für die Frage, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, also des Senats. Ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, ist voll gerichtlich überprüfbar; es besteht für die Ausländerbehörde kein Beurteilungsspielraum.
22 
Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG vor. Diese gesetzliche Vermutung beruht darauf, dass bei Verwirklichung der genannten Ausweisungstatbestände regelmäßig das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Ausweisung des Ausländers erfordert und der vom Gesetz bezweckte Schutz des Ausländers dahinter zurückzutreten hat. Die Regelung enthält allerdings keine Automatik, sondern erfordert eine individuelle Prüfung im jeweiligen Einzelfall, ob nicht Besonderheiten vorliegen, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - BVerwGE 121, 356).
23 
Erfüllt ein Ausländer, der besonderen Ausweisungsschutz genießt, - wie der Kläger - keinen der in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aufgeführten Ist- oder Regelausweisungsgründe, steht dies einer Ausweisung im Ermessenswege nicht entgegen (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). In diesem Fall fehlt es aber an einer gesetzlichen Vermutung für die Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dennoch können solche schwerwiegenden Gründe auch bei Vorliegen eines sonstigen (Regel- oder Ermessens-)Ausweisungsanlasses gegeben sein. Erforderlich ist dann jedoch, dass dem Ausweisungsgrund ein besonderes Gewicht zukommt. Dieses kann sich bei Straftaten insbesondere aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.2009 - 1 C 2.08 - ZAR 2009, 145).
24 
2. Bei einer durch eine Straftat veranlassten Ausweisung, die tragend zur generalpräventiven Abschreckung anderer Ausländer verfügt oder aufrechterhalten wird, fehlt es im Lichte von Art. 8 EMRK in der Regel an schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn hierdurch ein in Deutschland nachhaltig „verwurzelter“ Ausländer betroffen wird. Die regelmäßige Unzulässigkeit von tragend generalpräventiv motivierten Ausweisungen bei dieser Personengruppe folgert der Senat in einer Gesamtschau aus den neueren Rechtsprechungslinien sowohl des Bundesverfassungsgerichts (a) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - (b) und im Übrigen auch aus der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - bezüglich Unionsbürgern (c) sowie des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen (d). Dies gilt jedenfalls seit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon am 01.12.2009 (e).
25 
a) Im Beschluss der Zweiten Kammer des Zweiten Senats vom 10.08.2007 (- 2 BvR 535/06, Rn. 24 f. - NVwZ 2007, 1300) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
26 
„Eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Entscheidung über die Zulässigkeit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung setzt … voraus, dass die Ausländerbehörde die Umstände der Straftat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen sorgfältig ermittelt und eingehend würdigt. Ohne die Kenntnis von Einzelheiten der Tatbegehung und der persönlichen Situation des Betroffenen können in der Regel die Auswirkungen der Ausweisung auf die Individualinteressen nicht hinreichend sicher festgestellt und in einer einzelfallbezogenen Abwägung den die Ausweisung verlangenden Interessen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden. … Im Grundsatz nicht anders als bei der Würdigung der von dem Ausländer künftig ausgehenden Gefahren im Rahmen spezialpräventiv motivierter Ausweisungen genügt es insbesondere nicht, das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu bestimmen.“
27 
In der Literatur wird die Auffassung vertreten, mit dieser inhaltlich teilweisen Neukonturierung des Anforderungsprofils habe das Bundesverfassungsgericht der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen „nicht nur die Zähne gezogen, sondern ihr - jedenfalls was eine praktische Anwendung betrifft - gleichsam auf kaltem Wege den (endgültigen) Todesstoß versetzt“ (Mayer, Systemwechsel im Ausweisungsrecht, VerwArch 2010, 507). Denn eine generalpräventive Ausweisung, die im Grundsatz nicht anders als bei einer spezialpräventiven Ausweisung auch eine Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der Umstände der begangenen Straftat verlangt und daran anschließend eine einzelfallbezogene Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit erfordert, sei in Wahrheit nichts anderes als eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen. Da das Wesen der generalpräventiven Ausweisung vor allem darin bestehe, eine Ausweisung ohne das Abstellen auf die individuelle Gefährlichkeit des Ausländers zu ermöglichen (so schon Pagenkopf, DVBl. 1975, S. 766), könne es allenfalls noch eine „generalpräventiv motivierte“ Ausweisung geben, die jedoch zugleich auch spezialpräventiv gerechtfertigt sein müsse. Ohnehin wäre eine selbständig rechtfertigende Wirkung generalpräventiver Erwägungen mit dem Garantiegehalt der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn diese schließe es aus, den Ausgewiesenen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu denaturieren und ihn als Vehikel zu benutzen, um auf andere abschreckend und damit verhaltenssteuernd einzuwirken (Mayer, a.a.O., m.w.N.). Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann hier offen bleiben. Jedenfalls bei nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern, die sich auf den qualifizierten Schutz von Art. 8 EMRK berufen können - was nicht notwendig zugleich eine tiefgreifende „Entwurzelung“ voraussetzt -, steht der vom Bundesverfassungsgericht besonders betonte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 17.01.1979 - 1 BvR 241/77 - BVerfGE 50, 166) einer Ausweisung aus generalpräventiven Gründen aber in der Regel entgegen. Eine tragend generalpräventiv motivierte Ausweisung stellt sich bei nachhaltig „Verwurzelten“ auch im Lichte der Ausführungen des BVerfG mithin regelmäßig als unverhältnismäßig dar, sodass es an hierfür rechtfertigenden schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fehlt.
28 
b) Auch der Straßburger EGMR steht der Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Dies ergibt sich aus seiner Rechtsprechung zu Ausweisungen, die er an Art. 8 EMRK misst. Seine sogenannten Boultif/Üner-Kriterien hat er etwa im Urteil Chair vom 06.12.2007 - 69735/01 - InfAuslR 2008, 111 (Rn. 58 ff.) wie folgt zusammengefasst:
29 
„Der Gerichtshof hat bekräftigt, dass in allen Rechtssachen, die niedergelassene Zuwanderer betreffen, bei der Prüfung der Frage, ob eine Ausweisungsmaßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stand, die folgenden Kriterien heranzuziehen sind:
30 
- Die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat;
- die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll;
- die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;
- die Staatsangehörigkeit der verschiedenen Betroffenen;
- die familiäre Situation des Beschwerdeführers, wie z.B. die Dauer der Ehe, und andere Faktoren, die erkennen lassen, wie intakt das Familienleben eines Ehepaars ist;
- ob der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin von der Straftat wusste, als er bzw. sie eine familiäre Beziehung einging;
- ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und gegebenenfalls deren Alter und
- das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin in dem Land, in das der Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen wird.
