Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 13. Apr. 2018 - 4 K 762/17.MZ

ECLI:ECLI:DE:VGMAINZ:2018:0413.4K762.17.00
bei uns veröffentlicht am13.04.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Sperrung auf den Facebook-Accounts von „ZDF Heute+“ und „ZDF“ durch den Beklagten.

2

Der Beklagte betreibt auf der Online-Plattform Facebook mehrere sogenannte Fan-Pages, auf denen er den Nutzern Zugang zu einem Teil seines Programmangebots gewährt. Zugleich erhalten die bei Facebook angemeldeten Nutzer dort die Möglichkeit, die veröffentlichten Programminhalte zu kommentieren. Für das Verfassen von Kommentaren und die Kommunikation auf seinen Fan-Pages hat der Beklagte Regeln aufgestellt und auf den Seiten veröffentlicht, die sogenannte „Netiquette“. Darin heißt es:

3

„Das Diskutieren mit Freunden und anderen Fans geht am besten mit einem freundlichen und respektvollen Umgangston. Seid nett zueinander! Jeder hat das Recht auf eine freie Meinung – im Rahmen des gesetzlich Erlaubten.“

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Dabei sind nach den Regeln der Netiquette unter anderem Beleidigungen, Drohungen und Verunglimpfungen aller Art, Aufforderungen zu Gewalt, rechtsradikales Gedankengut, Rassismus und Hasspropaganda, Verletzungen von Rechten Dritter und Kommentare, die sich nicht mit dem Thema des jeweiligen Posts beschäftigen, unerwünscht. Weiter behält sich der Beklagte das Recht vor, Kommentare auszublenden oder zu löschen, wobei Wiederholungstäter gesperrt würden.

5

Der Kläger veröffentliche im Jahr 2017 auf der Fan-Page „ZDF Heute+“ im Zusammenhang einer Diskussion über Flüchtlinge u.a. folgenden Kommentar:

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„J. B. M. J. Mir ist jeder kriminelle Ausländer lieber als so ein linkes Drecks-Geschmeiß wie Ihr! Ihr seid Abschaum den man lebendig einbetonieren sollte! Ihr seid beide so hässlich, da ist selbst die Bezeichnung Untermensch noch schmeichelhaft“

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Unter einem Videobeitrag des Beklagten zum Thema „Was ist das Nächste – Bücher verbrennen oder was? Dieser belgische Politiker spricht Klartext mit Viktor Orban“ auf der Facebook-Seite „ZDF Heute+“ kommentierte der Kläger im April 2017 außerdem u.a. wie folgt:

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„J. F.: Sie kommen nicht umhin sich als Rotfaschist bezeichnen lassen zu müssen mit Stalin im Rücken und bis zu 60 Millionen Toten! Mir geht es überhaupt nicht um den Holocaust als solchen, es ist mir scheiß egal was jemand sagt, eine Meinung ist niemals ein Verbrechen und ich wiederhole es noch einmal, jeder der so argumentiert wie Sie, ist selbst der schlimmste Faschist und das würde ihm jeder normal denkende Mensch sagen, völlig Wurscht, ob von links, mitte, rechts, oben oder unten! Genau das ist es aber was Leute wie Sie nicht begreifen wollen, sie glauben sich auf der Welle der Gerechtigkeit und Menschlichkeit und sind doch selbst nur der Abschaum desselben!“

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„G. D.: Leute wie Sie sind wirklich jämmerlich, da helfen keine Beweise. Die lange nicht mal vollständige Liste ist offenkundig und im Netz abrufbar, wie ich es oben beschrieben habe, aber das interessiert Sie nicht, tanzen Sie weiter um das goldene Kalb und bleiben Sie dumm, damit lebt es sich leichter!“

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„U. P., Sie müssen ja sogar ein gephotoshoptes Bild von sich als Profilbild nehmen, weil Sie Ihre eigene hässliche Wirklichkeit nicht wahr haben wollen… auch sehr jämmerlich und typisch für Leute ohne jeden geistigen Horizont. Sie sind ja nicht mal in der Lage den Strang hier zu lesen und zu begreifen, sonst würden Sie nicht einen solchen Müll von sich geben.

Herzlich Willkommen in der Verblödungsrepublik Deutschland, Hauptsache die Läden sind voll.“

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„J. F.: Sie sind ein hoffnungsloser Fall, mit Rotfaschisten diskutiert man nicht, die sperren Menschen weg nur für eine Meinung, und sind unfähig Ihr brunzdämliches Denken zu erkennen…“

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„J. F.: Sie glauben echt, nur weil ein ein willkürlicher Staat ein willkürliches Gesetz erlässt ist es richtig? Na dann müssen Sie auch akzeptieren, dass alle Gesetze im 3 : Reich ihre Rechtmäßigkeit hatten, übrigens eine These des großen Rechtsphilosophen Hans Kelsen.

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Wenn Sie es als rechtmäßig anerkennen, dass die BRD Leute wegen ihrer Meinung hinter Gitter bringt, müssen Sie auch akzeptieren, dass es damals rechtmäßig war, wenn der NS Staat diese erschossen hat.“

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„N. T.: Sie sind scheinbar zu minderbemittelt den Sachverhalt zu begreifen! Was haben vergangene und strafrechtlich irrelevante Dinge mit seiner Verurteilung zu 12 Jahren Gefängnis wegen einer Meinungsäußerung zu tun? Sind sie so blöd das nicht zu begreifen oder wollen Sie hier als Troll fungieren??!!“

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„U. P.: tja leider hast Du Deine Bilder nicht gesperrt und so sieht man, dass Du eigentlich fett, alt und hässlich bist :-D Deine geistige Engstirnigkeit kommt ja nun nachweislich noch dazu :-D“

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„J. F.: Ja melden, anzeigen, denunzieren, Rotfaschisten wollen morden, einkerkern, verbieten, merken Sie nicht wie Jämmerlich Sie sind Sie kleine Luschenpetze?!“

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„N. G.: Lenken Sie doch nicht vom Thema ab, es geht hier nur um Fakten!!! Aber Fakten interessieren Sie nicht, denn Sie sind ein Demagoge, ein linker übler Demagoge der Andersdenkende einsperren und ihre Schriften verbieten lassen will, ein Rotfaschist halt – ich hasse und verachte Sie mit aller Inbrunst! :-)“

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„N. G.: Sie sind keine Deut besser als ein Julius Streicher, Sie hätten als einer der fleißigsten Juden verfolgt und ermordet, denn Ihr geistiges Schema ist das selbe! Sie haben hiermit zugegeben und es für gut befunden, das Andersdenkende verfolgt, eingesperrt und ihre Schriften verboten werden. Sie sind der neue Faschismus!

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Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“, nein. Er wird sagen: „Ich bin der Antifaschismus“!“

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Im Übrigen lässt mich ihre Aufzählung kalt, kein einziger der Punkte trifft auf mich zu, auch wenn Sie es gerne so sehen wollen, so wie Sie ja alles nur so sehen, wie es ihnen in den rotfaschistischen Kragen passt! :-D

21

Eines gebe ich zu., wenn das Rad der Geschichte sich weiter dreht und Rotfaschisten wie Sie wieder an den Bäumen hängen, werde ich es lächelnd zur Kenntnis nehmen! :-D“

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„J. F.: Das passt doch auch wunderbar zu Rotfaschisten: melden, petzen, denunzieren, aber nur nicht, mit der Meinung auseinandersetzen, das strengt das bolschewistische Dreckshirn zu sehr an :-D“

23

„M. S. Noch ne rotfaschistische Antifaschnalle“

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Daraufhin wurde der Kläger am 27. April 2017 durch den Beklagten auf der Fan-Page „ZDF Heute+“ gesperrt. Die Sperrung bewirkt, dass der Kläger außerhalb seines Facebook-Profils die Facebook-Seite des Beklagten zwar weiterhin besuchen und auf die dort bereitgestellten Programminhalte zugreifen, er aber die geposteten Programmbeiträge nicht mehr kommentieren kann.

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Der Kläger forderte den Beklagten mit E-Mail vom 27. April 2017 auf, seinen Account auf der Fan-Page „ZDF Heute+“ wieder freizuschalten, da die Sperre grundlos erfolgt sei.

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Der Kläger veröffentlichte im letzten Jahr außerdem auf der Facebook-Seite „ZDF“ folgende Kommentare:

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„Das liegt dann aber an ihren geistigen Defiziten sich mit anderen Meinungen nicht auseinandersetzen zu können!“

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„So wie wir unsere Zeit nicht mit kinderlosen Vaterlandsverrätern wie Euch verschwenden sollten.“

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„Das nennt man natürliche Auslese, die Mutigen ins Töpfchen, die Schuldkultigen in die Tonne“

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Unter einen Beitrag zum Thema „Ehe für alle“ kommentierte der Kläger am 28. Juni 2017 auf der Fan-Page „ZDF“ u.a. wie folgt:

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„T. W.: sie können auch bei allen Tierarten Behinderungen feststellen und trotzdem sind Behinderungen wider die Natur!! Nur weil Homosexualität vorkommt heißt es nicht, dass sie von der Natur gewollt ist! Homosexualität ist ein genetischer Fehler, da können Sie schönreden wie sie wollen!“

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„A.-P. P.: Sie sind auf den Niveau des Mittelalters, als man trotz klarer Beweise weiterhin daran festhielt, die Erde wäre eine Scheibe - - - und nur weil man es so denken wollte, so wie Sie.:-D Sie meinen also allen Ernstes, nur weil etwas vorkommt, wäre es von der Natur gewollt? Das ist ja mal eine Schwachmatenlogik! :-D :-D :-D Jemand der meint Homosexualität würde irgend einen natürlichen Sinn ergeben und wäre seitens der Natur gewollt, gehört für mich in die nächste psychiatrische Anstalt! :-D Dann sollten wir auch den produzierten industriellen Ausschuss in Umlauf bringen, der wurde dann ja auch von der Natur gewollt :-D :-D :-D Und es geht mir nicht um Pro oder Contra von Schwulen, sondern um die Benennung von Fakten!!! Genau das was Leute wie Sie nicht interessiert! :-D“

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„Und hier für alle noch mal zum Mitschreiben: Homosexualität ist ein genetischer Fehler, der von der Natur nicht beabsichtigt ist, sonst wären ja auch sämtliche Behinderungen beabsichtigt, nur weil sie in der Natur vorkommen! Ihr könnt euch gerne gegenseitig anal penetrieren, so oft ihr wollt, aber behauptet nie, dass das normal wäre!!!“

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Schließlich veröffentlichte der Kläger auf der Facebook-Seite „ZDF“ unter einen Beitrag zum Thema „Babyboom und fehlende Kreißsäle“ folgende Kommentare:

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„Mit einer offensichtlich dämlichen Frage kann man sich auch als Volldepp outen!“

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„H. M. A.: Wer dämliche Fragen versucht mit Sarkasmus zu erklären, ist noch dämlicher als durch die dämliche Frage ohnehin schon zu vermuten.“

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„Bla bla bla… Sie wollen die Problematik nicht verstehen, deshalb tragen Sie persönlich mit ihren Glaubensgenossen die Hauptverantwortung für die Umvolkung in Deutschland!“

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„K. S.: die fehlenden geistigen Kapazitäten sind doch ganz offensichtlich auf ihrer Seite zu verorten! Wenn sie „Umvolkung“ und „Glaubensgenossen“ für Fremdwörter halten, spricht das eindeutig für diese Annahme.“

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„V. R.: Sie sind typische Kommunistin, alles gleich machen, genau das jedoch ist Rassismus, Sie sind ein Rassist! Wer die Unterschiede der Völker und Kulturen negiert, ist ein blinder ideologisch vernagelter Honk und Rassist!

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Komisch, bei Hunden die auch alle vom Wolf abstammen, würden sie nie auf die dämliche Idee kommen, einen Rehpinscher auf die selbe Stufe wie einen Schäferhund zu stellen, da dürfen es dann plötzlich verschiedene Rassen sein, deren Merkmale auch fein säuberlich erhalten werden. Leute wie Sie sind abgrundtief verlogen und lächerlich!

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Ich hoffe, Sie bekommen von Ihren Lieblingen aus dem Morgenland bald spürbar gezeigt, wie unterschiedlich Menschen sein können!!! :-D :-D :-D“

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Daraufhin wurde der Kläger im Juni 2017 durch den Beklagten auch auf der Fan-Page „ZDF“ gesperrt.

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Der Beklagte wies den Kläger mit E-Mail vom 3. Juli 2017 darauf hin, dass der Account gesperrt worden sei, da er sich nicht an die auf der Facebook-Seite des Beklagten geltende Netiquette gehalten habe, indem er andere Personen beleidigt habe. Es bestehe kein juristischer Anspruch auf Freischaltung auf den Facebook-Seiten des Beklagten.

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Der Kläger wandte sich mit E-Mail vom 3. Juli 2017 gegen die Anschuldigung, er hätte andere Personen im Sinne einer strafrechtlichen Relevanz beleidigt. Seine Aussagen seien vielmehr absichtlich missinterpretiert worden.

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Der Kläger hat am 12. Juli 2017 Klage erhoben. Er trägt vor, er sei unberechtigt auf den Facebook-Accounts von „ZDF Heute+“ und „ZDF“ gesperrt worden. Auch seien seine kritischen Postings unberechtigt gelöscht worden. Verantwortlich für die Sperren sei allein der Beklagte und nicht Facebook. Die Beziehungen zwischen dem Beklagten und Facebook sowie zwischen dem Kläger und Facebook seien dagegen rechtlich unerheblich. Die Vorgehensweise des Beklagten entziehe sich jeder Kontrolle und Rechtsgrundlage, da dieser als Betreiber öffentlich-rechtlicher Sender niemanden von seinem Angebot – auch nicht teilweise – ausschließen dürfe. Bei dem beklagten Fernsehsender handele es sich um öffentlich-rechtliches Eigentum. Der Beklagte müsse im Hinblick auf den Rundfunkstaatsvertrag sein komplettes Angebot vollumfänglich und uneingeschränkt öffentlich zur Verfügung stellen und dürfe dieses für niemanden einschränken. Zu diesem öffentlich-rechtlichen, dem Rundfunkstaatsvertrag unterliegenden, Programm- und Informationsangebot des Beklagten gehörten eindeutig auch die vom Beklagten betriebenen Facebook-Präsenzen sowie die nur dort angebotene Möglichkeit, Berichte des Beklagten und Postings zu kommentieren und mit anderen Nutzern zu diskutieren. Die Bezeichnung Fan-Page sei deshalb irreführend und unzutreffend. Dies folge auch daraus, dass die Inhalte direkt auf Facebook publiziert würden und nicht lediglich auf andernorts veröffentlichte Inhalte verwiesen werde. Das Facebook-Angebot bekomme außerdem eine im Vergleich zum sonstigen Programm besondere Stellung durch die Kommentier- und Diskussionsmöglichkeit, die auf den eigenen Webseiten des Beklagten weder verfügbar sei noch genutzt werde. Diese Funktion stelle aufgrund der enorm großen Verbreitung von Facebook einen ganz wesentlichen Bestandteil des Angebots des öffentlich-rechtlichen Senders ZDF dar, von dem der Beklagte niemanden willkürlich aussperren dürfe. Deswegen könne der Kläger auch nicht auf die uneingeschränkte Nutzbarkeit des Angebots des Beklagten auf dessen eigener Webseite verwiesen werden. Der Ausschluss eines deutschen Staatsbürgers auch nur aus Teilbereichen des Angebots eines öffentlich-rechtlichen Senders sei nicht vorgesehen; dies gelte insbesondere, wenn der Betroffene – wie der Kläger – seine Beiträge immer entrichtet habe und dafür die volle Gegenleistung erwarten dürfe. Der Beklagte könne sich auch nicht auf ein virtuelles Hausrecht berufen. Er verstoße vielmehr gegen das in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, indem er auf seinen Facebook-Accounts unliebsame Meinungen lösche und Personen, die aus seiner Sicht unliebsame Meinungen verträten, von der öffentlichen Diskussion ausschließe. Dies komme einer Zensur gleich, die nach Art. 5 Abs. 1 GG untersagt sei. Keinerlei rechtliche Bedeutung komme dabei der sogenannten Netiquette zu, da sie nicht Bestandteil eines Vertrags zwischen dem ZDF und den Beitragszahlern sei oder sein könne. Der Beklagte dürfe nicht willkürliche Regeln für die Nutzung seiner Angebote auf Facebook erstellen, die vom Rundfunkstaatsvertrag, dem Grundgesetz oder sonst einem Gesetz abweichen würden. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die Netiquette zwar rechtsradikales, nicht aber linksradikales Gedankengut als unerwünscht aufliste und ausschließe. Offen bleibe auch, wann ein Gedankengut rechtsradikal sei. Durch die schwammige Definition werde Tür und Tor für willkürliche Ausgrenzungen geöffnet. Die vom Kläger getätigten Äußerungen seien weder strafrechtlich noch sonst juristisch relevant, sie hätten dem jeweiligen Moderator lediglich politisch missfallen. Dies könne aber nicht Grundlage einer Entscheidung mit einer solchen Tragweite für den Kläger sein. Insoweit werde auch bestritten, dass die vom Beklagten vorgelegten Äußerungen überhaupt der Grund für die Sperre gewesen seien. Der vom Beklagten vorgelegten Auflistung der Kommentare sei weder zu entnehmen, in welchem Jahr und auf welcher Präsenz des Beklagten der Kläger die Äußerungen getätigt habe noch sei die Gesamtkommunikation ersichtlich. Im Übrigen seien die Äußerungen rechtlich nicht angreifbar und von der Meinungsfreiheit gedeckt. Konkrete Beleidigungen seien nicht ersichtlich. Die Kommentare seien willkürlich interpretiert und aus dem Zusammenhang gerissen worden und könnten ohne den gesamten Schriftverkehr nicht bewertet werden. Weiter handele es sich bei den Personen J. F., P. Z. und N. G. um Fake-Profile, die mutmaßlich zu einer Gruppe Linksradikaler gehörten, die gezielt Diskussionen provozieren und hierbei auf Beleidigungen zurückgreifen würden. Dennoch seien diese Personen nicht gesperrt worden. Die Vorgehensweise des Beklagten sei einseitig, offensichtlich ideologisch motiviert und damit willkürlich. Die Doppelmoral des Beklagten zeige sich auch daran, dass das Schmähgedicht von Jan Böhmermann vom Beklagten protegiert werde. Schließlich sei es im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Kommunikation auf den Seiten öffentlich-rechtlicher Medien inakzeptabel, jemanden, der sich irgendwann einmal in der Hitze des Gefechts im Ton vergriffen habe, einer lebenslangen Sperre zu unterwerfen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, die gegen ihn verhängten Sperren auf den Facebook-Accounts von „ZDF Heute Plus“ und „ZDF“ je nach Portal getrennt zu beseitigen und ihm wieder im vollem Umfang Zugang auf dem öffentlich-rechtlichen Angebot von „ZDF Heute Plus“ und „ZDF“ auf Facebook ohne Einschränkungen zu gewährleisten.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor, es sei bereits zweifelhaft, ob der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Die Nutzung der Plattform Facebook werde nicht durch öffentlich-rechtliche Normen bestimmt. Vielmehr würden sich die Rechte und Pflichten hinsichtlich der Nutzung von Facebook aus zivilrechtlichen Verträgen ergeben, die sowohl der Kläger als auch der Beklagte mit der Facebook ltd. abgeschlossen hätten. Auch ein etwaiges „virtuelles Hausrecht“ auf den Fan-Pages des Beklagten sei durch die Rechtsprechung allein auf Grundlage zivilrechtlicher Normen konstruiert worden. Jedenfalls handele es sich bei der begehrten Freischaltung auf den Facebook-Seiten nicht um einen Verwaltungsakt, da der Beklagte insoweit weder als Behörde handele noch auf Grundlage öffentlich-rechtlicher Normen. Soweit der Kläger demnach einen Realakt begehre, dürfte allenfalls die allgemeine Leistungsklage einschlägig sein. Es sei aber bereits zweifelhaft, ob eine Verletzung subjektiver Rechte und damit die erforderliche Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog ausreichend behauptet worden sei. Es sei keine Anspruchsgrundlage erkennbar, die einen positiven Anspruch auf Zugang zu den Facebook-Seiten des Beklagten vermittele. Einen solchen Anspruch würde der Beklagte ohnehin nicht uneingeschränkt erfüllen können, da die Plattform Facebook von ihm selbst nicht betrieben werde und der Zugang zu den Fan-Pages von vertraglichen Beziehungen mit der Plattform abhänge. Schließlich sei die Sperrung im Hinblick auf die vom Kläger getätigten Kommentare aber jedenfalls gerechtfertigt. Der Kläger habe andere Nutzerinnen und Nutzer beleidigt und deren Rechtsposition beeinträchtigt. Er habe sich ferner in hasserfüllter Weise und in nicht angemessener Sprache zu dem Thema Homosexualität geäußert. Aufgrund der wiederholten Verstöße sei es für den Beklagten nicht zumutbar gewesen, die weitere Nutzung der Fan-Pages durch den Kläger zuzulassen. Dies ergebe sich letztlich auch aus einem „virtuellen Hausrecht“. Ohnehin stünden dem Kläger aber weiterhin die von dem Beklagten unmittelbar betriebenen Telemedienangebote unter zdf.de ohne jegliche Einschränkung zur Verfügung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen, die dem Gericht vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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I. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – eröffnet. Eine Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich und es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art.

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Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, bestimmt sich nach der Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. OVG RP, Beschluss vom 3.11.2014 – 2 E 10685/14 –, MMR 2015, 142 und juris Rn. 5). Der Kläger macht einen Anspruch auf Beseitigung der vom Beklagten vorgenommenen Sperrungen des Klägers auf den Facebook-Accounts „ZDF Heute+“ und „ZDF“ verbunden mit einem Anspruch auf Zugang zu diesen Angeboten geltend. Das zugrundeliegende Rechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur. Dies gilt zunächst, wenn unmittelbar auf einen etwaigen Anspruch des Klägers auf uneingeschränkten Zugang zu den Facebook-Accounts des Beklagten abgestellt wird (1.). Nichts anderes ergibt sich aber auch dann, wenn primär ein Anspruch auf Beseitigung der Sperren in den Blick genommen wird (2.).

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1. Die Rechtsnatur eines etwaigen Anspruchs des Klägers auf Zugang zu den Facebook-Accounts des Beklagten ist öffentlich-rechtlicher Natur, da es sich bei der dort angebotenen Kommentierungsfunktion um eine (virtuelle) öffentliche Einrichtung handelt. Streitigkeiten über den Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung sind selbst dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die konkrete Ausgestaltung privatrechtlich geregelt ist (vgl. z.B. Reimer, in: BeckOK VwGO, Stand: 1.1.2018, § 40 Rn. 50a; so für einen vergleichbaren Fall ausdrücklich VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 13 ff.), so dass es insoweit auch nicht auf die konkrete Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse mit der privatrechtlichen Gesellschaft Facebook ltd. ankommt.

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Es handelt sich bei den Facebook-Seiten des Beklagten um eine (virtuelle) öffentliche Einrichtung gerade insoweit, als den angemeldeten Facebook-Nutzern darauf die Möglichkeit eröffnet wird, die Postings und Angebote des Beklagten zu kommentieren. Eine öffentliche Einrichtung ist eine Zusammenfassung personeller und sachlicher Mittel, die ein Träger öffentlicher Verwaltung in Erfüllung einer in seinen Wirkungskreis fallenden Aufgabe einem bestimmten Kreis der Öffentlichkeit durch (ausdrückliche oder schlüssige) Widmung im Rahmen ihres Nutzungszwecks zur Benutzung zur Verfügung stellt. Die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung sind hier erfüllt, so dass es sich jedenfalls um eine öffentliche Einrichtung im untechnischen Sinne handelt (vgl. VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 14; zur öffentlichen Einrichtung im untechnischen Sinne BVerwG, Urteil vom 19.2.2015 – 1 C 13/14 –, BVerwGE 151, 228 und juris Rn. 28; allgemein für staatliche Internetportale vgl. Frevert/Wagner, NVwZ 2011, 76, 79; für kommunal betriebene Internetseiten, -foren oder -plattformen vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2015 – 15 A 86/14 –, MMR 2015, 775 und juris; VG Münster, Urteil vom 19.11.2013 – 1 K 1589/12 –, juris Rn. 14; Manns, in: PdK RP, GemO § 14 Rn. 4 f.; Boehme-Neßler, NVwZ 2001, 374, 379; Schmehl/Richter, JuS 2005, 817, 820).

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a) Der Beklagte ist als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZDF-Staatsvertrag) Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung und kann damit grundsätzlich auch Betreiber einer öffentlichen Einrichtung sein.

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b) Der Beklagte erfüllt mit dem Angebot der Facebook-Seiten eine in seinen Wirkungskreis fallende öffentliche Aufgabe (vgl. auch VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 14). Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrags – RStV – die Aufgabe zugewiesen, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Zu den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zählen nach § 11a Abs. 1 RStV neben den Rundfunkprogrammen (Hörfunk- und Fernsehprogramme) auch Telemedien, die nach § 11d Abs. 1 RStV journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sein müssen. Hierdurch soll allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglicht, Orientierungshilfe geboten sowie die technische und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen und von Minderheiten gefördert werden (vgl. § 11d Abs. 3 Satz 1 RStV). Dabei bieten die Rundfunkanstalten ihre Angebote u.a. in elektronischen Portalen an (vgl. § 11d Abs. 4 RStV), wobei bestimmte Angebotsformen in Telemedien für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten nicht zulässig sind (vgl. § 11d Abs. 5 RStV und Anlage 4 zum RStV). Nach § 11d Abs. 5 RStV i.V.m. Ziffer 17 der Anlage 4 zum RStV sind insbesondere Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung unzulässig (vgl. auch Ziffer VIII. Abs. 5 Satz 1 der Richtlinien für die Sendungen und Telemedienangebote des „Zweiten Deutschen Fernsehens“ vom 11. Juli 1963 in der Fassung des Änderungsbeschlusses des Fernsehrates vom 11. Dezember 2009). Um ein solches unzulässiges Forum handelt es sich hier jedoch nicht, da sowohl ein Sendungsbezug als auch eine redaktionelle Begleitung bestehen. Die für die angemeldeten Facebook-Nutzer geöffnete Kommentarfunktion bezieht sich auf bestimmte, vom Beklagten gepostete Sendungen. Die Sendungen sind redaktionell gestaltet und auch die Nutzung der Kommentarfunktion wird durch Moderatoren redaktionell begleitet. Aus dieser redaktionellen Begleitung folgt letztlich auch, dass es sich nicht lediglich um eine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattform handelt, für deren Inhalt keinerlei staatliche Verantwortung übernommen wird (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 19.2.2015 – 1 C 13/14 –, BVerwGE 151, 228 und juris Rn. 27).

59

c) Der Beklagte hat die eigenen Inhalte auf seinen Facebook-Seiten der Allgemeinheit und die Kommentarfunktion allen bei Facebook angemeldeten Nutzern zur Benutzung im Rahmen des Nutzungszwecks zur Verfügung gestellt (vgl. VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 14) und damit konkludent für einen bestimmten Nutzungszweck gewidmet. Der Nutzungszweck ist dabei durch die vorbezeichneten, im Rundfunkstaatsvertrag beschriebenen öffentlichen Aufgaben des Beklagten vorgeprägt und ergibt sich in dem so vorgegebenen Rahmen insbesondere aus der auf den Facebook-Seiten des Beklagten veröffentlichten „Netiquette“, die zugleich als Benutzungsordnung fungiert. Darin heißt es:

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„Hier möchten wir mit Euch kommunizieren und interagieren. Lobt, kritisiert und kommentiert unser Angebot. … Haltet Eure Kommentare in Deutsch, damit sich jeder am Austausch beteiligen kann. Das Diskutieren mit Freunden und anderen Fans geht am besten mit einem freundlichen und respektvollen Umgangston.“

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Nutzungszweck ist also die – angebotsbezogene – Kommunikation und Interaktion des Beklagten mit den Nutzern, sowie das Diskutieren der Nutzer untereinander.

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d) Entgegen der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Februar 2015 (1 C 13/14) die zulässigen Nutzungszwecke einer virtuellen öffentlichen Einrichtung schließlich nicht auf staatliches Informationshandeln beschränkt. Der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegende Fall betraf zwar staatliches Informationshandeln, eine diesbezügliche Beschränkung ist dem Urteil aber nicht zu entnehmen.

63

2. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt auch dann vor, wenn primär auf die begehrte Beseitigung der vom Beklagten vorgenommenen Sperrungen des Klägers auf den betreffenden Facebook-Accounts abgestellt wird. Insoweit macht der Kläger im Kern einen (Folgen-)Beseitigungsanspruch geltend. Ein Beseitigungsanspruch kann grundsätzlich öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sein, da neben dem Privatrecht auch das öffentliche Recht Abwehr- und (Folgen-)Beseitigungsansprüche gewährt, die in dem jeweils angegriffenen Rechtsgut und seinem öffentlich-rechtlichen Schutz ihre Grundlage finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.11.1973 – IV C 36/72 –, NJW 1974, 817). Die Rechtsnatur der Streitigkeit bestimmt sich dann nach der Rechtsnatur des dem Beseitigungsanspruch zugrundeliegenden Eingriffs. Dieser ist hier öffentlich-rechtlich, da der Beklagte mit der Sperre sein „virtuelles Hausrecht“ zur Sicherung des Nutzungszwecks ausgeübt hat.

64

Ein von einem Träger öffentlicher Verwaltung – im realen, nicht virtuellen Raum – verhängtes Hausverbot dient nämlich im Regelfall der Sicherung der widmungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung einer öffentlichen Einrichtung und ist daher als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14.3.2014 – 7 D 10039/14 –, juris Rn. 4 m.w.N.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.8.2017 – 3 O 161/17 –, juris Rn. 8); darauf, ob die Störung, die Anlass für das Hausverbot gewesen ist, anlässlich privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Vorgänge erfolgt ist, kommt es dagegen nicht an (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.8.2017 – 3 O 161/17 –, juris Rn. 8).

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Nichts anderes gilt hier. Bei den Facebook-Präsenzen des Beklagten handelt es sich, jedenfalls soweit dort für angemeldete Facebook-Nutzer die Möglichkeit eröffnet wird, Postings des Beklagten zu kommentieren, wie bereits festgestellt um eine öffentliche Einrichtung. Hinsichtlich dieser öffentlichen Einrichtung verfügt der Beklagte gegenüber den Nutzern über ein „virtuelles Hausrecht“ (a), das mit den Sperrungen des Klägers zur Sicherung des Nutzungszwecks eingesetzt wurde (b). Keine Rolle spielt es entgegen der Auffassung des Beklagten daher, dass in der Literatur zum virtuellen Hausrecht bislang ausschließlich Fallgruppen diskutiert wurden, die ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zum Gegenstand hatten.

66

a) Der Beklagte verfügt hinsichtlich seiner Facebook-Präsenzen über ein „virtuelles Hausrecht“ (so ausdrücklich auch VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 19). Ein virtuelles Hausrecht besteht hier – was offen bleiben kann – entweder als notwendiger Annex zur Sachkompetenz des Beklagten zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben, indem es Voraussetzung für deren ordnungsgemäße Erfüllung ist (vgl. zum Hausverbot im nicht-virtuellen Raum etwa OVG NRW, Beschluss vom 13.5.2011 – 16 E 174/11 –, juris Rn. 13 ff.; OVG NRW, Urteil vom 14.10.1988 – 15 A 188/86 – juris Rn. 7) oder es kann aus Gewohnheitsrecht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.5.2011 – 7 B 17/11 –, NJW 2011, 2530 und juris Rn. 8) oder aus einer (doppelt) analogen Anwendung der §§ 858 ff., 903, 1004 Abs. 1 BGB hergeleitet werden. Hinsichtlich einer analogen Anwendung der zivilrechtlichen Eigentums- und Besitzschutzregelungen ergibt sich eine planwidrige Regelungslücke hier daraus, dass der aus dem 19. Jahrhundert stammende Sachbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu einer Lücke in den Abwehrrechten des Forumbetreibers führt (vgl. Maume, MMR 2007, 620, 623 für das privatrechtliche virtuelle Hausrecht). Auch ist die Interessenlage des Forumbetreibers mit der eines Eigentümers oder eines Besitzers vergleichbar. Insbesondere ähnelt das Verhältnis des Beklagten zu seinen Angeboten auf den Facebook-Seiten hier jedenfalls dem Verhältnis eines Besitzers zu seinem Besitz. So ist etwa die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Beklagten auf seine Facebook-Accounts der eines Besitzers auf seinen Besitz durchaus vergleichbar. Der Beklagte hat die Funktionsherrschaft über inhaltliche Änderungen inne, da er die geposteten Programminhalte bestimmt. Außerdem besitzt er – wenn auch teils neben der Facebook ltd. – weitgehende Administratorenrechte. Insbesondere kann er auf Grundlage einer autonomen Entscheidung Kommentare löschen oder Nutzer vom Zugang zu der Kommentarfunktion sperren oder auch wieder freischalten (vgl. dazu Maume, MMR 2007, 620, 623; kritisch bzgl. kommunaler Internet“räume“ dagegen Schmehl/Richter, JuS 2005, 817, 821).

