Strafzumessung

erstmalig veröffentlicht: 17.02.2012, letzte Fassung: 24.03.2024
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Das Strafmaß ist für den Angeklagten häufig der wichtigste Teil eines Plädoyers. Der Staatsanwalt beantragt sachlich unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Strafe, die er für angemessen hält.

Grundsätzlich erfolgt die Strafzumessung nach der herrschenden Spielraumtheorie (BGH) in drei Schritten :


1.    Ermittlung des gesetzlichen Strafrahmens:

Zunächst ist der gesetzliche Strafrahmen, d.h. Grundtatbestand, Qualifikation und Privilegierung zu ermitteln.  Der konkrete Strafrahmen ist das Fundament jeglicher Strafzumessung im engeren Sinne. An diesen und an die damit vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung der Schwere der Tat ist der Richter gebunden. Ausgangspunkt ist grundsätzlich der Normalstrafrahmen. Anschließend ist zu prüfen, ob das Gesetz Ausnahmestrafrahmen für minderschwere oder besonders schwere Fälle vorsieht. Ferner kann eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB in Betracht kommen. Die fehlerhafte Ermittlung des Strafrahmens bzw. eine schematische Mathematisierung des Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens führt zwangsläufig dazu, dass das Urteil aufgehoben wird.

2.    Einordnung der Tat in den Strafrahmen:

Nach der Bestimmung des verengten Schuldstrafrahmens ist die Tat nach Maßgabe des § 46 StGB durch Bewertung des Unrechts- und Schuldgehalt als ein Akt richterlichen Ermessens einzuordnen: „Festlegen der schon und noch angemessenen Strafe“.

Gemäß § 46 Abs.2 S.1 StGB sind alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen.  Bei den in § 46 Abs.2 S.2 StGB aufgeführten Strafzumessungstatsachen handelt es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung. Milderungs- und Strafschärfungsgründe sind nicht einfach gegenüberzustellen, sondern müssen nach ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht gegeneinander abgewogen werden. Das bloße Fehlen eines Strafschärfungsgrunds darf nicht mildernd und das Fehlen eines Milderungsgrunds nicht strafschärfend gewertet werden.

Außergewöhnlich hohe Strafen bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die das Abweichen vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falls verständlich macht (BGH, Beschluss vom 20. 9. 2010 - 4 StR 278/10).

Für jeden Mittäter, Teilnehmer oder sonstigen Beteiligten an einem Tatkomplex sind die Zumessungstatsachen in der Regel in individueller Würdigung nach dem Maß der eigenen Schuld zu beurteilen, was dazu führen kann, dass auch ein Gehilfe eine höhere Strafe erhalten kann als der Täter.

3.    Einordnung der Tat in den Schuldrahmen hinsichtlich Strafart und Strafhöhe:

Nach der Strafmaßfixierung können Folgeentscheidungen erforderlich werden. Neben der Strafart - Geldstrafe oder Freiheitsstrafe-  ist insbesondere die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung oder ob eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu verhängen ist relevant.


Legt man der Strafzumessung zunächst die Freiheitsstrafe zugrunde, ist zu prüfen, ob diese in eine Geldstrafe umgewandelt werden kann oder muss. Nach § 47 Abs.2 S.2 StGB entsprechen 30 Tagessätze einen Monat Freiheitsstrafe.

•  Bei Freiheitsstrafe über einem Jahr ist eine Geldstrafe wegen der Höchstgrenze des § 40 Abs.1 StGB nicht mehr möglich. Unabhängig davon können bei der Bildung einer Gesamtgeldstrafe gemäß § 54 Abs.2 S.1 StGB bis zu 720 Tagessätzen verhängt werden.

•  In dem Bereich zwischen sechs Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe ist die Umwandlung in eine Geldstrafe prinzipiell möglich, jedoch in der Praxis eher selten. Einer besonderen Begründung für die Verhängung einer Freiheitsstrafe bedarf es nicht.

•  Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten darf gemäß § 47 StGB nur verhängt werden, wenn dies besondere Umstände in der Tat oder in der Täterpersönlichkeit unerlässlich machen.


Exkurs:

Die Spielraumtheorie beruht auf dem Gedanken, dass sich aus dem Schuldmaß zwar keine feste Strafgröße für eine konkrete Tat, wohl aber ein gegenüber dem gesetzlichen Strafrahmen konkreter Schuldrahmen finden lasse. Innerhalb dieses Rahmens sei in richterlicher Würdigung die der Schuld angemessene Strafe für die konkrete Tat unter Berücksichtigung der anerkannten Strafzwecke zu ermitteln. Die Einordnung des konkreten Falls habe sich hierbei am „Durchschnittsfall“ zu orientieren (BGH: Urteil vom 08.09.1976 - 3 StR 280/76 (S)).