31 
Im Urteil Üner hat der Gerichtshof außerdem ausdrücklich die beiden folgenden Kriterien genannt:
32 
- Die Belange und das Wohl der Kinder, insbesondere das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen Kinder des Beschwerdeführers in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen werden, und
- die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland.“
33 
Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht verlangt mithin auch der Menschenrechtsgerichtshof (angesiedelt auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung), dass für eine konventionsgemäße Ausweisung zwingend eine genaue und auf den Einzelfall bezogene Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der konkreten Umstände der begangenen Straftat getroffen und daran anschließend eine Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit durchgeführt wird (vgl. auch EGMR, Urteil vom 23.06.2008 - 1638/03 - Maslov). Auch dies läuft jedenfalls in rechtstatsächlicher Hinsicht sehr stark auf eine Ausweisung (nur oder nur auch) aus spezialpräventiven Gründen zu.
34 
c) Der Luxemburger EuGH hält hinsichtlich Unionsbürgern eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen schon seit 1975 für rechtswidrig, wie er erstmals im Urteil Bonsignore (Urteil vom 26.02.1975, Rs. 67/74, Rn. 7) klarstellte:
35 
„Auf die gestellten Fragen ist daher zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie Nr. 64/221 der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates entgegensteht, wenn diese zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird, das heißt, wenn sie - in der Formulierung des innerstaatlichen Gerichts - auf ‚generalpräventive‘ Gesichtspunkte gestützt wird.“
36 
Im Urteil Orfanopoulos und Oliveri (Urteil vom 29.04.2004, Rs. C-482/01 u. 493/01, Rn. 66-68) hat er dies 2004 nochmals ausführlicher dargelegt:
37 
„Maßnahmen der öffentlichen Ordnung sind nach Art. 3 der Richtlinie 64/221 nur dann gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen gestützt sind. In dieser Bestimmung heißt es, dass strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres diese Maßnahmen nicht rechtfertigen können. Wie der Gerichtshof u. a. im Urteil vom 27.10.1977 in der Rechtssache 30/77 (Bouchereau, Slg. 1977, 1999, Rn. 35) festgestellt hat, setzt die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung voraus, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
38 
Zwar kann ein Mitgliedstaat die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen, doch ist die Ausnahme der öffentlichen Ordnung eng auszulegen, so dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen kann, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (vgl. u. a. Urteil vom 19.01.1999, Rs. C-348/96, Calfa, Rn. 22-24).
39 
Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats entgegensteht, die auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt, d. h. zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird (vgl. u.a. Urteil Bonsignore, Rn. 7), insbesondere, wenn die Ausweisung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (vgl. Urteile Calfa, Rn. 27, und Nazli, Rn. 59).“
40 
d) Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Impulse aus Luxemburg aufgegriffen und seine diesbezügliche Rechtsprechung mit Urteil vom 03.08.2004 -1 C 30.02 - auch hinsichtlich der generalpräventiv begründeten Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern geändert (BVerwGE 121, 297, Rn. 24):
41 
„Die Gefährdung kann sich im Einzelfall auch allein aufgrund des abgeurteilten Verhaltens ergeben. Es besteht aber keine dahin gehende Regel, dass bei schwerwiegenden Taten das abgeurteilte Verhalten die hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen begründet. Eine vom Einzelfall losgelöste oder auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützte Begründung der Ausweisung ist in jedem Fall unzulässig.“
42 
Im Urteil vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - (BVerwGE 124, 243) wurde dies nochmals bekräftigt:
43 
„Das Gemeinschaftsrecht lässt eine Ausweisung ausnahmslos nur aus spezialpräventiven Gründen zu, d.h. zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, die von dem einzelnen Ausländer persönlich ausgehen, nicht aber - tragend oder auch nur mittragend - zur (generalpräventiven) Abschreckung anderer Ausländer.“
44 
Mit Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - (BVerwGE 121, 315, Rn. 17) hat das Bundesverwaltungsgericht diese Grundsätze des unionsrechtlichen Ausweisungsschutzes auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige erstreckt, d.h. deren Ausweisungsschutz in gleicher Weise materiellrechtlich begründet und ausgestaltet wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger:
45 
„Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Übertragung der nach dem Urteil des Senats im Verfahren BVerwG 1 C 30.02 anzuwendenden Maßstäbe entgegenstehen.“
46 
Der EuGH hat die Richtigkeit dieser Entscheidung mit Urteil vom 11.11.2004 (Rs. C-467/02 - Cetinkaya) bestätigt.
47 
Seither können freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nur noch ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen darf eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt und auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet; aufenthaltsbeendende Maßnahmen dürfen daher nicht mehr aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung zum Zwecke der Generalprävention angeordnet werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - ZAR 2010, 284). Hier kann mithin kein „dringendes Bedürfnis“ mehr angenommen werden, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus „durch eine kontinuierliche Ausweisungspraxis andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten“ (so noch: BVerwG, Beschluss vom 08.05.1996 - 1 B 136.95 - InfAuslR 1996, 299).
