Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 03. Nov. 2016 - 6 K 369/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand
2Der Kläger wendet sich als Eigentümer eines durch den Tagebau Hambach künftig planmäßig bergbaulich in Anspruch genommenen Grundstücks gegen die Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplans für die Fortführung des Tagebaus Hambach von 2020 bis 2030 und überdies gegen die Zulassung des Tagebaus Garzweiler.
3Die Beigeladene betreibt für die Versorgung von Braunkohlekraftwerken und ‑fabriken im sog. Rheinischen Braunkohlenrevier, das durch die Städte Köln, Aachen, Bonn und Mönchengladbach begrenzt wird, die drei Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden. Die Planung des Abbaus im Rheinischen Braunkohlenrevier erfolgte ursprünglich auf der Grundlage des Gesetzes über die gesamte Planung im rheinischen Braunkohlengebiet vom 25. April 1950. Danach war vorgesehen, dass durch den "Planungsausschuss für das rheinische Braunkohlengebiet" (Braunkohlenausschuss) ein Gesamtplan aufgestellt wird, der durch den Ministerpräsidenten als Landesplanungsbehörde im Einvernehmen mit den zuständigen Fachministern für verbindlich erklärt wird. Weiter war vorgesehen, dass die Aufstellung und Verbindlichkeitserklärung des Plans auch zeitlich, räumlich und sachlich in Teilabschnitten erfolgen könne. Die Tagebaue Hambach und Garzweiler entwickelten sich auf dieser Grundlage daraufhin wie folgt:
4Tagebau Hambach:
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Im Jahr 1974 stellte die Rheinische Braunkohlenwerke AG, die ursprüngliche Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, beim Braunkohlenausschuss einen Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Aufstellung und Verbindlichkeitserklärung des Teilplans Hambach. Am 16./17. Dezember 1976 stellte der Braunkohlenausschuss den "Teilplan 12/1 - Hambach - Abbau- und Außenhaldenfläche des Tagebaus Hambach - des Gesamtplanes für das Rheinische Braunkohlengebiet" (Teilplan 12/1 Hambach) auf. Mit Erlass vom 11. Mai 1977 erklärte der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen den Teilplan 12/1 Hambach für verbindlich und machte diesen am 27. Juni 1977 bekannt. Die Abbau- und Haldenfläche des von dem Teilplan 12/1 Hambach erfassten Gebiets erstreckt sich auf einen Bereich zwischen Rur und Erft, der von Düren und Jülich im Westen sowie von Bedburg und Horrem im Osten eingegrenzt wird und ein Gesamtmaß von rund 85 km² hat. Sie wird von einem rund 7,3 km² umfassenden Sicherheitsbereich umgeben. In dem Abbaugebiet können nach Angaben der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen insgesamt etwa 2,5 Milliarden Tonnen Braunkohle gewonnen werden. Bei einer langfristig geplanten jährlichen Fördermenge von 45 bis 55 Millionen Tonnen Braunkohle wird der Abbau des gesamten Feldes bis etwa zum Jahre 2045 andauern.
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Aufgrund des für verbindlich erklärten Teilplans 12/1 Hambach legte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen unter dem 15. Juni 1977 eine ergänzte und angepasste Neufassung des (planerischen) Rahmenbetriebsplans und unter dem 15. November 1977 eine ergänzte und angepasste Neufassung des bergmännischen Betriebsplans vor. Diese Betriebspläne erfassten eine Teilfläche von 23 km² des von dem Teilplan 12/1 Hambach erfassten Gebiets, auf der bis zum Jahre 1995 etwa 282 Millionen Tonnen Braunkohle gewonnen werden sollten. Unter dem 13. März 1978 ließ das Bergamt Köln den (planerischen) Rahmenbetriebsplan (1. Rahmenbetriebsplan Hambach) und den bergmännischen Betriebsplan zu. Mit der Kohlegewinnung wurde 1984 begonnen.
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Die Rheinbraun AG, die Rechtsnachfolgerin der Rheinischen Braunkohlewerke AG und die weitere Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, stellte unter dem 3. Mai 1993 einen Rahmenbetriebsplan für die Fortführung des Tagebaus Hambach von 1996 bis 2020 (2. Rahmenbetriebsplan Hambach) auf. Die danach vorgesehene Abbaufläche schließt mit ihrer westlichen Grenze an den in den Betriebsplänen aus dem Jahre 1977 beschriebenen und zugelassenen Tagebaustand an und erstreckt sich von dort aus weiter in südöstlicher Richtung. Die südliche Begrenzung entspricht dem voraussichtlichen Tagebaustand im Jahre 2020 und reicht über die bestehende vierstreifige Bundesautobahn A4 zwischen den Anschlussstellen Düren und Kerpen hinweg. Der gesamte Planungsraum liegt innerhalb der vom Teilplan 12/1 Hambach erfassten Fläche. Mit Bescheid vom 17. August 1995 wurde der 2. Rahmenbetriebsplan Hambach befristet bis zum 31. Dezember 2020 zugelassen. Die hiergegen seitens eines anerkannten Naturschutzverbandes erhobene Klage 3 K 2040/96 wies das Verwaltungsgericht Aachen mit Urteil vom 10. November 1999 ab. Die Berufung wurde durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 17. Dezember 2004 zurückgewiesen (21 A 102/00). Nach Ablehnung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. November 2005 (7 B 26.05) nahm das Bundesverfassungsgericht die erhobene Verfassungsbeschwerde am 18. April 2006 nicht zur Entscheidung an (1 BvR 160/06).
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Die Ortschaft Morschenich ist des Weiteren Gegenstand des im Mai 2013 bekannt gemachten Braunkohlenplans "Umsiedlung Morschenich", der eine Umsiedlung der Bevölkerung von Morschenich ab Dezember 2013 und eine bergbauliche Inanspruchnahme des Gemeindegebiets ab dem Jahr 2024 vorsieht.
Tagebau Garzweiler:
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Dem ersten Abschnitt des Tagebaus Garzweiler lag der Braunkohlenplan Frimmersdorf (Garzweiler I) aus dem Jahr 1984 zugrunde. Im Jahr 1987 stellte die Rheinbraun AG als Rechtsvorgängerin der Beigeladenen den Antrag auf Aufstellung und Genehmigung eines Braunkohlenplanes für das Abbaugebiet Garzweiler II. Der Braunkohlenausschuss stellte durch Beschluss vom 20. Dezember 1994 den Braunkohlenplan Garzweiler II auf. Diesen genehmigte das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen am 31. März 1995. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1997 ließ das Bergamt Düren den Rahmenbetriebsplan Garzweiler I/II zu, der den Abbau von Braunkohle im Tagebau Garzweiler bis zum Jahr 2045 vorsieht. Hiergegen erhobene Klagen wies das Verwaltungsgericht Aachen mit Urteil vom 10. Dezember 2001 als unzulässig ab (9 K 691/00). Die Berufung wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 7. Juni 2005 (11 A 1194/02) zurück. Das Bundesverwaltungsgericht hob mit Urteil vom 29. Juni 2006 (7 C 11.05) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück. Nachdem das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Dezember 2007 (11 A 1194/02) die Berufung erneut zurückgewiesen hatte und auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erfolglos geblieben war (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. September 2008 - 7 B 20.08 -) wies das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 17. Dezember 2013 eine gegen die Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Tagebau Garzweiler I/II erhobene Verfassungsbeschwerde zurück (1 BvR 3139/08) und stellte auf die Verfassungsbeschwerde eines von einer Grundabtretung betroffenen Eigentümers die Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG fest.
Der Kläger ist seit Januar 2012 Eigentümer des ca. 2.500 m² großen Grundstücks Gemarkung N. , Flur , Flurstück Nr. . Das Grundstück liegt im Außenbereich nordwestlich der Ortschaft Morschenich und grenzt im Norden unmittelbar an den Hambacher Forst. Der Kläger stellt das Wiesengrundstück einer Protestbewegung zur Verfügung, die sich unter anderem für den Erhalt des Hambacher Forstes einsetzt und auf dem Grundstück im Verlauf des Jahres 2012 - ohne bauaufsichtliche Genehmigung - ein im Wesentlichen aus Zelten, Wohn- und Bauwagen, Pkws mit Vorzelten bzw. mit Windschutz, einer Holzhütte und einer "Kriechbude" bestehendes "Camp" errichtet hat. Mit sofort vollziehbarer Ordnungsverfügung vom 22. März 2013 gab die zuständige Bauaufsichtsbehörde dem Kläger die Beseitigung der (formell illegal) errichteten baulichen Anlagen und die Unterlassung der künftigen Neuerrichtung von baulichen Anlagen auf seinem Grundstück auf. Die hiergegen beim erkennenden Gericht unter den Aktenzeichen 5 L 193/13 und 5 K 1344/13 eingelegten Rechtsbehelfe blieben erfolglos. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil vom 21. Mai 2015 ist derzeit beim Oberverwaltungsgericht NRW anhängig (7 A 1668/15).
17Bereits am 1. Dezember 2011 hatte die Beigeladene unter Einreichung des 3. Rahmenbetriebsplanes die Fortführung des Tagebaus Hambach von 2020 bis 2030 beantragt. Die ab dem geplanten Abbaustand 2020 bis zur Oberkante Abraum im Jahre 2030 dargestellte Abbaufläche umfasst eine Fläche von ca. 924 ha, welche sukzessive während der zehnjährigen Laufzeit des Rahmenbetriebsplans bergbaulich in Anspruch genommen werden soll. Die Abbaufläche schließt mit ihrer westlichen Grenze an den im zugelassenen 2. Rahmenbetriebsplan beschriebenen Tagebaustand 2020 an und erstreckt sich entsprechend der dem Gesamtvorhaben im Jahre 1977 zugrundeliegenden Abbaukonzeption in südöstliche Richtung. Die südliche Begrenzung entspricht dem Tagebaustand 2030. Das innerhalb der vorgesehenen Abbaufläche liegende Grundstück des Klägers wird planmäßig voraussichtlich im Jahr 2023 bergbaulich in Anspruch genommen werden.
18Die Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplans für die Fortführung des Tagebaus Hambach von 2020 bis 2030 erfolgte durch den vorliegend streitgegenständlichen Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung Bergbau und Energie, vom 12. Dezember 2014. Dieser Bescheid wurde dem Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2015 zugestellt.
19Am 25. Februar 2015 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2014 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er im Wesentlichen vor, eine Enteignung zum Zwecke der Braunkohleförderung sei mit Art. 14 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Die Voraussetzungen für eine Grundabtretung nach § 79 Abs. 1 Alt. 1 BBergG seien nicht erfüllt. Diese müsse dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Das mit dem Tagebau verfolgte Ziel der Gewinnung des Energieträgers Braunkohle zur Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung sei aber nicht als anerkanntes Gemeinwohlziel anzusehen. Nicht jedes öffentliche Interesse sei mit dem Wohl der Allgemeinheit identisch. Erforderlich sei vielmehr ein gesteigertes sachlich objektiv-öffentliches Interesse an der Gewinnung. Ein solches sei bei der Gewinnung von Braunkohle aus dem Tagebau Hambach jedoch nicht erkennbar. Ausweislich des Erneuerbare Energien Gesetzes vom 7. Juli 2005 diene die Stromerzeugung aus der Braunkohle nur insoweit dem Gemeinwohl, als diese zur Sicherstellung der Grundversorgung eingesetzt werde. Das sei vorliegend aber nicht der Fall. Die gewonnene Braunkohle werde vielmehr bereits zu mindestens 29 % zu anderen Zwecken als der Stromerzeugung verwendet (Brennstoffversorgung der Kraftwerke sowie Versorgung der Veredelungsbetriebe zur Herstellung von Briketts etc.). Auch diene weder die Stromlieferung in andere Bundesländer noch in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Drittstaaten dem Gemeinwohl der Sicherstellung der Stromerzeugung des Landes Nordrhein-Westfalen. Nur hierauf komme es aber an. Insbesondere die Lieferung in das Ausland könne nicht als dem Gemeinwohl dienend angesehen werden. Im Übrigen sei der Tagebau Hambach für die Stromerzeugung in Nordrhein-Westfalen nicht mehr notwendig. Nach den vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW herausgegebenen Energiedaten NRW 2011 sei die energiepolitische Notwendigkeit der Braunkohlegewinnung aus dem Tagebau Hambach - welche die Landesregierung für den Zeitraum bis 2030 festgestellt habe - nicht nachvollziehbar. Danach seien in NRW 178,0 TWh Strom erzeugt, aber nur 138,0 TWh Strom verbraucht worden. Es sei also zu einer Überproduktion von 40,0 TWh Strom gekommen. Die rechnerisch ermittelte Stromerzeugungsmenge aus dem Tagebau Hambach belaufe sich geschätzt auf ca. 15,7 TWh. Danach sei der Tagebau Hambach für die Stromerzeugung in NRW nicht mehr notwendig. Das bloße Aufsuchen und Gewinnen von Braunkohle im Tagebau durch die Beigeladene genüge im Übrigen nicht den Anforderungen des § 79 Abs. 1 BBergG. Durch die gewonnene Braunkohle werde nicht die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen gesichert. Es gebe bereits keinen Markt für Braunkohle. Diese werde nicht zum Verkauf angeboten, sondern diene den Kraftwerken der Beigeladenen selbst. Die Kraftwerke der Beigeladenen erzeugten aus dem Rohstoff Strom. § 79 Abs. 1 BBergG lasse Enteignungen aber nur zur Versorgung des Marktes mit Rohstoffen zu. Strom gehöre nicht zu den dem Regelungsbereich des BBergG unterfallenden Rohstoffen. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden privaten und öffentlichen Belange sei dem Tagebau nicht der Vorzug zu gewähren. Die Gesamtabwägung habe nicht in ausreichendem Maße stattgefunden und sei darüber hinaus nicht hinreichend substantiiert. Mit dem Betrieb des Tagebaus würden auch schwere Umwelt- und sonstige Straftaten begangen, insbesondere in Bezug auf den Hambacher Forst. Auch habe das Land NRW über die Bindungswirkung des Teilplans 12/1 Hambach für Privatpersonen getäuscht. Ohne diese Täuschungshandlung wären möglicherweise Einwendungen Privater gegen Festlegungen im Teilplan 12/1 Hambach und insbesondere gegen die rechtswidrige Planung eines Restsees mit einer Fläche von 38 km² und einem Volumen von 4,6 Mrd. m³ erhoben worden. Schließlich sei auch nicht berücksichtigt worden, dass die Beigeladene für die Wiederauffüllung des Tagebaurestloches und die Wiedernutzbarmachung der Landschaft wirtschaftlich überhaupt nicht ausreichend leistungsfähig sei. Das bilanzierte Vermögen der Beigeladenen reiche nicht ansatzweise zur Erfüllung der Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Tagebau Hambach aus. Die Rechtswidrigkeit der Inanspruchnahme der alten Trasse der BAB A4, des Baus der neuen Trasse der BAB A4, der Zulassung des 2. Rahmenbetriebsplans Hambach und die davon betroffenen öffentlichen und privaten Belange hätten in der Gesamtabwägung berücksichtigt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Vor diesem Hintergrund sei der 3. Rahmenbetriebsplan ebenso wie der 2. Rahmenbetriebsplan und der Teilplan 12/1 Hambach nichtig, hilfsweise jedenfalls rechtswidrig und im Übrigen auch nach § 48 VwVfG zurückzunehmen. Letztlich sei die Verbundenheit der Tagebaue Hambach und Garzweiler bei der Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplans ebenfalls nicht beachtet worden. Der Tagebau Garzweiler sei vom Tagebau Hambach abhängig. Ohne die Kohle aus dem Tagebau Hambach könne der Tagebau Garzweiler nach Angaben des Tagebaubetreibers nicht mehr betrieben werden. Aufgrund der Qualitätsunterschiede und der Kapazitätsbeschränkung des Tagebaus Garzweiler könnten die Kraftwerke und Veredelungsbetriebe nicht ausschließlich mit Kohle aus dem Tagebau Garzweiler versorgt werden. Diese Abhängigkeit sei im Verfahren auf Zulassung des Tagebaus Garzweiler verschwiegen worden. Dass der Tagebau Hambach nur bis 2020 genehmigt worden sei, während der Tagebau Garzweiler bis 2045 betrieben werden solle, sei ebenfalls verschwiegen worden. Auch die Zulassungsentscheidungen des Tagebaus Garzweiler seien vor diesem Hintergrund nichtig. Bliebe die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes für den Tagebau Garzweiler für den Zeitraum von 2001 - 2045 bestehen, so könne die Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplanes für den Tagebau Hambach faktisch nicht mehr versagt werden.
20Im Übrigen werde zur weiteren Begründung der Klage vollumfänglich auf die in den zum Verfahren eingereichten Schriftsätzen in Bezug genommenen Unterlagen aus anderen Verfahren verwiesen (insgesamt 10 Ordner), unter anderem auf die beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Klage des Klägers auf Feststellung der Nichtigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Oktober 2007 für den Ausbau und die Verlegung der BAB A4.
21Der Kläger beantragt,
221. die Nichtigkeit des Zulassungsbescheids vom 12. Dezember 2014 zur Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplans für die Fortführung des Tagebaus Hambach von 2020 bis 2030 festzustellen,
23hilfsweise den Zulassungsbescheid vom 12. Dezember 2014 aufzuheben,
24weiter hilfsweise den Zulassungsbescheid vom 12. Dezember 2014 dahin gehend abzuändern, dass der Braunkohlebau Hambach nur in dem Umfang zugelassen wird, in dem er zur Sicherstellung der Stromversorgung in erster Linie in Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe des klägerischen Vorbringens erforderlich ist.
25In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage erweitert und zusätzlich beantragt,
262. aufgrund des Kontextes und der Abhängigkeit des Tagebaus Garzweiler von dem Tagebau Hambach die Nichtigkeit bzw. Aufhebung der Zulassungsbescheide bzw. Abänderung der Zulassungsbescheide für beide Tagebaue, sowohl Hambach als auch Garzweiler festzustellen.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Er widerspricht der Klageerweiterung und bezieht sich zur Begründung seines Klageabweisungsantrages auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Ergänzend weist er darauf hin, dass der Abbau der Braunkohle im Tagebau Hambach für die Energieversorgung des Landes NRW nach wie vor notwendig sei. Hieran sei nach Auswertung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Dezember 2013 zum Tagebau Garzweiler ausdrücklich festzuhalten. Hier habe das Bundesverfassungsgericht noch einmal die überragende Bedeutung der Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwohl betont und den Abbau von Braunkohle als geeignete Maßnahme zur Herstellung der Versorgungssicherheit bestätigt. Die angefochtene Entscheidung, insbesondere auch die getroffene Abwägung, sei vor diesem Hintergrund im Ergebnis nicht zu beanstanden.
30Die Beigeladene beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie widerspricht der Klageerweiterung und weist zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages darauf hin, es bestehe kein Zweifel daran, dass die Sicherung einer kontinuierlichen Braunkohlengewinnung im Abbaugebiet zur Versorgung des Marktes mit Rohstoffen im öffentlichen Interesse stehe. Der von der 3. Rahmenbetriebsplanzulassung für den gegenständlichen Tagebau umfasste Teil des Gesamtvorhabens diene dem Gemeinwohlziel der Gewinnung des Energieträgers Braunkohle zur Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung. Hierdurch werde - entgegen der Auffassung des Klägers - ein gesetzlich hinreichend bestimmtes und ausreichend tragfähiges Gemeinwohlziel umgesetzt. Die "Versorgung des Marktes mit Rohstoffen" sei ein gesetzlich hinreichend bestimmt festgelegtes Gemeinwohlziel, das Enteignungen zu tragen in der Lage sei. Der im LPlG NRW in den Bestimmungen über die Braunkohlenplanung vorausgesetzte Abbau von Braunkohle und die in den Leitentscheidungen der Landesregierung im Hinblick auf den Braunkohlenabbau im Rheinischen Braunkohlenplangebiet erfolgte weitere Konkretisierung des Gemeinwohlziels hielten sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe des § 79 Abs. 1 BBergG. Das Bundesverfassungsgericht habe schon mehrfach die überragende Bedeutung der Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwohl betont. Die Sicherung der Energieversorgung durch geeignete Maßnahmen sei demnach eine Aufgabe von größter Bedeutung, wobei es eine energiepolitische Entscheidung des Bundes und der Länder sei, mit welchen Energieträgern und in welcher Kombination der verfügbaren Energieträgern eine zuverlässige Energieversorgung sichergestellt werden solle, bei der ihnen ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zukomme. In Nordrhein-Westfalen werde dem Braunkohlenabbau ein besonderes öffentliches Interesse zuerkannt. Die Energie- und Rohstoffversorgung bilde ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges. Dieser Wertung habe sich der Verfassungsgerichtshof des Landes NRW in seinem Urteil vom 9. Juni 1997 - 20/95 - ausdrücklich angeschlossen. Die Stromerzeugung aus Braunkohle bleibe ein unverzichtbarer Bestandteil der Energieversorgung, um eine lückenlose Energiebereitstellung zu einem annehmbaren Preis zu gewährleisten. In ihrer aktuellen Leitentscheidung vom 5. Juli 2016 habe die Landesregierung ausdrücklich bekräftigt, dass die Abbaugrenzen der Tagebaue Hambach und Inden unverändert blieben. Lediglich der Tagebau Garzweiler II werde so verkleinert, dass die Ortschaft Holzweiler nicht (mehr) umgesiedelt werde. Entgegen der Auffassung des Klägers liege eine Versorgung des Marktes mit Rohstoffen im Sinne des § 79 Abs. 1 BBergG auch nicht nur dann vor, wenn der Bergbautreibende diese ausschließlich Dritten anbiete. Maßgeblich sei die Bereitstellung der Rohstoffe zu ihrem jeweiligen Zweck, hier der Versorgung von Kraftwerken zu Zwecken der Verstromung. Auch die übrigen aus Braunkohle des Tagebaus gewonnenen Veredelungsprodukte dienten der Stromerzeugung. Entgegen der Ansicht des Klägers könne nicht allein die Sicherstellung der Stromversorgung in Nordrhein-Westfalen als Gemeinwohlziel anerkannt werden. Die Begrenzung auf diesen Bereich sei weder dem BBergG zu entnehmen, noch sei sie verfassungsrechtlich geboten. Das Bundesverfassungsgericht erkenne vielmehr die Zielsetzung als zulässig an, einen Beitrag zur Energieversorgung sowohl des Landes NRW als auch der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. Der gegenständliche Tagebau sei auch zur Erreichung des angestrebten Gemeinwohlziels vernünftigerweise geboten. Das konkrete Vorhaben müsse insoweit nicht unverzichtbar sein. Ausreichend sei es, wenn das Vorhaben in der Lage sei, einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels zu leisten. Dies sei vorliegend aber der Fall. Die Stromerzeugung der Beigeladenen decke mehr als 40 % des Strombedarfes in Nordrhein-Westfalen. Bezogen auf den Gesamtstrombedarf in der Bundesrepublik mache das einen Anteil von 15 % aus. Hieran habe der gegenständliche Tagebau den Anteil eines Drittels. Der Tagebau stelle mit einer Jahresfördermenge von bis zu 45 Mio. Tonnen den leistungsfähigsten im Rheinischen Braunkohlenrevier dar. Auch der Entscheidungsfindungsprozess habe schließlich den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügt. Die Zulassung sei aufgrund einer umfassenden Gesamtabwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange erfolgt, bei der insbesondere eine etwaige Entziehung des Eigentums berücksichtigt worden sei.
33Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung einen durch den Kläger gestellten Antrag auf Vertagung sowie drei Beweisanträge des Klägers abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Ausschluss des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Roitzheim wegen Befangenheit wurde durch Beschluss der Kammer ebenfalls abgelehnt. Insoweit wird auf die Begründung des Beschlusses Bezug genommen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des Beklagten (132 Ordner) sowie der vom Kläger vorgelegten Unterlagen (10 Ordner) Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe
36Die Kammer war trotz des in der mündlichen Verhandlung gestellten und von ihr abgelehnten Vertagungsantrages des Klägers nicht gehindert, die mündliche Verhandlung abzuschließen und über die Klage zu entscheiden. Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der gemäß § 173 VwGO auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren gilt, kann eine mündliche Verhandlung nur aus erheblichen Gründen verlegt oder vertagt werden. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "erheblichen Gründe" ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst auf Grund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen, andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen.
37Gemessen daran durfte die Kammer den Vertagungsantrag ablehnen. Der Kläger hat seinen Vertagungsantrag damit begründet, dass die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung deshalb nicht ordnungsgemäß gewährleistet gewesen sei, weil in der Terminübersicht auf der Homepage des Verwaltungsgerichts Aachen das vorliegende Verfahren lediglich mit dem Aktenzeichen und als "Verwaltungsstreitsache" bezeichnet gewesen sei, ohne dass auf den konkreten Gegenstand des Verfahrens hingewiesen worden sei. Überdies sei das Verfahren auch nicht in der auf der Homepage des Gerichts veröffentlichten Liste der Verfahren von allgemeinem öffentlichen Interesse aufgeführt. Durch diese Handhabung sei aber nicht gewährleistet, dass sich die interessierte Öffentlichkeit über das Verfahren habe informieren können.
38Diese Einwände des Klägers greifen nicht durch.
39Der Grundsatz der Öffentlichkeit gebietet es entgegen der Auffassung des Klägers bereits nicht, dass jedermann weiß, wann und wo ein erkennendes Gericht eine Hauptverhandlung abhält. Es genügt vielmehr, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen, und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist.
40Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2001 - 2 BvR 1620/01 -, juris Rn. 6; BAG, Beschluss vom 22. September 2016 - 6 AZN 376/16 -, juris Rn. 5.
41Diese Anforderungen waren vorliegend gewahrt. Dass für die interessierte Öffentlichkeit keine Möglichkeit bestanden haben soll, sich über den Termin zur mündlichen Verhandlung zu informieren, ist für die Kammer nicht erkennbar. Insbesondere ist am Eingang des Sitzungssaals selbst mittels der dort ausgehängten Sitzungsrolle über die öffentliche Sitzung informiert worden. Außerdem ist - insoweit überobligatorisch -auf die Sitzung auch in der Terminvorschau auf der Homepage des Gerichts hingewiesen worden. Eine Information der Öffentlichkeit über den Streitgegenstand des Verfahrens ist insoweit nicht erforderlich gewesen. Diese gehört vielmehr zur Pressearbeit des Gerichts, die in dessen Ermessen gestellt ist. Aus der fehlenden Information der Presse oder der fehlenden Information der Öffentlichkeit über den genauen Streitgegenstand des Verfahrens lässt sich ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz regelmäßig nicht herleiten. Auch der Umstand, dass die Sitzung in einem anderen Sitzungssaal stattgefunden hat als dem ursprünglich in der Ladung bezeichneten, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn zum einen wurden die Verfahrensbeteiligten rechtzeitig über die Verlegung der mündlichen Verhandlung in einen anderen Sitzungssaal informiert. Insoweit haben auch weder der Kläger noch die übrigen Verfahrensbeteiligten Rügen vorgebracht. Zum anderen wurde die Öffentlichkeit durch den Aushang der Sitzungsrolle am Eingang des Sitzungssaals und durch einen deutlichen und für jedermann erkennbaren Hinweis am Eingang des ursprünglich vorgesehenen Sitzungssaals über die Verlegung und Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung informiert. Dies ist regelmäßig ausreichend. Auch die Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Kammer und die Bediensteten an der Eingangspforte des Justizzentrums waren im Übrigen - für etwaige Rückfragen - über die Verlegung informiert.
42Vgl. BAG, Beschluss vom 22. September 2016 - 6 AZN 376/16 -, juris Rn. 5.
43Die mündliche Verhandlung musste daher nicht wegen eines Verstoßes gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz vertagt werden, so dass die Kammer verhandeln und entscheiden konnte.
44Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist hinsichtlich des Klageantrages zu 1. jedenfalls unbegründet (hierzu unter 1.). Über den Klageantrag zu 2. muss die Kammer nicht entscheiden, weil die vom Kläger insoweit vorgenommene Klageänderung unzulässig ist (hierzu unter 2.).
451. Es spricht bereits Vieles dafür, dass die Klage unzulässig ist, weil dem Kläger die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehlen dürfte.
46Denn es ist fraglich, ob der Kläger sich zu deren Begründung im vorliegenden Verfahren auf sein Eigentum an dem Grundstück Gemarkung N., Flur , Flurstück Nr. , berufen kann. Dieser Berufung auf seine formal bestehende Eigentümerstellung könnte der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen. Denn nach dem Akteninhalt hat der Kläger das Grundstück wohl nur deshalb erworben, um sich damit eine Klagemöglichkeit gegen das von ihm abgelehnte und vorliegend angefochtene Vorhaben zu verschaffen. Dies stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber eine unzulässige Rechtsausübung dar.
47Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht der Hinweis eines von einem derartigen Vorhaben Betroffenen auf seine Eigentümerstellung zwar in aller Regel aus, um im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aufzuzeigen. Grundsätzlich unerheblich ist auch, aus welchen Beweggründen ein Kläger das Eigentum an einem Grundstück erworben hat. Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn das Eigentum nur deshalb erworben worden ist, um die Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die nach dem Rechtsschutzsystem der VwGO einem Eigentümer vorbehalten ist.
48Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 1985 - 4 C 40.83 -, juris Rn. 21,vom 27. Oktober 2000 - 4 A 10.99 -, juris Rn. 19 f., vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris Rn. 42, und vom 25. Januar 2012 - 9 A 6/10 -, juris Rn. 13.
49Wird die dingliche Rechtsstellung letztlich nur vorgeschoben, um der Sache nach im Wege der Prozessstandschaft fremde Abwehrrechte zu verteidigen, so erschöpft sich ihr materieller Gehalt in einer bloßen Scheinposition. Davon ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände ohne Weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung, welche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein über das Führen eines erwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist.
50Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2000 - 4 A 10.99 -, juris Rn. 20, und vom 25. Januar 2012 - 9 A 6/10 -, juris Rn. 13.
51Die gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu sog. "Sperrgrundstücken" vorgebrachten grundsätzlichen Einwände hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. Januar 2012 zurückgewiesen. Die mit dieser Rechtsprechung verbundenen Einschränkungen der Klagemöglichkeiten von Grundstückseigentümern fänden ihren Grund in der durch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen subjektiv-rechtlichen Konzeption des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt (§ 42 Abs. 2 und § 113 VwGO). § 42 Abs. 2 VwGO eröffne nur der Verletztenklage den Zugang zur sachlichen Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die Verwaltungsgerichte und beschränke damit gleichzeitig inzident die Reichweite der Kontrolle der Gerichte gegenüber der Verwaltung. Mit dieser für das Verwaltungsstreitverfahren tragenden Systementscheidung habe sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine allgemeine Gesetzmäßigkeitskontrolle im Wege der Interessentenklage entschieden. Eine solche sei außerhalb des Regelungsbereichs des Art. 19 Abs. 4 GG angesiedelt und setze daher eine besondere gesetzliche Zulassung voraus. Für anerkannte Natur- und Umweltschutzvereinigungen seien die gesetzlichen Grundlagen für solche auf eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ausgerichteten Klagen zwischenzeitlich geschaffen worden (vgl. § 64 BNatSchG, § 2 UmwRG). Diese natur- und umweltschutzrechtlichen Verbandsklagen träten neben den subjektiv-rechtlichen Rechtsschutz, erweiterten ihn aber nicht.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6/10 -, juris Rn. 15.
53Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu sog. "Sperrgrundstücken" im Ergebnis gebilligt. Soweit es in seinem Urteil vom 17. Dezember 2013 (- 1 BvR 3139/08 - Garzweiler II) in einem Fall, in dem das Eigentum an dem (potentiellen) "Sperrgrundstück" erst nach der Zulassung des Rahmenbetriebsplans und damit zu einem Zeitpunkt erworben worden war, zu dem die Inanspruchnahme des Grundstücks für das Vorhaben faktisch festgestanden hatte, die auf Art. 14 GG gestützte Beschwerdebefugnis anerkannt hat, folgt hieraus nichts anderes.
54Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 153 ff.
55Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit die zur Frage der Klagebefugnis ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes lediglich dargestellt, nicht jedoch deren Unvereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie festgestellt. Hierzu bestand auch kein Anlass, weil es für die Frage der Beschwerdebefugnis nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes hierauf nicht ankam. Angesichts dessen wird die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zum Sperrgrundstück auch nach der sog. Garzweiler II - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nach wie vor von den Instanz- und Obergerichten angewendet.
56Vgl. u.a. Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - 9 N 14.2326-, juris Rn. 44; OVG Lüneburg, Urteil vom 11. Juni 2014 - 13 LB 176/11 -, juris Rn. 50 ff.; VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 10. Juli 2014 - 4 K 1105/13.NW -, juris Rn. 13.; vgl. auch Uschkereit in Pausch/Hoffmann, VwVfG, Kommentar, 1. Auflage 2016, § 74 Rn. 118; kritisch: Kment, Keine unzulässige Rechtsausübung bei Erwerb sog. Sperrgrundstücke?, NVwZ 2014, 1566.
57Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.
58Vorliegend ist zwar nicht zweifelhaft, dass der Kläger an dem Grundstück vollumfänglich Eigentum erworben hat. Seine Eigentümerstellung stellt sich daher auch nicht als bloß "formale Hülle" ohne substanziellen Inhalt dar.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2000 - 4 A 10.09 -, juris Rn. 22.
60Er hat aber trotz seiner uneingeschränkten Eigentümerstellung wohl kein über die Prozessführung hinausgehendes Interesse an der erworbenen Rechtsstellung. Grund für den Erwerb des Grundstücks war dem Akteninhalt nach nämlich wohl allein dessen Lage im voraussichtlichen Abbaugebiet des Tagebaus Hambach und die damit - nach Ansicht des Klägers - verbundene Möglichkeit, den Klageweg auch gegen den hier angegriffenen 3. Rahmenbetriebsplan beschreiten zu können, um das weitere Fortschreiten des Tagebaus zu verhindern.
61Der Kläger hat sich zu dem Hinweis auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes in der mündlichen Verhandlung und auf weiteres Befragen zu den Motiven für den Grundstückskauf zwar nicht mehr geäußert, weil er sich "überrannt" gefühlt habe. Aus dem Akteninhalt und bei verständiger Würdigung des gesamten Vorbringens des Klägers in einer Vielzahl der gegen die Verlegung der BAB A4 und die Braunkohlentagebaue, insbesondere den Tagebau Hambach, geführten Verfahren wird jedoch hinreichend deutlich, dass er das Grundstück nicht etwa landwirtschaftlich oder in anderer, üblichen Eigentümerinteressen entsprechender Weise nutzt, sondern allein als "Sperrgrundstück" für das abgelehnte Tagebauvorhaben vorhält. Der Kläger hat das Grundstück mit Kaufvertrag vom 22. November 2011 erworben. Das Eigentum wurde am 11. Januar 2012 ins Grundbuch eingetragen. Der hier angefochtene 3. Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Hambach datiert auf den 1. Dezember 2011. Es kann auch angesichts dieses Zeitablaufs kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der Kläger, der über den Tagebau Hambach und die von ihm ebenfalls angegriffene Verlegung der BAB A4 seit Jahren im Einzelnen informiert ist, der selbst in Kerpen lebt und dort als Steuerberater arbeitet, das Grundstück allein deshalb erworben hat, um noch vor Ablauf der Einwendungsfrist und Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplans eine rügefähige Rechtsposition einzunehmen. Eine landwirtschaftliche Nutzung des Wiesengrundstücks ist durch den Kläger zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Auch die von ihm in der Folgezeit vorgenommene Zur-verfügungstellung des Grundstücks für ein sog. Protestcamp von Gegnern des Tagebaus Hambach führt nicht zu der Annahme, der Kläger verfolge andere, vom Schutz der Eigentumsgarantie erfasste Ziele. Denn ungeachtet des Umstandes, dass die gegenwärtige Nutzung des Grundstücks nach dem (nicht rechtskräftigen) Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 21. Mai 2015 (5 K 1344/13) ohnehin baurechtswidrig sein dürfte, dient auch diese nicht etwaigen Eigentümerinteressen, die von Art. 14 GG geschützt sind, sondern allein der Verhinderung des Tagebaus. So hat der Kläger beispielsweise in seinem Schriftsatz vom 18. April 2013 an das Bauamt des Kreises Düren (Seite 9, vom Kläger als "Anlage K1167" bezeichnet) zu seinem Interesse an einer Aufrechterhaltung des "Protestcamps" ausgeführt:
62" Mein Interesse richtet sich im Wesentlichen gegen rechts-, sitten- und verfassungswidrige Strukturen und Organisationen in NRW, gegen die dadurch veranlassten ´tagebaubedingten´ Verlegungen der A4 und der Hambachbahn an den Ortsrand von Buir, gegen den trotz grundlegend geänderter Grundannahmen seit Jahrzehnten unveränderten Braunkohlenplan Teilplan 12/1 Hambach, gegen den 2. Rahmenbetriebsplan des Tagebau Hambach, gegen den ´Unrechtsstaat´ NRW im Verfahren gegen meinen Vater, meinen Bruder und mich persönlich, der an die ´Christenverfolgung im römischen Reich´ erinnert, dessen objektiver Tatbestand im Strafgesetzbuch als ´Verfolgung Unschuldiger´ charakterisiert wird und zurzeit federführend vom NRW-Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans persönlich angeführt und betrieben wird."
63Weiter hat er in diesem Schreiben hinsichtlich der Frage einer "negativen Vorbildwirkung" des Camps ausgeführt (Seite 17, vom Kläger als "Anlage K1175" bezeichnet):
64" Soweit bekannt, dürfte es in Morschenich kaum einen anderen Grundstückseigentümer geben, dessen Grundstück im Abbaugebiet des beabsichtigten Tagebaus liegt und der form- und fristgerecht Einwendungen gegen den beabsichtigten Tagebau nach dem 3. Rahmenbetriebsplan erhoben hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jedenfalls nicht in diesem Umfange.
65Aus dieser Lage resultiert die Symbolkraft, die das Grundstück als Zeichen des Protestes und des Widerstandes für das Recht der freien Meinungsäußerung hat. Andere Grundstückseigentümer im (Gebiet) des 3. Rahmenbetriebsplanes Hambach könnten eine vergleichbare Symbolwirkung für ihr Grundstück nur dann erreichen, wenn sie gleichfalls entsprechende Einwendungen erhoben hätten; denn nur dann hätten sie die Möglichkeit, ihren Protest und Widerstand gegen die Genehmigung des 3. Rahmenbetriebsplanes Hambach auf dem Rechtswege ggf. auch durch(zu)setzen…
66Aus diesen Erwägungen resultieren Alleinstellungsmerkmale, die kein anderes Grundstück im Kreis Düren haben dürfte,…"
67Entsprechend hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 16. November 2015 an das Oberverwaltungsgericht NRW zum Verfahren 7 A 1668/15 ausgeführt (Seite 12, vom Kläger als "Anlage K445a" bezeichnet):
68" Die Wiese kann insoweit ´symbolisch´ als Bedeutungsträger dafür betrachtet werden, dass der Hambacher Forst im Bereich des 3. Rahmenbetriebsplanes Hambach noch nicht endgültig verloren ist…
69Bleibt somit die Wiese bestehen, bleibt auch der Hambacher Forst bestehen…"
70Wie aufgezeigt ist aber eine hinter dem Eigentumserwerb stehende alleinige Verhinderungsmotivation,
71vgl. insoweit auch die sinngemäße Wiedergabe eines Interviews des Klägers im Süddeutsche Zeitung Magazin vom 28. Oktober 2016 für den Artikel "Am Abgrund", S. 21: "Gegen die Autobahn kommt man nur an, verstand er, wenn man den Grund für ihre Verlegung angreift: den Tagebau. Den Rahmenbetriebsplan 3, der dessen Ausweitung legitimiert. Dazu braucht man eine Klagebefugnis. Als ein Landwirt ihm von einer Wiese am Loch erzählte, wusste Claßen: wenn er diese Wiese kaufen und vor der Einwendungsfrist gegen den neuen Rahmenbetriebsplan am 28. Februar 2012 ins Grundbuch eintragen lassen würde, wäre er direkt vom Tagebau betroffen. Die wollen dann nicht nur die Wiese kaputt machen. Er ist dann die Wiese. Die wollen ihn kaputt machen.",
72nicht schutzwürdig und dürfte hier dazu führen, dass der Kläger sich trotz seiner formal bestehenden Eigentümerstellung auf eine Verletzung seines Eigentums durch das Vorhaben nicht mit Erfolg berufen kann. Das Grundeigentum dient ihm nämlich wohl allein als Mittel, um eine Interessentenklage im Gewand der Verletztenklage erheben zu können. Das ist systemwidrig und rechtfertigt den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne einer Umgehung des Gesetzes.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 9 A 6/10 -, juris Rn. 16.
74Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit Blick auf den erst im Termin erfolgten Hinweis auf die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zum "Sperrgrundstück" die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt hat, hat die Kammer keine Veranlassung gesehen, die mündliche Verhandlung zu vertagen oder dem Kläger einen Schriftsatznachlass zu gewähren, um ihm Gelegenheit zu geben, zu dem Hinweis Stellung zu nehmen. Wird einem Beteiligten infolge unterbliebener Vertagung die Möglichkeit abgeschnitten, sich sachgemäß und erschöpfend zu äußern, so wird hierdurch zwar das gebotene rechtliche Gehör unzulässig verkürzt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter im Termin mit Tatsachen- oder Rechtsfragen konfrontiert wird, mit denen er sich ohne weitere Vorbereitung nicht kompetent auseinandersetzen kann.
75Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. August 2016 - 4 B 25.16 -, juris Rn. 9, vom 27. Mai 2008 - 4 B 42/07 -, juris Rn. 19, vom 28. April 2008 - 4 B 47.07 -, juris Rn. 22 m.w.N., und vom 6. März 1992 - 4 CB 2.91 -, juris Rn. 10 ff.
76Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung überfordert gewesen sein könnte, zu seinen Motiven für den Grundstückskauf vorzutragen, ist aber nicht erkennbar. Insofern war er zu Beginn der mündlichen Verhandlung durchaus in der Lage - auf eigenen Wunsch "außerhalb des Protokolls" - mitzuteilen, er habe mit dem Grundstücks-kauf ursprünglich auch das Ziel verfolgt, auf dem Grundstück Obstbäume anzupflanzen. Auch habe er den Grundstückskauf als Spekulationsgeschäft bzw. Kapitalanlage angesehen, weil er davon ausgegangen sei, dass die Beigeladene ihm das Grundstück später zu einem deutlich über dem Marktpreis liegenden Verkaufspreis abkaufen werde. Diese Erklärungen haben zwar - auf Wunsch des Klägers - keinen Eingang ins Protokoll gefunden, können von der Kammer aber gleichwohl berücksichtigt werden. Allerdings bewertet die Kammer die angeblichen weiteren Motive für den Grundstückskauf als Schutzbehauptungen. Zwar musste der Kläger zu diesem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, als die Kammer auf die Problematik des Sperrgrundstücks noch nicht hingewiesen hatte, (noch) nicht zwingend von einer Relevanz der Erwerbsmotivation für das Verfahren ausgehen. Andererseits gibt es bei der Vielzahl der vom Kläger in den verschiedenen Verfahren getätigten Äußerungen keinerlei Hinweise auf derartige Kaufmotive. Der Kläger hat sie auch offensichtlich nicht umgesetzt. Weder hat er das Grundstück zu irgendeiner Zeit durch den Anbau von Obstbäumen landwirtschaftlich genutzt, noch hat er bislang ein Interesse am Verkauf seines Grundstückes signalisiert. Angesichts der Symbolwirkung, die der Kläger diesem Grundstück beimisst, ist ein Verkaufswunsch auch nicht naheliegend.
77Im Übrigen bestätigt auch der Versuch des Klägers, dem BUND Landesverband NRW e.V. dessen Grundstück Gemarkung N1. , Flur , Flurstück , abzukaufen, weil dies im Bereich der neuen Trasse der BAB A4 liege und er sich hierdurch eine Verbesserung der Erfolgsaussichten in einem von ihm geführten Beschwerdeverfahren beim OVG NRW verspreche (vgl. das Schreiben des Klägers an den BUND Landesverband NRW e.V. vom 5. Oktober 2014, Bl. 20 der Gerichtsakte, vom Kläger als Anlage "K2" benannt), die alleinige Verhinderungsmotivation des Klägers:
78" Das Eigentum an einem Grundstück nördlich der bestehenden A4 ist notwendige Voraussetzung für den Erfolg der einstweiligen Anordnung. Es könnte nämlich dann vorgebracht werden, dieses Grundstück könne aus rechtlichen Gründen nicht enteignet werden, ohne dieses Grundstück könne der Tagebau Hambach nördlich der A4 nicht mehr weiterbetrieben und die alte A4 könne und müsse für den Tagebau nicht in Anspruch genommen werden. Die alte A4 könne da bleiben, wo sie ist, die Inbetriebnahme der neuen A4 sei nicht mehr notwendig.
79Aus diesem Grunde bin ich in höchstem Maße an dem Kauf Ihres vorgenannten Grundstücks interessiert. Vorzugsweise sollte dies so rechtzeitig erfolgen, dass dieser Umstand noch im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden kann."
80Dies spricht für sich. Letztlich kann die Kammer hier aber mit Rücksicht darauf, dass der Kläger signalisiert hat, sich vom Gericht "überrannt" gefühlt zu haben und in seinen Möglichkeiten, sich mit dieser Rechtslage auseinanderzusetzen und sich hierzu sachgemäß zu äußern, beschränkt worden zu sein, dahinstehen lassen, ob die Klage bereits unzulässig ist.
81Denn die Klage ist jedenfalls unbegründet.
82Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die begehrte gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit des Zulassungsbescheides vom 12. Dezember 2014 noch auf dessen hilfsweise geltend gemachte Aufhebung oder Abänderung. Denn die angefochtene Entscheidung des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
83Bei der gerichtlichen Überprüfung der Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplanes ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zu Grunde zu legen. Insbesondere ist ein solcher Betriebsplan, auch wenn er auf eine gewisse Geltungsdauer ausgelegt ist, kein sog. Dauerverwaltungsakt, bei dessen Überprüfung auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen wäre.
84Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. November 2015 - 11 A 3048/11 -, juris R. 60, 62.
85Dies vorausgeschickt liegen die Voraussetzungen für die Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplanes hier vor. Die materiell-rechtlichen Angriffe des Klägers verfangen nicht.
86Rechtsgrundlage für die angefochtene Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplans ist § 55 Abs. 1 BBergG. Danach ist die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 BBergG - zu diesen gehören nach § 52 Abs. 2a und 2b BBergG auch Rahmenbetriebspläne - zu erteilen, wenn
87- 88
1. für die im Betriebsplan vorgesehene Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen die erforderliche Berechtigung nachgewiesen ist,
- 90
2. nicht Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
a) der Unternehmer, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften eine der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, die erforderliche Zuverlässigkeit und, falls keine unter Buchstabe b fallende Person bestellt ist, auch die erforderliche Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt,
92b) eine der zur Leitung oder Beaufsichtigung des zuzulassenden Betriebes oder Betriebsteiles bestellten Personen die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt,
93- 94
3. die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, dass die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden,
- 96
4. keine Beeinträchtigung von Bodenschätzen, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, eintreten wird,
- 98
5. für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs Sorge getragen ist,
- 100
6. die anfallenden Abfälle ordnungsgemäß verwendet oder beseitigt werden,
- 102
7. die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß getroffen ist,
- 104
8. die erforderliche Vorsorge getroffen ist, dass die Sicherheit eines nach den §§ 50 und 51 zulässigerweise bereits geführten Betriebes nicht gefährdet wird,
- 106
9. gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind.
§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBergG gilt dabei nicht bei Rahmenbetriebsplänen (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 BBergG).
108Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zulassungsentscheidung bestehen nicht. Fehler sind weder vom Kläger geltend gemacht noch bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung erkennbar.
109Die Zulassungsentscheidung ist auch materiell nicht zu beanstanden.
110Die vom Kläger gegen die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen in materieller Hinsicht erhobenen Bedenken sind nicht über § 55 Abs. 1 Satz 1 BBergG berücksichtigungsfähig. Die dort normierten Voraussetzungen gewähren, soweit sie hier in Frage kommen, keinen Nachbarschutz. So erfasst § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG, wonach die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, dass die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes aufgrund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden, nicht Sachgüter Dritter außerhalb des Betriebes des Bergbauunternehmens. Ebenso wenig kommt § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG zum Tragen, wonach die Zulassung des Betriebsplanes davon abhängt, dass gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind. Auch diese Norm hat nicht die individuellen Interessen einzelner im Auge, sondern das objektive Gemeinwohlinteresse. Der zu verhindernde Schaden muss in einem solchen Umfang drohen, dass er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt. Wegen dieser hohen Schwelle gewährleistet die Bestimmung aus sich heraus keinen Nachbarschutz.
111Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. November 2015 - 11 A 3048/11 -, juris Rn. 70, 73.
112Auch ein Verstoß gegen § 48 BBergG liegt nicht vor. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG erweitert die Befugnisse der Bergbehörde im Betriebsplanzulassungsverfahren. Liegen bereits bei der Entscheidung der Bergbehörde über die Zulassung eines eingereichten Betriebsplans Umstände vor, die der Bergbehörde Anlass zur Beschränkung oder Untersagung der Aufsuchung oder Gewinnung geben, so hat sie dies bei ihrer Entscheidung über die Aufsuchung oder Gewinnung zu berücksichtigen.
113Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Juli 2016 - 7 B 43.15 -, juris Rn. 20, und vom 11. Mai 2015 - 7 B 18.14 -, juris Rn. 19.
114Nach § 48 Abs. 1 BBergG bleiben Rechtsvorschriften unberührt, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind. Bei Anwendung dieser Vorschriften ist dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Nach § 48 Abs. 2 BBergG kann in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15 BBergG, unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
115Der für die Betriebsplanzulassung erhebliche § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG entfaltet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zugunsten des Grundstückseigentümers drittschützende Wirkung.
116Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 - 7 C 11.05 -, juris Rn. 16; ebenso OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2007 - 11 A 1194/02 -, juris Rn. 54.
117Ein Tagebauvorhaben widerspricht dem öffentlichen Interesse im Sinne des § 48 Abs. 2 BBergG, wenn bereits bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans erkennbar ist, dass die Verwirklichung des Vorhabens daran scheitern muss, dass die dafür erforderliche Inanspruchnahme des Eigentums privater Dritter nicht durch Belange des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist.
118Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 - 7 C 11.05 -, juris Rn. 19.
119Ausgehend davon, dass bei großflächigen Tagebauen für Grundstücke, die im Plangebiet liegen, mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplans die Vorentscheidung über ihre künftige Inanspruchnahme fällt, schützt Art. 14 Abs. 1 GG Eigentümer bereits dann vor einer solchen Zulassung, wenn erkennbar ist, dass ihr Gründe entgegenstehen, die auch spätere Entscheidungen über Grundabtretungen notwendig zu Fall bringen müssten. Der mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplans verbundene Eingriff in das Eigentum der Grundstückseigentümer ist daher nur gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen einer Enteignung für den Tagebau jedenfalls dem Grunde nach erfüllt sind. Nicht geboten ist indessen, dass sämtliche Anforderungen an eine rechtmäßige Enteignung im Einzelfall vorliegen, denn die Zulassung des Rahmenbetriebsplans ist noch keine Enteignung.
120Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 280.
121Die Rahmenbetriebsplanzulassung für einen Tagebau ist danach gegenüber dem betroffenen Grundstücks- oder sonstigen Wohneigentümer mit Blick auf die dadurch dem Grunde nach legitimierte künftige Enteignung nur dann mit Art. 14 GG vereinbar, wenn das mit dem Tagebauvorhaben verfolgte Gemeinwohlziel sich aus einer hinreichend präzisen, gesetzlichen Gemeinwohlbestimmung ableiten lässt, das Vorhaben zur Erreichung des Gemeinwohlziels vernünftigerweise geboten ist, die Zulassungsentscheidung nicht in einem Entscheidungsfindungsprozess zustande gekommen ist, der verfassungsrechtliche Mindestanforderungen verfehlt, und die Zulassung vertretbar auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtabwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange erfolgt.
122Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 281.
123Ausgehend hiervon vermag die Kammer eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplanes für den Tagebau Hambach nicht festzustellen.
124Mit dem Abbau von Braunkohle wird ein gesetzlich hinreichend bestimmtes und ausreichend tragfähiges Gemeinwohlziel umgesetzt.
125Das Bundesverfassungsgericht hat schon mehrfach die überragende Bedeutung der Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwohl betont. Es hat dabei die Sicherung der Energieversorgung durch geeignete Maßnahmen als öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung bezeichnet und die Energieversorgung zum Bereich der Daseinsvorsorge gerechnet, deren Leistung der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf. Die ständige Verfügbarkeit ausreichender Energiemengen ist zudem eine entscheidende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der gesamten Wirtschaft. Es ist zuallererst eine energiepolitische Entscheidung des Bundes und der Länder, mit welchen Energieträgern und in welcher Kombination der verfügbaren Energieträger sie eine zuverlässige Energieversorgung sicherstellen wollen. Hierbei steht ihnen ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zur Verfügung. Diese Entscheidung ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, wie etwa der Versorgungssicherheit bei Nutzung einer bestimmten Energiequelle, der aus ihrer Verwendung resultierenden Kosten für Wirtschaft und Verbraucher, ihrem Einfluss auf Klima- und Umweltschutz, den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt oder der gebotenen Rücksichtnahme auf europäische oder internationale Verpflichtungen. Bei der Gewichtung der einzelnen Faktoren haben Bund und Länder einen erheblichen Einschätzungsspielraum. Auch die Beurteilung des Zusammenspiels der verschiedenen Faktoren hängt wiederum von politischen Wertungen und in erheblichem Umfang von prognostischen Einschätzungen ab.
126Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 282, 286 f.
127Die Zukunft der deutschen Braunkohle in einer zunehmend von erneuerbaren Energieträgern geprägten Stromwirtschaft wird kontrovers diskutiert. Im Zuge der Energiewende und der angestrebten Dekarbonisierung des Energiesystems verändern sich die Rahmenbedingungen für die Verstromung fossiler Energieträger wie Braun- und Steinkohle, Erdgas und Erdöl. Insbesondere mit Blick auf die bei der fossilen Verbrennung entstehenden CO2-Emissionen wird auch die Rolle der Braunkohleverstromung innerhalb des künftigen Energiemixes unterschiedlich gesehen. Der Beklagte hat seiner Entscheidung über den streitgegenständlichen Zulassungsantrag eine Vielzahl hierzu vorgelegter, von ihm eingeholter und veröffentlichter Gutachten und Studien zur Zukunftsfähigkeit der Braunkohleverstromung zugrunde gelegt. Diese in insgesamt zehn Aktenordnern dokumentierten Studien (Anlage 3, Ordner 2 bis 11) decken die Bandbreite der zu dieser Frage vertretenen Meinungen unterschiedlicher Institutionen ab. Ein gemeinsamer Tenor dahin gehend, dass der Abbau von Braunkohle zur Sicherung der Energieversorgung aus Gründen des Gemeinwohls bereits ab dem Jahr 2020 nicht mehr notwendig sein wird, dass mithin kurzfristig auf die Braunkohle verzichtet und der erforderliche Energiebedarf über die übrigen Energieträger vollständig gedeckt werden kann oder jedenfalls gedeckt werden sollte, lässt sich den Studien nicht entnehmen, wenngleich unverkennbar allgemeiner Tenor der teilweise bis zum Jahr 2050 gerichteten Studien ist, dass die Bedeutung der Braunkohle rückläufig ist und möglicherweise für den Zeitraum ab 2030 eine Neubetrachtung erforderlich werden wird.
128Vgl. einerseits u.a. Gerbaulet/Egerer/Oei/von Hirschhausen, Abnehmende Bedeutung der Braunkohleverstromung: Weder neue Kraftwerke noch Tagebaue benötigt, DIW Wochenbericht Nr. 48.2012, 25 ff. (Anlage 3, Ordner 6); andererseits u.a. Deutsche Physikalische Gesellschaft, Elektrizität: Schlüssel zu einem nachhaltigen und klimaverträglichen Energiesystem, S. 58 f. (Anlage 3, Ordner 4); DEBRIV, Braunkohle in Deutschland 2013, S. 7 (Anlage 3, Ordner 5); Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Bedeutung und Rolle der Braunkohle in Deutschland, S. 18 ff. (Anlage 3, Ordner 9).
129Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Garzweiler II - Entscheidung bestätigt, dass die Einschätzung, dass der Abbau von Braunkohle in NRW ein im vorliegenden Zusammenhang ausreichend tragfähiges Gemeinwohlziel darstellt, auch für den Zeitraum 2020-2030 noch Bestand hat, und insoweit ausgeführt:
130" Die Entscheidung über den Widerspruch gegen die Zulassung des Rahmenbetriebsplans ist am 24. Februar 2000 ergangen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde grundsätzlich auch für das Bundesverfassungsgericht bei seiner Überprüfung maßgeblich.
131Selbst wenn man insoweit auf den Zeitpunkt des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2007 oder gar auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abstellen wollte, ergäbe sich nicht in durch das Bundesverfassungsgericht zu beanstandender Weise offensichtlich und eindeutig die Unhaltbarkeit der Entscheidung für das Tagebauvorhaben. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat im Verfahren der Verfassungsbeschwerde vorgetragen, dass die Braunkohle unter den derzeit gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen einen wesentlichen Beitrag zur deutschen und nordrhein-westfälischen Energieversorgung leiste. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Versorgungssicherheit und zur Preisstabilität bleibe sie in Nordrhein-Westfalen trotz der von ihr ausgehenden Umweltbelastungen auch für den Zeitraum 2020-2030 ein wesentlicher Bestandteil des angestrebten Energiemixes."
132Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 282, 286 f.
133Die Landesregierung NRW hat dem entsprechend auch in ihrer aktuellen "Leitentscheidung zur Zukunft des Rheinischen Braunkohlereviers / Garzweiler II - Eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier" vom 5. Juli 2016 ausdrücklich bestätigt, dass der Braunkohlenabbau im Rheinischen Revier weiterhin als erforderlich angesehen werde und insbesondere an den Abbaugrenzen der Tagebaue Inden und Hambach festzuhalten sei (Entscheidungssatz 1).
134Unter Berücksichtigung der energiepolitischen Komponente der Entscheidung für oder gegen die Braunkohle und des weiten Gestaltungs- und Einschätzungsspielraums des Landes NRW, mit welchen Energieträgern und in welcher Kombination der verfügbaren Energieträger eine zuverlässige Energieversorgung in NRW im Zeitraum bis zum Jahr 2030 sichergestellt werden soll, ist es im Ergebnis daher nicht zu beanstanden, dass das Land NRW dem Braunkohleabbau auch für den vorliegend relevanten Zeitraum (noch) eine hohe Bedeutung für die Sicherung der Energieversorgung beimisst.
135Der Braunkohletagebau Hambach ist auch erforderlich für das Erreichen des Gemeinwohlziels, durch die Gewinnung und Verstromung von Braunkohle einen wesentlichen Beitrag zu dem nach der maßgeblichen energiepolitischen Entscheidung angestrebten Energiemix für das Land Nordrhein-Westfalen und für die Bundesrepublik Deutschland zu leisten. Für die Erforderlichkeit des Tagebaus Hambach genügt dabei, dass er zum Wohl der Allgemeinheit vernünftigerweise geboten ist. Das ist der Fall, wenn die Braunkohlengewinnung aus diesem Tagebau einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels der sicheren Stromenergieversorgung in erster Linie für das Land Nordrhein-Westfalen, aber auch für die Bundesrepublik Deutschland zu leisten in der Lage ist. Die Unverzichtbarkeit gerade dieses Tagebaus für die Energieversorgung verlangt Art. 14 Abs. 3 GG dagegen nicht.
136Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 299.
137Die Stromerzeugung der Beigeladenen von etwa 70 TWh p.a. deckt ausweislich des Akteninhalts mehr als 40 % des Strombedarfes in NRW und etwa 12 % des Gesamtstrombedarfs in der Bundesrepublik, wobei die Verstromung der im Tagebau Hambach gewonnenen Braunkohle insoweit etwa 40 % dieses Stroms liefert. Der Tagebau stellt mit einer für den Zeitraum 2020 bis 2030 für das Abbaugebiet prognostizierten Jahresfördermenge von bis zu 45 Mio. Tonnen nach den nicht widerlegten Angaben der Beigeladenen den leistungsfähigsten Tagebau im Rheinischen Braunkohlenrevier dar. Damit steht außer Zweifel, dass der Tagebau Hambach einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels der sicheren Stromenergieversorgung leistet.
138Vgl. u.a. EEFA, Bedeutung der rheinischen Braunkohle - sektorale und regionale Beschäftigungs- und Produktionseffekte, S. 8 ff. (Anlage 3, Ordner 8); vgl. insoweit auch BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 300 (zu Garzweiler II).
139Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es - wie aufgezeigt - nicht darauf an, dass der Tagebau Hambach für die Stromerzeugung des Landes Nordrhein-Westfalen unverzichtbar ist. Ins Leere geht daher auch sein Einwand, ausweislich der veröffentlichten Energiedaten NRW 2011 seien in NRW 178,0 TWh Strom erzeugt, aber nur 138,0 TWh Strom verbraucht worden, weshalb es zu einer Überproduktion von 40,0 TWh Strom gekommen und der Tagebau Hambach, dessen rechnerisch ermittelte Stromerzeugungsmenge sich geschätzt auf ca. 15,7 TWh belaufe, für die Stromerzeugung in NRW nicht mehr notwendig sei. Eine derartige Betrachtung liefe auf die Überprüfung einer Unverzichtbarkeit des konkreten Tagebaus hinaus. Diese ist aber gerade nicht erforderlich.
140Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 299.
141Die vom Kläger in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge,
142- 143
1. zum Nachweis der Tatsache, in welchem Umfang nach diesen Maßstäben der Braunkohletagebau Hambach zur Sicherung der Stromversorgung erforderlich ist, Beweis über die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erheben, die vorstehend aufgeführt wurden,
- 145
2. zum Nachweis der Tatsache, in welchem Umfang nach diesen Maßstäben die aus der Braunkohle des Tagebaus Hambach gewonnenen anderen Energiearten, wie z.B. Briketts, Braunkohlestaub etc., zur Sicherung der Stromversorgung erforderlich sind, Beweis über die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erheben, die vorstehend aufgeführt wurden,
- 147
3. zum Nachweis der Tatsache, dass und in welchem Umfang eine Regulierung der Gewinnung von Braunkohle aus dem Tagebau Hambach erforderlich ist, Beweis zu erheben darüber, in welchem Umfang an welchen und an wie vielen Tagen, Wochen, Monaten eines repräsentativen Zeitraumes welche Menge von Braunkohle aus dem Tagebau Hambach zur Sicherstellung der Stromversorgung erforderlich war und welche tatsächlich zu Stromversorgung gewonnen wurde,
betreffen im Wesentlichen die Frage, in welchem Umfang die im Tagebau Hambach abgebaute Braunkohle und deren Veredelungsprodukte für die Sicherung der Energieversorgung verzichtbar sind. Hierauf kommt es aber nach den zuvor dargelegten Grundsätzen gerade nicht an, weshalb die Beweisanträge, ungeachtet der Frage, ob mit Blick auf die fehlende Benennung eines bestimmten Beweismittels und einer bestimmten Beweistatsache überhaupt beachtliche Beweisanträge vorlagen, bereits mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen waren.
149Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2007 - 11 A 1194/02 -, juris Rn. 79.
150Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit des Tagebaus Hambach für die Sicherung der Energieversorgung in NRW handelt es sich, wie dargelegt, im Übrigen um eine Prognoseentscheidung, die dem Beklagten einen weiten, insbesondere auch von politischen Überlegungen geleiteten Einschätzungsspielraum eröffnet und dem Beweis daher ohnehin nicht zugänglich ist. Überdies sind die Beweisanträge, soweit sie auf die Ermittlung einer Tatsachengrundlage gerichtet sind, die der Kläger für maßgeblich im Rahmen der Beurteilung der Erforderlichkeit des Tagebaus Hambach hält, unsubstantiiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts braucht die Tatsacheninstanz Beweisanträgen, die - wie hier - "ins Blaue hinein" Behauptungen aufstellen und so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken könnte, aber nicht nachzugehen.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 C 1/07, 9 C 1/07 (10 C 11/05) -, juris Rn. 22, und Beschluss vom 29. März 1995 - 11 B 21/95 -, juris Rn. 4 m.w.N.
152Soweit der Zulassungsentscheidung des Beklagten und seiner Prognose, dass der Tagebau Hambach auch im Zeitraum 2020 bis 2030 für die Sicherung der Energieversorgung in NRW erforderlich sein wird, tatsächliche Feststellungen zur jährlichen Fördermenge und dem Anteil des mit der Braunkohle aus dem Tagebau Hambach erzeugten Stroms an der Gesamtstromerzeugung zugrunde lagen, hat der Kläger diese im Übrigen nicht substantiiert in Frage gestellt. Es bestand für die Kammer angesichts dessen auch von Amts wegen kein Bedürfnis, hinsichtlich dieser Tatsachengrundlage weitere Beweisermittlungen vorzunehmen.
153Die gesetzliche Ausgestaltung des Entscheidungsfindungsprozesses zur Zulassung eines Braunkohlentagebauvorhabens in Nordrhein-Westfalen weist schließlich unter den Gesichtspunkten einer klaren Verteilung von Entscheidungsverantwortung wie auch der verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein transparentes und klares Verfahren, wie sie sich aus rechtsstaatlichen Grundsätzen und den Vorgaben für einen effektiven Grundrechtsschutz ergeben, zwar Defizite auf. Gleichwohl genügen die Regelungen in der vom Bundesverwaltungsgericht gefundenen Deutung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes den Anforderungen an eine transparente und klare Ausgestaltung des Verfahrens und des materiellen Entscheidungsfindungsprozesses sowie an eindeutige Verantwortungszuweisungen.
154Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 301 und 303.
155Letztlich ist auch die erforderliche Gesamtabwägung im Fall des Tagebaus Hambach in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen worden. Die Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplanes für den Tagebau Hambach erweist sich im Ergebnis dieser Gesamtabwägung als verhältnismäßig.
156Da die Zulassung des Rahmenbetriebsplans unter anderem nur erfolgen darf, wenn nicht bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar ist, dass die Verwirklichung des Vorhabens daran scheitern muss, dass die dafür erforderliche Inanspruchnahme des Eigentums privater Dritter nicht durch Belange des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, ist auf die Klage von Eigentumsbetroffenen schon hier zu prüfen, ob die Voraussetzungen für Enteignungen nach Maßgabe einer Gesamtabwägung (also gesetzliche Bestimmung des Gemeinwohlziels, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des Vorhabens) erfüllt sind. Für Projekte, die - wie vorliegend - großflächige Umsiedlungsmaßnahmen zur Folge haben, sind dabei insbesondere auch das konkrete Ausmaß der Umsiedlungen und die mit ihnen für die verschiedenen Betroffenen verbundenen Belastungen sowie auch die getroffenen beziehungsweise möglichen Ausgleichsmaßnahmen näher in den Blick zu nehmen und sachhaltig zu würdigen.
157Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08, 1 BvR 31 BvR 3386/08 -, juris Rn. 318.
158Diese Abwägung ist hier im Ergebnis fehlerfrei vorgenommen worden. Der Beklagte hat die in diese Abwägung einzustellenden Belange nach Auffassung der Kammer vollständig berücksichtigt und im Ergebnis jedenfalls nachvollziehbar und plausibel untereinander und gegeneinander abgewogen. Mit Blick darauf, dass der Kläger hinreichend substantiierte Einwände gegen die Abwägungsentscheidung - abgesehen von seinen allgemeinen Angriffen gegen die politische Grundentscheidung zugunsten eines weiteren Abbaus von Braunkohle im Tagebau Hambach - auch nicht ansatzweise erhoben hat, wird zur weiteren Begründung und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die umfangreichen und im Ergebnis zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Zulassungsbescheid vom 12. Dezember 2014 (dort S. 340 ff.) Bezug genommen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
159Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Begehung "besonders schwerer Fälle von Umwelt- und sonstigen Straftaten" durch den Betrieb des Tagebaus Hambach rügt, liegen diese Einwände angesichts der Legalisierungswirkung der bislang ergangenen Zulassungsentscheidungen erkennbar neben der Sache. Ebenfalls vermag die Kammer die Relevanz der vom Kläger aufgestellten Behauptung, durch Täuschungshandlungen des Beklagten seien möglicherweise beachtliche Einwände, insbesondere etwa hinsichtlich des Hambachsees, nicht erhoben worden, ebenso wenig zu erkennen wie die von ihm ebenfalls behauptete und nach seiner Darstellung offenkundig fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beigeladenen, die Kosten der Wiederauffüllung des Tagebaurestloches und der Wiedernutzbarmachung der Landschaft zu tragen. Etwaige Fehler, die sich im Rahmen der Abwägungsentscheidung insoweit auswirken und zur Rechtswidrigkeit der Zulassungsentscheidung führen könnten, ergeben sich aus diesem Vortrag nach Aktenlage nicht. Dies gilt im Ergebnis auch für die von ihm behauptete Konnexität der Tagebaue Hambach und Garzweiler, die nicht hinreichend beachtet worden sei. Insoweit weist die Kammer nur ergänzend darauf hin, dass der Umstand, dass sich die genehmigten Laufzeiten der Tagebaue Hambach (bis 2030) und Garzweiler (bis 2045) nicht decken, gleichwohl aufgrund der Kohlequalitätsunterschiede und der Kapazitätsbeschränkung des Tagebaus Garzweiler eine teilweise faktische Abhängigkeit des Tagebaus Garzweiler vom Tagebau Hambach bestehen dürfte, nicht zur Rechtswidrigkeit der Zulassung der Tagebaue führt. Es besteht im Übrigen ohnehin auch künftig weiter die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Entscheidung(en) bei wesentlichen Änderungen der Prognose, auf der die Beurteilung der energiepolitischen Erforderlichkeit beruht.
160Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2007 - 11 A 1194/02, juris Rn. 134 (zur genehmigten Laufzeit des Tagebaus Garzweiler).
161Für den hier relevanten Zeitraum bis zum Jahr 2030 ist eine derartige Anpassung aber nach dem zuvor Gesagten nicht angezeigt.
162Der Zulassungsbescheid vom 12. Dezember 2014 erweist sich daher im Ergebnis als rechtmäßig, weshalb die Klage insoweit jedenfalls unbegründet ist.
1632. Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung um den auf die Feststellung der Nichtigkeit der Zulassungsentscheidung betreffend den Tagebau Garz-weiler, hilfsweise auf deren Aufhebung bzw. Abänderung gerichteten Klageantrag erweitert hat, handelt es sich um eine unzulässige Klageerweiterung.
164Bei der Erweiterung der Klage um einen neuen Sachantrag handelt es sich um eine nachträgliche Klagehäufung und damit um eine Klageänderung.
165Vgl. u.a. Schmid in: Sodann/Ziekow, VwGO, Kommentar, 4. Auflage 2014, § 91 Rn. 20.
166Eine Änderung der Klage ist aber gemäß § 91 Abs. 1 VwGO nur dann zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
167Die übrigen Beteiligten haben vorliegend der Klageänderung ausdrücklich widersprochen. Das Gericht hält die Klageänderung auch nicht für sachdienlich, weil durch sie ein neuer und bislang zwischen den Beteiligten nicht erörterter Streitgegenstand, namentlich die Zulassung(en) betreffend den Tagebau Garzweiler, ins Verfahren einbezogen werden soll und eine Zulassung der Klageerweiterung offenkundig zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte. Die Klageerweiterung ist damit unzulässig, so dass der Klageantrag zu 2. nicht rechtshängig geworden ist und die Kammer über diesen nicht zu entscheiden braucht.
168Die Klage ist mithin in vollem Umfang abzuweisen.
169Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene sich durch die Stellung eines Sachantrages einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen.
170Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
171Rechtsmittelbelehrung:
172Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Aachen (Adalbertsteinweg 92 im Justizzentrum, 52070 Aachen oder Postfach 10 10 51, 52010 Aachen) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte ‑ ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
173Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
174Die Berufung ist nur zuzulassen,
1751. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1762. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1773. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1784. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1795. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
180Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 63 09, 48033 Münster) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe ERVVO VG/FG einzureichen.
181Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
182Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für die Einleitung des Rechtsmittelverfahrens beim Verwaltungsgericht. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen sowie diesen gleichgestellte Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
183Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
184Roitzheim Hammer Houben
185B e s c h l u s s
186Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG auf 30.000,-- € festgesetzt. Die Kammer orientiert sich dabei mangels hinreichender Anhaltspunkte für das Wertinteresse des Klägers an Nr. 11.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013 und setzt für jedes der mit den beiden Klageanträgen geltend gemachte Klagebegehren jeweils 15.000,-- € fest.
187Rechtsmittelbelehrung:
188Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich, in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte ‑ ERVVO VG/FG) vom 7. November 2012 (GV. NRW S. 548) oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Aachen (Adalbertsteinweg 92 im Justizzentrum, 52070 Aachen oder Postfach 10 10 51, 52010 Aachen) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.
189Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129 a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
190Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
191Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,‑‑ Euro nicht übersteigt.
192Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
193War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 03. Nov. 2016 - 6 K 369/15
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Aachen Urteil, 03. Nov. 2016 - 6 K 369/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Grundabtretung ist im einzelnen Falle zulässig, wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dient, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden sollen, und der Grundabtretungszweck unter Beachtung der Standortgebundenheit des Gewinnungsbetriebes auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.
(2) Die Grundabtretung setzt voraus, daß der Grundabtretungsbegünstigte
- 1.
sich ernsthaft - a)
um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, insbesondere, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, unter Angebot geeigneter anderer Grundstücke aus dem eigenen Vermögen, oder - b)
um die Vereinbarung eines für die Durchführung des Vorhabens ausreichenden Nutzungsverhältnisses zu angemessenen Bedingungen
vergeblich bemüht hat und - 2.
glaubhaft macht, daß das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet werden wird.
(3) Die Abtretung eines Grundstücks, das bebaut ist oder mit einem bebauten Grundstück in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang steht und eingefriedet ist, setzt ferner die Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde voraus. Die Zustimmung darf nur aus überwiegenden öffentlichen Interessen unter Berücksichtigung der Standortgebundenheit des Vorhabens erteilt werden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Die Grundabtretung ist im einzelnen Falle zulässig, wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dient, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden sollen, und der Grundabtretungszweck unter Beachtung der Standortgebundenheit des Gewinnungsbetriebes auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.
(2) Die Grundabtretung setzt voraus, daß der Grundabtretungsbegünstigte
- 1.
sich ernsthaft - a)
um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, insbesondere, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, unter Angebot geeigneter anderer Grundstücke aus dem eigenen Vermögen, oder - b)
um die Vereinbarung eines für die Durchführung des Vorhabens ausreichenden Nutzungsverhältnisses zu angemessenen Bedingungen
vergeblich bemüht hat und - 2.
glaubhaft macht, daß das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet werden wird.
(3) Die Abtretung eines Grundstücks, das bebaut ist oder mit einem bebauten Grundstück in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang steht und eingefriedet ist, setzt ferner die Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde voraus. Die Zustimmung darf nur aus überwiegenden öffentlichen Interessen unter Berücksichtigung der Standortgebundenheit des Vorhabens erteilt werden.
(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht
- 1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist; - 2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt; - 3.
das Einvernehmen der Parteien allein.
(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für
- 1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen, - 2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 3.
(weggefallen) - 4.
Wechsel- oder Scheckprozesse, - 5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird, - 6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist, - 7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder - 8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Tenor
-
1. Auf die Beschwerde des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 29. Dezember 2015 - 10 Sa 32/15 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
-
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 6.731,00 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
-
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb. Der Kläger ist seit 1989 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängern als Tankwart und Verkäufer angestellt. Der Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe ihn mehrfach bestohlen, indem er Brezeln und Croissants ohne Bezahlung verzehrt habe, was durch Videoaufzeichnungen belegt werde. Das Landesarbeitsgericht hat die bis dahin zur Akte gereichten Videoaufzeichnungen in öffentlicher Verhandlung in Augenschein genommen. In dieser Verhandlung erklärte der Beklagte, aus einem weiteren Video ergebe sich, dass der Kläger am 22. November 2014 eine Schokoladenpraline an sich genommen und sich in diesem Zusammenhang umgeschaut habe. Dieses Video war auf einem USB-Stick gespeichert. Auch dieses Video wurde noch am selben Tag von der Kammer in Anwesenheit der Parteien in Augenschein genommen. Diese Inaugenscheinnahme erfolgte ausweislich des Protokolls der Verhandlung in seiner auf Antrag des Beklagten berichtigten Fassung im Dienstzimmer des Vorsitzenden Richters der erkennenden Kammer. Auf der Terminsrolle erfolgte kein Hinweis auf die Verlegung des Verhandlungsorts.
- 2
-
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.
- 3
-
II. Der von der Beschwerde geltend gemachte absolute Revisionsgrund der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit (§ 547 Nr. 5 ZPO iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG) liegt vor. Das führt zur Aufhebung des anzufechtenden Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (zur analogen Anwendung von § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes vgl. BAG 5. Juni 2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 35, BAGE 148, 206).
- 4
-
1. Gemäß § 52 Satz 1 ArbGG sind die Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht öffentlich. Das gilt ausdrücklich auch für die Beweisaufnahme. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese im Wege der Rechtshilfe vor dem beauftragten oder ersuchten Richter erfolgt (Kissel/Mayer GVG 8. Aufl. § 169 Rn. 9, 11; Düwell/Lipke/Kloppenburg ArbGG 4. Aufl. § 52 Rn. 5).
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2. Der Grundsatz der Öffentlichkeit, der zu den Prinzipien demokratischer Rechtspflege gehört und in § 169 Satz 1 GVG niedergelegt ist, verlangt, dass jedermann bei der Sitzung anwesend sein kann(BAG 19. Februar 2008 - 9 AZN 777/07 - Rn. 8; BGH 6. Oktober 1976 - 3 StR 291/76 - zu I 1 der Gründe, BGHSt 27, 13). Erforderlich ist weiter, dass sich jeder Interessierte ohne besondere Schwierigkeit Kenntnis von Ort und Zeit der Sitzung verschaffen kann (vgl. BVerfG 5. Juli 2006 - 2 BvR 998/06 - Rn. 6; BGH 22. Januar 1981 - 4 StR 97/80 - zu A II 3 a der Gründe). Wird eine Verhandlung oder Beweisaufnahme an einem anderen Ort als dem Sitzungssaal fortgesetzt, ist deshalb sicherzustellen, dass auch unbeteiligte Personen Ort und Zeit der Weiterverhandlung ohne besondere Schwierigkeiten erfahren können (BGH 22. Januar 1981 - 4 StR 97/80 - zu A II 3 a der Gründe). Welche Anforderungen dabei zu stellen sind, hängt vom Einzelfall ab. Im Regelfall ist es zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit jedoch erforderlich, dass Ort und Zeit des neuen Verhandlungsorts in öffentlicher Sitzung verkündet und durch einen Hinweis am Gerichtssaal bekannt gemacht werden. Nur so ist im Allgemeinen sichergestellt, dass sich auch beliebige Zuhörer, die erst nach der Verkündung der Verlegung des Verhandlungsorts im Gerichtsgebäude erscheinen, über Ort und Zeit der Weiterverhandlung informieren können (vgl. BVerfG 10. Oktober 2001 - 2 BvR 1620/01 - Rn. 6; BGH 22. Januar 1981 - 4 StR 97/80 - zu A II 3 b der Gründe; weiter gehend Kissel/Mayer GVG 8. Aufl. § 169 Rn. 49: Aushang auch am neuen Verhandlungsort).
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3. Nach diesen Grundsätzen war der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht bereits durch die Fortsetzung der Beweisaufnahme im Dienstzimmer des Vorsitzenden der Kammer verletzt. Ausweislich des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 7. Juni 2016 über die Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2015 wäre es möglich gewesen, dass neben den Mitgliedern der erkennenden Kammer und den Prozessbeteiligten Zuhörer in das Dienstzimmer Einlass gefunden hätten. Das impliziert - ohne dass dem die Beschwerde entgegentritt -, dass das Zimmer dafür den erforderlichen Platz geboten hätte. Die räumlichen Verhältnisse standen damit der Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht entgegen (vgl. dazu BGH 10. November 1953 - 5 StR 445/53 - BGHSt 5, 75; Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 169 GVG Rn. 10). Aus dem Beschluss ergibt sich weiter, dass ein Zugang möglich gewesen wäre, die Tür zum Dienstzimmer also unverschlossen war (zu diesem Erfordernis vgl.: BVerfG 5. Juli 2006 - 2 BvR 998/06 - Rn. 10; MünchKommZPO/Zimmermann 4. Aufl. § 169 GVG Rn. 58).
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4. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist aber verletzt, weil keine hinreichende Informationsmöglichkeit unbeteiligter potentieller Zuhörer über Ort und Zeit der Fortsetzung der Inaugenscheinnahme der Videoaufnahmen im Dienstzimmer des Vorsitzenden gegeben war.
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a) Nach vorstehenden Grundsätzen reichte entgegen der im Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 7. Juni 2016 geäußerten Ansicht die Verkündung der Verlegung des Orts der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nicht aus, um die Informationsmöglichkeit der Öffentlichkeit sicherzustellen.
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b) Die vom Beschwerdegegner angeführte Möglichkeit, dass sich potentielle Zuhörer bei den im Sitzungssaal verbliebenen Zuhörern oder der Geschäftsstelle der Kammer Kenntnis von Ort und Zeit der Fortsetzung der Beweisaufnahme hätten verschaffen können, stellt nach dem Normzweck des § 169 GVG die Öffentlichkeit nicht hinreichend sicher. Umstände des Einzelfalls, die eine andere Wertung bedingten, liegen nicht vor.
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aa) Der Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme soll eine der öffentlichen Kontrolle entzogene Geheimjustiz verhindern. Vor allem dient die Gerichtsöffentlichkeit jedoch der Kontrolle der Justiz durch die Möglichkeit der Allgemeinheit, die Verhandlung zu beobachten. Sachfremde, „das Licht der Öffentlichkeit scheuende Umstände“ sollen keinen Einfluss auf das Gericht und dessen Urteil gewinnen können. Die sachfremde Beeinflussung des Gerichts soll verhindert werden. Letztlich dient das Gebot der Öffentlichkeit durch seine Kontrollfunktion damit auch der Verfahrensfairness (BVerfG 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14 - Rn. 22 ff.; 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 88 f., BVerfGE 133, 168).
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bb) Die Öffentlichkeit kann ihre Kontrollfunktion aber nur ausüben, wenn sie ohne besondere Schwierigkeit davon Kenntnis erlangen kann, an welcher Stelle im Gericht oder außerhalb des Gerichts die Verhandlung stattfindet. Das Erfordernis einer Nachfrage an der Gerichtspforte oder auf der Geschäftsstelle ist mit dieser Kontrollfunktion allenfalls dann vereinbar, wenn es sich um gerichtliche Vorgänge außerhalb der eigentlichen Verhandlung wie eine öffentliche Auslosung von Schöffen handelt, an der seitens der Öffentlichkeit erfahrungsgemäß nur geringes Interesse besteht (vgl. BVerfG 5. Juli 2006 - 2 BvR 998/06 - Rn. 9), oder wenn die Verhandlung in den späten Abendstunden erfolgt, in denen typischerweise mit interessierten Zuhörern nicht mehr zu rechnen ist (vgl. BGH 22. Januar 1981 - 4 StR 97/80 - zu A II 3 b der Gründe; kritisch gegenüber derartigen Ausnahmen Kissel/Mayer GVG 8. Aufl. § 169 Rn. 47). Geht es dagegen wie vorliegend um die Verlegung einer am Vormittag und damit zu einer für Gerichtsverhandlungen üblichen Zeit stattfindenden Beweisaufnahme als zentraler Bestandteil der Verhandlung und gerichtlichen Entscheidungsfindung, ist zumindest ein für jedermann erkennbarer Hinweis, dass und wo die Beweisaufnahme stattfindet bzw. fortgesetzt wird, am Eingang des Sitzungssaals zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit unentbehrlich (allgemeine Auffassung: GMP/Germelmann 8. Aufl. § 52 Rn. 3; GK-ArbGG/Schütz Stand März 2013 § 52 Rn. 4; Kissel/Mayer § 169 Rn. 49 [weiter gehend: auch Aushang am neuen Verhandlungsort erforderlich]; Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 169 GVG Rn. 24 [abhängig von Umständen des Einzelfalls weitere Hinweise am Eingang des Gerichtsgebäudes bzw. im Bereich vor den planmäßigen Sitzungssälen erforderlich]; MünchKommZPO/Zimmermann 4. Aufl. § 169 GVG Rn. 55, 58; Stein/Jonas/Jacobs ZPO 22. Aufl. § 169 GVG Rn. 20).
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cc) Ein Hinweis auf der „Tagesordnung“ (Terminsrolle) auf die Verlegung der Fortsetzung der Beweisaufnahme in das Dienstzimmer des Vorsitzenden war entgegen der vom Landesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 7. Juni 2016 vertretenen Auffassung auch nicht unmöglich. Ein solcher Hinweis hätte ohne Weiteres durch einen handschriftlichen Zusatz auf der Terminsrolle oder auf einem zusätzlich daneben angebrachten Blatt erfolgen können.
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dd) Der vorliegende Fall belegt, dass die vom Beschwerdegegner angenommene Erkundigungsmöglichkeit die erforderliche Kenntnis der Öffentlichkeit, dass und wo die öffentliche Verhandlung erfolgt bzw. fortgesetzt wird, nicht sicherstellen kann.
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(1) Weder aus dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 7. Juni 2016 noch aus dem Vortrag des Beschwerdegegners ergibt sich, dass der Vorsitzende die Geschäftsstelle der Kammer oder andere Gerichtsbedienstete überhaupt von der Verlegung des Verhandlungsorts informiert hatte. Etwaige Nachfragen potenzieller Zuhörer dort wären also ins Leere gegangen. Unabhängig davon ist offenkundig, dass eine Nachfrage bei der Geschäftsstelle der Kammer oder anderen Gerichtsbediensteten nur erfolgen kann, wenn der potenzielle Zuhörer Grundkenntnisse der Abläufe bei Gericht hat und darum überhaupt vermuten kann, von diesen Personen eine Information über den Verhandlungsort erhalten zu können. Die Gerichtsöffentlichkeit ist aber nur gewahrt, wenn auch gänzlich gerichtsunkundige Zuhörer die Möglichkeit haben, Zutritt zur öffentlichen Verhandlung zu erhalten (vgl. Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 169 GVG Rn. 19). In Fällen wie dem vorliegenden wird aber selbst ein gerichtskundiger interessierter Zuhörer, der einen leeren Sitzungssaal vorfindet, ohne weiteren Hinweis am Eingang des Gerichtssaals von der Beendigung bzw. Unterbrechung der Verhandlung ausgehen und darum von Erkundigungen, ob und wo die Verhandlung an einer anderen Stelle fortgesetzt wird, absehen. Das gilt umso mehr, als eine solche Fortsetzung jedenfalls bei Arbeitsgerichten völlig unüblich ist.
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(2) Dem lässt sich auch nicht mit dem Hinweis des Beschwerdegegners begegnen, potentielle Zuhörer hätten sich auch bei den im Sitzungssaal verbliebenen Zuhörern erkundigen können. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass Letztere wussten, wo das Dienstzimmer des Vorsitzenden ist. Darüber hinaus ist es nicht die Aufgabe im Gerichtssaal verbliebener Unbeteiligter, potentielle Zuhörer über den Ort des Fortgangs der Verhandlung zu informieren, sondern des Gerichts selbst. Die Öffentlichkeit ist nicht Verpflichtete, sondern Adressatin des Gebots der Öffentlichkeit.
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5. Der Feststellung des gerügten absoluten Revisionsgrundes steht das Protokoll des Landesarbeitsgerichts vom 28. Oktober 2015, das mit „Niederschrift über die öffentliche Sitzung“ überschrieben ist, nicht entgegen. Auf Antrag des Beschwerdeführers ist das Protokoll berichtigt worden. Daraus ergeben sich nunmehr ungeachtet der Überschrift die Tatsachen, aus denen die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes folgt (vgl. BAG 13. November 2007 - 3 AZN 414/07 - Rn. 4).
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6. Der Beschwerdeführer hat auch nicht auf die Rüge des absoluten Revisionsgrundes des § 547 Nr. 5 ZPO verzichtet, weil er die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht bereits in der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2015 gerügt, sondern weiterverhandelt hat.
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a) Ausgehend vom Zweck des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann auf dessen Einhaltung im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verzichtet werden, § 295 Abs. 2 ZPO(vgl. für das zivilgerichtliche Verfahren: RG 4. Mai 1938 - VI 17/38 - zu 2 der Gründe, RGZ 157, 341; Kissel/Mayer GVG 8. Aufl. § 169 Rn. 58; MünchKommZPO/Zimmermann 4. Aufl. § 169 GVG Rn. 24 ff.; Zöller/Lückemann ZPO 31. Aufl. § 169 GVG Rn. 13; MünchKommZPO/Prütting § 295 Rn. 16; Stein/Jonas/Jacobs ZPO 22. Aufl. § 169 GVG Rn. 12). Soweit der Bundesfinanzhof für das finanzgerichtliche Verfahren (seit 24. August 1990 - X R 45-46/90 - BFHE 161, 427; zuletzt 30. November 2009 - I B 111/09 -) und das Bundessozialgericht für das sozialgerichtliche Verfahren (28. März 2000 - B 8 KN 7/99 R - zu (1) der Gründe) eine abweichende Auffassung vertreten, beruht dies darauf, dass das Prinzip der Öffentlichkeit in diesen Verfahrensordnungen abgeschwächt ist.
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b) Aus der Möglichkeit, auf die Parteiöffentlichkeit bei der Inaugenscheinnahme (BGH 22. März 2012 - I ZR 192/10 - Rn. 10) sowie gemäß § 128 Abs. 2 ZPO auf die mündliche Verhandlung zu verzichten, folgt nichts anderes. Die Durchführung des schriftlichen Verfahrens führt zwar als Rechtsreflex dazu, dass die Öffentlichkeit nicht teilnimmt (Stein/Jonas/Jacobs ZPO 22. Aufl. § 169 GVG Rn. 12; allgemein zum Verhältnis der Möglichkeit des Verzichts auf die mündliche Verhandlung zur Garantie der Öffentlichkeit Stein/Jonas/Leipold § 128 Rn. 5). Das gilt aber nur dann, wenn ein schriftliches Verfahren tatsächlich angeordnet ist. Wird dagegen wie vorliegend mündlich verhandelt und die Beweisaufnahme in dieser öffentlichen Verhandlung durchgeführt, hat die Öffentlichkeit Anspruch auf weiteren Zugang zu diesem Verfahren auch dann, wenn die Beweisaufnahme an einem anderen Ort in Anwesenheit der Parteien fortgesetzt wird. In dieser Situation ist der Grundsatz der Öffentlichkeit der Parteidisposition entzogen.
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7. Dem Erfolg der Beschwerde steht nicht entgegen, dass sie die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht aufgezeigt hat und die Tatsachenwürdigung des Landesarbeitsgerichts in einem zugelassenen Revisionsverfahren nur beschränkt überprüfbar wäre. Das Gesetz stellt mit der Einordnung einer Verletzung der Vorschrift über die Öffentlichkeit als absoluten Revisionsgrund eine unwiderlegbare Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung auf (MünchKommZPO/Zimmermann 4. Aufl. § 169 GVG Rn. 66).
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III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen.
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Fischermeier
Gallner
Krumbiegel
Kreis
Lauth
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 44 Kassel - Herleshausen im Teilabschnitt Helsa-Ost bis Hessisch Lichtenau-West (VKE 12). Er ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck darin besteht, Bürger und politische Mandatsträger in Kreis, Land und Bund für einen die Umwelt schonenden, die Gesundheit der Bevölkerung und die Belange der Autofahrer zwischen Kassel und Eisenach berücksichtigenden Weiterbau der A 44 zu gewinnen.
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Die neue Autobahn soll eine Lücke im Autobahnnetz auf der Achse Ruhrgebiet - Kassel - Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Das Bundesministerium für Verkehr bestimmte mit Erlass vom 15. Dezember 1998 die Linie der A 44, die weitgehend der heutigen Vorzugsvariante entspricht. Die Gesamtplanung gliedert sich in zehn als Verkehrskosteneinheiten (VKE) bezeichnete Planungsabschnitte. Die östlich an die VKE 12 anschließende VKE 20 ist in Bau, die daran nach Osten anschließende VKE 31 steht bereits unter Verkehr. Die westlich an die VKE 12 anschließende VKE 11 befindet sich im Planfeststellungsverfahren.
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Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 25. März 1999 von der Gemeinde Kaufungen ein 2 577 qm großes landwirtschaftlich genutztes Grundstück in der Gemarkung Niederkaufungen (Flur 22, Flurstück 7) zum Preis von 4 DM pro qm, insgesamt 10 308 DM. Das seit 1982 an einen Landwirt verpachtete Grundstück liegt im Bereich der VKE 11 und soll nach dem gegenwärtigen Planungsstand im Umfang von 1 107 qm für die Autobahntrasse in Anspruch genommen werden.
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Auf Antrag des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel vom 20. Februar 2007 leitete das Regierungspräsidium Kassel das Planfeststellungsverfahren für die VKE 12 ein. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 und 8. September 2008 rügte der Kläger unter Hinweis auf seine Grundeigentumsbetroffenheit in der VKE 11 insbesondere die Trassenauswahl als fehlerhaft.
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Mit Beschluss vom 12. November 2009 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 44 im Abschnitt der VKE 12 fest und wies die Einwendungen des Klägers zurück.
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Am 25. Februar 2010 hat der Kläger gegen den durch Auslegung vom 11. bis 25. Januar 2010 öffentlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Zur Begründung der Zulässigkeit der Klage trägt er im Wesentlichen vor: Er sei klagebefugt, obwohl sein Grundstück nicht in dem hier umstrittenen Planfeststellungsabschnitt liege. Seine rechtliche Betroffenheit ergebe sich daraus, dass durch die vorgenommene Abschnittsbildung ein Zwangspunkt gesetzt werde, durch den die Inanspruchnahme seines Grundstücks in der VKE 11 unausweichlich werde. Aus welchen Beweggründen er das Grundstück erworben habe, sei unerheblich; dies gelte auch dann, wenn es sich um ein "Sperrgrundstück" handele, das dazu diene, den Planfeststellungsbeschluss angreifen zu können. Das Grundstück sei nicht nur als "formale Hülle" zum Zweck der Prozessführung, sondern zum vollen Verkehrswert erworben worden, um dort weiterhin eine landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Schon das Interesse an einer Vermeidung einer Beeinträchtigung des Pachtobjekts durch Immissionen genüge, um die Klagebefugnis zu bejahen.
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Der Kläger beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 12. November 2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Klage für unzulässig, weil der Kläger das Grundstück in der Gemarkung Kaufungen nicht wegen der mit dem Eigentum verbundenen Gebrauchsmöglichkeiten, sondern allein deshalb erworben habe, um die formalen Voraussetzungen für eine Prozessführung zu erlangen, die dem Eigentümer vorbehalten sei. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss führe auch nicht unausweichlich zur Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers in der VKE 11.
Entscheidungsgründe
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Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VerkPBG für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Der Zuständigkeit steht die in § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkPBG enthaltene Befristung des Gesetzes bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006 nicht entgegen, weil nach § 24 Abs. 1 Satz 2 FStrG i.V.m. § 11 Abs. 2 VerkPBG maßgeblich ist, dass hier vor dem genannten Stichtag ein Linienbestimmungsverfahren stattgefunden hat, so dass die Planung als vor diesem Zeitpunkt begonnen gilt und nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen ist (vgl. Beschluss vom 30. März 2007 - BVerwG 9 VR 7.07 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 17 Rn. 2).
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Die Anfechtungsklage ist unzulässig. Der Kläger, der sich nicht auf ein Verbandsklagerecht nach § 64 BNatSchG oder § 2 UmwRG beruft und dem ein solches auch nicht zusteht, ist nicht klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
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1. Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Klagebefugnis im vorliegenden Verfahren nicht auf den in seinem Eigentum stehenden Grundbesitz in der Gemeinde Kaufungen berufen. Der von dem Beklagten erhobene Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung, nämlich dass der Kläger das im geplanten Trassenverlauf der VKE 11 liegende Grundstück nur deshalb erworben hat, um sich damit eine Klagemöglichkeit gegen das von ihm mit dieser Linienführung abgelehnte Planvorhaben zu verschaffen, greift durch.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht der Hinweis eines Planbetroffenen auf seine Eigentümerstellung zwar in aller Regel aus, um im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aufzuzeigen. Grundsätzlich unerheblich ist auch, aus welchen Beweggründen ein Kläger das Eigentum an einem Grundstück erworben hat. Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber dann gerechtfertigt, wenn das Eigentum nur deshalb erworben worden ist, um die Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die nach dem Rechtsschutzsystem der VwGO einem Eigentümer vorbehalten ist (vgl. Urteile vom 12. Juli 1985 - BVerwG 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15 <16>, vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 10.99 - BVerwGE 112, 135 <137> und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 <286>). Davon ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände ohne Weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung, welche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein über das Führen eines erwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 138). Dies ist hier der Fall.
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Unstreitig hat der Kläger allerdings an dem im geplanten Trassenverlauf der VKE 11 belegenen Grundstück zum Verkehrswert vollumfänglich Eigentum erworben. Seine Eigentümerstellung stellt sich daher nicht als bloß "formale Hülle" ohne substanziellen Inhalt dar (zu einer derartigen Fallgestaltung s. Urteil vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 138 f.). Er hat aber trotz seiner uneingeschränkten Eigentümerstellung kein über die Prozessführung hinausgehendes Interesse an der erworbenen Rechtsstellung. Grund für den Erwerb des Grundstücks war allein dessen Lage im voraussichtlichen Trassenverlauf des sich an den planfestgestellten Abschnitt anschließenden Abschnitts der Neubautrasse (VKE 11) und die damit - nach Ansicht des Klägers - verbundene Möglichkeit, den Klageweg auch gegen den hier angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zu beschreiten, um seinen Vorstellungen über die richtige Trassenwahl gerichtlich Geltung zu verschaffen. Dies legen nicht nur der Zeitpunkt des Kaufes unmittelbar nach der Festlegung der Trasse im Linienbestimmungsverfahren sowie das von Anfang an fehlende Gebrauchsinteresse des Klägers und die fehlende Wirtschaftlichkeit des Erwerbes nahe, sondern ist auch durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Diese haben erklärt, zwar sei auch beabsichtigt gewesen, das Grundstück in seiner landwirtschaftlichen Nutzung und damit als Teil der vorhandenen Landschaft zu schützen, es sei aber klar, dass der Kläger das Grundstück nie erworben hätte, wenn es nicht in dem voraussichtlichen Trassenverlauf des anschließenden Abschnitts liegen würde und damit als Sperrgrundstück geeignet wäre.
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Die von dem Kläger und von Stimmen in der Literatur (vgl. Masing, NVwZ 2002, 810; Knödler, NuR 2001, 194) gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Sperrgrundstücken vorgebrachten grundsätzlichen Einwände überzeugen den Senat nicht. Die mit dieser Rechtsprechung verbundenen Einschränkungen der Klagemöglichkeiten von Grundstückseigentümern finden ihren Grund in der durch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen subjektiv-rechtlichen Konzeption des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt (§ 42 Abs. 2 und § 113 VwGO; s. auch Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 <264>). § 42 Abs. 2 VwGO eröffnet nur der Verletztenklage den Zugang zur sachlichen Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die Verwaltungsgerichte und beschränkt damit gleichzeitig inzident die Reichweite der Kontrolle der Gerichte gegenüber der Verwaltung (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand September 2011, § 42 Abs. 2 Rn. 16). Mit dieser für das Verwaltungsstreitverfahren tragenden Systementscheidung hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine allgemeine Gesetzmäßigkeitskontrolle im Wege der Interessentenklage entschieden. Eine solche ist außerhalb des Regelungsbereichs des Art. 19 Abs. 4 GG angesiedelt und setzt daher eine besondere gesetzliche Zulassung voraus (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <82>). Für anerkannte Naturschutz- und Umweltschutzvereinigungen sind die gesetzlichen Grundlagen für solche auf eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ausgerichteten Klagen zwischenzeitlich geschaffen worden (vgl. § 64 BNatSchG, § 2 UmwRG). Diese natur- und umweltschutzrechtlichen Verbandsklagen treten neben den subjektiv-rechtlichen Rechtsschutz, erweitern ihn aber nicht.
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Mit seiner auf das zum Zweck der Prozessführung erworbene Grundstück gestützten Klage versucht der Kläger, diese verwaltungsprozessualen Zusammenhänge zu überspielen. Das Grundeigentum dient ihm allein als Mittel, um eine Interessentenklage im Gewand der Verletztenklage erheben zu können. Das ist systemwidrig und rechtfertigt den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne einer Umgehung des Gesetzes (vgl. Urteil vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 103.80 - Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1 S. 4). Auch die Ausübung prozessualer Rechte unterliegt dem Gebot von Treu und Glauben mit der Folge, dass die Befugnis zur Anrufung der Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen sein kann (BVerfG, Entscheidung vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255.67 - BVerfGE 32, 305 <309>; Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <88 f.>). Dies gilt auch für prozessuale Rechte, die zum Schutz subjektiver Rechte geschaffen worden sind (Beschluss vom 18. Dezember 1989 - BVerwG 4 NB 14.89 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 44). Soweit der Kläger dagegen einwendet, der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes sei ein formalisierter, der die konkrete Eigentumsposition unabhängig von der Motivation beim Erwerb schütze, übersieht er zum einen, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht betroffen ist, wenn die Geltendmachung der mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse im Einzelfall wegen des Vorliegens besonderer Umstände als rechtsmissbräuchlich angesehen wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. November 1989 - 1 BvR 1377/89 - DB 1990, 414; vgl. auch Kammerbeschluss vom 10. November 1988 - 1 BvR 1215/88 - juris). Zum anderen beachtet er nicht, dass ihm die Geltendmachung und Durchsetzung der ihm aus Art. 14 Abs. 1 GG zukommenden Rechte nur in Bezug auf die Planfeststellung verwehrt ist, er aber im Übrigen an der Geltendmachung der Eigentümerbefugnisse und ihrer gerichtlichen Durchsetzung nicht gehindert ist.
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Mit seinem Vorbringen, ihm sei es mit dem Kauf des Grundstücks auch darum gegangen, die vorhandene landwirtschaftliche Nutzung zu sichern, vermag der Kläger ein über die Prozessführung hinausgehendes Interesse an dem Grundeigentum ebenfalls nicht zu begründen. Der Schutz der Natur oder auch nur der vorhandenen Landwirtschaft gehört ausweislich der Satzung des Klägers nicht zu den von ihm verfolgten Vereinszwecken. Vereinszweck ist vielmehr, Bürger und politische Mandatsträger "für den Weiterbau der A 44 zu gewinnen", um die Voraussetzungen für eine nachhaltige Förderung der Wirtschaft in Nordhessen und Thüringen zu schaffen. Nur im Zusammenhang mit dieser Zielsetzung ist in der Satzung des Klägers von der Schonung der Umwelt als weiterem Ziel die Rede. Die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen oder der Landschaft wird als eigenständiges Haupt- oder Nebenziel nicht erwähnt. Abgesehen davon betrifft das Interesse des Klägers am Erhalt des Grundstücks in seinem gegenwärtigen Zustand das Grundstück als Teil der - nach Auffassung des Klägers - von der Trasse zu verschonenden Landschaft. Es unterliegt damit ebenfalls dem Einwand, dass es nur dem Zweck dient, die Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die dem Kläger nach dem Rechtsschutzsystem der VwGO nicht zusteht.
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Die Ermittlung der Motivlage beim Eigentumserwerb durch Vereine und andere Personenvereinigungen scheitern auch nicht - wie der Kläger einwendet - daran, dass die Motive der einzelnen Mitglieder von Personenmehrheiten heterogen sein können. Für die rechtliche Beurteilung kommt es insoweit auf den satzungsgemäßen Zweck der Vereinigung, auf Beschlussfassungen der Mitgliedervertretungen und auf die Motive der vertretungsberechtigten Organe an und nicht auf die Ansichten der einzelnen Mitglieder.
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Aus den von dem Kläger befürchteten mittelbaren Beeinträchtigungen seines Grundeigentums durch Verkehrsimmissionen des Vorhabens lässt sich eine Klagebefugnis ebenfalls nicht herleiten. Steht der Klagebefugnis der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, gilt dies auch für mittelbare Beeinträchtigungen, die mit dem Vorhaben verbunden sein mögen. Inwieweit etwas anderes gelten könnte, falls der Eigentümer eines Sperrgrundstücks nicht im Wege der Anfechtungsklage ein von ihm abgelehntes Vorhaben oder eine bestimmte Trassenentscheidung bekämpft, sondern im Wege der Verpflichtungsklage lediglich ergänzende Schutzauflagen für sein Eigentum geltend macht, bedarf keiner abschließenden Klärung. Der Kläger hat einen solchen Antrag nicht - auch nicht hilfsweise - gestellt, sondern wendet sich vielmehr gegen das Vorhaben insgesamt.
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2. Dem Kläger fehlt unabhängig von den Erwägungen zu 1 die Klagebefugnis auch deswegen, weil weder die Inanspruchnahme seines Grundstücks im Folgeabschnitt unausweichlich ist noch er dargetan hat, dass sein Grundstück zwangsläufig in rechtswidriger Weise durch Straßenverkehrsimmissionen belastet werden wird. Der Kläger kann daher nicht vorbeugend geltend machen, bereits durch den planfestgestellten Abschnitt gegenwärtig in seinen Rechten verletzt zu sein.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Eigentümer gegen eine heranrückende Planung, die sein Grundstück noch nicht unmittelbar betrifft, zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig dazu führen muss, dass er in seinen Rechten betroffen wird (vgl. Urteile vom 26. Juni 1981 - BVerwG 4 C 5.78 - BVerwGE 62, 342 und vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115; Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92). Dadurch soll der künftig notwendig Rechtsbetroffene zur Sicherung seines effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen bewahrt werden (vgl. Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 S. 21). Eine solche vorbeugende Klagemöglichkeit ist auch demjenigen eröffnet, der geltend machen kann, es hätte eine andere Trasse gewählt werden müssen, weil sein im Folgeabschnitt liegendes und nicht durch das Vorhaben selbst in Anspruch genommenes Grundstück jedenfalls unvermeidbar und in rechtswidriger Weise durch von der Straße ausgehende Verkehrsimmissionen belastet werde (Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
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Das nördliche Ende der Trasse im angegriffenen Planfeststellungsabschnitt legt den Trassenverlauf im folgenden Teilabschnitt nicht derart fest, dass eine Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers unvermeidbar ist. Wie auch der Kläger nicht in Frage stellt, sind in der VKE 11 außer der Vorzugsvariante, durch die sein Grundstück in Anspruch genommen werden wird, noch mindestens zwei weitere Trassenvarianten denkbar, die sein Grundeigentum nicht berühren. Insbesondere bei der Trassenführung durch den sogenannten Zwischenkorridor würde die geplante Autobahn an der Anschlussstelle Kaufungen Mitte nach Süden abknicken und an keiner Stelle des Trassenverlaufs in die Nähe des Grundstücks des Klägers kommen. Dass der Vorhabenträger im Bereich der VKE 11 nach dem gegenwärtigen Planungsstand nicht dem Zwischenkorridor den Vorzug gibt, sondern der linienbestimmten Trasse folgt, durch die das Grundstück des Klägers teilweise in Anspruch genommen wird, ändert an der Beurteilung nichts. Denn die Entscheidung für die das Grundstück des Klägers querende Vorzugsvariante ist Folge eines Abwägungsprozesses zwischen den verschiedenen in der VKE 11 möglichen Trassenführungen und nicht zwingende Folge des in der VKE 12 festgelegten Trassenverlaufs.