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b) Die Ausübung des „virtuellen Hausrechts“ durch die vorgenommene Sperrung des Klägers bzw. das „virtuelle Hausverbot“ diente hier auch nicht sonstigen Zwecken, sondern der Sicherung des Zwecks der Einrichtung. Nutzungszweck ist, wie bereits ausgeführt, die angebotsbezogene Kommunikation und Interaktion mit den Nutzern, sowie das Diskutieren der Nutzer untereinander. Durch die Sperrung des Klägers sollten Störungen dieser Interaktion durch Verletzungen von Kommunikationsteilnehmern in ihren Persönlichkeitsrechten verhindert werden.

68

3. Der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs steht hier schließlich nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach für Unterlassungsansprüche der von Sendungen einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in ihren Persönlichkeitsrechten betroffenen Bürger der Zivilrechtsweg eröffnet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.6.1994 – 7 B 48/94 –, NJW 1994, 2500 und juris). Danach könne aus dem bloßen Umstand, dass die Rundfunkanstalten öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllen, noch nicht geschlossen werden, dass eine durch die Programmgestaltung erfolgte Verletzung von Persönlichkeitsrechten Dritter öffentlich-rechtliche Abwehransprüche dieser Dritten auslöse. Vielmehr seien die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur deshalb in dieser Form gesetzlich organisiert worden, um in einer vom Staat unabhängigen Weise die Verwirklichung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit zu ermöglichen. Für die Verwirklichung dieses Grundrechts bedürfe es jedoch im Hinblick auf mögliche Kollisionen mit den Persönlichkeitsrechten Dritter keines Sonderrechts für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, weshalb auch keine Veranlassung bestehe, die öffentlich-rechtlich organisierten Anstalten vom Anwendungsbereich der für diese Art von Grundrechtskollisionen bereitstehenden und durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung im Einzelnen näher ausgeformten Normen der Privatrechtsordnung auszunehmen, weshalb insoweit der Zivilrechtsweg eröffnet sei (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.6.1994 – 7 B 48/94 –, NJW 1994, 2500 und juris Rn. 3). Vorliegend geht es aber gerade nicht um Abwehransprüche eines Dritten wegen Verletzungen von Persönlichkeitsrechten durch die Programmgestaltung. Vielmehr hat der Beklagte auf der Grundlage der Aufgabenzuweisung im Rundfunkstaatsvertrag eine öffentliche Einrichtung geschaffen und den Kläger durch die Sperrung von einem Zugang zu dieser ausgeschlossen. Die Natur dieses auf den Zugang bezogenen Rechtsverhältnisses ist nach den dargestellten Grundsätzen öffentlich-rechtlich.

69

II. Die Klage dürfte als allgemeine Leistungsklage zulässig sein (vgl. VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 16). Bei der begehrten Aufhebung der Sperrungen dürfte es sich wie bei den Sperren selbst als deren actus contrarius nicht um Verwaltungsakte, sondern um Realakte handeln. Im Gegensatz zu einem Hausverbot im realen Raum waren die Sperren hier nicht darauf gerichtet, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. Rechte des Betroffenen unmittelbar zu begründen, zu ändern, aufzuheben, mit bindender Wirkung festzustellen oder zu verneinen. Gegenüber dem Kläger wurde auch kein Ge- oder Verbot ausgesprochen. Vielmehr wird mit den Sperrungen – vergleichbar einem Verschließen der Tür vor einem Besucher – eher ein tatsächlicher Erfolg bewirkt, indem der Kläger rein faktisch keine Kommentare mehr schreiben kann. Im Übrigen bedarf auch die grundsätzliche Zulassung zu den Facebook-Präsenzen des Beklagten keiner besonderen Zulassungsentscheidung in Form eines Verwaltungsakts, da grundsätzlich jeder bei Facebook angemeldete Nutzer Zugang zu der Kommentierungsfunktion hat.

70

III. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Sperrungen bzw. Freischaltung seiner Accounts. Die Sperren des Klägers auf den Facebook-Accounts des Beklagten „ZDF Heute+“ und „ZDF“ sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Sperren bzw. Freischaltung seiner Accounts besteht weder in Form des öffentlich-rechtlichen (Folgen-)Beseitigungsanspruchs (1.) noch als allgemeiner Zugangsanspruch (2.).

71

1. Der Kläger hat keinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gerichtet auf die Beseitigung der Sperren als rechtswidrige Folge einer Amtshandlung des Beklagten.

72

Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, der ungeachtet seiner umstrittenen Herleitung aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) oder den jeweils betroffenen Freiheitsgrundrechten, jedenfalls allgemein anerkannt ist, setzt voraus, dass durch eine rechtswidrige hoheitliche Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist; der Anspruch richtet sich grundsätzlich auf die Wiederherstellung des Zustandes, der im Zeitpunkt des rechtswidrigen Eingriffs bestand (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.2.2015 – 1 C 13/14 –, BVerwGE 151, 228 und juris Rn. 24). Durch die Sperrung des Klägers auf den Facebook-Accounts des Beklagten werden zwar subjektive Rechte des Klägers beeinträchtigt (a), der Eingriff ist jedoch ebenso wie der hierdurch geschaffene Zustand rechtmäßig (b).

73

a) Durch die Sperre auf den Facebook-Accounts des Beklagten wird der Kläger in seinen subjektiven Rechten – namentlich in dem Recht auf Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG – beeinträchtigt.

74

aa) Grundsätzlich besteht ein Anspruch des Klägers auf Zugang zu der Kommentierungsfunktion der Facebook-Accounts „ZDF Heute+“ und „ZDF“ des Beklagten. Indem der Beklagte eine öffentliche Einrichtung geschaffen und den Zugang im Rahmen des Nutzungszwecks für die angemeldeten Facebook-Nutzer geöffnet hat, ist er aus Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet, einen gleichberechtigten Zugang zu gewähren (so auch VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 17). Der Beklagte ist als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZDF-Staatsvertrag) Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung und damit grundsätzlich an die Grundrechte gebunden und möglicher Adressat eines Anspruchs auf gleichberechtigte Teilhabe (zu einem etwaigen, aus der Kunstfreiheit hergeleiteten Teilhabeanspruch gegen eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.15.2003 – 1 BvR 2378/03 –, ZUM 2004, 306 und juris Rn. 6). In dieses subjektive Recht des Klägers auf Zugang hat der Beklagte durch die Sperren eingegriffen (vgl. Frevert/Wagner, NVwZ 2011, 76, 79; speziell zu kommunalen Internetangeboten Boehme-Neßler, NVwZ 2001, 374, 379).

75

bb) Die Kommentare des Klägers auf den Facebook-Präsenzen des Klägers „ZDF Heute+“ und „ZDF“, die Anlass für die Sperren gewesen sind, unterfallen außerdem dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG (1) und der Beklagte ist in vorliegendem Kontext auch an die Grundrechte gebunden (2).

76

(1) Die Kommentare des Klägers auf den Facebook-Seiten des Beklagten sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG geschützt. Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen, unterfallen der Meinungsfreiheit (vgl. nur BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8.2.2017 – 1 BvR 2973/14 –, K&R 2017, 327 und juris Rn. 13). Bei den Kommentaren des Klägers handelt es sich unzweifelhaft um Meinungen, die sich durch Elemente der Stellungnahme oder des Dafürhaltens kennzeichnen. Dabei schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen, sondern gerade Kritik darf pointiert, polemisch, überspitzt oder auch verletzend erfolgen, auch wenn eine solche Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. nur BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8.2.2017 – 1 BvR 2973/14 –, K&R 2017, 327 und juris Rn. 14; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12.5.2009 – 1 BvR 2272/04 –, WRP 2009, 943 und juris Rn. 27).

77

Der Beklagte hat durch die Sperren in die Meinungsfreiheit des Klägers eingegriffen, indem er diesem hierdurch die Möglichkeit genommen hat, seine Meinung auf den Facebook-Accounts des Beklagten weiter kundzutun und sich an den dortigen Diskussionen zu beteiligen.

78

(2) Der Beklagte unterliegt entgegen seinem Vorbringen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung nicht nur in Bezug auf Art. 3 GG, sondern auch hinsichtlich Art. 5 Abs. 1 GG. Zwar trifft es zu, dass der Beklagte im Verhältnis zum Staat selbst Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG und damit insoweit grundrechtsberechtigt ist. Da er als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZDF-Staatsvertrag) aber auch Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung ist, ist er gleichzeitig im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich unmittelbar an die Grundrechte gebunden, wenn auch das besondere Spannungsverhältnis zwischen der Grundrechtsbindung und der Grundrechtsträgerschaft des Beklagten hinsichtlich der Rundfunkfreiheit in seiner besonderen Ausprägung der Programmfreiheit besonders zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.15.2003 – 1 BvR 2378/03 –, ZUM 2004, 306 und juris Rn. 6; Hillgruber, in: BeckOK GG Art. 1 Rn. 67; Gurlit, NZG 2012, 249, 252); diesem Spannungsverhältnis kann allerdings auf der Rechtfertigungsebene Rechnung getragen werden.

79

b) Weder der Eingriff in die subjektiven Rechte des Klägers noch der hierdurch geschaffene Zustand sind jedoch rechtswidrig.

80

aa) Rechtsgrundlage für die Eingriffe ist das dem Beklagten zustehende „virtuelle Hausrecht“, das hier durch die einer Benutzungsordnung vergleichbare Netiquette konkretisiert wird.

81

Das virtuelle Hausrecht kann als Rechtsgrundlage für die Sperrung herangezogen werden (vgl. VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 19), unabhängig davon, ob man dieses als notwendigen Annex zur Sachkompetenz des Beklagten zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben versteht oder in Gewohnheitsrecht oder einer analogen Anwendung der §§ 858 ff., 903, 1004 Abs. 1 BGB analog begründet sieht (s.o.). Davon abgesehen besteht aber der aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Zugangsanspruch des Klägers ohnehin grundsätzlich nur im Rahmen des festgelegten Nutzungszwecks und nach Maßgabe der jeweiligen Benutzungsordnung der virtuellen öffentlichen Einrichtung (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2015 – 15 A 86/14 –, MMR 2015, 775 und juris Rn. 15 zu einer kommunalen Einrichtung in Form einer kommunal betriebenen Internet-Domain; VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 17; Frevert/Wagner, NVwZ 2011, 76, 79; speziell zu kommunalen Internetangeboten Boehme-Neßler, NVwZ 2001, 374, 379).

82

bb) Wie bereits festgestellt, dienten die Sperren – gleichsam als virtuelles Hausverbot – dem Zweck der Sicherung des Nutzungszwecks der Facebook-Accounts des Beklagten. Dabei werden die Sperren dem präventiven Charakter des Hausverbots, das grundsätzlich darauf abzielt, künftige Störungen zu verhindern, gerecht. Voraussetzung sind insoweit nicht nur Störungen der Aufgabenwahrnehmung bzw. des Nutzungszwecks in der Vergangenheit, sondern es muss in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen sein, weshalb das Hausverbot erforderlich ist, um erneute Vorfälle zu verhindern (vgl. zum Hausverbot im nicht virtuellen Raum OVG RP, Beschluss vom 7.3.2005 – 7 B 10104/05 –, juris Rn. 9; VG Neustadt, Beschluss vom 14.6.2011 – 4 L 543/11.NW –, juris Rn. 13). Dies war hier der Fall. Der Kläger hat vor den Sperren mehrfach gegen die Netiquette des Beklagten verstoßen, indem er unter anderem folgende Kommentare auf der Seite „ZDF Heute+“ veröffentlicht hat:

83

„J. B. M. J. Mir ist jeder kriminelle Ausländer lieber als so ein linkes Drecks-Geschmeiß wie Ihr! Ihr seid Abschaum den man lebendig einbetonieren sollte! Ihr seid beide so hässlich, da ist selbst die Bezeichnung Untermensch noch schmeichelhaft“

84

„J. F.: Sie kommen nicht umhin sich als Rotfaschist bezeichnen lassen zu müssen mit Stalin im Rücken und bis zu 60 Millionen Toten! …“

85

„U. P.: tja leider hast Du Deine Bilder nicht gesperrt und so sieht man, dass Du eigentlich fett, alt und hässlich bist :-D Deine geistige Engstirnigkeit kommt ja nun nachweislich noch dazu :-D“

86

„N. G.: Sie sind keine Deut besser als ein Julius Streicher, Sie hätten als einer der fleißigsten Juden verfolgt und ermordet, denn Ihr geistiges Schema ist das selbe! Sie haben hiermit zugegeben und es für gut befunden, das Andersdenkende verfolgt, eingesperrt und ihre Schriften verboten werden. Sie sind der neue Faschismus! …

87

Eines gebe ich zu., wenn das Rad der Geschichte sich weiter dreht und Rotfaschisten wie Sie wieder an den Bäumen hängen, werde ich es lächelnd zur Kenntnis nehmen! :-D“

88

Diese Kommentare verstoßen gegen die Netiquette, da hierdurch entgegen deren Vorgaben unzweifelhaft jedenfalls Rechte Dritter verletzt werden, wenn es sich nicht sogar um Beleidigungen oder Hasspropaganda handelt. Durch die Verletzung anderer Nutzer in ihren Rechten wird auch der mit den Facebook-Präsenzen verbundene Nutzungszweck der programmbezogenen Kommunikation gestört.

89

Gleiches gilt für die Facebook-Seite „ZDF“, auf der der Kläger u.a. wie folgt kommentierte:

90

„So wie wir unsere Zeit nicht mit kinderlosen Vaterlandsverrätern wie Euch verschwenden sollten.“

91

„Das nennt man natürliche Auslese, die Mutigen ins Töpfchen, die Schuldkultigen in die Tonne“

92

„Mit einer offensichtlich dämlichen Frage kann man sich auch als Volldepp outen!“

93

„Bla bla bla… Sie wollen die Problematik nicht verstehen, deshalb tragen Sie persönlich mit ihren Glaubensgenossen die Hauptverantwortung für die Umvolkung in Deutschland!“

94

„K. S.: ich kann ihre geistigen Defizite beim besten Willen nicht kompensieren“

95

„V. R.: Sie sind typische Kommunistin, alles gleich machen, genau das jedoch ist Rassismus, Sie sind ein Rassist! Wer die Unterschiede der Völker und Kulturen negiert, ist ein blinder ideologisch vernagelter Honk und Rassist!

96

Komisch, bei Hunden die auch alle vom Wolf abstammen, würden sie nie auf die dämliche Idee kommen, einen Rehpinscher auf die selbe Stufe wie einen Schäferhund zu stellen, da dürfen es dann plötzlich verschiedene Rassen sein, deren Merkmale auch fein säuberlich erhalten werden. Leute wie Sie sind abgrundtief verlogen und lächerlich!

97

Ich hoffe, Sie bekommen von Ihren Lieblingen aus dem Morgenland bald spürbar gezeigt, wie unterschiedlich Menschen sein können!!! :-D :-D :-D“

98

Weiter liegen auch wiederholte Verstöße vor, was nach den Regeln der auf den betroffenen Facebook-Seiten des Beklagten veröffentlichten Netiquette Voraussetzung für eine Sperrung ist. Insoweit ist Anlass und Grundlage für die jeweilige Sperre – anders als der Kläger meint – nicht der jeweils letzte einer Sperrung vorausgehende Kommentar, sondern eine Mehrzahl der gegen die Netiquette verstoßenden Kommentare. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass eine Sperre immer auf mehreren Posts und einer Gesamtschau basiere. Hierzu hat er plausibel erläutert, dass es durch technische Tools möglich sei, einen bestimmten Nutzer in einem Diskussionsverlauf zu markieren, so dessen einzelne Posts zu identifizieren und auch über eine längere Zeit zuzuordnen. Eine Sperrung erfolge dann auf dieser Grundlage durch einen Vorgesetzten. Dabei hat die Kammer auch keinen Zweifel daran, dass die relevanten Kommentare vom Kläger im letzten Jahr vor seinen jeweiligen Sperren auf den betroffenen Facebook-Profilen des Beklagten getätigt wurden. So findet sich auf der von dem Beklagten vorgelegten Aufstellung der Kommentare jeweils der Nutzername des Klägers sowie die Zeitangabe „letztes Jahr“, „vor 9 Monaten“ oder „vor 11 Monaten“, was sich gerechnet von der Erstellung der Liste Ende März/Anfang April 2018 zeitlich mit den im April bzw. Juni 2017 erfolgten Sperren deckt. Auch ist aus der Aufstellung jeweils zu Beginn eines Diskussionsverlaufs ersichtlich, auf welchem Facebook-Profil die Kommentare veröffentlicht wurden.

99

Die Störung des Nutzungszwecks war im Hinblick auf die wiederholten und gravierenden Verstöße gegen die Netiquette hier auch nachhaltig.

100

Es war auch in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen. Dies ergibt sich zunächst bereits aus der Anzahl der Verstöße des Klägers gegen die Netiquette auf den jeweiligen Facebook-Accounts des Beklagten. Der Kläger hat außerdem auch nach Ermahnungen des Beklagten nicht auf die Verwendung von Begriffen wie „Rotfaschist“ verzichtet, die er zuvor in einen unmittelbaren Zusammenhang mit „Stalin und bis zu 60 Millionen Toten“ gesetzt hatte und zu denen er bekundet hatte, er werde es lächelnd zur Kenntnis nehmen, wenn Rotfaschisten wieder an den Bäumen hingen. So kommentierte der Kläger auch nach den folgenden Ermahnungen des Beklagten

101

„Hallo T., wir haben hier eine Nettiquette, Beleidigungen haben bei uns nichts zu suchen. Über sachliche Argumente freuen wir uns natürlich immer.“

102

„Hallo T., letzte Verwarnung: „fett“, „alt“ – wir wollen hier keine weiteren Beleidigungen! Sonst bitte raus hier aus unserem Feed. Vielen Dank.“

103

weiter u.a. wie folgt:

104

„M. S. Noch ne rotfaschistische Antifaschnalle“

105

„J. F.: Sie schnallen nicht wie paradox, vernunftwidrig und widersinnig Ihre lächerliche Aussage ist oder?! Wer Menschen wegen einer Meinung, egal welcher bestraft, ist ein Faschist – Basta! Ich hämmer das immer wieder in Ihren rotfaschistischen Schädel!“

106

„J. F.: Wer meint eine Meinung wäre keine Meinung nur weil es eine Meinung ist die nicht der eigenen Meinung entspricht und deswegen meint, dass der der die Meinung vertritt, von der man meint es wäre keine Meinung, für seine Meinung die man nicht für eine Meinung hält, bestraft gehört > ist ein Rotfaschist! :-D“

107

Der Kläger hat sich auch nicht einsichtig gezeigt, sondern seine Aussagen als legitim verteidigt:

108

„ZDF heuteplus: Lassen Sie sich von diesen Antifanten nicht manipulieren, das ist nämlich ihr Ziel, andere Meinungen auszulöschen. Ich habe hier nur Tatsachen aufgelistet die nachdenklich machen sollten, das ist weder neonazistisch noch sonst irgend wie kritikwürdig, die Beleidigungen gingen primär von den Antifanten aus.“

109

Auch auf dem Facebook-Profil „ZDF“ wurde der Kläger u.a. unter Beiträgen zu den Themen „Ehe für alle“ und „Babyboom und fehlende Kreißsäle“ mehrfach ermahnt und über die Grenzen zulässiger Äußerungen auf dem Profil und die Geltung der Netiquette aufgeklärt. Trotzdem und obwohl er bereits zuvor auf dem Facebook-Account „ZDF Heute+“ des Beklagten wegen beleidigender Äußerungen gesperrt worden war, äußerte sich der Kläger vor seiner Sperrung noch wie folgt:

110

„V. R.: Sie sind typische Kommunistin, alles gleich machen, genau das jedoch ist Rassismus, Sie sind ein Rassist! Wer die Unterschiede der Völker und Kulturen negiert, ist ein blinder ideologisch vernagelter Honk und Rassist!

111

Komisch, bei Hunden die auch alle vom Wolf abstammen, würden sie nie auf die dämliche Idee kommen, einen Rehpinscher auf die selbe Stufe wie einen Schäferhund zu stellen, da dürfen es dann plötzlich verschiedene Rassen sein, deren Merkmale auch fein säuberlich erhalten werden. Leute wie Sie sind abgrundtief verlogen und lächerlich!

112

Ich hoffe, Sie bekommen von Ihren Lieblingen aus dem Morgenland bald spürbar gezeigt, wie unterschiedlich Menschen sein können!!! :-D :-D :-D“

113

Der Eindruck, dass auch künftig weiterhin mit Störungen durch den Kläger auf den Facebook-Präsenzen des Beklagten zu rechnen war, hat sich im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Zwar hat der Kläger eingeräumt, er sehe es an der ein oder anderen Stelle ein und würde so nicht mehr formulieren. Allerdings hat er auch ausdrücklich erklärt, er stehe zu seinen Äußerungen. Auch auf Nachfrage hat sich der Kläger von seinen Kommentaren nicht distanziert. Vielmehr im Gegenteil hat er u.a. bestätigt, er dürfe doch sagen, dass er es lächelnd zur Kenntnis nehme, wenn Rotfaschisten wieder an den Bäumen hingen – er selbst sei hierbei ja nicht der Täter. Außerdem sei es ja auch in der Vergangenheit nicht seine Absicht gewesen, grenzwertige Formulierungen zu verwenden, dies sei letztlich dennoch passiert.

114

Schließlich waren die Sperren für den Kläger im Hinblick auf die Regelungen der Netiquette und die Ermahnungen auch vorhersehbar.

115

cc) Die vom Beklagten vorgenommenen Sperren auf den Facebook-Accounts „ZDF Heute+“ und „ZDF“ sind schließlich auch verhältnismäßig und der hierdurch bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf Meinungsfreiheit ist gerechtfertigt.

116

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagte zwar unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, er zugleich aber Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit in seiner besonderen Ausprägung der Programmfreiheit ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.15.2003 – 1 BvR 2378/03 –, ZUM 2004, 306 und juris Rn. 6). Die Programmfreiheit umfasst Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms, die nicht nur von staatlicher, sondern jeder fremden Einflussnahme frei sein müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.10.1993 – 1 BvL 35/81 –, BVerfGE 89, 144 und juris Rn. 26). Hier handelt es sich um einen Gegenstand, der grundsätzlich diesem geschützten Bereich unterfällt, da der Beklagte die Facebook-Profile gerade in Anwendung der ihm im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben betreibt, weshalb die Angebote auch zwingend einen Programmbezug ausweisen müssen, sowie journalistisch-redaktionell veranlasst, journalistisch-redaktionell gestaltet und redaktionell begleitet sein müssen (s.o.). Dies dürfte hier zu einer Erweiterung des Entscheidungsspielraums des Beklagten bei der Vornahme von Sperren – möglicherweise bis hin zu einer Begrenzung auf eine bloße Kontrolle am Willkürmaßstab – führen.

117

Wie weit der Entscheidungsspielraum des Beklagten reicht, kann aber letztlich offenbleiben, da die Sperren des Klägers auf den Facebook-Profilen „ZDF Heute+“ und „ZDF“ selbst bei einer strengen Prüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und den Grundrechten unter interpretationsleitender Berücksichtigung des wertsetzenden Gehalts der Meinungsfreiheit des Klägers (vgl. dazu nur BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8.2.2017 – 1 BvR 2973/14 –, K&R 2017, 327 und juris Rn. 13) im Rahmen der Anwendung des Hausrechts gerechtfertigt ist (zur Anwendung des strengen Maßstabs VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 17).

118

(1) Die Sperren dienen mit der Sicherung des Nutzungszwecks der im Rahmen einer öffentlichen Aufgabe betriebenen öffentlichen Einrichtung einem legitimen Ziel. Zugleich dienen sie hier außerdem dem Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter. Die Sperren des Klägers sind auch geeignet, diesen Zweck zu erreichen, da ihm dadurch die Möglichkeit genommen wird, auf den Facebook-Profilen des Beklagten weiter in die Persönlichkeitsrechte anderer Diskussionsteilnehmer einzugreifen und hierdurch Diskussionen zu stören. Weiter sind die Sperren auch erforderlich. Ein milderes, gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Zwar wäre die bloße Löschung der problematischen Kommentare ein milderes Mittel, das den Kläger weniger stark in seinen Rechten beeinträchtigen würde. Dieses wäre aber nicht gleich geeignet, da hierdurch im Unterschied zur Sperrung des Klägers Beleidigungen Dritter nicht verhindert würden, sondern lediglich im Nachhinein beendet werden könnten. Außerdem wurden in der Vergangenheit auch bereits einzelne Kommentare des Klägers gelöscht, ohne dass dies dazu geführt hätte, dass er infolge entsprechende Kommentare unterlassen hätte.

119

(2) Schließlich stellen sich die Sperren des Klägers auf den Facebook-Profilen „ZDF Heute+“ und „ZDF“ des Beklagten auch als angemessen dar.

120

Dies ergibt sich hier jedenfalls daraus, dass der Kläger auf beiden Facebook-Profilen des Beklagten mehrfach und schwerwiegend Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt hat und diese Ehrverletzungen auch durch eine Berufung auf die Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigen sind. Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet einen Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 –, BVerfGE 114, 339 und juris Rn. 25).

121

Zwar spricht wegen der fundamentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit für die demokratische Ordnung eine Vermutung für die freie Rede, wenn es – wie hier – um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geht. Wird von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge, nicht aber eigentliches Ziel der Äußerung. In der öffentlichen Auseinandersetzung, insbesondere im politischen Meinungskampf, muss daher auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohen würde (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12.5.2009 – 1 BvR 2272/04 –, WRP 2009, 943 und juris Rn. 28).

122

(aa) Hier spricht allerdings bereits Vieles dafür, dass einige der auf dem Facebook-Profil „ZDF Heute+“ veröffentlichten Kommentare des Klägers rechtlich sogar als Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik zu qualifizieren sind, was zur Folge hat, dass ausnahmsweise nicht einmal eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht notwendig ist, weil die Meinungsfreiheit in diesen Fällen regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. nur BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8.2.2017 – 1 BvR 2973/14 –, K&R 2017, 327 und juris Rn. 14).

123

Zwar gelten angesichts der einschneidenden Folge des Verzichts auf eine Einzelfallabwägung strenge Anforderungen an die Qualifizierung einer Äußerung als Formalbeleidigung oder Schmähkritik. Die Begriffe sind eng zu verstehen. Die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst überschritten, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, wobei sie allerdings bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und eher auf die Privatfehde beschränkt sein soll (vgl. nur BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8.2.2017 – 1 BvR 2973/14 –, K&R 2017, 327 und juris Rn. 14 m.w.N.).

124

Gleichwohl liegen diese engen Voraussetzungen hier jedenfalls hinsichtlich einiger Kommentare des Klägers vor. Diese hatten ihren Ausgangspunkt zwar jeweils in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, im Vordergrund steht aber nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person.

125

Dies gilt zunächst für den Kommentar des Klägers:

126

„J. B. M. J. Mir ist jeder kriminelle Ausländer lieber als so ein linkes Drecks-Geschmeiß wie Ihr! Ihr seid Abschaum den man lebendig einbetonieren sollte! Ihr seid beide so hässlich, da ist selbst die Bezeichnung Untermensch noch schmeichelhaft“

127

Ausgangspunkt war zwar eine öffentlich geführte Diskussion über Flüchtlinge. Auch wurde diese zuvor schon zwischen dem Kläger und den im Kommentar genannten Nutzern J. B. und M. J. hitzig geführt, wobei auch – vom Kläger mit der Bemerkung „Bahnhofsklatscher Shut Up!“ eingeleitete – wechselseitige Angriffe bereits vorausgingen. Gerade bei Begriffen, die wie die vom Kläger verwendete Formulierung „Untermensch“, dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch entstammen und auf Ausgrenzung und menschenverachtende Herabwürdigung zielen (vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12.7.2005 – 1 BvR 2097/02 –, BayVBl 2006, 15 und juris Rn. 15 f.), steht aber nicht mehr eine Sachauseinandersetzung, sondern die Diffamierung des Gegenübers im Vordergrund. Noch verstärkt werden die diffamierende Wirkung und die Entfernung von der Sachdebatte durch die weitere Äußerung des Klägers, die beiden anderen Nutzer, seien „linkes Drecks-Geschmeiß“, „hässlich“ und „Abschaum den man lebendig einbetonieren sollte“. Der diffamierende Gehalt ist hier so erheblich, dass er in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint.

128

Um Schmähkritik handelt es sich weiter, soweit der Kläger andere Nutzer als „Rotfaschisten“ bezeichnet. Zwar gab es auch hier stets eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage als Anlass für zum Teil wechselseitig hitzig geführte Diskussionen, in deren Verlauf auch der Kläger von anderen Nutzern verbal angegriffen wurde. Der Kläger hat aber auch hier den Bereich der Sachauseinandersetzung verlassen und die Diffamierung in den Vordergrund gerückt. Sein Verständnis des Begriffs „Rotfaschist“ hat er in seinen Kommentaren verdeutlicht, nämlich als

129

„mit Stalin im Rücken und bis zu 60 Millionen Toten“

130

„Rotfaschisten wollen morden, einkerkern, verbieten“

131

„Aber Fakten interessieren Sie nicht, denn Sie sind ein Demagoge, ein linker übler Demagoge der Andersdenkende einsperren und ihre Schriften verbieten lassen will, ein Rotfaschist halt“

132

„Sie sind keine Deut besser als ein Julius Streicher, Sie hätten als einer der fleißigsten Juden verfolgt und ermordet, denn Ihr geistiges Schema ist das selbe! Sie haben hiermit zugegeben und es für gut befunden, das Andersdenkende verfolgt, eingesperrt und ihre Schriften verboten werden. Sie sind der neue Faschismus!“

133

„Eines gebe ich zu., wenn das Rad der Geschichte sich weiter dreht und Rotfaschisten wie Sie wieder an den Bäumen hängen, werde ich es lächelnd zur Kenntnis nehmen! :-D“

134

„Das passt doch auch wunderbar zu Rotfaschisten: melden, petzen, denunzieren, aber nur nicht, mit der Meinung auseinandersetzen, das strengt das bolschewistische Dreckshirn zu sehr an :-D“

135

Neben der diffamierenden Bezeichnung als „Rotfaschist“ ist dabei insbesondere auch der Vergleich eines Nutzers mit Julius Streicher und der Unterstellung, der andere Nutzer hätte als einer der fleißigsten Juden verfolgt und ermordet, da sein geistiges Schema dasselbe sei, wegen des äußerst diffamierenden Gehalts bereits für sich als Schmähkritik zu werten.

136

Den Bereich der sachlichen Auseinandersetzung hat der Kläger weiter auch mit seiner Äußerung

137

„U. P.: tja leider hast Du Deine Bilder nicht gesperrt und so sieht man, dass Du eigentlich fett, alt und hässlich bist :-D Deine geistige Engstirnigkeit kommt ja nun nachweislich noch dazu :-D“

138

verlassen. Die Äußerung beschränkt sich auf herablassende Diffamierungen ohne jeglichen Sachbezug.

139

(bb) Die Meinungsfreiheit des Klägers muss aber auch dann hinter den Ehrenschutz der anderen Nutzer zurücktreten, wenn es sich bei den Kommentaren des Klägers auf der Seite „ZDF Heute+“ nicht um Schmähkritik handeln sollte. Denn auch bei einer Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und den Persönlichkeitsrechten ist letzteren hier der Vorrang einzuräumen. Insoweit war zwar wiederum der Kontext der öffentlichen Sachauseinandersetzung zu berücksichtigen, sowie der Umstand, dass auch der Kläger partiell von anderen Nutzern verbal attackiert wurde. Dass die Meinungsfreiheit des Klägers im Ergebnis dennoch zurücktreten muss, folgt hier aber letztlich aus der Erheblichkeit der vom Kläger ausgehenden Ehrverletzungen. Zwar haben sich die in ihren Persönlichkeitsrechten verletzten Nutzer an einer auf einem öffentlichen Forum geführten Diskussion beteiligt, mit der Folge, dass diese weder in ihrer Intim- oder Privatsphäre, sondern nur in ihrer Sozialsphäre betroffen sind und deshalb grundsätzlich auch eine scharfe Reaktion hinnehmen müssen, selbst wenn diese ihr Ansehen mindert (vgl. dazu BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10 –, NJW 2012, 3712 und juris Rn. 35). Dennoch ist die Ehrverletzung bei den bereits genannten Formulierungen aus den dort aufgeführten Gründen gravierend. Dies gilt insbesondere, soweit der Kläger mit „Untermensch“ einen Begriff aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch verwendet hat, der gerade auf Ausgrenzung und menschenverachtende Herabwürdigung zielt. Aber auch der Begriff „Rotfaschist“, wie der Kläger ihn gebraucht, würdigt das Gegenüber tiefgreifend herab, indem der Kläger unterstellt, dass das Gegenüber ein Rotfaschist sei und Rotfaschisten morden, einkerkern oder verbieten wollten und dass er es lächelnd zur Kenntnis nehme, wenn „Rotfaschisten wie Sie wieder an den Bäumen hängen“ würden. Besonders schwer wiegt weiter auch der Vergleich eines Nutzers mit Julius Streicher, der Gründer, Eigentümer und Herausgeber des nationalsozialistischen Hetzblattes „Der Stürmer“ war. Eine derartige Gleichstellung mit Personen, die publizistisch die Judenverfolgung diffamierend und hetzend vorbereitend betrieben haben, stellt eine besonders gravierende Ehrverletzung dar (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31.1.2001 – 1 BvR 1161/96 –, juris Rn. 2; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8.2.2017 – 1 BvR 2973/14 –, K&R 2017, 327 und juris Rn. 18).