48 
Seit der 2. EU-Osterweiterung am 01.01.2007 kommen zunächst alle Staatsangehörigen der anderen 26 Mitgliedstaaten in den Genuss dieses europarechtlichen Ausweisungsschutzes. Das sind rund 35 % aller in Deutschland lebenden Ausländer (Stand: 31.12.2009; zit. nach BAMF, Ausländerzahlen 2009, S. 12). Hinzu kommen des Weiteren wohl rund 23 % türkische Staatsangehörige (vgl. BAMF, a.a.O., S. 11), weil nur ca. 5 % der in Deutschland lebenden Türken (ca. 25 % der ausländischen Bevölkerung von insgesamt 6,7 Mio. Menschen) kürzer als sechs Jahre hier leben; über 86 % der türkischen Staatsangehörigen leben sogar länger als 10 Jahre in Deutschland (vgl. BAMF, a.a.O. S. 14). Dies bedeutet ausländerrechtlich, dass sich möglicherweise rund 95 % der hier lebenden türkischen Staatsangehörigen auf Art. 6 oder 7 ARB 1/80 berufen können (vgl. Günes, Europäischer Ausweisungsschutz, 2009, S. 49 ff.). Geht man davon aus, dass zudem ein Teil sowohl der Unionsbürger als auch der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen mit ebenfalls aufenthaltsrechtlich besonders geschützten Drittstaatern (vgl. Art. 27 Abs. 2 Unionsbürger-RL 2004/38/EG, Art. 12 Abs. 1 Daueraufenthalts-RL 2003/109/EG und Renner/Dienelt, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 FreizügG/EU, Rn. 20 ff.) familiär verbunden ist, dürfte aufgrund insbesondere der Rechtsprechung des EuGH zwischenzeitlich möglicherweise für rund zwei Drittel aller in Deutschland lebenden Ausländer ein absolutes Verbot der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen bestehen. Dies würde deren - nach Auskunft des Beklagten und Erfahrung des Senats - heute nur noch sehr geringe Praxisrelevanz schlüssig erklären. Die Frage, ob vor diesem empirisch-europarechtlichen Hintergrund auch mangels „kontinuierlicher Verwaltungspraxis“ eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen überhaupt noch abschreckende Wirkung im Sinne einer „Verhaltenssteuerung“ entfalten kann - wofür im Übrigen die Ausländerbehörde darlegungs- und beweispflichtig wäre -, sei nur am Rande gestellt. Neuere empirische Studien hierzu hat der Senat jedenfalls nicht auffinden können.
49 
e) Die Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen beruht bis heute auf richterlicher Schöpfung, nicht aber auf einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers (vgl. GK-AufenthG, 6/2009, Vor §§ 53 ff., Rn. 1300.1, m.w.N.). Nach Überzeugung des Senats hat sie nunmehr auch bezüglich der in Deutschland nachhaltig „verwurzelten“ Ausländer ihre Berechtigung grundsätzlich verloren. Eine Anpassung ist erforderlich, um im Wege einer Gesamtschau insbesondere dem Schutz von Art. 8 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR noch besser gerecht zu werden und insoweit eine Angleichung mit der Rechtsprechung des EuGH zu erzielen. Die Personengruppe der nachhaltig „Verwurzelten“ steht Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen in mancherlei Hinsicht gleich. Da jedoch nach wie vor keine vollständige Identität der Rechtsstellung besteht, kann der Schutz vor einer tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung nur eine Grundregel darstellen.
50 
Anders als bei Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen kann bei „Verwurzelten“ demnach eine generalpräventiv begründete Ausweisung weiterhin ausnahmsweise zulässig sein, wenn ganz besonders schwerwiegende Delikte verwirklicht wurden, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates oder der Gesellschaft gefährden. Als Maßstab aus anderen Regelungszusammenhängen kann sich - zur Fallgruppenbildung im Europäischen Rechtsraum - insoweit zum einen Art. 12 Abs. 2 der Qualifikations-RL 2004/83/EG anbieten (insbesondere „Terrorismusdelikte“; vgl. Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 AsylVfG Rn. 8 f.). Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es auch im europäischen Flüchtlingsrecht hier nicht auf eine gegenwärtige Wiederholungsgefahr an (EuGH, Urteil vom 09.11.2010, Rs. C-101/09 - Deutschland vs. D). Zum anderen kann der Rechtsgedanke von Art. 28 Abs. 3 Unionsbürger-RL 2004/38/EG herangezogen werden („staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte“), weil auch Unionsbürger insoweit selbst nach 10-jährigem Aufenthalt im Aufnahmestaat nur einen eingeschränkten Schutz gegen (weiterhin ausschließlich spezialpräventiv begründete) Ausweisungen genießen (EuGH, Urteil vom 23.11.2010, Rs. C-145/09 - Tsakouridis). Liegen jedoch keine vergleichbar schwerwiegenden Delikte vor, verdient derjenige, der sich in qualifizierter Weise auf Art. 8 EMRK berufen kann, insbesondere weil er in Deutschland ein nach der Rechtsprechung des EGMR nachhaltig zu schützendes Privatleben entfaltet hat, menschenrechtlich einen mit Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen vergleichbaren Ausweisungsschutz. Die weitgehende Vereinheitlichung des bisweilen nur noch schlecht überschaubaren Ausländerrechts liegt insoweit nahe.
51 
Als Stichtag bietet sich das Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon an, d.h. der 01.12.2009. Denn der Lissabon-Vertrag hebt den Prozess der europäischen Integration „auf eine neue Stufe“ (Abs. 1 EUV-Präambel) und strebt mit der Vergemeinschaftung, heute genauer „Verunionung“ (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 3 EUV) der vormaligen 3. EU-Säule die Schaffung eines europaweiten „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ an, in dem - gerade auch für die Bereiche Asyl, Einwanderung und Freizügigkeit - im Wesentlichen einheitliche Standards gelten sollen (vgl. Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 67 ff. AEUV und das Stockholmer Programm vom 11.12.2010 - ABlEU Nr. C 115/1). Auch wird mit dem gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV angestrebten Beitritt der neu verfassten EU zur EMRK diese Konvention normhierarchisch gewissermaßen auf die höchste Stufe gestellt. Selbst das bezüglich allen nationalen Rechts anwendungsvorrangige Unionsrecht wird künftig vom EGMR am Maßstab der EMRK gemessen und, trotz EU-Grundrechtecharta, gegebenenfalls als menschenrechtswidrig eingestuft. Damit wird durch den Lissabon-Vertrag klargestellt - und mit dessen Ratifikation auch von der Bundesrepublik angestrebt -, dass in Sachen Menschenrechtsschutz der Straßburger EGMR europaweit „das letzte Wort“ haben soll (ausführlich: Bergmann, Diener dreier Herren? - Der Instanzrichter zwischen BVerfG, EuGH und EGMR, EuR 2006, S. 101). Der Straßburger Rechtsprechung ist deshalb seit 01.12.2009 noch größeres Gewicht beizumessen. Seit 01.12.2009 muss bei der dogmatischen Durchdringung und Fortbildung des mitgliedstaatlichen Rechts vom „Europäischen Rechtsraum“ her gedacht werden (v. Bogdandy, Perspektiven einer europäischen Rechtswissenschaft, in: Handlexikon der EU, 4. Aufl., Baden-Baden, sowie JZ 2011, S. 4).