1.    Grundlage der Strafzumessung

Die Schuld des Täters bildet nach § 46 Abs.1 S. 1 StGB die Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die im Gesetz angesprochene Schuld erfasst das Maß der Vorwerfbarkeit bei der Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Unrechts. Sie ist nicht identisch mit dem dreistufigen Deliktaufbau, der die Strafbarkeit begründet. Es wäre also rechtsfehlerhaft, die Strafe ausschließlich im Hinblick auf solche Strafen zu bemessen, die in anderen Fällen desselben Gerichts verhängt wurden.

Aus dem Gebot des schuldangemessenen Bestrafens geht nicht hervor, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht käme. Genauso wenig verstößt es gegen das verfassungsrechtliche Prinzip des schuldangemessenen Bestrafens, dass das Gesetz die Begehung von Straftaten, die sich auf eine geringwertige Sache beziehen, wahlweise mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht.

2.   
Besondere gesetzliche Milderungsgründe, § 49 StGB

§ 49 StGB sieht drei Fallgruppen vor. Die obligatorische Milderung nach Abs.1 (vorgeschrieben) und die beiden Ermessensmilderungen nach Abs.1 (zugelassen) und Abs.2.

Eine Milderung nach § 49 Abs.1 StGB ist also entweder zwingend vorgeschrieben oder fakultativ zugelassen. Ausgangspunkt für jede Milderung ist der Regelstrafrahmen des jeweils in Betracht kommenden Straftatbestandes. Dieser kann sich aus den Bestimmungen über einen besonders schweren oder einen minderschweren Fall ergeben.

• Vorgeschrieben ist eine Milderung z.B. in den Fällen der §§ 27 Abs.2, 28 Abs.1 und 30 Abs.1 StGB . In diesen Fällen hat der Richter ohne weiteres von dem nach § 49 Abs.1 StGB gemilderten Strafrahmen auszugehen.

• Zugelassen ist eine Milderung z.B. in den Fällen der §§ 13 Abs.2, 17 S.2, 21 und 23 Abs.2 StGB. Hinzu kommen auch Milderungen aus den Nebengesetzen des Strafgesetzbuchs. Zur Bestimmung des mildesten Gesetzes im Sinne von § 2 Abs.3 StGB sind fakultative Strafmilderungen nicht in den Vergleich mit einzubeziehen. Hier gilt der Regelstrafrahmen (OLG München, Beschluss vom 29. 9. 2006 - 4 St RR 177/06).

Von der Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs.2 StGB, namentlich in den Fällen tätiger Reue, sind z.B. §§ 306e, 314a und 320 StGB sowie §§ 23 Abs.3, 30 Abs.1 S.3 etc. betroffen.  In der Mehrzahl der auf Abs.2 verweisenden Vorschriften ist neben der Milderung auch das gänzliche Absehen einer Strafe zugelassen.

3.   
Das Vorleben des Täters & Nachtatverhalten

Bei der Bewertung von Vorstrafen ist zu beachten, ob schon vergleichsweise geringfügige Delikte zugrunde liegen, die mit Geldstrafe geahndet werden konnten und denen deshalb im Rahmen der Strafzumessung kein großes Gewicht beizumessen ist. Eine typische Alltagstheorie ist die Annahme, Vorstrafen fallen grundsätzlich zu Lasten des Täters. Das trifft aber nicht immer zu. Nach den statistischen Daten besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Neigung zur Begehung von Straftaten und dem Alter des Täters. Straftaten werden vor allem von jüngeren Menschen begangen. Die Mehrheit der registrierten Täter ist zwischen 15 und 30 Jahre alt. Das Nachlassen der Neigung zur Begehung strafbarer Handlungen im Alter ist nicht zuletzt durch den geringen Anteil älterer Personen im Strafvollzug ablesbar.

Auch das Nachtatverhalten, insbesondere:
  • Geständnis und Aufklärungshilfe,
  • Schadenswiedergutmachung und Täteropferausgleich,
  • inzwischen veränderte Lebensverhältnisse,
  • Folgen der Tat für den Täter
  • sowie die Selbstanzeige
sind Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Strafzumessung haben. Sie können zu einer erheblichen Strafschärfung, zu einer Strafminderung oder auch dazu führen, dass das Gericht gänzlich von einer Strafe absieht (§ 60 StGB).
 
Abschließend lässt sich festhalten, dass sch bezüglich der Strafzumessung keine mathematischen Regeln aufstellen lassen, sondern dass in jedem Verfahren die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.
 

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