140

Gleiches gilt für die – wohl nicht als Schmähkritik zu qualifizierenden – Äußerungen des Klägers auf dem Facebook-Profil „ZDF“. Auch hier wiegen die Ehrverletzungen – auch unter Berücksichtigung des Kontexts der öffentlich geführten Sachauseinandersetzungen und der zum Teil wechselseitigen Angriffe – besonders schwer, weshalb die Meinungsfreiheit des Klägers letztlich zurücktreten muss. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Formulierungen des Klägers wie „kinderlose Vaterlandsverräter wie Euch“, „natürliche Auslese, die Mutigen ins Töpfchen, die Schuldkultigen in die Tonne“, „Sie wollen die Problematik nicht verstehen, deshalb tragen Sie persönlich mit ihren Glaubensgenossen die Hauptverantwortung für die Umvolkung in Deutschland!“, „ich kann ihre geistigen Defizite beim besten Willen nicht kompensieren“ und schließlich die Aussage:

141

„V. R.: Sie sind typische Kommunistin, alles gleich machen, ge-nau das jedoch ist Rassismus, Sie sind ein Rassist! Wer die Unterschiede der Völker und Kulturen negiert, ist ein blinder ideologisch vernagelter Honk und Rassist!

142

Komisch, bei Hunden die auch alle vom Wolf abstammen, würden sie nie auf die dämliche Idee kommen, einen Rehpinscher auf die selbe Stufe wie einen Schäferhund zu stellen, da dürfen es dann plötzlich verschiedene Rassen sein, deren Merkmale auch fein säuberlich erhalten werden. Leute wie Sie sind abgrundtief verlogen und lächerlich!

143

Ich hoffe, Sie bekommen von Ihren Lieblingen aus dem Morgenland bald spürbar gezeigt, wie unterschiedlich Menschen sein können!!! :-D :-D :-D“

144

In einer Gesamtschau ist hinsichtlich der Angemessenheit der beiden Sperren weiter zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine vereinzelt gebliebene Äußerung des Klägers handelt, er sich auch nicht bloß irgendwann einmal im Ton vergriffen hat, sondern er immer wieder ehrverletzende Äußerungen getätigt hat. Insoweit durfte hinsichtlich der zweiten vorgenommenen Sperre auf der Seite „ZDF“ außerdem auch berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits zuvor infolge mehrfacher Ehrverletzungen auf einer anderen Seite des Beklagten gesperrt wurde (vgl. VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 31).

145

Im Hinblick auf die wiederholten und gravierenden Ehrverletzungen treffen den Kläger die Sperren nicht unangemessen hart. Zwar wird ihm hierdurch die Möglichkeit genommen, weiterhin an den Diskussionen auf den betroffenen Facebook-Profilen des Beklagten teilzunehmen und hier seine Meinungen zu äußern. Angesichts der großen Verbreitung von Facebook und der wachsenden Bedeutung virtueller öffentlicher Räume für die Ausübung der Meinungsfreiheit ist diese einschränkende Wirkung für den Kläger auch nicht zu unterschätzen. Gleichwohl wird dem Kläger durch die Sperren nicht grundsätzlich die Möglichkeit genommen, seine Meinungen weiterhin öffentlich – auch auf einer Vielzahl von Plattformen im Internet – kundzutun. Es handelt sich bei den Sperren auch nicht um eine strafrechtliche Sanktionierung oder die Auferlegung eines finanziellen Risikos in Form etwa eines Schmerzensgeldes. Schließlich hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch klargestellt, dass es sich keineswegs um „lebenslange“ Sperren handelt, der Beklagte – anders als Facebook – technisch aber nicht die Möglichkeit habe, eine Sperre zugleich mit ihrer Vornahme zu befristen. Der Beklagte sei aber bei einer Distanzierung von den für die Sperrung ursächlichen Kommentaren und der Versicherung, den Diskussionsrahmen künftig einzuhalten, jederzeit bereit, eine Sperre wieder aufzuheben. Der Kläger hat sich aber weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren von seinen Äußerungen distanziert. Vielmehr hat er seine Äußerungen – sogar den Kommentar, er werde es lächelnd zur Kenntnis nehmen, wenn Rotfaschisten wieder an den Bäumen hingen – bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu legitimieren versucht.

146

Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass hinter den Facebook-Profilen der Nutzer, deren Persönlichkeitsrechte der Kläger verletzt hat, keine realen Personen stünden; unerheblich ist, ob die Nutzer Pseudonyme verwendet haben (vgl. auch VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 –, juris Rn. 28). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte in gleichheitswidriger Weise von seinem Hausrecht Gebrauch macht.

147

2. Aus vorgenannten Gründen scheitert hier auch ein allgemeiner Anspruch des Klägers aus seinem in Art. 3 Abs. 1 GG begründeten Recht auf gleiche Teilhabe an einer öffentlichen Einrichtung.

148

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

149

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

B e s c h l u s s vom 13. April 2018

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

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(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.


Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Mainz vom 14. Juli 2014 wird auf die Beschwerde des Beklagten festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg für den Klageantrag zu 1) (1. Hauptantrag) unzulässig ist. Der Rechtsstreit wird insoweit an das zuständige Landgericht Mainz verwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Klägerinnen und der Beklagte tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

Die weitere Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerinnen betreiben regionale Breitbandkabelnetze. Sie begehren mit dem 1. Hauptantrag ihrer am 30. April 2013 bei dem Verwaltungsgericht Mainz erhobenen Klage festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, mit ihnen einen Vertrag über die entgeltliche (analoge und digitale) Verbreitung des Programms des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) über ihre Netze zu schließen, soweit das Programm in diesen Netzen Must-Carry-Status hat. Mit ihrem zunächst hilfsweise und nunmehr als 2. Hauptantrag gestellten Antrag begehren die Klägerinnen ferner festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sind, das Programm „ZDF“ in ihre Netze einzuspeisen oder über ihre Netze zu verbreiten, solange hierüber kein Vertrag geschlossen worden ist. Einen solchen privatrechtlichen Vertrag mit den Klägerinnen hatte der Beklagte, wie die übrigen Landesrundfunkanstalten auch, zum 31. Dezember 2012 gekündigt.

2

Das Verwaltungsgericht Mainz hat mit Beschluss vom 14. Juli 2014 auf die ausdrückliche Rüge des Beklagten gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – über die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs vorab entschieden und festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Hiergegen richtet sich die am 28. Juli 2014 eingelegte Beschwerde des Beklagten.

II.

3

Die Beschwerde ist zulässig (§ 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG –) und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in der Sache Erfolg. Der Ausspruch über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs (§ 17a Abs. 3 GVG) ist rechtswidrig und auf die Beschwerde des Beklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, weil die Kammer für den gesamten Rechtsstreit den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt hat. Für den Klageantrag zu 1) (1. Hauptantrag) ist der Verwaltungsrechtsweg jedoch nicht eröffnet und der Rechtsstreit insoweit an das zuständige Landgericht Mainz zu verweisen (1.). Für den Klageantrag zu 2), der ursprünglich hilfsweise gestellt wurde und mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2013 (Bl. 306 GA) schließlich unbedingt als 2. Hauptantrag gestellt wird, ist der Verwaltungsrechtsweg demgegenüber eröffnet und die Beschwerde daher in diesem Umfang zurückzuweisen (2.). Der Klageantrag zu 2) ist daher von dem Verwaltungsgericht Mainz unter neuem Aktenzeichen fortzuführen (3.).

4

1. Das Verfahren ist gemäß § 17a Abs. 2 GVG mit dem Klageantrag zu 1) (1. Hauptantrag) an das zuständige Landgericht Mainz zu verweisen, weil der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Es handelt sich insoweit vorliegend gemäß § 13 GVG um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit.

5

Der Verwaltungsrechtsweg ist insoweit nicht eröffnet, da es sich nicht gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, bestimmt sich nach der Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses. Maßgeblich ist allein die wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, nicht hingegen die rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs durch den Kläger. Ob für dessen Klagebegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist, ist auf der Grundlage des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen.

6

Danach liegt hier ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis vor. Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, mit ihnen einen Vertrag über die entgeltliche (analoge und digitale) Verbreitung des Programms „ZDF“ über die Netze der Klägerinnen zu schließen, soweit das Programm in diesen Netzen Must-Carry-Status hat. Die Beantwortung der Vorfrage, ob und ggf. unter welchen Bedingungen dieses Programm Must-Carry-Status hat, beurteilt sich zwar letztlich nach §§ 11 ff., 19, 52 ff. Rundfunkstaatsvertrag – RStV – und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz – GG – und damit nach Normen des öffentlichen Rechts. Ein Kontrahierungszwang, der entweder zur Fortgeltung der bisherigen, von der Beklagten gekündigten Verträge führen könnte oder der einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Vertrags vermittelt, ergibt sich aber aus diesen Normen nicht (VG Köln, Beschluss vom 18. Juni 2014 – 6 K 2805/13 –, S. 3 f. d. Umdrucks; vgl. auch OLG München, Urteil vom 28. November 2013 – U 2094/13 Kart –, S. 7 d. Umdrucks; LG Köln, Urteil vom 14. März 2013 – 31 O [Kart] 466/12 –, MMR 2013, 542 ff.; insoweit zutreffend auch OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 13 E 827/14 –, S. 4 f. des Umdrucks). Diese Frage beantwortet sich vielmehr in erster Linie nach § 138, § 242, § 315, § 826 BGB und damit nach zivilrechtlichen Bestimmungen (vgl. OLG München, Urteil vom 28. November 2013 – U 2094/13 Kart –, S. 8 ff. d. Umdrucks; LG Köln, Urteil vom 14. März 2013 – 31 O [Kart] 466/12 –, MMR 2013, 542 [543 f.]; Trute/Broemel, MMR-Beilage 11/2012, 1 [24 ff.]; Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, 1 [42]).

7

Die mittelbare Wirkung der §§ 11 ff., 19, 52 ff. RStV und von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG führt auch nicht dazu, dass das Verhältnis zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten von einem privatrechtlichen in ein öffentlich-rechtliches umgeformt würde (a.A. BayVGH, Beschluss vom 6. Oktober 2014 – 7 C 14.1372 –, Rn. 11 f.; HambOVG, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – 4 So 62/14 –, S. 5 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 13 E 827/14 –, S. 4 f. des Umdrucks; VG Hamburg, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 17 K 1672/13 –, S. 3 f. d. Umdrucks; VG München, Beschluss vom 2. Juni 2014 – M 17 K 13.1925 –, S. 22 ff. d. Umdrucks). Die Rundfunkanstalten sind gerade nicht dem staatlichen Bereich zugeordnet. §§ 11 ff., 19, 52 ff. RStV tragen dem Rechnung, indem das Verhältnis der Rundfunkanstalten zu ihren Partnern in Bezug auf die Nutzung von Übertragungswegen jeweils vertraglich geregelt werden muss und etwaige Streitigkeiten daher auf dem Zivilrechtsweg auszutragen sind (vgl. Binder, in: Hahn/Vesting [Hrsg.], Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 19 Rn. 58). Etwaige Entgeltansprüche von Kabelnetzbetreibern gegenüber Rundfunkanstalten bewegen sich daher auf dieser „horizontalen Ebene“ und werden nicht etwa durch staatliche Entgeltfestsetzungen vorgenommen (Hain/Steffen/Wierny, MMR 2013, 769 [772]). Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers darf nicht durch eine Umdeutung des zivilrechtlichen Charakters der Rechtsbeziehungen zwischen den Rundfunkveranstaltern und den Kabelnetzbetreibern in ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis unterlaufen werden. Auch das „Ob“ des Vertragsschlusses bleibt daher in diesem Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten eine zivilrechtliche Frage.

8

2. Für den Klageantrag zu 2) (2. Hauptantrag), mit dem die Klägerinnen die Feststellung begehren, dass sie nicht verpflichtet sind, das Programm „ZDF“ in ihre Netze einzuspeisen oder über ihre Netze zu verbreiten, solange hierüber kein Vertrag geschlossen worden ist, ist der Verwaltungsrechtsweg demgegenüber eröffnet und die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts daher in diesem Umfang zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg zulässig ist.

9

Die Sicherstellung der Übertragungswege und das „Ob“ ihrer Nutzung sind ein Essential der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Rundfunkfreiheit (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 –, BVerfGE 73, 118 [156]; Dörr, in: Festschrift für P. Kirchhof, 2013, § 69 Rn. 8). Die in dieser Konsequenz durch den Rundfunkstaatsvertrag auferlegten Must-Carry-Pflichten zur Einspeisung und Durchleitung von Angeboten mit Must-Carry-Status (§ 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RStV) stehen deshalb nicht zur Disposition der Kabelnetzbetreiber und sind als in einem „Vertikalverhältnis“ auferlegte Pflichten aus den o.g. „horizontalen“ Beziehungen der Entgeltfestsetzung herausgelöst; es handelt sich insoweit in der Sache um den Kabelnetzbetreibern auferlegte hoheitliche Übertragungspflichten (Hain/Steffen/Wierny, MMR 2013, 769 [773]; a.A. wohl Fink/Keber, MMR-Beilage 2/2013, 1 [42]; dies., MMR 2014, 24 [25]). Gegen die Entscheidung einer Rundfunkanstalt, einen bestimmten Übertragungsweg zu nutzen oder nicht (mehr) zu nutzen, ist deshalb der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO eröffnet (vgl. Binder, in: Hahn/Vesting [Hrsg.], Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 19 Rn. 57). Dies gilt auch für das hier erhobene Feststellungsbegehren der Klägerinnen, wonach diese Verpflichtung nur unter Bedingungen zu erfüllen sei. Die Klägerinnen begehren nämlich insoweit in der Sache die Bestimmung der Reichweite der öffentlich-rechtlichen Must-Carry-Bestimmungen (vgl. Schütz/Schreiber, MMR 2013, 544 [546]; vgl. entspr. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 21. November 2013 – 2 U 46/13 –, S. 2 d. Umdrucks).

10

Ob für dieses (negative) Feststellungsbegehren ein berechtigtes Feststellungsinteresse besteht, ist aus Sicht des Senats zwar höchst zweifelhaft (vgl. auch LG Köln, Urteil vom 14. März 2013 – 31 O [Kart] 466/12 –, MMR 2013, 542 [544]), vom Beschwerdegericht aber nicht zu entscheiden, da diese Frage den Rechtsweg nicht betrifft (vgl. zu dieser Differenzierung auch OVG RP, Beschluss vom 26. Juni 2014 – 2 F 10521/14.OVG –, S. 4 d. Umdrucks).

11

3. Da für den Klageantrag zu 1) und den Klageantrag zu 2) unterschiedliche Rechtswege zulässig sind, sind die Verfahren zu trennen und der Klageantrag zu 2) von dem Verwaltungsgericht Mainz unter neuem Aktenzeichen fortzuführen (vgl. VG Köln, Beschluss vom 18. Juni 2014 – 6 K 2805/13 –, S. 2 d. Umdrucks; OLG Stuttgart, Urteil vom 21. November 2013 – 2 U 46/13 –, S. 2 d. Umdrucks).

12

4. Der Ausspruch über die Kosten folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, da nur eine Festgebühr anfällt (Kostenverzeichnis Nr. 5501, Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz).

13

Die weitere Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen, da die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zu der vorliegenden Rechtsfrage uneinheitlich sind (§ 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, begehrt die Löschung einer Suchmeldung für ein Gemälde aus der im Internet unter www.lostart.de geführten Datenbank. Diese Datenbank enthält u.a. Such- und Fundmeldungen zu Kulturgütern, die jüdischen Eigentümern infolge des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die auf Grund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann. Sie wurde auf der Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung von der Koordinierungsstelle Magdeburg, einer unselbständigen Arbeitsgruppe beim Kultusministerium des beklagten Landes, aufgebaut.

2

Für das Gemälde ging bei der Koordinierungsstelle 2005 im Auftrag der Erbengemeinschaft nach Rosa und Jakob O. eine Suchmeldung ein, die damit begründet wurde, dass den jüdischen Eheleuten O. 1929 sämtliche Gesellschaftsanteile an der Klägerin vermacht worden seien. Letzterer sei das Bild 1935 durch Versteigerung NS-verfolgungsbedingt entzogen worden. Eine weitere Suchmeldung erfolgte 2009 durch - inzwischen verstorbene und von den jetzigen Beigeladenen beerbte - Mitglieder von Erbengemeinschaften, die die jüdischen Gesellschafter des ehemaligen Bankhauses J. & S. beerbt haben. Sie wurde damit begründet, dass das Gemälde 1933 dem Bankhaus sicherungsübereignet worden sei; 1935 sei es vom Bankhaus ersteigert worden und seinen jüdischen Gesellschaftern 1938 im Zuge der sog. "Arisierung" des Bankhauses abhandengekommen. Wegen der konkurrierenden Suchmeldungen ist das Gemälde im Internet ohne Nennung von Namen veröffentlicht.

3

Das Gemälde wurde inzwischen in Namibia gefunden. Anfang 2010 einigten sich der Besitzer des Gemäldes, die Klägerin und die Mitglieder der Erbengemeinschaft O., das Bild im Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam zu versteigern und den Erlös hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. zu teilen. Die Versteigerung scheiterte, nachdem die Koordinierungsstelle eine Löschung der Suchmeldung ohne Zustimmung der Zweitanmelder ablehnte.

4

Mit Urteil vom 17. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, den Sucheintrag für das Gemälde in der Lost Art Internet-Datenbank zu löschen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. Oktober 2013 die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Beklagten auf Löschung der Suchmeldung habe. Die Rechtmäßigkeit der Eintragung beurteile sich nach den für den Bereich der staatlichen - nicht regelnden - Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben. Offenbleiben könne, ob der Betrieb der Datenbank danach einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung sei jedenfalls wegen Zweckerfüllung rechtswidrig. Aus den der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegenden Unterlagen ergebe sich, dass sich die Funktion der Datenbank auf die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen beschränke, die von der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung des Bundes und der Länder von 1999 erfasste Kulturgüter beträfen. Dieser Zweck sei mit dem Auffinden des Bildes erfüllt. Eine weiterreichende anspruchssichernde Funktion komme der Datenbank nicht zu. Die Aufrechterhaltung der Eintragung verletze die Klägerin in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. Der in der Suchliste dokumentierte Raubkunstverdacht führe zu einem merkantilen Minderwert und im Einzelfall zur zeitweiligen Unveräußerlichkeit. Diese Beschränkung sei nur so lange zu dulden, wie es der Zweck der Suchliste, nämlich die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst, erfordere.

5

Während des Revisionsverfahrens haben Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände mit Wirkung vom 1. Januar 2015 die Stiftung "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste" in der Form einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet, die (u.a.) die Aufgaben der Koordinierungsstelle fortführt.

6

Der Beklagte macht mit seiner Revision geltend, es fehle an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit und am Rechtsschutzinteresse. Zumindest sei die Klage mit Gründung der Stiftung unzulässig geworden. Der Klägerin stehe der geltend gemachte und dem revisiblen Recht zuzurechnende öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu. Die Suchmeldung verletze sie nicht in ihren Rechten. Als Maßstab komme nur Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht. Nach den für den Bereich der staatlichen, nicht regelnden Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben fehle es aber an einem Eingriff. Der Informationsauftrag sei mit dem Auffinden des Gemäldes und der Verwertungsvereinbarung noch nicht beendet.

7

Die Beigeladenen machen mit ihren Revisionen geltend, die Nachtragsliquidatorin sei nicht prozessführungsbefugt, auch fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Weder die Errichtung der Datenbank noch die streitgegenständliche Veröffentlichung bedürften einer gesetzlichen Grundlage. Die Suchmeldung verletze die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Der Zweck der Datenbank erfasse auch die Dokumentation von Raubkunstverdachtsfällen im Allgemeininteresse, im Interesse von Personen, die berechtigte Wiedergutmachungsinteressen verfolgten, und im Interesse des lauteren Wettbewerbs.

8

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ergänzend macht sie geltend, der zugesprochene Folgenbeseitigungsanspruch sei nicht revisibel und zu Recht bejaht worden. Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen komme der Suchmeldung erhebliche Bedeutung für die Verkehrsfähigkeit des Gemäldes zu und beschränke sich der Zweck der Datenbank auf die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst. Die Aufrechterhaltung der Meldung sei wegen ihrer Grundrechtsrelevanz nicht mehr gerechtfertigt. Außerdem fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Berufungsgericht hat ihre Berufungen unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zurückgewiesen. Zwar ist es im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit der Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte obliegt (1.). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig (2.). Sie ist aber unbegründet (3.). Das Berufungsgericht hat einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch mit einer Begründung bejaht, die mit revisiblem Recht nicht zu vereinbaren ist. Seine Annahme, der Zweck der von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen mitveranlassten Suchmeldung sei mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und ist unzutreffend (3.1). Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht aus anderen Gründen (objektiv) rechtswidrig (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

10

Die Klage richtet sich weiterhin gegen das beklagte Land. Dass die Aufgaben der Koordinierungsstelle inzwischen von einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt werden, hat keinen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beklagtenseite zur Folge. Soweit in verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch in Fällen eines behördlichen Zuständigkeitswechsels (BVerwG, Urteile vom 2. November 1973 - 4 C 55.70 - BVerwGE 44, 148 <150> und vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224>) oder einer sondergesetzlich angeordneten Funktionsnachfolge (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1989 - 5 C 33.88 - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 12) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Parteiwechsel angenommen wird, beruht dies auf der Exklusivität gesetzlich geregelter Zuständigkeitszuweisungen. Hiermit ist die Übertragung der Aufgaben der Koordinierungsstelle auf eine private Stiftung nicht vergleichbar. Sie ähnelt mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage einer gewillkürten Rechtsnachfolge, die nicht kraft Gesetzes zu einer Veränderung in der Zusammensetzung des Kreises der Prozessbeteiligten führt.

11

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (1.1) und der Streit der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen (1.2).

12

1.1 Hinsichtlich der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nach § 17a Abs. 5 GVG nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dieses Überprüfungsverbot gilt allerdings nicht, wenn das Gericht erster Instanz entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz Rüge nicht vorab durch Beschluss entschieden hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 7 B 198.93 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268; BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - I ZB 3/92 - BGHZ 119, 246 <250>; BAG, Urteil vom 21. August 1996 - 5 AZR 1011/94 - NJW 1997, 1025; BFH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - X B 216/13 - BFH/NV 2014, 1888).

13

In Anwendung dieser Bestimmung war dem Berufungsgericht eine Überprüfung des Rechtswegs verwehrt. Seine gegenteilige Auffassung beruht auf der aktenwidrigen Annahme, das Verwaltungsgericht habe trotz erstinstanzlicher Rüge den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten erst im Urteil bejaht. Ausweislich der Gerichtsakten hat der Beklagte erstmals mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung geltend gemacht, dass es an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit fehle; zuvor hat er lediglich gerügt, dass der Rechtsträger der Koordinierungsstelle nicht der richtige Beklagte sei, die Klägerin vielmehr gegen die Erben des Bankhauses (auf dem Zivilrechtsweg) vorgehen müsse. An die gegenteilige - den tatrichterlichen Feststellungen zuzuordnende - Behauptung des Berufungsgerichts ist der Senat nicht gebunden. Denn Prozesstatsachen, d.h. die tatsächlichen Grundlagen für die von Amts wegen auch vom Revisionsgericht zu prüfende Zuständigkeit und die Sachentscheidungsvoraussetzungen, zählen nicht zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 46 m.w.N.). Auf diesem Fehler beruht die angegriffene Entscheidung aber nicht, da das Berufungsgericht die Rechtswegfrage nicht anders beurteilt hat als das Verwaltungsgericht und auch in der Sache zutreffend den Verwaltungsrechtsweg als gegeben gesehen hat.

14

1.2 Die begehrte Löschung ist nicht auf einen gerichts- bzw. justizfreien Hoheitsakt gerichtet, der einer gerichtlichen Kontrolle generell entzogen ist. Eine Prüfung dieser Frage unterfällt nicht dem Verbot des § 17a Abs. 5 GVG, da es nicht darum geht, welches Gericht zuständig ist, sondern ob der Streit jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen ist.

15

Als Teil der Exekutive ist die Koordinierungsstelle - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und ihr Handeln unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Danach hat der Bürger einen Anspruch auf einen möglichst wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, soweit diese in seine Rechte eingreifen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - BVerfGE 113, 273 <310> m.w.N.). Das Grundgesetz kennt - von engen Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und Art. 44 Abs. 4 GG) - grundsätzlich keine staatlichen Akte, die dieser gerichtlichen Kontrolle generell entzogen sind. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist damit auch gegen staatsleitende Akte Rechtsschutz zu gewähren, wenn und soweit sie subjektiv-öffentliche Rechte Einzelner tangieren; eine andere Frage ist die nach der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Überprüfung solcher Akte.

16

Gegenteiliges ergibt sich hier weder aus der Art der von der Koordinierungsstelle ausgeübten Tätigkeit noch aus ihrer inneren Struktur. In der Lost Art Internet-Datenbank werden Such- und Fundmeldungen Dritter dokumentiert. Auch wenn für deren Richtigkeit keine Gewähr übernommen wird, entscheidet über die Eintragung und Löschung einer Meldung allein der Betreiber der Datenbank nach einer eigenen Plausibilitätsprüfung (vgl. Grundsätze der Koordinierungsstelle zur Eintragung und zur Löschung von Meldungen zu Kulturgütern, veröffentlicht unter: http://www.lostart.de/Content/04_Datenbank/DE/Grundsätze-Checkliste_DL.pdf?__blob=publicationFile). Dass die Arbeit der Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung über die Koordinierungsstelle vom 15. September 2009 von einem Fachbeirat begleitet wird, alle Grundsatzentscheidungen von einem Kuratorium getroffen werden und die Koordinierungsstelle intern an die Beschlüsse dieser beiden Gremien gebunden ist, trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass es sich um eine von mehreren Trägern staatlicher Gewalt finanzierte Einrichtung handelt, deren Tätigkeit zudem nicht auf konkreten gesetzlichen Vorgaben beruht.

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2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die für die Klägerin handelnde Nachtragsliquidatorin zur Führung des Prozesses befugt (2.1) und fehlt der Klägerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (2.2).

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2.1 Das Löschungsbegehren ist von der Vertretungsmacht der Nachtragsliquidatorin gedeckt. Nach dem Bestellungsbeschluss umfasst ihr Wirkungskreis die Vertretung und die Wahrnehmung der Rechte der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen. Dabei ist der Begriff "vermögensrechtlich" schon dem Wortlaut nach nicht auf Streitigkeiten nach dem Vermögensgesetz bezogen. Er ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte weit zu verstehen und umfasst in Abgrenzung zu den (nicht vermögensrechtlichen) Personen- und Familienrechten nicht nur Ansprüche, die aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden, sondern auch Ansprüche aus nicht vermögensrechtlichen Rechtsverhältnissen, wenn sie unmittelbar auf eine vermögenswerte Leistung gerichtet sind oder ihre Verfolgung in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dient, ohne dass sich dies in einer bloßen Reflexwirkung erschöpft (Toussaint, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1. Januar 2015, § 20 ZPO Rn. 1 m.w.N. aus der Rspr des BGH).

19

Vorliegend macht die Klägerin geltend, dass sie weiterhin Eigentümerin des Gemäldes sei und die Suchmeldung einer Verwertung entgegenstehe. Zwar soll nach der von der Klägerin eingegangenen Vereinbarung vom Januar 2010 der Erlös nach einer Versteigerung hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. (unter Ausschluss der Klägerin) aufgeteilt werden. Diese Einigung bezog sich aber auf eine Versteigerung des Bildes bei der Altmeister-Auktion vom 18. Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam, zu der es nicht gekommen ist. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die Vereinbarung damit insgesamt hinfällig geworden ist oder ob die Vertragsparteien weiterhin zu einer Veräußerung und Aufteilung des dabei erzielten Erlöses nach dem vereinbarten Verteilungsschlüssel verpflichtet sind. Schon angesichts der weiterhin ungeklärten Eigentumsverhältnisse und der rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich des Umfangs der von der Klägerin eingegangenen vertraglichen Verpflichtung kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Löschung nur (noch) der Wahrung wirtschaftlicher Interessen ihrer Gesellschafter und nicht auch ihrem Eigeninteresse dienen würde.

20

2.2 Es fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Danach darf das Gericht die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 40 Rn. 11 ff. m.w.N.).

21

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Vorgehen der Klägerin gegen die Beigeladenen auf dem Zivilrechtsweg angesichts der mit der Eigentumsfrage verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten keine eindeutig vorzugswürdige Alternative darstellen würde. Zudem wäre ein solcher Rechtsstreit nicht notwendigerweise vor einem deutschen Gericht auszutragen. Nach den von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen begründet aber nur eine inländische Gerichtsentscheidung einen Löschungsanspruch.

22

Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die begehrte Löschung der Klägerin einen rechtlich anerkennenswerten Vorteil brächte. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt richtet, die Datenbank seit Anfang 2015 aber nicht mehr von der beim dortigen Kultusministerium angesiedelten Koordinierungsstelle, sondern von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts betrieben wird. Dadurch kann das auf einen Realakt gerichtete Begehren inzwischen zwar nur noch von der Stiftung erfüllt werden. Die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils erstreckt sich nach § 121 VwGO aber auch auf die Rechtsnachfolger der Beteiligten. Hierdurch wird in zeitlicher Hinsicht auch gebunden, wer schon vor Eintritt der Rechtskraft, aber nach Rechtshängigkeit in das streitbefangene Recht nachfolgt (§ 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 1 ZPO). Folglich könnte ein stattgebendes Urteil nach Titelumschreibung gegenüber der Stiftung vollstreckt werden. Die Vereinbarung vom Januar 2010 lässt das Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht entfallen, nachdem der darin vereinbarte Versteigerungstermin fehlgeschlagen und offen ist, welche Rechtsbindungen sich hieraus für die Klägerin ergeben. Der Einwand der Beigeladenen, dass durch eine Löschung der bestehende Raubkunstverdacht nicht entfallen würde, ändert ebenfalls nichts daran, dass die Klägerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Löschung der ihrer Auffassung nach rechtswidrigen und einer Veräußerung entgegenstehenden Eintragung hat.

23

3. Die Klage ist aber unbegründet. Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Damit ist auch insoweit unerheblich, dass die Datenbank inzwischen von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt wird. Zwar sind Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>). Die Gründung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts zur Fortführung der von der Koordinierungsstelle wahrgenommenen Aufgaben und der aufgebauten Datenbank stellt aber eine geänderte Tatsache und keine Änderung der für die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruchs maßgeblichen rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe dar.

24

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass als Anspruchsgrundlage für das Löschungsbegehren nur ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht kommt. Dieser Anspruch entsteht, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt vorzeitig vollzogen wurde; er gilt bei rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Gerichtet ist der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands; zu beseitigen sind alle der handelnden Behörde zuzurechnenden rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen (BVerwG, Urteile vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58, vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 - BVerwGE 69, 366 <370 ff.> und vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <95> m.w.N.).

25

Einer revisionsgerichtlichen Überprüfung des vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Koordinierungsstelle als Teil einer Landesbehörde grundsätzlich Landesrecht vollzieht. Da es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um einen auch aus dem Grundgesetz - insbesondere aus den jeweils berührten Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip - abgeleiteten Rechtssatz handelt, ist die Folgenbeseitigung als Grundsatz und Anspruch Bestandteil des Bundesrechts und damit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisibel (BVerwG, Urteil vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58).

26

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines auf Löschung der Suchmeldung gerichteten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs nicht vor. Das Aufrechthalten der Suchmeldung durch die Koordinierungsstelle ist zwar als öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln anzusehen (3.1). Es hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

27

3.1 Die Eintragung und Löschung von Meldungen zu Kulturgütern auf der Internetseite www.lostart.de durch die Koordinierungsstelle Magdeburg ist Teil des staatlichen Informationshandelns im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Unerheblich ist, dass für die inhaltliche Richtigkeit der von dritter Seite übermittelten Such- und Fundmeldungen keine Verantwortung übernommen wird. Denn Eintragungen erfolgen ausschließlich nach eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen. Danach findet vor der Einstellung einer Meldung eine Plausibilitätsprüfung statt, die insbesondere die Angaben des Melders zum Objekt, zur Verlustgeschichte und zu seiner Person umfasst. Die Behandlung konkurrierender Meldungen und die Löschung von Meldungen unterliegen ebenfalls eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Regeln. Damit handelt es sich bei der Lost Art Internet-Datenbank nicht lediglich um eine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattform, für deren Inhalt keinerlei staatliche Verantwortung übernommen wird.