52 
Als diesbezügliches Vorbild für die Erstreckung des grundsätzlichen Verbots der generalpräventiven Ausweisung auf nachhaltig „verwurzelte“ Ausländer ab 01.12.2009 sieht der Senat die rechtspolitisch in gleiche Richtung weisende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur allgemeinen Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung. Mit Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - (BVerwGE 130, 20) hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28.08.2007 – nach der Geltung für Unionsbürger und sodann für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige – nunmehr bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich ist, was insoweit zu einer Rechtsvereinheitlichung in dem durch EGMR- und EuGH-Rechtsprechung geprägten Europäischen Rechtsraum geführt hat.
53 
3. Der Kläger ist ein in Deutschland „verwurzelter“ Ausländer und kann sich auf den Schutz von Art. 8 EMRK berufen. Der EGMR geht von einem weiten Begriff des Privatlebens aus, dessen Schutzbereich auch das „Recht auf Entwicklung einer Person“ sowie das „Recht, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt zu knüpfen und zu entwickeln“ und damit letztlich die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts - hier Deutschland - „gewachsenen Bindungen“ umfasst. Maßgebend ist, ob der Ausländer aufgrund seines (längeren) Aufenthalts über „starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte“ zum Aufnahmestaat verfügt (vgl. die im Senatsurteil vom 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - referierte EGMR-Rechtsprechung). Im konkreten Einzelfall des Klägers ist dies nach Auffassung des Senats gegeben. Der Kläger lebt nunmehr bereits seit 14 Jahren im Bundesgebiet. Seine gesamte berufliche Entwicklung ist hier erfolgt. Hier leben enge Familienangehörige und sein Freundeskreis. Hier hat er einen Arbeitsplatz, der ihn ohne ergänzenden Sozialleistungsbezug unterhält. Hier verlebt der Kläger sein Privatleben mit seiner deutschen Partnerin.
54 
Auf die Frage der zugleich tiefgreifenden „Entwurzelung“ kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Denn auch der diesbezügliche Ausweisungsschutz von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen besteht unabhängig davon, ob die Sprache der früheren Heimat beherrscht wird oder ob dort etwa noch Verwandte bzw. Bekannte leben. Solche Umstände können allerdings (insbesondere auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung) einen noch weitergehenden Schutz gegenüber einer ausnahmsweise generalpräventiv oder aber spezialpräventiv motivierten Ausweisung begründen.
55 
Damit greift bezüglich des Klägers die oben dargelegte Regel des Verbots der tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung. Da keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dieser Regel vorliegen (Terrorismus, staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte), ist seine Ausweisung gesperrt. Anders formuliert fehlt es damit im konkreten Einzelfall an den für die Ausweisung erforderlichen „schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ im Sinne von § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Die allein auf generalpräventive Motive gestützte Ausweisung des Klägers ist also im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtswidrig.
II.
56 
Ist die angefochtene Ausweisung aufzuheben, entfällt die nach §§ 51 Abs. 1 Nr. 5, 50 Abs. 1 AufenthG entstandene Ausreisepflicht und die dem Kläger am 28.10.2004 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgilt, lebt wieder auf. Demgemäß ist auch die im Bescheid vom 23.06.2009 verfügte unselbständige Abschiebungsandrohung aufzuheben, soweit sie sich nach der Haftentlassung nicht erledigt hat. Denn Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ist eine bestehende Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG (ebenso: Nds. OVG, Urteil vom 10.03.2011 - 8 LB 153/09 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2009 - 18 A 2620/08 - juris).
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
58 
Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat und die Frage der Möglichkeit einer Ausweisung bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Gründen zur Herstellung einer bundeseinheitlichen Rechtslage vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden sollte. Das Bundesverwaltungsgericht ging bisher in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Straftat als Ausweisungsgrund im Sinne von § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG regelmäßig auch bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Erwägungen als besonders schwerwiegend bewertet werden und ein öffentliches Interesse an der Ausweisung des Ausländers begründen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25/03 - BVerwGE 121, 356; hierauf sich berufend etwa Bay. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 10 ZB 10.2868 - juris).
59 
Beschluss vom 18. März 2011
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist ebenso begründet wie seine Anfechtungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
20 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der angefochtenen Androhung der Abschiebung in das Kosovo vor allem die Ausweisung des Klägers. Mit dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten ist auch der Senat (nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung sowie insbesondere dem schlüssigen Strafaussetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 07.05.2010 und den positiven Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt in den Gefangenen-Personalakten) der Überzeugung, dass von dem Kläger heute keine gesteigerte Wiederholungsgefahr mehr ausgeht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden. Die Ausweisung wird von dem Beklagten deshalb allein tragend zur - generalpräventiven - Abschreckung anderer Ausländer aufrechterhalten. Damit verstößt sie hier im Lichte des gemäß Art. 8 EMRK qualifiziert geschützten Privatlebens gegen § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.
21 
1. Der Kläger erfüllt aufgrund seiner Verurteilung durch das Landgericht Heidelberg am 18.02.2009 zu zwei Jahren und zehn Monaten Gesamtfreiheitsstrafe den Regel-Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG. Er genießt jedoch nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aufgrund seines rechtmäßigen Aufenthalts, jedenfalls seit 2000, und der am 28.10.2004 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungserlaubnis besonderen Ausweisungsschutz, weswegen er nach Satz 2 der Norm nur „aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausgewiesen werden darf. Maßgebend für die Frage, ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, also des Senats. Ob ein schwerwiegender Grund vorliegt, ist voll gerichtlich überprüfbar; es besteht für die Ausländerbehörde kein Beurteilungsspielraum.
