Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Okt. 2017 - M 26 K 16.5928

bei uns veröffentlicht am27.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der vom Beklagten veranlassten „Sperrung“ seines ...-Accounts von der Nutzung der Kommentierungsfunktion auf den ...seiten „...“ und „Das Erste“.

Ende September 2016 wurde der Kläger unter Verweis auf mehrfache Verstöße gegen die sog. Netiquette durch den Beklagten von der Nutzung der Kommentarfunktion auf dem ...-Auftritt von „das Erste“ ausgeschlossen („gesperrt“). am … oder … November 2016 wurde er sodann auch von der Kommentierungsfunktion auf der ...-Seite von „...“ gesperrt.

Mit am 27. Dezember 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom … Dezember 2016 erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung hat er zuletzt beantragt,

die Sperrung seines ...-Accounts von der Kommentierungsfunktion auf allen ...-Seiten, für die der Beklagte verantwortlich zeichnet, aufzuheben.

Zur Begründung führte der Kläger an, dass der Beklagte insbesondere gegen die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz - GG - garantierte Meinungsfreiheit verstoße, indem er auf den o.g. ...auftritten unliebsame Meinungen bzw. Personen, die solche Meinungen äußern würden, sperre. Die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Behauptung, der Kläger hätte andere Personen beleidigt, sei unwahr. Er bestreite, die ihm vom Beklagten zugerechneten Aussagen getroffen zu haben. Auffällig sei, dass die Sperrung auf „...“, die im November erfolgt sei, mit angeblich von ihm stammenden Postings vom … September 2016 begründet würden. Die Kommentierung auf einem ...-Auftritt könne aber nicht zu einer Sperre auf einer anderen ...-Seite führen. Unabhängig davon würden vom Beklagten Äußerungen zitiert, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen seien und bei denen nicht ersichtlich sei, ob sie sich überhaupt gegen eine natürliche bzw. echte Person gerichtet hätten. Soweit sich diese Äußerungen gegen einen kriminellen Verein wie die Antifa oder gegen Profilbildlose bzw. mit Fakeprofilen ausgestattete Profile mit falschen Namen gerichtet hätten, sei nach allgemeiner Rechtsprechung der Straftatbestand der Beleidigung überhaupt nicht gegeben. Die von ihm angesprochenen Personen hätten zudem in der Regel ihrerseits vorher Beleidigungen gegen ihn geäußert; gegenseitige Beleidigungen seien aber gemäß § 199 StGB straffrei. Eine dauerhafte Sperre, überdies noch ohne Vorwarnung, sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der beantragten Verurteilung zur Aufhebung der Sperrung handele es sich um eine zivilrechtliche Frage, da sich das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen der ... Ireland Limited richte.

Davon abgesehen sei die Klage jedenfalls unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf die Freischaltung einer Kommentierungsfunktion bei ... sei aus keiner Rechtsmaterie zu rechtfertigen. Ein irgendwie gearteter öffentlich-rechtlicher Zulassungsanspruch zur Kommentarfunktion sei nicht ersichtlich. Der Kläger könne die Informationsangebote, für die der Beklagte verantwortlich zeichne und die im Rahmen des Auftrages nach § 11d RStV angeboten würden, uneingeschränkt nutzen.

Überdies sei der Ausschluss des Klägers von der Kommentarfunktion aber auch gerechtfertigt gewesen, weil der Kläger andere User beleidigt habe. Es sei dem Beklagten nicht zuzumuten, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlicht zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare zukünftig wieder vom Kläger gepostet werden. Die Verfehlungen seien so gravierend, dass die weitere Verfügbarmachung einer Kommentarfunktion unzumutbar wäre.

Mit Beschluss der Kammer vom 28. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom selben Tag lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab.

Am 18. Oktober 2017 fand mündliche Verhandlung statt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung zu gewähren ist, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, selbst wenn die Nutzung der Einrichtung - wie im vorliegenden Fall - privatrechtlich geregelt ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.5.1990 - 7 B 30/90 -, juris Rn. 4).

Bei den ...-Auftritten des Beklagten, auf denen dieser und andere, in der ARD zusammengeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Nachrichten und Informationen zu Sendungen bereitstellen und den Benutzern über die sog. Kommentarfunktion eine Plattform zur Diskussion hierüber zur Verfügung stellen, handelt es sich um öffentliche Einrichtungen im untechnischen Sinne (vgl. hierzu z.B. auch BVerwG, U.v. 19.2.2015 - 1 C 13/14), da sie die wesentlichen Charakteristika einer öffentlichen Einrichtung aufweisen. Sie weisen einen engen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des Beklagten auf (vgl. §§ 11, 11a Abs. 1 und 11d RStV) und dienen daher primär der Erfüllung der den Rundfunkanstalten im Rundfunkstaatsvertrag zugewiesenen Aufgaben. Die Informationen, aber auch die Kommentierungsfunktion als Diskussionsplattform, werden der Allgemeinheit der Rundfunkteilnehmer im Rahmen dieses Zwecks zur Verfügung gestellt, wobei der Beklagte mit der sog. „Netiquette“ eine Benutzungsordnung vorgibt. Darüber hinaus werden die von den Rundfunkanstalten für die Betreuung der ...-Auftritte eingesetzten, vor allem personellen Ressourcen zumindest teilweise aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeiträgen finanziert (vgl. § 13 Satz 1 RStV).

Damit handelt es sich bei der Frage, ob der Kläger zur Veröffentlichung von Kommentaren auf den ...-Auftritten des Beklagten zuzulassen ist, um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion auf den ...-Auftritten „das Erste“ und „...“, für die der Beklagte ausweislich des jeweiligen Impressums verantwortlich zeichnet, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der „Sperre“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog). Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Im Ausgangspunkt ist – anders als der Beklagte meint – allerdings festzustellen, dass die Benutzer der ...-Auftritte einen Anspruch auf gleichheitskonforme Zulassung zu der Kommentarfunktion haben. Eine öffentliche Stelle, die ein prinzipielles Zugangsrecht zu einer öffentlichen Einrichtung geschaffen hat, muss sich jedenfalls bei dessen Verwaltung an Art. 3 Abs. 1 GG (i. V. m. der Selbstbindung der Verwaltung) messen lassen. Entscheidet sich der Beklagte daher für eine grundsätzliche Freischaltung der Kommentierungsfunktion, darf er wegen des Charakters der ...-Auftritte als „quasi öffentliche Einrichtungen“ sowie wegen der ihm als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt zukommenden Grundrechtsbindung nicht einzelne Nutzer willkürlich hiervon ausschließen. Vielmehr muss ein solcher Ausschluss sachlich gerechtfertigt sein und darf nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Grundrechte, verstoßen (BVerwG, U.v. 19.2.2015, a.a.O., juris Rn. 28, 33). Hierauf kann das Handeln des Beklagten gerichtlich überprüft werden. Auch ein Verweis auf die sog. Netiquette allein vermag einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion daher nicht zu rechtfertigen. Die Netiquetten als Quasi-Nutzungsordnungen können insoweit nur Anhaltspunkt sein und müssen jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden.

Vorliegend ist der Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Grundrechte. Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch (vgl. § 1004 BGB analog, Art. 20 Abs. 3 GG) steht dem Kläger nicht zu. Denn es fehlt vorliegend an einer rechtswidrigen Handlung bzw. an einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Klägers.

Rechtsgrundlage für den vom Beklagten veranlassten Ausschluss des Klägers von der Kommentierungsfunktion ist das „virtuelle Hausrecht“ des Beklagten, der für die ...-Auftritte verantwortlich ist. Der Kläger kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, da der mit der Sperrung bewirkte Eingriff in dieses Grundrecht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt und damit sowohl die Rechte anderer User verletzt als auch den Diskussionsverlauf und damit den Zweck der öffentlichen Einrichtung, der in einem Meinungsaustausch über das Angebot des Beklagten und über Themen von öffentlichem Interesse besteht, nachhaltig gestört.