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-
Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Aussicht auf Realisierung der vom Kläger bevorzugten, durch den Söhrekorridor führenden und am Kasseler Kreuz endenden Trassenvariante bei einer Bestätigung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses weiter verringert wird. Ein "Zurück" des Trassenverlaufs in der VKE 11 auf die weit südlich des Endes der VKE 12 verlaufenden Trassenvarianten durch das Söhretal entspräche erkennbar keiner vernünftigen Planungskonzeption. Damit entfaltet der angegriffene Planfeststellungsbeschluss für die Variantenauswahl im anschließenden Teilabschnitt zwar insoweit eine Vorwirkung, als er die dort noch in Betracht kommenden Varianten reduziert und damit die planerische Gestaltungsfreiheit einengt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, an die Annahme eines Zwangspunktes geringere Anforderungen zu stellen. Die vorverlagerte Rechtsschutzmöglichkeit soll den Betroffenen vor vollendeten Tatsachen schützen, nicht jedoch der Planfeststellungsbehörde das Risiko rechtsfehlerhafter Planfeststellung abnehmen. Für die anzustellende Alternativenprüfung macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob das Vorhaben auf der Grundlage eines einzigen Planfeststellungsbeschlusses oder in mehreren Etappen ausgeführt werden soll. Die Aufspaltung in Abschnitte kann nicht dazu führen, dass die Frage einer besser geeigneten Alternative gar nicht oder allenfalls im Rahmen des auf das vorangehende Teilstück beschränkten Planfeststellungsverfahrens aufgeworfen werden kann. Auch bei schrittweiser Planverwirklichung verengt sich die Alternativenprüfung nicht auf die Prüfung, inwieweit die geschaffenen Zwangspunkte noch Variationsspielräume lassen. Zwangspunkte erzeugen keine strikten Bindungen in dem Sinne, dass sie in die weitere Planung als feste Determinanten einzustellen sind. Auch wenn sie tendenziell desto stärker zu Buche schlagen mögen, je weiter sich die Planung von Abschnitt zu Abschnitt verfestigt, behalten sie die Qualität eines im Wege der Abwägung überwindbaren Belangs und muss die Planung in jedem Stadium dem Einwand standhalten, einem anderen Lösungskonzept unterlegen zu sein (Beschlüsse vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - NVwZ 1993, 887 <888 f.>, vom 10. November 2000 - BVerwG 4 B 47.00 - NVwZ 2001, 800 <800 f.> und vom 14. Juli 2005 - BVerwG 9 VR 23.04 - juris Rn. 6).
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Auch mit der Rüge, die erst im Planfeststellungsverfahren vorgenommene Aufspaltung des ursprünglich die VKE 11 und die VKE 12 umfassenden Planungsabschnitts 1 in zwei Teilabschnitte habe zu einer übermäßigen Parzellierung geführt, die eine rechtlich kontrollierbare Gesamtabwägung nicht mehr sinnvoll zulasse, vermag der Kläger seine Klagebefugnis nicht zu begründen. Dass eine Abschnittsbildung auch dann rechtswidrig sein kann, wenn sie objektiv geeignet ist, die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutzmöglichkeiten wegen übermäßiger "Parzellierung" des Planungsverlaufs praktisch unmöglich zu machen (vgl. Beschluss vom 26. Juni 1992 - BVerwG 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 89), erweitert die vorbeugenden Rechtsschutzmöglichkeiten des durch den Trassenverlauf erst in einem Folgeabschnitt voraussichtlich Betroffenen nicht. Stellt das Ende des vorangehenden Teilabschnitts keinen Zwangspunkt im oben genannten Sinne dar, besteht keine Notwendigkeit, vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren. Ob eine rechtswidrige, weil die Gesamtplanung übermäßig parzellierende Abschnittsbildung vorliegt, kann der Betroffene in einem Klageverfahren gegen den späteren, ihn in seinen Rechten unmittelbar berührenden Abschnitt vollumfänglich prüfen lassen.
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Der Kläger kann seine Klagebefugnis gegen den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss schließlich auch nicht darauf stützen, dass sein Grundstück bei den durch den Lossekorridor führenden Varianten zumindest mittelbar durch Straßenverkehrsimmissionen betroffen sein werde. Abgesehen davon, dass es mit Blick auf die mögliche Variante durch den Zwischenkorridor schon an einer Unvermeidbarkeit der Beeinträchtigung durch Immissionen fehlt, wäre auch bei einer unausweichlich in der Nähe des Grundstücks verlaufenden Trasse die substantiierte Darlegung erforderlich, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss zwangsläufig in rechtswidriger Weise das Grundstück des Klägers belasten wird (vgl. Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris Rn. 20). Denn regelmäßig können Beeinträchtigungen von Grundstücken durch Luftschadstoffe oder Lärmbelästigungen durch entsprechende Schutzmaßnahmen (z.B. Schutzwände, Schutzpflanzungen, Schutzstreifen) verhindert bzw. auf ein verträgliches Maß reduziert werden, weshalb Mängel des Planfeststellungsbeschlusses wegen fehlender oder unzureichender Schutzauflagen in der Regel nicht zu einem Anspruch auf Planaufhebung führen, den der Kläger mit seiner Klage ausschließlich verfolgt (vgl. Urteile vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <133 f.> und vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <84>). Hinsichtlich der Luftschadstoffe kommt hinzu, dass die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung des Vorhabens ist und vom Kläger nicht dargetan oder sonst ersichtlich ist, dass die Verwirklichung des Vorhabens die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu verwirklichen (vgl. Urteile vom 26. Mai 2004 - BVerwG 9 A 6.03 - BVerwGE 121, 57 <61>, vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <28> und vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 115). Soweit der Kläger sich auf Lärmbeeinträchtigungen seines Grundstücks beruft, übersieht er zudem, dass für sein im Außenbereich gelegenes, ausschließlich landwirtschaftlich genutztes und nutzbares Grundstück die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umweltauswirkungen nicht gelten und für eine die gegenwärtige landwirtschaftliche Nutzung ausschließende Lärmbelastung nicht im Ansatz etwas dargetan oder sonst erkennbar ist.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Eine anerkannte Naturschutzvereinigung kann, soweit § 1 Absatz 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nicht entgegensteht, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen gegen Entscheidungen nach § 63 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und Absatz 2 Nummer 4a bis 7, wenn die Vereinigung
- 1.
geltend macht, dass die Entscheidung Vorschriften dieses Gesetzes, Rechtsvorschriften, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, Naturschutzrecht der Länder oder anderen Rechtsvorschriften, die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, widerspricht, - 2.
in ihrem satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, soweit sich die Anerkennung darauf bezieht, berührt wird und - 3.
zur Mitwirkung nach § 63 Absatz 1 Nummer 2 oder Absatz 2 Nummer 4a bis 5 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihr keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist; dies gilt auch für die Mitwirkung nach § 63 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 Nummer 6, sofern für ein solches Planfeststellungsverfahren eine Anwendung des Bundesnaturschutzgesetzes nicht nach § 1 Absatz 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ausgeschlossen ist.
(2) § 1 Absatz 1 Satz 3 und 4, § 2 Absatz 3 Satz 1 und § 5 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes gelten entsprechend.
(3) Die Länder können Rechtsbehelfe von anerkannten Naturschutzvereinigungen auch in anderen Fällen zulassen, in denen nach § 63 Absatz 2 Nummer 8 eine Mitwirkung vorgesehen ist.
(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung
- 1.
geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, - 2.
geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und - 3.
im Falle eines Verfahrens nach - a)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war; - b)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
(2) Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn
- 1.
sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt, - 2.
sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und - 3.
über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.
(3) Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen jedoch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.
(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit
- 1.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder - 2.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 44 Kassel - Herleshausen im Teilabschnitt Helsa-Ost bis Hessisch Lichtenau-West (VKE 12). Er ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck darin besteht, Bürger und politische Mandatsträger in Kreis, Land und Bund für einen die Umwelt schonenden, die Gesundheit der Bevölkerung und die Belange der Autofahrer zwischen Kassel und Eisenach berücksichtigenden Weiterbau der A 44 zu gewinnen.
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Die neue Autobahn soll eine Lücke im Autobahnnetz auf der Achse Ruhrgebiet - Kassel - Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Das Bundesministerium für Verkehr bestimmte mit Erlass vom 15. Dezember 1998 die Linie der A 44, die weitgehend der heutigen Vorzugsvariante entspricht. Die Gesamtplanung gliedert sich in zehn als Verkehrskosteneinheiten (VKE) bezeichnete Planungsabschnitte. Die östlich an die VKE 12 anschließende VKE 20 ist in Bau, die daran nach Osten anschließende VKE 31 steht bereits unter Verkehr. Die westlich an die VKE 12 anschließende VKE 11 befindet sich im Planfeststellungsverfahren.
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Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 25. März 1999 von der Gemeinde Kaufungen ein 2 577 qm großes landwirtschaftlich genutztes Grundstück in der Gemarkung Niederkaufungen (Flur 22, Flurstück 7) zum Preis von 4 DM pro qm, insgesamt 10 308 DM. Das seit 1982 an einen Landwirt verpachtete Grundstück liegt im Bereich der VKE 11 und soll nach dem gegenwärtigen Planungsstand im Umfang von 1 107 qm für die Autobahntrasse in Anspruch genommen werden.
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Auf Antrag des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel vom 20. Februar 2007 leitete das Regierungspräsidium Kassel das Planfeststellungsverfahren für die VKE 12 ein. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 und 8. September 2008 rügte der Kläger unter Hinweis auf seine Grundeigentumsbetroffenheit in der VKE 11 insbesondere die Trassenauswahl als fehlerhaft.
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Mit Beschluss vom 12. November 2009 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 44 im Abschnitt der VKE 12 fest und wies die Einwendungen des Klägers zurück.
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Am 25. Februar 2010 hat der Kläger gegen den durch Auslegung vom 11. bis 25. Januar 2010 öffentlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Zur Begründung der Zulässigkeit der Klage trägt er im Wesentlichen vor: Er sei klagebefugt, obwohl sein Grundstück nicht in dem hier umstrittenen Planfeststellungsabschnitt liege. Seine rechtliche Betroffenheit ergebe sich daraus, dass durch die vorgenommene Abschnittsbildung ein Zwangspunkt gesetzt werde, durch den die Inanspruchnahme seines Grundstücks in der VKE 11 unausweichlich werde. Aus welchen Beweggründen er das Grundstück erworben habe, sei unerheblich; dies gelte auch dann, wenn es sich um ein "Sperrgrundstück" handele, das dazu diene, den Planfeststellungsbeschluss angreifen zu können. Das Grundstück sei nicht nur als "formale Hülle" zum Zweck der Prozessführung, sondern zum vollen Verkehrswert erworben worden, um dort weiterhin eine landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Schon das Interesse an einer Vermeidung einer Beeinträchtigung des Pachtobjekts durch Immissionen genüge, um die Klagebefugnis zu bejahen.
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Der Kläger beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 12. November 2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Klage für unzulässig, weil der Kläger das Grundstück in der Gemarkung Kaufungen nicht wegen der mit dem Eigentum verbundenen Gebrauchsmöglichkeiten, sondern allein deshalb erworben habe, um die formalen Voraussetzungen für eine Prozessführung zu erlangen, die dem Eigentümer vorbehalten sei. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss führe auch nicht unausweichlich zur Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers in der VKE 11.
Entscheidungsgründe
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Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VerkPBG für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Der Zuständigkeit steht die in § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkPBG enthaltene Befristung des Gesetzes bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006 nicht entgegen, weil nach § 24 Abs. 1 Satz 2 FStrG i.V.m. § 11 Abs. 2 VerkPBG maßgeblich ist, dass hier vor dem genannten Stichtag ein Linienbestimmungsverfahren stattgefunden hat, so dass die Planung als vor diesem Zeitpunkt begonnen gilt und nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen ist (vgl. Beschluss vom 30. März 2007 - BVerwG 9 VR 7.07 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 17 Rn. 2).
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Die Anfechtungsklage ist unzulässig. Der Kläger, der sich nicht auf ein Verbandsklagerecht nach § 64 BNatSchG oder § 2 UmwRG beruft und dem ein solches auch nicht zusteht, ist nicht klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
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1. Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Klagebefugnis im vorliegenden Verfahren nicht auf den in seinem Eigentum stehenden Grundbesitz in der Gemeinde Kaufungen berufen. Der von dem Beklagten erhobene Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung, nämlich dass der Kläger das im geplanten Trassenverlauf der VKE 11 liegende Grundstück nur deshalb erworben hat, um sich damit eine Klagemöglichkeit gegen das von ihm mit dieser Linienführung abgelehnte Planvorhaben zu verschaffen, greift durch.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht der Hinweis eines Planbetroffenen auf seine Eigentümerstellung zwar in aller Regel aus, um im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aufzuzeigen. Grundsätzlich unerheblich ist auch, aus welchen Beweggründen ein Kläger das Eigentum an einem Grundstück erworben hat. Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber dann gerechtfertigt, wenn das Eigentum nur deshalb erworben worden ist, um die Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die nach dem Rechtsschutzsystem der VwGO einem Eigentümer vorbehalten ist (vgl. Urteile vom 12. Juli 1985 - BVerwG 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15 <16>, vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 10.99 - BVerwGE 112, 135 <137> und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 <286>). Davon ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände ohne Weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung, welche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein über das Führen eines erwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 138). Dies ist hier der Fall.
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Unstreitig hat der Kläger allerdings an dem im geplanten Trassenverlauf der VKE 11 belegenen Grundstück zum Verkehrswert vollumfänglich Eigentum erworben. Seine Eigentümerstellung stellt sich daher nicht als bloß "formale Hülle" ohne substanziellen Inhalt dar (zu einer derartigen Fallgestaltung s. Urteil vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 138 f.). Er hat aber trotz seiner uneingeschränkten Eigentümerstellung kein über die Prozessführung hinausgehendes Interesse an der erworbenen Rechtsstellung. Grund für den Erwerb des Grundstücks war allein dessen Lage im voraussichtlichen Trassenverlauf des sich an den planfestgestellten Abschnitt anschließenden Abschnitts der Neubautrasse (VKE 11) und die damit - nach Ansicht des Klägers - verbundene Möglichkeit, den Klageweg auch gegen den hier angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zu beschreiten, um seinen Vorstellungen über die richtige Trassenwahl gerichtlich Geltung zu verschaffen. Dies legen nicht nur der Zeitpunkt des Kaufes unmittelbar nach der Festlegung der Trasse im Linienbestimmungsverfahren sowie das von Anfang an fehlende Gebrauchsinteresse des Klägers und die fehlende Wirtschaftlichkeit des Erwerbes nahe, sondern ist auch durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Diese haben erklärt, zwar sei auch beabsichtigt gewesen, das Grundstück in seiner landwirtschaftlichen Nutzung und damit als Teil der vorhandenen Landschaft zu schützen, es sei aber klar, dass der Kläger das Grundstück nie erworben hätte, wenn es nicht in dem voraussichtlichen Trassenverlauf des anschließenden Abschnitts liegen würde und damit als Sperrgrundstück geeignet wäre.
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Die von dem Kläger und von Stimmen in der Literatur (vgl. Masing, NVwZ 2002, 810; Knödler, NuR 2001, 194) gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Sperrgrundstücken vorgebrachten grundsätzlichen Einwände überzeugen den Senat nicht. Die mit dieser Rechtsprechung verbundenen Einschränkungen der Klagemöglichkeiten von Grundstückseigentümern finden ihren Grund in der durch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen subjektiv-rechtlichen Konzeption des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt (§ 42 Abs. 2 und § 113 VwGO; s. auch Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 <264>). § 42 Abs. 2 VwGO eröffnet nur der Verletztenklage den Zugang zur sachlichen Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die Verwaltungsgerichte und beschränkt damit gleichzeitig inzident die Reichweite der Kontrolle der Gerichte gegenüber der Verwaltung (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand September 2011, § 42 Abs. 2 Rn. 16). Mit dieser für das Verwaltungsstreitverfahren tragenden Systementscheidung hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine allgemeine Gesetzmäßigkeitskontrolle im Wege der Interessentenklage entschieden. Eine solche ist außerhalb des Regelungsbereichs des Art. 19 Abs. 4 GG angesiedelt und setzt daher eine besondere gesetzliche Zulassung voraus (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <82>). Für anerkannte Naturschutz- und Umweltschutzvereinigungen sind die gesetzlichen Grundlagen für solche auf eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ausgerichteten Klagen zwischenzeitlich geschaffen worden (vgl. § 64 BNatSchG, § 2 UmwRG). Diese natur- und umweltschutzrechtlichen Verbandsklagen treten neben den subjektiv-rechtlichen Rechtsschutz, erweitern ihn aber nicht.
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Mit seiner auf das zum Zweck der Prozessführung erworbene Grundstück gestützten Klage versucht der Kläger, diese verwaltungsprozessualen Zusammenhänge zu überspielen. Das Grundeigentum dient ihm allein als Mittel, um eine Interessentenklage im Gewand der Verletztenklage erheben zu können. Das ist systemwidrig und rechtfertigt den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne einer Umgehung des Gesetzes (vgl. Urteil vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 103.80 - Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1 S. 4). Auch die Ausübung prozessualer Rechte unterliegt dem Gebot von Treu und Glauben mit der Folge, dass die Befugnis zur Anrufung der Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen sein kann (BVerfG, Entscheidung vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255.67 - BVerfGE 32, 305 <309>; Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <88 f.>). Dies gilt auch für prozessuale Rechte, die zum Schutz subjektiver Rechte geschaffen worden sind (Beschluss vom 18. Dezember 1989 - BVerwG 4 NB 14.89 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 44). Soweit der Kläger dagegen einwendet, der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes sei ein formalisierter, der die konkrete Eigentumsposition unabhängig von der Motivation beim Erwerb schütze, übersieht er zum einen, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht betroffen ist, wenn die Geltendmachung der mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse im Einzelfall wegen des Vorliegens besonderer Umstände als rechtsmissbräuchlich angesehen wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. November 1989 - 1 BvR 1377/89 - DB 1990, 414; vgl. auch Kammerbeschluss vom 10. November 1988 - 1 BvR 1215/88 - juris). Zum anderen beachtet er nicht, dass ihm die Geltendmachung und Durchsetzung der ihm aus Art. 14 Abs. 1 GG zukommenden Rechte nur in Bezug auf die Planfeststellung verwehrt ist, er aber im Übrigen an der Geltendmachung der Eigentümerbefugnisse und ihrer gerichtlichen Durchsetzung nicht gehindert ist.
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Mit seinem Vorbringen, ihm sei es mit dem Kauf des Grundstücks auch darum gegangen, die vorhandene landwirtschaftliche Nutzung zu sichern, vermag der Kläger ein über die Prozessführung hinausgehendes Interesse an dem Grundeigentum ebenfalls nicht zu begründen. Der Schutz der Natur oder auch nur der vorhandenen Landwirtschaft gehört ausweislich der Satzung des Klägers nicht zu den von ihm verfolgten Vereinszwecken. Vereinszweck ist vielmehr, Bürger und politische Mandatsträger "für den Weiterbau der A 44 zu gewinnen", um die Voraussetzungen für eine nachhaltige Förderung der Wirtschaft in Nordhessen und Thüringen zu schaffen. Nur im Zusammenhang mit dieser Zielsetzung ist in der Satzung des Klägers von der Schonung der Umwelt als weiterem Ziel die Rede. Die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen oder der Landschaft wird als eigenständiges Haupt- oder Nebenziel nicht erwähnt. Abgesehen davon betrifft das Interesse des Klägers am Erhalt des Grundstücks in seinem gegenwärtigen Zustand das Grundstück als Teil der - nach Auffassung des Klägers - von der Trasse zu verschonenden Landschaft. Es unterliegt damit ebenfalls dem Einwand, dass es nur dem Zweck dient, die Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die dem Kläger nach dem Rechtsschutzsystem der VwGO nicht zusteht.
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Die Ermittlung der Motivlage beim Eigentumserwerb durch Vereine und andere Personenvereinigungen scheitern auch nicht - wie der Kläger einwendet - daran, dass die Motive der einzelnen Mitglieder von Personenmehrheiten heterogen sein können. Für die rechtliche Beurteilung kommt es insoweit auf den satzungsgemäßen Zweck der Vereinigung, auf Beschlussfassungen der Mitgliedervertretungen und auf die Motive der vertretungsberechtigten Organe an und nicht auf die Ansichten der einzelnen Mitglieder.
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Aus den von dem Kläger befürchteten mittelbaren Beeinträchtigungen seines Grundeigentums durch Verkehrsimmissionen des Vorhabens lässt sich eine Klagebefugnis ebenfalls nicht herleiten. Steht der Klagebefugnis der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, gilt dies auch für mittelbare Beeinträchtigungen, die mit dem Vorhaben verbunden sein mögen. Inwieweit etwas anderes gelten könnte, falls der Eigentümer eines Sperrgrundstücks nicht im Wege der Anfechtungsklage ein von ihm abgelehntes Vorhaben oder eine bestimmte Trassenentscheidung bekämpft, sondern im Wege der Verpflichtungsklage lediglich ergänzende Schutzauflagen für sein Eigentum geltend macht, bedarf keiner abschließenden Klärung. Der Kläger hat einen solchen Antrag nicht - auch nicht hilfsweise - gestellt, sondern wendet sich vielmehr gegen das Vorhaben insgesamt.
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2. Dem Kläger fehlt unabhängig von den Erwägungen zu 1 die Klagebefugnis auch deswegen, weil weder die Inanspruchnahme seines Grundstücks im Folgeabschnitt unausweichlich ist noch er dargetan hat, dass sein Grundstück zwangsläufig in rechtswidriger Weise durch Straßenverkehrsimmissionen belastet werden wird. Der Kläger kann daher nicht vorbeugend geltend machen, bereits durch den planfestgestellten Abschnitt gegenwärtig in seinen Rechten verletzt zu sein.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Eigentümer gegen eine heranrückende Planung, die sein Grundstück noch nicht unmittelbar betrifft, zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig dazu führen muss, dass er in seinen Rechten betroffen wird (vgl. Urteile vom 26. Juni 1981 - BVerwG 4 C 5.78 - BVerwGE 62, 342 und vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115; Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92). Dadurch soll der künftig notwendig Rechtsbetroffene zur Sicherung seines effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen bewahrt werden (vgl. Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 S. 21). Eine solche vorbeugende Klagemöglichkeit ist auch demjenigen eröffnet, der geltend machen kann, es hätte eine andere Trasse gewählt werden müssen, weil sein im Folgeabschnitt liegendes und nicht durch das Vorhaben selbst in Anspruch genommenes Grundstück jedenfalls unvermeidbar und in rechtswidriger Weise durch von der Straße ausgehende Verkehrsimmissionen belastet werde (Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
- 22
-
Das nördliche Ende der Trasse im angegriffenen Planfeststellungsabschnitt legt den Trassenverlauf im folgenden Teilabschnitt nicht derart fest, dass eine Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers unvermeidbar ist. Wie auch der Kläger nicht in Frage stellt, sind in der VKE 11 außer der Vorzugsvariante, durch die sein Grundstück in Anspruch genommen werden wird, noch mindestens zwei weitere Trassenvarianten denkbar, die sein Grundeigentum nicht berühren. Insbesondere bei der Trassenführung durch den sogenannten Zwischenkorridor würde die geplante Autobahn an der Anschlussstelle Kaufungen Mitte nach Süden abknicken und an keiner Stelle des Trassenverlaufs in die Nähe des Grundstücks des Klägers kommen. Dass der Vorhabenträger im Bereich der VKE 11 nach dem gegenwärtigen Planungsstand nicht dem Zwischenkorridor den Vorzug gibt, sondern der linienbestimmten Trasse folgt, durch die das Grundstück des Klägers teilweise in Anspruch genommen wird, ändert an der Beurteilung nichts. Denn die Entscheidung für die das Grundstück des Klägers querende Vorzugsvariante ist Folge eines Abwägungsprozesses zwischen den verschiedenen in der VKE 11 möglichen Trassenführungen und nicht zwingende Folge des in der VKE 12 festgelegten Trassenverlaufs.
- 23
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Aussicht auf Realisierung der vom Kläger bevorzugten, durch den Söhrekorridor führenden und am Kasseler Kreuz endenden Trassenvariante bei einer Bestätigung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses weiter verringert wird. Ein "Zurück" des Trassenverlaufs in der VKE 11 auf die weit südlich des Endes der VKE 12 verlaufenden Trassenvarianten durch das Söhretal entspräche erkennbar keiner vernünftigen Planungskonzeption. Damit entfaltet der angegriffene Planfeststellungsbeschluss für die Variantenauswahl im anschließenden Teilabschnitt zwar insoweit eine Vorwirkung, als er die dort noch in Betracht kommenden Varianten reduziert und damit die planerische Gestaltungsfreiheit einengt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, an die Annahme eines Zwangspunktes geringere Anforderungen zu stellen. Die vorverlagerte Rechtsschutzmöglichkeit soll den Betroffenen vor vollendeten Tatsachen schützen, nicht jedoch der Planfeststellungsbehörde das Risiko rechtsfehlerhafter Planfeststellung abnehmen. Für die anzustellende Alternativenprüfung macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob das Vorhaben auf der Grundlage eines einzigen Planfeststellungsbeschlusses oder in mehreren Etappen ausgeführt werden soll. Die Aufspaltung in Abschnitte kann nicht dazu führen, dass die Frage einer besser geeigneten Alternative gar nicht oder allenfalls im Rahmen des auf das vorangehende Teilstück beschränkten Planfeststellungsverfahrens aufgeworfen werden kann. Auch bei schrittweiser Planverwirklichung verengt sich die Alternativenprüfung nicht auf die Prüfung, inwieweit die geschaffenen Zwangspunkte noch Variationsspielräume lassen. Zwangspunkte erzeugen keine strikten Bindungen in dem Sinne, dass sie in die weitere Planung als feste Determinanten einzustellen sind. Auch wenn sie tendenziell desto stärker zu Buche schlagen mögen, je weiter sich die Planung von Abschnitt zu Abschnitt verfestigt, behalten sie die Qualität eines im Wege der Abwägung überwindbaren Belangs und muss die Planung in jedem Stadium dem Einwand standhalten, einem anderen Lösungskonzept unterlegen zu sein (Beschlüsse vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - NVwZ 1993, 887 <888 f.>, vom 10. November 2000 - BVerwG 4 B 47.00 - NVwZ 2001, 800 <800 f.> und vom 14. Juli 2005 - BVerwG 9 VR 23.04 - juris Rn. 6).
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Auch mit der Rüge, die erst im Planfeststellungsverfahren vorgenommene Aufspaltung des ursprünglich die VKE 11 und die VKE 12 umfassenden Planungsabschnitts 1 in zwei Teilabschnitte habe zu einer übermäßigen Parzellierung geführt, die eine rechtlich kontrollierbare Gesamtabwägung nicht mehr sinnvoll zulasse, vermag der Kläger seine Klagebefugnis nicht zu begründen. Dass eine Abschnittsbildung auch dann rechtswidrig sein kann, wenn sie objektiv geeignet ist, die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutzmöglichkeiten wegen übermäßiger "Parzellierung" des Planungsverlaufs praktisch unmöglich zu machen (vgl. Beschluss vom 26. Juni 1992 - BVerwG 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 89), erweitert die vorbeugenden Rechtsschutzmöglichkeiten des durch den Trassenverlauf erst in einem Folgeabschnitt voraussichtlich Betroffenen nicht. Stellt das Ende des vorangehenden Teilabschnitts keinen Zwangspunkt im oben genannten Sinne dar, besteht keine Notwendigkeit, vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren. Ob eine rechtswidrige, weil die Gesamtplanung übermäßig parzellierende Abschnittsbildung vorliegt, kann der Betroffene in einem Klageverfahren gegen den späteren, ihn in seinen Rechten unmittelbar berührenden Abschnitt vollumfänglich prüfen lassen.
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Der Kläger kann seine Klagebefugnis gegen den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss schließlich auch nicht darauf stützen, dass sein Grundstück bei den durch den Lossekorridor führenden Varianten zumindest mittelbar durch Straßenverkehrsimmissionen betroffen sein werde. Abgesehen davon, dass es mit Blick auf die mögliche Variante durch den Zwischenkorridor schon an einer Unvermeidbarkeit der Beeinträchtigung durch Immissionen fehlt, wäre auch bei einer unausweichlich in der Nähe des Grundstücks verlaufenden Trasse die substantiierte Darlegung erforderlich, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss zwangsläufig in rechtswidriger Weise das Grundstück des Klägers belasten wird (vgl. Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris Rn. 20). Denn regelmäßig können Beeinträchtigungen von Grundstücken durch Luftschadstoffe oder Lärmbelästigungen durch entsprechende Schutzmaßnahmen (z.B. Schutzwände, Schutzpflanzungen, Schutzstreifen) verhindert bzw. auf ein verträgliches Maß reduziert werden, weshalb Mängel des Planfeststellungsbeschlusses wegen fehlender oder unzureichender Schutzauflagen in der Regel nicht zu einem Anspruch auf Planaufhebung führen, den der Kläger mit seiner Klage ausschließlich verfolgt (vgl. Urteile vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <133 f.> und vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <84>). Hinsichtlich der Luftschadstoffe kommt hinzu, dass die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung des Vorhabens ist und vom Kläger nicht dargetan oder sonst ersichtlich ist, dass die Verwirklichung des Vorhabens die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu verwirklichen (vgl. Urteile vom 26. Mai 2004 - BVerwG 9 A 6.03 - BVerwGE 121, 57 <61>, vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <28> und vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 115). Soweit der Kläger sich auf Lärmbeeinträchtigungen seines Grundstücks beruft, übersieht er zudem, dass für sein im Außenbereich gelegenes, ausschließlich landwirtschaftlich genutztes und nutzbares Grundstück die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umweltauswirkungen nicht gelten und für eine die gegenwärtige landwirtschaftliche Nutzung ausschließende Lärmbelastung nicht im Ansatz etwas dargetan oder sonst erkennbar ist.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Tenor
I.
Der Bebauungsplan Nr. 2 für das „Sondergebiet für Industrie- und Logistikbetriebe mit einem Mindestflächenbedarf“ des Antragsgegners ist unwirksam.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
…
….
Gründe
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt von der Beklagten, die Nutzung zweier Grundstücke, die in seinem Miteigentum stehen, als Radweg zu unterlassen sowie den ursprünglichen Zustand als Ackerfläche wiederherzustellen.
- 2
Die Beklagte errichtete im Jahr 1970 entlang der Landesstraße L 530 einen Radweg, der die Ortslage mit einem Gewerbe- und Industriegebiet verbindet. Der Radweg wurde auf Ackergelände gebaut, so auch auf den beiden 24 m² und 5 m² großen Grundstücken Flurstück-Nrn. …. und …., die damals noch Teil des wesentlich größeren Ackergrundstücks Flurstück-Nr. …. waren. Das Grundstück Flurstück-Nr. …. stand 1970 im Miteigentum der Mutter des Klägers, die das Miteigentum zu 1/3 im Jahr 1968 erworben hatte. Die Flächen, auf denen der Radweg verläuft, wurden 1987 katastermäßig mit den neuen Flurstück-Nrn. …. und …. erfasst und werden seither gemeinsam auf einem eigenen Grundbuchblatt geführt. Nach den Angaben des Klägers verkaufte seine Mutter den Miteigentumsanteil am Grundstück Flurstück-Nr. …. im Jahr 1985 an ihre Schwester, von der ihn der Kläger 1998 erwarb. Die Mutter verstarb im Jahr 2005, woraufhin der Kläger das Erbe ausschlug. Vom Nachlasspfleger kaufte der Kläger dann Ende 2012 den noch im Nachlass befindlichen Miteigentumsanteil an den Grundstücken Flurstück-Nrn. …. und …. in Kenntnis ihrer gegenwärtigen Nutzung als Radweg. Am 15. März 2013 wurde er als Miteigentümer zu 1/3 im Grundbuch eingetragen.
- 3
Ende März 2013 forderte der Kläger von der Beklagten die Aufgabe der Nutzung der Grundstücke Flurstück-Nrn. …. und …. als Radweg und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes als Ackerfläche. Da die Beklagte dies ablehnte, hat der Kläger am 12. Dezember 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:
- 4
Das Grundstück Flurstück-Nr. …. sei in der Vergangenheit verfahrensfehlerhaft in die Grundstücke Flurstück-Nrn. …., …. und …. geteilt worden. Für alle drei Grundstücke zahle er – entsprechend ihrer Widmung – Grundsteuer für Ackerland. Die Nutzung der Grundstücke Flurstück-Nrn. …. und …. als Radweg verletze sein Eigentumsrecht aus Art 14 GG. Außerdem bestehe durch den andauernd rechtswidrigen Gemeingebrauch für ihn haftungsrechtlich eine ständige Gefahr. Eine Übereinkunft mit den damaligen Eigentümern der für den Radweg in Anspruch genommen Flächen habe es nicht gegeben. Insbesondere seine Mutter habe dem Überbau des Grundstücks nie zugestimmt. Auch hätten er und die anderen Miteigentümer bis zum 25. März 2011 keine Kenntnis von der Umbenennung eines Teils des Grundstücks Flurstück-Nr. …. in …. und …. gehabt. Die Beklagte habe als Straßenbaulastträger kein Recht zum Besitz und müsse deshalb die Flächen herausgeben und den ursprünglichen Zustand als Ackerland wieder herstellen, zumal dieser Radweg nicht zwingend erforderlich sei, da auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite der L 530 ein Radweg verlaufe. Die faktische Inanspruchnahme fremden Eigentums sei ein rechtswidriger Eingriff, der einen Folgebeseitigungsanspruch des dinglich Berechtigten begründe. Er sei als Miteigentümer an den Grundstücken insoweit auch aktiv legitimiert. Gemäß § 1011 BGB könne nämlich jeder Miteigentümer die Ansprüche aus dem Eigentum, insbesondere Beseitigungsansprüche, Dritten gegenüber in Bezug auf die ganze Sache geltend machen. Dieser Anspruch des Eigentümers unterliege nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 9 B 12.13) auch nicht der Verjährung. Im Übrigen seien die Grundstücke Flurstück-Nr. …. und …. erst 1987 entstanden. Auch deshalb scheide Verjährung aus. Auch ein Verkauf an die Beklagte komme für ihn nicht in Betracht, da er auf dieser Fläche künftig Butternusskürbis anpflanzen wolle.
- 5
Der Kläger beantragt,
- 6
die Beklagte zu verurteilen, die bisherige Nutzung der Grundstücke Flurstück-Nrn. …. und …. als Radweg zu unterlassen sowie den ursprünglichen Zustand als Ackerfläche wiederherzustellen.
- 7
Die Beklagte beantragt,
- 8
die Klage abzuweisen
- 9
und erwidert:
- 10
Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil er als Miteigentümer der fraglichen Flächen nicht nachgewiesen habe, dass er von den anderen Miteigentümern zur Geltendmachung der fraglichen Forderung legitimiert sei. Der jetzige Radweg werde auch als Zufahrt zu den landwirtschaftlichen Flächen vorgehalten. Deshalb sei man bei seinem Bau mit den Eigentümern der beanspruchten Flächen übereingekommen, auf einen Erwerb zu verzichten. Aufgrund der seinerzeitigen Zustimmungen der Eigentümer dürften im Übrigen auch die Grundsätze einer Widmungsfiktion nach § 36 Abs. 5 Satz 1 LStrG nicht außer Betracht bleiben. Für die Eigentümer seien auch keine weiterreichenden haftungsrechtlichen Konsequenzen oder Unterhaltsrisiken verbunden, denn sie - die Beklagte - habe sich nochmals im Dezember 2013 ausdrücklich zu ihrer Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht bekannt und den Kläger und die anderen Eigentümer hierdurch von einer Haftung und Unterhaltungslast ausdrücklich freigestellt. Es könne somit nicht erkannt werden, wie der Kläger durch eine gegebenenfalls fehlende Widmung, also unter Berufung auf rein formale Aspekte, in seinem subjektiven Eigentumsrecht verletzt sein sollte. Darüber hinaus habe sie auf die außergerichtlichen Forderungen des Klägers bereits im Dezember 2013 reagiert und ihm ein Kaufangebot für die streitgegenständliche Fläche von insgesamt 29 m² zu einem angemessenen aktuellen Preis unterbreitet. Schließlich sei die Forderung des Klägers verjährt bzw. verwirkt und stelle sich rechtsmissbräuchlich dar.
- 11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Beteiligten. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
- 12
Die Klage kann keinen Erfolg haben.
- 13
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Leistungsklage. Insoweit ist es zwar grundsätzlich unerheblich, aus welchen Beweggründen der Kläger das Eigentum an einem Grundstück erworben hat. Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber geboten, wenn die Eigentümerstellung rechtsmissbräuchlich begründet wurde, wie dies z.B. beim Erwerb von sog. „Sperrgrundstücken“ der Fall ist (näher dazu s. BVerwG, NVwZ 2009, 302 und NVwZ 2012, 567). Vorliegend bestehen deshalb insoweit Bedenken, weil der Kläger nach dem Versterben seiner Mutter im Jahre 2005 das Erbe ausgeschlagen hat, vom Nachlasspfleger dann aber Ende 2012 den noch im Nachlass befindlichen Miteigentumsanteil an den Grundstücken Flurstück-Nrn. …. und …. in Kenntnis ihrer gegenwärtigen und schon Jahrzehnte andauernden Nutzung als Radweg gekauft hat. Ob deshalb gegen die Klage möglicherweise der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durchgreift, bedarf vorliegend jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Leistungsklage ist jedenfalls unbegründet.
- 14
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, die Nutzung der Grundstücke Flurstück-Nrn. …. und …., die in seinem Miteigentum stehen, als Radweg zu unterlassen und ihren ursprünglichen Zustand als Ackerfläche wiederherzustellen. Die Voraussetzungen des insoweit in Betracht kommenden Folgenbeseitigungsanspruchs dürften zwar vorliegen (1.). Dieser Folgenbeseitigungsanspruch ist jedoch verjährt (2.).
- 15
1. Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung ist dann gegeben, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Anspruch ist auf die Wiederherstellung des (rechtmäßigen) Zustands gerichtet, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand; er ist ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Beseitigung der unmittelbaren Folgen tatsächlich oder rechtlich nicht möglich oder dem Hoheitsträger nicht zumutbar ist (BVerwGE 69, 366). Diese Voraussetzungen dürften mit Blick auf die im Miteigentum des Klägers stehenden Grundstücke Flurstück-Nrn. …. und …. vorliegen, denn die Beklagte hat diese Flächen für ihren Radweg in Anspruch genommen, ohne dass sie nachweisen könnte, dass alle damaligen Eigentümer, insbesondere die Mutter des Klägers als seine Rechtsvorgängerin, diesem Eigentumseingriff zugestimmt haben. Ohne eine solche Zustimmung fehlt der Inanspruchnahme fremden Eigentums zu öffentlichen Zwecken die erforderliche rechtliche Grundlage und dies entgegen der Auffassung der Beklagten auch dann, wenn der Radweg als Zufahrt zu den angrenzenden Ackerflächen von Nutzen ist.
- 16
Der Kläger muss die Eigentumsbeeinträchtigung auch nicht etwa deshalb dulden, weil die fragliche Fläche Teil einer öffentlichen Straße ist. Öffentliche Straßen sind gemäß § 1 Abs. 2 Landesstraßengesetz – LStrG – (nur) die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, wobei die Widmung nach § 36 Abs. 3 LStrG der öffentlichen Bekanntmachung bedarf. Eine solche Widmung des Radwegs ist bisher unstreitig nicht erfolgt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt aber auch eine Widmungsfiktion nach § 36 Abs. 5 Satz 1 LStrG nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift gilt dann, wenn eine Straße verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wird, der neue Straßenteil als gewidmet, sofern die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 LStrG vorliegen. Diese Vorschrift ist vorliegend schon deshalb nicht anwendbar, weil nicht die bereits bestehende Straße, nämlich die Landesstraße L 530 verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wurde, sondern die Beklagte einen gemeindlichen Radweg und damit einen funktional anderer Weg gebaut hat.
- 17
Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten als Miteigentümer auch zur Geltendmachung des damit bestehenden Folgenbeseitigungsanspruchs aktivlegitimiert, denn gemäß § 1011 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – kann jeder Miteigentümer die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, den Anspruch auf Herausgabe jedoch nur in Gemäßheit des § 432 BGB. Da der Kläger mit der vorliegenden Klage nicht die Herausgabe der Sache, sondern die Unterlassung von deren Nutzung und die Wiederherstellung ihres ursprünglichen Zustandes und damit Ansprüche aus dem Eigentum verlangt, kann er diese (Folgenbeseitigungs-) Ansprüche ohne Beteiligung der Miteigentümer verfolgen.
- 18
2. Dieser Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers ist jedoch verjährt.
- 19
Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch unterliegt der Verjährung, die sich, da spezielle Regelungen fehlen, nach den §§ 194ff. BGB bemisst (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2006 – 2 C 10/05 –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. April 2013 – 1 A10655/12.OVG –; Urteil vom 4. Dezember 2007 – 2 A 10846/07.OVG – und Urteil vom 17. Dezember 1999 – 1 A 10574/99.OVG –). Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1. Januar 2002 (Gesetz vom 26. November 2001, BGBl I S. 3138) betrug die Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. 30 Jahre, die gemäß § 199 Abs. 1 Nr.1 BGBa.F. mit der Entstehung des Beseitigungsanspruchs begann, hier also unabhängig von der Kenntnis des Kläger bzw. seiner Rechtsvorgängerin mit dem unberechtigten Überbau der Flächen. Der Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. hängt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich nicht davon ab, dass der Grundstückseigentümer die Inanspruchnahme seines Grundstücks als Störung empfunden oder überhaupt Kenntnis davon hat (BGH, Urteil vom 1. Februar 1994, - VI ZR 229/92 -).
- 20
Danach ist der vom Kläger geltend gemachte Folgenbeseitigungsanspruch seit dem Jahr 2000 verjährt. Die Verjährungsfrist begann mit der Entstehung des Beseitigungsanspruchs, mithin mit dem Überbau der jetzigen Grundstücke Flurstück-Nrn. …. und …. unabhängig davon, dass die überbauten Flächen damals noch Teil des Grundstücks Flurstück-Nr. …. waren, und damit im Jahr 1970. Es steht nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser Radweg im Jahr 1970 errichtet wurde. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Vortrag der Beklagten, sondern auch aus dem zu den Gerichtsakten gereichten Artikel der Zeitung Rheinpfalz vom 5. November 1970, in dem von der Fertigstellung des Radweges berichtet wird. Dass dieser Artikel von dem westlich der L 530 verlaufenden Radweg handelt, der auch über die Grundstücke des Klägers führt, zeigt die Erwähnung des ... Hofes, der ebenfalls westlich der Landesstraße gelegen ist. Die Verjährungsfrist endete somit kenntnisunabhängig nach Ablauf der 30 Jahre im Jahr 2000, so dass der Kläger einen Folgenbeseitigungsanspruch mit seiner am 12. Dezember 2013 erhobenen Klage nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann.
- 21
Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2013 (Az. 9 B 12/13) führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch dieser Beschluss geht nämlich davon aus, dass ein Folgenbeseitigungsanspruch der Verjährung unterliegt. Da diese Verjährung allerdings nicht den entstandenen rechtswidrigen Zustand beseitigt, ist der Eigentümer trotz Verjährung grundsätzlich befugt, die rechtswidrige Störung des Eigentums auf eigene Kosten zu beseitigen und einen entsprechenden Duldungsanspruch des Störers gerichtlich feststellen zu lassen. Obwohl dies in der mündlichen Verhandlung thematisiert wurde, hat der Kläger einen entsprechenden Antrag nicht gestellt. Die Kammer hätte eine entsprechende Klageänderung im Übrigen aber auch nicht für sachdienlich erachtet (§ 91 Abs. 1 VwGO). Auch gegen eine so geänderte Klage bestünden die oben dargelegten Zulässigkeitsbedenken. Außerdem hält die Kammer den Kläger insoweit gegenwärtig auch nicht für aktivlegitimiert. Die Beseitigung des Radweges auf den Grundstücken Flurstück-Nrn. …. und …. auf eigene Kosten bedarf nämlich gemäß § 744 Abs. 1 BGB der Mitwirkung aller Miteigentümer und der Kläger hat die Zustimmung der anderen Miteigentümer dazu im vorliegenden Verfahren bisher nicht nachgewiesen.
- 22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. VwGO.
- 23
Beschluss
- 24
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,- € festgesetzt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung des Beklagten vom 22. März 2013, durch welche ihm unter Zwangsgeldandrohung sowohl die Beseitigung von im Außenbereich gelegenen baulichen Anlagen aufgegeben wurde, als auch untersagt wurde, weitere bauliche Anlagen, die zum Aufenthalt von Menschen geeignet sind, zu errichten. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
3Der Kläger ist seit Anfang des Jahres 2012 Eigentümer des Grundstücks Gemarkung N. , Flur 0, Flurstück 000. Das Grundstück liegt im Außenbereich nordwestlich der Ortschaft Morschenich und grenzt im Norden unmittelbar an den Hambacher Forst (auch: Bürgewald).
4Die Ortschaft Morschenich und der Hambacher Forst liegen im Geltungsbereich des im Juni 1977 bekannt gemachten Braunkohleplans "Teilplan 12/1 ‑ Hambach ‑ Abbau und Außenhaldenfläche des Tagebaus Hambach" (im Folgenden: Braunkohleplan Hambach). Der Braunkohleplan Hambach sieht eine Abbau- und Haldenfläche von ca. 85 kqm vor; der Abbau des gesamten Feldes soll bis etwa 2045 dauern. Der Ort Morschenich ist des Weiteren Gegenstand des im Mai 2013 bekannt gemachten Braunkohleplans "Umsiedlung Morschenich", der eine Umsiedlung der Bevölkerung von Morschenich ab Dezember 2013 und eine bergbauliche Inanspruchnahme des Gemeindegebiets ab dem Jahr 2024 vorsieht. Ein großer Teil des Waldbestandes des Hambacher Forstes wurde in der Vergangenheit bereits zugunsten des sich noch weiter ausbreitenden Tagebaus Hambach gerodet.
5Der Kläger hat das Flurstück 000 einer Protestbewegung zur Verfügung gestellt, die sich unter anderem für den Erhalt des Hambacher Forstes einsetzt und auf dem Grundstück im Verlauf des Jahres 2012 ein im Wesentlichen aus Zelten, Wohn- und Bauwagen, Pkws mit Vorzelten bzw. mit Windschutz, einer Holzhütte und einer "Kriechbude" bestehendes Camp (im Folgenden: Protestcamp) errichtet hat.
6Nachdem die Gemeinde Merzenich den Beklagten Anfang Dezember 2012 über den Bestand des Protestcamps in Kenntnis gesetzt hatte, wies der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 darauf hin, dass er beabsichtigte, ihm unter Androhung eines Zwangsmittels u.a. aufzugeben, die auf dem Flurstück 000 befindlichen baulichen Anlagen zu beseitigen. Er gab dem Kläger Gelegenheit, hierzu bis zum 10. Januar 2013 Stellung zu nehmen. Der Kläger bat u.a. mit Schreiben vom 10. Januar und 15. März 2013 um Verlängerung der Frist zur Stellungnahme.
7Im Verwaltungsvorgang des Beklagten befindet sich ein am 19. März 2013 gefertigter Vermerk über einen Ortstermin vom 18. März 2013, der auszugsweise wie folgt lautet:
8"Bei einer Ortsbesichtigung … wurde festgestellt, dass auf dem o.g. Grundstück 19 bauliche Anlagen errichtet worden sind …Ferner wurde das o.g. Grundstück durch ein blaues Band eingefriedet.
9Zudem wurden zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung sechs Personen angetroffen, wovon vier Personen angesprochen worden sind, die nicht bereit waren, ihre Personalien freiwillig bekannt zu geben. Die anderen zwei Personen mieden grundsätzlich das Gespräch. Zwei weitere Personen verließen das Camp als wir drauf zugingen entlang des Waldrandes …"
10Mit sofort vollziehbarer Ordnungsverfügung vom 22. März 2013, zugestellt am 23. März 2013, gab der Beklagte dem Kläger auf, innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung der Verfügung die im beigefügten Lageplan beschriebenen 19 baulichen Anlagen zu beseitigen oder beseitigen zu lassen (Beseitigungsanordnung); er untersagte diesem des Weiteren mit sofortiger Wirkung, ab Zustellung der Ordnungsverfügung weitere bauliche Anlagen, die zum Aufenthalt geeignet sind, zu errichten oder durch Dritte errichten zu lassen (Unterlassungsanordnung). Der Beklagte drohte dem Kläger zugleich für den Fall, dass er den Anordnungen nicht, nicht fristgerecht oder nicht ausreichend Folge leisten sollte, Zwangsgelder in Höhe von 2.000,-- € (Beseitigungsanordnung) bzw. für jeden Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von jeweils 500,‑‑ € (Unterlassungsanordnung) an. Zur Begründung wies er im Wesentlichen darauf hin, dass das im Außenbereich errichtete Camp formell und materiell illegal sei. Das Camp könne nicht als sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) zugelassen werden, weil es öffentliche Belange beeinträchtige. Es widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Gemeinde Merzenich, die das Flurstück 000 als Fläche für die Landwirtschaft ausweise, und führe zu einer weiteren Zersiedlung des grundsätzlich von Bebauung freizuhaltenden Außenbereichs. Der Kläger sei auch richtiger Adressat der Ordnungsverfügung. Er sei Eigentümer des Flurstücks 000 und damit als sog. Zustandsstörer nach § 18 Abs. 1 Satz 1 des Ordnungsbehördengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen für den Zustand des Grundstücks verantwortlich. Ein Vorgehen gegen den Kläger sei im öffentlichen Interesse einer zeitnahen Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes geboten. Seine Inanspruchnahme entspreche mit Blick darauf, dass die jeweiligen Inhaber der baurechtlich illegal errichteten Zelte und sonstigen baulichen Anlagen häufig wechselten und vor Ort nicht zu ermitteln gewesen seien, in besonderer Weise dem Ziel effektiven Verwaltungshandelns.
11Der Kläger hat am 12. April 2013 gegen die Ordnungsverfügung vom 22. März 2013 Klage erhoben und am 3. Mai 2013 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (5 L 193/13) gestellt, zu dessen Begründung er u.a. Folgendes vorgetragen hat:
12Die Ordnungsverfügung sei formell rechtswidrig. Der Beklagte sei für den Erlass der Ordnungsverfügung nicht zuständig gewesen, weil es sich bei dem Protestcamp um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Grundgesetz (GG) handele. Das Camp diene nicht nur dem Wetterschutz und einer Unterbringung der Mitglieder der Protestbewegung, sondern sei darüber hinaus auch zentrales Symbol und Kommunikationsmittel des Protestes. Die Aktivisten wendeten sich mit dem Camp gegen die Ausbeutung der Natur und den damit verbundenen Verlust von menschlichem Lebensraum. Dementsprechend symbolisierten die Zelte, die seit Urzeiten Sinnbild des bewegten Menschen ohne Rast und Halt seien, nicht nur die "flüchtige" Wohnsituation derjenigen Menschen, die von den Großkonzernen aufgrund des Rohstoffabbaus von ihrem Grund und Boden vertrieben worden seien. Sie machten darüber hinaus auch darauf aufmerksam, dass die "Idee einer dauerhaften Bleibe" bei fortschreitendem Abbau der noch vorhandenen Rohstoffe wegen der damit einhergehenden Naturkatastrophen zur "Utopie" werde. Des Weiteren liege ein Anhörungsmangel vor. Der Beklagte habe die angefochtene Ordnungsverfügung erlassen, obwohl er ‑ der Kläger - 2 Tage zuvor noch die Verlängerung der im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) gesetzten Frist beantragt habe.
13Die Ordnungsverfügung sei darüber hinaus aber auch materiell rechtswidrig.
14Bei dem Protestcamp handele es sich um ein im Außenbereich zulässiges privilegiertes Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Es sei wegen seiner besonderen ‑ bereits aufgezeigten ‑ Zweckbestimmung nur im Zentrum des Tagebaugeschehens, in unmittelbarer Nähe zu dem südlich der Autobahn 4 (A 4) gelegenen Forstgebiet, der vorherigen und neuen A 4 und der Hambachbahn sinnvoll. Das Camp habe darüber hinaus aber auch eine "Vorpostenfunktion"; seine Beseitigung müsse zwingend vor einer Abgrabung der Orte Manheim und Morschenich erfolgen. Auch sei eine Nähe des Camps zu dem Ort Morschenich erforderlich. Ziel der Bewohner des Camps sei es u.a., die Dorfbewohner bei gegen den Tagebau gerichteten Aktionen zu unterstützen.