22 
Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5, 5a und 7 AufenthG vor. Diese gesetzliche Vermutung beruht darauf, dass bei Verwirklichung der genannten Ausweisungstatbestände regelmäßig das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Ausweisung des Ausländers erfordert und der vom Gesetz bezweckte Schutz des Ausländers dahinter zurückzutreten hat. Die Regelung enthält allerdings keine Automatik, sondern erfordert eine individuelle Prüfung im jeweiligen Einzelfall, ob nicht Besonderheiten vorliegen, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - BVerwGE 121, 356).
23 
Erfüllt ein Ausländer, der besonderen Ausweisungsschutz genießt, - wie der Kläger - keinen der in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aufgeführten Ist- oder Regelausweisungsgründe, steht dies einer Ausweisung im Ermessenswege nicht entgegen (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). In diesem Fall fehlt es aber an einer gesetzlichen Vermutung für die Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dennoch können solche schwerwiegenden Gründe auch bei Vorliegen eines sonstigen (Regel- oder Ermessens-)Ausweisungsanlasses gegeben sein. Erforderlich ist dann jedoch, dass dem Ausweisungsgrund ein besonderes Gewicht zukommt. Dieses kann sich bei Straftaten insbesondere aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.2009 - 1 C 2.08 - ZAR 2009, 145).
24 
2. Bei einer durch eine Straftat veranlassten Ausweisung, die tragend zur generalpräventiven Abschreckung anderer Ausländer verfügt oder aufrechterhalten wird, fehlt es im Lichte von Art. 8 EMRK in der Regel an schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn hierdurch ein in Deutschland nachhaltig „verwurzelter“ Ausländer betroffen wird. Die regelmäßige Unzulässigkeit von tragend generalpräventiv motivierten Ausweisungen bei dieser Personengruppe folgert der Senat in einer Gesamtschau aus den neueren Rechtsprechungslinien sowohl des Bundesverfassungsgerichts (a) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - (b) und im Übrigen auch aus der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - bezüglich Unionsbürgern (c) sowie des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen (d). Dies gilt jedenfalls seit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon am 01.12.2009 (e).
25 
a) Im Beschluss der Zweiten Kammer des Zweiten Senats vom 10.08.2007 (- 2 BvR 535/06, Rn. 24 f. - NVwZ 2007, 1300) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
26 
„Eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Entscheidung über die Zulässigkeit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung setzt … voraus, dass die Ausländerbehörde die Umstände der Straftat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen sorgfältig ermittelt und eingehend würdigt. Ohne die Kenntnis von Einzelheiten der Tatbegehung und der persönlichen Situation des Betroffenen können in der Regel die Auswirkungen der Ausweisung auf die Individualinteressen nicht hinreichend sicher festgestellt und in einer einzelfallbezogenen Abwägung den die Ausweisung verlangenden Interessen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden. … Im Grundsatz nicht anders als bei der Würdigung der von dem Ausländer künftig ausgehenden Gefahren im Rahmen spezialpräventiv motivierter Ausweisungen genügt es insbesondere nicht, das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu bestimmen.“
27 
In der Literatur wird die Auffassung vertreten, mit dieser inhaltlich teilweisen Neukonturierung des Anforderungsprofils habe das Bundesverfassungsgericht der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen „nicht nur die Zähne gezogen, sondern ihr - jedenfalls was eine praktische Anwendung betrifft - gleichsam auf kaltem Wege den (endgültigen) Todesstoß versetzt“ (Mayer, Systemwechsel im Ausweisungsrecht, VerwArch 2010, 507). Denn eine generalpräventive Ausweisung, die im Grundsatz nicht anders als bei einer spezialpräventiven Ausweisung auch eine Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der Umstände der begangenen Straftat verlangt und daran anschließend eine einzelfallbezogene Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit erfordert, sei in Wahrheit nichts anderes als eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen. Da das Wesen der generalpräventiven Ausweisung vor allem darin bestehe, eine Ausweisung ohne das Abstellen auf die individuelle Gefährlichkeit des Ausländers zu ermöglichen (so schon Pagenkopf, DVBl. 1975, S. 766), könne es allenfalls noch eine „generalpräventiv motivierte“ Ausweisung geben, die jedoch zugleich auch spezialpräventiv gerechtfertigt sein müsse. Ohnehin wäre eine selbständig rechtfertigende Wirkung generalpräventiver Erwägungen mit dem Garantiegehalt der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn diese schließe es aus, den Ausgewiesenen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu denaturieren und ihn als Vehikel zu benutzen, um auf andere abschreckend und damit verhaltenssteuernd einzuwirken (Mayer, a.a.O., m.w.N.). Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann hier offen bleiben. Jedenfalls bei nachhaltig „verwurzelten“ Ausländern, die sich auf den qualifizierten Schutz von Art. 8 EMRK berufen können - was nicht notwendig zugleich eine tiefgreifende „Entwurzelung“ voraussetzt -, steht der vom Bundesverfassungsgericht besonders betonte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 17.01.1979 - 1 BvR 241/77 - BVerfGE 50, 166) einer Ausweisung aus generalpräventiven Gründen aber in der Regel entgegen. Eine tragend generalpräventiv motivierte Ausweisung stellt sich bei nachhaltig „Verwurzelten“ auch im Lichte der Ausführungen des BVerfG mithin regelmäßig als unverhältnismäßig dar, sodass es an hierfür rechtfertigenden schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fehlt.