So gehen aus den im Rahmen der Klageerwiderung vorgelegten Auszügen bzw. Protokollen des ...auftritts des Beklagten unter anderem folgende Äußerungen hervor, die unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllen: am … September 2016 um 14:17 Uhr: „Mann bist du ein jämmerlicher Krawatten Lutscher. schaust scheiße aus, hast nen scheiß Namen und hast hier ja in Deutschland einfach nichts zu melden, also mach den Kopp zu Rabbi Groß-Fresse“.

Um 18.00 Uhr: „insofern passt das dumme Gesicht deines Profilbildes vollkommen zu deinem Geschwätz“.

um 18.19 Uhr an den User „A …“ gerichtet: „Geh deine roten Kumpels in den grünen Popo vögeln du Schwachmat“.

Um 18.27 Uhr: „An den sich hier tummelnden Antifa-Abschaum. Eure Tage der jämmerlichen und kriminellen Existenz sind gezählt!“.

Um 21.51 Uhr: „Euch Kasper nehme ich nur einfach nicht für voll! Ihr habt keine Meinung, ihr seid linker Abschaum“.

Diese Beleidigungen setzten sich auch nach der Ende September 2016 veranlassten Sperre auf dem ...-Auftritt „das Erste“ auf der Seite „...“ fort. Laut den in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Protokollen der Seite „...“ bezeichnete der Kläger am … Oktober 2016 seine Vorposter als „Vollpfosten“, „linke Kasper“ und als „jämmerlich“. Einen konkreten User bezeichnete er als „armen verstrahlten Systemling“ (ebenfalls … Oktober 2016) sowie einen anderen User wiederum als „Vollpfosten“ und „Deppen“ (** Oktober, 13:08 Uhr).

Mit einigen dieser Äußerungen hat der Kläger die Grenze von der (noch) erlaubten, pointierten, polemischen bzw. überspitzten Kritik zur Formalbeleidigung und Schmähkritik mehrfach überschritten. Zwar schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Gerade Kritik darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen (vgl. BVerfG, B.v. 26. Juni 1990, 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272 <283 f>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfG, a.a.O., BVerfGE 82, 43 <51>). Hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik sind allerdings strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 29.6.2016 - 1 BvR 2646/15-juris). Auch diesen strengen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts folgend handelt es sich bei den Äußerungen des Klägers nach Auffassung des Gerichts um Formalbeleidigungen und Schmähkritik, weil nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund stand, sondern ausschließlich auf die Herabsetzung der persönlichen Ehre gezielt wurde. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger aus Sicht des Gerichts von vornherein kein schützenswertes Recht an der Verbreitung derartiger Äußerungen.

Aber auch eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung der betroffenen User und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Diskussionsablaufs auf der ...-Plattform einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit für den Kläger andererseits kommt zu dem Ergebnis, dass das Recht auf Meinungsfreiheit vorliegend zurücktreten muss. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Klägers im Rahmen von Diskussionen über die „Flüchtlingskrise“ gefallen sind, die zum damaligen Zeitpunkt eine die Öffentlichkeit stark berührende und sehr kontrovers diskutierte Thematik darstellte. Zudem ging einigen der Äußerungen überspitzte Kritik am Kläger selbst voraus, die im Einzelfall ihrerseits beleidigenden Charakter gehabt haben mag (so bezeichnete ein User den Kläger zum Beispiel am … Oktober 2016 als „gutes Beispiel dafür, was bei den Faschisten und Wutbürgern schief läuft“, und ein anderer User bezeichnete ihn implizit als „der braunen Suppe“ zugehörig). Auf der anderen Seite ist zu sehen, dass die Verärgerung über als falsch angesehene politische Meinungen zu einer öffentlich diskutierten Frage und auch die (unberechtigte) Einordnung in das rechte politische Spektrum durch andere derartige Äußerungen, die jeder Sachlichkeit entbehren und allein auf die Herabsetzung der Betroffenen in ihrer persönlichen Ehre abzielen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch muss berücksichtigt werden, dass es sich nicht etwa um ein paar „Ausrutscher“, sondern um mehrfache Beleidigungen handelte, die geeignet waren, eine weitere sachliche Diskussion zu verhindern bzw. andere User, die grundsätzlich an einer solchen interessiert gewesen sein mögen, fernzuhalten.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Adressaten der beleidigenden Äußerungen auf ... mit ihrem echten Namen oder unter einem Pseudonym aufgetreten sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Betreffenden Strafantrag gestellt haben.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass diese Äußerungen tatsächlich unter dem ...profil des Klägers getätigt wurden und vom Kläger stammen. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägers ist unsubstantiiert und widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zum anderen findet sich bei den jeweiligen Postings der Name des Klägers, und das Profil ist mit einem „gesperrt-Symbol“ gekennzeichnet. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass der Beklagte gerade dieses ...profil von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen hat und dass dieses dem Kläger gehört.

Ebenso wenig kommt es angesichts der Vielzahl der vom Kläger getätigten beleidigenden Äußerungen darauf an, dass einzelnen von diesen möglicherweise eine Beleidigung durch andere User vorausgegangen sein mag. Der diesbezügliche Einwand des Klägers blieb schon weitgehend unsubstantiiert, da nicht dargelegt wird, welchen der vom Beklagten zitierten Äußerungen eine Beleidigung welchen Inhalts vorausgegangen sein soll. Zumindest bei mehrfachen beleidigenden Äußerungen desselben Users ist es dem Beklagten als Betreiber eines ...-Auftritts aber auch nicht zuzumuten, sich jeweils den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz all dieser Aussagen abschließend zu bewerten. Vielmehr ist der Betreiber bei solch nachhaltig beleidigendem Verhalten nicht verpflichtet, weitere Äußerungen der betreffenden User auf seiner Seite zu dulden. Festzustellen ist schließlich, dass nach der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 199 StGB auch bei wechselseitigen (Formal) Beleidigungen Tatbestandsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Schuld nicht entfallen (vgl. Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 199 Rn. 10). Auch im Licht des Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt nicht schlechthin eine Beleidigung die andere (OLG Köln, B.v. 31.8.1976 - Ss 391/76).

Die am … Oder … November 2016 veranlasste Sperrung auf „...“ ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil die letzten vom Beklagten angeführten beleidigenden Äußerungen vom … Oktober 2016 stammen. Zum einen besteht auch gut einen Monat nach Tätigen mehrfacher beleidigender Äußerungen bei fehlender Distanzierung hiervon noch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang und berechtigter Anlass zu der Befürchtung, der Betreffende werde sich auch künftig derartiger Äußerungen nicht enthalten. Hierbei durfte der Beklagte, der ausweislich des jeweiligen Impressums sowohl für die Seite „das Erste“ als auch für „...“ verantwortlich zeichnet, auch die Postings und die bereits verhängte Sperre auf „das Erste“ in die Beurteilung mit einbeziehen. Bei verständiger Würdigung ist die Einschätzung des Beklagten, dass angesichts der erneuten Äußerungen des Klägers mit beleidigendem Inhalt vom … Oktober 2016, zu denen es trotz der bereits verhängten Sperre auf „das Erste“ gekommen war, weitere Beleidigungen seitens des Klägers zu befürchten standen, nicht zu beanstanden. Zum anderen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage für die vorliegende Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts; in diesem Zeitpunkt erweist sich die Sperre insbesondere angesichts der mangelnden Distanzierung des Klägers von diesen Äußerungen aber nicht als unverhältnismäßig (vgl. sogleich noch unten). Auf das Vorbringen des Klägers, der eigentliche Anlass der Sperre auf „...“ sei eine Äußerung gewesen, mit der er den Umgang des Beklagten mit der Meinungsfreiheit kritisiert und gemutmaßt habe, dass es damit schnell vorbei wäre, wenn sich ein Mitarbeiter des Beklagten als Sympathisant der NPD zu erkennen gäbe, kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht an. Dennoch sei angemerkt, dass dies einen Ausschluss von der Kommentierungsfunktion nicht rechtfertigen würde; derartige, auch überspitzte und polemische Kritik an sich selbst als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt muss der Beklagte aushalten.