15Das Vorhaben beeinträchtige des Weiteren auch keine öffentlichen Belange. Es führe insbesondere nicht zu einer Zersiedlung des Außenbereichs; eine solche sei vielmehr bereits eingetreten. In unmittelbarer Nähe des Flurstücks 000 befänden sich bereits ein Sportflughafen, eine verwahrloste Kiesgrube, ein Vereinshaus mit Schießstand und der L. hof, ein ehemaliger Aussiedlerhof. Des Weiteren zerschnitten die A 4 und die Hambachbahn die landwirtschaftlichen Flächen und das Waldgebiet. Auch stünden die Festsetzungen des Landschaftsplans dem Vorhaben nicht entgegen. Die Darstellung 'Fläche für die Landwirtschaft' enthalte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) keine qualifizierte Standortausweisung und könne daher nicht der Zulässigkeit eines im Außenbereich privilegierten Vorhabens entgegengehalten werden. Unabhängig hiervon sei der Landschaftsplan auch funktionslos geworden. Durch das Dulden des Tagebaus, für den wegen des Überangebots an Strom keine Notwendigkeit mehr bestehe, habe die Gemeinde zum Ausdruck gebracht, dass sie an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Gemeindegebiet nicht mehr interessiert sei.
16Die Ordnungsverfügung sei des Weiteren ermessenfehlerhaft. Der Beklagte habe im Rahmen der Störerauswahl u.a. versäumt zu berücksichtigen, dass er ‑ der Kläger ‑ zur Beseitigung der baulichen Anlagen nicht in der Lage sei. Namen und Anschrift der Bewohner des Protestcamps seien auch ihm nicht bekannt. Darüber hinaus sei ihm eine Beseitigung der Zelte wegen eines zwischen ihm und den Campbewohnern geschlossenen Leihvertrages nicht möglich.
17Schließlich sei auch die Zwangsgeldandrohung, die den Beginn der Vollstreckung begründe, rechtswidrig. Es bestehe ein Vollstreckungshindernis. Da zu Beginn der Vollstreckung sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein müssten, hätte der Beklagte gegen die Bewohner des Camps, die aufgrund des bestehenden Leihvertrages zur Nutzung des Grundstücks berechtigt seien, Duldungsverfügungen erlassen müssen. Dies habe er indes versäumt. Darüber hinaus sei aber auch die für die Beseitigung der Zelte gesetzte Frist unangemessen kurz. Es sei ihm nicht möglich, innerhalb von 4 Wochen den bestehenden Leihvertrag zu kündigen, die Kündigung gerichtlich durchsetzen und gegebenenfalls Vollstreckungsmaßnahmen einleiten zu lassen.
18Die Kammer hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 3. Juli 2013 abgelehnt; das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat diesen Beschluss mit Beschluss vom 11. Oktober 2013 (7 B 858/13) mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert und die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage hinsichtlich der Beseitigungs- und Unterlassungsanordnung wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung angeordnet. Die Frage, ob es sich bei dem Protestcamp um eine dem Schutzbereich des Art. 8 Grundgesetz (GG) unterfallende Versammlung handele, was nach dem Akteninhalt zumindest als möglich erscheine, müsse einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
19Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. November 2014 erklärt, dass er die angefochtene Ordnungsverfügung dahingehend abändere, dass der Kläger der Beseitigungs- und Unterlassungsanordnung erst binnen 4 Wochen nach Vollziehbarkeit der Verfügung Folge leisten müsse.
20Zur Begründung seiner Klage nimmt der Kläger Bezug auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren und im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.
21Ergänzend weist er darauf hin, dass es sich bei den Bewohnern des Camps um eine Versammlung im Sinne von Art 8 GG, d.h. eine Personenmehrheit handele, die durch verschiedene gemeinsame Zwecke verbunden sei. Eine gemeinsame Forderung der Aktivisten laute "Change system, not climate". Das (vollständige) "Programm des Protestcamps" könne dem Blog der Besetzer ( ) entnommen werden. Dass das Protestcamp in den Dienst dieser Zielsetzungen der Versammlung gestellt sei und nicht lediglich als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für anderweitige auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit zielende Aktionen diene, werde durch seinen in der unmittelbaren Nähe des Hambacher Forstes, des Braunkohletagebaus Hambach, der Umsiedlungsstandorte Morschenich und Manheim und der A 4 gewählten Standort belegt; hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Zelte und die nähere Umgebung des Camps ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos mit Aufschriften bzw. Plakaten versehen worden seien, die auf ihre Anliegen hinwiesen.
22Der Kläger hat einen großen Teil der in den vorbezeichneten Blog eingestellten Dokumente ausgedruckt und diese Dokumente zur Gerichtsakte gereicht. In einem Artikel des Blogs wird unter dem Stichwort "Wiesenbesetzung/Dorf" (Anlage K 192) u.a. ausgeführt, dass eine Wiese am Rande des Hambacher Forstes seit November 2012 besetzt sei. Die Wiese sei ein Anlaufpunkt für alle; dort befänden sich Hütten, Wohnwagen, Zelte zum Übernachten, Duschen, Toiletten, eine Solaranlage, eine Werkstatt, ein Infopunkt, eine Küche und ein Lager für Lebensmittel, Lehmöfen, der Garten, ein Veranstaltungszelt, Parkplätze für Fahrräder, Autos und Wannen.
23Der Kläger beantragt,
24die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 22. März 2013 in der Fassung des Schriftsatzes vom 4. November 2014 aufzuheben,
25hilfsweise
26das Verfahren in den Zustand des Verwaltungsverfahrens zurückzuversetzen.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Protestcamp nicht um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG handele. Das Deutschengrundrecht greife schon deshalb nicht ein, weil zahlreiche Aktivisten nach den im Rahmen von Polizeieinsätzen getroffenen Feststellungen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen. Darüber hinaus falle das Aufstellen von Zelten und ähnlichen Unterkünften auch nicht unter den Anwendungsbereich des Art. 8 GG, wenn es ‑ wie hier ‑ rein logistische Bedeutung habe. Schließlich bestünden auch erhebliche Zweifel daran, ob es sich um eine friedliche Versammlung ohne Waffen handele. Von dem Camp aus erfolgten Waldbesetzungen, bei denen die vermummten Gestalten aktiven Widerstand gegen die Polizei leisteten. Vor diesem Hintergrund erscheine es auch bei Berücksichtigung der Belange der in dem Protestcamp lebenden Aktivisten als vertretbar, gegen das Camp mit dem Ziel der Herstellung rechtmäßiger baulicher Zustände bauordnungsbehördlich einzuschreiten.
30Ein Ortstermin hat nicht stattgefunden. Der Kläger hat im Vorfeld einer zunächst beabsichtigten Ortsbesichtigung u.a. darauf hingewiesen, dass es ihm ‑ anders als vom Gericht in der Ladungsverfügung vorgegeben ‑ nicht möglich sei sicherzustellen, dass die vorgesehene Besichtigung erfolgen könne. Er könne nicht über das Flurstück 000 verfügen, weil dieses besetzt sei. Die Besetzer hätten das Grundstück durch Sperrbänder und eine Hecke eingefriedet. Am Eingang des Grundstücks befinde sich ein Schild, durch welches darauf aufmerksam gemacht werde, dass es sich um "umfriedetes Privatgelände" handele und der Polizei, der RWE, dem Bauamt und Co. der Zutritt nach § 123 des Strafgesetzbuches (StGB) verboten sei. Soweit beabsichtigt sei, im Rahmen des Ortstermins Feststellungen über die Baulichkeiten zu treffen, werde auf die "grundrechtlich garantierte Unverletzlichkeit der Wohnungen" hingewiesen; "Durchsuchungen" dürften "nur nach vorheriger richterlicher Anordnung durchgeführt werden (Art. 13 GG)".
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zu diesem Verfahren und den Verfahren gleichen Rubrums 5 K 1480/13, 5 L 193/13 und 5 L 194/13 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
32Entscheidungsgründe:
33Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Sie ist sowohl mit ihrem Hauptantrag (I.) als auch mit ihrem Hilfsantrag (II.) unbegründet.
34I. Der Bescheid des Beklagten vom 22. März 2013 in der Fassung des Schriftsatzes vom 4. November 2014 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er ist formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO -).
351. Der Beklagte war für den Erlass des angefochtenen Bescheides, der auf § 61 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung - BauO NRW) gestützt ist, als Bauaufsichtsbehörde gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b BauO NRW zuständig. Er hat die streitgegenständlichen Beseitigungs- und Unterlassungsanordnungen zu Recht nicht als Versammlungsbehörde nach § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz vom 2. Februar 1987 i.V.m. § 1 der Verordnung über die Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2002 getroffen. Die baulichen Anlagen des Protestcamps unterfielen zu dem für die Rechtmäßigkeit der bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung,
36vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 1992 ‑ 4 B 161/92 -, NVwZ 1993, 476 f. = juris Rn. 7; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 5. August 2008 ‑ 7 A 2828/07 -, juris Rn. 9,
37nämlich nicht dem Schutzbereich des Art. 8 GG. Dabei ist im Hinblick auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung vorab anzumerken, dass der grundrechtliche Schutz von Versammlungen nur deutschen Staatsangehörigen zusteht, während sich Ausländer insoweit nur auf die einfachgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit (§ 1 VersammlG) und den Schutz der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG berufen können. Im Hinblick darauf, dass das Protestcamp wohl in erster Linie von deutschen Staatsangehörigen bewohnt wird, wird im Folgenden gleichwohl einheitlich auf Art. 8 GG abgestellt.
38Art. 8 Abs. 1 GG verleiht das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zwecke der gemeinsamen Meinungskundgebung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen. Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich‑demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung und Kundgebung. Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und ‑äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken. Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst nicht nur das gewählte Thema der Veranstaltung, sondern auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 ‑ 6 C 23/06 -, BVerwGE 129, 42 ff. = juris Rn. 15.
40Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nonverbalen Ausdrucksformen. Den Versammlungsteilnehmern steht ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Ort, Zeitpunkt, Art, Inhalt und Form der Veranstaltung zu.
41Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 14. Mai 1985 ‑ 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 ‑, BVerfGE 69, 315 = juris Rn. 60 f.
42Die Demonstrationsfreiheit verfügt als spezifisches Kommunikationsgrundrecht über besondere Ausdrucksmittel, die zur Symbolik geraten können und unmittelbaren Eindruck erzeugende Aktionen garantieren. Zulässig sind daher neben den klassischen Formen der Diskussionsversammlung, der Kundgebung und des Demonstrationsaufmarsches (Aufzug) auch Mischformen wie Aufzüge mit Zwischenkundgebung(en) sowie neue Veranstaltungsformen wie Sitzdemonstrationen, Mahnwachen, Schweigemärsche, Straßentheater und Menschenketten.
43Vgl. Dietel/Kinzel/Kniesel, Versammlungsgesetz (VersammlG), 16. Auflage, § 1 Rn 54 f.
44Auch das Aufstellen eines Zeltes im Rahmen einer (angemeldeten) Versammlung kann im Einzelfall von dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG umfasst sein. Will etwa Krankenhauspersonal dergestalt auf die mangelnde Versorgung der Patienten aufmerksam machen, dass der angeprangerte Pflegenotstand mit entsprechenden Hilfsmitteln (Zelt, Betten, medizinischem Gerät) in Szene gesetzt wird, so ist die Aufstellung der Gegenstände essentieller Bestandteil der demonstrativen Aussage und fällt deshalb unter Art. 8 Abs. 1 GG.
45Vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 1 Rn. 54.
46Gleiches dürfte gelten, wenn die "schwierige Lage von Asylsuchenden" in einem Zelt mit Hilfe von Bildern über ihr tägliches Leben, Unterlagen und Dokumenten ihrer Asylverfahren etc. dargestellt wird,
47vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. April 2012 ‑ 10 CS 12.767 -, juris Rn. 10 f.,
48oder das Zelt als Mittel des Protests gegen eine bestimmte Unterbringungssituation von Asylbewerbern oder gegen eine drohende Abschiebung verwandt wird.
49Vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 4. Juni 2009 ‑ 3 B 59/06 -, Rn. 38.
50Darüber hinaus kann sich aber im Einzelfall auch die bloße Zusammenkunft bzw. das bloße gemeinsame Verbleiben von Personen in einem Zeltlager als eine auf eine Meinungsbildung oder Meinungsäußerung in Gruppenform gerichtete Veranstaltung darstellen und damit als Versammlung anzusehen sein. So hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
51vgl. den Beschluss vom 23. September 1991 ‑ 5 B 2541/91 -, NVwZ‑RR 1992, 360 f. = juris Rn. 5; kritisch hierzu: Dietlein, Zeltlager der Roma als Versammlung i.S. des § 1 VersG, NVwZ 1992, 1066 f. und Kanther, Zur "Infrastruktur" von Versammlungen: vom Imbissstand bis zum Toilettenwagen, NVwZ 2001, 1239 ff.,
52beispielsweise ein in unmittelbarer Nähe des Landtages und der Regierungsgebäude in Düsseldorf aufgeschlagenes Lager der Roma aufgrund des gewählten Standorts und der Tatsache, dass das Lager mit Aufschriften und Plakaten versehen war, als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG angesehen.
53Allerdings ist bei Durchführung einer ‑ länger andauernden ‑ Versammlung nicht gleichsam automatisch das Aufstellen von Zelten oder Pavillions als "notwendiger Bestandteil" der Versammlung und der dabei beabsichtigten kollektiven Meinungsbildung und Meinungsäußerung mit umfasst. Dies gilt nur dann, wenn das Zelt(lager) selbst nicht nur als Obdach seiner Besucher und als Ausgangsbasis für anderweitige auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit zielende Aktionen,
54Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. September 1991 ‑ 5 B 2541/91 ‑, a.a.O.,
55bzw. dem Wetterschutz und der bequemeren Unterbringung der Versammlungsteilnehmer dient, sondern ihm darüber hinaus (auch) eine "funktionale" oder "symbolische" Bedeutung für das Versammlungsthema zukommt und diese Art Kundgebungsmittel damit einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur kollektiven Meinungskundgabe aufweist. Dieser besondere Schutz des Art. 8 GG greift unter Hinnahme von ordnungsrechtlichen Beeinträchtigungen vor allem dann, wenn es sich dabei um inhaltsbezogene Bestandteile der Versammlung handelt, ohne die die geplante gemeinsame Meinungsbildung oder Meinungsäußerung nicht möglich ist,
56so: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. Juli 2012 ‑ 10 CS 12.1419 ‑, juris Rn. 23,
57bzw. wenn die in Rede stehenden Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch für die kollektive Meinungskundgabe wesensnotwendig sind.
58So: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 ‑ OVG 1 S 108.12 -, juris Rn. 8.
59Denn der Versammlungsbegriff bzw. dessen Schutzbereich ist nicht weiter auszudehnen, als dies zur Schutzgewährung nach Art. 8 GG erforderlich ist.
60Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 2001 ‑ 1 BvQ 28/01 u.a. ‑, NJW 2001, 2459 ff. = juris Rn. 22, und vom 24. Oktober 2001 ‑ 1 BvR 1190/90 u.a. ‑, juris Rn. 54.
61Als geschützter Teil der Versammlung kann ein Zelt(lager) auch dann angesehen werden, wenn es sich um ein "gemischtes" Element in dem Sinne handelt, dass es sowohl kommunikativen wie auch nichtkommunikativen Zwecken dient; entscheidend ist, ob die "gemischten" Elemente prägend sind. Die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen hat dabei unter Berücksichtigung aller relevanten tatsächlichen Umstände zu erfolgen.
62Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. April 2012 ‑ 10 CS 12.845 -, juris Rn. 18 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 ‑ 6 C 23/06 -, juris Rn. 15 ff.
63Hiervon ausgehend unterfallen die zu dem Protestcamp gehörigen Zelte und sonstigen baulichen Anlagen nicht dem Schutz des Art. 8 GG, weil sie für die beabsichtigte kollektive Meinungskundgabe nicht funktional oder symbolisch notwendig waren; sie dienten vielmehr in erster Linie als Obdach ihrer Bewohner und als Ausgangsbasis für deren (politische) Aktionen.
64Dabei brauchte die Kammer nicht zu entscheiden, ob es sich bei der bloßen ‑ sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung bereits über mehrere Monate erstreckenden ‑ Zusammenkunft der Aktivisten auf dem Flurstück 000 bzw. bei den einzelnen auf dem Grundstück durchgeführten Veranstaltungen der Bewohner des Protestcamps (z.B. der Veranstaltung "Kaffee, Kuchen und " am 9. Dezember 2012) um Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG gehandelt hat. Die auf dem Flurstück 000 befindlichen baulichen Anlagen, deren Beseitigung allein Gegenstand der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ist, waren nämlich nicht geschützter Teil dieser ‑ einmal als gegeben unterstellten ‑ Versammlungen. Sie dienten bei Berücksichtigung aller relevanten tatsächlichen Umstände aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters,
65vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 ‑ 6 C 23/06 -, juris Rn. 17,
66weder ausschließlich noch überwiegend kommunikativen Zwecken, sondern wurden von den Bewohnern des Protestcamps primär als Obdach und als Ausgangsbasis für anderweitige auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit zielende Aktionen genutzt.
67Zunächst kam den zu dem Camp gehörigen Zelten als solchen ‑ losgelöst von ihrem Standort und ihrer Verwendung ‑ keine "funktionale" oder "symbolische" Bedeutung für eine Versammlung zu. Sie waren aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters ‑ anders als der Kläger meint ‑ insbesondere nicht Sinnbild des bewegten Menschen ohne Rast und Halt und symbolisierten auch nicht die "flüchtige" Wohnsituation derjenigen Menschen, die von den Großkonzernen aufgrund des Rohstoffabbaus von ihrem Grund und Boden vertrieben worden sind. Angesichts der vielfältigen Zwecke, für die Zelte in der heutigen Gesellschaft verwandt werden (Unterkunft während Reisen und Expeditionen, Witterungsschutz bei Festen, Ausstellungen und sonstigen Veranstaltungen, Wohnung für Nomaden etc.), stehen diese nämlich nicht für eine bestimmte (politische) Aussage. Das Errichten und Bewohnen eines Zeltes stellte sich daher zunächst einmal als "versammlungsrechtlich neutral" dar.
68Darüber hinaus waren die zum Camp gehörigen baulichen Anlagen auch nicht wegen ihrer Nutzung durch die Angehörigen der Protestbewegung sowie ihrer Lage am Rande des Hambacher Forstes und im "Zentrum des Tagebaugeschehens" wesensnotwendige Bestandteile einer Versammlung. Anders als beispielsweise das mit Aufschriften und Plakaten versehene "Roma‑Zeltlager" vor dem nordrhein‑westfälischen Landtag, durch welches die Roma den Verantwortlichen der Landesregierung ihre Forderung nach einem Bleiberecht in Deutschland plakativ vor Augen geführt haben, handelte es sich bei den baulichen Anlagen des Camps, die zum Zeitpunkt der Erlasses der Ordnungsverfügung nicht mit Plakaten und/oder Aufschriften versehen waren, aus der Sicht eines Außenstehenden, der sich vor Ort befindet und dem die öffentlichen Meinungsäußerungen der Protestbewegung bekannt sind, nicht um ein Element einer Versammlung, das ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckte. Dies gilt schon deshalb, weil Zelte im Außenbereich ‑ anders als in innerstädtischen Lagen ‑ als übliche Form einer (kurzfristigen) Unterkunft angesehen werden müssen und ihnen daher kein bestimmter Aussagewert zukommt. Unabhängig davon dienten die baulichen Anlagen des Protestcamps von Anfang an als Unterkunft, Küche, Lager für Lebensmittel und Versammlungsraum. Es ging den Teilnehmern der Protestbewegung daher ‑ und dies war auch für einen Außenstehenden erkennbar ‑ nicht darum, mit den Zelten auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Ein solcher Zweck wird von ihnen ‑ was nicht zulässig ist ‑,
69vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 ‑ 6 C 23/06 -, a.a.O.,
70vielmehr nur vorgeschoben, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Prägender Zweck der baulichen Anlagen war vielmehr ganz offensichtlich von Anfang an die Schaffung einer Infrastruktur für die Protestbewegung.
71Dass es bei dem Protestcamp in erster Linie um die Schaffung eines "Basislagers" mit möglichst günstigen bzw. ortsnahen Übernachtungsmöglichkeiten für die Angehörigen der Protestbewegung ging und geht, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Vortrag des Klägers, der wiederholt darauf hingewiesen hat, dass "mit der Beseitigung der baulichen Anlagen zugleich auch die (Interessen-)Gemeinschaft beseitigt" werde, "die sich zum Zwecke des Protests und Widerstands gebildet habe", und dass das Grundstück und die hierauf befindlichen baulichen Anlagen nicht von beliebigen Personen betreten werden dürften, weil es sich hierbei um "befriedetes Besitztum" bzw. "Wohnungen" im Sinne von § 123 des StGB handele. Die Räumlichkeiten sollten den Teilnehmern der Versammlung ermöglichen, (Protest‑)Veranstaltungen vorzubereiten und Konflikte und Debatten "in der hierfür notwendigen Abgeschiedenheit" zu führen. Die Herstellung einer solchen Situation ist das Gegenteil von auf Kommunikation angelegter Entfaltung und lässt nur den Schluss zu, dass die streitgegenständlichen Anlagen primär dazu dienten, möglichst optimale und bequeme Rahmenbedingungen für die Besetzungen des Hambacher Forstes und die sonstigen (politischen) Aktionen seiner Bewohner zu schaffen, die sich ausweislich der im ‑ vom Kläger in Bezug genommenen ‑ Blog der Besetzer beschriebenen Nutzung der Wiese zwischenzeitlich weiter verfestigt haben. Die Schaffung einer möglichst komfortablen Infrastruktur für eine länger dauernde Versammlung unterliegt aber ‑ wie bereits ausgeführt ‑ gerade nicht dem durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsrecht.
72Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschlüsse vom 20. April 2012 ‑ 10 CS 12.845 ‑, juris Rn. 18, und vom 2. Juli 2012 ‑ 10 CS 12.1419 ‑, BayVBl. 2012, 756 ff. = juris Rn. 24; OVG Berlin‑Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2012 ‑ OVG 1 S 108.12 -, juris Rn. 11; Verwaltungsgerichtshof Baden‑Württemberg, Urteil vom 14. April 2005 ‑ 1 S 2362/04 ‑, VBlBW 2005, 431 ff. = juris Rn. 36.
73Dies gilt selbst dann, wenn die Teilnehmer aus finanziellen oder logistischen Gründen (Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln) für die Teilnahme an den im Camp organisierten Veranstaltungen auf die Unterkunftsmöglichkeiten angewiesen sind. Denn die Versammlungsfreiheit schützt allein die Teilnahme an einer auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Kundgebung.
74Die Beseitigungsanordnung ist auch nicht deshalb verfahrensfehlerhaft, weil sie ohne Anhörung des Klägers erfolgt ist. Ein etwaiger Verstoß gegen § 28 Abs. 1 VwVfG NRW ist zwischenzeitlich jedenfalls aus den von der Kammer in dem Beschluss vom 3. Juli 2013 (5 L 193/13) genannten Gründen gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden.
752. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist des Weiteren sowohl hinsichtlich der Beseitigungs- (a.) und Unterlassungsanordnung (b.) als auch hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung (c.) materiell rechtmäßig.
76a. Rechtsgrundlage der Beseitigungsanordnung ist § 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW. Nach dieser Vorschrift haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 darüber zu wachen, dass die öffentlich‑rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
77Diesen Anforderungen wird die angefochtene Beseitigungsverfügung gerecht. Der Beklagte hat das Beseitigungsgebot zu Recht tragend auf die formelle und materielle Illegalität des Protestcamps gestützt.
78Die Errichtung des Camps ist formell illegal erfolgt, weil für die streitgegenständlichen Nutzungen die nach den §§ 63, 75 BauO NRW erforderlichen Baugenehmigungen nicht vorliegen. Bei den streitgegenständlichen Anlagen (Zelte, Wohn- und Bauwagen, Pkws mit Vorzelt bzw. Windschutz, Holzhütte sowie eine "Kriechbude" mit blauer Folienabdeckung) handelt es sich um bauliche Anlagen im Sinne von §§ 2, 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Insoweit nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf ihre Ausführungen im Beschluss vom 3. Juli 2013 in dem Verfahren gleichen Rubrums 5 L 193/13. Ergänzend weist sie darauf hin, dass Zelte nach der obergerichtlichen Rechtsprechung,
79vgl. z.B. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7. Mai 2007 ‑ 14 ZB 07.76 -, juris Rn. 13,
80als bauliche Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW einzustufen sind, wenn sie "überwiegend ortsfest benutzt" werden (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW). Dies ist dann der Fall, wenn sie schon für so lange Zeit oder so oft oder sonst unter solchen Umständen an einem Platz aufgestellt oder benutzt werden, dass sie in eine erkennbar verfestigte Beziehung zu diesem Standort treten und damit wie bauliche Anlagen wirken.
81Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 2009 ‑ 10 A 793/07 -, BauR 2009, 1123 ff. = juris Rn. 31.
82Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil die zum Camp gehörigen und streitgegenständlichen Zelte sich seit spätestens November 2012 auf dem Flurstück 000 befanden.
83Auch bei der im Wesentlichen aus Holzbrettern und einer Plastikabdeckung bestehenden sog. Kriechbude handelt es sich um eine bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, d.h. um eine mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlage. Eine Verbindung der "Kriechbude" mit dem Erdboden ist nicht nur deshalb gegeben, weil diese ‑ ebenso wie die Zelte des Camps ‑ überwiegend ortsfest im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW benutzt wird, sondern auch deshalb anzunehmen, weil diese mit ihren Holzbrettern in die Erdoberfläche eingebaut worden ist.
84Vgl. hierzu: Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: November 2014, § 2 Rn. 7.
85Die Kriechbude wurde auch aus Bauprodukten hergestellt. Zu den Bauprodukten gehören neben vorgefertigten Anlagen (§ 2 Abs. 9 Nr. 1 BauO NRW) auch Baustoffe, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden (§ 2 Abs. 9 Nr. 2 BauO NRW). Baustoffe sind ihrerseits natürliche oder künstliche, geformte oder ungeformte Stoffe, die zum Bauen verwendet werden können. Hierzu gehören neben den Bauteilen im klassischen Sinne (Fenster, Türen, Betonfertigteilen etc.) beispielsweise auch die oben genannten Holzteile und (aufblasbare) Plastikfolien.
86Vgl. Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 2 Rn. 136.
87Der Annahme einer baulichen Anlage steht daher insbesondere nicht die Verwendung von Plastikfolie(n) als oberer Abschluss der Kriechbude entgegen.
88Die Errichtung des Camps ist auch materiell illegal, weil die zugehörigen baulichen Anlagen weder gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert noch gemäß § 35 Abs. 2 BauGB als sonstige Vorhaben zulässig sind. Die angefochtene Verfügung verstößt auch nicht gegen das durch Art. 5 GG geschützte Recht der freien Meinungsäußerung. Auch insoweit nimmt die Kammer Bezug auf ihre Ausführungen in dem Beschluss vom 3. Juli 2013 (5 L 193/13), denen der Kläger in der Beschwerdebegründung und im (weiteren) Verlauf des Klageverfahrens nicht entgegengetreten ist.
89Schließlich ist die Beseitigungsanordnung auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden.
90Die pflichtgemäße Ausübung des durch § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumten bauaufsichtlichen Ermessens setzt voraus, dass die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einschließlich aller in Betracht kommenden Störer sowie deren Möglichkeiten zur Gefahrenbeseitigung zutreffend ermittelt und zur Grundlage der Störerauswahl gemacht hat. Die eigentliche Störerauswahl hat sich dann an dem leitenden Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr auszurichten, um auf diese Weise sicherzustellen, dass die illegale Nutzung sofort aufhört und sich der formell baurechtswidrige Zustand nicht verfestigt.
91Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. März 2013 ‑ 2 B 178/13 -, Seite 5, n.v.
92Gemessen an diesem Maßstab ist ein Ermessensfehler nicht ersichtlich. Zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verfügung entsprach es dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr, dass der Beklagte dem Kläger die Beseitigung der baulichen Anlagen aufgegeben hat. Denn im Hinblick auf das Verhalten des Klägers, der nicht nur Eigentümer des Grundstücks ist, sondern sich bereits in der Vergangenheit gegenüber dem Beklagten auch als aktiver Unterstützer der Protestbewegung ausgegeben hatte, durfte der Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger die illegale Nutzung des Camps schnell und wirksam unterbinden konnte. Selbst wenn ‑ wie der Kläger im Beschwerdeverfahren erstmals vorgetragen hat ‑ private Rechte der Bewohner des Camps der Beseitigung der baulichen Anlagen durch den Kläger entgegen gestanden hätten, wäre dies für die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsverfügung bzw. die Störerauswahl unerheblich. Das Miteigentum oder eine sonstige Nebenberechtigung (z.B. Miete) eines Dritten berühren nämlich nicht die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsverfügung, sondern stellen lediglich ein Vollzugshindernis dar, das nachträglich durch eine gegen den Dritten gerichtete (Duldungs‑)Verfügung ausgeräumt werden kann.
93Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1972 ‑ IV C 42.69 ‑, BVerwGE 40, 101 ff. = juris Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 1994 ‑ 10 A 1753/91 -, BRS 57 Nr. 249 = juris Rn. 18.
94Der Beklagte hat im Rahmen seiner ‑ durch Schriftsatz vom 4. November 2014 gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergänzten ‑ Ermessenserwägungen des Weiteren ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der Beachtung der Vorgaben des Bauplanungsrechts höher zu bewerten sei, als das private Interesse der Aktivisten an dem Erhalt des nicht unter den Schutz des Art. 8 GG fallenden Wiesencamps. Weitergehender Ermessenserwägungen bedurfte es nicht, weil die Behörde bei formell und materiell rechtswidrigen Bauten regelmäßig gehalten ist einzuschreiten, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die dem entgegenstehen. Bei einem Einschreiten gegen einen rechts- oder ordnungswidrigen Zustand ist der Begründungspflicht daher im Regelfall damit genügt, dass die Behörde ‑ wie hier der Beklagte ‑ zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechts- oder Ordnungswidrigkeit beseitigt werden.
95Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 1980 ‑ 4 B 67/80 -, BRS 36 Nr. 93 = juris Rn. 6.
96Besondere Umstände, die ein Absehen von dem sich aus der Natur der Sache gerechtfertigten Einschreiten ausnahmsweise erforderlich machten, sind nicht ersichtlich, weil die baulichen Anlagen des Protestcamps ‑ wie bereits ausführlich dargelegt ‑ nicht unter den Schutz des Art. 8 GG fallen.
97b. Die angegriffene Ordnungsverfügung erweist sich auch hinsichtlich der Unterlassungsanordnung als rechtmäßig. Die den Bauaufsichtsbehörden nach § 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauO NRW eingeräumte Befugnis, alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um die Verwirklichung der öffentlich‑rechtlichen Vorschriften in Bezug auf bauliche Anlagen zu sichern, umfasst nämlich auch die Ermächtigung, bereits vorbeugend zur Verhinderung eines sonst in Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretenden rechtswidrigen Zustandes einzuschreiten.
98Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Mai 2001 ‑ 4 TG 764/01 -, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 1998 ‑ 11 A 5274/96 ‑, Seite 5, n.v.
99Vorliegend waren und sind die Voraussetzungen für ein vorbeugendes Einschreiten der Behörde gegeben, da die Gefahr weiterer Baurechtsverstöße durch das Errichten von im Außenbereich nicht privilegierten baulichen Anlagen zu Wohnzwecken bestand und noch besteht. Die Angehörigen der Protestbewegung haben das Camp seit dem Erlass der Ordnungsverfügung ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen und der in ihren Blog eingestellten Fotos erheblich erweitert; es ist auch nicht auszuschließen, dass sie zukünftig auf dem Flurstück 000 weitere illegale bauliche Anlagen errichten werden.
100Das weit gefasste Unterlassungsgebot ist dahin auszulegen, dass das Errichten von baulichen Anlagen zu Aufenthaltszwecken in vergleichbaren Fällen zu unterbleiben hat.
101Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 1998 ‑ 11 A 5274/96 -.
102c. Die Androhungen der Zwangsgelder sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie beruhen auf § 55 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Danach kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Das Zwangsmittel, hier das Zwangsgeld im Sinne von §§ 57 Abs.1 Nr. 2, 60 VwVG NRW, ist gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW dem Betroffenen schriftlich anzudrohen, wobei die Androhung gemäß Absatz 2 der Vorschrift ‑ wie vorliegend geschehen ‑ mit dem Verwaltungsakt, der durchgesetzt werden soll, verbunden werden kann.
103Der Beklagte hat dem Kläger auch eine angemessene Frist für die Erfüllung der aufgegebenen Verpflichtung gesetzt (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW). Da die Beseitigung der streitgegenständlichen Anlagen angesichts ihrer besonderen Art (Zelte, Bauwagen etc.) in kurzer Zeit und mit geringem Kostenaufwand möglich ist, ist die in der Zwangsgeldandrohung (nunmehr) gesetzte Frist von 4 Wochen nach Vollziehbarkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung nicht zu beanstanden.
104Die Zwangsgeldandrohungen sind auch nicht wegen eines Vollstreckungshindernisses materiell rechtswidrig. Dabei brauchte die Kammer nicht zu entscheiden, ob eine Duldungsverfügung, durch welche eine zivilrechtliche Rechtsposition Dritter ausgeräumt werden soll, bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Zwangsmittelandrohung,
105so: Oberverwaltungsgericht Reinland‑Pfalz, Urteil vom 25. November 2009 ‑ 8 A 10502/09 ‑, BRS 74 Nr. 209 = juris Rn. 17 ff.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Juni 2004 ‑ 26 ZS 98.2985 -, juris Rn. 33,
106oder erst zu einen späteren Zeitpunkt (bis zum Beginn oder Ablauf der Erfüllungsfrist bzw. bis zur Festsetzung oder Anwendung des Zwangsmittels) vorliegen muss. Denn der Kläger hat das Vorliegen eines Vollzugshindernisses bislang nicht substantiiert vorgetragen. Hierfür ist die bloße Behauptung, dass private Rechte Dritter der Beseitigung baulicher Anlagen entgegenstehen, nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr, dass der Adressat der Ordnungsverfügung das Vertragsverhältnis nach Art und Inhalt beschreibt und insbesondere seine(n) Vertragspartner benennt. Denn erst durch diese Angaben wird die Behörde in die Lage zum Erlass von Duldungsverfügungen gesetzt. Diesen Anforderungen ist der Kläger indes auch nicht nur ansatzweise gerecht geworden. Er hat in der mündlichen Verhandlung lediglich behauptet, dass zwischen ihm und den Besetzern ein "Rechtsverhältnis besonderer Art" bestehe; ob dieses Rechtsverhältnis als Leihvertrag zu qualifizieren sei, könne er nicht abschließend beurteilen. Da Angaben zum Vertragspartner, zu Zeit und Ort des Vertragsabschlusses und insbesondere zum Inhalt des Vertrages mithin vollständig fehlen, ist mangels eines glaubhaft gemachten Vertragsverhältnisses davon auszugehen, dass der Kläger als Eigentümer des Flurstücks 000 von den Aktivisten als Besitzern des Grundstücks jederzeit dessen Herausgabe verlangen kann.
107II. Der Hilfsantrag ist ungeachtet der Frage seiner Zulässigkeit unbegründet. Erweist sich der angefochtene Bescheid aus den oben dargelegten Gründen als rechtmäßig, ist für das Begehren "Zurückversetzen in den Zustand des Verwaltungsverfahrens" eine rechtliche Grundlage nicht ersichtlich.
108Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
109Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 1 und 2 Nr. 3 VwGO).
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 44 Kassel - Herleshausen im Teilabschnitt Helsa-Ost bis Hessisch Lichtenau-West (VKE 12). Er ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck darin besteht, Bürger und politische Mandatsträger in Kreis, Land und Bund für einen die Umwelt schonenden, die Gesundheit der Bevölkerung und die Belange der Autofahrer zwischen Kassel und Eisenach berücksichtigenden Weiterbau der A 44 zu gewinnen.
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Die neue Autobahn soll eine Lücke im Autobahnnetz auf der Achse Ruhrgebiet - Kassel - Dresden zwischen der A 7 bei Kassel und der A 4 bei Eisenach schließen. Das Bundesministerium für Verkehr bestimmte mit Erlass vom 15. Dezember 1998 die Linie der A 44, die weitgehend der heutigen Vorzugsvariante entspricht. Die Gesamtplanung gliedert sich in zehn als Verkehrskosteneinheiten (VKE) bezeichnete Planungsabschnitte. Die östlich an die VKE 12 anschließende VKE 20 ist in Bau, die daran nach Osten anschließende VKE 31 steht bereits unter Verkehr. Die westlich an die VKE 12 anschließende VKE 11 befindet sich im Planfeststellungsverfahren.
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Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 25. März 1999 von der Gemeinde Kaufungen ein 2 577 qm großes landwirtschaftlich genutztes Grundstück in der Gemarkung Niederkaufungen (Flur 22, Flurstück 7) zum Preis von 4 DM pro qm, insgesamt 10 308 DM. Das seit 1982 an einen Landwirt verpachtete Grundstück liegt im Bereich der VKE 11 und soll nach dem gegenwärtigen Planungsstand im Umfang von 1 107 qm für die Autobahntrasse in Anspruch genommen werden.
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Auf Antrag des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen Kassel vom 20. Februar 2007 leitete das Regierungspräsidium Kassel das Planfeststellungsverfahren für die VKE 12 ein. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 und 8. September 2008 rügte der Kläger unter Hinweis auf seine Grundeigentumsbetroffenheit in der VKE 11 insbesondere die Trassenauswahl als fehlerhaft.
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Mit Beschluss vom 12. November 2009 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 44 im Abschnitt der VKE 12 fest und wies die Einwendungen des Klägers zurück.
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Am 25. Februar 2010 hat der Kläger gegen den durch Auslegung vom 11. bis 25. Januar 2010 öffentlich bekannt gemachten Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Zur Begründung der Zulässigkeit der Klage trägt er im Wesentlichen vor: Er sei klagebefugt, obwohl sein Grundstück nicht in dem hier umstrittenen Planfeststellungsabschnitt liege. Seine rechtliche Betroffenheit ergebe sich daraus, dass durch die vorgenommene Abschnittsbildung ein Zwangspunkt gesetzt werde, durch den die Inanspruchnahme seines Grundstücks in der VKE 11 unausweichlich werde. Aus welchen Beweggründen er das Grundstück erworben habe, sei unerheblich; dies gelte auch dann, wenn es sich um ein "Sperrgrundstück" handele, das dazu diene, den Planfeststellungsbeschluss angreifen zu können. Das Grundstück sei nicht nur als "formale Hülle" zum Zweck der Prozessführung, sondern zum vollen Verkehrswert erworben worden, um dort weiterhin eine landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Schon das Interesse an einer Vermeidung einer Beeinträchtigung des Pachtobjekts durch Immissionen genüge, um die Klagebefugnis zu bejahen.
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Der Kläger beantragt,
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den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 12. November 2009 aufzuheben.
- 8
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 9
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Er hält die Klage für unzulässig, weil der Kläger das Grundstück in der Gemarkung Kaufungen nicht wegen der mit dem Eigentum verbundenen Gebrauchsmöglichkeiten, sondern allein deshalb erworben habe, um die formalen Voraussetzungen für eine Prozessführung zu erlangen, die dem Eigentümer vorbehalten sei. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss führe auch nicht unausweichlich zur Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers in der VKE 11.
Entscheidungsgründe
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Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VerkPBG für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Der Zuständigkeit steht die in § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkPBG enthaltene Befristung des Gesetzes bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006 nicht entgegen, weil nach § 24 Abs. 1 Satz 2 FStrG i.V.m. § 11 Abs. 2 VerkPBG maßgeblich ist, dass hier vor dem genannten Stichtag ein Linienbestimmungsverfahren stattgefunden hat, so dass die Planung als vor diesem Zeitpunkt begonnen gilt und nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen ist (vgl. Beschluss vom 30. März 2007 - BVerwG 9 VR 7.07 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 17 Rn. 2).
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Die Anfechtungsklage ist unzulässig. Der Kläger, der sich nicht auf ein Verbandsklagerecht nach § 64 BNatSchG oder § 2 UmwRG beruft und dem ein solches auch nicht zusteht, ist nicht klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
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1. Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Klagebefugnis im vorliegenden Verfahren nicht auf den in seinem Eigentum stehenden Grundbesitz in der Gemeinde Kaufungen berufen. Der von dem Beklagten erhobene Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung, nämlich dass der Kläger das im geplanten Trassenverlauf der VKE 11 liegende Grundstück nur deshalb erworben hat, um sich damit eine Klagemöglichkeit gegen das von ihm mit dieser Linienführung abgelehnte Planvorhaben zu verschaffen, greift durch.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht der Hinweis eines Planbetroffenen auf seine Eigentümerstellung zwar in aller Regel aus, um im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aufzuzeigen. Grundsätzlich unerheblich ist auch, aus welchen Beweggründen ein Kläger das Eigentum an einem Grundstück erworben hat. Eine andere rechtliche Beurteilung ist aber dann gerechtfertigt, wenn das Eigentum nur deshalb erworben worden ist, um die Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die nach dem Rechtsschutzsystem der VwGO einem Eigentümer vorbehalten ist (vgl. Urteile vom 12. Juli 1985 - BVerwG 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15 <16>, vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 10.99 - BVerwGE 112, 135 <137> und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 <286>). Davon ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände ohne Weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung, welche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein über das Führen eines erwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 138). Dies ist hier der Fall.
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Unstreitig hat der Kläger allerdings an dem im geplanten Trassenverlauf der VKE 11 belegenen Grundstück zum Verkehrswert vollumfänglich Eigentum erworben. Seine Eigentümerstellung stellt sich daher nicht als bloß "formale Hülle" ohne substanziellen Inhalt dar (zu einer derartigen Fallgestaltung s. Urteil vom 27. Oktober 2000 a.a.O. S. 138 f.). Er hat aber trotz seiner uneingeschränkten Eigentümerstellung kein über die Prozessführung hinausgehendes Interesse an der erworbenen Rechtsstellung. Grund für den Erwerb des Grundstücks war allein dessen Lage im voraussichtlichen Trassenverlauf des sich an den planfestgestellten Abschnitt anschließenden Abschnitts der Neubautrasse (VKE 11) und die damit - nach Ansicht des Klägers - verbundene Möglichkeit, den Klageweg auch gegen den hier angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zu beschreiten, um seinen Vorstellungen über die richtige Trassenwahl gerichtlich Geltung zu verschaffen. Dies legen nicht nur der Zeitpunkt des Kaufes unmittelbar nach der Festlegung der Trasse im Linienbestimmungsverfahren sowie das von Anfang an fehlende Gebrauchsinteresse des Klägers und die fehlende Wirtschaftlichkeit des Erwerbes nahe, sondern ist auch durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Diese haben erklärt, zwar sei auch beabsichtigt gewesen, das Grundstück in seiner landwirtschaftlichen Nutzung und damit als Teil der vorhandenen Landschaft zu schützen, es sei aber klar, dass der Kläger das Grundstück nie erworben hätte, wenn es nicht in dem voraussichtlichen Trassenverlauf des anschließenden Abschnitts liegen würde und damit als Sperrgrundstück geeignet wäre.
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Die von dem Kläger und von Stimmen in der Literatur (vgl. Masing, NVwZ 2002, 810; Knödler, NuR 2001, 194) gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Sperrgrundstücken vorgebrachten grundsätzlichen Einwände überzeugen den Senat nicht. Die mit dieser Rechtsprechung verbundenen Einschränkungen der Klagemöglichkeiten von Grundstückseigentümern finden ihren Grund in der durch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen subjektiv-rechtlichen Konzeption des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt (§ 42 Abs. 2 und § 113 VwGO; s. auch Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 <264>). § 42 Abs. 2 VwGO eröffnet nur der Verletztenklage den Zugang zur sachlichen Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die Verwaltungsgerichte und beschränkt damit gleichzeitig inzident die Reichweite der Kontrolle der Gerichte gegenüber der Verwaltung (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand September 2011, § 42 Abs. 2 Rn. 16). Mit dieser für das Verwaltungsstreitverfahren tragenden Systementscheidung hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine allgemeine Gesetzmäßigkeitskontrolle im Wege der Interessentenklage entschieden. Eine solche ist außerhalb des Regelungsbereichs des Art. 19 Abs. 4 GG angesiedelt und setzt daher eine besondere gesetzliche Zulassung voraus (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <82>). Für anerkannte Naturschutz- und Umweltschutzvereinigungen sind die gesetzlichen Grundlagen für solche auf eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ausgerichteten Klagen zwischenzeitlich geschaffen worden (vgl. § 64 BNatSchG, § 2 UmwRG). Diese natur- und umweltschutzrechtlichen Verbandsklagen treten neben den subjektiv-rechtlichen Rechtsschutz, erweitern ihn aber nicht.
- 16
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Mit seiner auf das zum Zweck der Prozessführung erworbene Grundstück gestützten Klage versucht der Kläger, diese verwaltungsprozessualen Zusammenhänge zu überspielen. Das Grundeigentum dient ihm allein als Mittel, um eine Interessentenklage im Gewand der Verletztenklage erheben zu können. Das ist systemwidrig und rechtfertigt den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne einer Umgehung des Gesetzes (vgl. Urteil vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 103.80 - Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1 S. 4). Auch die Ausübung prozessualer Rechte unterliegt dem Gebot von Treu und Glauben mit der Folge, dass die Befugnis zur Anrufung der Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen sein kann (BVerfG, Entscheidung vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255.67 - BVerfGE 32, 305 <309>; Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <88 f.>). Dies gilt auch für prozessuale Rechte, die zum Schutz subjektiver Rechte geschaffen worden sind (Beschluss vom 18. Dezember 1989 - BVerwG 4 NB 14.89 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 44). Soweit der Kläger dagegen einwendet, der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes sei ein formalisierter, der die konkrete Eigentumsposition unabhängig von der Motivation beim Erwerb schütze, übersieht er zum einen, dass der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht betroffen ist, wenn die Geltendmachung der mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse im Einzelfall wegen des Vorliegens besonderer Umstände als rechtsmissbräuchlich angesehen wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. November 1989 - 1 BvR 1377/89 - DB 1990, 414; vgl. auch Kammerbeschluss vom 10. November 1988 - 1 BvR 1215/88 - juris). Zum anderen beachtet er nicht, dass ihm die Geltendmachung und Durchsetzung der ihm aus Art. 14 Abs. 1 GG zukommenden Rechte nur in Bezug auf die Planfeststellung verwehrt ist, er aber im Übrigen an der Geltendmachung der Eigentümerbefugnisse und ihrer gerichtlichen Durchsetzung nicht gehindert ist.
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Mit seinem Vorbringen, ihm sei es mit dem Kauf des Grundstücks auch darum gegangen, die vorhandene landwirtschaftliche Nutzung zu sichern, vermag der Kläger ein über die Prozessführung hinausgehendes Interesse an dem Grundeigentum ebenfalls nicht zu begründen. Der Schutz der Natur oder auch nur der vorhandenen Landwirtschaft gehört ausweislich der Satzung des Klägers nicht zu den von ihm verfolgten Vereinszwecken. Vereinszweck ist vielmehr, Bürger und politische Mandatsträger "für den Weiterbau der A 44 zu gewinnen", um die Voraussetzungen für eine nachhaltige Förderung der Wirtschaft in Nordhessen und Thüringen zu schaffen. Nur im Zusammenhang mit dieser Zielsetzung ist in der Satzung des Klägers von der Schonung der Umwelt als weiterem Ziel die Rede. Die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen oder der Landschaft wird als eigenständiges Haupt- oder Nebenziel nicht erwähnt. Abgesehen davon betrifft das Interesse des Klägers am Erhalt des Grundstücks in seinem gegenwärtigen Zustand das Grundstück als Teil der - nach Auffassung des Klägers - von der Trasse zu verschonenden Landschaft. Es unterliegt damit ebenfalls dem Einwand, dass es nur dem Zweck dient, die Voraussetzungen für eine Prozessführung zu schaffen, die dem Kläger nach dem Rechtsschutzsystem der VwGO nicht zusteht.
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Die Ermittlung der Motivlage beim Eigentumserwerb durch Vereine und andere Personenvereinigungen scheitern auch nicht - wie der Kläger einwendet - daran, dass die Motive der einzelnen Mitglieder von Personenmehrheiten heterogen sein können. Für die rechtliche Beurteilung kommt es insoweit auf den satzungsgemäßen Zweck der Vereinigung, auf Beschlussfassungen der Mitgliedervertretungen und auf die Motive der vertretungsberechtigten Organe an und nicht auf die Ansichten der einzelnen Mitglieder.
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Aus den von dem Kläger befürchteten mittelbaren Beeinträchtigungen seines Grundeigentums durch Verkehrsimmissionen des Vorhabens lässt sich eine Klagebefugnis ebenfalls nicht herleiten. Steht der Klagebefugnis der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, gilt dies auch für mittelbare Beeinträchtigungen, die mit dem Vorhaben verbunden sein mögen. Inwieweit etwas anderes gelten könnte, falls der Eigentümer eines Sperrgrundstücks nicht im Wege der Anfechtungsklage ein von ihm abgelehntes Vorhaben oder eine bestimmte Trassenentscheidung bekämpft, sondern im Wege der Verpflichtungsklage lediglich ergänzende Schutzauflagen für sein Eigentum geltend macht, bedarf keiner abschließenden Klärung. Der Kläger hat einen solchen Antrag nicht - auch nicht hilfsweise - gestellt, sondern wendet sich vielmehr gegen das Vorhaben insgesamt.
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2. Dem Kläger fehlt unabhängig von den Erwägungen zu 1 die Klagebefugnis auch deswegen, weil weder die Inanspruchnahme seines Grundstücks im Folgeabschnitt unausweichlich ist noch er dargetan hat, dass sein Grundstück zwangsläufig in rechtswidriger Weise durch Straßenverkehrsimmissionen belastet werden wird. Der Kläger kann daher nicht vorbeugend geltend machen, bereits durch den planfestgestellten Abschnitt gegenwärtig in seinen Rechten verletzt zu sein.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Eigentümer gegen eine heranrückende Planung, die sein Grundstück noch nicht unmittelbar betrifft, zur Wehr setzen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig dazu führen muss, dass er in seinen Rechten betroffen wird (vgl. Urteile vom 26. Juni 1981 - BVerwG 4 C 5.78 - BVerwGE 62, 342 und vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115; Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92). Dadurch soll der künftig notwendig Rechtsbetroffene zur Sicherung seines effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen bewahrt werden (vgl. Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 S. 21). Eine solche vorbeugende Klagemöglichkeit ist auch demjenigen eröffnet, der geltend machen kann, es hätte eine andere Trasse gewählt werden müssen, weil sein im Folgeabschnitt liegendes und nicht durch das Vorhaben selbst in Anspruch genommenes Grundstück jedenfalls unvermeidbar und in rechtswidriger Weise durch von der Straße ausgehende Verkehrsimmissionen belastet werde (Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
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Das nördliche Ende der Trasse im angegriffenen Planfeststellungsabschnitt legt den Trassenverlauf im folgenden Teilabschnitt nicht derart fest, dass eine Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers unvermeidbar ist. Wie auch der Kläger nicht in Frage stellt, sind in der VKE 11 außer der Vorzugsvariante, durch die sein Grundstück in Anspruch genommen werden wird, noch mindestens zwei weitere Trassenvarianten denkbar, die sein Grundeigentum nicht berühren. Insbesondere bei der Trassenführung durch den sogenannten Zwischenkorridor würde die geplante Autobahn an der Anschlussstelle Kaufungen Mitte nach Süden abknicken und an keiner Stelle des Trassenverlaufs in die Nähe des Grundstücks des Klägers kommen. Dass der Vorhabenträger im Bereich der VKE 11 nach dem gegenwärtigen Planungsstand nicht dem Zwischenkorridor den Vorzug gibt, sondern der linienbestimmten Trasse folgt, durch die das Grundstück des Klägers teilweise in Anspruch genommen wird, ändert an der Beurteilung nichts. Denn die Entscheidung für die das Grundstück des Klägers querende Vorzugsvariante ist Folge eines Abwägungsprozesses zwischen den verschiedenen in der VKE 11 möglichen Trassenführungen und nicht zwingende Folge des in der VKE 12 festgelegten Trassenverlaufs.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Aussicht auf Realisierung der vom Kläger bevorzugten, durch den Söhrekorridor führenden und am Kasseler Kreuz endenden Trassenvariante bei einer Bestätigung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses weiter verringert wird. Ein "Zurück" des Trassenverlaufs in der VKE 11 auf die weit südlich des Endes der VKE 12 verlaufenden Trassenvarianten durch das Söhretal entspräche erkennbar keiner vernünftigen Planungskonzeption. Damit entfaltet der angegriffene Planfeststellungsbeschluss für die Variantenauswahl im anschließenden Teilabschnitt zwar insoweit eine Vorwirkung, als er die dort noch in Betracht kommenden Varianten reduziert und damit die planerische Gestaltungsfreiheit einengt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, an die Annahme eines Zwangspunktes geringere Anforderungen zu stellen. Die vorverlagerte Rechtsschutzmöglichkeit soll den Betroffenen vor vollendeten Tatsachen schützen, nicht jedoch der Planfeststellungsbehörde das Risiko rechtsfehlerhafter Planfeststellung abnehmen. Für die anzustellende Alternativenprüfung macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob das Vorhaben auf der Grundlage eines einzigen Planfeststellungsbeschlusses oder in mehreren Etappen ausgeführt werden soll. Die Aufspaltung in Abschnitte kann nicht dazu führen, dass die Frage einer besser geeigneten Alternative gar nicht oder allenfalls im Rahmen des auf das vorangehende Teilstück beschränkten Planfeststellungsverfahrens aufgeworfen werden kann. Auch bei schrittweiser Planverwirklichung verengt sich die Alternativenprüfung nicht auf die Prüfung, inwieweit die geschaffenen Zwangspunkte noch Variationsspielräume lassen. Zwangspunkte erzeugen keine strikten Bindungen in dem Sinne, dass sie in die weitere Planung als feste Determinanten einzustellen sind. Auch wenn sie tendenziell desto stärker zu Buche schlagen mögen, je weiter sich die Planung von Abschnitt zu Abschnitt verfestigt, behalten sie die Qualität eines im Wege der Abwägung überwindbaren Belangs und muss die Planung in jedem Stadium dem Einwand standhalten, einem anderen Lösungskonzept unterlegen zu sein (Beschlüsse vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - NVwZ 1993, 887 <888 f.>, vom 10. November 2000 - BVerwG 4 B 47.00 - NVwZ 2001, 800 <800 f.> und vom 14. Juli 2005 - BVerwG 9 VR 23.04 - juris Rn. 6).