28

3.2 Das Nichtlöschen der Suchmeldung hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge. Bei der von der Koordinierungsstelle betriebenen Internet-Datenbank handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung im untechnischen Sinne, die der Allgemeinheit im Rahmen ihres Widmungszwecks zur Verfügung steht. Das Handeln der Koordinierungsstelle kann daher gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob es sich im Rahmen dieses Widmungszwecks hält (a) und mit höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu vereinbaren ist (b).

29

a) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung hält sich im Rahmen des Widmungszwecks der Datenbank. Danach ist der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erreicht, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, der Zweck der Suchliste bestehe allein darin, Betroffene bei der Suche nach verschollener Raubkunst zu unterstützen, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und genügt damit nicht den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, bei seiner freien Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Es darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung daraufhin, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist. Ob das Gericht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage entschieden hat, ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <210 ff.> m.w.N.).

30

Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass mangels einfachgesetzlicher Vorgaben zur Bestimmung des Zwecks der in der Datenbank enthaltenen Suchliste die vom Träger bzw. den Trägern der Einrichtung hierzu abgegebenen Willenserklärungen heranzuziehen sind (UA S. 16). In diesem Zusammenhang verweist es u.a. auf die der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegende Bund-Länder-Vereinbarung vom 15. September 2009, die ihrerseits Bezug nimmt auf die auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust vom 3. Dezember 1998 aufgestellten "Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden" (Washingtoner Grundsätze). Den von ihm herangezogenen Unterlagen entnimmt das Berufungsgericht ohne nähere Darlegung, dass der Zweck der Suchmeldung mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt sei (UA S. 18). Dabei übersieht es, dass es für den Widmungszweck nicht nur auf die von den Trägern bei Errichtung der Koordinierungsstelle abgegebenen Erklärungen ankommt. Denn der Widmungszweck kann auch durch nachträgliche Willensbekundungen weiter ausgestaltet werden. Das Berufungsgericht hätte bei der Zweckbestimmung daher auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze über die Eintragung und Löschung von Meldungen miteinbeziehen müssen.

31

Da der Inhalt der für die Zweckbestimmung maßgeblichen Willensbekundungen hier unstreitig ist, können diese vom Senat selbst ausgelegt und bewertet werden, ohne dass es einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung bedarf. Eine am wirklichen Willen (vgl. § 133 BGB) orientierte Auslegung ergibt, dass der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erfüllt ist. Nach der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009 zählt zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle u.a. die Dokumentation von Such- und Fundmeldungen des In- und Auslandes zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern zur Präsentation in www.lostart.de. Eine Beschränkung der Veröffentlichung von Suchmeldungen auf Kulturgüter, deren Aufenthaltsort dem Suchenden unbekannt ist, ist dem nicht zu entnehmen. Sie wäre auch nicht mit der in der Präambel ausdrücklich hervorgehobenen historischen Verantwortung in Form der Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen von 1998 zu vereinbaren. Danach sollen Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, nicht nur identifiziert werden (Ziff. 1), vielmehr sollen die Vorkriegseigentümer und ihre Erben auch zum "Anmelden ihrer Ansprüche ermutigt" (Ziff. 7) und beim "Finden einer gerechten und fairen Lösung unterstützt" werden (Ziff. 8). Dem widerspräche es, Suchmeldungen nach dem Auffinden eines Werkes zu löschen, bevor es zwischen dem Besitzer und - möglicherweise konkurrierenden - Vorkriegseigentümern und ihren Erben zu einer Einigung über das weitere Schicksal des Werkes oder zumindest einer verbindlichen Klärung der Eigentumsfrage gekommen ist. Dies bestätigen auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze zur Eintragung und Löschung von Meldungen, die den Widmungszweck der Datenbank weiter ausgestalten. Danach ist für eine Löschung erforderlich, dass der Melder hierzu auffordert, die Plausibilität einer Meldung grundlegend erschüttert ist oder ein Dritter nach Feststellung seines Eigentums durch rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts eine Löschung wünscht. Dieser Ausgestaltung der Gründe für die Löschung einer Meldung ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Zweck nicht schon mit dem Auffinden eines gesuchten Gegenstands erreicht ist, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Ob die Datenbank darüber hinaus noch weitergehenden Zwecken dient, bedarf keiner Entscheidung.

32

Besteht der Zweck der Suchliste nicht allein im Aufsuchen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, sondern soll durch die Veröffentlichung einer Suchmeldung auch eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten gefördert werden, ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der Zweck der streitgegenständlichen Suchmeldung hier noch nicht erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beigeladenen hinreichend Gelegenheit zur Sicherung etwaiger Ansprüche hatten. Zweckerreichung ist auch nicht mit der zwischen dem Besitzer, der Klägerin und den Mitglieder der Erbengemeinschaft O. geschlossenen Verwertungsvereinbarung eingetreten, da diese ohne Mitwirkung der Beigeladenen zustande gekommen ist. Unerheblich ist auch, ob die Beigeladenen - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - möglicherweise nur Zweitgeschädigte sind, denn der Zweck der Datenbank besteht in der Dokumentation und nicht in der rechtlichen Bewertung NS-verfolgungsbedingter Verluste.

33

b) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Mangels einfachgesetzlicher Vorgaben ist hier insbesondere ein Verstoß gegen die Grundrechte zu prüfen.

34

Als möglicherweise betroffene Grundrechte kommen - mit Blick auf die mit einer Suchmeldung verbundenen tatsächlichen Absatzschwierigkeiten - nur die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie durch die Veröffentlichung nicht berührt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <277 f.>). Gleiches gilt für das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41 ff.>), da die Koordinierungsstelle im vorliegenden Fall wegen der konkurrierenden Meldungen keine personenbezogenen Daten veröffentlicht hat. Ob in Bezug auf die Klägerin Art. 2 Abs. 1 GG oder aber Art. 12 Abs. 1 GG als speziellere Norm heranzuziehen ist, bedarf keiner Entscheidung, da die Aufrechterhaltung der Suchmeldung für die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig Betroffenen weder nach der einen noch nach der anderen Norm zu einem - dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegenden - Grundrechtseingriff führt.

35

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht die vom Bundesverfassungsgericht für Grundrechtsverletzungen durch staatliches Informationshandeln entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Danach ist nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als ein Grundrechtseingriff zu bewerten (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <76>). Auch wenn Grundrechtsbeeinträchtigungen durch staatliches Informationshandeln nicht die Voraussetzungen eines Eingriffs im klassischen Sinne erfüllen, weil sie insbesondere nicht auf einer unmittelbaren Regelungswirkung beruhen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 - NJW 2011, 511 <512>), kann staatliches Informationshandeln aber zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 12. August 2002 - 1 BvR 1044/93 - NVwZ-RR 2002, 801 und vom 16. August 2001 - 1 BvR 1241/97 - NJW 2002, 3458 <3459>). Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen aber nicht den Gewährleistungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, sofern der Einfluss auf wettbewerbsrechtliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Danach setzt die Verbreitung staatlicher Informationen eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen voraus. Außerdem sind die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Information zu beachten, und die staatliche Informationstätigkeit darf in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen kein Ersatz für eine staatliche Maßnahme sein, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.>). Auch im nichtwirtschaftlichen Bereich besteht eine aus der Staatsleitung abgeleitete Ermächtigung zum Informationshandeln, wenn sich das Informationshandeln im Rahmen der Informationskompetenz hält und die Betroffenen nicht unverhältnismäßig in ihren Grundrechten beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <301>). Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Informationshandeln von der staatlichen Aufgabenwahrnehmung auch dann gedeckt, wenn es mit einer mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden ist. Denn die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt in diesem Fall keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

36

aa) Bei der Tätigkeit der Koordinierungsstelle handelt es sich um eine staatliche Aufgabe. Sie beruht auf der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009. Die Suchmeldung hält sich im Rahmen der der Koordinierungsstelle danach zugewiesenen Dokumentations- und Informationsaufgabe. Die Befugnis zu staatlichem Handeln ergibt sich im Informationsbereich zudem aus der der Staatsleitung zuzurechnenden Öffentlichkeitsarbeit. Diese umfasst auch die Verbreitung von Informationen, um auf diesem Wege die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge zu unterrichten und die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung bei der Bewältigung von Problemen zu befähigen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <302>). Angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands besteht ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Veröffentlichung von Informationen zu Kulturgütern, bei denen ein Raubkunstverdacht besteht, um auf diesem Weg interessierte Bürger zu einer eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Bewältigung der bis heute fortdauernden rechtswidrigen Folgen des NS-Regimes zu befähigen. Ob darüber hinaus auch die Veröffentlichung endgültig abgewickelter Verlustvorgänge von der staatlichen Informationsbefugnis umfasst wäre, bedarf keiner Entscheidung.

37

bb) Das Informationshandeln der Koordinierungsstelle verstößt nicht gegen die föderale Kompetenzordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <308>). Da die Tätigkeit der Koordinierungsstelle sowohl der Durchsetzung von Wiedergutmachungsinteressen als auch dem Kulturgüterschutz dient, besteht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine aus der föderalen Aufgabenzuweisung abgeleitete Befugnis zum Informationshandeln. Bestehen insoweit parallele Kompetenzen, ist es mit Blick auf die föderale Kompetenzordnung nicht zu beanstanden, dass die Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung vom Bund und den Ländern gemeinsam finanziert wird, das Informationshandeln rechtlich aber nur vom Beklagten wahrgenommen wird.

38

cc) Die streitgegenständliche Veröffentlichung ist weder unsachlich noch unzutreffend. Dabei kommt es bei der Frage der inhaltlichen Richtigkeit nicht darauf an, ob den Rechtsvorgängern der Beigeladenen das Gemälde tatsächlich NS-verfolgungsbedingt abhandengekommen ist. Denn die Veröffentlichung von Suchmeldungen in der Lost Art Internet-Datenbank erschöpft sich in der Dokumentation von Meldungen Dritter, die vom Betreiber lediglich einer groben Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. Die inhaltliche Richtigkeit des von dritter Seite durch eine Suchmeldung erhobenen Raubkunstverdachts ist daher nicht Gegenstand der staatlichen Information. Folglich kommt es - abgesehen von Fällen evidenter Unrichtigkeit - nicht darauf an, ob die der Verlustmeldung zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind und der Melder hieraus zutreffende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen hat. Das Ziel der Datenbank liegt nicht in der Anerkennung und/oder Zuordnung von Rückgabeansprüchen; über die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen sollen Vorkriegseigentümer bzw. deren Erben und heutige Besitzer nur zusammengeführt und beim Finden einer fairen und gerechten Lösung unterstützt werden.

39

dd) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist in Bezug auf die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig betroffenen Personen und deren Grundrechte auch nicht aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Sie verfolgt mit der Unterstützung der Beigeladenen, die plausibel geltend gemacht haben, dass ihren Rechtsvorgängern das Gemälde NS-verfolgungsbedingt entzogen worden ist, bis zu einer endgültigen Klärung der Eigentumsfrage und etwaiger Herausgabeansprüche mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands, seiner Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen und dem Bemühen, diese mit Hilfe der Lost Art Internet-Datenbank tatsächlich umzusetzen, einen legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung bis zu einer endgültigen Klärung geeignet und erforderlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Zweck der Datenbank durch eine andere weniger belastende, aber gleich effektive Form staatlicher Information hätte erreicht werden können. Schließlich fehlt es auch nicht an der Angemessenheit, da die Beteiligten die Möglichkeit haben, eine endgültige Klärung ggf. auf dem Zivilrechtsweg herbeizuführen.

40

ee) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Unabhängig von der Befugnis staatlicher Stellen zum Informationshandeln wird der Gewährleistungsbereich der hiervon betroffenen Grundrechte dann beeinträchtigt, wenn sich das Handeln nicht auf die Veröffentlichung von Informationen beschränkt, auf deren Grundlage die Nutzer der staatlichen Informationsquelle eigenbestimmte, an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen können. Insbesondere kann staatliche Informationstätigkeit den Gewährleistungsbereich der betroffenen Grundrechte beeinträchtigen, wenn sie in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff im klassischen Sinne zu qualifizieren wäre. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung einschließlich des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden; vielmehr müssen in diesen Fällen die für einen Grundrechtseingriff maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <273> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

41

In diesem Sinne stellt die Aufrechthaltung der Suchmeldung kein funktionales Äquivalent für einen (finalen) Grundrechtseingriff dar. Der Informationsgehalt der Meldung beschränkt sich auf die Dokumentation des von dritter Seite geäußerten Verdachts, dass es sich bei dem Gemälde um Raubkunst handele. Auf der Grundlage dieser Information können die Nutzer der Datenbank eigenbestimmte und an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen, etwa ob sie als Besitzer des Bildes zur freiwilligen Rückgabe oder zur Mitwirkung an einer anderen Lösung bereit sind oder ob sie als Auktionshaus oder Kaufinteressent trotz des bestehenden Verdachts und der damit verbundenen Risiken das Gemälde zur Versteigerung annehmen bzw. erwerben wollen. Die Suchmeldung hat hingegen keinerlei Auswirkungen auf die Eigentumszuordnung, die Verfügungsbefugnis und das Bestehen etwaiger Rückgabeansprüche. Diese Fragen müssen im Streitfall zwischen den Beteiligten auf dem Zivilrechtsweg geklärt werden. Etwaige Auswirkungen auf den Marktwert und die Verkäuflichkeit des Bildes ergeben sich primär aus der von den Beigeladenen geltend gemachten Verlustgeschichte. Der sich daraus ergebende "Makel" wird durch die Aufrechterhaltung der Eintragung in der Suchliste nur publik gemacht. Er würde durch eine Löschung nicht entfallen und könnte von den Beigeladenen auf anderem Wege - auch öffentlichkeitswirksam - weiterverfolgt werden. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem der "E-Zigaretten-Entscheidung" des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 17. September 2013 - 13 A 2541/12 - (DVBl 2013, 1462) zugrunde liegenden Sachverhalt, der eine ministerielle Warnung vor dem Verkauf von E-Zigaretten betraf, bei der sich die verbotsähnliche Wirkung u.a. daraus ergab, dass Handel und Verkauf der Ware als Rechtsverstoß qualifiziert worden war, der auch schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne.

42

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen "Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts. Danach verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den Gesetzgeber, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen. Ob eine Maßnahme wesentlich ist und damit dem Parlament selbst vorbehalten bleiben muss oder jedenfalls nur aufgrund einer inhaltlich bestimmten parlamentarischen Ermächtigung ergehen darf, hängt im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel davon ab, ob sie wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75 u.a. - BVerfGE 47, 46 <79> m.w.N.). Insoweit ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für ein zulässiges staatliches Informationshandeln zu entnehmen, dass es bei Einhaltung der dort aufgestellten Voraussetzungen auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keiner gesetzlichen Grundlage bedarf. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zum institutionellen Gesetzesvorbehalt kommt es hier schon deshalb nicht an, weil es sich bei der Koordinierungsstelle nicht um eine rechtlich selbständige öffentliche Einrichtung handelt, sondern nur um eine unselbständige Anstalt.

43

3.3 Ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung nach dem Vorstehenden objektiv rechtmäßig, fehlt es zugleich an der für das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs erforderlichen Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten. Auch bedarf es keiner Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladenen mit Stellung eigener Anträge am Kostenrisiko beteiligt haben, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, begehrt die Löschung einer Suchmeldung für ein Gemälde aus der im Internet unter www.lostart.de geführten Datenbank. Diese Datenbank enthält u.a. Such- und Fundmeldungen zu Kulturgütern, die jüdischen Eigentümern infolge des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die auf Grund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann. Sie wurde auf der Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung von der Koordinierungsstelle Magdeburg, einer unselbständigen Arbeitsgruppe beim Kultusministerium des beklagten Landes, aufgebaut.

2

Für das Gemälde ging bei der Koordinierungsstelle 2005 im Auftrag der Erbengemeinschaft nach Rosa und Jakob O. eine Suchmeldung ein, die damit begründet wurde, dass den jüdischen Eheleuten O. 1929 sämtliche Gesellschaftsanteile an der Klägerin vermacht worden seien. Letzterer sei das Bild 1935 durch Versteigerung NS-verfolgungsbedingt entzogen worden. Eine weitere Suchmeldung erfolgte 2009 durch - inzwischen verstorbene und von den jetzigen Beigeladenen beerbte - Mitglieder von Erbengemeinschaften, die die jüdischen Gesellschafter des ehemaligen Bankhauses J. & S. beerbt haben. Sie wurde damit begründet, dass das Gemälde 1933 dem Bankhaus sicherungsübereignet worden sei; 1935 sei es vom Bankhaus ersteigert worden und seinen jüdischen Gesellschaftern 1938 im Zuge der sog. "Arisierung" des Bankhauses abhandengekommen. Wegen der konkurrierenden Suchmeldungen ist das Gemälde im Internet ohne Nennung von Namen veröffentlicht.

3

Das Gemälde wurde inzwischen in Namibia gefunden. Anfang 2010 einigten sich der Besitzer des Gemäldes, die Klägerin und die Mitglieder der Erbengemeinschaft O., das Bild im Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam zu versteigern und den Erlös hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. zu teilen. Die Versteigerung scheiterte, nachdem die Koordinierungsstelle eine Löschung der Suchmeldung ohne Zustimmung der Zweitanmelder ablehnte.

4

Mit Urteil vom 17. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, den Sucheintrag für das Gemälde in der Lost Art Internet-Datenbank zu löschen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. Oktober 2013 die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Beklagten auf Löschung der Suchmeldung habe. Die Rechtmäßigkeit der Eintragung beurteile sich nach den für den Bereich der staatlichen - nicht regelnden - Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben. Offenbleiben könne, ob der Betrieb der Datenbank danach einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung sei jedenfalls wegen Zweckerfüllung rechtswidrig. Aus den der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegenden Unterlagen ergebe sich, dass sich die Funktion der Datenbank auf die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen beschränke, die von der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung des Bundes und der Länder von 1999 erfasste Kulturgüter beträfen. Dieser Zweck sei mit dem Auffinden des Bildes erfüllt. Eine weiterreichende anspruchssichernde Funktion komme der Datenbank nicht zu. Die Aufrechterhaltung der Eintragung verletze die Klägerin in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. Der in der Suchliste dokumentierte Raubkunstverdacht führe zu einem merkantilen Minderwert und im Einzelfall zur zeitweiligen Unveräußerlichkeit. Diese Beschränkung sei nur so lange zu dulden, wie es der Zweck der Suchliste, nämlich die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst, erfordere.

5

Während des Revisionsverfahrens haben Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände mit Wirkung vom 1. Januar 2015 die Stiftung "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste" in der Form einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet, die (u.a.) die Aufgaben der Koordinierungsstelle fortführt.

6

Der Beklagte macht mit seiner Revision geltend, es fehle an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit und am Rechtsschutzinteresse. Zumindest sei die Klage mit Gründung der Stiftung unzulässig geworden. Der Klägerin stehe der geltend gemachte und dem revisiblen Recht zuzurechnende öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu. Die Suchmeldung verletze sie nicht in ihren Rechten. Als Maßstab komme nur Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht. Nach den für den Bereich der staatlichen, nicht regelnden Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben fehle es aber an einem Eingriff. Der Informationsauftrag sei mit dem Auffinden des Gemäldes und der Verwertungsvereinbarung noch nicht beendet.

7

Die Beigeladenen machen mit ihren Revisionen geltend, die Nachtragsliquidatorin sei nicht prozessführungsbefugt, auch fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Weder die Errichtung der Datenbank noch die streitgegenständliche Veröffentlichung bedürften einer gesetzlichen Grundlage. Die Suchmeldung verletze die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Der Zweck der Datenbank erfasse auch die Dokumentation von Raubkunstverdachtsfällen im Allgemeininteresse, im Interesse von Personen, die berechtigte Wiedergutmachungsinteressen verfolgten, und im Interesse des lauteren Wettbewerbs.

8

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ergänzend macht sie geltend, der zugesprochene Folgenbeseitigungsanspruch sei nicht revisibel und zu Recht bejaht worden. Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen komme der Suchmeldung erhebliche Bedeutung für die Verkehrsfähigkeit des Gemäldes zu und beschränke sich der Zweck der Datenbank auf die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst. Die Aufrechterhaltung der Meldung sei wegen ihrer Grundrechtsrelevanz nicht mehr gerechtfertigt. Außerdem fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Berufungsgericht hat ihre Berufungen unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zurückgewiesen. Zwar ist es im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit der Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte obliegt (1.). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig (2.). Sie ist aber unbegründet (3.). Das Berufungsgericht hat einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch mit einer Begründung bejaht, die mit revisiblem Recht nicht zu vereinbaren ist. Seine Annahme, der Zweck der von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen mitveranlassten Suchmeldung sei mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und ist unzutreffend (3.1). Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht aus anderen Gründen (objektiv) rechtswidrig (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

10

Die Klage richtet sich weiterhin gegen das beklagte Land. Dass die Aufgaben der Koordinierungsstelle inzwischen von einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt werden, hat keinen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beklagtenseite zur Folge. Soweit in verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch in Fällen eines behördlichen Zuständigkeitswechsels (BVerwG, Urteile vom 2. November 1973 - 4 C 55.70 - BVerwGE 44, 148 <150> und vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224>) oder einer sondergesetzlich angeordneten Funktionsnachfolge (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1989 - 5 C 33.88 - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 12) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Parteiwechsel angenommen wird, beruht dies auf der Exklusivität gesetzlich geregelter Zuständigkeitszuweisungen. Hiermit ist die Übertragung der Aufgaben der Koordinierungsstelle auf eine private Stiftung nicht vergleichbar. Sie ähnelt mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage einer gewillkürten Rechtsnachfolge, die nicht kraft Gesetzes zu einer Veränderung in der Zusammensetzung des Kreises der Prozessbeteiligten führt.

11

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (1.1) und der Streit der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen (1.2).

12

1.1 Hinsichtlich der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nach § 17a Abs. 5 GVG nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dieses Überprüfungsverbot gilt allerdings nicht, wenn das Gericht erster Instanz entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz Rüge nicht vorab durch Beschluss entschieden hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 7 B 198.93 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268; BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - I ZB 3/92 - BGHZ 119, 246 <250>; BAG, Urteil vom 21. August 1996 - 5 AZR 1011/94 - NJW 1997, 1025; BFH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - X B 216/13 - BFH/NV 2014, 1888).

13

In Anwendung dieser Bestimmung war dem Berufungsgericht eine Überprüfung des Rechtswegs verwehrt. Seine gegenteilige Auffassung beruht auf der aktenwidrigen Annahme, das Verwaltungsgericht habe trotz erstinstanzlicher Rüge den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten erst im Urteil bejaht. Ausweislich der Gerichtsakten hat der Beklagte erstmals mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung geltend gemacht, dass es an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit fehle; zuvor hat er lediglich gerügt, dass der Rechtsträger der Koordinierungsstelle nicht der richtige Beklagte sei, die Klägerin vielmehr gegen die Erben des Bankhauses (auf dem Zivilrechtsweg) vorgehen müsse. An die gegenteilige - den tatrichterlichen Feststellungen zuzuordnende - Behauptung des Berufungsgerichts ist der Senat nicht gebunden. Denn Prozesstatsachen, d.h. die tatsächlichen Grundlagen für die von Amts wegen auch vom Revisionsgericht zu prüfende Zuständigkeit und die Sachentscheidungsvoraussetzungen, zählen nicht zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 46 m.w.N.). Auf diesem Fehler beruht die angegriffene Entscheidung aber nicht, da das Berufungsgericht die Rechtswegfrage nicht anders beurteilt hat als das Verwaltungsgericht und auch in der Sache zutreffend den Verwaltungsrechtsweg als gegeben gesehen hat.

14

1.2 Die begehrte Löschung ist nicht auf einen gerichts- bzw. justizfreien Hoheitsakt gerichtet, der einer gerichtlichen Kontrolle generell entzogen ist. Eine Prüfung dieser Frage unterfällt nicht dem Verbot des § 17a Abs. 5 GVG, da es nicht darum geht, welches Gericht zuständig ist, sondern ob der Streit jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen ist.

15

Als Teil der Exekutive ist die Koordinierungsstelle - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und ihr Handeln unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Danach hat der Bürger einen Anspruch auf einen möglichst wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, soweit diese in seine Rechte eingreifen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - BVerfGE 113, 273 <310> m.w.N.). Das Grundgesetz kennt - von engen Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und Art. 44 Abs. 4 GG) - grundsätzlich keine staatlichen Akte, die dieser gerichtlichen Kontrolle generell entzogen sind. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist damit auch gegen staatsleitende Akte Rechtsschutz zu gewähren, wenn und soweit sie subjektiv-öffentliche Rechte Einzelner tangieren; eine andere Frage ist die nach der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Überprüfung solcher Akte.

16

Gegenteiliges ergibt sich hier weder aus der Art der von der Koordinierungsstelle ausgeübten Tätigkeit noch aus ihrer inneren Struktur. In der Lost Art Internet-Datenbank werden Such- und Fundmeldungen Dritter dokumentiert. Auch wenn für deren Richtigkeit keine Gewähr übernommen wird, entscheidet über die Eintragung und Löschung einer Meldung allein der Betreiber der Datenbank nach einer eigenen Plausibilitätsprüfung (vgl. Grundsätze der Koordinierungsstelle zur Eintragung und zur Löschung von Meldungen zu Kulturgütern, veröffentlicht unter: http://www.lostart.de/Content/04_Datenbank/DE/Grundsätze-Checkliste_DL.pdf?__blob=publicationFile). Dass die Arbeit der Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung über die Koordinierungsstelle vom 15. September 2009 von einem Fachbeirat begleitet wird, alle Grundsatzentscheidungen von einem Kuratorium getroffen werden und die Koordinierungsstelle intern an die Beschlüsse dieser beiden Gremien gebunden ist, trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass es sich um eine von mehreren Trägern staatlicher Gewalt finanzierte Einrichtung handelt, deren Tätigkeit zudem nicht auf konkreten gesetzlichen Vorgaben beruht.

17

2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die für die Klägerin handelnde Nachtragsliquidatorin zur Führung des Prozesses befugt (2.1) und fehlt der Klägerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (2.2).

18

2.1 Das Löschungsbegehren ist von der Vertretungsmacht der Nachtragsliquidatorin gedeckt. Nach dem Bestellungsbeschluss umfasst ihr Wirkungskreis die Vertretung und die Wahrnehmung der Rechte der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen. Dabei ist der Begriff "vermögensrechtlich" schon dem Wortlaut nach nicht auf Streitigkeiten nach dem Vermögensgesetz bezogen. Er ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte weit zu verstehen und umfasst in Abgrenzung zu den (nicht vermögensrechtlichen) Personen- und Familienrechten nicht nur Ansprüche, die aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden, sondern auch Ansprüche aus nicht vermögensrechtlichen Rechtsverhältnissen, wenn sie unmittelbar auf eine vermögenswerte Leistung gerichtet sind oder ihre Verfolgung in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dient, ohne dass sich dies in einer bloßen Reflexwirkung erschöpft (Toussaint, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1. Januar 2015, § 20 ZPO Rn. 1 m.w.N. aus der Rspr des BGH).

19

Vorliegend macht die Klägerin geltend, dass sie weiterhin Eigentümerin des Gemäldes sei und die Suchmeldung einer Verwertung entgegenstehe. Zwar soll nach der von der Klägerin eingegangenen Vereinbarung vom Januar 2010 der Erlös nach einer Versteigerung hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. (unter Ausschluss der Klägerin) aufgeteilt werden. Diese Einigung bezog sich aber auf eine Versteigerung des Bildes bei der Altmeister-Auktion vom 18. Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam, zu der es nicht gekommen ist. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die Vereinbarung damit insgesamt hinfällig geworden ist oder ob die Vertragsparteien weiterhin zu einer Veräußerung und Aufteilung des dabei erzielten Erlöses nach dem vereinbarten Verteilungsschlüssel verpflichtet sind. Schon angesichts der weiterhin ungeklärten Eigentumsverhältnisse und der rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich des Umfangs der von der Klägerin eingegangenen vertraglichen Verpflichtung kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Löschung nur (noch) der Wahrung wirtschaftlicher Interessen ihrer Gesellschafter und nicht auch ihrem Eigeninteresse dienen würde.

20

2.2 Es fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Danach darf das Gericht die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 40 Rn. 11 ff. m.w.N.).

21

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Vorgehen der Klägerin gegen die Beigeladenen auf dem Zivilrechtsweg angesichts der mit der Eigentumsfrage verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten keine eindeutig vorzugswürdige Alternative darstellen würde. Zudem wäre ein solcher Rechtsstreit nicht notwendigerweise vor einem deutschen Gericht auszutragen. Nach den von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen begründet aber nur eine inländische Gerichtsentscheidung einen Löschungsanspruch.

22

Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die begehrte Löschung der Klägerin einen rechtlich anerkennenswerten Vorteil brächte. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt richtet, die Datenbank seit Anfang 2015 aber nicht mehr von der beim dortigen Kultusministerium angesiedelten Koordinierungsstelle, sondern von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts betrieben wird. Dadurch kann das auf einen Realakt gerichtete Begehren inzwischen zwar nur noch von der Stiftung erfüllt werden. Die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils erstreckt sich nach § 121 VwGO aber auch auf die Rechtsnachfolger der Beteiligten. Hierdurch wird in zeitlicher Hinsicht auch gebunden, wer schon vor Eintritt der Rechtskraft, aber nach Rechtshängigkeit in das streitbefangene Recht nachfolgt (§ 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 1 ZPO). Folglich könnte ein stattgebendes Urteil nach Titelumschreibung gegenüber der Stiftung vollstreckt werden. Die Vereinbarung vom Januar 2010 lässt das Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht entfallen, nachdem der darin vereinbarte Versteigerungstermin fehlgeschlagen und offen ist, welche Rechtsbindungen sich hieraus für die Klägerin ergeben. Der Einwand der Beigeladenen, dass durch eine Löschung der bestehende Raubkunstverdacht nicht entfallen würde, ändert ebenfalls nichts daran, dass die Klägerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Löschung der ihrer Auffassung nach rechtswidrigen und einer Veräußerung entgegenstehenden Eintragung hat.

23

3. Die Klage ist aber unbegründet. Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Damit ist auch insoweit unerheblich, dass die Datenbank inzwischen von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt wird. Zwar sind Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>). Die Gründung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts zur Fortführung der von der Koordinierungsstelle wahrgenommenen Aufgaben und der aufgebauten Datenbank stellt aber eine geänderte Tatsache und keine Änderung der für die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruchs maßgeblichen rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe dar.

24

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass als Anspruchsgrundlage für das Löschungsbegehren nur ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht kommt. Dieser Anspruch entsteht, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt vorzeitig vollzogen wurde; er gilt bei rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Gerichtet ist der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands; zu beseitigen sind alle der handelnden Behörde zuzurechnenden rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen (BVerwG, Urteile vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58, vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 - BVerwGE 69, 366 <370 ff.> und vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <95> m.w.N.).

25

Einer revisionsgerichtlichen Überprüfung des vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Koordinierungsstelle als Teil einer Landesbehörde grundsätzlich Landesrecht vollzieht. Da es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um einen auch aus dem Grundgesetz - insbesondere aus den jeweils berührten Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip - abgeleiteten Rechtssatz handelt, ist die Folgenbeseitigung als Grundsatz und Anspruch Bestandteil des Bundesrechts und damit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisibel (BVerwG, Urteil vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58).

26

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines auf Löschung der Suchmeldung gerichteten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs nicht vor. Das Aufrechthalten der Suchmeldung durch die Koordinierungsstelle ist zwar als öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln anzusehen (3.1). Es hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

27

3.1 Die Eintragung und Löschung von Meldungen zu Kulturgütern auf der Internetseite www.lostart.de durch die Koordinierungsstelle Magdeburg ist Teil des staatlichen Informationshandelns im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Unerheblich ist, dass für die inhaltliche Richtigkeit der von dritter Seite übermittelten Such- und Fundmeldungen keine Verantwortung übernommen wird. Denn Eintragungen erfolgen ausschließlich nach eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen. Danach findet vor der Einstellung einer Meldung eine Plausibilitätsprüfung statt, die insbesondere die Angaben des Melders zum Objekt, zur Verlustgeschichte und zu seiner Person umfasst. Die Behandlung konkurrierender Meldungen und die Löschung von Meldungen unterliegen ebenfalls eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Regeln. Damit handelt es sich bei der Lost Art Internet-Datenbank nicht lediglich um eine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattform, für deren Inhalt keinerlei staatliche Verantwortung übernommen wird.