Die Sperrung erweist sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger mehrfach durch Äußerungen mit beleidigendem Inhalt aufgefallen ist und sich nicht etwa lediglich „einmal im Ton vergriffen“ hat, auch nicht als unverhältnismäßig. Sie war und ist zur Abwehr künftiger Verstöße gegen Rechte Dritter und zur Gewährleistung eines störungsfreien sachlichen Diskussionsablaufs auf den ...-Plattformen erforderlich. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vermag das Gericht noch nicht zu erkennen, dass sich der Kläger glaubhaft von seinen Äußerungen distanziert hätte. Vielmehr verhält er sich widersprüchlich, wenn er zum einen bestreitet, die fraglichen Äußerungen überhaupt getätigt zu haben, zugleich aber behauptet, diesen seien jeweils Beleidigungen seitens der Adressaten vorausgegangen. Zudem stellt der Kläger weiterhin in Abrede, dass es sich bei den Aussagen um Beleidigungen gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund war und ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts eine Wiederholung zu befürchten.

Auch hat der Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift selbst Äußerungen des Beklagten aus der Seitenmoderation vorgelegt, in denen der Beklagte deutlich macht, dass es sich keineswegs um eine „lebenslange Sperre“ handeln müsse, sondern der Kläger eingeladen sei, sich mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, um das ganze „aus der Welt zu schaffen“.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 40


(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung


Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

Strafgesetzbuch - StGB | § 199 Wechselseitig begangene Beleidigungen


Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, so kann der Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Okt. 2017 - M 26 K 16.5928 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15

bei uns veröffentlicht am 29.06.2016

Tenor 1. Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2015 - (569) 83 Js 445/10 Ns (126/13) - und der Beschluss des Kammergerichts vom 21. September 2015 - (3) 121 Ss 71/15 (96/15) - verletzen

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 19. Feb. 2015 - 1 C 13/14

bei uns veröffentlicht am 19.02.2015

Tatbestand 1 Die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, begehrt die Löschung einer Suchmeldung für ein Gemälde aus der im Internet unter www.lostart.de geführten Datenbank.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Okt. 2017 - M 26 K 16.5928.

Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 13. Apr. 2018 - 4 K 762/17.MZ

bei uns veröffentlicht am 13.04.2018

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Sperrung auf den Facebook-Accounts von „ZDF

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Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, so kann der Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, begehrt die Löschung einer Suchmeldung für ein Gemälde aus der im Internet unter www.lostart.de geführten Datenbank. Diese Datenbank enthält u.a. Such- und Fundmeldungen zu Kulturgütern, die jüdischen Eigentümern infolge des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die auf Grund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann. Sie wurde auf der Grundlage einer Bund-Länder-Vereinbarung von der Koordinierungsstelle Magdeburg, einer unselbständigen Arbeitsgruppe beim Kultusministerium des beklagten Landes, aufgebaut.

2

Für das Gemälde ging bei der Koordinierungsstelle 2005 im Auftrag der Erbengemeinschaft nach Rosa und Jakob O. eine Suchmeldung ein, die damit begründet wurde, dass den jüdischen Eheleuten O. 1929 sämtliche Gesellschaftsanteile an der Klägerin vermacht worden seien. Letzterer sei das Bild 1935 durch Versteigerung NS-verfolgungsbedingt entzogen worden. Eine weitere Suchmeldung erfolgte 2009 durch - inzwischen verstorbene und von den jetzigen Beigeladenen beerbte - Mitglieder von Erbengemeinschaften, die die jüdischen Gesellschafter des ehemaligen Bankhauses J. & S. beerbt haben. Sie wurde damit begründet, dass das Gemälde 1933 dem Bankhaus sicherungsübereignet worden sei; 1935 sei es vom Bankhaus ersteigert worden und seinen jüdischen Gesellschaftern 1938 im Zuge der sog. "Arisierung" des Bankhauses abhandengekommen. Wegen der konkurrierenden Suchmeldungen ist das Gemälde im Internet ohne Nennung von Namen veröffentlicht.

3

Das Gemälde wurde inzwischen in Namibia gefunden. Anfang 2010 einigten sich der Besitzer des Gemäldes, die Klägerin und die Mitglieder der Erbengemeinschaft O., das Bild im Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam zu versteigern und den Erlös hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. zu teilen. Die Versteigerung scheiterte, nachdem die Koordinierungsstelle eine Löschung der Suchmeldung ohne Zustimmung der Zweitanmelder ablehnte.

4

Mit Urteil vom 17. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, den Sucheintrag für das Gemälde in der Lost Art Internet-Datenbank zu löschen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23. Oktober 2013 die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Beklagten auf Löschung der Suchmeldung habe. Die Rechtmäßigkeit der Eintragung beurteile sich nach den für den Bereich der staatlichen - nicht regelnden - Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben. Offenbleiben könne, ob der Betrieb der Datenbank danach einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung sei jedenfalls wegen Zweckerfüllung rechtswidrig. Aus den der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegenden Unterlagen ergebe sich, dass sich die Funktion der Datenbank auf die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen beschränke, die von der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung des Bundes und der Länder von 1999 erfasste Kulturgüter beträfen. Dieser Zweck sei mit dem Auffinden des Bildes erfüllt. Eine weiterreichende anspruchssichernde Funktion komme der Datenbank nicht zu. Die Aufrechterhaltung der Eintragung verletze die Klägerin in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. Der in der Suchliste dokumentierte Raubkunstverdacht führe zu einem merkantilen Minderwert und im Einzelfall zur zeitweiligen Unveräußerlichkeit. Diese Beschränkung sei nur so lange zu dulden, wie es der Zweck der Suchliste, nämlich die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst, erfordere.

5

Während des Revisionsverfahrens haben Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände mit Wirkung vom 1. Januar 2015 die Stiftung "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste" in der Form einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet, die (u.a.) die Aufgaben der Koordinierungsstelle fortführt.

6

Der Beklagte macht mit seiner Revision geltend, es fehle an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit und am Rechtsschutzinteresse. Zumindest sei die Klage mit Gründung der Stiftung unzulässig geworden. Der Klägerin stehe der geltend gemachte und dem revisiblen Recht zuzurechnende öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu. Die Suchmeldung verletze sie nicht in ihren Rechten. Als Maßstab komme nur Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht. Nach den für den Bereich der staatlichen, nicht regelnden Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben fehle es aber an einem Eingriff. Der Informationsauftrag sei mit dem Auffinden des Gemäldes und der Verwertungsvereinbarung noch nicht beendet.

7

Die Beigeladenen machen mit ihren Revisionen geltend, die Nachtragsliquidatorin sei nicht prozessführungsbefugt, auch fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Weder die Errichtung der Datenbank noch die streitgegenständliche Veröffentlichung bedürften einer gesetzlichen Grundlage. Die Suchmeldung verletze die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Der Zweck der Datenbank erfasse auch die Dokumentation von Raubkunstverdachtsfällen im Allgemeininteresse, im Interesse von Personen, die berechtigte Wiedergutmachungsinteressen verfolgten, und im Interesse des lauteren Wettbewerbs.