28 
b) Auch der Straßburger EGMR steht der Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Dies ergibt sich aus seiner Rechtsprechung zu Ausweisungen, die er an Art. 8 EMRK misst. Seine sogenannten Boultif/Üner-Kriterien hat er etwa im Urteil Chair vom 06.12.2007 - 69735/01 - InfAuslR 2008, 111 (Rn. 58 ff.) wie folgt zusammengefasst:
29 
„Der Gerichtshof hat bekräftigt, dass in allen Rechtssachen, die niedergelassene Zuwanderer betreffen, bei der Prüfung der Frage, ob eine Ausweisungsmaßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stand, die folgenden Kriterien heranzuziehen sind:
30 
- Die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat;
- die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll;
- die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;
- die Staatsangehörigkeit der verschiedenen Betroffenen;
- die familiäre Situation des Beschwerdeführers, wie z.B. die Dauer der Ehe, und andere Faktoren, die erkennen lassen, wie intakt das Familienleben eines Ehepaars ist;
- ob der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin von der Straftat wusste, als er bzw. sie eine familiäre Beziehung einging;
- ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und gegebenenfalls deren Alter und
- das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin in dem Land, in das der Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen wird.
31 
Im Urteil Üner hat der Gerichtshof außerdem ausdrücklich die beiden folgenden Kriterien genannt:
32 
- Die Belange und das Wohl der Kinder, insbesondere das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen Kinder des Beschwerdeführers in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, voraussichtlich begegnen werden, und
- die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland.“
33 
Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht verlangt mithin auch der Menschenrechtsgerichtshof (angesiedelt auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung), dass für eine konventionsgemäße Ausweisung zwingend eine genaue und auf den Einzelfall bezogene Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse des Betroffenen einschließlich der konkreten Umstände der begangenen Straftat getroffen und daran anschließend eine Abwägung der Individualinteressen des Ausländers mit den für die Ausweisung ins Feld geführten öffentlichen Belangen der Allgemeinheit durchgeführt wird (vgl. auch EGMR, Urteil vom 23.06.2008 - 1638/03 - Maslov). Auch dies läuft jedenfalls in rechtstatsächlicher Hinsicht sehr stark auf eine Ausweisung (nur oder nur auch) aus spezialpräventiven Gründen zu.
34 
c) Der Luxemburger EuGH hält hinsichtlich Unionsbürgern eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen schon seit 1975 für rechtswidrig, wie er erstmals im Urteil Bonsignore (Urteil vom 26.02.1975, Rs. 67/74, Rn. 7) klarstellte:
35 
„Auf die gestellten Fragen ist daher zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie Nr. 64/221 der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates entgegensteht, wenn diese zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird, das heißt, wenn sie - in der Formulierung des innerstaatlichen Gerichts - auf ‚generalpräventive‘ Gesichtspunkte gestützt wird.“
36 
Im Urteil Orfanopoulos und Oliveri (Urteil vom 29.04.2004, Rs. C-482/01 u. 493/01, Rn. 66-68) hat er dies 2004 nochmals ausführlicher dargelegt:
37 
„Maßnahmen der öffentlichen Ordnung sind nach Art. 3 der Richtlinie 64/221 nur dann gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen gestützt sind. In dieser Bestimmung heißt es, dass strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres diese Maßnahmen nicht rechtfertigen können. Wie der Gerichtshof u. a. im Urteil vom 27.10.1977 in der Rechtssache 30/77 (Bouchereau, Slg. 1977, 1999, Rn. 35) festgestellt hat, setzt die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung voraus, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
38 
Zwar kann ein Mitgliedstaat die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen, doch ist die Ausnahme der öffentlichen Ordnung eng auszulegen, so dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen kann, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (vgl. u. a. Urteil vom 19.01.1999, Rs. C-348/96, Calfa, Rn. 22-24).
39 
Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats entgegensteht, die auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt, d. h. zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird (vgl. u.a. Urteil Bonsignore, Rn. 7), insbesondere, wenn die Ausweisung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (vgl. Urteile Calfa, Rn. 27, und Nazli, Rn. 59).“
40 
d) Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Impulse aus Luxemburg aufgegriffen und seine diesbezügliche Rechtsprechung mit Urteil vom 03.08.2004 -1 C 30.02 - auch hinsichtlich der generalpräventiv begründeten Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern geändert (BVerwGE 121, 297, Rn. 24):
41 
„Die Gefährdung kann sich im Einzelfall auch allein aufgrund des abgeurteilten Verhaltens ergeben. Es besteht aber keine dahin gehende Regel, dass bei schwerwiegenden Taten das abgeurteilte Verhalten die hinreichende Besorgnis neuer Verfehlungen begründet. Eine vom Einzelfall losgelöste oder auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützte Begründung der Ausweisung ist in jedem Fall unzulässig.“
42 
Im Urteil vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - (BVerwGE 124, 243) wurde dies nochmals bekräftigt:
43 
„Das Gemeinschaftsrecht lässt eine Ausweisung ausnahmslos nur aus spezialpräventiven Gründen zu, d.h. zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, die von dem einzelnen Ausländer persönlich ausgehen, nicht aber - tragend oder auch nur mittragend - zur (generalpräventiven) Abschreckung anderer Ausländer.“
44 
Mit Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 29.02 - (BVerwGE 121, 315, Rn. 17) hat das Bundesverwaltungsgericht diese Grundsätze des unionsrechtlichen Ausweisungsschutzes auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige erstreckt, d.h. deren Ausweisungsschutz in gleicher Weise materiellrechtlich begründet und ausgestaltet wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger:
45 
„Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Übertragung der nach dem Urteil des Senats im Verfahren BVerwG 1 C 30.02 anzuwendenden Maßstäbe entgegenstehen.“
46 
Der EuGH hat die Richtigkeit dieser Entscheidung mit Urteil vom 11.11.2004 (Rs. C-467/02 - Cetinkaya) bestätigt.
47 
Seither können freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nur noch ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen darf eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt und auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet; aufenthaltsbeendende Maßnahmen dürfen daher nicht mehr aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung zum Zwecke der Generalprävention angeordnet werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - ZAR 2010, 284). Hier kann mithin kein „dringendes Bedürfnis“ mehr angenommen werden, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus „durch eine kontinuierliche Ausweisungspraxis andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten“ (so noch: BVerwG, Beschluss vom 08.05.1996 - 1 B 136.95 - InfAuslR 1996, 299).