28

3.2 Das Nichtlöschen der Suchmeldung hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge. Bei der von der Koordinierungsstelle betriebenen Internet-Datenbank handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung im untechnischen Sinne, die der Allgemeinheit im Rahmen ihres Widmungszwecks zur Verfügung steht. Das Handeln der Koordinierungsstelle kann daher gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob es sich im Rahmen dieses Widmungszwecks hält (a) und mit höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu vereinbaren ist (b).

29

a) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung hält sich im Rahmen des Widmungszwecks der Datenbank. Danach ist der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erreicht, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, der Zweck der Suchliste bestehe allein darin, Betroffene bei der Suche nach verschollener Raubkunst zu unterstützen, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und genügt damit nicht den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, bei seiner freien Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Es darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung daraufhin, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist. Ob das Gericht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage entschieden hat, ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <210 ff.> m.w.N.).

30

Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass mangels einfachgesetzlicher Vorgaben zur Bestimmung des Zwecks der in der Datenbank enthaltenen Suchliste die vom Träger bzw. den Trägern der Einrichtung hierzu abgegebenen Willenserklärungen heranzuziehen sind (UA S. 16). In diesem Zusammenhang verweist es u.a. auf die der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegende Bund-Länder-Vereinbarung vom 15. September 2009, die ihrerseits Bezug nimmt auf die auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust vom 3. Dezember 1998 aufgestellten "Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden" (Washingtoner Grundsätze). Den von ihm herangezogenen Unterlagen entnimmt das Berufungsgericht ohne nähere Darlegung, dass der Zweck der Suchmeldung mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt sei (UA S. 18). Dabei übersieht es, dass es für den Widmungszweck nicht nur auf die von den Trägern bei Errichtung der Koordinierungsstelle abgegebenen Erklärungen ankommt. Denn der Widmungszweck kann auch durch nachträgliche Willensbekundungen weiter ausgestaltet werden. Das Berufungsgericht hätte bei der Zweckbestimmung daher auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze über die Eintragung und Löschung von Meldungen miteinbeziehen müssen.

31

Da der Inhalt der für die Zweckbestimmung maßgeblichen Willensbekundungen hier unstreitig ist, können diese vom Senat selbst ausgelegt und bewertet werden, ohne dass es einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung bedarf. Eine am wirklichen Willen (vgl. § 133 BGB) orientierte Auslegung ergibt, dass der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erfüllt ist. Nach der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009 zählt zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle u.a. die Dokumentation von Such- und Fundmeldungen des In- und Auslandes zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern zur Präsentation in www.lostart.de. Eine Beschränkung der Veröffentlichung von Suchmeldungen auf Kulturgüter, deren Aufenthaltsort dem Suchenden unbekannt ist, ist dem nicht zu entnehmen. Sie wäre auch nicht mit der in der Präambel ausdrücklich hervorgehobenen historischen Verantwortung in Form der Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen von 1998 zu vereinbaren. Danach sollen Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, nicht nur identifiziert werden (Ziff. 1), vielmehr sollen die Vorkriegseigentümer und ihre Erben auch zum "Anmelden ihrer Ansprüche ermutigt" (Ziff. 7) und beim "Finden einer gerechten und fairen Lösung unterstützt" werden (Ziff. 8). Dem widerspräche es, Suchmeldungen nach dem Auffinden eines Werkes zu löschen, bevor es zwischen dem Besitzer und - möglicherweise konkurrierenden - Vorkriegseigentümern und ihren Erben zu einer Einigung über das weitere Schicksal des Werkes oder zumindest einer verbindlichen Klärung der Eigentumsfrage gekommen ist. Dies bestätigen auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze zur Eintragung und Löschung von Meldungen, die den Widmungszweck der Datenbank weiter ausgestalten. Danach ist für eine Löschung erforderlich, dass der Melder hierzu auffordert, die Plausibilität einer Meldung grundlegend erschüttert ist oder ein Dritter nach Feststellung seines Eigentums durch rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts eine Löschung wünscht. Dieser Ausgestaltung der Gründe für die Löschung einer Meldung ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Zweck nicht schon mit dem Auffinden eines gesuchten Gegenstands erreicht ist, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Ob die Datenbank darüber hinaus noch weitergehenden Zwecken dient, bedarf keiner Entscheidung.

32

Besteht der Zweck der Suchliste nicht allein im Aufsuchen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, sondern soll durch die Veröffentlichung einer Suchmeldung auch eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten gefördert werden, ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der Zweck der streitgegenständlichen Suchmeldung hier noch nicht erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beigeladenen hinreichend Gelegenheit zur Sicherung etwaiger Ansprüche hatten. Zweckerreichung ist auch nicht mit der zwischen dem Besitzer, der Klägerin und den Mitglieder der Erbengemeinschaft O. geschlossenen Verwertungsvereinbarung eingetreten, da diese ohne Mitwirkung der Beigeladenen zustande gekommen ist. Unerheblich ist auch, ob die Beigeladenen - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - möglicherweise nur Zweitgeschädigte sind, denn der Zweck der Datenbank besteht in der Dokumentation und nicht in der rechtlichen Bewertung NS-verfolgungsbedingter Verluste.

33

b) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Mangels einfachgesetzlicher Vorgaben ist hier insbesondere ein Verstoß gegen die Grundrechte zu prüfen.

34

Als möglicherweise betroffene Grundrechte kommen - mit Blick auf die mit einer Suchmeldung verbundenen tatsächlichen Absatzschwierigkeiten - nur die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie durch die Veröffentlichung nicht berührt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <277 f.>). Gleiches gilt für das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41 ff.>), da die Koordinierungsstelle im vorliegenden Fall wegen der konkurrierenden Meldungen keine personenbezogenen Daten veröffentlicht hat. Ob in Bezug auf die Klägerin Art. 2 Abs. 1 GG oder aber Art. 12 Abs. 1 GG als speziellere Norm heranzuziehen ist, bedarf keiner Entscheidung, da die Aufrechterhaltung der Suchmeldung für die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig Betroffenen weder nach der einen noch nach der anderen Norm zu einem - dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegenden - Grundrechtseingriff führt.

35

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht die vom Bundesverfassungsgericht für Grundrechtsverletzungen durch staatliches Informationshandeln entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Danach ist nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als ein Grundrechtseingriff zu bewerten (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <76>). Auch wenn Grundrechtsbeeinträchtigungen durch staatliches Informationshandeln nicht die Voraussetzungen eines Eingriffs im klassischen Sinne erfüllen, weil sie insbesondere nicht auf einer unmittelbaren Regelungswirkung beruhen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 - NJW 2011, 511 <512>), kann staatliches Informationshandeln aber zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 12. August 2002 - 1 BvR 1044/93 - NVwZ-RR 2002, 801 und vom 16. August 2001 - 1 BvR 1241/97 - NJW 2002, 3458 <3459>). Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen aber nicht den Gewährleistungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, sofern der Einfluss auf wettbewerbsrechtliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Danach setzt die Verbreitung staatlicher Informationen eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen voraus. Außerdem sind die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Information zu beachten, und die staatliche Informationstätigkeit darf in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen kein Ersatz für eine staatliche Maßnahme sein, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.>). Auch im nichtwirtschaftlichen Bereich besteht eine aus der Staatsleitung abgeleitete Ermächtigung zum Informationshandeln, wenn sich das Informationshandeln im Rahmen der Informationskompetenz hält und die Betroffenen nicht unverhältnismäßig in ihren Grundrechten beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <301>). Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Informationshandeln von der staatlichen Aufgabenwahrnehmung auch dann gedeckt, wenn es mit einer mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden ist. Denn die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt in diesem Fall keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

36

aa) Bei der Tätigkeit der Koordinierungsstelle handelt es sich um eine staatliche Aufgabe. Sie beruht auf der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009. Die Suchmeldung hält sich im Rahmen der der Koordinierungsstelle danach zugewiesenen Dokumentations- und Informationsaufgabe. Die Befugnis zu staatlichem Handeln ergibt sich im Informationsbereich zudem aus der der Staatsleitung zuzurechnenden Öffentlichkeitsarbeit. Diese umfasst auch die Verbreitung von Informationen, um auf diesem Wege die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge zu unterrichten und die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung bei der Bewältigung von Problemen zu befähigen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <302>). Angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands besteht ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Veröffentlichung von Informationen zu Kulturgütern, bei denen ein Raubkunstverdacht besteht, um auf diesem Weg interessierte Bürger zu einer eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Bewältigung der bis heute fortdauernden rechtswidrigen Folgen des NS-Regimes zu befähigen. Ob darüber hinaus auch die Veröffentlichung endgültig abgewickelter Verlustvorgänge von der staatlichen Informationsbefugnis umfasst wäre, bedarf keiner Entscheidung.

37

bb) Das Informationshandeln der Koordinierungsstelle verstößt nicht gegen die föderale Kompetenzordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <308>). Da die Tätigkeit der Koordinierungsstelle sowohl der Durchsetzung von Wiedergutmachungsinteressen als auch dem Kulturgüterschutz dient, besteht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine aus der föderalen Aufgabenzuweisung abgeleitete Befugnis zum Informationshandeln. Bestehen insoweit parallele Kompetenzen, ist es mit Blick auf die föderale Kompetenzordnung nicht zu beanstanden, dass die Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung vom Bund und den Ländern gemeinsam finanziert wird, das Informationshandeln rechtlich aber nur vom Beklagten wahrgenommen wird.

38

cc) Die streitgegenständliche Veröffentlichung ist weder unsachlich noch unzutreffend. Dabei kommt es bei der Frage der inhaltlichen Richtigkeit nicht darauf an, ob den Rechtsvorgängern der Beigeladenen das Gemälde tatsächlich NS-verfolgungsbedingt abhandengekommen ist. Denn die Veröffentlichung von Suchmeldungen in der Lost Art Internet-Datenbank erschöpft sich in der Dokumentation von Meldungen Dritter, die vom Betreiber lediglich einer groben Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. Die inhaltliche Richtigkeit des von dritter Seite durch eine Suchmeldung erhobenen Raubkunstverdachts ist daher nicht Gegenstand der staatlichen Information. Folglich kommt es - abgesehen von Fällen evidenter Unrichtigkeit - nicht darauf an, ob die der Verlustmeldung zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind und der Melder hieraus zutreffende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen hat. Das Ziel der Datenbank liegt nicht in der Anerkennung und/oder Zuordnung von Rückgabeansprüchen; über die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen sollen Vorkriegseigentümer bzw. deren Erben und heutige Besitzer nur zusammengeführt und beim Finden einer fairen und gerechten Lösung unterstützt werden.

39

dd) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist in Bezug auf die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig betroffenen Personen und deren Grundrechte auch nicht aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Sie verfolgt mit der Unterstützung der Beigeladenen, die plausibel geltend gemacht haben, dass ihren Rechtsvorgängern das Gemälde NS-verfolgungsbedingt entzogen worden ist, bis zu einer endgültigen Klärung der Eigentumsfrage und etwaiger Herausgabeansprüche mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands, seiner Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen und dem Bemühen, diese mit Hilfe der Lost Art Internet-Datenbank tatsächlich umzusetzen, einen legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung bis zu einer endgültigen Klärung geeignet und erforderlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Zweck der Datenbank durch eine andere weniger belastende, aber gleich effektive Form staatlicher Information hätte erreicht werden können. Schließlich fehlt es auch nicht an der Angemessenheit, da die Beteiligten die Möglichkeit haben, eine endgültige Klärung ggf. auf dem Zivilrechtsweg herbeizuführen.

40

ee) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Unabhängig von der Befugnis staatlicher Stellen zum Informationshandeln wird der Gewährleistungsbereich der hiervon betroffenen Grundrechte dann beeinträchtigt, wenn sich das Handeln nicht auf die Veröffentlichung von Informationen beschränkt, auf deren Grundlage die Nutzer der staatlichen Informationsquelle eigenbestimmte, an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen können. Insbesondere kann staatliche Informationstätigkeit den Gewährleistungsbereich der betroffenen Grundrechte beeinträchtigen, wenn sie in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff im klassischen Sinne zu qualifizieren wäre. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung einschließlich des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden; vielmehr müssen in diesen Fällen die für einen Grundrechtseingriff maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <273> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

41

In diesem Sinne stellt die Aufrechthaltung der Suchmeldung kein funktionales Äquivalent für einen (finalen) Grundrechtseingriff dar. Der Informationsgehalt der Meldung beschränkt sich auf die Dokumentation des von dritter Seite geäußerten Verdachts, dass es sich bei dem Gemälde um Raubkunst handele. Auf der Grundlage dieser Information können die Nutzer der Datenbank eigenbestimmte und an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen, etwa ob sie als Besitzer des Bildes zur freiwilligen Rückgabe oder zur Mitwirkung an einer anderen Lösung bereit sind oder ob sie als Auktionshaus oder Kaufinteressent trotz des bestehenden Verdachts und der damit verbundenen Risiken das Gemälde zur Versteigerung annehmen bzw. erwerben wollen. Die Suchmeldung hat hingegen keinerlei Auswirkungen auf die Eigentumszuordnung, die Verfügungsbefugnis und das Bestehen etwaiger Rückgabeansprüche. Diese Fragen müssen im Streitfall zwischen den Beteiligten auf dem Zivilrechtsweg geklärt werden. Etwaige Auswirkungen auf den Marktwert und die Verkäuflichkeit des Bildes ergeben sich primär aus der von den Beigeladenen geltend gemachten Verlustgeschichte. Der sich daraus ergebende "Makel" wird durch die Aufrechterhaltung der Eintragung in der Suchliste nur publik gemacht. Er würde durch eine Löschung nicht entfallen und könnte von den Beigeladenen auf anderem Wege - auch öffentlichkeitswirksam - weiterverfolgt werden. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem der "E-Zigaretten-Entscheidung" des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 17. September 2013 - 13 A 2541/12 - (DVBl 2013, 1462) zugrunde liegenden Sachverhalt, der eine ministerielle Warnung vor dem Verkauf von E-Zigaretten betraf, bei der sich die verbotsähnliche Wirkung u.a. daraus ergab, dass Handel und Verkauf der Ware als Rechtsverstoß qualifiziert worden war, der auch schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne.

42

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen "Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts. Danach verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den Gesetzgeber, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen. Ob eine Maßnahme wesentlich ist und damit dem Parlament selbst vorbehalten bleiben muss oder jedenfalls nur aufgrund einer inhaltlich bestimmten parlamentarischen Ermächtigung ergehen darf, hängt im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel davon ab, ob sie wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75 u.a. - BVerfGE 47, 46 <79> m.w.N.). Insoweit ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für ein zulässiges staatliches Informationshandeln zu entnehmen, dass es bei Einhaltung der dort aufgestellten Voraussetzungen auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keiner gesetzlichen Grundlage bedarf. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zum institutionellen Gesetzesvorbehalt kommt es hier schon deshalb nicht an, weil es sich bei der Koordinierungsstelle nicht um eine rechtlich selbständige öffentliche Einrichtung handelt, sondern nur um eine unselbständige Anstalt.

43

3.3 Ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung nach dem Vorstehenden objektiv rechtmäßig, fehlt es zugleich an der für das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs erforderlichen Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten. Auch bedarf es keiner Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladenen mit Stellung eigener Anträge am Kostenrisiko beteiligt haben, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, begehrt die Löschung einer Suchmeldung für ein Gemälde aus der im Internet unter www.lostart.de geführten Datenbank. Diese Datenbank enthält u.a. Such- und Fundmeldungen zu Kulturgütern, die jüdischen Eigentümern infolge des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die auf Grund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann. Sie wurde auf der Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung von der Koordinierungsstelle Magdeburg, einer unselbständigen Arbeitsgruppe beim Kultusministerium des beklagten Landes, aufgebaut.

2

Für das Gemälde ging bei der Koordinierungsstelle 2005 im Auftrag der Erbengemeinschaft nach Rosa und Jakob O. eine Suchmeldung ein, die damit begründet wurde, dass den jüdischen Eheleuten O. 1929 sämtliche Gesellschaftsanteile an der Klägerin vermacht worden seien. Letzterer sei das Bild 1935 durch Versteigerung NS-verfolgungsbedingt entzogen worden. Eine weitere Suchmeldung erfolgte 2009 durch - inzwischen verstorbene und von den jetzigen Beigeladenen beerbte - Mitglieder von Erbengemeinschaften, die die jüdischen Gesellschafter des ehemaligen Bankhauses J. & S. beerbt haben. Sie wurde damit begründet, dass das Gemälde 1933 dem Bankhaus sicherungsübereignet worden sei; 1935 sei es vom Bankhaus ersteigert worden und seinen jüdischen Gesellschaftern 1938 im Zuge der sog. "Arisierung" des Bankhauses abhandengekommen. Wegen der konkurrierenden Suchmeldungen ist das Gemälde im Internet ohne Nennung von Namen veröffentlicht.

3

Das Gemälde wurde inzwischen in Namibia gefunden. Anfang 2010 einigten sich der Besitzer des Gemäldes, die Klägerin und die Mitglieder der Erbengemeinschaft O., das Bild im Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam zu versteigern und den Erlös hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. zu teilen. Die Versteigerung scheiterte, nachdem die Koordinierungsstelle eine Löschung der Suchmeldung ohne Zustimmung der Zweitanmelder ablehnte.

4

Mit Urteil vom 17. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, den Sucheintrag für das Gemälde in der Lost Art Internet-Datenbank zu löschen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. Oktober 2013 die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Beklagten auf Löschung der Suchmeldung habe. Die Rechtmäßigkeit der Eintragung beurteile sich nach den für den Bereich der staatlichen - nicht regelnden - Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben. Offenbleiben könne, ob der Betrieb der Datenbank danach einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung sei jedenfalls wegen Zweckerfüllung rechtswidrig. Aus den der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegenden Unterlagen ergebe sich, dass sich die Funktion der Datenbank auf die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen beschränke, die von der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung des Bundes und der Länder von 1999 erfasste Kulturgüter beträfen. Dieser Zweck sei mit dem Auffinden des Bildes erfüllt. Eine weiterreichende anspruchssichernde Funktion komme der Datenbank nicht zu. Die Aufrechterhaltung der Eintragung verletze die Klägerin in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. Der in der Suchliste dokumentierte Raubkunstverdacht führe zu einem merkantilen Minderwert und im Einzelfall zur zeitweiligen Unveräußerlichkeit. Diese Beschränkung sei nur so lange zu dulden, wie es der Zweck der Suchliste, nämlich die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst, erfordere.

5

Während des Revisionsverfahrens haben Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände mit Wirkung vom 1. Januar 2015 die Stiftung "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste" in der Form einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet, die (u.a.) die Aufgaben der Koordinierungsstelle fortführt.

6

Der Beklagte macht mit seiner Revision geltend, es fehle an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit und am Rechtsschutzinteresse. Zumindest sei die Klage mit Gründung der Stiftung unzulässig geworden. Der Klägerin stehe der geltend gemachte und dem revisiblen Recht zuzurechnende öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu. Die Suchmeldung verletze sie nicht in ihren Rechten. Als Maßstab komme nur Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht. Nach den für den Bereich der staatlichen, nicht regelnden Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben fehle es aber an einem Eingriff. Der Informationsauftrag sei mit dem Auffinden des Gemäldes und der Verwertungsvereinbarung noch nicht beendet.

7

Die Beigeladenen machen mit ihren Revisionen geltend, die Nachtragsliquidatorin sei nicht prozessführungsbefugt, auch fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Weder die Errichtung der Datenbank noch die streitgegenständliche Veröffentlichung bedürften einer gesetzlichen Grundlage. Die Suchmeldung verletze die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Der Zweck der Datenbank erfasse auch die Dokumentation von Raubkunstverdachtsfällen im Allgemeininteresse, im Interesse von Personen, die berechtigte Wiedergutmachungsinteressen verfolgten, und im Interesse des lauteren Wettbewerbs.

8

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ergänzend macht sie geltend, der zugesprochene Folgenbeseitigungsanspruch sei nicht revisibel und zu Recht bejaht worden. Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen komme der Suchmeldung erhebliche Bedeutung für die Verkehrsfähigkeit des Gemäldes zu und beschränke sich der Zweck der Datenbank auf die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst. Die Aufrechterhaltung der Meldung sei wegen ihrer Grundrechtsrelevanz nicht mehr gerechtfertigt. Außerdem fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Berufungsgericht hat ihre Berufungen unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zurückgewiesen. Zwar ist es im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit der Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte obliegt (1.). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig (2.). Sie ist aber unbegründet (3.). Das Berufungsgericht hat einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch mit einer Begründung bejaht, die mit revisiblem Recht nicht zu vereinbaren ist. Seine Annahme, der Zweck der von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen mitveranlassten Suchmeldung sei mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und ist unzutreffend (3.1). Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht aus anderen Gründen (objektiv) rechtswidrig (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

10

Die Klage richtet sich weiterhin gegen das beklagte Land. Dass die Aufgaben der Koordinierungsstelle inzwischen von einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt werden, hat keinen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beklagtenseite zur Folge. Soweit in verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch in Fällen eines behördlichen Zuständigkeitswechsels (BVerwG, Urteile vom 2. November 1973 - 4 C 55.70 - BVerwGE 44, 148 <150> und vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224>) oder einer sondergesetzlich angeordneten Funktionsnachfolge (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1989 - 5 C 33.88 - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 12) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Parteiwechsel angenommen wird, beruht dies auf der Exklusivität gesetzlich geregelter Zuständigkeitszuweisungen. Hiermit ist die Übertragung der Aufgaben der Koordinierungsstelle auf eine private Stiftung nicht vergleichbar. Sie ähnelt mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage einer gewillkürten Rechtsnachfolge, die nicht kraft Gesetzes zu einer Veränderung in der Zusammensetzung des Kreises der Prozessbeteiligten führt.

11

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (1.1) und der Streit der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen (1.2).

12

1.1 Hinsichtlich der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nach § 17a Abs. 5 GVG nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dieses Überprüfungsverbot gilt allerdings nicht, wenn das Gericht erster Instanz entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz Rüge nicht vorab durch Beschluss entschieden hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 7 B 198.93 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268; BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - I ZB 3/92 - BGHZ 119, 246 <250>; BAG, Urteil vom 21. August 1996 - 5 AZR 1011/94 - NJW 1997, 1025; BFH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - X B 216/13 - BFH/NV 2014, 1888).

13

In Anwendung dieser Bestimmung war dem Berufungsgericht eine Überprüfung des Rechtswegs verwehrt. Seine gegenteilige Auffassung beruht auf der aktenwidrigen Annahme, das Verwaltungsgericht habe trotz erstinstanzlicher Rüge den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten erst im Urteil bejaht. Ausweislich der Gerichtsakten hat der Beklagte erstmals mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung geltend gemacht, dass es an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit fehle; zuvor hat er lediglich gerügt, dass der Rechtsträger der Koordinierungsstelle nicht der richtige Beklagte sei, die Klägerin vielmehr gegen die Erben des Bankhauses (auf dem Zivilrechtsweg) vorgehen müsse. An die gegenteilige - den tatrichterlichen Feststellungen zuzuordnende - Behauptung des Berufungsgerichts ist der Senat nicht gebunden. Denn Prozesstatsachen, d.h. die tatsächlichen Grundlagen für die von Amts wegen auch vom Revisionsgericht zu prüfende Zuständigkeit und die Sachentscheidungsvoraussetzungen, zählen nicht zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 46 m.w.N.). Auf diesem Fehler beruht die angegriffene Entscheidung aber nicht, da das Berufungsgericht die Rechtswegfrage nicht anders beurteilt hat als das Verwaltungsgericht und auch in der Sache zutreffend den Verwaltungsrechtsweg als gegeben gesehen hat.

14

1.2 Die begehrte Löschung ist nicht auf einen gerichts- bzw. justizfreien Hoheitsakt gerichtet, der einer gerichtlichen Kontrolle generell entzogen ist. Eine Prüfung dieser Frage unterfällt nicht dem Verbot des § 17a Abs. 5 GVG, da es nicht darum geht, welches Gericht zuständig ist, sondern ob der Streit jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen ist.

15

Als Teil der Exekutive ist die Koordinierungsstelle - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und ihr Handeln unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Danach hat der Bürger einen Anspruch auf einen möglichst wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, soweit diese in seine Rechte eingreifen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - BVerfGE 113, 273 <310> m.w.N.). Das Grundgesetz kennt - von engen Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und Art. 44 Abs. 4 GG) - grundsätzlich keine staatlichen Akte, die dieser gerichtlichen Kontrolle generell entzogen sind. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist damit auch gegen staatsleitende Akte Rechtsschutz zu gewähren, wenn und soweit sie subjektiv-öffentliche Rechte Einzelner tangieren; eine andere Frage ist die nach der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Überprüfung solcher Akte.

16

Gegenteiliges ergibt sich hier weder aus der Art der von der Koordinierungsstelle ausgeübten Tätigkeit noch aus ihrer inneren Struktur. In der Lost Art Internet-Datenbank werden Such- und Fundmeldungen Dritter dokumentiert. Auch wenn für deren Richtigkeit keine Gewähr übernommen wird, entscheidet über die Eintragung und Löschung einer Meldung allein der Betreiber der Datenbank nach einer eigenen Plausibilitätsprüfung (vgl. Grundsätze der Koordinierungsstelle zur Eintragung und zur Löschung von Meldungen zu Kulturgütern, veröffentlicht unter: http://www.lostart.de/Content/04_Datenbank/DE/Grundsätze-Checkliste_DL.pdf?__blob=publicationFile). Dass die Arbeit der Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung über die Koordinierungsstelle vom 15. September 2009 von einem Fachbeirat begleitet wird, alle Grundsatzentscheidungen von einem Kuratorium getroffen werden und die Koordinierungsstelle intern an die Beschlüsse dieser beiden Gremien gebunden ist, trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass es sich um eine von mehreren Trägern staatlicher Gewalt finanzierte Einrichtung handelt, deren Tätigkeit zudem nicht auf konkreten gesetzlichen Vorgaben beruht.

17

2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die für die Klägerin handelnde Nachtragsliquidatorin zur Führung des Prozesses befugt (2.1) und fehlt der Klägerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (2.2).

18

2.1 Das Löschungsbegehren ist von der Vertretungsmacht der Nachtragsliquidatorin gedeckt. Nach dem Bestellungsbeschluss umfasst ihr Wirkungskreis die Vertretung und die Wahrnehmung der Rechte der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen. Dabei ist der Begriff "vermögensrechtlich" schon dem Wortlaut nach nicht auf Streitigkeiten nach dem Vermögensgesetz bezogen. Er ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte weit zu verstehen und umfasst in Abgrenzung zu den (nicht vermögensrechtlichen) Personen- und Familienrechten nicht nur Ansprüche, die aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden, sondern auch Ansprüche aus nicht vermögensrechtlichen Rechtsverhältnissen, wenn sie unmittelbar auf eine vermögenswerte Leistung gerichtet sind oder ihre Verfolgung in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dient, ohne dass sich dies in einer bloßen Reflexwirkung erschöpft (Toussaint, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1. Januar 2015, § 20 ZPO Rn. 1 m.w.N. aus der Rspr des BGH).

19

Vorliegend macht die Klägerin geltend, dass sie weiterhin Eigentümerin des Gemäldes sei und die Suchmeldung einer Verwertung entgegenstehe. Zwar soll nach der von der Klägerin eingegangenen Vereinbarung vom Januar 2010 der Erlös nach einer Versteigerung hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. (unter Ausschluss der Klägerin) aufgeteilt werden. Diese Einigung bezog sich aber auf eine Versteigerung des Bildes bei der Altmeister-Auktion vom 18. Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam, zu der es nicht gekommen ist. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die Vereinbarung damit insgesamt hinfällig geworden ist oder ob die Vertragsparteien weiterhin zu einer Veräußerung und Aufteilung des dabei erzielten Erlöses nach dem vereinbarten Verteilungsschlüssel verpflichtet sind. Schon angesichts der weiterhin ungeklärten Eigentumsverhältnisse und der rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich des Umfangs der von der Klägerin eingegangenen vertraglichen Verpflichtung kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Löschung nur (noch) der Wahrung wirtschaftlicher Interessen ihrer Gesellschafter und nicht auch ihrem Eigeninteresse dienen würde.

20

2.2 Es fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Danach darf das Gericht die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 40 Rn. 11 ff. m.w.N.).

21

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Vorgehen der Klägerin gegen die Beigeladenen auf dem Zivilrechtsweg angesichts der mit der Eigentumsfrage verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten keine eindeutig vorzugswürdige Alternative darstellen würde. Zudem wäre ein solcher Rechtsstreit nicht notwendigerweise vor einem deutschen Gericht auszutragen. Nach den von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen begründet aber nur eine inländische Gerichtsentscheidung einen Löschungsanspruch.

22

Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die begehrte Löschung der Klägerin einen rechtlich anerkennenswerten Vorteil brächte. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt richtet, die Datenbank seit Anfang 2015 aber nicht mehr von der beim dortigen Kultusministerium angesiedelten Koordinierungsstelle, sondern von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts betrieben wird. Dadurch kann das auf einen Realakt gerichtete Begehren inzwischen zwar nur noch von der Stiftung erfüllt werden. Die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils erstreckt sich nach § 121 VwGO aber auch auf die Rechtsnachfolger der Beteiligten. Hierdurch wird in zeitlicher Hinsicht auch gebunden, wer schon vor Eintritt der Rechtskraft, aber nach Rechtshängigkeit in das streitbefangene Recht nachfolgt (§ 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 1 ZPO). Folglich könnte ein stattgebendes Urteil nach Titelumschreibung gegenüber der Stiftung vollstreckt werden. Die Vereinbarung vom Januar 2010 lässt das Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht entfallen, nachdem der darin vereinbarte Versteigerungstermin fehlgeschlagen und offen ist, welche Rechtsbindungen sich hieraus für die Klägerin ergeben. Der Einwand der Beigeladenen, dass durch eine Löschung der bestehende Raubkunstverdacht nicht entfallen würde, ändert ebenfalls nichts daran, dass die Klägerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Löschung der ihrer Auffassung nach rechtswidrigen und einer Veräußerung entgegenstehenden Eintragung hat.

23

3. Die Klage ist aber unbegründet. Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Damit ist auch insoweit unerheblich, dass die Datenbank inzwischen von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt wird. Zwar sind Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>). Die Gründung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts zur Fortführung der von der Koordinierungsstelle wahrgenommenen Aufgaben und der aufgebauten Datenbank stellt aber eine geänderte Tatsache und keine Änderung der für die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruchs maßgeblichen rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe dar.

24

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass als Anspruchsgrundlage für das Löschungsbegehren nur ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht kommt. Dieser Anspruch entsteht, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt vorzeitig vollzogen wurde; er gilt bei rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Gerichtet ist der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands; zu beseitigen sind alle der handelnden Behörde zuzurechnenden rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen (BVerwG, Urteile vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58, vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 - BVerwGE 69, 366 <370 ff.> und vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <95> m.w.N.).

25

Einer revisionsgerichtlichen Überprüfung des vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Koordinierungsstelle als Teil einer Landesbehörde grundsätzlich Landesrecht vollzieht. Da es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um einen auch aus dem Grundgesetz - insbesondere aus den jeweils berührten Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip - abgeleiteten Rechtssatz handelt, ist die Folgenbeseitigung als Grundsatz und Anspruch Bestandteil des Bundesrechts und damit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisibel (BVerwG, Urteil vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58).

26

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines auf Löschung der Suchmeldung gerichteten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs nicht vor. Das Aufrechthalten der Suchmeldung durch die Koordinierungsstelle ist zwar als öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln anzusehen (3.1). Es hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

27

3.1 Die Eintragung und Löschung von Meldungen zu Kulturgütern auf der Internetseite www.lostart.de durch die Koordinierungsstelle Magdeburg ist Teil des staatlichen Informationshandelns im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Unerheblich ist, dass für die inhaltliche Richtigkeit der von dritter Seite übermittelten Such- und Fundmeldungen keine Verantwortung übernommen wird. Denn Eintragungen erfolgen ausschließlich nach eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen. Danach findet vor der Einstellung einer Meldung eine Plausibilitätsprüfung statt, die insbesondere die Angaben des Melders zum Objekt, zur Verlustgeschichte und zu seiner Person umfasst. Die Behandlung konkurrierender Meldungen und die Löschung von Meldungen unterliegen ebenfalls eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Regeln. Damit handelt es sich bei der Lost Art Internet-Datenbank nicht lediglich um eine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattform, für deren Inhalt keinerlei staatliche Verantwortung übernommen wird.

28

3.2 Das Nichtlöschen der Suchmeldung hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge. Bei der von der Koordinierungsstelle betriebenen Internet-Datenbank handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung im untechnischen Sinne, die der Allgemeinheit im Rahmen ihres Widmungszwecks zur Verfügung steht. Das Handeln der Koordinierungsstelle kann daher gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob es sich im Rahmen dieses Widmungszwecks hält (a) und mit höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu vereinbaren ist (b).