8

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Ergänzend macht sie geltend, der zugesprochene Folgenbeseitigungsanspruch sei nicht revisibel und zu Recht bejaht worden. Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen komme der Suchmeldung erhebliche Bedeutung für die Verkehrsfähigkeit des Gemäldes zu und beschränke sich der Zweck der Datenbank auf die Unterstützung bei der Suche verschollener Raubkunst. Die Aufrechterhaltung der Meldung sei wegen ihrer Grundrechtsrelevanz nicht mehr gerechtfertigt. Außerdem fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Berufungsgericht hat ihre Berufungen unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zurückgewiesen. Zwar ist es im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit der Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte obliegt (1.). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig (2.). Sie ist aber unbegründet (3.). Das Berufungsgericht hat einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch mit einer Begründung bejaht, die mit revisiblem Recht nicht zu vereinbaren ist. Seine Annahme, der Zweck der von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen mitveranlassten Suchmeldung sei mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und ist unzutreffend (3.1). Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht aus anderen Gründen (objektiv) rechtswidrig (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

10

Die Klage richtet sich weiterhin gegen das beklagte Land. Dass die Aufgaben der Koordinierungsstelle inzwischen von einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt werden, hat keinen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beklagtenseite zur Folge. Soweit in verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch in Fällen eines behördlichen Zuständigkeitswechsels (BVerwG, Urteile vom 2. November 1973 - 4 C 55.70 - BVerwGE 44, 148 <150> und vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224>) oder einer sondergesetzlich angeordneten Funktionsnachfolge (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1989 - 5 C 33.88 - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 12) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Parteiwechsel angenommen wird, beruht dies auf der Exklusivität gesetzlich geregelter Zuständigkeitszuweisungen. Hiermit ist die Übertragung der Aufgaben der Koordinierungsstelle auf eine private Stiftung nicht vergleichbar. Sie ähnelt mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage einer gewillkürten Rechtsnachfolge, die nicht kraft Gesetzes zu einer Veränderung in der Zusammensetzung des Kreises der Prozessbeteiligten führt.

11

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (1.1) und der Streit der gerichtlichen Kontrolle nicht generell entzogen (1.2).

12

1.1 Hinsichtlich der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nach § 17a Abs. 5 GVG nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Dieses Überprüfungsverbot gilt allerdings nicht, wenn das Gericht erster Instanz entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz Rüge nicht vorab durch Beschluss entschieden hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 7 B 198.93 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268; BGH, Beschluss vom 23. September 1992 - I ZB 3/92 - BGHZ 119, 246 <250>; BAG, Urteil vom 21. August 1996 - 5 AZR 1011/94 - NJW 1997, 1025; BFH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - X B 216/13 - BFH/NV 2014, 1888).

13

In Anwendung dieser Bestimmung war dem Berufungsgericht eine Überprüfung des Rechtswegs verwehrt. Seine gegenteilige Auffassung beruht auf der aktenwidrigen Annahme, das Verwaltungsgericht habe trotz erstinstanzlicher Rüge den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten erst im Urteil bejaht. Ausweislich der Gerichtsakten hat der Beklagte erstmals mit der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung geltend gemacht, dass es an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit fehle; zuvor hat er lediglich gerügt, dass der Rechtsträger der Koordinierungsstelle nicht der richtige Beklagte sei, die Klägerin vielmehr gegen die Erben des Bankhauses (auf dem Zivilrechtsweg) vorgehen müsse. An die gegenteilige - den tatrichterlichen Feststellungen zuzuordnende - Behauptung des Berufungsgerichts ist der Senat nicht gebunden. Denn Prozesstatsachen, d.h. die tatsächlichen Grundlagen für die von Amts wegen auch vom Revisionsgericht zu prüfende Zuständigkeit und die Sachentscheidungsvoraussetzungen, zählen nicht zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 46 m.w.N.). Auf diesem Fehler beruht die angegriffene Entscheidung aber nicht, da das Berufungsgericht die Rechtswegfrage nicht anders beurteilt hat als das Verwaltungsgericht und auch in der Sache zutreffend den Verwaltungsrechtsweg als gegeben gesehen hat.

14

1.2 Die begehrte Löschung ist nicht auf einen gerichts- bzw. justizfreien Hoheitsakt gerichtet, der einer gerichtlichen Kontrolle generell entzogen ist. Eine Prüfung dieser Frage unterfällt nicht dem Verbot des § 17a Abs. 5 GVG, da es nicht darum geht, welches Gericht zuständig ist, sondern ob der Streit jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen ist.

15

Als Teil der Exekutive ist die Koordinierungsstelle - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) und ihr Handeln unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Danach hat der Bürger einen Anspruch auf einen möglichst wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, soweit diese in seine Rechte eingreifen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR 2236/04 - BVerfGE 113, 273 <310> m.w.N.). Das Grundgesetz kennt - von engen Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und Art. 44 Abs. 4 GG) - grundsätzlich keine staatlichen Akte, die dieser gerichtlichen Kontrolle generell entzogen sind. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist damit auch gegen staatsleitende Akte Rechtsschutz zu gewähren, wenn und soweit sie subjektiv-öffentliche Rechte Einzelner tangieren; eine andere Frage ist die nach der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Überprüfung solcher Akte.

16

Gegenteiliges ergibt sich hier weder aus der Art der von der Koordinierungsstelle ausgeübten Tätigkeit noch aus ihrer inneren Struktur. In der Lost Art Internet-Datenbank werden Such- und Fundmeldungen Dritter dokumentiert. Auch wenn für deren Richtigkeit keine Gewähr übernommen wird, entscheidet über die Eintragung und Löschung einer Meldung allein der Betreiber der Datenbank nach einer eigenen Plausibilitätsprüfung (vgl. Grundsätze der Koordinierungsstelle zur Eintragung und zur Löschung von Meldungen zu Kulturgütern, veröffentlicht unter: http://www.lostart.de/Content/04_Datenbank/DE/Grundsätze-Checkliste_DL.pdf?__blob=publicationFile). Dass die Arbeit der Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung über die Koordinierungsstelle vom 15. September 2009 von einem Fachbeirat begleitet wird, alle Grundsatzentscheidungen von einem Kuratorium getroffen werden und die Koordinierungsstelle intern an die Beschlüsse dieser beiden Gremien gebunden ist, trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass es sich um eine von mehreren Trägern staatlicher Gewalt finanzierte Einrichtung handelt, deren Tätigkeit zudem nicht auf konkreten gesetzlichen Vorgaben beruht.

17

2. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die für die Klägerin handelnde Nachtragsliquidatorin zur Führung des Prozesses befugt (2.1) und fehlt der Klägerin nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (2.2).

18

2.1 Das Löschungsbegehren ist von der Vertretungsmacht der Nachtragsliquidatorin gedeckt. Nach dem Bestellungsbeschluss umfasst ihr Wirkungskreis die Vertretung und die Wahrnehmung der Rechte der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen. Dabei ist der Begriff "vermögensrechtlich" schon dem Wortlaut nach nicht auf Streitigkeiten nach dem Vermögensgesetz bezogen. Er ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte weit zu verstehen und umfasst in Abgrenzung zu den (nicht vermögensrechtlichen) Personen- und Familienrechten nicht nur Ansprüche, die aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden, sondern auch Ansprüche aus nicht vermögensrechtlichen Rechtsverhältnissen, wenn sie unmittelbar auf eine vermögenswerte Leistung gerichtet sind oder ihre Verfolgung in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dient, ohne dass sich dies in einer bloßen Reflexwirkung erschöpft (Toussaint, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1. Januar 2015, § 20 ZPO Rn. 1 m.w.N. aus der Rspr des BGH).