48 
Seit der 2. EU-Osterweiterung am 01.01.2007 kommen zunächst alle Staatsangehörigen der anderen 26 Mitgliedstaaten in den Genuss dieses europarechtlichen Ausweisungsschutzes. Das sind rund 35 % aller in Deutschland lebenden Ausländer (Stand: 31.12.2009; zit. nach BAMF, Ausländerzahlen 2009, S. 12). Hinzu kommen des Weiteren wohl rund 23 % türkische Staatsangehörige (vgl. BAMF, a.a.O., S. 11), weil nur ca. 5 % der in Deutschland lebenden Türken (ca. 25 % der ausländischen Bevölkerung von insgesamt 6,7 Mio. Menschen) kürzer als sechs Jahre hier leben; über 86 % der türkischen Staatsangehörigen leben sogar länger als 10 Jahre in Deutschland (vgl. BAMF, a.a.O. S. 14). Dies bedeutet ausländerrechtlich, dass sich möglicherweise rund 95 % der hier lebenden türkischen Staatsangehörigen auf Art. 6 oder 7 ARB 1/80 berufen können (vgl. Günes, Europäischer Ausweisungsschutz, 2009, S. 49 ff.). Geht man davon aus, dass zudem ein Teil sowohl der Unionsbürger als auch der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen mit ebenfalls aufenthaltsrechtlich besonders geschützten Drittstaatern (vgl. Art. 27 Abs. 2 Unionsbürger-RL 2004/38/EG, Art. 12 Abs. 1 Daueraufenthalts-RL 2003/109/EG und Renner/Dienelt, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 FreizügG/EU, Rn. 20 ff.) familiär verbunden ist, dürfte aufgrund insbesondere der Rechtsprechung des EuGH zwischenzeitlich möglicherweise für rund zwei Drittel aller in Deutschland lebenden Ausländer ein absolutes Verbot der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen bestehen. Dies würde deren - nach Auskunft des Beklagten und Erfahrung des Senats - heute nur noch sehr geringe Praxisrelevanz schlüssig erklären. Die Frage, ob vor diesem empirisch-europarechtlichen Hintergrund auch mangels „kontinuierlicher Verwaltungspraxis“ eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen überhaupt noch abschreckende Wirkung im Sinne einer „Verhaltenssteuerung“ entfalten kann - wofür im Übrigen die Ausländerbehörde darlegungs- und beweispflichtig wäre -, sei nur am Rande gestellt. Neuere empirische Studien hierzu hat der Senat jedenfalls nicht auffinden können.
49 
e) Die Rechtsfigur der Ausweisung aus generalpräventiven Gründen beruht bis heute auf richterlicher Schöpfung, nicht aber auf einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers (vgl. GK-AufenthG, 6/2009, Vor §§ 53 ff., Rn. 1300.1, m.w.N.). Nach Überzeugung des Senats hat sie nunmehr auch bezüglich der in Deutschland nachhaltig „verwurzelten“ Ausländer ihre Berechtigung grundsätzlich verloren. Eine Anpassung ist erforderlich, um im Wege einer Gesamtschau insbesondere dem Schutz von Art. 8 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR noch besser gerecht zu werden und insoweit eine Angleichung mit der Rechtsprechung des EuGH zu erzielen. Die Personengruppe der nachhaltig „Verwurzelten“ steht Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen in mancherlei Hinsicht gleich. Da jedoch nach wie vor keine vollständige Identität der Rechtsstellung besteht, kann der Schutz vor einer tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung nur eine Grundregel darstellen.
50 
Anders als bei Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen kann bei „Verwurzelten“ demnach eine generalpräventiv begründete Ausweisung weiterhin ausnahmsweise zulässig sein, wenn ganz besonders schwerwiegende Delikte verwirklicht wurden, die in erheblichem Maße die Interessen des Staates oder der Gesellschaft gefährden. Als Maßstab aus anderen Regelungszusammenhängen kann sich - zur Fallgruppenbildung im Europäischen Rechtsraum - insoweit zum einen Art. 12 Abs. 2 der Qualifikations-RL 2004/83/EG anbieten (insbesondere „Terrorismusdelikte“; vgl. Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 3 AsylVfG Rn. 8 f.). Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es auch im europäischen Flüchtlingsrecht hier nicht auf eine gegenwärtige Wiederholungsgefahr an (EuGH, Urteil vom 09.11.2010, Rs. C-101/09 - Deutschland vs. D). Zum anderen kann der Rechtsgedanke von Art. 28 Abs. 3 Unionsbürger-RL 2004/38/EG herangezogen werden („staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte“), weil auch Unionsbürger insoweit selbst nach 10-jährigem Aufenthalt im Aufnahmestaat nur einen eingeschränkten Schutz gegen (weiterhin ausschließlich spezialpräventiv begründete) Ausweisungen genießen (EuGH, Urteil vom 23.11.2010, Rs. C-145/09 - Tsakouridis). Liegen jedoch keine vergleichbar schwerwiegenden Delikte vor, verdient derjenige, der sich in qualifizierter Weise auf Art. 8 EMRK berufen kann, insbesondere weil er in Deutschland ein nach der Rechtsprechung des EGMR nachhaltig zu schützendes Privatleben entfaltet hat, menschenrechtlich einen mit Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen vergleichbaren Ausweisungsschutz. Die weitgehende Vereinheitlichung des bisweilen nur noch schlecht überschaubaren Ausländerrechts liegt insoweit nahe.