29

a) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung hält sich im Rahmen des Widmungszwecks der Datenbank. Danach ist der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erreicht, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, der Zweck der Suchliste bestehe allein darin, Betroffene bei der Suche nach verschollener Raubkunst zu unterstützen, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und genügt damit nicht den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, bei seiner freien Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Es darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung daraufhin, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist. Ob das Gericht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage entschieden hat, ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <210 ff.> m.w.N.).

30

Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass mangels einfachgesetzlicher Vorgaben zur Bestimmung des Zwecks der in der Datenbank enthaltenen Suchliste die vom Träger bzw. den Trägern der Einrichtung hierzu abgegebenen Willenserklärungen heranzuziehen sind (UA S. 16). In diesem Zusammenhang verweist es u.a. auf die der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegende Bund-Länder-Vereinbarung vom 15. September 2009, die ihrerseits Bezug nimmt auf die auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust vom 3. Dezember 1998 aufgestellten "Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden" (Washingtoner Grundsätze). Den von ihm herangezogenen Unterlagen entnimmt das Berufungsgericht ohne nähere Darlegung, dass der Zweck der Suchmeldung mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt sei (UA S. 18). Dabei übersieht es, dass es für den Widmungszweck nicht nur auf die von den Trägern bei Errichtung der Koordinierungsstelle abgegebenen Erklärungen ankommt. Denn der Widmungszweck kann auch durch nachträgliche Willensbekundungen weiter ausgestaltet werden. Das Berufungsgericht hätte bei der Zweckbestimmung daher auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze über die Eintragung und Löschung von Meldungen miteinbeziehen müssen.

31

Da der Inhalt der für die Zweckbestimmung maßgeblichen Willensbekundungen hier unstreitig ist, können diese vom Senat selbst ausgelegt und bewertet werden, ohne dass es einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung bedarf. Eine am wirklichen Willen (vgl. § 133 BGB) orientierte Auslegung ergibt, dass der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erfüllt ist. Nach der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009 zählt zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle u.a. die Dokumentation von Such- und Fundmeldungen des In- und Auslandes zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern zur Präsentation in www.lostart.de. Eine Beschränkung der Veröffentlichung von Suchmeldungen auf Kulturgüter, deren Aufenthaltsort dem Suchenden unbekannt ist, ist dem nicht zu entnehmen. Sie wäre auch nicht mit der in der Präambel ausdrücklich hervorgehobenen historischen Verantwortung in Form der Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen von 1998 zu vereinbaren. Danach sollen Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, nicht nur identifiziert werden (Ziff. 1), vielmehr sollen die Vorkriegseigentümer und ihre Erben auch zum "Anmelden ihrer Ansprüche ermutigt" (Ziff. 7) und beim "Finden einer gerechten und fairen Lösung unterstützt" werden (Ziff. 8). Dem widerspräche es, Suchmeldungen nach dem Auffinden eines Werkes zu löschen, bevor es zwischen dem Besitzer und - möglicherweise konkurrierenden - Vorkriegseigentümern und ihren Erben zu einer Einigung über das weitere Schicksal des Werkes oder zumindest einer verbindlichen Klärung der Eigentumsfrage gekommen ist. Dies bestätigen auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze zur Eintragung und Löschung von Meldungen, die den Widmungszweck der Datenbank weiter ausgestalten. Danach ist für eine Löschung erforderlich, dass der Melder hierzu auffordert, die Plausibilität einer Meldung grundlegend erschüttert ist oder ein Dritter nach Feststellung seines Eigentums durch rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts eine Löschung wünscht. Dieser Ausgestaltung der Gründe für die Löschung einer Meldung ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Zweck nicht schon mit dem Auffinden eines gesuchten Gegenstands erreicht ist, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Ob die Datenbank darüber hinaus noch weitergehenden Zwecken dient, bedarf keiner Entscheidung.

32

Besteht der Zweck der Suchliste nicht allein im Aufsuchen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, sondern soll durch die Veröffentlichung einer Suchmeldung auch eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten gefördert werden, ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der Zweck der streitgegenständlichen Suchmeldung hier noch nicht erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beigeladenen hinreichend Gelegenheit zur Sicherung etwaiger Ansprüche hatten. Zweckerreichung ist auch nicht mit der zwischen dem Besitzer, der Klägerin und den Mitglieder der Erbengemeinschaft O. geschlossenen Verwertungsvereinbarung eingetreten, da diese ohne Mitwirkung der Beigeladenen zustande gekommen ist. Unerheblich ist auch, ob die Beigeladenen - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - möglicherweise nur Zweitgeschädigte sind, denn der Zweck der Datenbank besteht in der Dokumentation und nicht in der rechtlichen Bewertung NS-verfolgungsbedingter Verluste.

33

b) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Mangels einfachgesetzlicher Vorgaben ist hier insbesondere ein Verstoß gegen die Grundrechte zu prüfen.

34

Als möglicherweise betroffene Grundrechte kommen - mit Blick auf die mit einer Suchmeldung verbundenen tatsächlichen Absatzschwierigkeiten - nur die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie durch die Veröffentlichung nicht berührt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <277 f.>). Gleiches gilt für das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41 ff.>), da die Koordinierungsstelle im vorliegenden Fall wegen der konkurrierenden Meldungen keine personenbezogenen Daten veröffentlicht hat. Ob in Bezug auf die Klägerin Art. 2 Abs. 1 GG oder aber Art. 12 Abs. 1 GG als speziellere Norm heranzuziehen ist, bedarf keiner Entscheidung, da die Aufrechterhaltung der Suchmeldung für die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig Betroffenen weder nach der einen noch nach der anderen Norm zu einem - dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegenden - Grundrechtseingriff führt.

35

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht die vom Bundesverfassungsgericht für Grundrechtsverletzungen durch staatliches Informationshandeln entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Danach ist nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als ein Grundrechtseingriff zu bewerten (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <76>). Auch wenn Grundrechtsbeeinträchtigungen durch staatliches Informationshandeln nicht die Voraussetzungen eines Eingriffs im klassischen Sinne erfüllen, weil sie insbesondere nicht auf einer unmittelbaren Regelungswirkung beruhen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 - NJW 2011, 511 <512>), kann staatliches Informationshandeln aber zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 12. August 2002 - 1 BvR 1044/93 - NVwZ-RR 2002, 801 und vom 16. August 2001 - 1 BvR 1241/97 - NJW 2002, 3458 <3459>). Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen aber nicht den Gewährleistungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, sofern der Einfluss auf wettbewerbsrechtliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Danach setzt die Verbreitung staatlicher Informationen eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen voraus. Außerdem sind die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Information zu beachten, und die staatliche Informationstätigkeit darf in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen kein Ersatz für eine staatliche Maßnahme sein, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.>). Auch im nichtwirtschaftlichen Bereich besteht eine aus der Staatsleitung abgeleitete Ermächtigung zum Informationshandeln, wenn sich das Informationshandeln im Rahmen der Informationskompetenz hält und die Betroffenen nicht unverhältnismäßig in ihren Grundrechten beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <301>). Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Informationshandeln von der staatlichen Aufgabenwahrnehmung auch dann gedeckt, wenn es mit einer mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden ist. Denn die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt in diesem Fall keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

36

aa) Bei der Tätigkeit der Koordinierungsstelle handelt es sich um eine staatliche Aufgabe. Sie beruht auf der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009. Die Suchmeldung hält sich im Rahmen der der Koordinierungsstelle danach zugewiesenen Dokumentations- und Informationsaufgabe. Die Befugnis zu staatlichem Handeln ergibt sich im Informationsbereich zudem aus der der Staatsleitung zuzurechnenden Öffentlichkeitsarbeit. Diese umfasst auch die Verbreitung von Informationen, um auf diesem Wege die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge zu unterrichten und die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung bei der Bewältigung von Problemen zu befähigen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <302>). Angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands besteht ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Veröffentlichung von Informationen zu Kulturgütern, bei denen ein Raubkunstverdacht besteht, um auf diesem Weg interessierte Bürger zu einer eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Bewältigung der bis heute fortdauernden rechtswidrigen Folgen des NS-Regimes zu befähigen. Ob darüber hinaus auch die Veröffentlichung endgültig abgewickelter Verlustvorgänge von der staatlichen Informationsbefugnis umfasst wäre, bedarf keiner Entscheidung.

37

bb) Das Informationshandeln der Koordinierungsstelle verstößt nicht gegen die föderale Kompetenzordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <308>). Da die Tätigkeit der Koordinierungsstelle sowohl der Durchsetzung von Wiedergutmachungsinteressen als auch dem Kulturgüterschutz dient, besteht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine aus der föderalen Aufgabenzuweisung abgeleitete Befugnis zum Informationshandeln. Bestehen insoweit parallele Kompetenzen, ist es mit Blick auf die föderale Kompetenzordnung nicht zu beanstanden, dass die Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung vom Bund und den Ländern gemeinsam finanziert wird, das Informationshandeln rechtlich aber nur vom Beklagten wahrgenommen wird.

38

cc) Die streitgegenständliche Veröffentlichung ist weder unsachlich noch unzutreffend. Dabei kommt es bei der Frage der inhaltlichen Richtigkeit nicht darauf an, ob den Rechtsvorgängern der Beigeladenen das Gemälde tatsächlich NS-verfolgungsbedingt abhandengekommen ist. Denn die Veröffentlichung von Suchmeldungen in der Lost Art Internet-Datenbank erschöpft sich in der Dokumentation von Meldungen Dritter, die vom Betreiber lediglich einer groben Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. Die inhaltliche Richtigkeit des von dritter Seite durch eine Suchmeldung erhobenen Raubkunstverdachts ist daher nicht Gegenstand der staatlichen Information. Folglich kommt es - abgesehen von Fällen evidenter Unrichtigkeit - nicht darauf an, ob die der Verlustmeldung zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind und der Melder hieraus zutreffende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen hat. Das Ziel der Datenbank liegt nicht in der Anerkennung und/oder Zuordnung von Rückgabeansprüchen; über die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen sollen Vorkriegseigentümer bzw. deren Erben und heutige Besitzer nur zusammengeführt und beim Finden einer fairen und gerechten Lösung unterstützt werden.

39

dd) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist in Bezug auf die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig betroffenen Personen und deren Grundrechte auch nicht aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Sie verfolgt mit der Unterstützung der Beigeladenen, die plausibel geltend gemacht haben, dass ihren Rechtsvorgängern das Gemälde NS-verfolgungsbedingt entzogen worden ist, bis zu einer endgültigen Klärung der Eigentumsfrage und etwaiger Herausgabeansprüche mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands, seiner Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen und dem Bemühen, diese mit Hilfe der Lost Art Internet-Datenbank tatsächlich umzusetzen, einen legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung bis zu einer endgültigen Klärung geeignet und erforderlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Zweck der Datenbank durch eine andere weniger belastende, aber gleich effektive Form staatlicher Information hätte erreicht werden können. Schließlich fehlt es auch nicht an der Angemessenheit, da die Beteiligten die Möglichkeit haben, eine endgültige Klärung ggf. auf dem Zivilrechtsweg herbeizuführen.

40

ee) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Unabhängig von der Befugnis staatlicher Stellen zum Informationshandeln wird der Gewährleistungsbereich der hiervon betroffenen Grundrechte dann beeinträchtigt, wenn sich das Handeln nicht auf die Veröffentlichung von Informationen beschränkt, auf deren Grundlage die Nutzer der staatlichen Informationsquelle eigenbestimmte, an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen können. Insbesondere kann staatliche Informationstätigkeit den Gewährleistungsbereich der betroffenen Grundrechte beeinträchtigen, wenn sie in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff im klassischen Sinne zu qualifizieren wäre. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung einschließlich des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden; vielmehr müssen in diesen Fällen die für einen Grundrechtseingriff maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <273> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

41

In diesem Sinne stellt die Aufrechthaltung der Suchmeldung kein funktionales Äquivalent für einen (finalen) Grundrechtseingriff dar. Der Informationsgehalt der Meldung beschränkt sich auf die Dokumentation des von dritter Seite geäußerten Verdachts, dass es sich bei dem Gemälde um Raubkunst handele. Auf der Grundlage dieser Information können die Nutzer der Datenbank eigenbestimmte und an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen, etwa ob sie als Besitzer des Bildes zur freiwilligen Rückgabe oder zur Mitwirkung an einer anderen Lösung bereit sind oder ob sie als Auktionshaus oder Kaufinteressent trotz des bestehenden Verdachts und der damit verbundenen Risiken das Gemälde zur Versteigerung annehmen bzw. erwerben wollen. Die Suchmeldung hat hingegen keinerlei Auswirkungen auf die Eigentumszuordnung, die Verfügungsbefugnis und das Bestehen etwaiger Rückgabeansprüche. Diese Fragen müssen im Streitfall zwischen den Beteiligten auf dem Zivilrechtsweg geklärt werden. Etwaige Auswirkungen auf den Marktwert und die Verkäuflichkeit des Bildes ergeben sich primär aus der von den Beigeladenen geltend gemachten Verlustgeschichte. Der sich daraus ergebende "Makel" wird durch die Aufrechterhaltung der Eintragung in der Suchliste nur publik gemacht. Er würde durch eine Löschung nicht entfallen und könnte von den Beigeladenen auf anderem Wege - auch öffentlichkeitswirksam - weiterverfolgt werden. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem der "E-Zigaretten-Entscheidung" des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 17. September 2013 - 13 A 2541/12 - (DVBl 2013, 1462) zugrunde liegenden Sachverhalt, der eine ministerielle Warnung vor dem Verkauf von E-Zigaretten betraf, bei der sich die verbotsähnliche Wirkung u.a. daraus ergab, dass Handel und Verkauf der Ware als Rechtsverstoß qualifiziert worden war, der auch schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne.

42

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen "Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts. Danach verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den Gesetzgeber, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen. Ob eine Maßnahme wesentlich ist und damit dem Parlament selbst vorbehalten bleiben muss oder jedenfalls nur aufgrund einer inhaltlich bestimmten parlamentarischen Ermächtigung ergehen darf, hängt im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel davon ab, ob sie wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75 u.a. - BVerfGE 47, 46 <79> m.w.N.). Insoweit ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für ein zulässiges staatliches Informationshandeln zu entnehmen, dass es bei Einhaltung der dort aufgestellten Voraussetzungen auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keiner gesetzlichen Grundlage bedarf. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zum institutionellen Gesetzesvorbehalt kommt es hier schon deshalb nicht an, weil es sich bei der Koordinierungsstelle nicht um eine rechtlich selbständige öffentliche Einrichtung handelt, sondern nur um eine unselbständige Anstalt.

43

3.3 Ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung nach dem Vorstehenden objektiv rechtmäßig, fehlt es zugleich an der für das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs erforderlichen Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten. Auch bedarf es keiner Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladenen mit Stellung eigener Anträge am Kostenrisiko beteiligt haben, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

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Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 7. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg im Ergebnis zu Recht abgelehnt (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

3

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Klageverfahrens, mit dem er die Feststellung erstrebt, dass die Verweigerung der Teilnahme an der öffentlichen Veranstaltung „Tag der offenen Tür“ im Polizeipräsidium Koblenz am 4. Mai 2013 rechtswidrig gewesen ist. Die Klage ist bereits unzulässig, weil der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO hat, wie vom Polizeipräsidium Koblenz schon gegenüber dem Verwaltungsgericht zu Recht geltend gemacht worden ist.

4

Für die gerichtliche Überprüfung des vom Polizeipräsidium gegenüber dem Antragsteller ausgesprochenen Hausverbots ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO gegeben. Es handelt sich insbesondere um eine öffentlich–rechtliche Streitigkeit, weil das von einem Träger öffentlicher Verwaltung verhängte Hausverbot im Regelfall und so auch hier der Sicherung der widmungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung einer öffentlichen Einrichtung dient und seine Rechtsnatur daher als öffentlich–rechtlich zu qualifizieren ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Mai 2011 – 16 E 174/11 –, juris, Rn. 3 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 40 Rn. 22; jeweils m.w.N.).

5

Die Klage ist auch als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft, nachdem sich das für die Dauer der Veranstaltung befristete Hausverbot durch Zeitablauf bereits vor Klageerhebung erledigt hat.

6

Der Antragsteller hat jedoch kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Hausverbots, so dass die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO unzulässig ist.

7

Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 –, juris, Rn. 20 = BVerwGE 146, 303).

8

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 21 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

9

Nach Angaben des Polizeipräsidiums sollte mit dem gegenüber dem Antragsteller und seinen beiden Begleitern ausgesprochenen Hausverbot sichergestellt werden, dass im Rahmen der hauseigenen Veranstaltung keine politische Werbung erfolgt und der Antragsteller mit seinen Begleitern keine politischen „Werbeaufkleber“ an Besucher verteilt oder im Gebäude anbringt. Es stützte seinen Verdacht zum einen auf den Umstand, dass es den Antragsteller und seine beiden Begleiter in einem Bereich des Gebäudes antraf, der nicht für den Publikumsverkehr bei der Veranstaltung „Tag der offenen Tür“ vorgesehen war. Zum anderen waren der Antragsteller und seine Begleiter den Polizeibeamten nach einer Identitätskontrolle als Angeklagte in einem laufenden Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und der Sachbeschädigung bekannt. Darüber hinaus nahmen die Polizeibeamten an, dass der Antragsteller und seine Begleiter vor dem Gebäude bereits politische „Werbeaufkleber“ an Besucher verteilt hatten. Es ist nicht zu erwarten, dass sich ein Zusammentreffen dieser Umstände bei einer künftigen Veranstaltung des Polizeipräsidiums wiederholen wird. Dies gilt unabhängig davon, dass noch nicht feststeht, wann das Polizeipräsidium wieder einen „Tag der offenen Tür“ veranstalten wird.

10

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses des Antragstellers zu bejahen.

11

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 25).

12

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das gegenüber dem Kläger verhängte Hausverbot hatte jedenfalls keine Außenwirkung. Es wurde im Treppenhaus zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss des Gebäudes des Polizeipräsidiums und damit in einem Bereich ausgesprochen, der für den Publikumsverkehr während der Veranstaltung „Tag der offenen Tür“ nicht vorgesehen war. Die Maßnahme erfolgte mithin abseits der Öffentlichkeit. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Verhängung des Hausverbots in Gegenwart von unbeteiligten Dritten erfolgt ist. Lediglich die beiden Begleiter des Antragstellers, gegen die zu gleicher Zeit ebenfalls ein Hausverbot ausgesprochen wurde, waren hierbei anwesend. Es ist jedoch weder vom Antragsteller geltend gemacht worden noch erkennbar, dass er durch das Hausverbot bei seinen mitbetroffenen Begleitern im Ansehen herabgesetzt worden ist. Dies erscheint im Gegenteil äußerst fernliegend.

13

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse liegt ferner nicht im Hinblick auf einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff vor (vgl. zu dieser Fallgruppe: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 29 ff.).

14

Durch das Hausverbot wurde entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht in sein Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) eingegriffen. Die Veranstaltung „Tag der offenen Tür“ des Polizeipräsidiums war keine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG.

15

Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfGE 104, 92 [104]; BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2010 – 1 BvR 1402/06 –, juris, Rn. 19). Die Veranstaltung „Tag der offenen Tür“ des Polizeipräsidiums diente ausweislich des Veranstaltungsprogramms (vgl. Bl. 6 f. der Behördenakte) der Information der Öffentlichkeit über die Polizeiarbeit im Überblick und der Werbung für eine Tätigkeit im Polizeidienst, verbunden mit Unterhaltungselementen. Eine gemeinschaftliche Erörterung oder Kundgebung, die auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist, fand demnach bei der Veranstaltung nicht statt. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem Sachverhalt, welcher der vom Antragsteller angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg (Beschluss vom 22. März 2013 – 3 K 733/12 –, juris, Rn. 1 f. und Rn. 11 f.) zu Grunde lag.

16

Ebenso wenig lässt sich ein Feststellungsinteresse schließlich mit dem vom Antragsteller geltend gemachten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG begründen, wonach niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Dabei kann dahinstehen, unter welchem Gesichtspunkt ein solcher Verstoß zu berücksichtigen wäre. Denn der geltend gemachte Verstoß liegt ersichtlich nicht vor.

17

Das Hausverbot wurde – wie bereits ausgeführt – gegen den Antragsteller und seine beiden Begleiter verhängt, damit im Rahmen der hauseigenen Veranstaltung keine politische Werbung erfolgte, die dem Wesen der Veranstaltung zuwidergelaufen wäre. Sie richtete sich mithin nicht gegen politische Werbung gerade durch den Antragsteller und damit nicht speziell gegen dessen politische Anschauung, sondern generell gegen politische Werbung während des „Tages der offenen Tür“ des Polizeipräsidiums. Etwas anderes lässt sich nicht aus der hierbei gefallenen Äußerung eines Polizeibeamten gegenüber dem Antragsteller herleiten, er sei „politisch bekannt“. Diese Aussage ist als solche neutral und bezog sich zudem nach den nachvollziehbaren Angaben des Polizeipräsidiums auf den Umstand, dass der Antragsteller – ebenso wie seine Begleiter – als Angeklagter eines laufenden Strafverfahrens wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und der Sachbeschädigung den Polizeibeamten nach einer Identitätskontrolle bekannt war, wobei die ihm vorgeworfenen Straftaten laut Anklageschrift einen politischen Hintergrund haben sollen.

18

Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Antragstellers ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe

1

I. Die zulässige - insbesondere statthafte - Rechtswegbeschwerde des Klägers (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. §§ 146 ff. VwGO) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2017 über die Feststellung der Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist begründet.

2

Der Kläger begehrt mit der von ihm am 3. Februar 2017 erhobenen Anfechtungsklage die Aufhebung des mit Schreiben der Beklagten vom 13. April 2016 verfügten Hausverbots. In diesem Schreiben, das nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist, stellt die Beklagte, vertreten durch ihren Rektor, fest:

3

"Am (…).02.2016 zwischen 16.00 Uhr und 21.00 Uhr, am Nachmittag des (…).02.2016 sowie am (…).03.2016 gegen Mittag wurden Sie auf dem Gelände der Fachhochschule B., B-Straße, B-Stadt, festgestellt. Sie sind unter Umgehung des Wach- und Einlassdienstes am Tor der Fachhochschule auf das Gelände gelangt und haben bei dieser Gelegenheit zumindest am (…).02.2016 auch ein Schloss an einer Kette, mit der eine Tür im Zaun verschlossen war, unberechtigt geöffnet und später wieder verschlossen. Am (…).02.2016 haben Sie unberechtigt die Lehrwache betreten, nutzten ein dienstliches Telefon und wollten einen dienstlichen Computer nutzen. Am (…).03.2016 gelangten Sie wiederum unberechtigt auf das Gelände der Fachhochschule und nutzten ein dienstliches Telefon in einem Unterrichtsraum.

4

Sie hatten weder ein berechtigtes Interesse noch lag Ihnen die Genehmigung zum Betreten des Geländes, der Gebäude und der Räume der Fachhochschule B. vor.

5

Aus diesem Grund erteile ich Ihnen mit sofortiger Wirkung Hausverbot zum Betreten des Geländes der Fachhochschule B. für die Dauer von zwei Jahren."

6

Für die gegen dieses Schreiben erhobene Anfechtungsklage ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht der Zivilrechtsweg, sondern gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

7

Dem Verwaltungsgericht ist zwar zuzustimmen, dass die Beklagte sich nicht offensichtlich der Handlungsform des Verwaltungsakts bedient hat, weil dem Schreiben vom 13. April 2016 insbesondere keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war. Soweit das Verwaltungsgericht allerdings meint, eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liege deswegen nicht vor, weil der Kläger das Gelände der Fachhochschule schon nicht im Rahmen des Benutzungszwecks der öffentlichen Einrichtung betreten habe, ist dem nicht zu folgen.

8

Ein von einem Träger öffentlicher Verwaltung ausgesprochenes Hausverbot ist grundsätzlich dem öffentlichen Recht zuzurechnen. Für die Rechtsnatur des Hausrechts, auf dem das Hausverbot beruht, kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die Störung anlässlich privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Vorgänge erfolgt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. März 2014 - 7 D 10039/14 -, juris Rn. 4; OVG NW, Urteil vom 14. Oktober 1988 - 15 A 188/86 -, juris Rn. 4 f. m. w. N.). Vielmehr ist entscheidend auf den Zweck der hausrechtlichen Maßnahme abzustellen. Dieser liegt im Regelfall in der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Amtsbetriebes zur Erfüllung der widmungsgemäßen Verwaltungsaufgaben. Soweit das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13. März 1970 - BVerwG 7 C 80.67 -, juris RdNr. 30-37) die Auffassung vertritt, maßgeblich für den Charakter des Hausverbots sei der Zweck, zu dem der Adressat des Hausverbots das Amtsgebäude betreten habe, ergibt sich ein solcher Rechtssatz aus der zitierten Entscheidung nicht. Vielmehr stellt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung fest, dass die Frage, ob ein an einen Bürger gerichtetes Verbot, ein Dienstgebäude zu betreten, öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände und des Zwecks des Hausverbots bestimmt werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 1970 - BVerwG 7 C 80.67 -, juris Rn. 36; Beschluss vom 10. Juli 1986 - BVerwG 7 B 27.86 -, juris; OVG NW, a.a.O.).

9

Vorliegend dient das von dem Rektor der Beklagten ausgesprochene Hausverbot vorrangig dazu, den Zutritt des Schulgeländes, insbesondere der Lehrwache und der Unterrichtsräume, durch den Kläger sowie etwaige damit verbundene Störungen des Tagesablaufs auf dem Schulgelände zu verhindern und hierdurch den ordnungsgemäßen Hochschulbetrieb sicherzustellen. Ohne ein solches Verbot würde die dem Kläger vorgeworfene erhebliche Störung des Dienstbetriebs noch längere und unabsehbare Zeit andauern, so dass die durch das Hausverbot abgewendete Störung des Hausrechts auch im öffentlichen Interesse liegt. Damit hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass das Hausverbot - unabhängig vom Zweck des Besuchs - der Sicherung der in der öffentlichen Einrichtung wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben dient. Für den Betroffenen war dies auch so erkennbar. Nachdem sich der Verwaltungsträger zumindest bei Erlass des Hausverbots nicht ausdrücklich auf ein privates Hausrecht berufen hat, spricht zudem auch eine Vermutung für öffentlich-rechtliches Tätigwerden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 40 Rn. 20 m.w.N.).

10

II. Eine Entscheidung in Bezug auf die in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten - Gerichtskosten fallen nach Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nicht an, weil die Beschwerde weder verworfen noch zurückgewiesen worden ist - ist nicht veranlasst. Zwar ist grundsätzlich über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 GVG und §§ 146 ff. VwGO nach §§ 154 ff. VwGO zu befinden, wobei § 17b Abs. 2 GVG nicht anwendbar ist, weil diese Vorschrift nur die Kosten in Verfahren vor dem „angegangenen“, also dem erstinstanzlichen Gericht erfasst und keine Regelung zu den Kosten des zwischengeschalteten Beschwerdeverfahrens trifft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 1993 - BVerwG 1 DB 34.92 -, juris). Das Erfordernis einer Kostenentscheidung besteht im Falle eines erfolgreichen Rechtmittels aber nur, soweit eine Gegenpartei vorhanden ist, der Kosten auferlegt werden können (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 4 C 15.2471 -, juris Rn. 9 m. w. N.). An dieser Voraussetzung fehlt es hier, weil die Beklagte weder die Verweisung des Rechtsstreits beantragt hat noch der Rechtswegbeschwerde des Klägers inhaltlich entgegengetreten ist. Die Stellungnahme der Beklagten vom 25. August 2017 bezieht sich ausdrücklich nur auf die Rechtmäßigkeit des ausgesprochenen Hausverbots, nicht hingegen auf die im Rechtswegbeschwerdeverfahren maßgebliche Frage, ob vorliegend der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet ist.

11

Auch sind die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aufgrund des fehlerhaften Verweisungsbeschlusses und der damit verbundenen unrichtigen Sachbehandlung nicht analog § 21 GKG, §§ 155 Abs. 4, 162 Abs. 3 VwGO der Staatskasse aufzuerlegen; denn für eine unbeabsichtigte Regelungslücke ist in diesem Zusammenhang nichts erkennbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 1991 - BVerwG 4 B 189.90 -, juris Rn. 2).

12

III. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da keine Kostenentscheidung ergangen ist.

13

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG). Die weitere Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht erfüllt sind. Die Frage, ob das vorliegende Hausverbot öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG noch weicht der Senat von einer Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab.


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vom beklagten Präsidenten des Landgerichts im Dezember 1997 anlässlich einer Strafverhandlung erlassenen Hausverfügung sowie der auf der Grundlage dieser Hausverfügung durchgeführten Einlasskontrollen und seiner Verweisung aus dem Dienstgebäude des Amtsgerichts Frankfurt/Oder. Der Kläger war seinerzeit als Rechtsreferendar der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt/Oder zur Ausbildung zugewiesen und wollte das Gerichtsgebäude im Rahmen der Ausbildung sowie zur Teilnahme an öffentlichen Sitzungen betreten.

2

Das Verwaltungsgericht - an das das Oberlandesgericht die Streitsache verwiesen hatte - stellte mit Urteil vom 23. November 2007 fest, dass die Klage wegen Nichtbetreibens des Verfahrens nach § 91 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zurückgenommen gelte. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Feststellung der (fiktiven) Rücknahme aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Hausverfügung gerichtete Klage sei mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses bereits unzulässig, weil es an der vom Kläger allein geltend gemachten Wiederholungsgefahr fehle. Abgesehen davon sei die Klage auch unbegründet. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hausverfügung. Soweit der Kläger sich gegen die Einzelmaßnahmen der Polizeibediensteten am Verhandlungstag wende (Ausweiskontrolle, Anordnung der Durchsuchung und Verweigerung des Zutritts zum Gebäude), fehle es ebenfalls am Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein schutzwürdiges Rehabilitations- oder ideelles Interesse könne nur bejaht werden, wenn abträgliche Nachwirkungen fortbestünden oder die Art des Eingriffs es erfordere, dem Betroffenen eine Art Genugtuung für eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu verschaffen. Eine solche Fallgestaltung liege hier nicht vor.

3

Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

4

Die Beschwerde bleibt erfolglos.

5

Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1) noch wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2) oder eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen, soweit überhaupt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt, jedenfalls nicht vor.

6

1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

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Eingangs der Beschwerdebegründung wird zwar als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfen, ob das Hausrecht des Gerichtspräsidenten die Befugnis umfasst, Ordnungsmaßnahmen zu treffen und eine geeignete Rechtsgrundlage für etwaige Eingriffe in die Rechte der Betroffenen darstellt. Es fehlt aber an tragfähigen Ausführungen dazu, warum diese Frage der grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Allein der Umstand, dass eine Rechtsfrage eine unabsehbare Vielzahl von Verfahren betrifft und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung. Inhaltlich erschöpft sich die Beschwerdebegründung insoweit im Wesentlichen darin, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts unter grundsätzlicher Verkennung des Unterschieds zwischen einer Nichtzulassungsbeschwerde und einer Revisionsbegründung nach Art einer Revisionsbegründung als fehlerhaft anzugreifen.

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Abgesehen davon ist die vorgenannte Frage, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, im Sinne des vom Oberverwaltungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunktes zu beantworten. Der Präsident eines Gerichts ist aufgrund seines gewohnheitsrechtlich anerkannten Hausrechts befugt, zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs (verhältnismäßige) Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu ergreifen. Das Hausrecht stellt insoweit die Grundlage für Eingriffe in die Rechte der von den Ordnungsmaßnahmen betroffenen Personen dar. Grenzen für die Ausübung des Hausrechts ergeben sich - auch dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 GVG) und den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden nach § 176 GVG (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Februar 2007 - 1 BvR 218/07 - NJW-RR 2007, 1053 ff. = juris Rn. 14). Zu weitergehenden Ausführungen gibt das Beschwerdevorbringen keinen Anlass. Dies gilt umso mehr, als die aufgeworfene Rechtsfrage sich in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich nur dann stellen würde, wenn man den Klageantrag zu 1 entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für zulässig hielte.

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2. Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht sei von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - (BVerfGE 65, 1 ff.) abgewichen, greift nicht durch. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts (oder eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte) widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - = Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9, NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde entnimmt dem zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung den Rechtssatz, dass Grundrechtsbeschränkungen nach Art. 2 Abs. 1 GG einer (verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage bedürfen, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (Rn. 151). Sie übersieht aber, dass dieser Rechtssatz sich nach dem Kontext, in dem er steht, offensichtlich auf Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bezieht, während es vorliegend um Eingriffe in die allgemeine, durch den Widmungszweck des Gerichtsgebäudes von vornherein beschränkte allgemeine Handlungsfreiheit geht.