19

Vorliegend macht die Klägerin geltend, dass sie weiterhin Eigentümerin des Gemäldes sei und die Suchmeldung einer Verwertung entgegenstehe. Zwar soll nach der von der Klägerin eingegangenen Vereinbarung vom Januar 2010 der Erlös nach einer Versteigerung hälftig zwischen dem Besitzer und der Erbengemeinschaft O. (unter Ausschluss der Klägerin) aufgeteilt werden. Diese Einigung bezog sich aber auf eine Versteigerung des Bildes bei der Altmeister-Auktion vom 18. Mai 2010 bei Sotheby‘s in Amsterdam, zu der es nicht gekommen ist. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die Vereinbarung damit insgesamt hinfällig geworden ist oder ob die Vertragsparteien weiterhin zu einer Veräußerung und Aufteilung des dabei erzielten Erlöses nach dem vereinbarten Verteilungsschlüssel verpflichtet sind. Schon angesichts der weiterhin ungeklärten Eigentumsverhältnisse und der rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich des Umfangs der von der Klägerin eingegangenen vertraglichen Verpflichtung kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Löschung nur (noch) der Wahrung wirtschaftlicher Interessen ihrer Gesellschafter und nicht auch ihrem Eigeninteresse dienen würde.

20

2.2 Es fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Danach darf das Gericht die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 40 Rn. 11 ff. m.w.N.).

21

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Vorgehen der Klägerin gegen die Beigeladenen auf dem Zivilrechtsweg angesichts der mit der Eigentumsfrage verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten keine eindeutig vorzugswürdige Alternative darstellen würde. Zudem wäre ein solcher Rechtsstreit nicht notwendigerweise vor einem deutschen Gericht auszutragen. Nach den von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen begründet aber nur eine inländische Gerichtsentscheidung einen Löschungsanspruch.

22

Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die begehrte Löschung der Klägerin einen rechtlich anerkennenswerten Vorteil brächte. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt richtet, die Datenbank seit Anfang 2015 aber nicht mehr von der beim dortigen Kultusministerium angesiedelten Koordinierungsstelle, sondern von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts betrieben wird. Dadurch kann das auf einen Realakt gerichtete Begehren inzwischen zwar nur noch von der Stiftung erfüllt werden. Die Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils erstreckt sich nach § 121 VwGO aber auch auf die Rechtsnachfolger der Beteiligten. Hierdurch wird in zeitlicher Hinsicht auch gebunden, wer schon vor Eintritt der Rechtskraft, aber nach Rechtshängigkeit in das streitbefangene Recht nachfolgt (§ 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 1 ZPO). Folglich könnte ein stattgebendes Urteil nach Titelumschreibung gegenüber der Stiftung vollstreckt werden. Die Vereinbarung vom Januar 2010 lässt das Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht entfallen, nachdem der darin vereinbarte Versteigerungstermin fehlgeschlagen und offen ist, welche Rechtsbindungen sich hieraus für die Klägerin ergeben. Der Einwand der Beigeladenen, dass durch eine Löschung der bestehende Raubkunstverdacht nicht entfallen würde, ändert ebenfalls nichts daran, dass die Klägerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Löschung der ihrer Auffassung nach rechtswidrigen und einer Veräußerung entgegenstehenden Eintragung hat.

23

3. Die Klage ist aber unbegründet. Maßgeblich für die Beurteilung der Begründetheit der erhobenen Leistungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Damit ist auch insoweit unerheblich, dass die Datenbank inzwischen von einer Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt wird. Zwar sind Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>). Die Gründung einer Stiftung des bürgerlichen Rechts zur Fortführung der von der Koordinierungsstelle wahrgenommenen Aufgaben und der aufgebauten Datenbank stellt aber eine geänderte Tatsache und keine Änderung der für die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruchs maßgeblichen rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe dar.

24

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass als Anspruchsgrundlage für das Löschungsbegehren nur ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht kommt. Dieser Anspruch entsteht, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt vorzeitig vollzogen wurde; er gilt bei rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Gerichtet ist der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands; zu beseitigen sind alle der handelnden Behörde zuzurechnenden rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen (BVerwG, Urteile vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58, vom 19. Juli 1984 - 3 C 81.82 - BVerwGE 69, 366 <370 ff.> und vom 23. Mai 1989 - 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <95> m.w.N.).

25

Einer revisionsgerichtlichen Überprüfung des vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Koordinierungsstelle als Teil einer Landesbehörde grundsätzlich Landesrecht vollzieht. Da es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um einen auch aus dem Grundgesetz - insbesondere aus den jeweils berührten Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip - abgeleiteten Rechtssatz handelt, ist die Folgenbeseitigung als Grundsatz und Anspruch Bestandteil des Bundesrechts und damit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisibel (BVerwG, Urteil vom 25. August 1971 - 4 C 23.69 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 58).

26

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines auf Löschung der Suchmeldung gerichteten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs nicht vor. Das Aufrechthalten der Suchmeldung durch die Koordinierungsstelle ist zwar als öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln anzusehen (3.1). Es hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge (3.2). Damit fehlt es zugleich an einer Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten (3.3).

27

3.1 Die Eintragung und Löschung von Meldungen zu Kulturgütern auf der Internetseite www.lostart.de durch die Koordinierungsstelle Magdeburg ist Teil des staatlichen Informationshandelns im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Unerheblich ist, dass für die inhaltliche Richtigkeit der von dritter Seite übermittelten Such- und Fundmeldungen keine Verantwortung übernommen wird. Denn Eintragungen erfolgen ausschließlich nach eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen. Danach findet vor der Einstellung einer Meldung eine Plausibilitätsprüfung statt, die insbesondere die Angaben des Melders zum Objekt, zur Verlustgeschichte und zu seiner Person umfasst. Die Behandlung konkurrierender Meldungen und die Löschung von Meldungen unterliegen ebenfalls eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Regeln. Damit handelt es sich bei der Lost Art Internet-Datenbank nicht lediglich um eine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattform, für deren Inhalt keinerlei staatliche Verantwortung übernommen wird.

28

3.2 Das Nichtlöschen der Suchmeldung hat aber keinen rechtswidrigen Zustand zur Folge. Bei der von der Koordinierungsstelle betriebenen Internet-Datenbank handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung im untechnischen Sinne, die der Allgemeinheit im Rahmen ihres Widmungszwecks zur Verfügung steht. Das Handeln der Koordinierungsstelle kann daher gerichtlich nur darauf überprüft werden, ob es sich im Rahmen dieses Widmungszwecks hält (a) und mit höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu vereinbaren ist (b).

29

a) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung hält sich im Rahmen des Widmungszwecks der Datenbank. Danach ist der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erreicht, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts, der Zweck der Suchliste bestehe allein darin, Betroffene bei der Suche nach verschollener Raubkunst zu unterstützen, beruht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage und genügt damit nicht den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, bei seiner freien Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Es darf also nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht in Erwägung zieht. Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts und zugleich für die Überprüfung seiner Entscheidung daraufhin, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist. Ob das Gericht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage entschieden hat, ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung (BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <210 ff.> m.w.N.).

30

Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass mangels einfachgesetzlicher Vorgaben zur Bestimmung des Zwecks der in der Datenbank enthaltenen Suchliste die vom Träger bzw. den Trägern der Einrichtung hierzu abgegebenen Willenserklärungen heranzuziehen sind (UA S. 16). In diesem Zusammenhang verweist es u.a. auf die der Errichtung der Koordinierungsstelle zugrunde liegende Bund-Länder-Vereinbarung vom 15. September 2009, die ihrerseits Bezug nimmt auf die auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust vom 3. Dezember 1998 aufgestellten "Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden" (Washingtoner Grundsätze). Den von ihm herangezogenen Unterlagen entnimmt das Berufungsgericht ohne nähere Darlegung, dass der Zweck der Suchmeldung mit dem Auffinden des Gemäldes erfüllt sei (UA S. 18). Dabei übersieht es, dass es für den Widmungszweck nicht nur auf die von den Trägern bei Errichtung der Koordinierungsstelle abgegebenen Erklärungen ankommt. Denn der Widmungszweck kann auch durch nachträgliche Willensbekundungen weiter ausgestaltet werden. Das Berufungsgericht hätte bei der Zweckbestimmung daher auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze über die Eintragung und Löschung von Meldungen miteinbeziehen müssen.