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Auch mit der Rüge, die erst im Planfeststellungsverfahren vorgenommene Aufspaltung des ursprünglich die VKE 11 und die VKE 12 umfassenden Planungsabschnitts 1 in zwei Teilabschnitte habe zu einer übermäßigen Parzellierung geführt, die eine rechtlich kontrollierbare Gesamtabwägung nicht mehr sinnvoll zulasse, vermag der Kläger seine Klagebefugnis nicht zu begründen. Dass eine Abschnittsbildung auch dann rechtswidrig sein kann, wenn sie objektiv geeignet ist, die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutzmöglichkeiten wegen übermäßiger "Parzellierung" des Planungsverlaufs praktisch unmöglich zu machen (vgl. Beschluss vom 26. Juni 1992 - BVerwG 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 89), erweitert die vorbeugenden Rechtsschutzmöglichkeiten des durch den Trassenverlauf erst in einem Folgeabschnitt voraussichtlich Betroffenen nicht. Stellt das Ende des vorangehenden Teilabschnitts keinen Zwangspunkt im oben genannten Sinne dar, besteht keine Notwendigkeit, vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren. Ob eine rechtswidrige, weil die Gesamtplanung übermäßig parzellierende Abschnittsbildung vorliegt, kann der Betroffene in einem Klageverfahren gegen den späteren, ihn in seinen Rechten unmittelbar berührenden Abschnitt vollumfänglich prüfen lassen.
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Der Kläger kann seine Klagebefugnis gegen den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss schließlich auch nicht darauf stützen, dass sein Grundstück bei den durch den Lossekorridor führenden Varianten zumindest mittelbar durch Straßenverkehrsimmissionen betroffen sein werde. Abgesehen davon, dass es mit Blick auf die mögliche Variante durch den Zwischenkorridor schon an einer Unvermeidbarkeit der Beeinträchtigung durch Immissionen fehlt, wäre auch bei einer unausweichlich in der Nähe des Grundstücks verlaufenden Trasse die substantiierte Darlegung erforderlich, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss zwangsläufig in rechtswidriger Weise das Grundstück des Klägers belasten wird (vgl. Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris Rn. 20). Denn regelmäßig können Beeinträchtigungen von Grundstücken durch Luftschadstoffe oder Lärmbelästigungen durch entsprechende Schutzmaßnahmen (z.B. Schutzwände, Schutzpflanzungen, Schutzstreifen) verhindert bzw. auf ein verträgliches Maß reduziert werden, weshalb Mängel des Planfeststellungsbeschlusses wegen fehlender oder unzureichender Schutzauflagen in der Regel nicht zu einem Anspruch auf Planaufhebung führen, den der Kläger mit seiner Klage ausschließlich verfolgt (vgl. Urteile vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 <133 f.> und vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - BVerwGE 101, 73 <84>). Hinsichtlich der Luftschadstoffe kommt hinzu, dass die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung des Vorhabens ist und vom Kläger nicht dargetan oder sonst ersichtlich ist, dass die Verwirklichung des Vorhabens die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu verwirklichen (vgl. Urteile vom 26. Mai 2004 - BVerwG 9 A 6.03 - BVerwGE 121, 57 <61>, vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <28> und vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 115). Soweit der Kläger sich auf Lärmbeeinträchtigungen seines Grundstücks beruft, übersieht er zudem, dass für sein im Außenbereich gelegenes, ausschließlich landwirtschaftlich genutztes und nutzbares Grundstück die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umweltauswirkungen nicht gelten und für eine die gegenwärtige landwirtschaftliche Nutzung ausschließende Lärmbelastung nicht im Ansatz etwas dargetan oder sonst erkennbar ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, der Beigeladenen vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines bergrechtlichen Hauptbetriebsplanes für die Gewinnung von Kalkstein in einem Steinbruch südlich von X. . Hierbei geht es insbesondere um die Frage, ob dem Schutz des von der Klägerin zur Trinkwasserversorgung geförderten Grundwassers hinreichend Rechnung getragen wird.
3Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen des Kreises T. und versorgt verschiedene Städte und Gemeinden mit Trinkwasser. Sie förderte auf der Grundlage eines preußischen Wasserrechts vom 18. Dezember 1931 und einer wasserrechtlichen Bewilligung vom 18. Dezember 1995 (gültig bis zum 31. Dezember 2025) Grundwasser aus der im X1. Massenkalk gelegenen M1. -Quelle. Unter dem 13. Januar 2015 wurde der Klägerin eine weitere wasserrechtliche Bewilligung zu einer mengenmäßig größeren Entnahme von Grundwasser aus dieser Quelle erteilt. Die Beigeladene hat diese Bewilligung angefochten; das Verfahren ist in erster Instanz anhängig.
4Zum Schutz des Grundwassers im Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlagen I1. -Quelle II der Stadtwerke X. und M1. -Quelle der M1. Wasserwerke GmbH - der Klägerin - ist im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung gemäß § 1 Abs. 1 der Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 15. April 1991 zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes für das Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlagen I1. -Quelle II der Stadtwerke X. und M1. -Quelle der M1. Wasserwerk GmbH F1. , Kreis T. , und I2. - Wasserschutzgebietsverordnung X1. Kalkmassiv - (im Folgenden: WSG-VO), ABl. Reg. Arnsberg vom 4. Mai 1991, S. 143, geändert durch Verordnung vom 29. September 1993, ABl. Reg. Arnsberg vom 9. Oktober 1993, S. 373, ein Wasserschutzgebiet festgesetzt worden, wobei unter anderem die Klägerin als Begünstigte im Sinne des § 15 Abs. 1 LWG NRW a. F. bezeichnet worden ist.
5Das Wasserschutzgebiet gliedert sich nach § 1 Abs. 2 WSG-VO in die weiteren Schutzzonen (Zone III B, Zone III A), in die engeren Schutzzonen (Zone II) und in die Fassungsbereiche (Zone I). Nach § 4 Abs. 1 Nr. 16 WSG-VO sind in der Zone III A Grabungen oder Abgrabungen über eine Tiefe von 2 m oder eine Ausdehnung von 10 m2 hinaus grundsätzlich genehmigungspflichtig. Ferner sind gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 21 der vorgenannten Bestimmung Grabungen oder Abgrabungen, durch die das Grundwasser dauernd freigelegt oder angeschnitten wird, grundsätzlich verboten.
6Ein Verfahren zur Festsetzung eines Wasserschutzgebietes wurde bereits Mitte der 1960er Jahre eingeleitet, ohne aber abgeschlossen zu werden. Zu Beginn des Jahres 1988 wurde das Vorhaben einer Wasserschutzgebietsfestsetzung wieder aufgegriffen und eine Behördenbeteiligung durchgeführt. Bedenken an der Notwendigkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes und gegenüber den geplanten Grenzen eines solchen Gebietes wurden insbesondere von der Interessengemeinschaft Steinindustrie X. -L. geäußert. Nach einem Behördenanhörungstermin lag der Entwurf einer Wasserschutzgebietsverordnung im Frühjahr 1990 öffentlich aus. Nach Durchführung eines Erörterungstermins wurde die Wasserschutzgebietsverordnung unter dem 15. April 1991 erlassen.
7Die Beigeladene betreibt südlich von X. -T1. im Tagebau den Steinbruch I. M. (an anderer Stelle auch mit „I. Liet“ bezeichnet), Baufeld F. II. Sie gewinnt dort devonischen Massenkalk mit eingeschlossenem Marmor. Der Steinbruch liegt in der Schutzzone III A der Wasserschutzgebietsverordnung. Nordöstlich schließt sich an diesen Steinbruch ein weiterer Steinbruch an.
8Für den Abbau in dem Steinbruch I. M. , Baufeld F. II, wurde mit Bescheid vom 22. März 2000 von der Bergbehörde ein Rahmenbetriebsplan erlassen. Hiernach darf der Abbau nur im grundwasserfreien Bereich erfolgen, auch muss die Abbausohle mindestens 2 m über der im Plan gleicher Potentiale im Kluftgrundwasser, Stichtag: 28. Januar 1991, gemäß dem Geohydrologischen Gutachten im Bereich des X1. Massenkalkzuges zur Festlegung vorläufiger Höhen der Steinbruchsohlen des Geohydrologischen Büros und Ingenieurbüros für Wassererschließung, Wasserversorgung und Umwelttechnik Dr. T2. und Partner vom 13. Januar 1992 (im Folgenden: T2. -Gutachten) und der im Grundwassergleichenplan L. vom Juli 1991 dargestellten Grundwasseroberfläche enden. Im Jahr 2002 erließ die Bergbehörde ferner den Hauptbetriebsplan I, dessen Zulassung letztlich bis zum 30. November 2006 lief.
9Unter dem 29. November 2006 beantragte die Beigeladene beim Bergamt die Zulassung des Hauptbetriebsplans II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II. Nach den Antragsunterlagen soll der Gewinn auf einer Fläche von ca. 6 ha in den über den Hauptbetriebsplan I zugelassenen Grenzen bei gleichzeitiger Entwicklung in der Teufe weitergeführt werden. Der Abbau soll bis maximal 2 m an den höchsten Grundwasserstand herangeführt werden. Dem Antrag beigefügt war ein Bericht der Dr. O. & C. Consulting B. (im Folgenden: NBC) vom 7. November 2006 zu hydrogeologischen Untersuchungen - Zeitraum August 2005 bis Oktober 2006 - betreffend das Gebiet des Tagebaus. Hiernach wurden folgende Grundwasserstände festgestellt:
10Bohrung |
33 |
B |
Aneu |
B2 |
Geologie (Fz =Flinz, MK = Massenkalk) |
MK |
MK |
MK |
Fz/MK |
Min (mNN) |
354,22 |
343,15 |
323,59 |
383,31 |
Max (mNN) |
364,09 |
373,46 |
341,59 |
391,38 |
Schwankungsbreite (m) |
9,87 |
30,31 |
18,00 |
8.07 |
Auf dieser Grundlage wurden in dem Gutachten bestimmte Abbausohlen für unterschiedliche Bereiche des Steinbruchs der Beigeladenen vorgeschlagen, die keine wesentliche Beeinträchtigung oder Freilegung des Grundwassers herbeiführen sollten, und zwar im östlichen Bereich 350 mNN, im westlichen Bereich 360 mNN und im südlichen Bereich 385 mNN.
12Im Rahmen des Zulassungsverfahrens beteiligte die Bergbehörde unter anderem die Bezirksregierung Arnsberg - Umweltverwaltung - in M2. , die Stadt X. , den Kreis T. - Untere Wasserbehörde -, das Wasserwerk X. und die Klägerin.
13In einer Stellungnahme vom 6. März 2007 erklärte die Klägerin, dem Antrag der Beigeladenen nicht zustimmen zu können. Auch wenn der Abbau nur bis maximal 2 m an den höchsten Grundwasserstand herangeführt werden solle und die Bedingungen der Wasserschutzgebietsverordnung eingehalten würden, sei in jedem Abtrag der Schutzschichten über dem Grundwasser wegen der Schwächung der Filtereigenschaft der Böden eine potentielle Gefährdung des Trinkwassers zu sehen. Die M1. -Quelle sei nur 660 m entfernt. Im X1. Massenkalk seien hohe Abstandsgeschwindigkeiten von 33 m/h ermittelt worden. Ferner bat sie um eine Klärung des Ganglinienverlaufs der Messstelle Aneu.
14Der von der Bergverwaltung um eine Stellungnahme gebetene Geologische Dienst NRW erklärte unter dem 22. August 2007 unter anderem, das Gutachten NBC vom November 2006 sei umfassend und berücksichtige die hydrogeologischen Gegebenheiten in besonderem Maße. Unter den vorgesehenen Maßgaben bestünden keine Bedenken. Langfristige örtliche Beobachtungen hätten ergeben, dass zu keiner Zeit ein Überstau stattgefunden habe.
15Mit Schreiben vom 13. September 2002 erteilte der Kreis T. - Untere Wasserbehörde - sein Einvernehmen zur Zulassung des Hauptbetriebsplanes.
16Mit Bescheid vom 25. September 2007 ließ die beklagte Bergbehörde den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, befristet bis zum 30. November 2009 zu. In dem Bescheid sind in der Nebenbestimmung Nr. 14 das Einstellen des Abbaus bei Erreichen von 352 mNN im nordöstlichen Bereich, von 362 mNN im nordwestlichen Bereich und von 385 mNN im südlichen Bereich vorgeschrieben. Die Nebenbestimmung Nr. 15 ordnet die Errichtung und Betreibung weiterer Grundwassermessstellen an. Nach der Nebenbestimmung Nr. 17 ist der Abbau sofort einzustellen, sollten bei den vorgenannten Abbauteufen wider Erwarten Grundwasser angetroffen oder Quellen freigelegt werden.
17Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19. Oktober 2007 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass zentrale Fragen zur hydrogeologischen Situation nicht geklärt seien, so dass für eine Zulassung des Vorhabens die gesicherte Erkenntnisgrundlage fehle. Es sei davon auszugehen, dass sowohl die durchschnittlichen als auch die maximalen Grundwasserstände höher lägen als angenommen. Eine Gefährdung des Grundwassers sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen. Eine Zulassung des Abbaus bis 2 m über dem angenommenen Bemessungsniveau werde der Empfindlichkeit und der Komplexität der hydrogeologischen Verhältnisse nicht gerecht. Nur ein stufenweiser Abbau mit vorlaufenden Bohrungen könne Gefahren vorbeugen.
18Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens teilte der um eine weitere Stellungnahme gebetene Geologische Dienst NRW unter dem 17. Februar 2009 mit, es seien keine Erkenntnisse gewonnen worden, dass ein Überstau der Sohle über einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten erfolgen könne. Langfristige Beobachtungen des Geologischen Dienstes NRW vor Ort sicherten diese Erkenntnis ab.
19Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2009, der Klägerin zugestellt am 8. September 2009, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung unter anderem aus: Die gutachterlichen Stellungnahmen der Gutachter der Klägerin, des Ingenieurbüros T3. und Partner, ließen erkennen, dass Unklarheiten über den räumlichen Geltungsbereich des genehmigten Vorhabens bestünden. Nicht von der Zulassung erfasst sei der östlich gelegene, nach Abgrabungsrecht betriebene Steinbruch der Fa. X2. GmbH, auf den sich vermutlich Aussagen zu einem Überstau bei den dort vorhandenen Messstellen bezögen. Forderungen nach weiteren Messstellen im Bereich des hier genehmigten Vorhabens sei bereits durch den Zulassungsbescheid Rechnung getragen. Die beteiligten Fachbehörden hätten keine Bedenken erhoben. Wegen der zeitlichen Befristung der Zulassungen bestehe die Möglichkeit, die Festlegung der Sohlhöhen regelmäßig zu überprüfen. Befahrungen hätten keine Hinweise auf eine Überstauung ergeben.
20Am 8. Oktober 2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
21Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte die Zulassung des angefochtenen Hauptbetriebsplanes mit Bescheid vom 11. November 2009 bis zum 30. November 2011 und mit weiterem Bescheid vom 14. September 2011 bis zum 30. November 2013 verlängert.
22Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren ergänzt und vertieft. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht: Als Eigengesellschaft des Kreises T. erfülle sie die Daseinsvorsorgeaufgabe der öffentlichen Wasserversorgung. Ferner sei sie Inhaberin bestandskräftiger Wasserrechte und Begünstigte der Wasserschutzgebietsverordnung. Damit sei ihre Klagebefugnis gegeben. Die streitige bergrechtliche Zulassung sei geeignet, den Schutzzielen der Wasserschutzgebietsverordnung zuwider zu laufen. Das Vorhaben der Beigeladenen führe zu einer konkreten Gefährdung des Grundwasservorkommens, ohne dass der angefochtene Bescheid Regelungen zum Ausschluss einer solchen Gefahr enthalte. Die Festlegung der maximalen Abbauteufen beruhe auf der Grundforderung, dass der Abbau nur im grundwasserfreien Bereich erfolgen dürfe. Die zu Grunde gelegten hydrogeologischen Erkenntnisse seien nicht ausreichend. Insbesondere der Bericht NBC vom November 2006 betrachte einen zu kurzen Zeitraum. Langjährige Zeitreihen zeigten einen Überstau von über 6 Monaten pro Jahr. Ergänzende Messstellen seien nicht errichtet bzw. in die Auswertung einbezogen worden. Die Grundwassermessstelle Aneu lege nahe, dass im benachbarten Steinbruch ein Wasseranstieg über Sohlniveau erfolge. Die Untersuchung des Grundwasserhorizonts beruhe nur auf einem eingeschränkten Grundwassermessstellennetz und selbst die in der Nähe gelegenen Messstellen KL 33 und KL 35 seien unberücksichtigt geblieben. Gerade deren Auswertung zeige, dass die festgelegte Sohlhöhe von 350 plus 2 mNN im Grundwasserstandsniveau liegen könne. Unter Berücksichtigung des nach dem sog. T2. -Plan aus dem Jahr 1992 für das Grundwasserstandsniveau von der Genehmigungsbehörde als ausreichend erachteten 75er-Perzentils liege die Sohlhöhe von 350 mNN im Bereich der Grundwassermessstelle B lediglich knapp über diesem Wert, bei der am Abgrabungsrand gelegenen Grundwassermessstelle KL 35 liege das 75er-Perzentil 15 m über dieser Sohlhöhe. Messstellen, die um den hier streitigen Tagebau lägen, seien zu berücksichtigen, da eine räumliche Bewertung der Grundwasserstandsmessungen zu erfolgen habe. Das Schutzniveau der Hauptbetriebsplanzulassung sei unzureichend. Nach der Wasserschutzgebietsverordnung sei nur ein Trockenabbau zulässig. Die Betriebsplanzulassung toleriere aber ein zeitweises Freilegen von Grundwasser. Die Berücksichtigung des 75er-Perzentils nach dem sog. T2. -Plan und des Sicherheitszuschlages von 2 m führe ungefähr zu einem 90er-Perzentil, was in 10 % der Fälle oder der Jahresstunden zu einer Grundwasserfreilegung führe und nicht mit der Prämisse zu vereinbaren sei, dass der Gesteinsabbau nur im Trockenen ohne Grundwasserfreilegung erfolgen dürfe. Wie aus anderen Verfahren bekannt sei, nehme der Beklagte dieses Risiko bewusst in Kauf, weil er meine, die Zugrundelegung eines 75er-Perzentils führe nicht zu einer „dauernden“ Grundwasserfreilegung im Sinne der Wasserschutzgebietsverordnung. Ein derart eingeschränkter Schutz des Grundwassers sei materiell-rechtlich nicht mit dem wasserrechtlichen Schutz des Grundwassers zu vereinbaren. Der Begriff „dauernd“ in der Wasserschutzgebietsverordnung sei restriktiv zu interpretieren. Auch hoch anstehendes Grundwasser nach Niederschlagsspitzen sei geschützt. Die Zugrundelegung eines 75er-Perzentils habe sich mit Blick auf Erkenntnisse aus den letzten Jahren für die Festsetzung von Abbauteufen im X1. Massenkalk als unzureichend erwiesen. Die vom Beklagten im Klageverfahren eingeholte Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW kläre nicht mit der erforderlichen Belastbarkeit, ob das Vorhaben zu einer dauerhaften Freilegung von Grundwasser führe. Die herangezogene Datenlage sei unzureichend. Nur die Messstelle B 2 werde regelmäßig beobachtet und nur das Wasserwirtschaftsjahr 2009/2010 sei in Betracht gezogen worden. Das vom Geologischen Dienst NRW festgestellte Vorhandensein von zwei verlehmten Großspalten und die Schlussfolgerung, die Vorstellung von einem mehr oder weniger homogenen Grundwasserleiter müsse aufgegeben werden, erfordere eine völlig neue hydraulische Betrachtung mit der Folge, dass die Abbaufelder und die Sohlhöhen neu festzulegen seien. Im westlichen Abbaufeld könne eine Überschreitung des 75er-Perzentils nicht ausgeschlossen werden. Offen geblieben sei weiterhin die Frage, ob das unbeeinflusste Grundwasserstandsverhalten oder das durch den Gesteinsabbau veränderte Grundwasserstandsniveau für die Betriebsplanzulassung zu Grunde zu legen sei. Mit der abbaubedingten Dämpfung der Grundwasserspitzen sei zugleich eine Veränderung der Grundwasserdruckverhältnisse verbunden, was zu einer Veränderung der Hydrochemie führe, insbesondere zu einem Chloridanstieg. Die Nebenbestimmung Nr. 17 des Zulassungsbescheides, wonach der Gesteinsabbau im Falle der Grundwasserfreilegung sofort einzustellen sei, stehe dem nicht entgegen. Es handele sich nur um eine Notfallregelung, auch habe bereits die Zulassung eine auch nur zeitweise Freilegung des Grundwassers auszuschließen. Zudem fehle für eine solche Freilegung als Gewässerbenutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis. Der Genehmigungsbescheid sei im Übrigen zu unbestimmt. Die Nebenbestimmung Nr. 18 betreffend die Aufbringung einer lehmhaltigen Schicht aus Gründen des Grundwasserschutzes regele aber keine die Beigeladene bindenden Zeitvorgaben, wann diese Schicht aufzubringen sei, so dass die Gefahr des Eintrags wassergefährdender Stoffe ins Grundwasser bestehe. Eine eindeutige Festlegung der Anteile des Mischungsverhältnisses einzelner Komponenten sei wegen der Frage der Durchlässigkeit erforderlich. Freiliegendes Grundwasser berge stets die Gefahr von unmittelbaren Schadstoffeinträgen, was insbesondere in einem Trinkwasserschutzgebiet nicht akzeptabel sei. Wenn durch Sprengungen das Klufthohlraumvolumen zunehme, nehme auch der Chloridgehalt des Grundwassers zu. Bei der M1. -Quelle sei der Chloridgehalt Gegenstand einer Überwachung der Bezirksregierung Arnsberg gewesen. Sprengungen könnten auch tektonische Veränderungen mit sich bringen und auf Quellen einwirken, weil sich der Grundwasserstrom verändere.
23Die Klägerin hat beantragt,
24den zugunsten der Beigeladenen erlassenen Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 4. September 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide des Beklagten vom 11. November 2009 und 14. September 2011 aufzuheben.
25Der Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Er hat im Wesentlichen geltend gemacht: Die Betriebsplanzulassung verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten aus der Wasserschutzgebietsverordnung. Die Betriebsplanzulassung sei im Einvernehmen mit der Unteren Wasserbehörde des Kreises T. erfolgt. Wasserrechtlich liege keine Benutzung vor, die geeignet sei, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen. Die Nebenbestimmungen des Hauptbetriebsplanes stellten sicher, dass das Grundwasser nicht gefährdet werde, keine Gewässerbenutzung stattfinde und kein Eintrag wassergefährdender Stoffe in das Grundwasser erfolge. Bei sog. freigelegtem Grundwasser handele es sich eher um Oberflächenwasser, welches nicht sofort versickere. Die Festlegung der Abbauteufen sei nicht zu beanstanden. Die hierfür von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten des Ingenieurbüros NBC und die von der Klägerin eingebrachten Gutachten des Ingenieurbüros T3. und Partner seien dem Geologischen Dienst NRW vorgelegt worden, der sich im Sinne der Beigeladenen ausgesprochen habe. Die laufenden Grundwasserbeobachtungen dokumentierten nach dem extremen Nassjahr 2007 fallende Grundwasserstände. Das von der Klägerin geforderte Abbauniveau, das einem 100er-Perzentil entspreche, sei bezüglich des in der Schutzzone III A gelegenen Tagebaus nicht von § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO gefordert. Es sei keine Abgrabung, die Grundwasser dauernd freilege oder anschneide. Das Freilegen des Grundwassers erstrecke sich allenfalls auf kurze Zeiträume. Hierfür sei vom Verordnungsgeber offenbar keine restriktivere Regelung getroffen worden. Die Festlegung eines Bemessungsgrundwasserstandes sei zwingend erforderlich. In einem Karstgrundwasserkörper könne der Grundwasserstand bedingt durch das über Klüfte zufließende Oberflächenwasser stark schwanken. Die Schwankungsamplitude könne mehrere Meter betragen. In dem sog. T2. -Gutachten aus dem Jahr 1992 seien erstmals Grundwasserstände dargestellt worden, die einem 75er-Perzentil entsprächen und als Höchststände für Abbauteufen als Trockenbau anerkannt worden seien. Tatsächlich müsse der Abbau 2 m oberhalb dieses Grundwasserspiegels enden, was in etwa einem 90er-Perzentil entspreche. Hierbei würden in der Regel nur kurzzeitig sich einstellende Grundwasserstandsspitzen nach extremen Regenereignissen oder anhaltenden Niederschlagsperioden nicht erfasst. Seit dem sog. T2. -Gutachten aus 1992 habe zwischen den Genehmigungs- und Fachbehörden Konsens bestanden, dass bei dieser Vorgehensweise keine wasserwirtschaftliche Besorgnis bestehe. Zudem hätten wegen des Vorläufigkeitscharakters der „T2. -Linien“ im vorliegenden Fall konkrete gutachterliche Untersuchungen stattgefunden. Auch die Klägerin habe bei dem vorlaufenden fakultativen Rahmenbetriebsplan aus dem Jahr 2000 mit dem entsprechenden Bewertungsansatz keinen Widerspruch erhoben und auch eine andere Betriebsplanzulassung für einen weiteren Tagebau nicht beklagt. Die behauptete Beeinflussung des übergeordneten hydraulischen Systems durch den eher kleinräumigen Tagebau sei nicht nachvollziehbar. Es bestehe ein Defizit zwischen der Wasserneubildungsrate und der Abflussmenge einschließlich Entnahmemengen durch die Wasserwerke. Auch der Geologische Dienst NRW komme zu dem Ergebnis, dass auf Grund des Tagebaus nicht mit einer Freilegung von Grundwasser oder einem Überstau der Sohlen zu rechnen sei. Im südlichen Teil des Tagebaus sei sogar noch ein tieferer Abbau als beantragt möglich gewesen. Grundwässer mit höherem Chloridgehalt könnten daher nicht im Bereich des Wasserschutzgebietes in das Grundwasser eingeleitet worden sein. Ein Bezug zu dem Gesteinsabbau sei nicht nachgewiesen. Der nach Abgrabungsrecht genehmigte benachbarte Tagebau stehe nicht unter Wasser und befinde sich sogar ca. 10 m tiefer als der hier bergrechtlich zugelassene Tagebau. Durch Sprengungen entstünden keine Gefahren. Die geforderte Abdeckung der Tagebausohle solle eine den natürlichen Verhältnissen vergleichbare Schutz- und Filterfunktion für das Grundwasser haben. Gemäß der Nebenbestimmung Nr. 25 der Hauptbetriebsplanzulassung dürfe nur aus dem Standort stammendes Material verwendet werden, das naturgemäß nicht so homogen wie Bodenmaterial mit eindeutigen physikalischen Eigenschaften sein könne. Das Aufbringen einer Abdeckung, die zum Stau von Niederschlagswasser führe, sei nicht sinnvoll.
28Die Beigeladene hat beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Sie hat insbesondere vorgetragen: Die von der Klägerin unter Berufung auf Stellungnahmen des Ingenieurbüros T3. und Partner behauptete fehlerhafte bzw. unzureichende hydrogeologische Rechtfertigung des Vorhabens sei von mehreren Stellen mit einem negativen Ergebnis geprüft worden. Der sog. T2. -Plan enthalte den Grundwasserhochstand und keine Festlegung eines 75er-Perzentilwerts. Wenn der Bemessungswasserstand nach dem T2. -Plan zu Grunde gelegt worden wäre, hätten sich größere Abbauteufen ergeben. Da die hydrogeologische Erkenntnislage vom damaligen Staatlichen Umweltamt M2. als nicht ausreichend eingeschätzt worden sei, seien eigenständige Untersuchungen erforderlich geworden. Die empfohlene Festlegung der Sohltiefen habe hier auf einer hydrogeologischen Systemanalyse beruht. Im sog. unverritzten Gebirge mit noch nicht abgebautem Kalkstein ergebe sich eine große Grundwasserschwankungshöhe, weil wegen fehlender Hohlräume keine Speicherung eindringenden Wassers erfolge. Hieraus resultierten große Abstände der Messwerte für die einzelnen Perzentile von mehreren Metern bis hin zu 10 bis 20 m. Die Grundwasserganglinie aus einer Messstelle an der Grundsohle im abgebauten Bereich weise für jedes Perzentil nur noch sehr geringe Abstände der Messwerte auf. Durch den Gesteinsabbau erhöhe sich die Auflockerung des Gebirges und vergrößere das Kluftraumvolumen, was das Wasserspeichervermögen des Gebirges deutlich erhöhe. Dies führe zu einer deutlich gedämpfteren Grundwasserganglinie. Bei der hydrogeologischen Prognose der erreichbaren Sohltiefen seien die Perzentil-Verteilung, die Grundwasserfließrichtung und die Niederschlagsabflussbedingungen zu berücksichtigen. Ein besonderes Augenmerk sei auf die Randbedingungen wie Starkregenereignisse zu richten, hier etwa das Starkregenereignis im Jahr 2007 als hundertjähriges Ereignis (worst-case-Fall). Im Übrigen sei die bergrechtliche Zulassung vor ihrem Erlass mit der Unteren Wasserbehörde zum Zwecke der Erteilung des Einvernehmens im Sinne des § 9 Abs. 6 WSG-VO abgestimmt worden. Nach Meinung des Geologischen Dienstes NRW sei mit einer Freilegung von Grundwasser oder einem Überstau der Sohlen nicht zu rechnen. Für die südliche Teilfläche sei die angenommene Sohlhöhe von 385 mNN sogar zu hoch bewertet. Von der Klägerin erhobene Einwendungen gegen die Nebenbestimmungen seien unbegründet.
31Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 13. Dezember 2011 (ZfB 2012, 49 ff.) abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Ein dauerhaftes Freilegen oder Anschneiden von Grundwasser liege vor, wenn das Grundwasser bei normalem Geschehensablauf im Jahresverlauf regelmäßig und für einen erheblichen Zeitraum zu Tage trete bzw. angetroffen werde. Dies sei noch nicht gegeben, wenn das Grundwasser nach höheren Niederschlägen nur kurzfristig oder in ausgeprägten Nassjahren auch für einige Wochen bis Monate zu Tage trete oder angetroffen werde. Vorliegend sei nicht zu erwarten, dass durch den zugelassenen Abbau Grundwasser dauerhaft freigelegt oder angeschnitten werde. Diese Prognose sei auf Grund der vorliegenden fachlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros NBC bzw. GeoConsult und des Geologischen Dienstes NRW möglich. Hiernach sei bei den zugelassenen Abbauteufen eine dauerhaft trockene Grundsohle des Tagebaus zu erwarten. Die Kritik des von der Klägerin beauftragten Gutachterbüros T3. und Partner hieran greife nicht. Es sei sachgerecht, sich an den 75er-Perzentilen der relevanten Grundwassermessstellen über mehrere Jahre zuzüglich eines Sicherheitsabstandes von 2 m zu orientieren.
32Die Klägerin hat gegen dieses Urteil die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
33Im Laufe des Berufungsverfahrens verlängerte die Beklagte auf Antrag der Beigeladenen die Zulassung des Hauptbetriebsplanes II mit Bescheid vom 13. September 2013 bis zum 30. November 2015.
34Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin unter Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz geltend: Sie sei klagebefugt, weil durch das zugelassene Vorhaben eine Beeinträchtigung des Grundwassers wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO zu befürchten sei. Zudem sei das Vorhaben der Beigeladenen eine Benutzung im Sinne des § 9 WHG und gemäß § 8 WHG erlaubnispflichtig. Das Verwaltungsgericht habe ihr - der Klägerin - zu Unrecht die Befugnis abgesprochen, das Fehlen einer wasserrechtlichen Erlaubnis im bergrechtlichen Verfahren geltend zu machen. Sie könne sich auch auf eine Verletzung subjektiver Rechte aus den §§ 55 Abs. 1, 48 Abs. 2 BBergG berufen. Sie nehme die Aufgabe der öffentlichen Trinkwasserversorgung für die an ihr beteiligten Kommunen wahr und verfüge über eigene Trinkwassergewinnungsanlagen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG seien mittelbare Auswirkungen des Bergbaus auf geschützte Rechtsgüter Dritter im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen, wobei es offenbleiben könne, ob auf diese Generalklausel oder die speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG zurückzugreifen sei. Eine berücksichtigungsfähige Rechtsposition sei hier wegen des Rechts auf Grundwassergewinnung und zur Trinkwasserversorgung durch das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot begründet, das auch im Bergrecht Beachtung finden müsse. Die kürzlich erteilte weitere Genehmigung zur Fortsetzung der Grundwasserentnahme besage nichts über eine Gefährdung durch rechtswidrige Eingriffe Dritter. Die beklagte Bezirksregierung habe die auf Grund der Benutzung eines Gewässers erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 WHG selbst als zuständige Wasserbehörde zusätzlich erteilen und dabei die erforderliche Rücksichtnahme auf ihre - der Klägerin - geschützte Rechtsposition sicherstellen müssen. Die Bergbehörde sei zu einer eigenständigen Prüfung verpflichtet gewesen und habe sich nicht nur auf eine Stellungnahme des Kreises T. und die Beteiligung dieser Behörde stützen dürfen. Andernfalls würden Betroffene rechtsschutzlos gestellt. Eine ordnungsgemäße Prüfung komme zu spät. Unabhängig davon, ob ein anderes wasserrechtliches Verfahren zur Verfügung stehe, habe die Bergbehörde insbesondere bei der Zulassung eines Hauptbetriebsplanes, der den Abbau freigebe, die grundsätzliche Machbarkeit bzw. Genehmigungsfähigkeit in wasserrechtlicher Hinsicht prüfen müssen, um zu klären, ob wasserrechtliche Probleme in diesem anderen Verfahren überhaupt bewältigt werden können. Wenn bereits im Vorfeld feststehe, dass eine wasserrechtliche Erlaubnis nicht erteilt werden könne, sei eine Betriebsplanzulassung zwingend zu versagen. Dies gelte hier insbesondere, weil die streitige bergrechtliche Zulassung keine Konzentrationswirkung habe. Diesen Anforderungen genüge die angefochtene und ohne entsprechende Nebenbestimmungen erlassene Betriebsplanzulassung nicht, zumal die Bergbehörde das Erfordernis eines wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens bestreite. Wenn sich die Bergbehörde weigere, ein wasserrechtliches Erlaubnisverfahren durchzuführen und den Abbau gleichwohl freigebe, sei kein Rechtsschutz möglich. Die angefochtene Betriebsplanzulassung sei auch in der Sache rechtswidrig. Sie verstoße gegen die §§ 48 Abs. 2 Satz 1, 55 Abs. 1 BBergG und das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot, weil sie eine wasserrechtliche Benutzung im Sinne des § 9 WHG ohne eine entsprechende Prüfung gestatte und diese Benutzung nicht erlaubnisfähig sei. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass keine dauerhafte Freilegung des Grundwassers erfolge. Im westlichen Teilbereich liege die Abbausohle unterhalb des Grundwasserspiegels. Nur auf Grund der Annahme, Sprengtätigkeiten würden das Gestein unterhalb der Sohle so auflockern, dass ein größeres Hohlraumvolumen entstehe, werde ein sinkender Grundwasserspiegel infolge einer Kappung der Grundwasserspitzen prognostiziert. Eine Dämpfung des natürlichen Grundwasserspiegels bis 2 m unter die geplante Abbausohle erfülle den „unechten“ Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG. Die natürliche Druckhöhe des oberflächennahen Grundwassers werde künstlich abgesenkt. Hierdurch vergrößere sich der Zustrom des aus größerer Tiefe aufsteigenden höher mineralisierten Tiefenwassers, das einen geringeren Gegendruck zu überwinden habe. Die materiell-rechtliche Frage des Vorliegens einer Gewässerbenutzung werde durch eine bergrechtliche Zulassung der Sprengungen nicht berührt. Die Folge einer Absenkung des Grundwasserspiegels sei ein stetiger Anstieg des Chloridgehaltes. Die Trinkwasserversorgung könne ohne Aufbereitung langfristig nicht mehr aufrechterhalten werden. Dem stehe die Bestimmung des § 35 WHG a. F./§ 49 WHG n. F. zu Erdaufschlüssen nicht entgegen. Die Beigeladene nehme eine zielgerichtete und nicht nur unabsichtliche Einwirkung auf den Grundwasserhorizont vor. Dies bedürfe einer präventiven Kontrolle, die der Beklagte nicht vorgenommen habe. Die erforderliche Erlaubnis habe nicht erteilt werden können, weil schädliche Gewässerveränderungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG zu erwarten seien, jedenfalls ein Verstoß gegen das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot vorliege. Eine Beeinträchtigung ihrer - der Klägerin - zustehenden alten Wasserrechte wegen eines erhöhten Schadstoffeintrages sei zu befürchten. Ferner verstoße das zugelassene Vorhaben gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei wirksam. Sie sei formell rechtmäßig. Zwar sei die Gebietsabgrenzung zwischen den Schutzzonen III A und III B im Bereich L. nach der Öffentlichkeitsbeteiligung verändert worden. Die Schutzzone III A sei unter Berücksichtigung der Belange betroffener Grundstückseigentümer teilweise zur Schutzzone III B herabgestuft worden. Neue Betroffenheiten seien hierdurch nicht ausgelöst worden. Aus § 150 LWG NRW folge nicht das Erfordernis, in einem solchen Fall die Öffentlichkeitsbeteiligung ganz oder teilweise zu wiederholen. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei auch materiell rechtmäßig. Sie entspreche den Anforderungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F./§ 51 Abs. 1 Nr. 1 WHG n. F. Bei den hiergegen gerichteten Angriffen der Beigeladenen verwische diese die Erforderlichkeitsprüfung auf der Tatbestandsseite und die Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite. Die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes dürften nicht überspannt werden. Die Festsetzung sei bereits dann erforderlich, wenn sie vernünftigerweise geboten sei. Hierbei sei der Wasserbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Bei der Unterschutzstellung eines Grundwasservorkommens seien Umsetzungsschwierigkeiten unvermeidbar, weil sich genaue Grenzen nicht immer an der Erdoberfläche abbildeten und auch bei sorgfältiger hydrogeologischer Erkenntnislage die Grundwasserfließverhältnisse nicht exakt bestimmt werden könnten. Deshalb sei der Behörde ein administrativer Vereinfachungsspielraum zuzubilligen. Dies gelte insbesondere, wenn es sich um ein Karstgebiet mit hydrogeologisch äußerst schwierigen und nur sehr schlecht berechenbaren bzw. prognostizierbaren Bedingungen handele. Die Einbeziehung des nördlichen Massenkalkzuges im Bereich T1. , in dem auch das Baufeld der Beigeladenen liege, sei erforderlich gewesen. Eine ausreichende Erkenntnisgrundlage hierzu habe dem Beklagten vorgelegen. Das Baufeld liege im Bereich des zur M1. -Quelle hin entwässernden Massenkalkzuges, was das sog. T2. -Gutachten aus dem Jahr 1992 und weitere gutachterlich ermittelte Ergebnisse von Grundwasserstandsmessungen belegten. In einem Karst-Grundwasserleiter mit hohen Abstandgeschwindigkeiten - wie dem vorliegenden - seien im Gegensatz zu (idealtypischen) Poren-Grundwasserleitern hydraulische Berechnungen aus fachlicher Sicht weder zweckmäßig noch durchführbar. Die Abgrenzung habe sich daher nach dem Verlauf ober- und unterirdischer Grundwasserscheiden zu richten und müsse die topographischen sowie geologischen Verhältnisse berücksichtigen. Die Grenzziehung zwischen den Schutzzonen III A und III B östlich des „Hohlen Steins“ sei fachlich begründet. Sie stütze sich auf das sog. T2. -Gutachten und werde durch neuere Erkenntnisse verifiziert. Die Schutzzone III A orientiere sich an der Verbreitung des Massenkalks. Das in den Massenkalk entwässernde Vorland sei als Schutzzone III B eingegliedert und die in den Massenkalk entwässernden Vorfluter möglichst in die Schutzzone II gelegt worden. Auch weitere Abgrenzungen seien im Erläuterungsbericht nachvollziehbar begründet worden. Unbeschadet des zufließenden Tiefenwassers sei der Schutz des oberflächennahen Einzugsgebiets im X1. Massenkalk fachlich begründbar. Eine Ausdehnung des Wasserschutzgebietes auf unbekannte Einzugsgebiete sei nicht zulässig gewesen. Ein Schutz der C1. -Quelle hätte dazu geführt, dass weite Teile von X. in die Schutzzone II oder zumindest in die Schutzzone III A gefallen wären, so dass der Verordnungsgeber aus städtebaulichen Gründen diesen Bereich ermessensgerecht nicht in die Wasserschutzgebietsverordnung einbezogen habe. Der Schutz dieser Quelle sei durch andere Maßnahmen sicherzustellen. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei auch im Übrigen nicht mangelhaft. Die Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten vom 25. April 1975 enthalte keine materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, sondern sei als Hilfestellung gedacht. Insbesondere sei es unschädlich, dass nicht sämtliche dort genannten Unterlagen vorgelegen hätten. Es liege entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein dauerndes Anschneiden des Grundwassers im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO vor. Der Begriff „dauernd“ müsse insbesondere mit Blick auf die öffentliche Wasserversorgung und die Bedeutung des Grundwassers als Trinkwasserreservoir im Sinne der Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes restriktiv ausgelegt werden. Gleiches gelte nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975), das im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserschutzgebietsverordnung maßgeblich gewesen sei. Hiernach seien in der Schutzzone III A Erdaufschlüsse nicht tragbar, durch die die Deckschichten wesentlich verändert würden, vor allem wenn das Grundwasser ständig oder zu Zeiten hoher Grundwasserstände aufgedeckt oder eine schlecht reinigende Schicht freigelegt werde und keine ausreichende und dauerhafte Sicherung zum Schutz des Grundwassers vorgenommen werden könne. Dass im Aufstellungsverfahren der Wasserschutzgebietsverordnung noch das Verbot von Grabungen oder Abgrabungen geplant gewesen sei, die das Grundwasser „dauernd oder zeitweise“ anschnitten, der Verordnungstext aber nur noch den Begriff „dauernd“ enthalte, gebiete keine andere Sichtweise. Der Begriff „dauernd“ sei bis zuletzt auch im Sinne von „zeitweise“ verstanden worden, lediglich seitlich austretendes Grundwasser bei einem schwebenden Grundwasserhorizont habe nicht erfasst werden sollen. Die Vorschriften der Wasserschutzgebietsverordnung zeigten, dass ihr Schutzanspruch im Sinne eines vorbeugenden Grundwasserschutzes sehr streng sei. Eine unterbrechungsfreie Grundwasserabdeckung sei unverzichtbar. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Grundwasser dürfe in ausgeprägten Nassjahren auch einige Wochen bis Monate freiliegen, sei allenfalls eine Freilegung von einigen Tagen zulässig. Der Vorrang des Grundwasserschutzes vor dem Abbau von Bodenschätzen sei auch Ziel regionalplanerischer Reformen. Ansonsten sei selbst bei einem anderen Verständnis des Begriffes „dauernd“ die vom Verwaltungsgericht herangezogene Datengrundlage unzureichend, was gutachterlich belegt worden sei. Die Stellungnahmen des Geologischen Dienstes NRW seien nicht geeignet, ein abweichendes Ergebnis zu begründen. Die Angabe der Beigeladenen, bislang sei es nicht zu einer Freilegung von Grundwasser gekommen, überzeuge nicht. Der hierfür angegebene Beleg berücksichtige nur einen kurzen und trockenen Zeitraum, der etwa gegenüber einem ausgeprägten Nassjahr nicht repräsentativ sei.
35Die Klägerin beantragt,
36das angefochtene Urteil zu ändern und den Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, der Beigeladenen vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 aufzuheben.
37Der Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Eine Klagebefugnis der Klägerin ergebe sich ausschließlich aus der Wasserschutzgebietsverordnung. Diese Verordnung sei wirksam. In formeller Hinsicht lägen keine Fehler vor. Die Veränderungen nach der Öffentlichkeitsbeteiligung hätten zu keiner Verschärfung geführt. Mit der Verschiebung der Schutzzonengrenzen sei den Einwendungen eines Betroffenen im Erörterungstermin zu dessen Gunsten Rechnung getragen worden, was zu einer Abschwächung geführt habe. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Nicht der gesamte nördliche Massenkalkzug sei in das Schutzgebiet einbezogen worden, sondern nur soweit er im Einzugsgebiet der M1. -Quelle liege. Ein Grundwassergleichenplan (Stand: 31. Dezember 1988) in der „Wasserschutzgebietsakte X1. Kalkmassiv“ des früheren StAWA, der in M2. noch vorliege, zeige im Bereich des streitigen Tagebaus ein Gefälle zur M1. -Quelle. Der spätere „T2. -Plan“ habe dies bestätigt. Hydraulische Berechnungen seien nur im Lockergestein (Kies, Sand) möglich. Die Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten vom 25. April 1975 sehe unter Nr. 8.2.1 keine solche Berechnung bei Karstgrundwasserleitern vor. Das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Juni 2006) sehe unter Nr. 4.1 bei komplexen hydrogeologischen Verhältnissen eine Abgrenzung auch nach morphologischen, geo- und hydrogeologischen Ersatzkriterien vor, was hier geschehen sei. Die Grundwassergleichen zeigten, dass der Tagebau zum Einzugsgebiet gehöre. Eines Färbeversuchs, wie 1982 vorgenommen und in einer Zeitschrift dokumentiert, habe es nicht bedurft und er werde von der Klägerin zu Unrecht als unzureichend bewertet. Dieser habe nur dokumentieren sollen, ob ein Nebeneinander von Trinkwassergewinnung und Kalksteinabbau möglich sei und habe auch belegt, dass der Tagebau der Beigeladenen zum Einzugsgebiet der M1. -Quelle und in das Wasserschutzgebiet gehöre. Die Grenzziehung östlich des „Hohlen Steins“ sei nicht zu beanstanden. Eine Abgrenzung der Schutzzone II nach der 50-Tage-Linie sei nicht möglich gewesen, da wegen der im Karst üblichen hohen Fließgeschwindigkeiten das gesamte Einzugsgebiet in eine Schutzzone II habe fallen müssen. Die Abgrenzung müsse nach anderen Kriterien erfolgen. Das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) berücksichtige anders als das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Juni 2006) die Karstsituation nur unzureichend. Die Schutzzone II sei nach dem Erläuterungsbericht also nur für Flächen mit einer besonders großen Gefährdung für die Wassergewinnungsanlagen festgesetzt. Die Wahl der Grenzziehung sei als Ermessensentscheidung des StAWA M2. in enger Abstimmung mit dem damaligen Geologischen Landesamt erfolgt. Auch ansonsten sei die Schutzgebietszonenabgrenzung gerechtfertigt. Im Bereich der Schiefertone (Schutzzone III B) orientiere sich die westliche Grenze an der oberirdischen Einzugsgebietsgrenze. Sie sei wegen der eindeutigen Erkennbarkeit an die B 55 gelegt worden. Das Schutzgebiet sei hierdurch etwas kleiner, was wegen des Waldes vertretbar sei. Im Bereich des Massenkalks (Schutzzone III A) schließe die westliche Grenze Flächen ein, von denen ein Einfluss auf die I1. -Quelle II nicht auszuschließen sei. Die nördliche Abgrenzung sei nach hydrogeologischen und hydraulischen Gesichtspunkten erfolgt. Aus der Verfahrensakte und früheren Abgrenzungsentwürfen gehe hervor, dass Flächen aus dem Schutzgebiet hätten herausgenommen werden können, nachdem die Quellen im Stadtgebiet überflüssig geworden seien und von denen Wasser aus geodätischen Gründen nicht mehr zur I1. -Quelle II fließen könne. Der Grundwassergleichenplan aus 1988 zeige im Bereich T1. ein Gefälle zur M1. -Quelle, weshalb das Gebiet „Auf dem Stein“ in das Wasserschutzgebiet einbezogen worden sei. Das Tiefenwasser werde zwar nicht geschützt. Geschützt werde aber das im X1. Massenkalk neu gebildete Grundwasser bzw. von Süden zufließende Gewässer, die über Schwalglöcher und Bachschwinden ihr Wasser an den Massenkalk abgäben. Gefördert werde ein Mischwasser aus Grundwasser und Tiefenwasser. Alle am Schutzgebietsverfahren Beteiligten seien sich dessen ebenso bewusst gewesen wie der Gefährdung der Wassergewinnungsanlagen durch das oberflächennahe Einzugsgebiet, was durch einen Salzungsversuch im Jahr 1973 an der M1. -Quelle belegt worden sei. Die C1. -Quelle sei anders als bei einem Entwurf aus dem Jahr 1986 nicht geschützt worden, weil ansonsten das gesamte Stadtgebiet von X. in das Schutzgebiet habe mit einbezogen werden müssen. Eine Stadtentwicklung wäre dann kaum noch möglich gewesen. Die C1. -Quelle diene nur einer geringen Wasserentnahme. Die Alternativenprüfung einer anderweitigen Bedarfsdeckung habe nicht im Rahmen der Wasserschutzgebietsfestsetzung erfolgen müssen. Das Wasservorkommen aus dem X1. Kalkmassiv werde für die öffentliche Trinkwasserversorgung genutzt, weshalb der Schutz des Grundwassers zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich gewesen sei. Im Übrigen seien die vorgelegten Unterlagen ausreichend gewesen. Die in Nr. 8.2.1 VwV-WSG angesprochenen Planunterlagen hätten nur „im Allgemeinen“ vorliegen müssen. Das StAWA M2. sei vom Regierungspräsidenten Arnsberg mit der Vorbereitung des Wasserschutzgebietsverfahrens beauftragt worden. Die meisten der in Nr. 8.2.1 VwV-WSG erwähnten Unterlagen hätten dem StAWA M2. bzw. Vorgängerbehörden vorgelegen und seien nicht nochmals in einem „Schutzgebietsgutachten“ zusammengefasst worden. Selbstverständlich hätten grundlegende Dinge wie Übersichtskarten mit Gewässerfassungsanlagen und Kenntlichmachung der Gewässer, Schichtenverzeichnisse oder Baupläne der Fassungsanlagen, bakteriologische Untersuchungen des Roh- und Trinkwassers vorgelegen. Solange das Schutzgebiet geplant gewesen sei, sei immer klar gewesen, dass die hydrogeologischen Verhältnisse des X1. Massenkalks höchst kompliziert seien. Dies komme in allen Stellungnahmen und Untersuchungsberichten in der Verfahrensakte zum Ausdruck. Der Erkenntnisstand sei im Laufe der Jahre gewachsen, auch hinsichtlich der zu schützenden Quellen. Der Erkenntnisprozess sei in der Verfahrensakte dokumentiert. Es liege zwar keine hydrogeologische Begutachtung als geschlossener Bericht vor. Die hydrogeologischen Erkenntnisse seien aber in der Akte niedergelegt. Auch im Übrigen hätten alle für die sachgerechte Abgrenzung des Wasserschutzgebietes erforderlichen Informationen dem StAWA M2. vorgelegen. Das Geologische Landesamt habe die Wasserschutzgebietsverordnung mitgetragen. Selbst mit der Kalksteinindustrie sei 1992 aufgrund des „T2. -Plans“ eine Einigung erzielt worden. Ansonsten sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Bei der Forderung nach einer wasserrechtlichen Machbarkeitsprüfung verkenne die Klägerin, dass keine notwendigen Folgemaßnahmen in Bezug auf ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren zu prüfen gewesen seien. Die streitige Hauptbetriebsplanzulassung habe ebenso wenig wie die vorausgegangene Rahmenbetriebsplanzulassung eine Konzentrationswirkung. Eigentlich gehe es der Klägerin nur darum, ob die Beigeladene zusätzlich eine wasserrechtliche Erlaubnis benötige. Eine ziel- und zweckgerichtete Vergrößerung des Kluftvolumens durch eine Gesteinsauflockerung mit der Folge einer Kappung der Grundwasserspitzen und der Erfüllung des Tatbestandes einer unechten Benutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG stehe im Widerspruch zu der bergrechtlichen Gestattung, die nur schonende Sprengungen gestatte. Die Behauptung, die Druckhöhe des oberflächennahen Grundwassers werde künstlich abgesenkt, halte einer Überprüfung nicht stand. Die Lage des Grundwasserspiegels im Bereich des streitigen Tagebaus werde durch ein großräumig wirkendes hydraulisches System bestimmt. Es bestehe ein Defizit zwischen der Wasserneubildungsrate und der Abflussmenge über die Vorfluter einschließlich der Wasserentnahmemenge durch die Klägerin. Grundwässer mit höherem Chloridgehalt müssten auf Grund eines geogenen hydraulischen Gefälles als Tiefenwässer zufließen. Chlorid könne nicht im Bereich des Wasserschutzgebietes in das Grundwasser eingeleitet worden sein. Eine großräumige Beeinflussung des hydraulischen Gesamtsystems könne allenfalls durch ein dauerndes Abpumpen von großen Wassermengen erfolgen, was nach der Nr. 17 der Nebenbestimmungen des Zulassungsbescheides nicht gegeben sei. Die Kritik der Klägerin an der Auslegung des Begriffs „dauernd“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO durch das Verwaltungsgericht gehe fehl. Hieraus die Begriffe „zeitweilig“ oder „vorübergehend“ heraus zu interpretieren, überschreite die anerkannten Auslegungsgrundsätze. Auflockerungen durch die Abbautätigkeit seien bereits in den Antragsunterlagen angesprochen worden. Allgemeine Gefahren für das Grundwasser bei Freilegen eines Grundwasserleiters seien bei den betriebsplanmäßig zugelassenen Tätigkeiten der Beigeladenen nicht gegeben.