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3. Die geltend gemachten Verstöße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) und die Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO), sind nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger will sie darin erblicken, dass das Oberverwaltungsgericht

- die Klageanträge nicht differenziert zur Kenntnis genommen und erwogen habe (S. 4 und 13 der Beschwerdebegründung),

- sich mit seinem Vorbringen zur Herleitung sowie zu Inhalt und Umfang des Hausrechts nicht auseinander gesetzt habe (S. 7 der Beschwerdebegründung),

- die vermeintliche Zuständigkeit des Landgerichtspräsidenten zur Anordnung der in der Hausverfügung genannten Maßnahmen aus der wirtschaftlichen Einheit der Grundstücke hergeleitet habe (S. 10 der Beschwerdebegründung),

- sich mit seinem Vorbringen zu der aus dem Gesetzesvorbehalt folgenden Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung und zur Zuständigkeit des Spruchkörpervorsitzenden nach § 169 GVG nicht auseinander gesetzt habe (S. 11 der Beschwerdebegründung),

- sich, obwohl entscheidungsunerheblich, mit dem Anlass für die Hausverfügung befasst habe (S. 11 der Beschwerdebegründung),

- Tatsachenbehauptungen eines Beteiligten durch eigene Mutmaßungen ersetzt habe (S. 12 und 14 der Beschwerdebegründung),

- eine Wiederholungsgefahr und die diskriminierende Wirkung der Zugangskontrollen verneint habe (S. 13/14 der Beschwerdebegründung),

- seinen Vortrag, insbesondere zum Feststellungsinteresse, als unzureichend erachtet habe, ohne hierauf zuvor ausdrücklich hinzuweisen (S. 6, 12 und 13 der Beschwerdebegründung) sowie

- Beweiserhebungen nicht vorgenommen, sondern sein Urteil auf Mutmaßungen gestützt habe (S. 11 und 12 der Beschwerdebegründung).

11

Hinsichtlich der gerügten Gehörsverstöße verkennt die Beschwerde schon im Ansatz, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs das Gericht nur verpflichtet, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfG, Urteile vom 22. November 1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293 <295> und vom 8. Oktober 1985 - 1 BvR 33/83 - BVerfGE 70, 288 <293>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen einbezogen hat, so dass nur bei deutlichen gegenteiligen Anhaltspunkten ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>). Solche Anhaltspunkte werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt. Der Sache nach wendet sich der Kläger vielmehr durchgängig dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht anders gewürdigt hat, als er es für richtig hält.

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Der Kläger missversteht insoweit auch den Inhalt der richterlichen Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO). Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266 f.> = Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 11). Ein hiergegen verstoßendes Verhalten des Gerichts läge aber nur vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Überraschungsentscheidung hat die Beschwerde nicht dargetan. Ansonsten besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Grundsatz keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren. Ein Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (Beschluss vom 29. Januar 2010 - BVerwG 5 B 21.09 - juris Rn. 18 m.w.N.). Namentlich ist es nicht Inhalt der Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO, einen anwaltlich vertretenen Kläger in allen möglichen oder denkbaren materiellen Richtungen zu beraten (Beschluss vom 14. Februar 1984 - BVerwG 3 B 111.81 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 34).

13

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keine Beweisanträge gestellt hat und sich dem Oberverwaltungsgericht aus seiner materiellrechtlichen Sicht eine Beweisaufnahme nicht aufdrängen musste, sind auch die von der Beschwerde gerügten Verstöße gegen die Aufklärungspflicht nicht gegeben.

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Der vom Kläger sinngemäß gerügte Verfahrensmangel einer Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1 schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil das Oberverwaltungsgericht die Klage insoweit auch als unbegründet abgewiesen hat. Im Übrigen stellt eine Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann einen Verfahrensfehler dar, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, die Vorinstanz etwa die dort verwendeten Begriffe verkannt hat (Beschluss vom 13. August 2009 - BVerwG 7 B 30.09 - juris Rn. 14). Dies legt die Beschwerde nicht dar. Sie wendet sich nur gegen die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Würdigung der Einzelfallumstände, gegen die nichts zu erinnern ist.

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Soweit der Kläger schließlich mehrfach rügt, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts sei willkürlich, verstoße gegen Denkgesetze und beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. S. 5, 9,10 der Beschwerdebegründung), werden damit keine Verfahrensfehler dargelegt, sondern Fehler geltend gemacht, die die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betreffen und nur unter den - hier wie o.a. nicht vorliegenden Voraussetzungen - des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO zur Zulassung der Revision führen können. Abgesehen davon liegt Willkür erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder ihr Inhalt in krasser Weise missdeutet wird. Von einer willkürlichen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich - wie hier - mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jeder Grundlage entbehrt (Beschluss vom 21. Februar 2003 - BVerwG 9 B 64.02 - juris Rn. 6).

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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, begehrt die Löschung einer Suchmeldung für ein Gemälde aus der im Internet unter www.lostart.de geführten Datenbank. Diese Datenbank enthält u.a. Such- und Fundmeldungen zu Kulturgütern, die jüdischen Eigentümern infolge des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die auf Grund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann. Sie wurde auf der Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung von der Koordinierungsstelle Magdeburg, einer unselbständigen Arbeitsgruppe beim Kultusministerium des beklagten Landes, aufgebaut.

2

Für das Gemälde ging bei der Koordinierungsstelle 2005 im Auftrag der Erbengemeinschaft nach Rosa und Jakob O. eine Suchmeldung ein, die damit begründet wurde, dass den jüdischen Eheleuten O. 1929 sämtliche Gesellschaftsanteile an der Klägerin vermacht worden seien. Letzterer sei das Bild 1935 durch Versteigerung NS-verfolgungsbedingt entzogen worden. Eine weitere Suchmeldung erfolgte 2009 durch - inzwischen verstorbene und von den jetzigen Beigeladenen beerbte - Mitglieder von Erbengemeinschaften, die die jüdischen Gesellschafter des ehemaligen Bankhauses J. & S. beerbt haben. Sie wurde damit begründet, dass das Gemälde 1933 dem Bankhaus sicherungsübereignet worden sei; 1935 sei es vom Bankhaus ersteigert worden und seinen jüdischen Gesellschaftern 1938 im Zuge der sog. "Arisierung" des Bankhauses abhandengekommen. Wegen der konkurrierenden Suchmeldungen ist das Gemälde im Internet ohne Nennung von Namen veröffentlicht.

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Das Gemälde wurde inzwischen in Namibia gefunden. Anfang 2010 einigten sich der Besitzer des Gemäldes, die Klägerin und die Mitglieder der Erbengemeinschaft O., das Bild im Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam zu versteigern und den Erlös hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. zu teilen. Die Versteigerung scheiterte, nachdem die Koordinierungsstelle eine Löschung der Suchmeldung ohne Zustimmung der Zweitanmelder ablehnte.

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Mit Urteil vom 17. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, den Sucheintrag für das Gemälde in der Lost Art Internet-Datenbank zu löschen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. Oktober 2013 die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Beklagten auf Löschung der Suchmeldung habe. Die Rechtmäßigkeit der Eintragung beurteile sich nach den für den Bereich der staatlichen - nicht regelnden - Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben. Offenbleiben könne, ob der Betrieb der Datenbank danach einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung sei jedenfalls wegen Zweckerfüllung rechtswidrig. Aus den der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegenden Unterlagen ergebe sich, dass sich die Funktion der Datenbank auf die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen beschränke, die von der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung des Bundes und der Länder von 1999 erfasste Kulturgüter beträfen. Dieser Zweck sei mit dem Auffinden des Bildes erfüllt. Eine weiterreichende anspruchssichernde Funktion komme der Datenbank nicht zu. Die Aufrechterhaltung der Eintragung verletze die Klägerin in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. Der in der Suchliste dokumentierte Raubkunstverdacht führe zu einem merkantilen Minderwert und im Einzelfall zur zeitweiligen Unveräußerlichkeit. Diese Beschränkung sei nur so lange zu dulden, wie es der Zweck der Suchliste, nämlich die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst, erfordere.

5

Während des Revisionsverfahrens haben Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände mit Wirkung vom 1. Januar 2015 die Stiftung "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste" in der Form einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet, die (u.a.) die Aufgaben der Koordinierungsstelle fortführt.

6

Der Beklagte macht mit seiner Revision geltend, es fehle an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit und am Rechtsschutzinteresse. Zumindest sei die Klage mit Gründung der Stiftung unzulässig geworden. Der Klägerin stehe der geltend gemachte und dem revisiblen Recht zuzurechnende öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu. Die Suchmeldung verletze sie nicht in ihren Rechten. Als Maßstab komme nur Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht. Nach den für den Bereich der staatlichen, nicht regelnden Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben fehle es aber an einem Eingriff. Der Informationsauftrag sei mit dem Auffinden des Gemäldes und der Verwertungsvereinbarung noch nicht beendet.

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Die Beigeladenen machen mit ihren Revisionen geltend, die Nachtragsliquidatorin sei nicht prozessführungsbefugt, auch fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Weder die Errichtung der Datenbank noch die streitgegenständliche Veröffentlichung bedürften einer gesetzlichen Grundlage. Die Suchmeldung verletze die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Der Zweck der Datenbank erfasse auch die Dokumentation von Raubkunstverdachtsfällen im Allgemeininteresse, im Interesse von Personen, die berechtigte Wiedergutmachungsinteressen verfolgten, und im Interesse des lauteren Wettbewerbs.

8

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ergänzend macht sie geltend, der zugesprochene Folgenbeseitigungsanspruch sei nicht revisibel und zu Recht bejaht worden. Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen komme der Suchmeldung erhebliche Bedeutung für die Verkehrsfähigkeit des Gemäldes zu und beschränke sich der Zweck der Datenbank auf die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst. Die Aufrechterhaltung der Meldung sei wegen ihrer Grundrechtsrelevanz nicht mehr gerechtfertigt. Außerdem fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Entscheidungsgründe

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Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Berufungsgericht hat ihre Berufungen unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zurückgewiesen. Zwar ist es im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit der Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte obliegt (1.). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig (2.). Sie ist aber unbegründet (3.). Das Berufungsgericht hat einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch mit einer Begründung bejaht, die mit revisiblem Recht nicht zu vereinbaren ist. Seine Annahme, der Zweck der von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen mitveranlassten Suchmeldung sei mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und ist unzutreffend (3.1). Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht aus anderen Gründen (objektiv) rechtswidrig (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

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Die Klage richtet sich weiterhin gegen das beklagte Land. Dass die Aufgaben der Koordinierungsstelle inzwischen von einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt werden, hat keinen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beklagtenseite zur Folge. Soweit in verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch in Fällen eines behördlichen Zuständigkeitswechsels (BVerwG, Urteile vom 2. November 1973 - 4 C 55.70 - BVerwGE 44, 148 <150> und vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224>) oder einer sondergesetzlich angeordneten Funktionsnachfolge (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1989 - 5 C 33.88 - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 12) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Parteiwechsel angenommen wird, beruht dies auf der Exklusivität gesetzlich geregelter Zuständigkeitszuweisungen. Hiermit ist die Übertragung der Aufgaben der Koordinierungsstelle auf eine private Stiftung nicht vergleichbar. Sie ähnelt mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage einer gewillkürten Rechtsnachfolge, die nicht kraft Gesetzes zu einer Veränderung in der Zusammensetzung des Kreises der Prozessbeteiligten führt.

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1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (1.1) und der Streit der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen (1.2).

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1.1 Hinsichtlich der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nach § 17a Abs. 5 GVG nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dieses Überprüfungsverbot gilt allerdings nicht, wenn das Gericht erster Instanz entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz Rüge nicht vorab durch Beschluss entschieden hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 7 B 198.93 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268; BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - I ZB 3/92 - BGHZ 119, 246 <250>; BAG, Urteil vom 21. August 1996 - 5 AZR 1011/94 - NJW 1997, 1025; BFH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - X B 216/13 - BFH/NV 2014, 1888).

13

In Anwendung dieser Bestimmung war dem Berufungsgericht eine Überprüfung des Rechtswegs verwehrt. Seine gegenteilige Auffassung beruht auf der aktenwidrigen Annahme, das Verwaltungsgericht habe trotz erstinstanzlicher Rüge den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten erst im Urteil bejaht. Ausweislich der Gerichtsakten hat der Beklagte erstmals mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung geltend gemacht, dass es an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit fehle; zuvor hat er lediglich gerügt, dass der Rechtsträger der Koordinierungsstelle nicht der richtige Beklagte sei, die Klägerin vielmehr gegen die Erben des Bankhauses (auf dem Zivilrechtsweg) vorgehen müsse. An die gegenteilige - den tatrichterlichen Feststellungen zuzuordnende - Behauptung des Berufungsgerichts ist der Senat nicht gebunden. Denn Prozesstatsachen, d.h. die tatsächlichen Grundlagen für die von Amts wegen auch vom Revisionsgericht zu prüfende Zuständigkeit und die Sachentscheidungsvoraussetzungen, zählen nicht zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 46 m.w.N.). Auf diesem Fehler beruht die angegriffene Entscheidung aber nicht, da das Berufungsgericht die Rechtswegfrage nicht anders beurteilt hat als das Verwaltungsgericht und auch in der Sache zutreffend den Verwaltungsrechtsweg als gegeben gesehen hat.

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1.2 Die begehrte Löschung ist nicht auf einen gerichts- bzw. justizfreien Hoheitsakt gerichtet, der einer gerichtlichen Kontrolle generell entzogen ist. Eine Prüfung dieser Frage unterfällt nicht dem Verbot des § 17a Abs. 5 GVG, da es nicht darum geht, welches Gericht zuständig ist, sondern ob der Streit jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen ist.

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Als Teil der Exekutive ist die Koordinierungsstelle - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und ihr Handeln unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Danach hat der Bürger einen Anspruch auf einen möglichst wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, soweit diese in seine Rechte eingreifen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - BVerfGE 113, 273 <310> m.w.N.). Das Grundgesetz kennt - von engen Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und Art. 44 Abs. 4 GG) - grundsätzlich keine staatlichen Akte, die dieser gerichtlichen Kontrolle generell entzogen sind. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist damit auch gegen staatsleitende Akte Rechtsschutz zu gewähren, wenn und soweit sie subjektiv-öffentliche Rechte Einzelner tangieren; eine andere Frage ist die nach der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Überprüfung solcher Akte.

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Gegenteiliges ergibt sich hier weder aus der Art der von der Koordinierungsstelle ausgeübten Tätigkeit noch aus ihrer inneren Struktur. In der Lost Art Internet-Datenbank werden Such- und Fundmeldungen Dritter dokumentiert. Auch wenn für deren Richtigkeit keine Gewähr übernommen wird, entscheidet über die Eintragung und Löschung einer Meldung allein der Betreiber der Datenbank nach einer eigenen Plausibilitätsprüfung (vgl. Grundsätze der Koordinierungsstelle zur Eintragung und zur Löschung von Meldungen zu Kulturgütern, veröffentlicht unter: http://www.lostart.de/Content/04_Datenbank/DE/Grundsätze-Checkliste_DL.pdf?__blob=publicationFile). Dass die Arbeit der Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung über die Koordinierungsstelle vom 15. September 2009 von einem Fachbeirat begleitet wird, alle Grundsatzentscheidungen von einem Kuratorium getroffen werden und die Koordinierungsstelle intern an die Beschlüsse dieser beiden Gremien gebunden ist, trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass es sich um eine von mehreren Trägern staatlicher Gewalt finanzierte Einrichtung handelt, deren Tätigkeit zudem nicht auf konkreten gesetzlichen Vorgaben beruht.

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2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die für die Klägerin handelnde Nachtragsliquidatorin zur Führung des Prozesses befugt (2.1) und fehlt der Klägerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (2.2).

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2.1 Das Löschungsbegehren ist von der Vertretungsmacht der Nachtragsliquidatorin gedeckt. Nach dem Bestellungsbeschluss umfasst ihr Wirkungskreis die Vertretung und die Wahrnehmung der Rechte der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen. Dabei ist der Begriff "vermögensrechtlich" schon dem Wortlaut nach nicht auf Streitigkeiten nach dem Vermögensgesetz bezogen. Er ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte weit zu verstehen und umfasst in Abgrenzung zu den (nicht vermögensrechtlichen) Personen- und Familienrechten nicht nur Ansprüche, die aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden, sondern auch Ansprüche aus nicht vermögensrechtlichen Rechtsverhältnissen, wenn sie unmittelbar auf eine vermögenswerte Leistung gerichtet sind oder ihre Verfolgung in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dient, ohne dass sich dies in einer bloßen Reflexwirkung erschöpft (Toussaint, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1. Januar 2015, § 20 ZPO Rn. 1 m.w.N. aus der Rspr des BGH).

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Vorliegend macht die Klägerin geltend, dass sie weiterhin Eigentümerin des Gemäldes sei und die Suchmeldung einer Verwertung entgegenstehe. Zwar soll nach der von der Klägerin eingegangenen Vereinbarung vom Januar 2010 der Erlös nach einer Versteigerung hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. (unter Ausschluss der Klägerin) aufgeteilt werden. Diese Einigung bezog sich aber auf eine Versteigerung des Bildes bei der Altmeister-Auktion vom 18. Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam, zu der es nicht gekommen ist. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die Vereinbarung damit insgesamt hinfällig geworden ist oder ob die Vertragsparteien weiterhin zu einer Veräußerung und Aufteilung des dabei erzielten Erlöses nach dem vereinbarten Verteilungsschlüssel verpflichtet sind. Schon angesichts der weiterhin ungeklärten Eigentumsverhältnisse und der rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich des Umfangs der von der Klägerin eingegangenen vertraglichen Verpflichtung kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Löschung nur (noch) der Wahrung wirtschaftlicher Interessen ihrer Gesellschafter und nicht auch ihrem Eigeninteresse dienen würde.

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2.2 Es fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Danach darf das Gericht die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 40 Rn. 11 ff. m.w.N.).

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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Vorgehen der Klägerin gegen die Beigeladenen auf dem Zivilrechtsweg angesichts der mit der Eigentumsfrage verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten keine eindeutig vorzugswürdige Alternative darstellen würde. Zudem wäre ein solcher Rechtsstreit nicht notwendigerweise vor einem deutschen Gericht auszutragen. Nach den von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen begründet aber nur eine inländische Gerichtsentscheidung einen Löschungsanspruch.

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Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die begehrte Löschung der Klägerin einen rechtlich anerkennenswerten Vorteil brächte. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt richtet, die Datenbank seit Anfang 2015 aber nicht mehr von der beim dortigen Kultusministerium angesiedelten Koordinierungsstelle, sondern von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts betrieben wird. Dadurch kann das auf einen Realakt gerichtete Begehren inzwischen zwar nur noch von der Stiftung erfüllt werden. Die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils erstreckt sich nach § 121 VwGO aber auch auf die Rechtsnachfolger der Beteiligten. Hierdurch wird in zeitlicher Hinsicht auch gebunden, wer schon vor Eintritt der Rechtskraft, aber nach Rechtshängigkeit in das streitbefangene Recht nachfolgt (§ 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 1 ZPO). Folglich könnte ein stattgebendes Urteil nach Titelumschreibung gegenüber der Stiftung vollstreckt werden. Die Vereinbarung vom Januar 2010 lässt das Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht entfallen, nachdem der darin vereinbarte Versteigerungstermin fehlgeschlagen und offen ist, welche Rechtsbindungen sich hieraus für die Klägerin ergeben. Der Einwand der Beigeladenen, dass durch eine Löschung der bestehende Raubkunstverdacht nicht entfallen würde, ändert ebenfalls nichts daran, dass die Klägerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Löschung der ihrer Auffassung nach rechtswidrigen und einer Veräußerung entgegenstehenden Eintragung hat.

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3. Die Klage ist aber unbegründet. Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Damit ist auch insoweit unerheblich, dass die Datenbank inzwischen von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt wird. Zwar sind Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>). Die Gründung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts zur Fortführung der von der Koordinierungsstelle wahrgenommenen Aufgaben und der aufgebauten Datenbank stellt aber eine geänderte Tatsache und keine Änderung der für die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruchs maßgeblichen rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe dar.

24

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass als Anspruchsgrundlage für das Löschungsbegehren nur ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht kommt. Dieser Anspruch entsteht, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt vorzeitig vollzogen wurde; er gilt bei rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Gerichtet ist der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands; zu beseitigen sind alle der handelnden Behörde zuzurechnenden rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen (BVerwG, Urteile vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58, vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 - BVerwGE 69, 366 <370 ff.> und vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <95> m.w.N.).

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Einer revisionsgerichtlichen Überprüfung des vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Koordinierungsstelle als Teil einer Landesbehörde grundsätzlich Landesrecht vollzieht. Da es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um einen auch aus dem Grundgesetz - insbesondere aus den jeweils berührten Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip - abgeleiteten Rechtssatz handelt, ist die Folgenbeseitigung als Grundsatz und Anspruch Bestandteil des Bundesrechts und damit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisibel (BVerwG, Urteil vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58).

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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines auf Löschung der Suchmeldung gerichteten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs nicht vor. Das Aufrechthalten der Suchmeldung durch die Koordinierungsstelle ist zwar als öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln anzusehen (3.1). Es hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

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3.1 Die Eintragung und Löschung von Meldungen zu Kulturgütern auf der Internetseite www.lostart.de durch die Koordinierungsstelle Magdeburg ist Teil des staatlichen Informationshandelns im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Unerheblich ist, dass für die inhaltliche Richtigkeit der von dritter Seite übermittelten Such- und Fundmeldungen keine Verantwortung übernommen wird. Denn Eintragungen erfolgen ausschließlich nach eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen. Danach findet vor der Einstellung einer Meldung eine Plausibilitätsprüfung statt, die insbesondere die Angaben des Melders zum Objekt, zur Verlustgeschichte und zu seiner Person umfasst. Die Behandlung konkurrierender Meldungen und die Löschung von Meldungen unterliegen ebenfalls eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Regeln. Damit handelt es sich bei der Lost Art Internet-Datenbank nicht lediglich um eine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattform, für deren Inhalt keinerlei staatliche Verantwortung übernommen wird.

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3.2 Das Nichtlöschen der Suchmeldung hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge. Bei der von der Koordinierungsstelle betriebenen Internet-Datenbank handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung im untechnischen Sinne, die der Allgemeinheit im Rahmen ihres Widmungszwecks zur Verfügung steht. Das Handeln der Koordinierungsstelle kann daher gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob es sich im Rahmen dieses Widmungszwecks hält (a) und mit höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu vereinbaren ist (b).

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a) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung hält sich im Rahmen des Widmungszwecks der Datenbank. Danach ist der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erreicht, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, der Zweck der Suchliste bestehe allein darin, Betroffene bei der Suche nach verschollener Raubkunst zu unterstützen, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und genügt damit nicht den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, bei seiner freien Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Es darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung daraufhin, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist. Ob das Gericht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage entschieden hat, ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <210 ff.> m.w.N.).

30

Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass mangels einfachgesetzlicher Vorgaben zur Bestimmung des Zwecks der in der Datenbank enthaltenen Suchliste die vom Träger bzw. den Trägern der Einrichtung hierzu abgegebenen Willenserklärungen heranzuziehen sind (UA S. 16). In diesem Zusammenhang verweist es u.a. auf die der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegende Bund-Länder-Vereinbarung vom 15. September 2009, die ihrerseits Bezug nimmt auf die auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust vom 3. Dezember 1998 aufgestellten "Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden" (Washingtoner Grundsätze). Den von ihm herangezogenen Unterlagen entnimmt das Berufungsgericht ohne nähere Darlegung, dass der Zweck der Suchmeldung mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt sei (UA S. 18). Dabei übersieht es, dass es für den Widmungszweck nicht nur auf die von den Trägern bei Errichtung der Koordinierungsstelle abgegebenen Erklärungen ankommt. Denn der Widmungszweck kann auch durch nachträgliche Willensbekundungen weiter ausgestaltet werden. Das Berufungsgericht hätte bei der Zweckbestimmung daher auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze über die Eintragung und Löschung von Meldungen miteinbeziehen müssen.

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Da der Inhalt der für die Zweckbestimmung maßgeblichen Willensbekundungen hier unstreitig ist, können diese vom Senat selbst ausgelegt und bewertet werden, ohne dass es einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung bedarf. Eine am wirklichen Willen (vgl. § 133 BGB) orientierte Auslegung ergibt, dass der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erfüllt ist. Nach der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009 zählt zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle u.a. die Dokumentation von Such- und Fundmeldungen des In- und Auslandes zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern zur Präsentation in www.lostart.de. Eine Beschränkung der Veröffentlichung von Suchmeldungen auf Kulturgüter, deren Aufenthaltsort dem Suchenden unbekannt ist, ist dem nicht zu entnehmen. Sie wäre auch nicht mit der in der Präambel ausdrücklich hervorgehobenen historischen Verantwortung in Form der Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen von 1998 zu vereinbaren. Danach sollen Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, nicht nur identifiziert werden (Ziff. 1), vielmehr sollen die Vorkriegseigentümer und ihre Erben auch zum "Anmelden ihrer Ansprüche ermutigt" (Ziff. 7) und beim "Finden einer gerechten und fairen Lösung unterstützt" werden (Ziff. 8). Dem widerspräche es, Suchmeldungen nach dem Auffinden eines Werkes zu löschen, bevor es zwischen dem Besitzer und - möglicherweise konkurrierenden - Vorkriegseigentümern und ihren Erben zu einer Einigung über das weitere Schicksal des Werkes oder zumindest einer verbindlichen Klärung der Eigentumsfrage gekommen ist. Dies bestätigen auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze zur Eintragung und Löschung von Meldungen, die den Widmungszweck der Datenbank weiter ausgestalten. Danach ist für eine Löschung erforderlich, dass der Melder hierzu auffordert, die Plausibilität einer Meldung grundlegend erschüttert ist oder ein Dritter nach Feststellung seines Eigentums durch rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts eine Löschung wünscht. Dieser Ausgestaltung der Gründe für die Löschung einer Meldung ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Zweck nicht schon mit dem Auffinden eines gesuchten Gegenstands erreicht ist, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Ob die Datenbank darüber hinaus noch weitergehenden Zwecken dient, bedarf keiner Entscheidung.

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Besteht der Zweck der Suchliste nicht allein im Aufsuchen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, sondern soll durch die Veröffentlichung einer Suchmeldung auch eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten gefördert werden, ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der Zweck der streitgegenständlichen Suchmeldung hier noch nicht erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beigeladenen hinreichend Gelegenheit zur Sicherung etwaiger Ansprüche hatten. Zweckerreichung ist auch nicht mit der zwischen dem Besitzer, der Klägerin und den Mitglieder der Erbengemeinschaft O. geschlossenen Verwertungsvereinbarung eingetreten, da diese ohne Mitwirkung der Beigeladenen zustande gekommen ist. Unerheblich ist auch, ob die Beigeladenen - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - möglicherweise nur Zweitgeschädigte sind, denn der Zweck der Datenbank besteht in der Dokumentation und nicht in der rechtlichen Bewertung NS-verfolgungsbedingter Verluste.

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b) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Mangels einfachgesetzlicher Vorgaben ist hier insbesondere ein Verstoß gegen die Grundrechte zu prüfen.

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Als möglicherweise betroffene Grundrechte kommen - mit Blick auf die mit einer Suchmeldung verbundenen tatsächlichen Absatzschwierigkeiten - nur die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie durch die Veröffentlichung nicht berührt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <277 f.>). Gleiches gilt für das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41 ff.>), da die Koordinierungsstelle im vorliegenden Fall wegen der konkurrierenden Meldungen keine personenbezogenen Daten veröffentlicht hat. Ob in Bezug auf die Klägerin Art. 2 Abs. 1 GG oder aber Art. 12 Abs. 1 GG als speziellere Norm heranzuziehen ist, bedarf keiner Entscheidung, da die Aufrechterhaltung der Suchmeldung für die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig Betroffenen weder nach der einen noch nach der anderen Norm zu einem - dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegenden - Grundrechtseingriff führt.

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Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht die vom Bundesverfassungsgericht für Grundrechtsverletzungen durch staatliches Informationshandeln entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Danach ist nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als ein Grundrechtseingriff zu bewerten (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <76>). Auch wenn Grundrechtsbeeinträchtigungen durch staatliches Informationshandeln nicht die Voraussetzungen eines Eingriffs im klassischen Sinne erfüllen, weil sie insbesondere nicht auf einer unmittelbaren Regelungswirkung beruhen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 - NJW 2011, 511 <512>), kann staatliches Informationshandeln aber zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 12. August 2002 - 1 BvR 1044/93 - NVwZ-RR 2002, 801 und vom 16. August 2001 - 1 BvR 1241/97 - NJW 2002, 3458 <3459>). Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen aber nicht den Gewährleistungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, sofern der Einfluss auf wettbewerbsrechtliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Danach setzt die Verbreitung staatlicher Informationen eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen voraus. Außerdem sind die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Information zu beachten, und die staatliche Informationstätigkeit darf in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen kein Ersatz für eine staatliche Maßnahme sein, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.>). Auch im nichtwirtschaftlichen Bereich besteht eine aus der Staatsleitung abgeleitete Ermächtigung zum Informationshandeln, wenn sich das Informationshandeln im Rahmen der Informationskompetenz hält und die Betroffenen nicht unverhältnismäßig in ihren Grundrechten beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <301>). Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Informationshandeln von der staatlichen Aufgabenwahrnehmung auch dann gedeckt, wenn es mit einer mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden ist. Denn die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt in diesem Fall keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

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aa) Bei der Tätigkeit der Koordinierungsstelle handelt es sich um eine staatliche Aufgabe. Sie beruht auf der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009. Die Suchmeldung hält sich im Rahmen der der Koordinierungsstelle danach zugewiesenen Dokumentations- und Informationsaufgabe. Die Befugnis zu staatlichem Handeln ergibt sich im Informationsbereich zudem aus der der Staatsleitung zuzurechnenden Öffentlichkeitsarbeit. Diese umfasst auch die Verbreitung von Informationen, um auf diesem Wege die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge zu unterrichten und die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung bei der Bewältigung von Problemen zu befähigen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <302>). Angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands besteht ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Veröffentlichung von Informationen zu Kulturgütern, bei denen ein Raubkunstverdacht besteht, um auf diesem Weg interessierte Bürger zu einer eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Bewältigung der bis heute fortdauernden rechtswidrigen Folgen des NS-Regimes zu befähigen. Ob darüber hinaus auch die Veröffentlichung endgültig abgewickelter Verlustvorgänge von der staatlichen Informationsbefugnis umfasst wäre, bedarf keiner Entscheidung.

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bb) Das Informationshandeln der Koordinierungsstelle verstößt nicht gegen die föderale Kompetenzordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <308>). Da die Tätigkeit der Koordinierungsstelle sowohl der Durchsetzung von Wiedergutmachungsinteressen als auch dem Kulturgüterschutz dient, besteht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine aus der föderalen Aufgabenzuweisung abgeleitete Befugnis zum Informationshandeln. Bestehen insoweit parallele Kompetenzen, ist es mit Blick auf die föderale Kompetenzordnung nicht zu beanstanden, dass die Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung vom Bund und den Ländern gemeinsam finanziert wird, das Informationshandeln rechtlich aber nur vom Beklagten wahrgenommen wird.

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cc) Die streitgegenständliche Veröffentlichung ist weder unsachlich noch unzutreffend. Dabei kommt es bei der Frage der inhaltlichen Richtigkeit nicht darauf an, ob den Rechtsvorgängern der Beigeladenen das Gemälde tatsächlich NS-verfolgungsbedingt abhandengekommen ist. Denn die Veröffentlichung von Suchmeldungen in der Lost Art Internet-Datenbank erschöpft sich in der Dokumentation von Meldungen Dritter, die vom Betreiber lediglich einer groben Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. Die inhaltliche Richtigkeit des von dritter Seite durch eine Suchmeldung erhobenen Raubkunstverdachts ist daher nicht Gegenstand der staatlichen Information. Folglich kommt es - abgesehen von Fällen evidenter Unrichtigkeit - nicht darauf an, ob die der Verlustmeldung zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind und der Melder hieraus zutreffende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen hat. Das Ziel der Datenbank liegt nicht in der Anerkennung und/oder Zuordnung von Rückgabeansprüchen; über die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen sollen Vorkriegseigentümer bzw. deren Erben und heutige Besitzer nur zusammengeführt und beim Finden einer fairen und gerechten Lösung unterstützt werden.

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dd) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist in Bezug auf die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig betroffenen Personen und deren Grundrechte auch nicht aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Sie verfolgt mit der Unterstützung der Beigeladenen, die plausibel geltend gemacht haben, dass ihren Rechtsvorgängern das Gemälde NS-verfolgungsbedingt entzogen worden ist, bis zu einer endgültigen Klärung der Eigentumsfrage und etwaiger Herausgabeansprüche mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands, seiner Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen und dem Bemühen, diese mit Hilfe der Lost Art Internet-Datenbank tatsächlich umzusetzen, einen legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung bis zu einer endgültigen Klärung geeignet und erforderlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Zweck der Datenbank durch eine andere weniger belastende, aber gleich effektive Form staatlicher Information hätte erreicht werden können. Schließlich fehlt es auch nicht an der Angemessenheit, da die Beteiligten die Möglichkeit haben, eine endgültige Klärung ggf. auf dem Zivilrechtsweg herbeizuführen.