31

Da der Inhalt der für die Zweckbestimmung maßgeblichen Willensbekundungen hier unstreitig ist, können diese vom Senat selbst ausgelegt und bewertet werden, ohne dass es einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung bedarf. Eine am wirklichen Willen (vgl. § 133 BGB) orientierte Auslegung ergibt, dass der Zweck einer wegen Raubkunstverdachts aufgenommenen Suchmeldung nicht schon mit dem Auffinden des gesuchten Kulturguts erfüllt ist. Nach der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009 zählt zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle u.a. die Dokumentation von Such- und Fundmeldungen des In- und Auslandes zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern zur Präsentation in www.lostart.de. Eine Beschränkung der Veröffentlichung von Suchmeldungen auf Kulturgüter, deren Aufenthaltsort dem Suchenden unbekannt ist, ist dem nicht zu entnehmen. Sie wäre auch nicht mit der in der Präambel ausdrücklich hervorgehobenen historischen Verantwortung in Form der Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen von 1998 zu vereinbaren. Danach sollen Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurden, nicht nur identifiziert werden (Ziff. 1), vielmehr sollen die Vorkriegseigentümer und ihre Erben auch zum "Anmelden ihrer Ansprüche ermutigt" (Ziff. 7) und beim "Finden einer gerechten und fairen Lösung unterstützt" werden (Ziff. 8). Dem widerspräche es, Suchmeldungen nach dem Auffinden eines Werkes zu löschen, bevor es zwischen dem Besitzer und - möglicherweise konkurrierenden - Vorkriegseigentümern und ihren Erben zu einer Einigung über das weitere Schicksal des Werkes oder zumindest einer verbindlichen Klärung der Eigentumsfrage gekommen ist. Dies bestätigen auch die von der Koordinierungsstelle mit Zustimmung ihrer Träger aufgestellten Grundsätze zur Eintragung und Löschung von Meldungen, die den Widmungszweck der Datenbank weiter ausgestalten. Danach ist für eine Löschung erforderlich, dass der Melder hierzu auffordert, die Plausibilität einer Meldung grundlegend erschüttert ist oder ein Dritter nach Feststellung seines Eigentums durch rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts eine Löschung wünscht. Dieser Ausgestaltung der Gründe für die Löschung einer Meldung ist ebenfalls zu entnehmen, dass der Zweck nicht schon mit dem Auffinden eines gesuchten Gegenstands erreicht ist, wenn über dessen endgültiges Schicksal noch keine Klarheit besteht. Ob die Datenbank darüber hinaus noch weitergehenden Zwecken dient, bedarf keiner Entscheidung.

32

Besteht der Zweck der Suchliste nicht allein im Aufsuchen NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, sondern soll durch die Veröffentlichung einer Suchmeldung auch eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten gefördert werden, ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der Zweck der streitgegenständlichen Suchmeldung hier noch nicht erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beigeladenen hinreichend Gelegenheit zur Sicherung etwaiger Ansprüche hatten. Zweckerreichung ist auch nicht mit der zwischen dem Besitzer, der Klägerin und den Mitglieder der Erbengemeinschaft O. geschlossenen Verwertungsvereinbarung eingetreten, da diese ohne Mitwirkung der Beigeladenen zustande gekommen ist. Unerheblich ist auch, ob die Beigeladenen - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - möglicherweise nur Zweitgeschädigte sind, denn der Zweck der Datenbank besteht in der Dokumentation und nicht in der rechtlichen Bewertung NS-verfolgungsbedingter Verluste.

33

b) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Mangels einfachgesetzlicher Vorgaben ist hier insbesondere ein Verstoß gegen die Grundrechte zu prüfen.

34

Als möglicherweise betroffene Grundrechte kommen - mit Blick auf die mit einer Suchmeldung verbundenen tatsächlichen Absatzschwierigkeiten - nur die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Art. 14 Abs. 1 GG scheidet schon deshalb aus, weil der Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie durch die Veröffentlichung nicht berührt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <277 f.>). Gleiches gilt für das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <41 ff.>), da die Koordinierungsstelle im vorliegenden Fall wegen der konkurrierenden Meldungen keine personenbezogenen Daten veröffentlicht hat. Ob in Bezug auf die Klägerin Art. 2 Abs. 1 GG oder aber Art. 12 Abs. 1 GG als speziellere Norm heranzuziehen ist, bedarf keiner Entscheidung, da die Aufrechterhaltung der Suchmeldung für die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig Betroffenen weder nach der einen noch nach der anderen Norm zu einem - dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegenden - Grundrechtseingriff führt.

35

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht die vom Bundesverfassungsgericht für Grundrechtsverletzungen durch staatliches Informationshandeln entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind. Danach ist nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als ein Grundrechtseingriff zu bewerten (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <76>). Auch wenn Grundrechtsbeeinträchtigungen durch staatliches Informationshandeln nicht die Voraussetzungen eines Eingriffs im klassischen Sinne erfüllen, weil sie insbesondere nicht auf einer unmittelbaren Regelungswirkung beruhen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 - NJW 2011, 511 <512>), kann staatliches Informationshandeln aber zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 12. August 2002 - 1 BvR 1044/93 - NVwZ-RR 2002, 801 und vom 16. August 2001 - 1 BvR 1241/97 - NJW 2002, 3458 <3459>). Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen aber nicht den Gewährleistungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, sofern der Einfluss auf wettbewerbsrechtliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Danach setzt die Verbreitung staatlicher Informationen eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der Zuständigkeitsgrenzen voraus. Außerdem sind die Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit der Information zu beachten, und die staatliche Informationstätigkeit darf in ihrer Zielsetzung und in ihren Wirkungen kein Ersatz für eine staatliche Maßnahme sein, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.>). Auch im nichtwirtschaftlichen Bereich besteht eine aus der Staatsleitung abgeleitete Ermächtigung zum Informationshandeln, wenn sich das Informationshandeln im Rahmen der Informationskompetenz hält und die Betroffenen nicht unverhältnismäßig in ihren Grundrechten beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <301>). Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das Informationshandeln von der staatlichen Aufgabenwahrnehmung auch dann gedeckt, wenn es mit einer mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden ist. Denn die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch mittelbar-faktische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt in diesem Fall keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

36

aa) Bei der Tätigkeit der Koordinierungsstelle handelt es sich um eine staatliche Aufgabe. Sie beruht auf der Bund-Länder-Vereinbarung von 2009. Die Suchmeldung hält sich im Rahmen der der Koordinierungsstelle danach zugewiesenen Dokumentations- und Informationsaufgabe. Die Befugnis zu staatlichem Handeln ergibt sich im Informationsbereich zudem aus der der Staatsleitung zuzurechnenden Öffentlichkeitsarbeit. Diese umfasst auch die Verbreitung von Informationen, um auf diesem Wege die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge zu unterrichten und die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung bei der Bewältigung von Problemen zu befähigen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <268 ff.> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <302>). Angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands besteht ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Veröffentlichung von Informationen zu Kulturgütern, bei denen ein Raubkunstverdacht besteht, um auf diesem Weg interessierte Bürger zu einer eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Bewältigung der bis heute fortdauernden rechtswidrigen Folgen des NS-Regimes zu befähigen. Ob darüber hinaus auch die Veröffentlichung endgültig abgewickelter Verlustvorgänge von der staatlichen Informationsbefugnis umfasst wäre, bedarf keiner Entscheidung.