40Die Beigeladene beantragt,
41die Berufung zurückzuweisen.
42Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht ergänzend geltend: Das vom Verwaltungsgericht festgestellte Fehlen einer Verletzung subjektiver Rechte aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG habe die Klägerin nicht angegriffen. Auf eine Verletzung von § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil diese Vorschrift nicht individuellen Interessen Einzelner diene. Eine Verletzung von §§ 55 Abs. 1, 48 Abs. 2 BBergG in Verbindung mit dem wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot scheide aus. Die vorliegende Betriebsplanzulassung entfalte keine Konzentrationswirkung, so dass drittschützende Vorschriften, über die in anderen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren entschieden werde, hier nicht zu prüfen seien. Wasserrechtliche Einwendungen seien nicht über § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu prüfen. § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO sehe kein generelles Verbot bergrechtlicher Tätigkeiten vor. Unabhängig davon könne die Klage keinen Erfolg haben, weil kein genehmigungspflichtiger Benutzungstatbestand im Sinne des § 9 WHG vorliege. Es fehle an einer finalen Inanspruchnahme von Grundwasser. Auswirkungen auf die Grundwasserdruckverhältnisse seien nur theoretisch. Dies zeige auch die spezielle Regelung des § 49 WHG n. F. zu lediglich anzeigepflichtigen Erdaufschlüssen. Durch Nebenbestimmungen zum Hauptbetriebsplan werde eine unbeabsichtigte Grundwassererschließung verhindert. Im Übrigen habe die Klägerin kein subjektives Recht auf Einhaltung des Zulassungserfordernisses aus § 8 Abs. 1 WHG. Nichts anderes folge aus § 19 Abs. 2 WHG; die wasserrechtliche Entscheidung trete selbstständig neben den bergrechtlichen Betriebsplan. Anders als bei einem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit Konzentrationswirkung sei in Bezug auf die Wasserproblematik keine Machbarkeitsstudie erforderlich. Eine gegebenenfalls erforderliche wasserrechtliche Genehmigung lasse die Rechtmäßigkeit der bergrechtlichen Hauptbetriebsplanzulassung in der vorliegenden Drittanfechtungssituation unberührt. Aus dem wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot oder bergrechtlichen Bestimmungen folge nichts anderes. Im Übrigen sei die Untere Wasserbehörde im bergrechtlichen Zulassungsverfahren beteiligt worden und habe ihr Einverständnis erklärt. Diese Fachbehörde habe ein wasserrechtliches Verfahren nicht für erforderlich gehalten, weshalb sich der Bergbehörde insoweit keine Zweifel hätten aufdrängen müssen und die von der Klägerin geforderte Machbarkeitsstudie nicht erforderlich gewesen sei. Nach den Antragsunterlagen zum Betriebsplan sei eine Benutzung von Gewässern weder vorgesehen noch erfolge sie tatsächlich. Eine Zulassung habe nur verweigert werden können, wenn bereits festgestanden hätte, dass die Erteilung weiterer erforderlicher Genehmigungen ausgeschlossen sei. Hierfür sei nichts ersichtlich. Eine wasserrechtliche Erlaubnis sei zudem in einem gesonderten Verfahren zu erteilen und als eigenständiger Verwaltungsakt selbstständig anfechtbar. Wegen des gestuften Verhältnisses zwischen Bergrecht und Wasserrecht sei ein vorgezogener Verfahrens- oder Rechtsschutz entbehrlich. Unüberwindbare wasserrechtliche Hürden seien nicht erkennbar. Dass kein wasserrechtlicher Benutzungstatbestand gegeben sei und tatsächlich nicht gegen das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoßen werde, bestätige auch der seit Oktober 2009 laufende Abbaubetrieb. Die Vermutung, die natürliche Druckhöhe des oberflächennahen Grundwassers werde bei natürlich hohen Grundwasserständen infolge der durch Sprengungen im Steinbruch bewirkten Dämpfung des Grundwasserspiegels abgesenkt, beruhe auf Spekulationen. Auswirkungen auf die Grundwasserfließverhältnisse seien nicht erkennbar, zumal ein großer Anteil unterirdischen Tiefenwassers zuströme, die hydrogeologische Situation im X1. Massenkalk nicht abschließend bekannt sei und der Abbaubereich des Steinbruchs nur 0,6 % des Gebietes der Wasserschutzzone III A erfasse. Der festgestellte Chloridanstieg sei nicht nachweisbar auf die Abbautätigkeit zurückzuführen und zudem seit 2010 wieder rückläufig. Dem Vorhaben stehe § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO nicht entgegen. Insofern macht die Beigeladene erstmals im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten von GeoConsult C. vom 5. August 2015 geltend, dass sich die Klägerin nicht auf § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO berufen könne, weil sich die Wasserschutzgebietsverordnung als unwirksam erweise. In formeller Hinsicht sei zu beanstanden, dass die Grenze zwischen den Schutzzonen III A und III B im Bereich L. gegenüber dem Entwurf in der Öffentlichkeitsbeteiligung geändert und der nördlich Teil von L. sowie der Bereich östlich der H. aus der Schutzzone entfernt worden seien, ohne dass eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Die Planunterlagen genügten nicht den Anforderungen der Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten vom 25. April 1975, insbesondere fehlten die erforderlichen Detailangaben zu den Wassergewinnungsanlagen, aktuelle und in sich geschlossene hydrogeologische Begutachtungen und Wasseranalysen. Im Erläuterungsbericht bzw. in den Verwaltungsvorgängen fehlten Angaben zu vorliegenden Bodenarten und -typen, eine geologische Karte, eine Karte mit der Lage der Schwinden vorhandener Gewässer, eine Abflussbilanz, Angaben zu meteorologischen und klimatischen Verhältnissen, eine Beschreibung der Fassungsanlage der I1. -Quelle II, Angaben zu den Entnahmemengen und deren Einfluss auf den Grundwasserstand sowie genauere Analysen über die physikalische, chemische, biologische und bakteriologische Beschaffenheit der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers über längere Zeiträume als Qualitätsmerkmal für die Notwendigkeit einer Schutzzone. Materiell-rechtlich sei die Wasserschutzgebietsverordnung nicht im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. erforderlich, um das Wohl der Allgemeinheit im Interesse des Schutzes der öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Die Ausweisung des Wasserschutzgebietes sei ermessensfehlerhaft, da willkürlich. Es sei nicht erforderlich gewesen, den gesamten nördlichen Massenkalkzug im Bereich T1. und damit auch den Tagebau der Klägerin in die Schutzgebietsausweisung einzubeziehen. Mit Blick auf die Eigentumsgarantie seien hierfür zumindest wissenschaftlich fundierte, in sich schlüssige Schätzungen notwendig gewesen. Hier fehle aber komplett eine hydraulische Berechnung des Einzugsgebiets. Erkenntnisse zu einem Gefahrenpotential des nördlichen Einzugsgebietes hätten nicht vorgelegen, auch sei unklar gewesen, ob der nördliche Kalkzug überhaupt eine Verbindung zu den Wassergewinnungsanlagen besitze. Die Grenzziehung zwischen der Zone III A und der Zone III B östlich des „Hohlen Steins“ sei nicht nachzuvollziehen. Der Bachverlauf der M1. und ein unterschiedlich breiter Randstreifen werde der Schutzzone II zugewiesen, die Zuflüsse im Bereich des „Hohlen Steins“ nur der Schutzzone III A; auch weitere Zuflüsse würden nicht berücksichtigt. Gleiches gelte für die Zuläufe der X3. , X4. und T4. im östlichen Bereich des X1. Kalkmassenzuges. Die westliche Grenze des Schutzgebietes im Massenkalk sei nicht dokumentiert und willkürlich gezogen. Ein nach der DIN 4046 möglicher Verweis, dass mit der Schutzzone lediglich ein Teil (unbekannter Größe) des Einzugsgebietes festgesetzt werden solle, fehle. Neuerungen des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Juni 2006) und neuere tatsächliche Erkenntnisse erforderten eine Überarbeitung der Schutzzonen. Es fehle an der Eignung des Wasserschutzgebietes zum Schutz des Trinkwassers, weil der Einzugsbereich des zufließenden Fremd- oder Tiefenwassers nicht geschützt werde. Sowohl die M1. -Quelle als auch die I1. -Quelle förderten in erheblichem Umfang Fremd- oder Tiefenwasser unbekannter Herkunft, das jedenfalls aus Bereichen außerhalb des Wasserschutzgebietes stamme. Die fehlerhaft unterbliebene Einbeziehung des Einzugsgebietes des Tiefenwassers führe zur Unwirksamkeit der Schutzgebietsausweisung insgesamt. Neuere Erkenntnisse hätten das Vorhandensein eines hohen Fremdwasseranteils bestätigt. Bei dem gesamten Kalksteinkomplex handele es sich nicht um einen hydraulisch miteinander verbundenen Grundwasserleiter. Die Entwässerung des zentralen Teils des X1. Massenkalks erfolge nicht ausschließlich über die I1. -Quelle und die M1. -Quelle. Farbmarkierungsversuche hätten keine eindeutigen Nachweise ergeben. Es fehlten Belege, dass der nördliche Kalkzug eine Verbindung zu den Wassergewinnungsanlagen habe und dass eine Wasserscheide im Bereich ihres Tagebaus bestehe. Der Verordnungsgeber habe insgesamt nur eine unvollständige Kenntnis über das Einzugsgebiet in nördlicher Richtung gehabt. Selbst wenn es sich bei dem Kalksteinkomplex um einen hydraulisch miteinander verbundenen Grundwasserleiter handele, sei die Eignung des Wasserschutzgebietes in Zweifel zu ziehen, weil es für die C1. -Quelle, die vollumfänglich der Versorgung von T1. diene, keine festgesetzte Schutzzone gebe. Von einer Einbeziehung des X1. Stadtgebietes habe man offensichtlich abgesehen, unter anderem um Einschränkungen der städtebaulichen Entwicklung zu vermeiden. Wesentliche Teile des Einzugsgebiets seien nicht geschützt, obwohl sie schutzbedürftig seien. Eine Alternativenprüfung sei nicht vorgenommen worden. Der Geologische Dienst NRW habe Ende der 1970er Jahre die Ausweisung rechtswirksamer Schutzmaßnahmen im X1. Raum verneint. Eine Aufzählung anderer Möglichkeiten der Versorgung durch weitere Gewinnungsanlagen, etwa durch die B1. -Talsperre oder H1. , fehle. Zugunsten der durch eine Wasserschutzgebietsverordnung geschützten B1. -Talsperre seien sogar Wasserbezugsrechte abgegeben worden. Angriffe gegen die Wirksamkeit der Wasserschutzgebietsausweisung seien nicht ausgeschlossen, weil in den amtlichen Bekanntmachungen nicht auf eine Präklusion hingewiesen worden sei. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO - die Wirksamkeit der Wasserschutzgebietsverordnung unterstellt - nicht vor. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht entschieden, dass Grundwasser nicht dauernd freigelegt oder angeschnitten werde, wenn das Grundwasser nach höheren Niederschlägen nur kurzfristig oder in ausgeprägten Nassjahren auch für einige Monate zu Tage trete und angetroffen werde. Die von der Klägerin geltend gemachte restriktive Auslegung des Begriffs „dauernd“ widerspreche dem Wortlaut der Vorschrift, den der Verordnungsgeber nicht enger gefasst habe. Ursprüngliche Entwürfe der Wasserschutzgebietsverordnung hätten noch die Differenzierung zwischen einer „dauernden“ und/oder „zeitweisen“ Freilegung von Grundwasser enthalten. Seitlich austretendes Grundwasser habe nicht erfasst werden sollen, weshalb eine protokollarische Klarstellung, dass der schwebende Grundwasserhorizont nicht gemeint sei, ursprünglich beabsichtigt gewesen sei. Die offengelegte Entwurfsfassung der Wasserschutzgebietsverordnung zu § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO habe der später beschlossenen Fassung entsprochen. Der ursprünglich vorgesehene Begriff „zeitweise“ sei also bewusst gestrichen worden. Es widerspreche daher dem Wortlaut der Verordnung und dem Willen des Verordnungsgebers, das gestrichene Tatbestandsmerkmal „zeitweise“ in den Begriff „dauernd“ hineinzuinterpretieren. Für die Auslegung des Verwaltungsgerichts sprächen auch das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) und die Verwaltungsvorschrift, auf deren Grundlage die Wasserschutzgebietsverordnung erarbeitet worden sei. Anders als in diesen Mustern finde sich in § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO kein Hinweis, dass ein Verbot gelten solle, wenn das Grundwasser in Zeiten „hoher Grundwasserstände“ angeschnitten werde. Der Erläuterungsbericht lege dar, dass der Grundwasserschwankungsbereich 25 m betragen könne, weshalb das Problem schwankender Grundwasserstände bekannt gewesen sei. Die weiteren Ausführungen der Klägerin zur genehmigungspflichtigen Herstellung eines Gewässers lägen neben der Sache. Nach der Neufassung des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Juni 2006) sei eine differenzierte Einzelfallbetrachtung geboten. Stark schwankende Grundwasserspiegel bzw. ausgeprägte Nassjahre seien Ausnahmesituationen, so dass auch eine längere Freilegung des Grundwassers keine dauernde sei. Solche Freilegungen seien im laufenden Betrieb auch nicht aufgetreten. Schließlich weist die Beigeladene darauf hin, dass im nordwestlichen Bereich des Tagebaus die Endteufe von 362 m über NN erreicht worden und es zu keiner Freilegung von Grundwasser sowie zu keiner Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung gekommen sei.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe:
45Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern und der Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, der Beigeladenen vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 aufzuheben. Diese bergrechtliche Entscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägern in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
46A. Die Klage ist zulässig.
47I. Für die Klägerin besteht die Möglichkeit, dass sie durch den Zulassungsbescheid im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO in ihren Rechten verletzt wird.
481. Die Klägerin kann sich zunächst auf eine Verletzung der Wasserschutzgebietsverordnung berufen, wobei an dieser Stelle deren Wirksamkeit noch nicht von Belang ist.
49Das Wasserschutzgebiet wurde gemäß § 1 Abs. 1 WSG-VO im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung zum Schutz des Grundwassers unter anderem im Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage M1. -Quelle festgesetzt und bezeichnet die Klägerin ausdrücklich als Begünstigte im Sinne von § 15 des im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserschutzgebietsverordnung geltenden Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 1989 (im Folgenden: LWG NRW a. F.), GV. NRW. S. 384, geändert durch § 51 Abs. 4 des Gesetzes über Enteignung und Entschädigung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz - EEG NW -) vom 20. Juni 1989, GV. NRW. S. 366. Die Bestimmung des § 15 LWG NRW a. F. ist zwischenzeitlich durch die unmittelbar geltende bundeseinheitliche Regelung des § 51 Abs. 1 Satz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 (im Folgenden: WHG n. F.), BGBl. I S. 2585, zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015, BGBl. I S. 1474, ersetzt worden.
50Als Begünstigte der Wasserschutzgebietsverordnung und Trägerin der öffentlichen Wasserversorgung ist die Klägerin für einwandfreies, gesundes Trinkwasser verantwortlich und kann geltend machen, als Inhaberin einer materiellen Rechtsposition rechtswidrige Beeinträchtigungen des Grundwassers im Einzugsbereich ihres Brunnens abwehren zu können.
51Vgl. zur Klagebefugnis eines als Aktiengesellschaft organisierten Wasserwerkes bzw. einer Stadtwerke-AG: BVerwG, Urteile vom 17. November 1972 - IV C 21.69 -, BVerwGE 41, 178 (187 f. bzw. S. 1 des amtlichen Umdrucks), und vom 15. Juli 1987 - 4 C 56.83 -, BVerwGE 78, 40 (41 ff.); zu Klagen einer Gemeinde mit eigenem Wasserwerk: BVerwG, Urteile vom 12. August 1999 - 4 C 3.98 -, Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 18, S. 3 f., sowie vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 (291); OVG NRW, Urteil vom 29. April 1993 - 20 A 12/91 -, n. v., S. 9 des amtlichen Umdrucks.
522. Die Klägerin ist auch deshalb klagebefugt, weil sie Inhaberin eines Wasserförderungsrechts ist. Dieses Recht beruhte ursprünglich auf der Grundlage eines preußischen Wasserrechts vom 18. Dezember 1931 und einer Bewilligung vom 18. Dezember 1995 im Sinne des seinerzeit geltenden § 8 Abs. 1 WHG in der Fassung vom 27. Juli 1957, BGBl. I S. 110, 1386, im Zeitpunkt der Bewilligung zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 1994, BGBl. I S. 1440 (im Folgenden: WHG a. F.). Diese Bewilligung galt gemäß § 104 Abs. 2 WHG n. F. fort.
53Vgl. zur Klage eines Wasserwerks als Inhaberin einer Förderungsbewilligung gegen eine Nassauskiesung: OVG NRW, Urteil vom 1. Februar 1996 - 20 A 4019/92 -, n. v., S. 8 des Urteilsabdrucks; Nds. OVG, Urteil vom 5. September 1996 - 3 L 7866/94 -, ZfW 1997, 249 (250 f.).
54Der die Bewilligung vom 18. Dezember 1995 ersetzende Bescheid vom 13. Januar 2015, der auf der Grundlage von § 8 WHG n. F. (Beiakte 15, Anlage BG 3) erteilt wurde, ist zwar von der Beigeladenen angefochten worden. Solange dieser Bescheid aber nicht aufgehoben worden ist, kann sich die Klägerin zumindest weiterhin auf ihre früheren Förderungsrechte berufen.
55II. Die Klägerin ist aus Rechtsschutzgründen an der Anfechtung des Zulassungsbescheides des Beklagten vom 25. September 2007 betreffend den Hauptbetriebsplan II in der Fassung der nachfolgenden Verlängerungen auch nicht dadurch gehindert, dass der Rahmenbetriebsplan vom 22. März 2000 bestandskräftig ist. Ein Rahmenbetriebsplan hat eine nur feststellende und noch keine gestattende Wirkung. Mit der Ausführung von Arbeiten darf auf der Grundlage eines Rahmenbetriebsplanes noch nicht begonnen werden. Hierzu bedarf es vielmehr noch der vorherigen Zulassung eines Hauptbetriebsplanes. Folglich wird mit der Zulassung eines Rahmenbetriebsplanes rechtlich noch kein Eingriff in fremde Berechtigungen ermöglicht.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. November 1995 - 4 C 14.94 -, BVerwGE 100, 1 (13).
57Deshalb sind konkrete Abbauhöhen, wie sie jetzt im Streit stehen, nicht Gegenstand der vormaligen Rahmenbetriebsplanzulassung gewesen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 -, BVerwGE 127, 259 (271).
59Gleiches gilt in Bezug auf den vormals zugelassenen Hauptbetriebsplan I, weil sich dieser - unabhängig von den räumlichen Dimensionen des dort zugelassenen Abbaus - jedenfalls nicht auf die nunmehr genehmigten konkreten Abbauhöhen bezog.
60B. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist begründet. Die bergrechtliche Hauptbetriebsplanzulassung ist wegen eines Verstoßes gegen die drittschützende Bestimmung des § 48 BBergG rechtswidrig. Der Zulassungsbescheid, der den Gesteinsabbau zulässt, hätte in der hier zu überprüfenden Form (dazu I.) auf der Grundlage des vorliegend anzuwendenden Bergrechts (dazu II.) im Falle der Unwirksamkeit der Wasserschutzgebietsverordnung wegen des Fehlens einer erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilt werden dürfen (dazu III.). Unbeschadet dessen hätte das Vorhaben der Beigeladenen, die Wirksamkeit der Wasserschutzgebietsverordnung unterstellt, ebenso wenig zugelassen werden dürfen, weil es dann gegen diese Verordnung verstoßen und eine Ausnahmegenehmigung fehlen würde (dazu IV.).
61I. Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist der auf bergrechtlicher Grundlage erlassene Zulassungsbescheid vom 25. September 2007 betreffend den Hauptbetriebsplan II in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009, wie er letztmalig durch den die Geltungsdauer dieses Hauptbetriebsplanes verlängernden Änderungsbescheid vom 13. September 2013 modifiziert worden ist. Die nach Angaben des Beklagten im Termin zur der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragte Verlängerung des Hauptbetriebsplanes II über den 30. November 2015 hinaus ist noch nicht beschieden.
62Bei der gerichtlichen Überprüfung der Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplanes ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zu Grunde zu legen. Dies gilt auch im Fall der Anfechtungsklage eines Drittbetroffenen gegen eine den Träger eines Vorhabens begünstigende Genehmigung. Hieraus folgt, dass Änderungen der Sach- und Rechtslage, die nach Wirksamwerden der behördlichen Zulassungsentscheidung eintreten, wenn sie sich nicht zugunsten des Trägers des Vorhabens auswirken, sondern zu dessen Nachteil, nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese aus der Anspruchsposition des Genehmigungsbegünstigten hergeleiteten Grundsätze gelten auch für die bergrechtliche Betriebsplanzulassung. Aus dem Bundesberggesetz ergibt sich nicht, dass bei der Anfechtung einer Betriebsplanzulassung durch Dritte nachträgliche Änderungen der Sachlage zu berücksichtigen wären. Vielmehr kann nachträglichen Änderungen durch Ergänzung oder Änderung des Betriebsplans durch den Unternehmer bzw. durch die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen im wirtschaftlich vertretbaren und erforderlichen Umfang durch die Bergbehörde Rechnung getragen werden (vgl. § 56 Abs. 1 und 3 BBergG).
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1998 - 21 A 7553/95 -, ZfB 1998, 146 (153 f.), m. w. N.
64Insbesondere ist der vorliegend streitige Betriebsplan, auch wenn er auf eine gewisse Geltungsdauer ausgelegt ist, kein sog. Dauerverwaltungsakt, bei dessen Überprüfung auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen wäre.
65Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 -, Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 5, S. 2 (zu einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung), und vom 8. Februar 1995 - 1 B 6.94 -, Buchholz 451.45 § 8 HwO Nr. 18, S. 5 f. (zu einer handwerksrechtlichen Ausnahmegenehmigung), jeweils m. w. N.
66Allerdings ist hier die rechtsgestaltende Wirkung des zeitlich befristeten Hauptbetriebsplans II auf Grund der späteren Verlängerungen seiner Geltungsdauer um jeweils zwei Jahre jeweils erneuert worden. Deshalb sind im vorliegenden Fall tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten - wie etwa neuere Erkenntnisse zu Grundwasserständen - bis zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung mit Bescheid vom 13. September 2013 zu berücksichtigen.
67II. Ausgangspunkt der materiell-rechtlichen Prüfung sind die Bestimmungen des Bundesberggesetzes.
681. Die Beigeladene baut in dem Tagebau devonischen Massenkalk mit eingelagertem Marmor ab. Das Gestein befindet sich in Bergwerksfeldern, die nach altem Recht verliehen und nach § 149 BBergG vom früheren Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen bestätigt worden sind (S. 3 des Zulassungsantrages betreffend den Rahmenbetriebsplan, Bl. 736 Beiakte 4; Nr. IV des Rahmenbetriebsplans vom 22. März 2000, Beiakte 4).
69Das Vorhaben der Beigeladenen fällt damit gemäß § 2 Abs. 1 BBergG in den Anwendungsbereich des Bergrechts, weil es die Gewinnung und Aufbereitung eines (grundeigenen) Bodenschatzes im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 149 BBergG zum Gegenstand hat. Das nordrhein-westfälische Abgrabungsgesetz ist damit nicht anwendbar (vgl. § 1 Abs. 3 Abgrabungsgesetz NRW).
70Die Gewinnung eines (grundeigenen) Bodenschatzes ist gemäß den §§ 51 ff. BBergG betriebsplanpflichtig. Nachdem die Bergbehörde auf Antrag der Klägerin unter dem 22. März 2000 bereits einen (fakultativen) Rahmenbetriebsplan erlassen hatte, war für die Führung des Betriebes ein Hauptbetriebsplan im Sinne des § 52 BBergG aufzustellen.
712. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 BBergG ist für einen Hauptbetriebsplan im Sinne des § 52 BBergG die Zulassung zu erteilen, wenn die in jener Vorschrift unter den Nummern 1 bis 9 normierten Voraussetzungen gegeben sind bzw. Ausschlussgründe nicht vorliegen. Die von der Klägerin gegen die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen erhobenen wasserrechtlichen Bedenken sind nicht über § 55 Abs. 1 Satz 1 BBergG berücksichtigungsfähig. Die dort normierten Voraussetzungen gewähren, soweit sie hier in Frage kommen, keinen Nachbarschutz.
72a) So erfasst § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG, wonach die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, dass die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes aufgrund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden, nicht Sachgüter Dritter außerhalb des Betriebes des Bergbauunternehmens.
73Vgl. zum Schutz von Oberflächeneigentümern bei untertägigem Bergbau: BVerwG, Urteile vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329 (335 f.), und vom 29. Juni 2006 - 7 C 11.05 -, BVerwGE 126, 205 (209).
74Zwar befindet sich das hier in Rede stehende Grundwasser auch unterhalb der Oberfläche des Betriebsgeländes der Beigeladenen. Es handelt sich aber nicht um ein betriebsbezogenes Sachgut.
75b) Ebenso wenig kommt § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG zum Tragen, wonach die Zulassung des Betriebsplanes davon abhängt, dass gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind. Auch diese Norm hat nicht die individuellen Interessen einzelner im Auge, sondern das objektive Gemeinwohlinteresse. Der zu verhindernde Schaden muss in einem solchen Umfang drohen, dass er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt. Wegen dieser hohen Schwelle gewährleistet die Bestimmung aus sich heraus keinen Nachbarschutz, auch nicht für das Grundwasser.
76Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329 (337), und vom 14. April 2005 - 7 C 26.03 -, BVerwGE 123, 247 (253).
773. Der Schutz des Grundwassers durch eine Wasserschutzgebietsverordnung kann aber im Grundsatz über § 48 Abs. 1 Satz 1 BBergG zum Tragen kommen. Hiernach bleiben Rechtsvorschriften unberührt, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind.
78Vgl. etwa die Beispiele bei Vitzthum/Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 48 Rn. 7 ff., insbesondere Rn. 9,
79Zudem kann der Grundwasserschutz im Grundsatz auch über § 48 Abs. 2 BBergG zum Tragen kommen. Nach dieser Vorschrift hat die Bergbehörde unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften die Möglichkeit, eine Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen zu beschränken oder zu untersagen, soweit überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Zu den öffentlichen Interessen gehören auch wasserrechtliche Vorschriften.
80vgl. etwa Müggenborg, Bergbaufolgelandschaften und deren rechtliche Bewältigung, NuR 2013, 326 (328); Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 689 a. E.
81Vorschriften des Wasserrechts dienen dem Ziel, die öffentliche Wasserversorgung sicherzustellen und schädliche Einwirkungen auf das Grundwasser zu verhindern.
82III. Ein Verstoß gegen § 48 Abs. 1 Satz 1 BBergG liegt nicht vor. Die Wasserschutzgebietsverordnung ist rechtswidrig und daher nichtig (dazu 1.). Gleichwohl hätte der Beklagte die einen Abbau freigebende bergrechtliche Betriebsplanzulassung wegen des Fehlens einer wasserrechtlichen Genehmigung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilen dürfen (dazu 2.).
831. Die Wasserschutzgebietsverordnung ist rechtswidrig und daher nichtig.
84a) Formelle Mängel der Wasserschutzgebietsverordnung sind entgegen der Auffassung der Beigeladenen allerdings nicht zu erkennen.
85Die Wasserschutzgebietsverordnung findet gemäß Art. 70 Satz 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (Verf NRW) ihre gesetzliche Grundlage in § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. und den §§ 14 f., 136 f., 141, 150 LWG NRW a. F. sowie den §§ 25 ff. OBG NRW. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW a. F. wurde ein Wasserschutzgebiet durch ordnungsbehördliche Verordnung festgesetzt, wobei die Zuständigkeit für den Erlass einer solchen Wasserschutzgebietsverordnung bei dem Regierungspräsidenten als obere Wasserbehörde lag (§§ 14 Abs. 1 Satz 4, 136 LWG NRW a. F.).
86aa) Bedenken an dem Erfordernis einer korrekten Ausfertigung der Verordnung, insbesondere was deren Kartenteil anbelangt, sind nicht gegeben. Das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ausfertigung einer ordnungsbehördlichen Verordnung folgt zwar nicht bereits aus Art. 71 Abs. 2 Verf NRW.
87Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 15. Dezember 1989 - VerfGH 5/88 -, NWVBl. 1990, 51 (53).
88Es ergibt sich aber aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
89Das Original der Wasserschutzgebietsverordnung wurde von der damaligen Regierungspräsidentin am 15. April 1991 unterschriebenen (Beiakte Heft 13, Ordner 4, Band XV, am Anfang). Nach den insoweit nicht angegriffenen Bekundungen des Beklagten (vgl. Bl. 958 ff. GA) liegen der Behörde zusätzlich von der damaligen Regierungspräsidentin unterzeichnete Exemplare der Übersichtskarte im Maßstab 1:25.000 (§ 1 Abs. 4 Satz 1 WSG-VO) und der aus Blatt 1 bis 25 bestehende Schutzgebietskarte im Maßstab 1:5.000 (§ 1 Abs. 4 Satz 2 WSG-VO) vor.
90bb) Ein Verfahrensfehler wird nicht mit der Rüge der Beigeladenen dargetan, dass die Grenze zwischen den Schutzzonen III A und III B im Bereich L. gegenüber dem Entwurf in der Öffentlichkeitsbeteiligung geändert worden sei und der nördliche Teil von L. sowie der Bereich östlich der H. aus der Schutzzone entfernt worden seien, ohne dass eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Zwar zeigt ein Vergleich zwischen der offengelegten Übersichtskarte (Beiakte Heft 14, Band 5) und der Übersichtskarte, die als Anlage zu der im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg bekanntgemachten Verordnung veröffentlicht worden ist, dass ungeachtet maßstabsbedingter Unschärfen marginale Verschiebungen der Grenzen zwischen den Schutzzonen III A und III B stattgefunden haben. Diese Veränderung erforderte indes keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Verfahrensvorschrift des § 150 LWG NRW a. F., die unter anderem die Öffentlichkeitsbeteiligung regelte, enthielt keine Bestimmungen zu der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei nachträglichen Veränderungen eine erneute Auslegung zu erfolgen hat. Nur bezüglich einer Präklusion verspäteter Einwendungen wurde § 73 Abs. 4 VwVfG NRW für entsprechend anwendbar erklärt. Ein Verweis etwa auf § 73 Abs. 8 VwVfG NRW fehlte. Ob bei wesentlichen Änderungen des ursprünglich ausgelegten Entwurfs einer Wasserschutzgebietsverordnung eine erneute Offenlegung schon aus rechtsstaatlichen Gründen hätte erfolgen müssen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die nur einzelne Flurstücke betreffenden Grenzverschiebungen zwischen zwei Schutzzonen berührten nicht die Grundzüge der Schutzgebietsplanung. Im Falle einer nur unwesentlichen Veränderung der Schutzgebietsabgrenzung ist aber keine erneute Auslegung erforderlich.
91Vgl. etwa OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8. Mai 2008 - 1 C 10511/06 -, juris, Rn. 51; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 840 a. E., m. w. N.
92b) Die Wasserschutzgebietsverordnung ist jedoch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig und daher nichtig.
93aa) Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F., der insoweit mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 WHG n. F. inhaltlich übereinstimmt. Hiernach konnten Wasserschutzgebiete festgesetzt werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit dies erforderte, um Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Zu den Gewässern zählte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG a. F. auch das Grundwasser. Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 WHG a. F. konnten in den Wasserschutzgebieten bestimmte Handlungen verboten oder nur für beschränkt zulässig erklärt werden. Ergänzend hierzu bestimmte § 24 Abs. 1 WHG a. F. unter anderem, dass die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Grundstücken verpflichtet werden können, ihre Grundstücke nur in bestimmter Weise zu nutzen.
94Der Begriff der Erforderlichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 WHG a. F. ist gerichtlich voll überprüfbar.
95Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. September 2005 - 1 BvR 1161/03 -, NVwZ 2005, 1412 (1414).
96Er bezieht sich zunächst in sachlicher Hinsicht auf den Schutz des Wasservorkommens dem Grunde nach, was sich nach der Schutzwürdigkeit, der Schutzbedürftigkeit und der Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens richtet.
97Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4; Beschluss vom 20. Januar 2015 - 7 BN 2.14 -, juris, Rn. 26.
98Die Erforderlichkeit setzt ferner der räumlichen Ausdehnung des Wasserschutzgebiets Grenzen. Bei Beachtung der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG ist die mit der Ausweisung eines Wasserschutzgebiets einhergehende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse im Wege der Inhalts- und Schrankenbestimmung nur zulässig, wenn von dem betroffenen Grundstück Einwirkungen auf das zu schützende Grundwasser ausgehen können.
99Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. September 2005 - 1 BvR 1161/03 -, NVwZ 2005, 1412 (1414); BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4 f., m. w. N.
100bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend kann entgegen der Ansicht der Beigeladenen der Schutz des Wasservorkommens, das der I1. -Quelle II und der M1. -Quelle (auch) aus dem X1. Kalkmassiv unstreitig zufließt, zwar nicht von vornherein mit dem Argument in Abrede gestellt werden, dass die Wasserversorgung durch andere Wassergewinnungsanlagen, etwa die B1. -Talsperre oder durch das Unternehmen H1. , möglich sei. Denn sowohl die I1. -Quelle II als auch die M1. -Quelle haben einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Stadt X. und einzelner umliegender Gebietskörperschaften mit Trinkwasser. Ob diese Versorgung zur Not auch anderweitig aufrechterhalten werden könnte, ist in aller Regel keine Frage der grundsätzlichen Schutzwürdigkeit des Grundwassers, das in den beiden fraglichen Quellen gefördert wird. Die Bedeutung des zu schützenden Wasservorkommens für die konkrete Trinkwasserversorgung mit Blick auf etwaige Alternativen ist aber bei der Abwägung etwa entgegenstehender Interessen zu berücksichtigen.
101Vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24. März 1986 - 5 S 2831/84 -, NVwZ 1987, 241 (242).
102Angesichts der Tatsache, dass nach den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin am 31. Oktober 1990 allein die M1. -Quelle den Gesamtbedarf des Versorgungsgebietes zu ca. 60 % abdeckt (Beiakte 13, Ordner 4, Band XIII, Ergebnisniederschrift vom 5. März 1991, S. 2), kann die Schutzwürdigkeit des Grundwassers nicht von vornherein mit dem Bestehen anderer Versorgungsmöglichkeiten in Frage gestellt werden.
103Gleiches gilt im Grundsatz für den Einwand der Beigeladenen, ein Teil des geförderten Grundwassers entstamme nicht dem X1. Kalkmassiv, vielmehr handele es sich um Fremd- und Tiefenwasser. Dem Verordnungsgeber ging es hier ersichtlich um den Schutz des aus dem X1. Kalkmassiv zu den Quellen fließenden Grundwassers. Dass dieses Grundwasser einen völlig untergeordneten Teil an der geförderten Wassermenge ausmachen oder für einen Schutz völlig ungeeignet sein würde und sein Schutz daher im Rechtssinn nicht „erforderlich“ wäre, hat die Beigeladene weder behauptet noch sonst substantiiert dargelegt.
104cc) Die Beurteilung der Frage, ob das Wasservorkommen in sachlicher Hinsicht dem Grunde nach eines Schutzes bedarf, was sich nach der Schutzwürdigkeit, der Schutzbedürftigkeit und der Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens richtet, oblag in erster Linie dem Verordnungsgeber, hier also dem Regierungspräsidenten Arnsberg als obere Wasserbehörde.
105In diesem Zusammenhang setzt die Feststellung, ob das Wohl der Allgemeinheit die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. erforderte, trotz der spezifischen Struktur der Entscheidung des Verordnungsgebers, die keine gestaltende Abwägung im Sinne des Fachplanungsrechts ist, sondern das Ergebnis eines differenzierten Bewertungs- und Gestaltungsprozesses, eine Gegenüberstellung und Abwägung der für die Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen und der durch sie beeinträchtigten Belange und dabei auch die Beachtung des rechtsstaatlichen Übermaßverbots voraus.
106Vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2009 - 3 S 170/07 -, NuR 2010, 659 f., m. w. N.
107Für die Frage, anhand welcher Maßstäbe die Kriterien Schutzwürdigkeit, Schutzbedürftigkeit und Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens zu bewerten sind, gab die Tatbestandsvoraussetzung in § 19 Abs. 1 WHG a. F., die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes müsse zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich sein, keine genauen Maßgaben vor. Die Bewertung erforderte aber jedenfalls wissenschaftlich abgesicherte hydrogeologische bzw. hydraulische Erkenntnisse über die vorhandenen Gegebenheiten.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4 ff.
109Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage, welche genauen Erkenntnisse der Festsetzungsbehörde zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit, Schutzbedürftigkeit und Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens vorliegen mussten, ließen sich im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserschutzgebietsverordnung der seinerzeit noch geltenden und erst 2003 durch Erlassbereinigung aufgehobenen Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten und Quellschutzgebieten - RdErl. des (damaligen) Ministers für Ernährung, Landwirtschaften und Forsten vom 25. April 1975 (im Folgenden: VwV-WSG) -, MBl. NRW. S. 1010 = Historische SMBl. NRW. Nr. 770 (Wasserrecht historisch), entnehmen. Die Regelungen dieser Verwaltungsvorschrift enthielten zwar keine materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes, die sich im vorliegenden Fall ausschließlich aus § 19 WHG a. F. ergaben. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt die Verwaltungsvorschrift aber auch nicht nur eine bloße „Hilfestellung“ dar, weil sie den wasserrechtlichen und fachlichen Sachverstand der obersten Wasserbehörde Nordrhein-Westfalens widerspiegelt und somit normkonkretisierende Wirkung hat.
110Die Nr. 8.2.1 der VwV-WSG legte im Einzelnen fest, was zu den Planunterlagen gehört, die auf Veranlassung der Verfahrensbehörde (= Regierungspräsident als obere Wasserbehörde) aufzustellen und zu prüfen sind (Nrn. 8.2 lit. b) und lit. c) VwV-WSG). Hiernach mussten im Allgemeinen folgende Unterlagen vorliegen:
111a) Erläuterungsbericht (u. a. Beschreibung der Gewässerbenutzung mit Angabe der durchschnittlichen und höchsten Wasserentnahme/Wasserförderung (je Sekunde, Tag, Jahr), der dazugehörigen Wasserstände, der Entnahme-/Förderungs-/Fortleitungsanlagen, des Zweckes der Benutzung)
112b) Übersichtskarte mit den Wasserfassungs-, entnahme-, förderungs-, fortleitungs- und sonstigen Anlagen sowie den oberirdischen Gewässern unter Kenntlichmachung ihrer Ordnung
113c) Schutzgebietskarte (Maßstab nicht über 1 : 5000), in der die Wasserfassungsanlage, das vorgesehene Wasserschutzgebiet und die Zoneneinteilung parzellenscharf eingetragen sind
114d) im Fall des § 19 Abs. 1 Satz 1 WHG und des § 26 LWG Unterlagen über den Aufbau des Untergrundes an der Fassungsstelle (Schichtenverzeichnis u. dgl.) sowie Baupläne der Fassungsanlagen
115e) hydrogeologische Begutachtung
116f) Ergebnisse von chemischen und bakteriologischen Wasseruntersuchungen bei trockenen und bei nassen Witterungsperioden (möglichst nicht älter als 1/2 Jahr)
117g) hydraulische Berechnung des Einzugsgebiets und der Schutzzonen bei porösen (kiessandigen) Grundwasserträgern, Angaben über die Aufenthaltszeiten des Grundwassers im Boden
118h) Vorschlag der Schutzbestimmungen
119i) Entwurf der Schutzgebietsverordnung.
120Zusätzlich verwies Nr. 7.5 VwV-WSG auf die in Anlage 1 übernommenen Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete, I. Teil, Schutzgebiete für Grundwasser - (Arbeitsblatt W 101, Februar 1975) des (ehemaligen) Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern - im Folgenden: DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) -. Diese auch unter Beteiligung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser erarbeitete Richtlinie stellte nach dem Vorwort dieses Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) den (damaligen) Stand der naturwissenschaftlichen, hygienischen und technischen Erkenntnisse dar, die bei der Einrichtung eines Wasserschutzgebietes für Grundwasser zum Schutz vor nachteiligen Veränderungen seiner Beschaffenheit zu beachten waren. Die Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) konnten als allgemeine Orientierung im Sinne eines „antizipierten Sachverständigengutachten“ herangezogenen werden, ohne dass von diesem technischen Regelwerk eine strikte Bindung ausgegangen wäre.
121Vgl. zu den DVGW-Arbeitsblättern allgemein: BVerwG, Beschluss vom 2. November 2007 - 7 BN 3.07 -, juris, Rn. 10, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 8, und Beschluss vom 20. Januar 2015 - 7 BN 2.14 -, juris, Rn. 16; OVG Rh.-Pf.-, Urteil vom 27. September 1989 - 10 C 42/88 -, NVwZ-RR 1990, 126 (127); Salzwedel, ZfW 1992, 397 (401).
122Das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) hob in Nr. 4.2 hervor, dass bei der Errichtung eines Wasserschutzgebietes nicht schematisch vorgegangen werden könne und zur Beurteilung entsprechende Vorarbeiten notwendig seien, die von Fachleuten durchgeführt werden müssten. Besonders wichtig seien Kenntnis und Berücksichtigung u. a. folgender Gegebenheiten:
123a) Grenzen des Einzugsgebietes mit dessen Oberflächengestalt und
124-beschaffenheit,
125b) Bodenarten und -typen,
126c) geologischer Aufbau,
127d) hydrologische Verhältnisse,
128e) meteorologische und klimatische Verhältnisse,
129f) Art und Ausbau, Zustand und Wirkungsweise der Fassungsanlage,
130g) Entnahmemenge (auch künftige) und Reichweite der Grundwasserabsenkung,
131h) physikalische, chemische, biologische und bakteriologische Beschaffenheit der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers, auch über längere Zeiträume,
132i) bestehende und geplante Flächennutzung, wie Bebauung, Bodenbewuchs und -nutzung (z. B. Wald, Grünland, Acker), Abbau von Steinen und Erden (z. B. Sand- und Kiesgruben), Verkehrseinrichtungen, Verwaltungsgrenzen,
133k) bergbauliche Rechte, Anlagen und Vorhaben,
134l) Natur- und Landschaftsschutzgebiete.
135Hiervon ausgehend lagen dem Regierungspräsidenten Arnsberg als obere Wasserbehörde und damit für die Festsetzung des Wasserschutzgebietes zuständigen Verfahrensbehörde nicht die erforderlichen Erkenntnisse für die Bewertung vor, ob die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes wegen der Schutzwürdigkeit, Schutzbedürftigkeit und Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens im Sinne des § 19 Abs. 1 WHG a. F. zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich war.
136Das ehemalige Staatliche Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft M2. (im Folgenden: StAWA M2. ) hatte als untere Wasserbehörde, welche die Vorarbeiten zur Aufstellung der Wasserschutzgebietsverordnung geleistet hatte, mit Schreiben vom 22. Juni 1989 dem Regierungspräsidenten - sogar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Nr. 8.2.1 der VwV-WSG - als „Planunterlagen“ folgende Unterlagen übersandt (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang):
137„60 Übersichtskarten (1 : 25.000)
13815 x 25 Wasserschutzgebietskarten (1 : 5.000), Bl. 1 + 25
13915 Erläuterungsberichte zur Ausweisung des Wasserschutzgebietes (WSG)
1402 x 2 chemisch-bakteriologische Analysen
1411 Mutterpause der Übersichtskarte
1421 Aufstellung über Gemarkung und Fluren des gesamten WSG
1431 Eigentümerverzeichnis der Zonen I und II mit Gemarkung, Fluren und
144Flurstücken
1452 Flurkarten der Zone I (Lagepläne)
146Stellungnahmen der Behörden
147Stellungnahme des StAWA zu den Stellungnahmen
1481 Niederschrift vom Behördenanhörungstermin am 06.09.1988“.
149Weitere aussagekräftige Unterlagen hatte das StAWA M2. dem Regierungspräsidenten Arnsberg ausweislich der dem Senat vorliegenden Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung nicht übersandt. Anhand der vorgelegten Unterlagen konnte der Regierungspräsident Arnsberg als Festsetzungsbehörde aber die Schutzwürdigkeit des in den Wassergewinnungsanlagen I1. -Quelle II und M1. -Quelle gewonnenen Grundwassers nicht sachgerecht beurteilen.
150(1) Diese Feststellung betrifft zunächst die Schutzwürdigkeit des Grundwassers in chemischer und bakteriologischer Hinsicht. Hierzu lagen dem Regierungspräsidenten Arnsberg für die „Anlage I1. “, also die I1. -Quelle II, die an die Stadtwerke X. adressierten drei chemischen Untersuchungen des Hygiene-Instituts des Ruhrgebiets vom 29. August 1986, vom 12. Januar 1989 und vom 4. März 1989 vor; ebenso lagen vor drei weitere an die Klägerin adressierte chemische Untersuchungen des gleichen Instituts vom 29. November 1986, vom 5. April 1989 und vom 29. April 1989, die für das „Pumpwerk C2. “ erstellt worden sind (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Anhänge zum Schreiben des StAWA M2. vom 22. Juni 1989). Bei dem Erlass des Wasserschutzgebietes im April 1991 erfüllten diese chemischen Analysen jedenfalls in zeitlicher Hinsicht nicht (mehr) die Anforderungen, die an eine fachliche Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Grundwassers zu stellen waren. Nach der Nr. 8.2.1 lit. f) VwV-WSG waren hierfür die Ergebnisse von chemischen und bakteriologischen Wasseruntersuchungen bei trockenen und bei nassen Witterungsperioden (möglichst nicht älter als ein 1/2 Jahr) erforderlich. Auch die Nr. 4.2 lit. h) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) forderte eine Untersuchung der physikalischen, chemischen, biologischen und bakteriologischen Beschaffenheit der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers, auch über längere Zeiträume. Im Zeitpunkt der Festsetzung des Wasserschutzgebietes waren die vom StAWA M2. vorgelegten Analysen bereits zwei bis fünf Jahre alt, umfassten keine längeren Untersuchungszeiträume und differenzierten nicht nach trockenen bzw. nassen Witterungszeiträumen. Hinzu kommt, dass die an die Klägerin adressierten chemischen Untersuchungen des Hygiene-Instituts des Ruhrgebiets offenkundig nicht das Wasser betreffen, das an der M1. -Quelle selbst - Quellfassung westlich von L. - entnommen worden ist, sondern Wasser aus dem weiter nördlich gelegenen „Pumpwerk C2. “ analysiert wurde. Zwar wird nach den Angaben des StAWA M2. das Wasser von der „Quellfassung in L. … mit natürlichem Abfluss über zwei Transportleitungen zur Pumpstation C2. “ geleitet (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 4). Dass die chemische Zusammensetzung des Wassers an der einen wie an der anderen Stelle identisch und nicht - etwa durch Osmosevorgänge - Veränderungen unterworfen war, wurde nicht dokumentiert.
151(2) Des Weiteren ergeben sich Zweifel an der sachgerechten Beurteilung der Schutzfähigkeit des Grundwassers aus dem Umstand, dass der Erläuterungsbericht unter seiner Nr. 4.5 „Abfall/Altlast“ von acht bekannten Altlasten-Standorten spricht, von denen sechs in diesem Bericht aufgelistet sind (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 9 f.). Diese Altlasten-Standorte sind in der Karte „Altlasten im Wasserschutzgebiet X1. Kalkmassiv“ zeichnerisch wiedergegeben (Beiakte 11, Ordner 2, Band I). Ob diese Karte dem Regierungspräsidenten Arnsberg überhaupt vorgelegen hat, ist nicht ersichtlich. Unbeschadet dessen lässt sich in der Sache feststellen, dass allein fünf dieser Altlasten-Standorte das Tal der M1. umringen, eine weitere Fläche befindet sich südwestlich der I1. -Quelle II. Für einen der fünf Altlasten-Standorte im Umfeld der M1. -Quelle trifft der Erläuterungsbericht zwar die Aussage, dass keine Gefährdung für das Grundwasser zu erwarten sei. Im Übrigen wird aber grundsätzlich auf die Notwendigkeit weiterer Kontrollen oder Analysen hingewiesen. Ein langfristig wirksamer Schutz der Grundwasservorkommen vor Stoffen, die zur Verunreinigung des Grundwassers führen können, ist für die derzeitige und zukünftige Trinkwasserversorgung unverzichtbar. Die notwendigen Untersuchungen sind allerdings ausweislich der Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung weder vom StAWA M2. noch auf Veranlassung des Regierungspräsidenten Arnsberg vor dem Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung durchgeführt worden. Auch in dieser Hinsicht mangelt es daher an einer hinreichend sicheren Beurteilungsgrundlage, um eine abschließende Aussage zur Gefährdung des Grundwassers durch Altlasten zu treffen. Eine solche Beurteilung hätte aber vor der Festsetzung eines Wasserschutzgebiets erfolgen müssen, weil nicht oder schwer abbaubare Stoffe, wie sie etwa in Nr. 3.4 des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) aufgeführt sind, selbst bei großer Fließstrecke und langer Verweildauer im Untergrund ihre schädliche Wirkung in der Regel nicht verlieren. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als von allen Beteiligten stets die hohen Fließgeschwindigkeiten des Grundwassers in einem Karstgrundwasserleiter hervorgehoben worden sind. Ferner musste nach der Nr. 4.4 des DGVW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) der unterschiedlichen Auswirkung der Gefahrenherde nach Art, Ort und Untergrundbeschaffenheit durch eine entsprechende Gliederung des Wasserschutzgebietes in Schutzzonen und durch die in ihnen zu treffenden Maßnahmen Rechnung getragen werden. Substantiierte Erwägungen zu der Frage, warum trotz der vorliegenden Altlasten-Standorte deren Einbeziehung zum Teil in die Schutzzone III A - mit einem höheren Schutzpotential - und teilweise in die Schutzzone III B - mit einem niedrigeren Schutzpotential - erfolgt ist, lassen sich dem Erläuterungsbericht des StAWA M2. vom 1. Juli 1988, der Grundlage der Festsetzungsentscheidung des Regierungspräsidenten Arnsberg war, nicht entnehmen.
152Eine in dieser Hinsicht abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass bislang wohl keine (erhebliche) Kontamination des Grundwassers aufgetreten ist und bei dennoch auftretenden konkreten Gefährdungen diesen möglicherweise durch wasserrechtliche Anordnungen begegnet werden könnte. Denn der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von demjenigen in vergleichbaren Fällen
153- vgl. etwa BayVGH, Urteil vom 5. Dezember 2007 - 22 N 05.194 -, juris, Rn. 32; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8. Mai 2008 - 1 C 10511/06 -, juris, Rn. 64 -
154insoweit erheblich, weil dort bereits vor Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung fundierte Stellungnahmen von Fachbehörden vorlagen und nicht - wie hier - auf in der Zukunft noch einzuholende Begutachtungen verwiesen wird. Warum sich der Regierungspräsident Arnsberg nicht bemüht hat, die mit vertretbarem Aufwand zu beschaffenden Erkenntnisse einzuholen, ist nicht erkennbar. Ein von der Festsetzungsbehörde vorgefundener und als regelungsbedürftig erkannter Konflikt bedarf aber vor der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes grundsätzlich einer umfassenden und abschließenden Lösung. Ein Problemtransfer in die Zukunft könnte allenfalls dann erfolgen, wenn er mit Blick auf die Schutzwürdigkeit des Grundwassers von untergeordneter Bedeutung ist, die Regelungen einer Wasserschutzgebietsverordnung hierdurch im Übrigen nicht in Frage gestellt und Erwägungen zu der Frage einer späteren Problemlösung angestellt werden. Dies ist hier nicht geschehen.
155(3) Ebenso wenig lagen der oberen Wasserbehörde als Verordnungsgeber hinreichend präzise Angaben zur Untergrundbeschaffenheit und den baulichen Einzelheiten der Fassungsstellen I1. -Quelle II und M1. -Quelle vor, wie sie von der Nr. 8.2.1 lit. d) VwV-WSG und der Nr. 4.2 lit. f) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) als erforderlich angesehen wurden. Besondere Umstände, aufgrund derer es fachlich vertretbar gewesen sein könnte, von dem Erfordernis des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) abzuweichen, sind hier nicht zu erkennen.
156(4) Bei der Abgrenzung des Wasserschutzgebietes als solchem und der Ausweisung der einzelnen Schutzzonen sind ebenfalls Fehler gegeben.
157Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG die flächenmäßige Ausdehnung eines Wasserschutzgebiets als erforderlich angesehen werden kann, mussten für jedes darin einbezogene Grundstück gegeben sein.
158Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1984 - 4 B 157.83 und 158.83 -, Buchholz 445.4, § 19 WHG Nr. 4, S. 1.
159Hierbei musste sich die Abgrenzung des Wasserschutzgebiets - soweit möglich - an den hydrogeologisch-hydraulisch ermittelten Grenzen des Wassereinzugsgebiets orientieren. Eine Arrondierung über das Maß des Erforderlichen hinaus war grundsätzlich nicht möglich.