40

ee) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Unabhängig von der Befugnis staatlicher Stellen zum Informationshandeln wird der Gewährleistungsbereich der hiervon betroffenen Grundrechte dann beeinträchtigt, wenn sich das Handeln nicht auf die Veröffentlichung von Informationen beschränkt, auf deren Grundlage die Nutzer der staatlichen Informationsquelle eigenbestimmte, an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen können. Insbesondere kann staatliche Informationstätigkeit den Gewährleistungsbereich der betroffenen Grundrechte beeinträchtigen, wenn sie in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff im klassischen Sinne zu qualifizieren wäre. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung einschließlich des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden; vielmehr müssen in diesen Fällen die für einen Grundrechtseingriff maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <273> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

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In diesem Sinne stellt die Aufrechthaltung der Suchmeldung kein funktionales Äquivalent für einen (finalen) Grundrechtseingriff dar. Der Informationsgehalt der Meldung beschränkt sich auf die Dokumentation des von dritter Seite geäußerten Verdachts, dass es sich bei dem Gemälde um Raubkunst handele. Auf der Grundlage dieser Information können die Nutzer der Datenbank eigenbestimmte und an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen, etwa ob sie als Besitzer des Bildes zur freiwilligen Rückgabe oder zur Mitwirkung an einer anderen Lösung bereit sind oder ob sie als Auktionshaus oder Kaufinteressent trotz des bestehenden Verdachts und der damit verbundenen Risiken das Gemälde zur Versteigerung annehmen bzw. erwerben wollen. Die Suchmeldung hat hingegen keinerlei Auswirkungen auf die Eigentumszuordnung, die Verfügungsbefugnis und das Bestehen etwaiger Rückgabeansprüche. Diese Fragen müssen im Streitfall zwischen den Beteiligten auf dem Zivilrechtsweg geklärt werden. Etwaige Auswirkungen auf den Marktwert und die Verkäuflichkeit des Bildes ergeben sich primär aus der von den Beigeladenen geltend gemachten Verlustgeschichte. Der sich daraus ergebende "Makel" wird durch die Aufrechterhaltung der Eintragung in der Suchliste nur publik gemacht. Er würde durch eine Löschung nicht entfallen und könnte von den Beigeladenen auf anderem Wege - auch öffentlichkeitswirksam - weiterverfolgt werden. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem der "E-Zigaretten-Entscheidung" des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 17. September 2013 - 13 A 2541/12 - (DVBl 2013, 1462) zugrunde liegenden Sachverhalt, der eine ministerielle Warnung vor dem Verkauf von E-Zigaretten betraf, bei der sich die verbotsähnliche Wirkung u.a. daraus ergab, dass Handel und Verkauf der Ware als Rechtsverstoß qualifiziert worden war, der auch schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne.

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Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen "Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts. Danach verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den Gesetzgeber, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen. Ob eine Maßnahme wesentlich ist und damit dem Parlament selbst vorbehalten bleiben muss oder jedenfalls nur aufgrund einer inhaltlich bestimmten parlamentarischen Ermächtigung ergehen darf, hängt im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel davon ab, ob sie wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75 u.a. - BVerfGE 47, 46 <79> m.w.N.). Insoweit ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für ein zulässiges staatliches Informationshandeln zu entnehmen, dass es bei Einhaltung der dort aufgestellten Voraussetzungen auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keiner gesetzlichen Grundlage bedarf. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zum institutionellen Gesetzesvorbehalt kommt es hier schon deshalb nicht an, weil es sich bei der Koordinierungsstelle nicht um eine rechtlich selbständige öffentliche Einrichtung handelt, sondern nur um eine unselbständige Anstalt.

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3.3 Ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung nach dem Vorstehenden objektiv rechtmäßig, fehlt es zugleich an der für das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs erforderlichen Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten. Auch bedarf es keiner Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladenen mit Stellung eigener Anträge am Kostenrisiko beteiligt haben, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. April 2014 - 155 Ns 155/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2014 - III-1 RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "Stinkefinger" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des nationalsozialistischen Unrechtsstaates durch den Begriff "Obergauleiter der SA-Horden" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der SA-Horden" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des Bundestagsabgeordneten. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das Demonstrationsgeschehen eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den Bundestagsabgeordneten nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als nationalsozialistischer "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der SA-Horden" verweist das Landgericht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur Sturmabteilung (SA). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des Bundestagsabgeordneten gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

8

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts und den Beschluss des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

9

6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

14

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

15

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

16

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

17

aa) Amtsgericht und Landgericht ordnen - vom Oberlandesgericht nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

18

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

19

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

20

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. April 2014 - 155 Ns 155/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2014 - III-1 RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "Stinkefinger" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des nationalsozialistischen Unrechtsstaates durch den Begriff "Obergauleiter der SA-Horden" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der SA-Horden" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des Bundestagsabgeordneten. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das Demonstrationsgeschehen eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den Bundestagsabgeordneten nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als nationalsozialistischer "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der SA-Horden" verweist das Landgericht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur Sturmabteilung (SA). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des Bundestagsabgeordneten gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

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5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts und den Beschluss des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

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6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

14

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

15

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

16

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

17

aa) Amtsgericht und Landgericht ordnen - vom Oberlandesgericht nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

18

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

19

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

20

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, mit dem er sich gegen ein vom Direktor des Amtsgerichts B am 9. Mai 2011 ausgesprochenes und am 1. Juni 2011 für sofort vollziehbar erklärtes für die Dauer von sechs Monaten befristetes Hausverbot für das Dienstgebäude des Amtsgerichts B wendet, kann keinen Erfolg haben.

2

Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Für die Frage, ob ein Hausverbot dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen ist, ist mangels eines öffentlich-rechtlichen Sonderrechts maßgeblich darauf abzustellen, welche Rechtsnormen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten und damit das Hausverbot prägen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1998, 1425; BVerwGE 35, 103, 106; zu dem Ganzen s. auch Jutzi, LKRZ 2009, 16).

3

Davon ausgehend ist das hier ausgesprochene Hausverbot öffentlich-rechtlicher Natur. In einem Gerichtsgebäude steht das Hausrecht dem Behördenleiter als einem Organ der Justizverwaltung zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2007 - 1 BvR 218/07 -, NJW-RR 2007, 1053; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. April 1993 - 3 M 16/93 -, NJW 1994, 340).

4

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, denn der Antragsteller begehrt mit seinem Eilantrag sinngemäß die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen das vom Direktor des Amtsgerichts B am 9. Mai 2011 ausgesprochene und am 1. Juni 2011 für sofort vollziehbar erklärte Hausverbot für das Dienstgebäude des Amtsgerichts B.

5

Der Antrag ist jedoch in der Sache unbegründet.

6

Zunächst hat der Antragsgegner in dem Schreiben vom 1. Juni 2011 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Hausverbots im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend dargelegt. Der Antragsgegner hat dazu ausgeführt, in Ansehung der hartnäckigen Verweigerung des Antragstellers sei zu erwarten, dass dieser ein derartiges Verhalten bei nächster Gelegenheit wiederholen werde. Zur Gewährleistung der Durchführung des Hausverbots und der Sicherung des Hausfriedens sei der sofortige Vollzug der Maßnahme anzuordnen. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor.

7

In materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Hausverbots vom 9. Mai 2011 ebenfalls nicht zu beanstanden.

8

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 240; OVG Schleswig-Holstein, NordÖR 2007, 452; s. auch Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rdnr. 975). Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (BVerfG, NVwZ 2007, 1176, 1177). Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. Es prüft eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (vgl. Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rdnr. 963); maßgebend für die Interessenabwägung sind dabei die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. August 2009 – 18 B 331/09 -, juris; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 483).

9

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Hausverbots das private Interesse des Antragstellers, diesem bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist und mit seiner Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

10

Das vom Direktor des Amtsgerichts B ausgesprochene Hausverbot vom 9. Mai 2011 findet eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in der Ausübung des Hausrechts. Das Hausrecht eines Behördenleiters (Gerichtspräsidenten oder Direktors eines Amtsgerichts) umfasst die Befugnis, Ordnungsmaßnahmen zu treffen, um die Verwirklichung des Widmungszwecks zu gewährleisten, Störungen des Dienstbetriebs abzuwenden und dabei insbesondere auch über den Aufenthalt von Personen in den Räumen des öffentlichen Gebäudes zu bestimmen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Oktober 2010 - OVG 10 B 2.10 -, BeckRS 2010, 56081 m.w.N.; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2010 - OVG 10 S 51.10 -, NJW 2011, 1093). Dem Amtsgerichtsdirektor als Inhaber des Hausrechts steht somit das Recht zu, zur Gewährleistung des Dienstbetriebs Regelungen über den Zutritt zum Dienstgebäude und den Aufenthalt von Personen in den Räumen des Gerichts zu treffen (vgl. im Zusammenhang mit Hausverboten z.B. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. April 1993 - 3 M 16/93 -, NJW 1994, 340; VG Hamburg, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 17 VG 3697/2002 -, juris; Kissel/Mayer, GVG, 6. Auflage 2010, § 12 Rn. 93 ff.). Die damit gegebenenfalls verbundenen Beeinträchtigungen der allgemeinen Handlungsfreiheit der Zutritt begehrenden Personen (Art. 2 Abs. 1 GG) sind gerechtfertigt, sofern die Maßnahme vom Hausrecht gedeckt ist. Grenzen für die Ausübung des Hausrechts an Gerichtsgebäuden ergeben sich während einer laufenden Gerichtssitzung aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung und den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden nach § 169 und § 176 GVG (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2010 - OVG 10 S 51.10 -, NJW 2011, 1093).

11

Vorliegend kann dahinstehen, ob das Hausrecht als notwendiger „Annex“ zur Sachkompetenz aus der Verantwortung der Behörde oder des Gerichts für die Erfüllung der zugewiesenen Aufgaben und den ordnungsgemäßen Ablauf der Verwaltungsgeschäfte folgt (so OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Oktober 2010 - OVG 10 B 2.10 -, BeckRS 2010, 56081 m.w.N.) oder einer ausdrücklichen gesetzlichen Konkretisierung bedarf. Als Rechtsgrundlage für das am 9. Mai 2011 ausgesprochene Hausverbot kommen jedenfalls die §§ 858 ff., 903, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in entsprechender Anwendung in Betracht, die den Abwehranspruch des Eigentümers bzw. Besitzers gegenüber Störungen durch Dritte regeln (s. auch VG Neustadt, Beschluss vom 23. Februar 2010 – 4 L 103/10.NW, LKRZ 2010, 178; Jutzi, LKRZ 2009, 16, 17).

12

Bei den Räumen des Amtsgerichts handelt es sich um öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch, die der Justiz zur Aufgabenerfüllung unmittelbar durch den Gebrauch durch Amts- und Funktionsträger dienen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Grundstück, auf dem sich das Gerichtsgebäude befindet, im Eigentum der öffentlichen Hand oder eines Privaten steht. Nach der Theorie des modifizierten Privateigentums wird das an öffentlichen Sachen bestehende privatrechtliche Eigentum durch ein öffentlich-rechtliches, gegen jedermann dinglich wirkendes Herrschaftsrecht, ähnlich einer Dienstbarkeit, überlagert, um den Verwaltungszwecken gerecht werden zu können (vgl. BVerwGE 116, 67). Wird die Nutzung eines Grundstücks zu öffentlich-rechtlichen Zwecken durch einen Dritten gestört, so stellen die im Öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren §§ 858 ff., 903, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Beseitigung der Beeinträchtigung dar. Dazu gehört auch der Erlass eines Hausverbots gegenüber dem Dritten.

13

Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Hausrecht, das seinem Inhaber ermöglicht, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt (BGH, NJW 2010, 534), sind an das öffentlich-rechtliche Hausverbot wegen Art. 20 Abs. 3 GG allerdings strengere Anforderungen zu stellen (vgl. Mißling, NdsVBl 2008, 267, 269). Der Ausspruch eines Hausverbots hat präventiven Charakter, indem er darauf abzielt, zukünftige Störungen des Betriebsablaufs in der Behörde zu vermeiden. Das ausgesprochene Hausverbot hat daher grundsätzlich zunächst die Tatsachen zu benennen, die in vorangegangener Zeit den Hausfrieden gestört haben, weiter ist anzuführen, dass in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen und das Hausverbot daher erforderlich ist, um erneute Vorfälle zu verhindern. Allerdings muss eine Behörde auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen. Sie kann daher nicht sogleich auf ein Hausverbot zurückgreifen. Diese Möglichkeit ist ihr vielmehr erst dann eröffnet, wenn es durch das Verhalten des Adressaten zu einer beachtlichen, d.h. mehr als nur leichten und/oder vorübergehenden Beeinträchtigung der öffentlichen Tätigkeit innerhalb der Behörde gekommen ist (Mißling, NdsVBl 2008, 267, 270). Dies ist anzunehmen, wenn der Dienstablauf nachhaltig gestört wird, zum Beispiel weil Bedienstete beleidigt werden oder der Besucher in nicht hinnehmbarer Weise aggressiv reagiert und mit einer Wiederholung derartiger Vorfälle zu rechnen ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005 - 7 B 10104/05.OVG -). Es spricht vieles dafür, dass im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden muss.

14

Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge kam es am 9. Mai 2011 im Amtsgerichtsgebäude von B zu einer erheblichen Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller und dem Amtsgerichtsdirektor. Nach Angaben des Amtsgerichtsdirektors in der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Frankenthal vom 9. Mai 2011 wurde er an diesem Vormittag von dem für die Rechtsantragstelle zuständigen Beamten Herrn Justizinspektor C darüber informiert, dass sich bei ihm zwei Männer befänden, die sich bei ihm, dem Amtsgerichtsdirektor, beschweren wollten, weil er sie in einem laufenden familiengerichtlichen Verfahren wegen einer beabsichtigten Antragstellung an den Verfahrensbevollmächtigten verwiesen habe. Als er sich zu dem Büro von Herrn C habe begeben wollen, seien ihm auf dem Flur zwei Männer entgegengekommen, von denen der Antragsteller ihn sofort lautstark als „Straftäter“ und „Rechtsbeuger“ bezeichnet und behauptet habe, er würde seine Rechte vereiteln. Der Antragsteller habe auch auf wiederholte Nachfrage Auskünfte zu seiner Personen verweigert und habe lediglich erklärt, dass er für eine Menschenrechtsorganisation tätig sei. Eine vernünftige und sachliche Unterhaltung sei nicht möglich gewesen. Der Antragsteller habe stetig den Vorwurf der Rechtsbeugung wiederholt. Er, der Amtsgerichtsdirektor, habe den Antragsteller mehrfach aufgefordert, sich ruhig zu verhalten und ihm angedroht, ihn ansonsten des Hauses zu verweisen und ihm gegebenenfalls Hausverbot zu erteilen. Obwohl er sich ihm wiederholt als Direktor des Amtsgerichts vorgestellt habe und ihm dies die inzwischen hinzugekommenen Mitarbeiter bestätigt hätten, sei der Antragsteller immer lauter und aggressiver geworden. Dabei sei er von dem Antragsteller wiederholt als „dumm, Dummschwätzer, Irrer, geisteskrank, Rechtsbeuger und Straftäter" bezeichnet worden. Er habe den Antragsteller daraufhin aufgefordert, das Amtsgericht umgehend zu verlassen. Dies habe der Antragsteller trotz mehrfacher Aufforderung verweigert und seine beleidigenden Äußerungen wiederholt. Auch nach Hinzuziehung der Wachtmeister und nach mehrfacher erneuter Aufforderung habe der Antragsteller das Gebäude nicht verlassen. Vor diesem Hintergrund habe er, der Amtsgerichtsdirektor, gegenüber dem Antragsteller ein Hausverbot auch für die Zukunft ausgesprochen. Erst nach Androhung der Hinzuziehung der Polizei habe der Antragsteller sich aus dem Gebäude begeben.

15

Die Aussagen des Amtsgerichtsdirektors werden bestätigt durch die Erklärungen des Richters D, der beiden Justizhauptwachtmeister E und F sowie des Justizinspektors C vom 14. Juni 2011 (s. Blatt 54, 55 und 57 der Gerichtsakte). Herr D gab zu dem Vorfall vom 9. Mai 2011 in seiner Stellungnahme vom 14. Juni 2011 an, er sei in seinem Dienstzimmer gesessen, als auf dem Flur vor dem Büro lautstark diskutiert bzw. herumgeschrien worden sei. Daraufhin habe er sich auf den Flur begeben. Dort habe er eine Gruppe von Personen, u.a. den Direktor des Amtsgerichts Gr, den Justizinspektor C, die beiden Justizhauptwachtmeister E und F sowie zwei ihm unbekannte männliche Personen gesehen. Auffallend sei gewesen, dass der Antragsteller offenbar sehr erregt gewesen sei. Ein normales Gespräch mit ihm sei nicht möglich gewesen. Jede auch noch so ruhige Ansprache seitens des Amtsgerichtsdirektors habe dieser mit lautstarken Beleidigungen und Vorwürfen (u.a. Rechtsbeugung) erwidert. An deren Wortlaut könne er sich im Einzelnen nicht mehr erinnern kann. Sicher er sich aber, dass dabei auch die Worte „dumm" bzw. „Dummschwätzer" und „geisteskrank" bezogen auf den Direktor des Amtsgerichts gefallen seien. Dies alles auch noch, nachdem ihm auch von dritter Seite mehrfach bestätigt worden sei, dass es sich bei seinem Gesprächspartner um den Direktor des Amtsgerichts handele. Auf dessen Ausspruch eines Hausverbots verbunden mit der weiterhin in ruhigem Ton ausgesprochenen Aufforderung, das Haus zu verlassen, habe der Antragsteller die Beschimpfungen äußerst lautstark wiederholt und sich zunächst geweigert, das Haus zu verlassen. Erst als er bemerkt habe, dass die Ankündigung, die Polizei hinzuziehen, ernst gemeint gewesen sei, habe er gemeinsam mit der anderen Person das Gebäude des Amtsgerichts verlassen.

16

Die beiden Justizhauptwachtmeister E und F haben in ihrer Stellungnahme angegeben, sie seien am 9. Mai 2011 wegen eines Vorfalls in den 1. Stock gerufen worden. Dort sei bereits eine lautstarke Diskussion zu Gange gewesen. Der Antragsteller habe sich geweigert, der Weisung des Hausverbots nachzukommen. Während sie ihn mehrmals aufgefordert hätten, das Haus nun zu verlassen, habe der Antragsteller den Amtsgerichtsdirektor unter anderem mit den Worten er sei „irre“, „geisteskrank“, ein „Rechtsbeuger“ und ähnliches beleidigt. Als sie ihn die Treppe hinunter geführt hätten, habe der Antragsteller den Amtsgerichtsdirektor erneut beleidigt. Diese habe der Antragsteller außerhalb des Gebäudes fortgesetzt.

17

Herr Justizinspektor C gab in seiner Erklärung vom 14. Juni 2011 an, der Antragsteller habe dem Amtsgerichtsdirektor auf dem Flur die Worte entgegen gerufen, er sei also der „Straftäter“, der seine Rechte vereiteln wolle. Im Laufe des Gesprächs habe der Antragsteller den Amtsgerichtsdirektor als „dumm“, „geisteskrank“ und „Rechtsbeuger“ bezeichnet.

18

Aufgrund dieser ausführlichen Angaben hat die Kammer keine Zweifel, dass sich der Vorfall am 9. Mai 2011 im Wesentlichen so abgespielt hat, wie er vom Antragsgegner dem Hausverbot zu Grunde gelegt wurde. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Hausverbot des Antragsgegners vom 9. Mai 2011 als offensichtlich rechtmäßig. Der Antragsteller hat den Dienstablauf im Gebäude des Amtsgerichts B am 9. Mai 2011 nachhaltig dadurch gestört, dass er den Direktor in nicht hinnehmbarer Weise mehrfach beleidigt und diesem gegenüber aggressiv aufgetreten ist. Es mussten zwei Justizhauptwachtmeister hinzugezogen werden, um das Hausverbot gegenüber dem Antragsteller durchzusetzen. Das nicht zu akzeptierende Verhalten des Antragstellers setzte sich fort in dem u.a. an das Amtsgericht B gerichteten – als Widerspruch gegen das Hausverbot zu wertende - undatierten Schreiben (s. Blatt 60 – 63 der Verwaltungsakte), in dem der Antragsteller den Amtsgerichtsdirektor „krasse kriminelle Energie“ und „Amtsmissbrauch“ unterstellte. Angesichts dessen muss jederzeit mit einer Wiederholung eines solchen Vorfalls gerechnet werden. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob der Antragsteller - wie er vorträgt - als Beistand oder Vertrauensperson von Herrn Rieder, der das Amtsgericht B aufgesucht hatte, um in einer anhängigen Streitsache einen Antrag zu stellen, berechtigt war, für Herrn Rieder aufzutreten, obwohl dieser in dem Verfahren bereits durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Das Auftreten des Antragstellers gegenüber dem Amtsgerichtsdirektor war jedenfalls vollkommen unangemessen.

19

Das sechsmonatige Hausverbot erweist sich im Hinblick auf die Schwere der verbalen Verfehlungen des Antragstellers auch nicht als unverhältnismäßig. Bei dem Antragsteller ist nicht zu erwarten, dass er das Unrechtmäßige seines Tuns einsieht und daraus Konsequenzen für sein Handeln vor Ablauf dieses Zeitraumes zieht.

20

Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat der Direktor des Amtsgerichts B in der Verbotsverfügung vom 9. Mai 2011 ferner eine Ausnahme vom Hausverbot für den Fall zugelassen, dass der Antragsteller in eigener Sache einen Termin auf Ladung wahrnimmt. Für diesen Fall hat sich der Antragsteller bei der Wachtmeisterei des Amtsgerichts anzumelden und wird von dort zu dem betreffenden Sitzungssaal geleitet. Nach Beendigung des Termins hat er das Gebäude unverzüglich zu verlassen. Der Antragsgegner wird so in die Lage versetzt, die ihm geeignet erscheinenden Vorkehrungen für die Wahrnehmung von Terminen durch den Antragsteller zu treffen. Auf der anderen Seite wird der Antragsteller nicht gehindert, eigene Gerichtstermine wahrzunehmen.

21

Das besondere Vollzugsinteresse ist ebenfalls gegeben. Die sofortige Vollziehung des Hausverbots ist erforderlich, um den ordnungsgemäßen Dienstleistungsbetrieb des Antragsgegners mit sofortiger Wirkung zu gewährleisten.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. April 2014 - 155 Ns 155/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2014 - III-1 RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "Stinkefinger" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des nationalsozialistischen Unrechtsstaates durch den Begriff "Obergauleiter der SA-Horden" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der SA-Horden" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des Bundestagsabgeordneten. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das Demonstrationsgeschehen eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den Bundestagsabgeordneten nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als nationalsozialistischer "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der SA-Horden" verweist das Landgericht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur Sturmabteilung (SA). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des Bundestagsabgeordneten gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

8

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts und den Beschluss des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

9

6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

14

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

15

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

16

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

17

aa) Amtsgericht und Landgericht ordnen - vom Oberlandesgericht nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

18

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

19

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

20

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. April 2014 - 155 Ns 155/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2014 - III-1 RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "Stinkefinger" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des nationalsozialistischen Unrechtsstaates durch den Begriff "Obergauleiter der SA-Horden" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der SA-Horden" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des Bundestagsabgeordneten. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das Demonstrationsgeschehen eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den Bundestagsabgeordneten nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als nationalsozialistischer "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der SA-Horden" verweist das Landgericht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur Sturmabteilung (SA). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des Bundestagsabgeordneten gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

8

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts und den Beschluss des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

9

6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

14

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

15

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

16

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

17

aa) Amtsgericht und Landgericht ordnen - vom Oberlandesgericht nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

18

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

19

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

20

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 2010 - 21 O 179/10 - und das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. Oktober 2010 - 4 U 109/10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen in einem äußerungsrechtlichen Fall. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

2

1. Der Beschwerdeführer und Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Rechtsanwalt. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, ebenfalls ein Rechtsanwalt (im Folgenden: Kläger), beschäftigt sich auf seiner Kanzleihomepage und in Veröffentlichungen in Zeitschriften mit politischen Themen. So verfasste er mit einem Co-Autor den Text "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", in dem es um die angeblich die Welt beherrschende Gruppe von "Kosmokraten" geht. Darin heißt es:

3

Bis heute sind es aber zumeist die superreichen Familien Englands, Frankreichs und Hollands - größtenteils khasarische, also nicht-semitische Juden -, die das Wirtschaftsgeschehen in der Welt bestimmen.

4

In einem weiteren Artikel mit dem Titel "Art. 146 GG - Die Mär der gesamtdeutschen Verfassung" befasst sich der Kläger mit dem "transitorischen Charakter" des Grundgesetzes. Dort heißt es:

5

Das Grundgesetz ist lediglich ein ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte.

6

In einem Diskussionsforum im Internet (www.antivegan.de/forum) setzte sich der Beschwerdeführer mit diesen Veröffentlichungen unter dem Pseudonym "pünktchen" unter einer Rubrik, die den Namen des Klägers nennt, auseinander und nannte sie "rechtslastigen Dreck". Nachdem der Kläger unter Androhung rechtlicher Schritte die Löschung dieser Formulierung gefordert hatte, äußerte sich der Beschwerdeführer in dem Forum wie folgt:

7

Wieso? Ich finde nun mal, dass Sie rechten Dreck verbreiten. Ich habe oben auch belegt, was ich damit konkret meine. …

8

Zu dem Artikel "Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung" schrieb der Beschwerdeführer in dem Forum:

9

Er liefert einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD, die endlich durch einen bioregionalistisch organisierten Volksstaat zu ersetzen sei.

10

Ein Unterlassungsbegehren wies der Beschwerdeführer zurück und führte in einem Schreiben an den Kläger aus:

11

Wer wie Sie meint, die Welt werde im Grunde von einer Gruppe khasarischer Juden beherrscht, welche im Verborgenen die Strippen ziehen, muss es sich gefallen lassen, rechtsradikal genannt zu werden.

12

Dieses Schreiben stellte der Beschwerdeführer einem begrenzten Kreis von Nutzern im Internet zur Verfügung. In diesen Kreis ist allerdings ein "Hacker" eingebrochen.

13

2. Das Landgericht verurteilte mit angegriffenem Urteil den Beschwerdeführer dazu, es zu unterlassen,

14

in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten oder die Behauptung verbreiten zu lassen, dass er rechtsextreme Beiträge verfasst, und/oder dass sich sein Denken vom klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild nicht wirklich unterscheidet, und/oder dass er es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden.

15

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die umstrittenen Äußerungen jeweils einen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellten. Die Behauptung, jemand verfasse rechtsextreme Beiträge, und damit sinngemäß die Unterstellung, jemand sei rechtsradikal, stelle nur dann keinen Eingriff dar, wenn sich diese Behauptung zutreffend beweisen lasse beziehungsweise unter dem Schutz des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG stehe. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

16

Da der Kläger sich nicht einer überlegenen Gruppe von Menschen zuordne und die Gruppe von Menschen mit großem wirtschaftlichem Einfluss nicht als minderwertige Gruppe bewerte, sei nicht erwiesen, dass die Beiträge rechtsextreme Beiträge seien. Die erforderliche Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Diese Ausführungen seien auch auf die zweite und dritte in Frage stehende Meinung des Beschwerdeführers zu übertragen.

17

3. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beschwerdeführers mit angegriffenem Urteil zurück. Es führt aus, dass es sich bei den beanstandeten Äußerungen um Meinungsäußerungen handele, weil es einer Wertung bedürfe, ob ein Text rechtsradikale Züge trage, beziehungsweise von einem rechtsextremen Gedankengut getragen sei. Eine solche Wertung sei einem Beweis nicht zugänglich. Grob gesagt sei die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung bei der sogenannten Schmähkritik erreicht. Hier handele es sich um Schmähkritik, weil der Beschwerdeführer den Kläger ohne jeden nachvollziehbaren Hintergrund aus völlig anderen Motiven als denen einer sachlichen Auseinandersetzung als rechtsradikal habe brandmarken wollen.

18

4. Mit angegriffenem Beschluss wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, dass die Gründe des Urteils die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht außer Acht ließen.

19

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit und einen Gehörsverstoß.

20

Der Kläger habe sich öffentlich zu wesentlich das Gemeinwohl betreffenden Fragen geäußert. Für die vom Beschwerdeführer daran geäußerte Kritik spreche eine Vermutung der Zulässigkeit. An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik seien strenge Maßstäbe anzulegen. Die inkriminierten Äußerungen hätten konkrete Bezugspunkte. Das Oberlandesgericht verkenne, dass es keines speziellen Anlasses bedürfe, sich zu öffentlich geäußerten Ansichten seinerseits kritisch zu äußern.

21

Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm auseinandergesetzt habe.

22

6. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert und hält sie für unzulässig und unbegründet. Die Bayerische Staatsregierung hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

23

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

24

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Urteile verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

25

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>). Meinungen sind dagegen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

26

Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>).

27

Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, denn es ist nicht durch eine Beweiserhebung festzustellen, wann ein Beitrag "rechtsextrem" ist, wann sich ein Denken vom "klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild" unterscheidet und wann man "es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden".

28

Das Urteil des Landgerichts ist fehlerhaft, weil es die erste Äußerung offenbar als erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung einordnet und somit aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Die dennoch durchgeführte Abwägung vermag den Fehler nicht zu heilen, weil sie wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt und das Landgericht deswegen den Einfluss des Grundrechts der Meinungsfreiheit nicht ausreichend beachtet hat (siehe unten, Ziff. 1b). Aus dem gleichen Grund greift die von dem Landgericht durchgeführte Abwägung auch hinsichtlich der beiden anderen beanstandeten Äußerungen zu kurz (siehe unten, Ziff. 1b).

29

Zunächst zutreffend qualifiziert demgegenüber das Oberlandesgericht alle drei Äußerungen als Meinungsäußerungen.

30

Fehlerhaft ist dann aber, dass das Oberlandesgericht die Äußerungen als Schmähkritik einstuft und damit ebenfalls aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen lässt. Verfassungsrechtlich ist die Schmähung eng definiert. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <284>). Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Alle Äußerungen haben einen Sachbezug. Die erste Äußerung bezieht sich auf den Text des Klägers "Die schleichende Revolution der Kosmokraten", die zweite Äußerung auf den Text "Art. 146 - Die Mär von der gesamtdeutschen Verfassung", und die dritte Äußerung stammt aus einem vorprozessualen Schriftsatz und bezieht sich auf den Unterlassungsanspruch.

31

b) Verfassungsrechtlich geboten war also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers.

32

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist nämlich nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der § 823 Abs.1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gehören.

33

Durch die Attribute "rechtsextrem" und "rechtsradikal" ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers berührt. Denn mit ihnen ist eine Prangerwirkung verbunden, die geeignet ist, das Ansehen einer Person - zumal als Rechtsanwalt - in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Sie kann zu einer einen Rechtsanwalt in seiner Existenz gefährdenden Bedrohung werden.

34

Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196>). Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).

35

In die Abwägung wird vorliegend einzustellen sein, dass der Kläger weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre betroffen ist, sondern allenfalls in seiner Sozialsphäre. Dagegen ist die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers im Kern betroffen, weil ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wurde. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325 <329>). Der Kläger hat seine Beiträge öffentlich zur Diskussion gestellt. Dann muss zur öffentlichen Meinungsbildung auch eine echte Diskussion möglich sein. Derjenige, der sich mit verschiedenen Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 54, 129 <138>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. April 1999 - 1 BvR 2126/93 -, NJW 1999, S. 2358). Gegen die Meinung des Beschwerdeführers könnte sich der Kläger im Meinungskampf seinerseits wieder öffentlich zur Wehr setzen.

36

2. Für einen Gehörsverstoß sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Diesbezüglich wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

37

3. Das besondere Gewicht der Grundrechtsverletzung ist durch die Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes indiziert (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

38

4. Die angegriffenen Urteile beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

39

5. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

40

6. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. April 2014 - 155 Ns 155/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. September 2014 - III-1 RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von Köln. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "Stinkefinger" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das Landgericht hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den Bundestagsabgeordneten und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des nationalsozialistischen Unrechtsstaates durch den Begriff "Obergauleiter der SA-Horden" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des Bundesverfassungsgerichts für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der SA-Horden" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des Bundestagsabgeordneten. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das Demonstrationsgeschehen eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den Bundestagsabgeordneten nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als nationalsozialistischer "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der SA-Horden" verweist das Landgericht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur Sturmabteilung (SA). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des Bundestagsabgeordneten gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

8

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts und den Beschluss des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

9

6. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

10

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

11

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

12

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

13

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

14

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

15

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

16

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

17

aa) Amtsgericht und Landgericht ordnen - vom Oberlandesgericht nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

18

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das Vorverhalten des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des nationalsozialistischen Unrechtsregimes liegt.

19

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

20

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.