37

bb) Das Informationshandeln der Koordinierungsstelle verstößt nicht gegen die föderale Kompetenzordnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <308>). Da die Tätigkeit der Koordinierungsstelle sowohl der Durchsetzung von Wiedergutmachungsinteressen als auch dem Kulturgüterschutz dient, besteht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine aus der föderalen Aufgabenzuweisung abgeleitete Befugnis zum Informationshandeln. Bestehen insoweit parallele Kompetenzen, ist es mit Blick auf die föderale Kompetenzordnung nicht zu beanstanden, dass die Koordinierungsstelle nach der Bund-Länder-Vereinbarung vom Bund und den Ländern gemeinsam finanziert wird, das Informationshandeln rechtlich aber nur vom Beklagten wahrgenommen wird.

38

cc) Die streitgegenständliche Veröffentlichung ist weder unsachlich noch unzutreffend. Dabei kommt es bei der Frage der inhaltlichen Richtigkeit nicht darauf an, ob den Rechtsvorgängern der Beigeladenen das Gemälde tatsächlich NS-verfolgungsbedingt abhandengekommen ist. Denn die Veröffentlichung von Suchmeldungen in der Lost Art Internet-Datenbank erschöpft sich in der Dokumentation von Meldungen Dritter, die vom Betreiber lediglich einer groben Plausibilitätsprüfung unterzogen werden. Die inhaltliche Richtigkeit des von dritter Seite durch eine Suchmeldung erhobenen Raubkunstverdachts ist daher nicht Gegenstand der staatlichen Information. Folglich kommt es - abgesehen von Fällen evidenter Unrichtigkeit - nicht darauf an, ob die der Verlustmeldung zugrunde gelegten Tatsachen richtig sind und der Melder hieraus zutreffende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen hat. Das Ziel der Datenbank liegt nicht in der Anerkennung und/oder Zuordnung von Rückgabeansprüchen; über die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen sollen Vorkriegseigentümer bzw. deren Erben und heutige Besitzer nur zusammengeführt und beim Finden einer fairen und gerechten Lösung unterstützt werden.

39

dd) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist in Bezug auf die von ihr in ihren wirtschaftlichen Interessen nachteilig betroffenen Personen und deren Grundrechte auch nicht aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Sie verfolgt mit der Unterstützung der Beigeladenen, die plausibel geltend gemacht haben, dass ihren Rechtsvorgängern das Gemälde NS-verfolgungsbedingt entzogen worden ist, bis zu einer endgültigen Klärung der Eigentumsfrage und etwaiger Herausgabeansprüche mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands, seiner Zustimmung zu den Washingtoner Grundsätzen und dem Bemühen, diese mit Hilfe der Lost Art Internet-Datenbank tatsächlich umzusetzen, einen legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung bis zu einer endgültigen Klärung geeignet und erforderlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Zweck der Datenbank durch eine andere weniger belastende, aber gleich effektive Form staatlicher Information hätte erreicht werden können. Schließlich fehlt es auch nicht an der Angemessenheit, da die Beteiligten die Möglichkeit haben, eine endgültige Klärung ggf. auf dem Zivilrechtsweg herbeizuführen.

40

ee) Die Aufrechterhaltung der Suchmeldung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Unabhängig von der Befugnis staatlicher Stellen zum Informationshandeln wird der Gewährleistungsbereich der hiervon betroffenen Grundrechte dann beeinträchtigt, wenn sich das Handeln nicht auf die Veröffentlichung von Informationen beschränkt, auf deren Grundlage die Nutzer der staatlichen Informationsquelle eigenbestimmte, an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen können. Insbesondere kann staatliche Informationstätigkeit den Gewährleistungsbereich der betroffenen Grundrechte beeinträchtigen, wenn sie in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff im klassischen Sinne zu qualifizieren wäre. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung einschließlich des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden; vielmehr müssen in diesen Fällen die für einen Grundrechtseingriff maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 252 <273> und - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>).

41

In diesem Sinne stellt die Aufrechthaltung der Suchmeldung kein funktionales Äquivalent für einen (finalen) Grundrechtseingriff dar. Der Informationsgehalt der Meldung beschränkt sich auf die Dokumentation des von dritter Seite geäußerten Verdachts, dass es sich bei dem Gemälde um Raubkunst handele. Auf der Grundlage dieser Information können die Nutzer der Datenbank eigenbestimmte und an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen treffen, etwa ob sie als Besitzer des Bildes zur freiwilligen Rückgabe oder zur Mitwirkung an einer anderen Lösung bereit sind oder ob sie als Auktionshaus oder Kaufinteressent trotz des bestehenden Verdachts und der damit verbundenen Risiken das Gemälde zur Versteigerung annehmen bzw. erwerben wollen. Die Suchmeldung hat hingegen keinerlei Auswirkungen auf die Eigentumszuordnung, die Verfügungsbefugnis und das Bestehen etwaiger Rückgabeansprüche. Diese Fragen müssen im Streitfall zwischen den Beteiligten auf dem Zivilrechtsweg geklärt werden. Etwaige Auswirkungen auf den Marktwert und die Verkäuflichkeit des Bildes ergeben sich primär aus der von den Beigeladenen geltend gemachten Verlustgeschichte. Der sich daraus ergebende "Makel" wird durch die Aufrechterhaltung der Eintragung in der Suchliste nur publik gemacht. Er würde durch eine Löschung nicht entfallen und könnte von den Beigeladenen auf anderem Wege - auch öffentlichkeitswirksam - weiterverfolgt werden. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem der "E-Zigaretten-Entscheidung" des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 17. September 2013 - 13 A 2541/12 - (DVBl 2013, 1462) zugrunde liegenden Sachverhalt, der eine ministerielle Warnung vor dem Verkauf von E-Zigaretten betraf, bei der sich die verbotsähnliche Wirkung u.a. daraus ergab, dass Handel und Verkauf der Ware als Rechtsverstoß qualifiziert worden war, der auch schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne.

42

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen "Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts. Danach verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den Gesetzgeber, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen. Ob eine Maßnahme wesentlich ist und damit dem Parlament selbst vorbehalten bleiben muss oder jedenfalls nur aufgrund einer inhaltlich bestimmten parlamentarischen Ermächtigung ergehen darf, hängt im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel davon ab, ob sie wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75 u.a. - BVerfGE 47, 46 <79> m.w.N.). Insoweit ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für ein zulässiges staatliches Informationshandeln zu entnehmen, dass es bei Einhaltung der dort aufgestellten Voraussetzungen auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keiner gesetzlichen Grundlage bedarf. Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin zum institutionellen Gesetzesvorbehalt kommt es hier schon deshalb nicht an, weil es sich bei der Koordinierungsstelle nicht um eine rechtlich selbständige öffentliche Einrichtung handelt, sondern nur um eine unselbständige Anstalt.

43

3.3 Ist die Aufrechterhaltung der Suchmeldung nach dem Vorstehenden objektiv rechtmäßig, fehlt es zugleich an der für das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs erforderlichen Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten. Auch bedarf es keiner Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladenen mit Stellung eigener Anträge am Kostenrisiko beteiligt haben, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2015 - (569) 83 Js 445/10 Ns (126/13) - und der Beschluss des Kammergerichts vom 21. September 2015 - (3) 121 Ss 71/15 (96/15) - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

2

1. Der Beschwerdeführer arbeitet als Rechtsanwalt. Seit Dezember 2009 vertrat er als Strafverteidiger den ersten Vorsitzenden eines gemeinnützigen Vereins, der Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung von Spendengeldern war. Dieses Ermittlungsverfahren erregte großes Medieninteresse.