51 
Als Stichtag bietet sich das Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon an, d.h. der 01.12.2009. Denn der Lissabon-Vertrag hebt den Prozess der europäischen Integration „auf eine neue Stufe“ (Abs. 1 EUV-Präambel) und strebt mit der Vergemeinschaftung, heute genauer „Verunionung“ (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 3 EUV) der vormaligen 3. EU-Säule die Schaffung eines europaweiten „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ an, in dem - gerade auch für die Bereiche Asyl, Einwanderung und Freizügigkeit - im Wesentlichen einheitliche Standards gelten sollen (vgl. Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 67 ff. AEUV und das Stockholmer Programm vom 11.12.2010 - ABlEU Nr. C 115/1). Auch wird mit dem gemäß Art. 6 Abs. 2 EUV angestrebten Beitritt der neu verfassten EU zur EMRK diese Konvention normhierarchisch gewissermaßen auf die höchste Stufe gestellt. Selbst das bezüglich allen nationalen Rechts anwendungsvorrangige Unionsrecht wird künftig vom EGMR am Maßstab der EMRK gemessen und, trotz EU-Grundrechtecharta, gegebenenfalls als menschenrechtswidrig eingestuft. Damit wird durch den Lissabon-Vertrag klargestellt - und mit dessen Ratifikation auch von der Bundesrepublik angestrebt -, dass in Sachen Menschenrechtsschutz der Straßburger EGMR europaweit „das letzte Wort“ haben soll (ausführlich: Bergmann, Diener dreier Herren? - Der Instanzrichter zwischen BVerfG, EuGH und EGMR, EuR 2006, S. 101). Der Straßburger Rechtsprechung ist deshalb seit 01.12.2009 noch größeres Gewicht beizumessen. Seit 01.12.2009 muss bei der dogmatischen Durchdringung und Fortbildung des mitgliedstaatlichen Rechts vom „Europäischen Rechtsraum“ her gedacht werden (v. Bogdandy, Perspektiven einer europäischen Rechtswissenschaft, in: Handlexikon der EU, 4. Aufl., Baden-Baden, sowie JZ 2011, S. 4).
52 
Als diesbezügliches Vorbild für die Erstreckung des grundsätzlichen Verbots der generalpräventiven Ausweisung auf nachhaltig „verwurzelte“ Ausländer ab 01.12.2009 sieht der Senat die rechtspolitisch in gleiche Richtung weisende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur allgemeinen Verschiebung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung. Mit Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - (BVerwGE 130, 20) hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28.08.2007 – nach der Geltung für Unionsbürger und sodann für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige – nunmehr bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich ist, was insoweit zu einer Rechtsvereinheitlichung in dem durch EGMR- und EuGH-Rechtsprechung geprägten Europäischen Rechtsraum geführt hat.
53 
3. Der Kläger ist ein in Deutschland „verwurzelter“ Ausländer und kann sich auf den Schutz von Art. 8 EMRK berufen. Der EGMR geht von einem weiten Begriff des Privatlebens aus, dessen Schutzbereich auch das „Recht auf Entwicklung einer Person“ sowie das „Recht, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt zu knüpfen und zu entwickeln“ und damit letztlich die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts - hier Deutschland - „gewachsenen Bindungen“ umfasst. Maßgebend ist, ob der Ausländer aufgrund seines (längeren) Aufenthalts über „starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte“ zum Aufnahmestaat verfügt (vgl. die im Senatsurteil vom 13.12.2010 - 11 S 2359/10 - referierte EGMR-Rechtsprechung). Im konkreten Einzelfall des Klägers ist dies nach Auffassung des Senats gegeben. Der Kläger lebt nunmehr bereits seit 14 Jahren im Bundesgebiet. Seine gesamte berufliche Entwicklung ist hier erfolgt. Hier leben enge Familienangehörige und sein Freundeskreis. Hier hat er einen Arbeitsplatz, der ihn ohne ergänzenden Sozialleistungsbezug unterhält. Hier verlebt der Kläger sein Privatleben mit seiner deutschen Partnerin.
54 
Auf die Frage der zugleich tiefgreifenden „Entwurzelung“ kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Denn auch der diesbezügliche Ausweisungsschutz von Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen besteht unabhängig davon, ob die Sprache der früheren Heimat beherrscht wird oder ob dort etwa noch Verwandte bzw. Bekannte leben. Solche Umstände können allerdings (insbesondere auf der Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung) einen noch weitergehenden Schutz gegenüber einer ausnahmsweise generalpräventiv oder aber spezialpräventiv motivierten Ausweisung begründen.
55 
Damit greift bezüglich des Klägers die oben dargelegte Regel des Verbots der tragend auf generalpräventive Gründe gestützten Ausweisung. Da keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Ausnahme von dieser Regel vorliegen (Terrorismus, staats- oder gesellschaftsgefährdende Delikte), ist seine Ausweisung gesperrt. Anders formuliert fehlt es damit im konkreten Einzelfall an den für die Ausweisung erforderlichen „schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ im Sinne von § 54 Nr. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Die allein auf generalpräventive Motive gestützte Ausweisung des Klägers ist also im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat rechtswidrig.
II.
56 
Ist die angefochtene Ausweisung aufzuheben, entfällt die nach §§ 51 Abs. 1 Nr. 5, 50 Abs. 1 AufenthG entstandene Ausreisepflicht und die dem Kläger am 28.10.2004 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgilt, lebt wieder auf. Demgemäß ist auch die im Bescheid vom 23.06.2009 verfügte unselbständige Abschiebungsandrohung aufzuheben, soweit sie sich nach der Haftentlassung nicht erledigt hat. Denn Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ist eine bestehende Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG (ebenso: Nds. OVG, Urteil vom 10.03.2011 - 8 LB 153/09 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 20.02.2009 - 18 A 2620/08 - juris).
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
58 
Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat und die Frage der Möglichkeit einer Ausweisung bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Gründen zur Herstellung einer bundeseinheitlichen Rechtslage vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden sollte. Das Bundesverwaltungsgericht ging bisher in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Straftat als Ausweisungsgrund im Sinne von § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG regelmäßig auch bei „verwurzelten“ Ausländern aus generalpräventiven Erwägungen als besonders schwerwiegend bewertet werden und ein öffentliches Interesse an der Ausweisung des Ausländers begründen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25/03 - BVerwGE 121, 356; hierauf sich berufend etwa Bay. VGH, Beschluss vom 31.01.2011 - 10 ZB 10.2868 - juris).
59 
Beschluss vom 18. März 2011
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Tilgungsfrist beträgt

1.
fünf Jahrebei Verurteilungen
a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,
b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist,
c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr,
d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist,
g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
1a.
zehn Jahrebei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn
a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt,
b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
2.
zehn Jahrebei Verurteilungen zu
a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen,
b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
d)
(weggefallen)
3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr,
4.
fünfzehn Jahrein allen übrigen Fällen.

(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.