160Eine solche Grenzziehung trifft indessen auf praktische Schwierigkeiten. Zum einen ist die Ermittlung der Grenze des Wassereinzugsgebiets aus der Natur der Sache bei Wahrung eines angemessenen Verwaltungsaufwands mit fachlichen Unsicherheiten behaftet. Die Behörde darf sich folglich mit wissenschaftlich abgesicherten, in sich schlüssigen Schätzungen begnügen. Zum anderen bilden sich unterirdische Grenzlinien nicht ohne Weiteres auf der Erdoberfläche ab. Im Interesse der Normenklarheit und damit der Praktikabilität und der Vollziehbarkeit der Verordnung bietet es sich dann an, soweit als möglich bestehenden natürlichen, etwa topographischen, oder vorgegebenen rechtlichen Merkmalen, etwa Grundstücksgrenzen, zu folgen. Insoweit ist ein „administrativer Vereinfachungsspielraum" anzuerkennen. Er ist rechtlich nur beschränkt überprüfbar, nämlich auf die Wahl nachvollziehbarer Maßstäbe, und betrifft unter dem Aspekt der Erforderlichkeit letztlich nur die Erweiterung des Wasserschutzgebiets über das Wassereinzugsgebiet hinaus. Die Behörde ist allerdings nicht verpflichtet, ein Grundstück bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 WHG a. F. (§ 51 Abs. 1 WHG n. F.) in den Geltungsbereich einer Wasserschutzgebietsverordnung einzubeziehen. Vielmehr kommt ihr insoweit Ermessen zu, aufgrund dessen sie zu entscheiden hat, wie sie den gebotenen Schutz des Wasservorkommens letztlich gewährleisten will. Diese Ermessensentscheidung muss sich an einem nachvollziehbaren Schutzkonzept messen lassen. Es kann darauf ausgerichtet sein, bei Vorliegen besonderer Umstände das anzustrebende Schutzniveau durch einzelfallbezogene Maßnahmen zu erreichen. Im Gegensatz zur Prüfung der Erforderlichkeit der räumlichen Ausdehnung des Wasserschutzgebiets geht es dabei nicht um ein „Zuviel" an Schutz, sondern um ein „Zuwenig". Denn bei einer fehlerhaft unterbliebenen Einbeziehung eines Grundstücks kann die Eignung des Wasserschutzgebiets für den verfolgten Zweck infrage stehen. Bei der Abgrenzung eines Wasserschutzgebiets sind beide Gesichtspunkte zu beachten.
161Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4 ff., m. w. N.
162Von diesen Prämissen ausgehend ist hier zunächst völlig unklar, auf welchen Grundlagen, die vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfen sein müssen, der Regierungspräsident Arnsberg als Normgeber die örtlichen Gegebenheiten beurteilte und auf welche wasserwirtschaftlichen sowie hydrogeologischen Erkenntnisse er seine Entscheidung, ein Wasserschutzgebiet festzusetzen, gestützt hat.
163Selbst wenn dem Regierungspräsidenten neben den mit Übersendungsschreiben vom 22. Juni 1989 übersandten Unterlagen (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang) auch die dem Senat vorliegenden, bis dahin entstandenen und später mit den Verfahrensvorgängen des Regierungspräsidenten Arnsberg offenbar wieder zusammengeführten Verfahrensordner des StAWA M2. (Beiakten 10 bis 14) vorgelegen haben sollten, sind in diesen Akten keine für eine abschließende Bewertung erforderlichen und vom Gericht hinsichtlich der Erforderlichkeit aussagekräftigen und vor allem nachprüfbaren Sachverständigenaussagen enthalten.
164So fehlt es zunächst an einer dokumentierten sachverständigen Begutachtung der hydrogeologischen Verhältnisse des vorgesehenen Wasserschutzgebietes, wie sie nach dem damaligen Erkenntnisstand allgemein, etwa in Nr. 8.2.1 lit. e) VwV-WSG und Nr. 4.2 lit. c) und d) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975), gefordert worden ist, auch wenn nach der einleitenden Bemerkung in Nr. 8.2.1 VwV-WSG die „Planunterlagen … (nur) im allgemeinen … vorliegen“ mussten. Besondere Umstände, aufgrund derer es fachlich bzw. wissenschaftlich hätte vertretbar sein können, von dem Erfordernis der „im allgemeinen“ vorzulegenden Unterlagen abzuweichen, sind hier nicht zu erkennen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Beklagten, eine hydraulische Berechnung des Einzugsgebiets sei nur im Lockergestein (Kies, Sand) möglich, nicht aber in einem Karstgrundwasserleiter mit hohen Fließgeschwindigkeiten, weshalb die Nr. 8.2.1 lit. g) VwV-WSG nicht zum Tragen komme.
165Das von Prof. Dr. T5. erstellte Gutachten über die hydrogeologischen Verhältnisse in der Umgebung der M1. -Quellen und ihre zweckmäßige Schutzzone II vom 31. August 1971 und der vom gleichen Autor erstellte Nachtrag vom 5. Juni 1972 - beide Gutachten sind der ursprünglichen Verfahrensakte des StAWA M2. vorgeheftet (Beiakte Heft 10, Ordner 1, den weiteren Vorgängen vorgeheftet) - waren im Zeitpunkt der Festsetzung des Wasserschutzgebietes annähernd 20 Jahre alt. Ob diese Gutachten vom Regierungspräsidenten Arnsberg gesehen und gewürdigt worden sind, insbesondere ob sie trotz ihres Alters im Jahr 1991 noch als aussagekräftig bewertet wurden, ist den Akten nicht zu entnehmen.
166Zwar mögen - so der Beklagte - die meisten der in Nr. 8.2.1 VwV-WSG erwähnten Unterlagen dem StAWA M2. bzw. dessen Vorgängerbehörden vorgelegen haben und nur nicht in einem dem Regierungspräsidenten Arnsberg vorgelegten „Schutzgebietsgutachten“ zusammengefasst worden sein. Weder aus dem Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988 (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang) noch aus sonstigen Unterlagen ergibt sich aber mit der erforderlichen und vom Senat nachzuprüfenden Deutlichkeit, auf welche Grundlagen der Regierungspräsident Arnsberg seine Beurteilung der Erforderlichkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes gestützt hat. Unabhängig davon müssen etwaige wissenschaftlich fundierte Analysen der örtlichen Gegebenheiten nicht nur der unteren Wasserbehörde als mit den Vorarbeiten zu der Erstellung einer Wasserschutzgebietsfestsetzung beauftragten Stelle vorliegen, sondern auch der oberen Wasserbehörde, die zur Letztentscheidung über die Festsetzung des Wasserschutzgebietes berufen ist. Unklar ist auch, ob und in welchem Umfang - wie von der Beigeladenen und den von ihr beauftragten Gutachtern behauptet - dem Regierungspräsidenten Arnsberg in Fachpublikationen oder in sonstiger Weise veröffentlichte Beiträge zur Wasserproblematik im X1. Kalkmassiv vorgelegen haben. Solange die Festsetzungsbehörde - wie hier - nicht eindeutig dokumentiert, auf welche Erkenntnisse sie ihre Entscheidung gestützt hat, ist es jedenfalls nicht Sache des Gerichts, sich das möglicherweise „Passende“ aus einem Aktenkonvolut herauszusuchen und zu unterstellen, was die Behörde möglicherweise in Erwägung gezogen haben könnte.
167Die Behauptung des Beklagten und der Beigeladenen, Erwägungen aus dem Verfahren, das zur Festsetzung der Wasserschutzgebietsverordnung geführt habe, seien durch spätere gutachterliche Erkenntnisse wie etwa den „Schneiderplan“ (Beiakte 5, am Anfang, Geohydrologischen Gutachten im Bereich des X1. Massenkalkzuges zur Festlegung vorläufiger Höhen der Steinbruchsohlen vom 13. Januar 1992 von Prof. Dr. T2. & Partner) belegt worden, gebietet keine abweichende Beurteilung. Dieses Gutachten wurde erst nach dem Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung vorgelegt und konnte daher nicht Gegenstand der Erwägungen des Regierungspräsidenten Arnsberg gewesen sein. Dies gilt auch hinsichtlich der in Randbereichen möglicherweise veränderten Einschätzungen späterer Fassungen des DVGW-Arbeitsblattes W 101.
168Das Fehlen einer alle hydrologischen und geologischen Aspekte berücksichtigenden Begutachtung macht sich hier um so mehr bemerkbar, als die äußeren Grenzen des Wasserschutzgebietes zum Teil in nicht nachvollziehbarer Weise festgelegt worden sind. So etwa wurde die „westliche Abgrenzung … der übersichtlichen Grenzziehung wegen an die B 55 gelegt, die eigentliche Grenze liegt im Waldgebiet bis zu 500 m weiter westlich an der Wasserscheide zum Bilsteinbach hin“ (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 6). Zwar ist es zulässig, dass die Behörde topographischen oder vorgegebenen rechtlichen Merkmalen, etwa Grundstücksgrenzen, folgt. Aus welchen belegbaren Gründen das an sich für schutzwürdig erachtete Waldgebiet westlich der B 55 nicht in das Schutzgebiet mit einbezogen worden ist, ist nicht erkennbar. Ebenso wenig wurde dargetan, wie in diesem Bereich das anzustrebende Schutzniveau durch einzelfallbezogene Maßnahmen erreicht werden soll.
169Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 5 f.
170Das Gleiche gilt auch hinsichtlich der auf der Hand liegenden Frage, warum die Grenze des Wasserschutzgebietes genau östlich der B 55 verläuft, d. h. diese Bundesstraße nicht mehr in die Schutzzone III B einbezogen wurde. Denn Verkehrsanlagen sind in Bezug auf den Grundwasserschutz potentiell gefährlich. Diese Beurteilung wird zum einen belegt durch die vom Regierungspräsidenten Arnsberg selbst mit der Kodifizierung von § 3 Abs. 1 Nr. 8 WSG-VO vertretenen Auffassung. Hiernach ist in der Schutzzone III B der Bau neuer oder das wesentliche Ändern bestehender Straßen und Wege, soweit dies über den Rahmen der üblichen Unterhaltung und örtlich begrenzter Verkehrssicherungsmaßnahmen hinausgeht, genehmigungspflichtig. Zum anderen ergab sich dies auch aus der Nr. 3.2 lit. k) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975), wonach unter anderem Verkehrsanlagen und der Straßenverkehr als Gefahrenherd für das Grundwasser in Betracht kommen. Erwägungen zu einer Herausnahme der B 55 aus der Schutzzone III B und damit zum Schutz des Grundwassers vor Abwässern, die von der Bundesstraße abfließen, fehlen ebenso wie zu Maßnahmen, durch die ein vergleichbares Schutzniveau für das Grundwasser erreicht werden soll.
171Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 2010 - 7 BN 1.10 -, juris, Rn. 8 f.
172Die Schutzkonzeption eines Wasserschutzgebietes muss aber auch dem Einwand einer zu kleinen Gebietsabgrenzung standhalten, damit die Wasserschutzgebietsfestsetzung insgesamt Bestand haben kann.
173Vgl. Salzwedel, ZfW 1992, 397 (401).
174Überprüfbare wissenschaftliche Erwägungen zur Festlegung der nördlichen Grenze des Wasserschutzgebietes fehlen ebenfalls. Im Interesse eines effektiven Schutzes vor weitreichenden Beeinträchtigungen des Trinkwassers umfasst ein Wasserschutzgebiet grundsätzlich das gesamte Wassereinzugsgebiet eines Trinkwasserbrunnens, das durch die Schutzzone III umschrieben wird.
175Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 8.
176Die vom ehemaligen Wasserwirtschaftsamt M2. aufgestellte „Übersichtskarte über das Wasserschutzgebiet für die Wassergewinnungsanlagen im X1. Kalkmassiv und für das Amtswasserwerk S. “ vom 19. Januar 1971 (Beiakte 10, Ordner 1, Hefter 64.1-46.19.02/65 „M1. Wasserwerk“, nach Bl. 53) zeigt ein geplantes Schutzgebiet für die M1. und den westlich hiervon verlaufenden Fluss T4. , das hinsichtlich der Schutzgebietsgrenzen viel weiter nördlich reicht und innerhalb dessen sich die Grenzen der Schutzzonen weit umfangreicher erstreckten. Warum aus wissenschaftlich abgesicherten hydrologischen oder hydrogeologischen Erkenntnissen, die seither bis zum Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung entstanden sind, eine deutliche Reduzierung der nördlichen Schutzgebietsgrenze gerechtfertigt erschien, ist nicht ersichtlich. Insbesondere reichen die Angaben hierzu im Erläuterungsbericht nicht aus. Welche genauen Grundwasserbeobachtungsbrunnen im Bereich T1. hiernach eine andere Grenze belegen sollen und wo genau dort eine Wasserscheide im Bereich des Berges „Auf dem Stein“ verlaufen soll (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 6), ist in den dem Regierungspräsidenten vorgelegten Unterlagen weder dokumentiert noch sonst mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar.
177Nicht auf wissenschaftlich fundierter Grundlage nachvollziehbar ist auch unbeschadet der Erklärungen im Erläuterungsbericht die Festlegung der Schutzzonen II (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 6). So fehlt beispielsweise eine nachvollziehbare Begründung, warum der Bereich um den Fluss T4. in die Schutzzone II einbezogen wurde, obwohl dieser Fluss ebenso wie die M1. in nördlicher Richtung fließt, beide in die H. münden - das T4. vor der M1. -, das T4. also keine unmittelbare Verbindung zur M1. hat und die geschützte Fassungsanlage der M1. -Quelle viel weiter westlich des Schlagwassers liegt. An welcher Stelle etwa „Bachschwinden“ liegen mögen oder sonst eine Verbindung des Schlagwassers mit der M1. bestehen kann, ist nicht ersichtlich. Nach der Nr. 5.2 des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) sollte die Schutzzone II aber den Schutz vor Verunreinigungen und sonstigen Beeinträchtigungen gewährleisten, die von verschiedenen menschlichen Tätigkeiten und Einrichtungen ausgehen und wegen ihrer Nähe zur Fassungsanlage besonders gefährdend sind. Durch eine Schutzzone II soll also das Grundwasser geschützt werden, das genau zu der Fassungsanlage strömt und nicht zu irgendeiner Fassungsanlage. Welche Verunreinigungen oder sonstige Beeinträchtigungen des Flusses T4. einen unmittelbaren Einfluss auf das in der Fassungsanlage M1. -Quelle geförderte Grundwasser haben könnten, ist gerichtlich nicht nachzuvollziehen.
178Insgesamt drängt sich an dieser Stelle wie auch bei der Festlegung des gesamten Wasserschutzgebietes die Vermutung auf, dass frühere Entwürfe des StAWA M2. oder einer Vorgängerbehörde schlicht übernommen wurden und nur in einzelnen Bereichen eine neue Grenzziehung erfolgt ist, ohne dass die Gesamtkonzeption überdacht worden ist.
1792. Geht man nach dem Vorstehenden davon aus, dass die Wasserschutzgebietsverordnung X1. Kalkmassiv unwirksam ist, so würde die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen zwar nicht § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO widersprechen. Für den Gesteinsabbau wäre aber gleichwohl eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich gewesen (dazu a)). Eine den Abbau freigebende bergrechtliche Betriebsplanzulassung durfte wegen des Fehlens der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilt werden (dazu b)).
180a) Das Abbauvorhaben der Beigeladenen bedurfte sowohl im Zeitpunkt seiner Zulassung als auch bei den danach verfügten Verlängerungen des Betriebsplanes einer Erlaubnis nach den §§ 7, 14 Abs. 2 WHG a. F. respektive nach den §§ 8, 19 Abs. 2 WHG n. F. Der Tagebau war bzw. ist mit der Benutzung eines Gewässers im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG a. F. bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG n. F. verbunden, und zwar sei es, dass mit dem Freilegen der über dem Grundwasser liegenden Deckschichten ein Zutageleiten von Grundwasser verbunden ist, sei es, dass es durch Sprengtätigkeiten zu einer sog. Verritzung des Gebirges kommt, die ein unterirdisches Absenken oder Ableiten des Grundwassers bewirkt.
181Vgl. Berendes, in: von Lersner/Berendes, Handbuch des Deutschen Wasserrechts, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: Juni 2015), § 9 WHG Rn.13.
182Sollten Sprengungen in dem Steinbruch als Anlage auch zu einem Umleiten des Grundwassers führen, wäre ebenfalls der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 WHG a. F./§ 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG n. F. erfüllt. Hierbei ist es unerheblich, dass die Beigeladene den Steinbruch zu diesem Zweck bestimmt hat; es genügt, wenn diese Anlage objektiv geeignet ist, den gesetzlichen Tatbestand zu verwirklichen.
183Vgl. Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Wasserabgabengesetz, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: September 2014), § 9 WHG Rn. 77 f.
184Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen ist eine Grundwasserbenutzung in einem der vorbeschriebenen Sinne gegeben.
185aa) Unter dem Begriff „Grundwasser“ war bereits im Zeitpunkt der hier angefochtenen Betriebsplanzulassung das unterirdische Wasser in der Sättigungszone zu verstehen, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht.
186Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (303); Gieseke/Wiedemann/Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 5. Aufl. 1989, § 1 Rn. 9 f., m. w. N.
187Dieses Begriffsverständnis ist in der Legaldefinition des § 3 Nr. 3 WHG n. F. kodifiziert worden. Eine nahezu wortgleiche Begriffsbestimmung enthält auch Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327 S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie vom 12. August 2013, ABl. L 226 S. 1 (sog. Wasserrechtsrahmenrichtlinie - WRRL -). Diese Vorschrift bestimmt: „Grundwasser“: alles unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht.
188Vgl. zur bildlichen Darstellung einer Sättigungszone auch Wallbrecher, Allgemeine Geologie, Teil 18, SS 2005, Abbildung „Grundwasseroberfläche“ - nach Press & Siever, 1995 (Spektrum Lehrbücher), www.erdwissenschaften.uni-graz. at/mitarbeiter/personal/home-page.
189Dabei ist die Herkunft des unterirdischen Wassers nach alter wie nach neuer Rechtslage grundsätzlich ebenso wenig von Bedeutung wie die Tiefe, in der es sich befindet, ob es fließt, in Hohlräumen gestaut oder kapillar gebunden ist. In der Sättigungszone sind alle Hohlräume in Poren-, Kluft- und Karstgrundwasser zu einhundert Prozent mit Wasser ausgefüllt.
190Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1967 - IV C 208.65 -, BVerwGE 27, 176 (178); OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 9 A 2967/08 -, NWVBl. 2011, 159 (160); Hess. VGH, Urteil vom 11. April 2001 - 5 UE 2176/00 -, NVwZ-RR 2002, 376 f.
191bb) Durch den Abbau der das Grundwasser überdeckenden Schichten ist zumindest im Bereich des nordöstlichen Teilabbaufeldes mit einer zugelassenen Abbauteufe von 352 mNN eine Grundwasserfreilegung gegeben.
192An der Grundwassermessstelle B 2, die im Süden dieses Teilabbaufeldes liegt (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, Anlage 2, Plan 1:5.000 „Empfohlene Abbautiefen“), ist bereits nach der hydrogeologischen Untersuchung, die den Antragsunterlagen der Beigeladenen beigefügt war, ein Maximalpegel von 391,38 mNN gemessen worden. Die Grundwasserganglinie vom 1. August 2005 bis zum 25. Oktober 2006 lag regelmäßig in einem Bereich zwischen ca. 385 mNN und etwa 390 mNN. Ein Vergleich zum Wasserwirtschaftsjahr 2004 zeigt keine wesentlichen Abweichungen, jedenfalls wurde auch in diesem Zeitraum die Marke von 380 mNN nie unterschritten. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass die vorgenannten Zeiträume Jahre mit einem durchschnittlichen Niederschlag umfassen, während etwa die Jahre 1993, 1994 und 1998 deutlich höhere Niederschlagsmengen aufwiesen (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 10 f. sowie Anhänge 1 und 2).
193In der weiteren hydrogeologischen Stellungnahme des Gutachterbüros NBC vom 22. Oktober 2009 betreffend die Grundwasserverhältnisse von 2006 bis 2009 ist für die Grundwassermessstelle B 2 im Zeitraum vom 5. August 2005 bis zum 21. Oktober 2009 sogar ein Maximalpegel von 393,54 mNN angegeben. Die in der gleichen Stellungnahme dokumentierte - zeitweilig allerdings unterbrochene - Grundwasserganglinie der Messstelle B 2 schwankt von Anfang Oktober 2003 bis zum Herbst 2009 in einem Bereich zwischen etwas mehr als 380 mNN bis deutlich über 390 mNN (Beiakte 2, Stellungnahme S. 6, Bl. 391, und Anlage 1, Bl. 394).
194Die Frage, ob die Ursache für eine große Amplitude oder Grundwasserschwankungshöhe in einer Messstelle - so die Beigeladene - darin liegt, dass der Hohlraum der Klüfte im Gebirge nur sehr geringe Volumina aufweist und somit kein großes Speichervolumen für eindringendes Wasser und Niederschlagswasser besitzt, weshalb das Wasser sehr schnell an die Grundwassermessstelle abgegeben wird und dann auch relativ schnell wieder in das Gebirge zurückfließt (Fachtechnische Bewertung Geoconsult C. vom 14. April 2010, S. 5 f., Bl. 217 f. GA), ist hier ohne Bedeutung. Denn gerade bei der Grundwassermessstelle B 2 ist mit Blick auf die Schwankung des über Jahre einheitlichen Grundwasserstandes, der jedenfalls nur zwischen zumindest 385 und 390 mNN schwankt, eine relativ geringe Amplitude vorhanden.
195Hinzu kommt, dass selbst nach der Einschätzung in den von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten die Grundwasserschwankungen von mehr als 10 m bei den ausgewerteten Grundwassermessstellen für klüftige Gesteinskörper charakteristisch sind, die sich vor allem in den nur leicht verkarsteten Schichten des Massenkalks ausbilden; wobei die großen Spiegelschwankungen durch das Kluftnetz generiert werden, die ähnlich wie in einem Kapillarsystem sofort auf die zutretenden Niederschlagswerte reagieren (Beiakte 2, Berichte NBC vom 7. Oktober 2004, S. 12, Bl. 158, und vom 7. November 2006, S. 10 f.). Hieraus folgt, dass bei Nassjahren oder Zeiten größerer Niederschlagsmengen in den Bereichen mit hohem Grundwasserstand - wie etwa im Bereich der Grundwassermessstelle B 2 -, in denen die Deckschicht über der Sättigungszone entfernt wird, um so eher mit einem Austritt von Grundwasser zu rechnen sein wird. Dies bestätigt auch die weitere Aussage, dass in dem hier fraglichen Bereich mit „einem weitgehend oberflächenparallelen Verlauf der Grundwasserdruckfläche zu rechnen (ca. 380 bis 390 mNN)“ ist (Beiakte 2, Bericht NBC vom 7. Oktober 2004, S. 13, Bl. 159).
196Nach alldem unterschreitet die im Bereich des nordöstlichen Teilabbaufeldes zugelassene Abbauteufe von 352 mNN die an der Grundwassermessstelle B 2 ermittelten und ständig gegebenen Grundwasserstände von rund 385 bis 390 mNN - auch ohne Berücksichtigung des während sogenannter Nassjahre aller Wahrscheinlichkeit nach noch höheren Pegels - deutlich um über 30 m.
197Die Prognose der Beigeladenen, unterhalb der Abbausohle werde das Gebirge durch die Abbautätigkeit aufgelockert - wobei die Auflockerungszone zwischen 2 und 4 m liege - und in dieser Auflockerungszone sei mit einer so hohen Zunahme des verfügbaren Hohlraumvolumens zu rechnen, dass die bei Niederschlagsereignissen anfallenden Wassermengen hierin gespeichert werden könnten (Beiakte 3, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 12), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn bei der Frage, ob eine Gewässerbenutzung in der Form des Zutageleitens von Grundwasser gegeben ist, ist auf die vor Ort anzutreffenden natürlichen Verhältnisse abzustellen, und nicht auf diejenigen, wie sie sich erst nach einem menschlichen Eingriff darbieten. Es ist daher auch nicht von Bedeutung, dass der Steinbruch nach dem Abbau „trocken“ bleibt. Entscheidend ist vielmehr, dass das Grundwasser an keiner Stelle - unabhängig davon, von welcher Stelle aus der Abbau angefahren wird - durch Abbautätigkeiten in seiner natürlichen Lage beeinträchtigt wird. Durch ein Freilegen des Grundwassers in der vor Ort anzutreffenden Situation kann dieses in seiner Güte durch Verunreinigungen oder in seiner Menge durch Verdunstung beeinträchtigt werden. Der wasserrechtlich nachteilige Einfluss ergäbe sich daraus, dass die geschlossene, durch ihren Bewuchs und ihre sonstige Beschaffenheit dem Zutagetreten des Grundwassers Widerstand leistende Erdoberfläche aufgebrochen wird. Bei Ansteigen des Grundwasserspiegels etwa in Nassjahren könnte hierdurch eine von der normalen Fließrichtung des Grundwassers abweichende Bewegung hervorgerufen werden.
198Vgl. Schwendner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Wasserabgabengesetz, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: September 2014), § 49 WHG Rn. 1.
199Durch den Abbau der über dem Grundwasser liegenden Mineralien werden Menge und Qualität des verfügbaren Grundwassers nachhaltig beeinträchtigt. Daraus können sich für die Allgemeinheit erhebliche Gefahren ergeben, vor allem wenn das Grundwasser von einer in der Nähe gelegenen Wasserversorgungsanlage gefördert wird. Selbst wenn sich der Abbau auf die Bereiche beschränkt, die oberhalb des Grundwasserspiegels liegen, verringert die Maßnahme die Deckschicht, die das Grundwasser vor dem Eindringen von Schadstoffen schützt. Auch die Selbstreinigung des von der Oberfläche eindringenden Wassers wird vermindert.
200Vgl. für den Kiesabbau BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (343).
201Der Deckfläche kommt beim Schutz des Grundwassers also eine eminent wichtige Funktion zu.
202Vgl. etwa Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen: Flächendeckend wirksamer Grundwasserschutz - Ein Schritt zur dauerhaft umweltgerechten Entwicklung (Redaktionsschluss: 15. Januar 1998), BT-Drucks. 13/10196, S. 16 (Abb. 1), 25 und 148 ff.
203Das Vorstehende wurde in der Sache auch von den im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat angehörten Sachverständigen bestätigt. So hat Herr Dr. I3. vom Geologischen Dienst NRW - Fachbereich 33: Beratung Grundwassererschließung und -schutz, Mineral- und Heilquellen - dargelegt, dass im verritzten Gebirge der Grundwasserstand nicht mehr so hoch ansteige, wie er im unverritzten Gebirge hätte ansteigen können. Auch Frau Dr. C3. vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW - Fachbereich 52: Grundwasser, Wasserversorgung, Trinkwasser, Lagerstättenabbau - hat bestätigt, dass die Verwendung des sog. 75er Perzentils (im verritzten Gebirge) zu längerfristigen Freilegungen führe.
204Hiernach vermag der Senat nicht die vom Geologischen Dienst NRW früher vertretene Auffassung und die Beurteilung des Verwaltungsgerichts zu teilen, es sei nicht auf die Grundwasserstände im unverritzten Gebirge, sondern auf die Verhältnisse im verritzten Gebirge abzustellen, wie sie sich nach Beendigung der Abbautätigkeit darstellten. Denn § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG a. F. bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG n. F. gehen für den Grundwasserschutz von der in einer Örtlichkeit vorgefundenen Situation aus und nicht von einem Zustand, wie er sich erst nach einem Eingriff darstellt. Träfe eine abweichende Annahme zu, könnte hoch über der endgültig durch den Abbau erst künstlich geschaffenen Oberfläche anstehendes Grundwasser für Monate oder auch Jahre freigelegt werden in der Erwartung, durch die Neugestaltung der Oberfläche des abgebauten Gebirges werde die Amplitude des Grundwassers reduziert. Dies würde allerdings ein Absenken des Grundwassers bedeuten, welches seinerseits aber eine erlaubnispflichtige Benutzung darstellt. Denn wasserrechtlich erlaubnispflichtig ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 WHG a. F. bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG n. F. auch das Absenken von Grundwasser durch Anlagen, die hierfür geeignet sind.
205Deshalb stellt auch die Prognose des Geologischen Dienstes NRW, ein „Anschneiden“ von Grundwasser sei auszuschließen, weil durch Sprengungen in den Flinzschichten ein künstlich vergrößertes Hohlraumvolumen entstehe, über das das Grundwasser in den darunter liegenden Massenkalk abströme (vgl. Stellungnahme vom 26. Oktober 2011 an das Verwaltungsgericht Arnsberg, Bl. 436 f. GA), die Beurteilung nicht in Frage, dass durch die Entfernung der Erd- und Gesteinsschichten im Bereich der Grundwassermessstelle B 2 bis zur genehmigten Teufe angesichts der an dieser Stelle gemessenen Grundwasserstände das Grundwasser im genehmigungsrechtlichen Sinn betroffen wäre.
206Ebenso wenig führt die weitere Einschätzung des Geologischen Dienstes NRW in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2011 (Bl. 370 GA) zu einer anderen Beurteilung. Der Geologische Dienst NRW hat dort ausgeführt, dass die Bohrung der Messstelle B 2 offenbar einen besonders kompakten Bereich des Massenkalks erschlossen habe, der hydraulisch nicht an das Hauptkluftsystem des Karstaquifers angeschlossen sei und ausschließlich die hydraulische Entwicklung der Grundwasserstände in den Flinzschichten widerspiegele. Dafür spreche auch die Beobachtung, dass in den letzten Jahren tendenziell fallende Grundwasserstände beobachtet worden seien, wie sie bei einem eigenständigen hydraulischen System zu erwarten seien, das mit fortschreitendem Anschnitt durch den Tagebau „ausblute“. Eine Grundwassermessstelle, die nicht an das Kluftsystem des Massenkalks angebunden sei, könne nicht zur Festlegung von Abbauhöhen im Massenkalk herangezogen werden. Selbst wenn diese Annahmen zuträfen, würde dies nichts darüber aussagen, dass angesichts der real ermittelten Grundwasserstände der Messstelle B 2 zumindest an dieser Stelle bzw. in deren Umkreis bei einem Entfernen der darüber liegenden Erd- und Gesteinsschichten (Flinzschichten) das gerade dort anzutreffende Grundwasser angegraben würde.
207Die Tatsache, dass der Tagebau der Beigeladenen von Nordosten nach Westen bzw. Süden fortschreitend in Teilbereichen des nordöstlichen Abbaufeldes mit einer zugelassenen Endteufe von 352 mNN bzw. des nordwestlichen Abbaufeldes mit einer zugelassenen Endteufe von 362 mNN mittlerweile - Stand: Anfang 2015 - eine durchschnittliche Teufe von 362 mNN erreicht hat (vgl. Tageriss 1:1.000 und Schnitte A - A bzw. B - B, Bl. 701 ff. GA), hat keine Relevanz für die Feststellung, dass jedenfalls im Bereich der Messstelle B 2 eine dauernde Freilegung des Grundwassers möglich ist. Zum einen mögen vorgenommene Sprengungen bereits zu sog. Verritzungen des Gebirges geführt haben, zum anderen liegt die Messstelle B 2 weiter südlich bzw. südöstlich des fortschreitenden Abbaus im noch nicht angetasteten Gebirge, dessen Oberkante bei einer Höhe von ca. 400 mNN liegt.
208cc) Nach dem vorstehend Dargelegten ist auch für das südliche Teilabbaufeld mit einer zugelassenen Abbauteufe von 385 mNN durch den Abbau der das Grundwasser überdeckenden Schichten die Gefahr einer Freilegung des Grundwassers gegeben.
209Für die am südöstlichen Rand dieses Abbaufeldes liegende Grundwassermessstelle B 4 ist in dem Bericht NBC vom 7. Oktober 2004 (Beiakte 2, Bl. 147 ff.) ein Grundwasserhöchststand von 388,33 mNN und für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis zum 1. Oktober 2004 eine Grundwasserganglinie festgestellt worden, die deutlich über 380 m liegt und sich im Mittel um 385 m bewegt (Beiakte 2, Bl. 158, und Anhang 3, Bl. 183). In einem späteren Bericht desselben Gutachters ist die Grundwassermessstelle B 4 nur noch als „wahrsch. vorh. aber nicht gemessen“ gekennzeichnet (vgl. Übersichtslageplan 1:5.000, im Anhang zur Stellungnahme von GeoConsult C. vom 18. März 2011, Bl. 359 GA).
210Lag aber die Grundwasserganglinie schon für den Beobachtungszeitraum 1. Oktober 2003 bis 1. Oktober 2004 - einem nur mittelmäßig niederschlagsreichem Zeitraum (Beiakte Heft 2, Bericht NBC vom 7. Oktober 2004, S. 14, Bl. 161, und Beiakte 3 a. E., Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 11) - im Mittel bei 385 mNN, so war die nur drei Jahre später mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 2007 erfolgende Zulassung einer Abbauteufe von 385 mNN hinsichtlich des Grundwasserschutzes nicht auf der sicheren Seite. Diese Abbauteufe unterschreitet den höchsten Grundwasserstand, liegt gerade in der Höhe des mittleren Grundwasserstandes und berücksichtigt nicht den höheren Pegel, der sich für Nassjahre oder niederschlagsreichere Zeiten der Behörde hätte aufdrängen müssen.
211dd) Das Vorhaben der Beigeladenen betrifft das Grundwasser bei intaktem Gebirge auch im Bereich der Grundwassermessstelle B 6.
212Die Grundwassermessstelle B 6 (Stellungnahme GeoConsult C. vom 4. März 2015, Plan 1:2.500, Anlage 2, Bl. 710 GA) liegt im nordwestlichen Teilabbaufeld des Vorhabens, für das eine Abbauteufe von 362 mNN zugelassen wurde. Für diese Messstelle liegen statistische Kennwerte und eine Aufzeichnung der Grundwasserganglinie seit dem Frühjahr 2012 vor (Stellungnahme GeoConsult C. vom 4. März 2015, S. 4, und Anlage 1, Bl. 707 und 709 GA). Diese Erkenntnisse, die erst nach der ursprünglichen Zulassung des Hauptbetriebsplanes II mit Bescheid vom 25. September 2007 entstandenen sind, sind nach dem eingangs Dargelegten mit Blick auf die jeweils später verfügten Verlängerungen dieses Hauptbetriebsplanes vorliegend zu berücksichtigen.
213An der Grundwassermessstelle B 6 sind Grundwasserstände mit einem Minimalwert von 348,64 mNN bis zu einem Maximalwert von 370,68 mNN ermittelt worden. Die Grundwasserganglinie bewegte sich im aufgezeichneten Zeitraum (Frühjahr 2012 bis zum 30. Oktober 2014) in dem zeitlichen Abschnitt von etwa November 2012 bis April 2013 mit zwei kurzzeitigen Pegelabfällen deutlich über 365 mNN, ebenso lagen Überschreitungen dieser Höhe im November 2013 und im Frühsommer 2014 vor.
214Angesichts der Tatsache, dass der Pegel der Grundwassermessstelle B 6 die zugelassene Abbauteufe von 362 mNN in Zeiträumen, die sich von mehreren Wochen bis zu mehreren Monaten erstrecken, deutlich überschreitet, besteht auch im nordwestlichen Abbaufeld unter Zugrundelegung der vorstehend dargelegten Bewertungsmaßstäbe die Möglichkeit einer dauernden Freilegung des Grundwassers.
215ee) Hieraus ergibt sich, dass das Vorhaben der Beigeladenen mit Blick auf die Vorschrift des § 35 WHG a. F. bzw. § 49 WHG n. F. nicht nur anzeigepflichtig ist. Es liegt nämlich keine nur unbeabsichtigte Grundwassererschließung vor, da nach dem vorstehend Dargelegten nach Lage der Dinge mit einem Freilegen oder jedenfalls Ableiten von Grundwasser zu rechnen war bzw. diese Folge billigend in Kauf genommen wurde.
216Vgl. Schwendner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Wasserabgabengesetz, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: September 2014), § 49 WHG Rn. 11.
217Denn der Steinabbau ist nach Aktenlage final auf ein Eindringen in das Grundwasser gerichtet, jedenfalls aber kausal mit einer Benutzung des Grundwassers verbunden,
218vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1967 - IV C 208.65 -, BVerwGE 27, 176 (179 ff.),
219mag auch die Erschließung des Grundwassers von einem unmittelbaren Vorsatz bzw. einem darauf direkt gerichteten Zweck nicht umfasst sein.
220b) Eine den Abbau freigebende bergrechtliche Betriebsplanzulassung durfte wegen des Fehlens einer wasserrechtlichen Genehmigung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilt werden.
221Die Zulassung des angefochtenen Hauptbetriebsplanes in der Fassung seiner nachfolgenden Verlängerungen erfolgte hier nicht durch einen Planfeststellungsbeschluss mit einer Konzentrationswirkung im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Mit Blick auf § 14 Abs. 2 WHG a. F./§ 19 Abs. 2 WHG n. F., wonach die Bergbehörde über die Erteilung der (wasserrechtlichen) Erlaubnis entscheidet, wenn ein bergrechtlicher Betriebsplan die Benutzung von Gewässern vorsieht, hätte die Bergbehörde bei zutreffender Bewertung der Sach- und Rechtslage aber berücksichtigen müssen, dass der zugelassene Abbau zu einer Freilegung von Grundwasser führt. Demgegenüber ist der Beklagte in dem Zulassungsbescheid vom 25. September 2007 davon ausgegangen, „die Machbarkeit des Vorhabens ohne nachteilige Einwirkungen auf das Grundwasser (sei) nachgewiesen“.
222Da der Hauptbetriebsplan den Abbau freigibt (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 BBergG) hätte die Bergbehörde den Hauptbetriebsplan wegen entgegenstehender Gründe des Grundwasserschutzes gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG nicht vor oder nur bei gleichzeitiger Erteilung der erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigung zulassen dürfen.
223Vgl. zum Hochwasserschutz bei planfeststellungsbedürftigen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplänen: BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2006 - 7 C 6.06 -, BVerwGE 127, 272 (280 f.), und vom 29. April 2010 - 7 C 18.09 -, ZfB 2010, 129 (132 f.); zum Verhältnis eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides zur wasserrechtlichen Gestattung: BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1989 - 7 B 87.89 -, Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 1, S. 2.
224Der gesetzliche Versagungsgrund des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG ist drittschützend. Liegen bereits bei der Entscheidung über die Zulassung eines Betriebsplans Umstände vor, die der Bergbehörde Anlass geben, die Aufsuchung oder Gewinnung gemäß § 48 Abs. 2 BBergG zu beschränken oder zu untersagen, hat sie dies bei ihrer Entscheidung durch Beschränkung oder Versagung der Zulassung zu berücksichtigen. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG ermöglicht und verlangt, schon im Betriebsplanverfahren die mittelbaren Auswirkungen untertägigen Bergbaus auf geschützte Rechtsgüter Dritter zu berücksichtigen.
225Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 -, BVerwGE 127, 259 (264).
226Insbesondere auf das Fehlen dieser wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bzw. die erforderliche aber unterbliebene Prüfung der wasserrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen kann sich die Klägerin im Sinne einer Rechtsverletzung auch berufen.
227Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1987 - 4 C 56.83 -, BVerwGE 78, 40 (42 ff.).
228Mit Blick auf die überragende Bedeutung des Grundwassers für die öffentliche Trinkwasserversorgung
229- vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (341 ff.);
230kann bei der Verringerung der Deckschicht und dem Eingriff in das Grundwasser die nicht nur abstrakte Gefahr einer Wassergefährdung sowohl in qualitativer Hinsicht - Eintrag von schädlichen Verunreinigungen in das Grundwasser - als auch mit Blick auf die Quantität - Verringerung des der M1. -Quelle zuströmenden Wassers unter anderem wegen einer Veränderung der Druckverhältnisse - nicht von der Hand gewiesen werden, was wiederum von unmittelbarem Einfluss auf das der Klägerin gewährte Wassergewinnungsrecht wäre.
231IV. Wäre die Wasserschutzgebietsverordnung - unbeschadet des vorstehend Ausgeführten - wirksam, würde der angefochtene Zulassungsbescheid des Beklagten in der Fassung der nachfolgenden Verlängerungen wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO ebenfalls rechtswidrig sein. Nach dieser Vorschrift sind in der Zone III A Grabungen oder Abgrabungen verboten, durch die das Grundwasser dauernd freigelegt oder angeschnitten wird; ausgenommen von diesem Verbot sind nur Maßnahmen für das Verlegen von Post- und Stromkabeln, für das Aufstellen von Masten, das Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen und Baugruben für Wohnbebauung. Die Voraussetzungen dieses Verbotstatbestandes sind erfüllt.
2321. Der Steinbruch der Beigeladenen liegt in der Schutzzone III A. Das Vorhaben der Beigeladenen gehört nicht zu den von den Verboten des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO ausgenommenen Maßnahmen. Der Tagebau zur Gewinnung von devonischem Massenkalk mit eingelagertem Marmor ist eine Grabung bzw. Abgrabung, da durch ihn die Geländeoberfläche in der Vertikalen verändert wird.
2332. Das Vorhaben der Beigeladenen ist in Bezug auf das Grundwasser im Kalksteingebirge relevant.
234a) Die Wasserschutzgebietsverordnung X1. Kalkmassiv verwendet den Begriff „Grundwasser“, ohne ihn näher zu definieren. Insbesondere enthalten die „Begriffsbestimmungen“ in § 2 WSG-VO hierzu keine Erläuterungen. Die seinerzeit maßgeblichen Bestimmungen des Landeswassergesetzes NRW a. F. oder des Wasserhaushaltsgesetzes a. F. enthielten zwar Regelungen zum Schutz des Grundwassers, sahen aber ebenso wenig eine eigene Definition des Begriffs „Grundwasser“ vor. Unbeschadet dessen war - wie der Senat bereits weiter oben erläutert hat - auch damals schon nach herkömmlichem Begriffsverständnis unter Grundwasser das unterirdische Wasser in der Sättigungszone zu verstehen, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht, was auch dem heutigen Begriff des Grundwassers entspricht.
235b) Wann von einem „Freilegen“ von Grundwasser auszugehen ist, wird in der Wasserschutzgebietsverordnung nicht definiert. Ein solches „Freilegen“ ist aber nach allgemeiner Meinung bei dem Abbau von Steinen ebenso wie bei der Gewinnung von Kies, Sand, Torf oder anderen Bodenbestandteilen gegeben, wenn das Grundwaser bei dem Abbau oder der Gewinnung zu Tage tritt, wenn also die das Grundwasser schützenden Deckschichten ganz oder teilweise entfernt werden oder wenn es mit anderen Worten aufgedeckt wird.
236Vgl. OVG Münster, Teilurteil vom 27. März 1991 - 7 A 1927/87 -, NuR 1992, 134 (135); Nds. OVG, Urteil vom 18. Oktober 2001 - 7 LB 161/01 -, NuR 2003, 40 (41); Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2010, § 9 Rn. 69 f.
237c) Die Wasserschutzgebietsverordnung bestimmt nicht, was unter dem Begriff eines „dauernden“ Freilegens von Grundwasser zu verstehen ist, insbesondere enthält § 2 WSG-VO in den dort aufgeführten Begriffsbestimmungen hierzu keine Erläuterungen.
238Der Begriff eines „dauernden“ Freilegens von Grundwasser ist aber bestimmt genug, weil sich sein normativer Inhalt durch Auslegung ermitteln lässt. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der den Anforderungen des allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG) genügt. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Begriffs gegeben sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die Auslegungsfähigkeit und Auslegungsbedürftigkeit tatbestandlicher Begriffe nimmt einer Norm grundsätzlich nicht die erforderliche Bestimmtheit. Ohne Verwendung solcher Begriffe könnte der Gesetzgeber der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht gerecht werden. Eine etwa notwendige Klarstellung ist Aufgabe der Rechtsprechung.
239Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. November 1989 - 1 BvL 14/85, 1 BvR 1276/84 -, BVerfGE 81, 70 (88), und vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, 754 (755).
240Was unter einem „dauernden“ Freilegen von Grundwasser im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 der WSG-VO zu verstehen ist, lässt sich durch die Fachgerichte im Rahmen der Auslegung mit den Mitteln herkömmlicher Gesetzesauslegung, insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Grundwasserschutzes, hinreichend genau präzisieren. Hierbei ist nach ständiger Rechtsprechung für die Auslegung einer Norm maßgebend der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht. Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht kommt der grammatikalischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zu; hier zieht der Wortsinn einer Vorschrift die unübersteigbare Grenze. Dies gilt auch, wenn eine Sanktionsnorm - wie hier § 12 WSG-VO - das bußgeldbewehrte Verhalten nicht selbst festlegt, sondern auf eine vorstehende Vorschrift verweist. In diesem Fall müssen beide Vorschriften in ihrer Gesamtheit sowie ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG genügen.
241Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2012 - 9 C 8.11 -, BVerwGE 142, 84, (86), m. w. N.
242Hiervon ausgehend steht das Verbot einer dauernden Freilegung des Grundwassers in § 4 Abs. 2 Nr. 21 der WSG-VO unter Berücksichtigung des Normzwecks und der überragenden Bedeutung des Grundwassers, wie sie das Bundesverfassungsgericht in der sog. Nassauskiesungs-Entscheidung hervorgehoben hat,
243vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (339 ff.),
244einer Abgrabung entgegen, die ursächlich dafür sein kann, dass Grundwasser auch nur während eines bestimmten Zeitraums, etwa zu wiederkehrenden Anlässen, etwa im Zeitpunkt der Schneeschmelze, in besonderen Nassjahren oder sonstigen ungewöhnlichen Wetterlagen, zu Tage tritt.
245aa) Diese Auslegung des Begriffs der Dauerhaftigkeit wahrt die Wortlautgrenze des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO.
246„Dauern“ bedeutete schon nach altem Sprachverständnis so viel wie „Stand halten, „Bestand haben“, „fortdauern“ oder „ausdauern“.
247Vgl. Stichwort: „dauern“: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Band 2, Biermörder - Dwatsch, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1984 (Nachdruck der Erstausgabe 1860).
248Nach neuerem Sprachgebrauch steht das Adjektiv „dauernd“ synonym „für längere Zeit in gleichbleibender Weise vorhanden, wirkend, geltend“, „fortwährend“, „ununterbrochen“ und „ständig“ oder aber auch für „häufig auftretend“, „wiederkehrend“ oder „immer wieder“.
249Vgl. zum Stichwort: „dauernd“: Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, Band 2: Cl -F, Bibliographische Institut (1976), und Duden online, www.duden.de/recht-schreibung.
250Die Bedeutung des Wortes „dauernd“ ist hiernach mehrdeutig. Sie kann zum einen auf einen Zeitraum hinweisen, d. h. auf eine Zeitspanne von bestimmter Länge, zum anderen kann sie aber auch eine unbegrenzte Zeit im Blick haben. Entscheidend ist daher, in welchem Kontext das Wort „dauernd“ verwendet wird.
251Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass ein „dauerndes“ Freilegen von Grundwasser im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO sowohl eine begrenzte Zeit als auch einen unverändert bestehen bleibenden Zustand meinen kann.
252bb) Ist die grammatikalische Auslegung des § 21 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO noch offen hinsichtlich der zeitlichen Reichweite des Begriffs der „dauernden“ Freilegung von Grundwasser, so zeigt bereits die systematische Auslegung, dass dieser Begriff restriktiv in einem Sinne auszulegen ist, dass bereits eine Zeitspanne ausreicht, um den Verbotstatbestand zu erfüllen.
253Die Wasserschutzgebietsverordnung differenziert zum Schutz des Grundwassers in den Schutzzonen III B, III A und II zwischen genehmigungspflichtigen und verbotenen Vorhaben. Innerhalb dieser beiden Kategorien wird erneut - vereinfacht ausgedrückt - zwischen solchen Vorhaben unterschieden, die durch das Eindringen schädlicher Stoffe zu einer Gefährdung der Grundwasserchemie führen können, und solchen Maßnahmen, die durch eine Beeinträchtigung oder Entfernung der über dem Grundwasser befindlichen Schutzschicht eine negative Veränderung insbesondere des Grundwasserhaushaltes bewirken und zusätzlich - wegen des Fehlens dieser Schutzschicht - unter Umständen ebenfalls einen erleichterten Eintrag schädlicher Stoffe ermöglichen können.
254Sowohl in der Schutzzone III B als auch in der Schutzzone III A sind Bohrungen aller Art mit Ausnahme von Bohrungen im Rahmen der geowissenschaftlichen Landesaufnahme oder solchen für Weidebrunnen genehmigungspflichtig (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 13 WSG-VO für die Zone III B und § 4 Abs. 1 Nr. 10 WSG-VO für die Zone III A). Ebenso sind Grabungen oder Abgrabungen über eine Tiefe von 2 m oder über eine Ausdehnung von 10 m2 hinaus grundsätzlich - von im Einzelnen ausgenommenen und hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - einer Genehmigungspflicht unterworfen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 12 WSG-VO für die Zone III B und § 4 Abs. 1 Nr. 16 WSG-VO für die Zone III A). Diese Genehmigungstatbestände zeigen, dass der Verordnungsgeber bereits die Beeinträchtigung oder das Entfernen der oberen Bodenschicht und das weitere Eindringen in tiefere Schichten als potentiell grundwassergefährdend angesehen hat und über die Kontrollfunktion eines Genehmigungsverfahrens wasserrechtliche Belange hat sicherstellen wollen.
255Mit diesen Regelungen steht das für die Schutzzonen III B und III A wortgleich geltende Verbot von Grabungen oder Abgrabungen, durch die das Grundwasser dauernd freigelegt oder angeschnitten wird - ausgenommen: Maßnahmen für das Verlegen von Post- und Stromkabeln, für das Aufstellen von Masten, das Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen und Baugruben für Wohnbebauung - (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 13 WSG-VO für die Zone III B und § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO für die Zone III A) in einem untrennbaren Zusammenhang. Bereits die Genehmigungspflicht für Abgrabungen, die eine größere horizontale Ausdehnung oder eine Tiefe von 2 m überschreiten, deutet auf eine Gefahr für das Grundwasser hin, die sich bei der Möglichkeit einer dauernden Freilegung oder eines dauernden Anschneidens des Grundwassers potenziert. Eine präventive Genehmigungspflicht wird damit zu einem repressiven Verbot mit Befreiungsmöglichkeit (vgl. § 10 WSG-VO).
256Das restriktive Normsystem der Wasserschutzgebietsverordnung zeigt mithin, dass von einer „dauernden“ Freilegung oder einem „dauernden“ Anschneiden des Grundwassers nicht erst dann die Rede sein kann, wenn dies zeitlich unbegrenzt - für immer - geschieht, sondern bereits bei einem zeitlich begrenzten, häufig auftretenden oder immer wiederkehrenden Zeitraum.
257cc) Die Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung tragen zur Bedeutungsfindung, was unter einer „dauernden“ Freilegung oder einem „dauernden“ Anschneiden des Grundwassers zu verstehen ist, wenig bei.
258aaa) Der vom StAWA M2. erarbeitete Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988 (Beiakte 11, Ordner 2, Band I am Anfang) verhält sich hierzu nicht ausdrücklich. Ihm lässt sich lediglich die Aussage entnehmen, dass hinsichtlich der Schutzfähigkeit der Gewinnungsanlagen die Gefahrenschwerpunkte unter anderem sicherlich bei den Abgrabungen lägen.
259Auch im Übrigen ist die gesamte Entstehungsgeschichte der Wasserschutzgebietsverordnung, soweit es insbesondere um Abgrabungen geht, durch die divergierenden Interessen der Wasserwirtschaft einerseits und der Kalksteinindustrie andererseits geprägt, ohne dass aber im Schriftverkehr oder in Protokollen zu Besprechungen über grundsätzliche Positionen hinaus die hier interessierende Frage in eindeutiger Weise im Detail erläutert worden wäre.
260Die Interessengemeinschaft Steinindustrie X. -L. hatte zum Entwurf des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO unter anderem eingewandt, das generelle Verbot könne nicht hingenommen werden, da als Grundwasser auch Sink- und Sickerwasser, das aus Klüften des Gesteins austrete und sich auf der Grundsohle sammelt, angesehen werde, weshalb das Verbot praktisch jede Abgrabung treffe, da dabei Grundwasser nach der vorgenannten Definition auftreten könne (Beiakte 11, Ordner 2, Band II, Schreiben vom 5. September 1988, S. 3).
261Hierzu hatte bei einer Besprechung von Behördenvertretern mit Vertretern der Kalksteinindustrie ein Vertreter des Geologischen Landesamtes erklärt, dass Grundwasser im Sinne dieser Bestimmung - gemeint war der Entwurf zu § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO - nicht das kurzzeitig austretende seitliche Wasser sei (Beiakte 11, Ordner 2, Band II, Terminsprotokoll vom 12. Oktober 1988, S. 4; ebenso enthalten in Beiakte 12, Ordner 3, Band V, mit erweiterten handschriftlichen Vermerken).