3

2. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten. An der nicht öffentlichen Sitzung der Haftbefehlsverkündung nahm neben dem Beschwerdeführer auch die mit dem Verfahren betraute Staatsanwältin teil. Der Beschwerdeführer griff die Staatsanwältin im Laufe des Termins verbal an und verließ die Sitzung noch vor ihrer offiziellen Schließung. Der Beschwerdeführer war der Ansicht, sein Mandant werde zu Unrecht verfolgt und die erfolgten und drohenden Maßnahmen der Strafverfolgung seien ungerechtfertigt. Am Abend desselben Tages rief ein Journalist, der an einer Reportage über den Beschuldigten und das ihn betreffende Ermittlungsverfahren arbeitete und der über die Verhaftung im Bilde war, den Beschwerdeführer an. Nach den Feststellungen der Fachgerichte kannte der Beschwerdeführer den Journalisten nicht und wollte ihm keine Fragen beantworten oder ihm ein Interview mit dem Beschuldigten vermitteln, war jedoch immer noch wütend über den Verlauf der Ermittlungen und bezeichnete im Laufe des Telefonats die zuständige Staatsanwältin als

"dahergelaufene Staatsanwältin", "durchgeknallte Staatsanwältin", "widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin", "geisteskranke Staatsanwältin".

4

3. Das Amtsgericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen Beleidigung. Nach Einspruch des Beschwerdeführers verurteilte ihn das Amtsgericht wegen Beleidigung. Auf die Berufung des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht das Urteil auf und sprach den Beschwerdeführer frei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das Kammergericht das freisprechende landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

5

4. Mit angegriffenem Urteil verurteilte das Landgericht den nicht vorbestraften Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 120 €. Die Äußerungen seien ehrverletzend gewesen. Durch sie wären der Staatsanwältin in übertriebener Weise negative Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, ihr der sittliche und soziale Geltungswert abgesprochen und letztlich attestiert worden, grundsätzlich sozial minderwertig und beruflich unzulänglich zu sein. Eine Rechtfertigung nach § 193 StGB liege nicht vor. Anlass, Kontext und Zielrichtung der Äußerungen seien nicht mehr der Kampf um das Recht gewesen, sondern Ausdruck einer persönlichen Fehde gegen die ermittelnde Staatsanwältin, die einer haltlosen Verteufelung gleichkomme. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Äußerungen weder relativierend noch bezogen auf ganz bestimmte, einzelne Handlungen der Staatsanwältin abgezielt hätten, sondern sie insgesamt als Person und unabhängig von ihren Verhaltensweisen in den Vordergrund gestellt worden sei. Keine ihrer Ermittlungshandlungen sei konkret beanstandet worden. Der Beschwerdeführer habe zudem gar keinen Anlass gehabt, sich gegenüber dem mit dem Ermittlungsverfahren und dessen Einzelheiten selbst gar nicht befassten Journalisten über die Staatsanwältin in einer derartigen Form zu beschweren, nachdem der Journalist ihn lediglich um objektive Informationen zu dem "Spendenskandal" aus der Sicht des Mandanten des Beschwerdeführers gebeten habe.

6

5. Die Revision des Beschwerdeführers verwarf das Kammergericht mit angegriffenem Beschluss. Das Landgericht sei rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesamtheit der Bezeichnungen einer Staatsanwältin als "dahergelaufen", "durchgeknallt", "widerwärtig, boshaft und dümmlich" sowie "geisteskrank" den Tatbestand der Beleidigung objektiv erfülle und nicht gerechtfertigt sei. Es habe festgestellt und in seine Würdigung einbezogen, dass die Äußerungen außerhalb des Gerichtssaals und damit des Kernbereichs des "Kampfs ums Recht" gefallen seien und im konkreten Kontext keinen konstruktiven Bezug zu einzelnen Ermittlungshandlungen der Staatsanwältin gehabt hätten. Revisionsrechtlich beanstandungsfrei habe das Landgericht ausgeschlossen, dass die Äußerung - gewissermaßen im umgangssprachlichen Sinne einer durchgebrannten Sicherung - lediglich zum Ausdruck hätten bringen sollen, dass bei den Ermittlungen Fehler gemacht worden seien. Dabei habe das Landgericht Anlass und Verwendungskontext ausführlich dargestellt und gewürdigt. Es hätte auch in noch ausreichender Dichte das Persönlichkeitsrecht der Geschädigten gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit abgewogen.

7

6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, eine Verletzung des Willkürverbotes des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Verletzung des Rechtes auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

7. Der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, soweit mit ihr eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerügt wird. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

10

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt insbesondere für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Umfang der Annahme zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

12

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

13

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>).

14

Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

15

b) Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht in jeder Hinsicht.

16

aa) Das Landgericht geht bei seiner Verurteilung ohne hinreichende Begründung vom Vorliegen des Sonderfalls einer Schmähkritik aus. Es verwendet den Begriff der Schmähkritik zwar nicht ausdrücklich, stellt aber darauf ab, die inkriminierten Äußerungen seien Ausdruck einer persönlichen Fehde und stellten die Beleidigte als Person in den Vordergrund. Dementsprechend unterlässt es die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, worin ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Fehler liegt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>).

17

Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

18

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Landgericht verkannt. Zwar sind die in Rede stehenden Äußerungen ausfallend scharf und beeinträchtigen die Ehre der Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen legen aber nicht in einer den besonderen Anforderungen für die Annahme einer Schmähung entsprechenden Weise dar, dass ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes stand. Der Beschwerdeführer reagierte auf einen Anruf von einem mit dem Verfahrensstand vertrauten Journalisten, der ihn in seiner Eigenschaft als Strafverteidiger zu dem Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten und dessen Inhaftierung befragte. In diesem Kontext ist es jedenfalls möglich, dass sich die inkriminierten Äußerungen auf das dienstliche Verhalten der Staatsanwältin vor allem mit Blick auf die Beantragung des Haftbefehls bezogen. Für die Annahme einer Schmähkritik reicht es unter diesen Umständen nicht, wenn das Landgericht nur darauf abstellt, dass die Äußerungen dabei nicht relativiert oder auf ganz bestimmte einzelne Handlungen der betreffenden Staatsanwältin Bezug nahmen. Es hätte insoweit in Auseinandersetzung mit der Situation näherer Darlegungen bedurft, dass sich die Äußerungen von dem Ermittlungsverfahren völlig gelöst hatten oder der Verfahrensbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wurde, um die Staatsanwältin als solche zu diffamieren.

19

So lange solche Feststellungen nicht tragfähig unter Ausschluss anderer Deutungsmöglichkeiten getroffen sind, hätte das Landgericht den Beschwerdeführer nicht wegen Beleidigung verurteilen dürfen, ohne eine Abwägung zwischen seiner Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin vorzunehmen. An dieser fehlt es hier. Auch das Kammergericht hat diese nicht nachgeholt, denn es verweist lediglich auf eine "noch hinreichende" Abwägung durch das Landgericht, die indes nicht stattgefunden hat.

20

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung zu einer anderen Entscheidung kommen werden. Es ist allerdings festzuhalten, dass ein Anwalt grundsätzlich nicht berechtigt ist, aus Verärgerung über von ihm als falsch angesehene Maßnahmen einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts diese gerade gegenüber der Presse mit Beschimpfungen zu überziehen. Insoweit muss sich im Rahmen der Abwägung grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen durchsetzen. Wie hier die Abwägung - die sich gegebenenfalls auch auf die Strafzumessung auswirkt - unter näherer Würdigung der Umstände ausfällt, obliegt jedoch fachgerichtlicher Würdigung.

21

3. Soweit der Beschwerdeführer auch eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügt, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

22

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Wenn eine Beleidigung auf der Stelle erwidert wird, so kann der Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.