262Zwar ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Beigeladenen zutreffend, dass in ursprünglichen Entwurfsfassungen des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO noch das Verbot einer „dauernden oder zeitweisen“ Freilegung des Grundwassers enthalten war, so etwa in dem Entwurfstext vom 4. Oktober 1988 (Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 25). In dem weiteren Entwurf vom September 1989 (Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 73) und in dem „Entwurf zur Auslegung“ (Beiakte 12, Ordner 3, Band VI, Bl. 57), der im Januar 1990 an die Städte und Gemeinden zur Offenlegung versandt worden ist, war das Wort „zeitweise“ entfallen. Diese Veränderung geht ausweislich der Ergebnisniederschrift vom 12. Oktober 1988 offenbar auf eine Besprechung mit Vertretern der X1. Kalkindustrie zurück (Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 57), in der unter anderem das seitlich kurzzeitig austretende Grundwasser thematisiert worden ist. Neben einer Ergänzung um die hier nicht relevanten Ausnahmen in Bezug auf Maßnahmen für das Verlegen von Post- und Stromkabeln, für das Aufstellen von Masten, das Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen und Baugruben für Wohnbebauung ist der Entwurf des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO insoweit durch Streichung des Begriffs „zeitweise“ modifiziert worden. Nach einem weiteren Vermerk über eine Besprechung von Behördenvertretern zur Fassung des Entwurfs des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO wurde nur „ausdrücklich festgehalten, daß der schwebende Grundwasserhorizont nicht gemeint ist“, aber im Übrigen die Aussage getroffen: „die Vorschrift wird nicht anders formuliert“ (Terminsprotokoll vom 11. Oktober 1989 betreffend die Besprechung vom 6. September 1989, Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 5). Von einem solchen „schwebenden Grundwasserhorizont“ kann aber nur dann die Rede sein, wenn sich über dem Hauptgrundwasserleiter ein Grundwassernichtleiter befindet, über dem sich ein „schwebender“ Grundwasserleiter gebildet hat.
263Vgl. Wallbrecher, Allgemeine Geologie, Teil 18, SS 2005, Abbildung „schwebender Grundwasserhorizont“ - nach Press & Siever, 1995 (Spektrum Lehrbücher), www.erdwissenschaften.uni-graz.at/mitarbeiter/personal/homepage.
264Letztlich wurde bei einer Besprechung von Behördenvertreten am 20. Juli 1990 beim federführenden Dezernat 54.1 des Regierungspräsidenten Arnsberg hinsichtlich der Abgrabungstiefe einvernehmlich festgestellt, dass ein Abbau erfolgen könne, „solange er nicht im Grundwasser stattfindet (Gesprächsnotiz vom 31. Juli 1990, Beiakte 12, Ordner 3, Band XIV, Bl. 6). Hieraus ergibt sich, dass der Verordnungsgeber beim Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung erhöhte Gefahren für das Grundwasser durch Abgrabungen gesehen hat, einen Abbau im Grundwasser verbieten und allenfalls bei kurzzeitig seitlich austretendem Wasser auf Grund eines schwebenden Grundwasserhorizonts ein Verbot nicht vorsehen wollte.
265bbb) Bei dem Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung hatte der Verordnungsgeber bei der Einteilung und Bemessung der Schutzgebiete nach Nr. 7.5 VwV-WSG das in Anlage 1 übernommene DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) zu beachten. Nach der Nr. 5.1.2 Buchstabe p) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) sind in der Zone III A gefährlich und in der Regel nicht tragbar Erdaufschlüsse, durch die die Deckschichten wesentlich vermindert werden, vor allem, wenn das Grundwasser ständig oder zu Zeiten hoher Grundwasserstände aufgedeckt oder eine schlecht reinigende Schicht freigelegt wird und keine ausreichende und dauerhafte Sicherung zum Schutz des Grundwassers vorgenommen werden kann. Auch das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Juni 2006) stuft unter Nr. 5.1 der Tabelle I das Gewinnen von Rohstoffen und sonstige Abgrabungen mit Freilegung des Grundwassers in der Zone II/III A mit einem sehr hohen Gefährdungspotential ein. Auch insoweit vermittelt das DVGW-Arbeitsblatt W 101 - in allen Fassungen - auf Grund des in ihm zum Ausdruck kommenden gebündelten fachlichen Sachverstandes dem Rechtsanwender wertvolle Aufschlüsse darüber, welche Gefährdungen zu vermeiden sind, damit die erforderliche Vorsorge für die Trinkwasserversorgung geleistet werden kann.
266Vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 27. November 2012 - 22 N 09.2974 -, juris, Rn. 39.
267Hieraus folgt, dass der Verordnungsgeber bei der Begriffswahl einer „dauernden“ Freilegung des Grundwassers nicht nur lange oder gar nicht abzusehende Zeiträume einer Grundwasserfreilegung vor Augen hatte („wenn das Grundwasser ständig … aufgedeckt … wird“), sondern mit „dauernd“ auch zeitlich begrenzte Perioden („wenn das Grundwasser … zu Zeiten hoher Grundwasserstände aufgedeckt … wird“) gemeint haben muss.
268dd) Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die vorgenannten Auslegungskriterien böten keine genügenden Anhaltspunkte für eine sachgerechte Interpretation des Verbots einer dauernden Freilegung oder eines dauernden Anschneidens des Grundwassers im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO, führt jedenfalls die teleologische Auslegung zu dem Ergebnis, dass der Begriff „dauernd“ hinsichtlich des in Betracht zu ziehenden zeitlichen Horizonts eingeschränkt zu verstehen ist.
269Das Wasser ist eine der wichtigsten Grundlagen allen menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens. Es wird nicht nur als Trink- und Brauchwasser, sondern auch als Produktionsmittel in Industrie und Handwerk benötigt. Wegen der vielfältigen und teilweise miteinander konkurrierenden Nutzungsinteressen ist eine geordnete Wasserbewirtschaftung sowohl für die Bevölkerung als auch für die Gesamtwirtschaft lebensnotwendig.
270Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (341).
271Das Wasserrecht hat sich daher seit Längerem bei dem Zielkonflikt zwischen dem Schutz des Wassers als natürlicher Ressource und den wirtschaftlichen Interessen an einer Gewässerbenutzung im weiteren Sinn im Grundsatz für die Priorität des Umweltschutzes entschieden, wie § 1a WHG a. F. bzw. § 1 WHG n. F. zeigt. Auch das europäische Wasserrecht geht in Bezug auf das Grundwasser grundsätzlich von einem ökologischen Ansatz, d. h. einem Erhaltungsgebot und einem Verschlechterungsverbot aus (vgl. Art 2 Nr. 20 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) WRRL).
272Gerade im Geltungsbereich einer Wasserschutzgebietsverordnung und speziell in der Schutzzone III A ist das Freilegen der das Grundwasser überdeckenden Bodenschichten typischerweise als besonders gefährlich einzustufen.
273Vgl. etwa zur Nassauskiesung OVG NRW, Urteil vom 1. Oktober 2001 - 20 A 1945/99 -, ZfW 2004, 114 (118 ff.), m. w. N.
274Diese Feststellung gilt aber nicht nur für Nassauskiesungen, sondern auch für weniger eingriffsintensive Fälle der dauernden Freilegung des Grundwassers. Dies zeigt beispielsweise das DVGW-Arbeitsblatt W 101, das in allen Fassungen Erdaufschlüsse bzw. das Gewinnen von Rohstoffen und sonstige Abgrabungen mit Freilegung des Grundwassers in der Zone III A als gefährlich einstuft.
275Eine „dauernde“ Freilegung des Grundwassers im Rechtssinn ist daher auch gegeben, wenn die Deckschicht über der Sättigungszone mit der Folge entfernt wird, dass das Grundwasser auch nur während eines bestimmten Zeitraums, etwa zu wiederkehrenden Anlässen, etwa im Zeitpunkt der Schneeschmelze, in besonderen Nassjahren oder sonstigen ungewöhnlichen Wetterlagen, zu Tage tritt. Mit Blick auf den Grundwasserschutz ist nicht zu fordern, dass die Grundwasserfreilegung auf unabsehbare Zeit erfolgt.
276So wohl Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 698.
277Diese Wertung wird bestätigt durch das Begriffsverständnis etwa der Legaldefinition des oberirdischen Gewässers in § 1 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. (§ 3 Nr. 1 WHG n. F.), wonach ein oberirdisches Gewässer unter anderem das ständig oder zeitweilig in Betten fließende Wasser ist. Hinsichtlich der zeitlichen Komponente sagt das Begriffspaar „ständig oder zeitweilig" lediglich etwas darüber aus, wann sich das Wasser während der Dauer der Existenz des Gewässers in seinem Bett befinden muss, so dass es ausreicht, wenn sich im Gewässerbett nur zu bestimmten wiederkehrenden Anlässen Wasser befindet.
278Vgl. OVG NW, Urteil vom 24. September 1986 - 20 A 454/85 -, ZfW 1987, 122 (123), m. w. N.
279Dementsprechend muss es in Bezug auf ein „dauerndes“ Freilegen des Grundwassers ebenfalls genügen, dass dieses nur zu bestimmten wiederkehrenden Anlässen, also nicht nur während eines temporär zu vernachlässigenden Zeitraumes freiliegt.
280ee) Die Behördenpraxis in anderen Bundesländern geht hinsichtlich des Grundwasserschutzes beim Trockenabbau ebenfalls von einem restriktiven Maßstab aus. So muss etwa nach den Bayerischen Richtlinien für Anlagen zur Gewinnung von Kies, Sand, Steinen und Erden
281- Erlass des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 9. Juni 1995 - 11/53-4511.3-001/90 -, AllMBl. S. 589, i. d. F. vom 12. April 2002, AllMBl. S. 234 = juris -
282beim Trockenabbau in der Regel ein Mindestabstand von 2 m zum höchstmöglichen Grundwasserstand eingehalten werden. Zur Festlegung der Abbausohle sind in der Regel mehrjährige Grundwasserbeobachtungen erforderlich. Ansonsten ist ein entsprechend hoher Sicherheitszuschlag einzuhalten. Grundwasser darf auch vorübergehend nicht angeschnitten werden (vgl. Nr. 4.2.2 der Richtlinien). Wenngleich diese Richtlinien nach ihrer Nr. 1 nicht für Anlagen gelten, die der Bergaufsicht unterliegen, so zeigen sie doch, welche allgemeinen Anforderungen - selbst außerhalb von Wasserschutzgebieten - zum Grundwasserschutz fachaufsichtlich für erforderlich gehalten werden.
283Gleiches gilt für die Erlasslage in Niedersachsen bezogen auf den Trockenabbau im Verhältnis zum Grundwasserschutz.
284Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, Abbau von Bodenschätzen - Anlage 2: Inhalt des Erläuterungstextes sowie des Karten- und Planwerkes unter besonderer Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Bestandsaufnahme gemäß § 9 NAGBNatSchG und der Anforderungen des § 17 Abs. 4 BNatSchG, Erlass vom 3. Januar 2011 - 54-22442/1/1 -, juris.
285Nach der Nr. 4.3 dieses Erlasses dürfen Trockenabbauten nur mit einer verbleibenden ausreichenden Deckschicht über dem höchsten Grundwasserstand ausgeführt werden. Dieser ist ggf. nachvollziehbar theoretisch zu ermitteln. Eine entsprechende Darstellung ist aufzunehmen.
286Die beiden vorstehend zitierten Erlasse zeigen jeweils deutlich, dass zum einen auf den „höchstmöglichen“ bzw. „höchsten“ Grundwasserstand abzuheben ist, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt dieser Grundwasserstand anzutreffen ist. Zum anderen wird jeweils das weitere Erfordernis eines Mindestabstandes von 2 m zu diesem Grundwasserstand bzw. einer über dem Grundwasserstand verbleibenden ausreichenden Deckschicht statuiert.
2873. Die sogenannte Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG steht diesem engen Verständnis des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO nicht entgegen. Nach der vorgenannten Bestimmung ist zwar bei der Anwendung der einem Vorhaben entgegenstehenden Vorschriften dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsuchung oder Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Ob und in welchem Umfang in einem insgesamt schutzbedürftigen Gebiet im Einzelfall - ausnahmsweise - die Zulassung einer Abgrabung auf einzelnen Grundstücken den Zweck des Gebietsschutzes möglicherweise nicht gefährdet, ist auch nicht bereits bei der Schutzgebietsfestsetzung, sondern bei dem administrativen Vollzug zu prüfen.
288Vgl. zu einer Landschaftsschutzgebietsverordnung: BVerwG, Beschluss vom 25. August 1995 - 4 B 191.95 -, Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 5, S. 7; ebenso Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 694, m. w. N.
289Allerdings lässt sich aus der sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht herleiten, dass ein öffentliches Interesse an einem Abbau bei einer bergbehördlichen Entscheidung grundsätzlich einen Vorrang vor entgegenstehenden privaten oder anderen öffentlichen Interessen hat.
290Vgl. zur bergrechtlichen Zulegung BVerwG, Urteil vom 20. November 2008 - 7 C 10.08 -, BVerwGE 132, 261 (275).
291Hiervon ausgehend kann nicht erkannt werden, dass den Interessen der Beigeladenen ein Vorrang vor dem Grundwasserschutz gebührt. Zwar ist die Industrie auf die Lieferung von Kalkstein angewiesen, auch sind die wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen, deren alte und nach § 149 BBergG von der Bergbehörde bestätigten Rechte Schutz genießen, zu berücksichtigen. Ein Verbot der grundwassergefährdenden Abgrabung ist aber keine unzumutbare Beschränkung bestehender Rechte, sondern stellt selbst bei einer Eigentumsbeschränkung nur eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, wozu in besonderer Weise auch das Trinkwasser gehört, ist ein besonderer Ausdruck der Sozialbindung des (Grund-)Eigentums.
292Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 - , BVerfGE 58, 300 (345); BGH, Urteil vom 3. Juni 1982 - III ZR 107/78 -, BGHZ 84, 230 (232 ff.); Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 702, m. w. N.
2934. Es ist im vorliegenden Fall auch hinreichend wahrscheinlich, dass es jedenfalls zu einer dauernden Freilegung von Grundwasser im vorstehend dargelegten Begriffsverständnis kommen kann.
294Dabei mag es auf sich beruhen, ob man bei der Frage des Eintritts der Wahrscheinlichkeit den Maßstab der „Geeignetheit“ im Sinne des § 9 Abs. 2 WHG oder den Erwartungshorizont im Sinne des § 12 Abs. 1 WHG bzw. den sog. Besorgnisgrundsatz im Sinne der §§ 46 ff. WHG anlegt. Jedenfalls muss in Wasserschutzgebieten dem ohnehin schon besonders bedeutsamen und vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Schutz des Grundwassers
295- vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (340 f.); vgl. auch zu § 50 WHG n. F. BT-Drucks. 16/12275, S. 66 -
296eine alle anderen Belange überragende Bedeutung zukommen. Somit sind an die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Grundwassergefährdung in einem Wasserschutzgebiet nur geringe Anforderungen zu stellen.
297Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 2 B 1484/11 - DVBl. 2011, 1429 (1431); Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 697, m. w. N.
298Ist das Grundwasser betroffen, so reicht hierfür schon die nicht ganz entfernte, nur theoretische Möglichkeit einer schädlichen Einwirkung aus.
299Vgl. zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG a. F.: BGH, Urteil vom 3. Juni 1982 - III ZR 107/78 -, BGHZ 84, 230 (234); BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2001- 4 B 80.01 -, BRS 64 Nr. 104 (2001), S. 460.
3005. Unter Zugrundelegung der vorstehend aufgezeigten Grundsätze wird die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen durch die Bergbehörde nicht dem Schutzmaßstab des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO gerecht.
301a) Bereits die Sachverhaltsermittlung der Bergbehörde sowohl vor der Zulassung des Vorhabens als auch bei der jeweiligen Verlängerung des Zulassungsbescheides war in Bezug auf eine mögliche Gefährdung des Grundwassers unzureichend.
302aa) Die mit dem Zulassungsantrag im November 2006 eingereichten Antragsunterlagen waren für die hier zu fordernde Beurteilung, ob in den drei Abbaufeldern des Vorhabens mit ihren unterschiedlichen Abbautiefen - 352 m, 362 m und 385 m - (Beiakte 3 am Ende, Nr. 14 der Nebenbestimmungen des Zulassungsbescheides vom 25. September 2007 und Bericht NBC vom 7. November 2006, Plan 1:5.000 „Empfohlene Abbautiefen“, Anlage 2) ein dauerndes Freilegen von Grundwasser möglich ist, nicht ausreichend.
303Der Bericht des Gutachterbüros NBC vom 7. November 2006 (Beiakte 3 am Ende) enthält zwar in den als Anlagen 1 und 2 beigefügten Lageplänen Eintragungen von Grundwassermessstellen im Bereich des Vorhabens und in dessen Umfeld. Speziell im Bereich des Vorhabens sind die Grundwassermessstellen B 1 bis B 4 vermerkt, was allerdings irreführend ist. Die Messstelle B 4 ist zwar für den vorausgegangenen Bericht NBC vom 7. Oktober 2004 (Beiakte 2, Bl. 147 ff.) noch ausgewertet worden, nicht mehr aber für die Antragsunterlagen. Zudem wurden die Messstellen B 1, B 3 und B 4 in einem späteren Bericht desselben Gutachters als „nicht mehr vorhanden“ oder aber als „wahrsch. vorh. aber nicht gemessen“ gekennzeichnet (Übersichtslageplan 1:5.000, Anhang zur Stellungnahme von GeoConsult C. vom 18. März 2011, Bl. 359 GA).
304Innerhalb des Vorhabensbereiches wurde für die Antragsunterlagen einzig die Messstelle B 2 ausgewertet, was sich aus den entsprechenden Erläuterungen und den schematisch wiedergegebenen Grundwasserganglinien ergibt (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 3 und Anhang 1 sowie 2). Dass die weiteren außerhalb des Vorhabensgebietes liegenden Messstellen 33, B und Aneu speziell für den Bereich des hier in Rede stehenden Tagebaus prognostisch hinreichend aussagekräftig sind, ergibt sich aus dem Bericht NBC vom 7. November 2006 nicht mit hinreichender Deutlichkeit. Es wird dort lediglich auf eine „vergleichbare Tendenz“ verwiesen, gleichzeitig aber auch betont, dass „jedoch erhebliche Unterschiede in den Grundwasserschwankungsbreiten auftreten“ (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 10). Mit Blick auf die Tatsache, dass nach dem Bericht zudem eine Grundwasserfließrichtung von West nach Ost gegeben ist (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 5), hätte eine Relevanz der Messstellen 33, B und Aneu für die Beurteilung des Grundwasserpegels im gesamten Abbaubereich des zu beurteilenden Tagebaus deutlicher herausgearbeitet werden müssen, da die drei Abbaufelder mit unterschiedlichen (vorgeschlagenen) Abbauteufen weiter südlich bzw. westlich dieser Messstellen liegen, d. h. jedenfalls nicht in der Grundwasserfließrichtung. Eine solche vertiefende Erläuterung ist aber nicht gegeben worden.
305Auf das Fehlen ergänzender Messstellen hatten die von Klägerin beauftragten Gutachter schon in ihrer Stellungnahme vom 10. Dezember 2007 - Anlage zur Begründung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Zulassungsbescheid vom 25. September 2007 - hingewiesen (Beiakte 1, Bl. 24).
306Die Bergbehörde hätte mithin mit Blick auf die ihr nach § 24 VwVfG NRW obliegenden Amtsermittlung schon vor der Zulassung des angefochtenen Hauptbetriebsplanes mit Bescheid vom 25. September 2007 eine weitere Aufklärung des Sachverhalts betreiben und gegebenenfalls von der Beigeladenen verlangen müssen, ein Grundwassermessstellennetz im gesamten Bereich des Abbauvorhabens zu errichten, um hinreichend aussagekräftige Erkenntnisse für die zu treffende Prognose zu gewinnen, ob ein dauerndes Anschneiden des Grundwassers zu besorgen ist, und damit die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens der Beigeladenen abschließend beurteilen zu können.
307Die Nebenbestimmung Nr. 15 des Zulassungsbescheides, mit der die Errichtung und Betreibung weiterer Grundwassermessstellen zur eindeutigen Dokumentation und Ermittlung des Grundwassers im Bereich auskeilender Flinzschichten zum Massenkalk gefordert wird, stellt nur einen Transfer des Problems in spätere Zeiten dar, dessen Lösung aber schon zuvor hätte erfolgen müssen. Prognoseunsicherheiten, die das Vorhaben als solches betreffen, lassen sich nicht durch Nebenbestimmungen lösen. Denn der Grundwasserschutz war eines der zentralen Probleme des Vorhabens der Beigeladenen und bedurfte bereits bei der Zulassung einer umfassenden und abschließenden Entscheidung. Bis zu ihrer Entscheidung hätte sich die Bergbehörde die für die Bewältigung des Problems notwendigen Kenntnisse auch mit vertretbarem Aufwand beschaffen (lassen) können.
308Vgl. zur ähnlichen Problematik eines Vorbehaltes im Planungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 1995 - 4 B 30.95 -, Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 16, S. 6 f., und Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 -, BVerwGE 102, 331 (346 f.), jeweils m. w. N.
309Die gleiche Feststellung gilt hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 17 des Zulassungsbescheides vom 25. September 2007 betreffend das sofortige Einstellen des Abbaus in Bereichen, in denen bei den zugelassenen Abbauteufen wider Erwarten Grundwasser angetroffen oder Quellen freigelegt werden sollten. Auch insoweit wird mangels einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage ein bereits im Vorfeld zu lösendes Problem sehenden Auges in die Zukunft geschoben mit der nicht gerechtfertigten Erwartung, es werde sinngemäß „schon alles gut gehen“, ohne dass aber dem Grundwasserschutz angemessen Rechnung getragen würde.
310Die Tatsache, dass die von der Bergbehörde beteiligte Wasserbehörde (Beiakte 2, Bl. 5 ff. und 48 ff.) und der Geologische Dienst NRW (Beiakte 2, Bl. 229 f.) keine Bedenken gegen eine Erlaubniserteilung hatten, weil auch sie nicht von der Möglichkeit einer dauernden Freilegung des Grundwassers ausgegangen sind, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die gemäß § 9 Abs. 6, Abs. 3 Satz 2 WSG-VO auch in wasserrechtlichen Fragen zuständige Bergbehörde war durch positive Stellungnahmen anderer (Fach-)Behörden nicht von der Pflicht zu einer kritischen Prüfung entbunden und blieb als letztentscheidende Behörde in der Verantwortung, sich alle für die Entscheidung erforderlichen notwendigen Informationen zu beschaffen.
311bb) Bei den weiteren Verlängerungen der Zulassung des Hauptbetriebsplanes mit Bescheiden vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 ist eine hinreichende Sachverhaltsaufklärung ebenfalls unterblieben.
312Die Grundwassermessstelle B 5, die im November/Dezember 2009 erstellt worden ist, liegt außerhalb des hier streitigen Abbauvorhabens im Bereich des benachbarten Steinbruchs. Am Bohrpunkt waren zudem bereits ca. 25 m Gestein bis zu einer Sohle in Höhe von 377 mNN abgebaut (GeoConsult C. , Dokumentation vom 14. Januar 2010, Bl. 353 ff. GA). Deshalb kommt den bei der Erstellung der Messstelle gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der Gesteinszusammensetzung oder dort gemessener Grundwasserstände keine unmittelbare Aussagekraft hinsichtlich der hier allein interessierenden Frage zu, ob im Bereich des Vorhabens der Beigeladenen mit einer dauernden Freilegung des Grundwassers zu rechnen ist. Denn gerade im südlichen Teilabbaugebiet des Vorhabens, dessen natürliche Geländeoberkante teilweise über 395 mNN liegt, ist das Gebirge noch nicht vom Abbau erfasst. Zudem liegt die Messstelle B 5 östlich des Vorhabens, also jenseits der sich von West nach Ost bewegenden Grundwasserfließrichtung.
313Die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erstellte Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW vom 13. Mai 2011 (Bl. 368 ff. GA) gebietet keine abweichende Beurteilung. Zwar lässt sich dieser Stellungnahme unter anderem entnehmen, dass die Messstelle B 2 als nicht repräsentativ bzw. aussagekräftig für die Festlegung von Abbauhöhen im Massenkalk angesehen wird. Im Übrigen enthält diese Stellungnahme in Ermangelung von Grundwassermessstellen, die im Abbaugebiet selbst liegen, nur hypothetische Aussagen zur Einteilung des Abbaugebietes in Teilschollen und zu möglichen Wasserbewegungen aufgrund einer Interpolation des Grundwasserstandes der außerhalb des Abbaugebietes liegenden Messstellen.
314Innerhalb des Abbaugebietes - im nordwestlichen Teilbereich mit der zugelassenen Abbauteufe von 362 mNN - ist zwar später noch die Grundwassermessstelle B 6 eingerichtet worden. Die Stellungnahme des Gutachters der Beigeladenen vom 4. März 2015, in der unter anderem auch diese Grundwassermessstelle ausgewertet wird, ist aber erst nach der letzten Verlängerung des Hauptbetriebsplanes mit Bescheid vom 13. September 2013 erstellt worden.
315b) Unabhängig von den vorstehend aufgezeigten Ermittlungsdefiziten ist die Gefahr einer dauernden Freilegung des Grundwassers um die Grundwassermessstellen B 2 und B 6 im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine bereits weiter oben gemachten und hier sinngemäß geltenden Ausführungen zu der Frage einer Benutzung des Grundwassers im wasserrechtlichen Sinn.
316Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch in diesem Zusammenhang nicht auf die Grundwasserstände im verritzten Gebirge, sondern auf die Verhältnisse im unverritzten Gebirge abzustellen ist. Denn § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO dient dem Schutz des Status quo. Eine Schutzgebietsverordnung kann naturgemäß nur auf den Zustand einwirken, den sie im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens vorfindet. Sie dient dem Zweck, künftige Belastungen zu verhindern und den Grundwasserleiter in einem möglichst intakten Zustand zu erhalten.
317Vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. März 2014 - 3 S 280/14 -, juris, Rn. 50, m. w. N.
318V. Eine Umdeutung der von der beklagten Bergbehörde gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 16 i. V. m. § 9 Abs. 6 WSG-VO im Rahmen der Zulassung des Hauptbetriebsplanes inzident erteilten wasserrechtlichen Genehmigung in eine Befreiung nach § 4 Abs. 2 Nr. 21 i. V. m. § 10 Abs. 1 WSG-VO, über die ebenfalls die Bergbehörde bei der bergrechtlichen Betriebsplanzulassung zu entscheiden hätte (vgl. § 10 Abs. 3 i. V. m. § 9 Abs. 6 WSG-VO), kommt nicht in Betracht.
319Nach § 47 Abs. 1 VwVfG NRW kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nach Absatz 3 der vorgenannten Bestimmung kann aber eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
320§ 47 Abs. 3 VwVfG NRW steht hier einer solchen Umdeutung entgegen. Die Zulassung eines Betriebsplans ist eine gebundene Entscheidung ohne planerischen Gestaltungsspielraum der Behörde.
321Vgl. zum Rahmenbetriebsplan BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 -, BVerwGE 127, 259 (264).
322Die Befreiung nach § 10 Abs. 1 WSG-VO ist demgegenüber eine Ermessensentscheidung („kann“), die zudem die Prüfung erfordert, ob Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung erfordern (Nr. 1) oder Verbote zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen und die Abweichungen mit den Belangen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Gewässerschutzes im Sinne dieser Verordnung, vereinbar sind (Nr. 2). Eine dahingehende Prüfung wurde hier aber von der Bergbehörde - aus ihrer Sicht konsequent - nicht vorgenommen.
323VI. Eine lediglich teilweise Aufhebung des rechtswidrigen Hauptbetriebsplanes II in der Fassung seiner nachfolgenden Verlängerungen kommt nicht in Betracht. Ein in einem Genehmigungsantrag zusammengefasstes Vorhaben stellt regelmäßig ein einheitliches Ganzes dar, sei es, dass dessen einzelne Teile unter Nutzungsgesichtspunkten eine enge funktionale Verbindung aufweisen, sei es, dass der eine Bestandteil ohne den anderen baurechtlich nicht zulässig ist, oder sei es, dass die Einheitlichkeit des Vorhabens dem ausdrücklich geäußerten oder jedenfalls erkennbaren Willen des Vorhabenträgers entspricht.
324Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 30. September 2014 - 8 A 460/13 -, juris, Rn. 137 f., m. w. N.
325Eine Teilaufhebung scheidet daher aus, weil trotz der Aufteilung des Vorhabens in drei Abbaufelder mit unterschiedlichen Abbauteufen es den betrieblichen Dispositionen des Unternehmers überlassen ist, welche genauen Stellen des Bergfeldes er in welcher Reihenfolge abbaut bzw. bis zu welcher (genehmigten) Teufe er Gestein abbaut.
326VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Der Senat hält es für ermessensgerecht, die Beigeladene hälftig an den Verfahrenskosten zu beteiligen, weil sie auf Seiten des Beklagten der Klage und der Berufung entgegengetreten ist und Anträge gestellt hat. Lediglich klarstellend sei angemerkt, dass die hälftige Kostentragungspflicht des Beklagten nicht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen umfasst (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
327Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
328Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 ist zu erteilen, wenn
- 1.
für die im Betriebsplan vorgesehene Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen die erforderliche Berechtigung nachgewiesen ist, - 2.
nicht Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß - a)
der Unternehmer, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften eine der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, die erforderliche Zuverlässigkeit und, falls keine unter Buchstabe b fallende Person bestellt ist, auch die erforderliche Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt, - b)
eine der zur Leitung oder Beaufsichtigung des zuzulassenden Betriebes oder Betriebsteiles bestellten Personen die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt,
- 3.
die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, daß die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden, - 4.
keine Beeinträchtigung von Bodenschätzen, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, eintreten wird, - 5.
für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs Sorge getragen ist, - 6.
die anfallenden Abfälle ordnungsgemäß verwendet oder beseitigt werden, - 7.
die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß getroffen ist, - 8.
die erforderliche Vorsorge getroffen ist, daß die Sicherheit eines nach den §§ 50 und 51 zulässigerweise bereits geführten Betriebes nicht gefährdet wird, - 9.
gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind und
- 10.
der Betrieb und die Wirkung von Schiffahrtsanlagen und -zeichen nicht beeinträchtigt werden, - 11.
die Benutzung der Schiffahrtswege und des Luftraumes, die Schiffahrt, der Fischfang und die Pflanzen- und Tierwelt nicht unangemessen beeinträchtigt werden, - 12.
das Legen, die Unterhaltung und der Betrieb von Unterwasserkabeln und Rohrleitungen sowie ozeanographische oder sonstige wissenschaftliche Forschungen nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden und - 13.
sichergestellt ist, daß sich die schädigenden Einwirkungen auf das Meer auf ein möglichst geringes Maß beschränken.
(2) Für die Erteilung der Zulassung eines Abschlußbetriebsplanes gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 mit der Maßgabe entsprechend, daß
- 1.
der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch nach Einstellung des Betriebes sowie - 2.
die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Fläche und - 3.
im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer die vollständige Beseitigung der betrieblichen Einrichtungen bis zum Meeresuntergrund sichergestellt sein müssen. Soll der Betrieb nicht endgültig eingestellt werden, so darf die Erfüllung der in Satz 1 genannten Voraussetzungen nur insoweit verlangt werden, als dadurch die Wiederaufnahme des Betriebes nicht ausgeschlossen wird.
(1) Für die Errichtung und Führung eines Betriebes sind Hauptbetriebspläne für einen in der Regel zwei Jahre nicht überschreitenden Zeitraum aufzustellen. Eine Unterbrechung des Betriebes für einen Zeitraum bis zu zwei Jahren gilt als Führung des Betriebes, eine längere Unterbrechung nur dann, wenn sie von der zuständigen Behörde genehmigt wird. Die zuständige Behörde kann festlegen, dass Hauptbetriebspläne auch für einen längeren Zeitraum als für zwei Jahre aufgestellt werden können, wenn eine Kontrolle des Betriebs auch bei einer längeren Laufzeit des Hauptbetriebsplans möglich ist, insbesondere, wenn der Betriebsverlauf absehbar ist. Eine Kontrolle des Betriebs bei längerer Laufzeit des Hauptbetriebsplans ist bei Hauptbetriebsplänen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen im Regelfall zu erwarten. Die festzulegende Laufzeit soll in den Fällen der Sätze 3 und 4 vier Jahre nicht überschreiten.
(2) Die zuständige Behörde kann verlangen, daß
- 1.
für einen bestimmten längeren, nach den jeweiligen Umständen bemessenen Zeitraum Rahmenbetriebspläne aufgestellt werden, die allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf enthalten müssen; - 2.
für bestimmte Teile des Betriebes oder für bestimmte Vorhaben Sonderbetriebspläne aufgestellt werden.
(2a) Die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplanes ist zu verlangen und für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57a und 57b durchzuführen, wenn ein Vorhaben gemäß der Verordnung nach § 57c in Verbindung mit den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Bei einem Vorhaben, das einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Vorhaben, Projekten oder Plänen geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, wird die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes zusammen mit der Umweltverträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren nach Satz 1 vorgenommen. Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes, die sich bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben und über die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 sowie der auf das Vorhaben anwendbaren Vorschriften in anderen Gesetzen hinausgehen, sind dabei öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2.
(2b) Für Vorhaben einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen, die wegen ihrer räumlichen Ausdehnung oder zeitlichen Erstreckung in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, kann der Rahmenbetriebsplan nach Absatz 2a Satz 1 entsprechend den Abschnitten oder Stufen aufgestellt und zugelassen werden, es sei denn, daß dadurch die erforderliche Einbeziehung der erheblichen Auswirkungen des gesamten Vorhabens auf die Umwelt ganz oder teilweise unmöglich wird. Für Vorhaben, die einem besonderen Verfahren im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 3 unterliegen, finden Absatz 2a, § 11 Absatz 1 Wasserhaushaltsgesetz und § 17 Absatz 10 Bundesnaturschutzgesetz und entsprechende Vorschriften über Verfahren zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung in anderen Rechtsvorschriften keine Anwendung, wenn in diesem Verfahren die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewährleistet ist, die den Anforderungen dieses Gesetzes entspricht. Das Ergebnis dieser Umweltverträglichkeitsprüfung ist bei Zulassungen, Genehmigungen oder sonstigen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit des Vorhabens nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen.
(2c) Die Absätze 2a und 2b gelten auch für die wesentliche Änderung eines Vorhabens.
(2d) Bei Vorhaben nach Absatz 2a Satz 1 hat die zuständige Behörde nach Maßgabe der auf das Vorhaben anwendbaren Vorschriften festzulegen, welche Maßnahmen der Unternehmer zur Überwachung erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt zu treffen hat. Die Festlegung kann auch im Rahmen der Zulassung des Haupt-, Sonder- oder Abschlussbetriebsplans erfolgen. Bei der Auswahl der Art der zu überwachenden Parameter und der Dauer der Überwachung sind nach Maßgabe der anwendbaren Vorschriften insbesondere die Art, der Standort und der Umfang des Vorhabens sowie das Ausmaß seiner Auswirkungen auf die Umwelt zu berücksichtigen.
(3) Für Arbeiten und Einrichtungen, die von mehreren Unternehmen nach einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt, errichtet oder betrieben werden müssen, haben die beteiligten Unternehmer auf Verlangen der zuständigen Behörde gemeinschaftliche Betriebspläne aufzustellen.
(4) Die Betriebspläne müssen eine Darstellung des Umfanges, der technischen Durchführung und der Dauer des beabsichtigten Vorhabens sowie den Nachweis enthalten, daß die in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bis 13 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Sie können verlängert, ergänzt und abgeändert werden.
(5) Für bestimmte Arbeiten und Einrichtungen, die nach einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung einer besonderen Genehmigung bedürfen oder allgemein zuzulassen sind, kann in Haupt- und Sonderbetriebsplänen an Stelle der nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Darstellung und Nachweise der Nachweis treten, daß die Genehmigung oder Zulassung vorliegt oder beantragt ist.
(1) Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 ist zu erteilen, wenn
- 1.
für die im Betriebsplan vorgesehene Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen die erforderliche Berechtigung nachgewiesen ist, - 2.
nicht Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß - a)
der Unternehmer, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften eine der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, die erforderliche Zuverlässigkeit und, falls keine unter Buchstabe b fallende Person bestellt ist, auch die erforderliche Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt, - b)
eine der zur Leitung oder Beaufsichtigung des zuzulassenden Betriebes oder Betriebsteiles bestellten Personen die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt,
- 3.
die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, daß die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden, - 4.
keine Beeinträchtigung von Bodenschätzen, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, eintreten wird, - 5.
für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs Sorge getragen ist, - 6.
die anfallenden Abfälle ordnungsgemäß verwendet oder beseitigt werden, - 7.
die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß getroffen ist, - 8.
die erforderliche Vorsorge getroffen ist, daß die Sicherheit eines nach den §§ 50 und 51 zulässigerweise bereits geführten Betriebes nicht gefährdet wird, - 9.
gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind und
- 10.
der Betrieb und die Wirkung von Schiffahrtsanlagen und -zeichen nicht beeinträchtigt werden, - 11.
die Benutzung der Schiffahrtswege und des Luftraumes, die Schiffahrt, der Fischfang und die Pflanzen- und Tierwelt nicht unangemessen beeinträchtigt werden, - 12.
das Legen, die Unterhaltung und der Betrieb von Unterwasserkabeln und Rohrleitungen sowie ozeanographische oder sonstige wissenschaftliche Forschungen nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden und - 13.
sichergestellt ist, daß sich die schädigenden Einwirkungen auf das Meer auf ein möglichst geringes Maß beschränken.
(2) Für die Erteilung der Zulassung eines Abschlußbetriebsplanes gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 mit der Maßgabe entsprechend, daß
- 1.
der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch nach Einstellung des Betriebes sowie - 2.
die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Fläche und - 3.
im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer die vollständige Beseitigung der betrieblichen Einrichtungen bis zum Meeresuntergrund sichergestellt sein müssen. Soll der Betrieb nicht endgültig eingestellt werden, so darf die Erfüllung der in Satz 1 genannten Voraussetzungen nur insoweit verlangt werden, als dadurch die Wiederaufnahme des Betriebes nicht ausgeschlossen wird.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, der Beigeladenen vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines bergrechtlichen Hauptbetriebsplanes für die Gewinnung von Kalkstein in einem Steinbruch südlich von X. . Hierbei geht es insbesondere um die Frage, ob dem Schutz des von der Klägerin zur Trinkwasserversorgung geförderten Grundwassers hinreichend Rechnung getragen wird.
3Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen des Kreises T. und versorgt verschiedene Städte und Gemeinden mit Trinkwasser. Sie förderte auf der Grundlage eines preußischen Wasserrechts vom 18. Dezember 1931 und einer wasserrechtlichen Bewilligung vom 18. Dezember 1995 (gültig bis zum 31. Dezember 2025) Grundwasser aus der im X1. Massenkalk gelegenen M1. -Quelle. Unter dem 13. Januar 2015 wurde der Klägerin eine weitere wasserrechtliche Bewilligung zu einer mengenmäßig größeren Entnahme von Grundwasser aus dieser Quelle erteilt. Die Beigeladene hat diese Bewilligung angefochten; das Verfahren ist in erster Instanz anhängig.
4Zum Schutz des Grundwassers im Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlagen I1. -Quelle II der Stadtwerke X. und M1. -Quelle der M1. Wasserwerke GmbH - der Klägerin - ist im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung gemäß § 1 Abs. 1 der Ordnungsbehördlichen Verordnung vom 15. April 1991 zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes für das Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlagen I1. -Quelle II der Stadtwerke X. und M1. -Quelle der M1. Wasserwerk GmbH F1. , Kreis T. , und I2. - Wasserschutzgebietsverordnung X1. Kalkmassiv - (im Folgenden: WSG-VO), ABl. Reg. Arnsberg vom 4. Mai 1991, S. 143, geändert durch Verordnung vom 29. September 1993, ABl. Reg. Arnsberg vom 9. Oktober 1993, S. 373, ein Wasserschutzgebiet festgesetzt worden, wobei unter anderem die Klägerin als Begünstigte im Sinne des § 15 Abs. 1 LWG NRW a. F. bezeichnet worden ist.
5Das Wasserschutzgebiet gliedert sich nach § 1 Abs. 2 WSG-VO in die weiteren Schutzzonen (Zone III B, Zone III A), in die engeren Schutzzonen (Zone II) und in die Fassungsbereiche (Zone I). Nach § 4 Abs. 1 Nr. 16 WSG-VO sind in der Zone III A Grabungen oder Abgrabungen über eine Tiefe von 2 m oder eine Ausdehnung von 10 m2 hinaus grundsätzlich genehmigungspflichtig. Ferner sind gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 21 der vorgenannten Bestimmung Grabungen oder Abgrabungen, durch die das Grundwasser dauernd freigelegt oder angeschnitten wird, grundsätzlich verboten.
6Ein Verfahren zur Festsetzung eines Wasserschutzgebietes wurde bereits Mitte der 1960er Jahre eingeleitet, ohne aber abgeschlossen zu werden. Zu Beginn des Jahres 1988 wurde das Vorhaben einer Wasserschutzgebietsfestsetzung wieder aufgegriffen und eine Behördenbeteiligung durchgeführt. Bedenken an der Notwendigkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes und gegenüber den geplanten Grenzen eines solchen Gebietes wurden insbesondere von der Interessengemeinschaft Steinindustrie X. -L. geäußert. Nach einem Behördenanhörungstermin lag der Entwurf einer Wasserschutzgebietsverordnung im Frühjahr 1990 öffentlich aus. Nach Durchführung eines Erörterungstermins wurde die Wasserschutzgebietsverordnung unter dem 15. April 1991 erlassen.
7Die Beigeladene betreibt südlich von X. -T1. im Tagebau den Steinbruch I. M. (an anderer Stelle auch mit „I. Liet“ bezeichnet), Baufeld F. II. Sie gewinnt dort devonischen Massenkalk mit eingeschlossenem Marmor. Der Steinbruch liegt in der Schutzzone III A der Wasserschutzgebietsverordnung. Nordöstlich schließt sich an diesen Steinbruch ein weiterer Steinbruch an.
8Für den Abbau in dem Steinbruch I. M. , Baufeld F. II, wurde mit Bescheid vom 22. März 2000 von der Bergbehörde ein Rahmenbetriebsplan erlassen. Hiernach darf der Abbau nur im grundwasserfreien Bereich erfolgen, auch muss die Abbausohle mindestens 2 m über der im Plan gleicher Potentiale im Kluftgrundwasser, Stichtag: 28. Januar 1991, gemäß dem Geohydrologischen Gutachten im Bereich des X1. Massenkalkzuges zur Festlegung vorläufiger Höhen der Steinbruchsohlen des Geohydrologischen Büros und Ingenieurbüros für Wassererschließung, Wasserversorgung und Umwelttechnik Dr. T2. und Partner vom 13. Januar 1992 (im Folgenden: T2. -Gutachten) und der im Grundwassergleichenplan L. vom Juli 1991 dargestellten Grundwasseroberfläche enden. Im Jahr 2002 erließ die Bergbehörde ferner den Hauptbetriebsplan I, dessen Zulassung letztlich bis zum 30. November 2006 lief.
9Unter dem 29. November 2006 beantragte die Beigeladene beim Bergamt die Zulassung des Hauptbetriebsplans II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II. Nach den Antragsunterlagen soll der Gewinn auf einer Fläche von ca. 6 ha in den über den Hauptbetriebsplan I zugelassenen Grenzen bei gleichzeitiger Entwicklung in der Teufe weitergeführt werden. Der Abbau soll bis maximal 2 m an den höchsten Grundwasserstand herangeführt werden. Dem Antrag beigefügt war ein Bericht der Dr. O. & C. Consulting B. (im Folgenden: NBC) vom 7. November 2006 zu hydrogeologischen Untersuchungen - Zeitraum August 2005 bis Oktober 2006 - betreffend das Gebiet des Tagebaus. Hiernach wurden folgende Grundwasserstände festgestellt:
10Bohrung |
33 |
B |
Aneu |
B2 |
Geologie (Fz =Flinz, MK = Massenkalk) |
MK |
MK |
MK |
Fz/MK |
Min (mNN) |
354,22 |
343,15 |
323,59 |
383,31 |
Max (mNN) |
364,09 |
373,46 |
341,59 |
391,38 |
Schwankungsbreite (m) |
9,87 |
30,31 |
18,00 |
8.07 |
Auf dieser Grundlage wurden in dem Gutachten bestimmte Abbausohlen für unterschiedliche Bereiche des Steinbruchs der Beigeladenen vorgeschlagen, die keine wesentliche Beeinträchtigung oder Freilegung des Grundwassers herbeiführen sollten, und zwar im östlichen Bereich 350 mNN, im westlichen Bereich 360 mNN und im südlichen Bereich 385 mNN.
12Im Rahmen des Zulassungsverfahrens beteiligte die Bergbehörde unter anderem die Bezirksregierung Arnsberg - Umweltverwaltung - in M2. , die Stadt X. , den Kreis T. - Untere Wasserbehörde -, das Wasserwerk X. und die Klägerin.
13In einer Stellungnahme vom 6. März 2007 erklärte die Klägerin, dem Antrag der Beigeladenen nicht zustimmen zu können. Auch wenn der Abbau nur bis maximal 2 m an den höchsten Grundwasserstand herangeführt werden solle und die Bedingungen der Wasserschutzgebietsverordnung eingehalten würden, sei in jedem Abtrag der Schutzschichten über dem Grundwasser wegen der Schwächung der Filtereigenschaft der Böden eine potentielle Gefährdung des Trinkwassers zu sehen. Die M1. -Quelle sei nur 660 m entfernt. Im X1. Massenkalk seien hohe Abstandsgeschwindigkeiten von 33 m/h ermittelt worden. Ferner bat sie um eine Klärung des Ganglinienverlaufs der Messstelle Aneu.
14Der von der Bergverwaltung um eine Stellungnahme gebetene Geologische Dienst NRW erklärte unter dem 22. August 2007 unter anderem, das Gutachten NBC vom November 2006 sei umfassend und berücksichtige die hydrogeologischen Gegebenheiten in besonderem Maße. Unter den vorgesehenen Maßgaben bestünden keine Bedenken. Langfristige örtliche Beobachtungen hätten ergeben, dass zu keiner Zeit ein Überstau stattgefunden habe.
15Mit Schreiben vom 13. September 2002 erteilte der Kreis T. - Untere Wasserbehörde - sein Einvernehmen zur Zulassung des Hauptbetriebsplanes.
16Mit Bescheid vom 25. September 2007 ließ die beklagte Bergbehörde den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, befristet bis zum 30. November 2009 zu. In dem Bescheid sind in der Nebenbestimmung Nr. 14 das Einstellen des Abbaus bei Erreichen von 352 mNN im nordöstlichen Bereich, von 362 mNN im nordwestlichen Bereich und von 385 mNN im südlichen Bereich vorgeschrieben. Die Nebenbestimmung Nr. 15 ordnet die Errichtung und Betreibung weiterer Grundwassermessstellen an. Nach der Nebenbestimmung Nr. 17 ist der Abbau sofort einzustellen, sollten bei den vorgenannten Abbauteufen wider Erwarten Grundwasser angetroffen oder Quellen freigelegt werden.
17Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19. Oktober 2007 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass zentrale Fragen zur hydrogeologischen Situation nicht geklärt seien, so dass für eine Zulassung des Vorhabens die gesicherte Erkenntnisgrundlage fehle. Es sei davon auszugehen, dass sowohl die durchschnittlichen als auch die maximalen Grundwasserstände höher lägen als angenommen. Eine Gefährdung des Grundwassers sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen. Eine Zulassung des Abbaus bis 2 m über dem angenommenen Bemessungsniveau werde der Empfindlichkeit und der Komplexität der hydrogeologischen Verhältnisse nicht gerecht. Nur ein stufenweiser Abbau mit vorlaufenden Bohrungen könne Gefahren vorbeugen.
18Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens teilte der um eine weitere Stellungnahme gebetene Geologische Dienst NRW unter dem 17. Februar 2009 mit, es seien keine Erkenntnisse gewonnen worden, dass ein Überstau der Sohle über einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten erfolgen könne. Langfristige Beobachtungen des Geologischen Dienstes NRW vor Ort sicherten diese Erkenntnis ab.
19Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2009, der Klägerin zugestellt am 8. September 2009, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung unter anderem aus: Die gutachterlichen Stellungnahmen der Gutachter der Klägerin, des Ingenieurbüros T3. und Partner, ließen erkennen, dass Unklarheiten über den räumlichen Geltungsbereich des genehmigten Vorhabens bestünden. Nicht von der Zulassung erfasst sei der östlich gelegene, nach Abgrabungsrecht betriebene Steinbruch der Fa. X2. GmbH, auf den sich vermutlich Aussagen zu einem Überstau bei den dort vorhandenen Messstellen bezögen. Forderungen nach weiteren Messstellen im Bereich des hier genehmigten Vorhabens sei bereits durch den Zulassungsbescheid Rechnung getragen. Die beteiligten Fachbehörden hätten keine Bedenken erhoben. Wegen der zeitlichen Befristung der Zulassungen bestehe die Möglichkeit, die Festlegung der Sohlhöhen regelmäßig zu überprüfen. Befahrungen hätten keine Hinweise auf eine Überstauung ergeben.
20Am 8. Oktober 2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
21Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte die Zulassung des angefochtenen Hauptbetriebsplanes mit Bescheid vom 11. November 2009 bis zum 30. November 2011 und mit weiterem Bescheid vom 14. September 2011 bis zum 30. November 2013 verlängert.
22Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren ergänzt und vertieft. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht: Als Eigengesellschaft des Kreises T. erfülle sie die Daseinsvorsorgeaufgabe der öffentlichen Wasserversorgung. Ferner sei sie Inhaberin bestandskräftiger Wasserrechte und Begünstigte der Wasserschutzgebietsverordnung. Damit sei ihre Klagebefugnis gegeben. Die streitige bergrechtliche Zulassung sei geeignet, den Schutzzielen der Wasserschutzgebietsverordnung zuwider zu laufen. Das Vorhaben der Beigeladenen führe zu einer konkreten Gefährdung des Grundwasservorkommens, ohne dass der angefochtene Bescheid Regelungen zum Ausschluss einer solchen Gefahr enthalte. Die Festlegung der maximalen Abbauteufen beruhe auf der Grundforderung, dass der Abbau nur im grundwasserfreien Bereich erfolgen dürfe. Die zu Grunde gelegten hydrogeologischen Erkenntnisse seien nicht ausreichend. Insbesondere der Bericht NBC vom November 2006 betrachte einen zu kurzen Zeitraum. Langjährige Zeitreihen zeigten einen Überstau von über 6 Monaten pro Jahr. Ergänzende Messstellen seien nicht errichtet bzw. in die Auswertung einbezogen worden. Die Grundwassermessstelle Aneu lege nahe, dass im benachbarten Steinbruch ein Wasseranstieg über Sohlniveau erfolge. Die Untersuchung des Grundwasserhorizonts beruhe nur auf einem eingeschränkten Grundwassermessstellennetz und selbst die in der Nähe gelegenen Messstellen KL 33 und KL 35 seien unberücksichtigt geblieben. Gerade deren Auswertung zeige, dass die festgelegte Sohlhöhe von 350 plus 2 mNN im Grundwasserstandsniveau liegen könne. Unter Berücksichtigung des nach dem sog. T2. -Plan aus dem Jahr 1992 für das Grundwasserstandsniveau von der Genehmigungsbehörde als ausreichend erachteten 75er-Perzentils liege die Sohlhöhe von 350 mNN im Bereich der Grundwassermessstelle B lediglich knapp über diesem Wert, bei der am Abgrabungsrand gelegenen Grundwassermessstelle KL 35 liege das 75er-Perzentil 15 m über dieser Sohlhöhe. Messstellen, die um den hier streitigen Tagebau lägen, seien zu berücksichtigen, da eine räumliche Bewertung der Grundwasserstandsmessungen zu erfolgen habe. Das Schutzniveau der Hauptbetriebsplanzulassung sei unzureichend. Nach der Wasserschutzgebietsverordnung sei nur ein Trockenabbau zulässig. Die Betriebsplanzulassung toleriere aber ein zeitweises Freilegen von Grundwasser. Die Berücksichtigung des 75er-Perzentils nach dem sog. T2. -Plan und des Sicherheitszuschlages von 2 m führe ungefähr zu einem 90er-Perzentil, was in 10 % der Fälle oder der Jahresstunden zu einer Grundwasserfreilegung führe und nicht mit der Prämisse zu vereinbaren sei, dass der Gesteinsabbau nur im Trockenen ohne Grundwasserfreilegung erfolgen dürfe. Wie aus anderen Verfahren bekannt sei, nehme der Beklagte dieses Risiko bewusst in Kauf, weil er meine, die Zugrundelegung eines 75er-Perzentils führe nicht zu einer „dauernden“ Grundwasserfreilegung im Sinne der Wasserschutzgebietsverordnung. Ein derart eingeschränkter Schutz des Grundwassers sei materiell-rechtlich nicht mit dem wasserrechtlichen Schutz des Grundwassers zu vereinbaren. Der Begriff „dauernd“ in der Wasserschutzgebietsverordnung sei restriktiv zu interpretieren. Auch hoch anstehendes Grundwasser nach Niederschlagsspitzen sei geschützt. Die Zugrundelegung eines 75er-Perzentils habe sich mit Blick auf Erkenntnisse aus den letzten Jahren für die Festsetzung von Abbauteufen im X1. Massenkalk als unzureichend erwiesen. Die vom Beklagten im Klageverfahren eingeholte Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW kläre nicht mit der erforderlichen Belastbarkeit, ob das Vorhaben zu einer dauerhaften Freilegung von Grundwasser führe. Die herangezogene Datenlage sei unzureichend. Nur die Messstelle B 2 werde regelmäßig beobachtet und nur das Wasserwirtschaftsjahr 2009/2010 sei in Betracht gezogen worden. Das vom Geologischen Dienst NRW festgestellte Vorhandensein von zwei verlehmten Großspalten und die Schlussfolgerung, die Vorstellung von einem mehr oder weniger homogenen Grundwasserleiter müsse aufgegeben werden, erfordere eine völlig neue hydraulische Betrachtung mit der Folge, dass die Abbaufelder und die Sohlhöhen neu festzulegen seien. Im westlichen Abbaufeld könne eine Überschreitung des 75er-Perzentils nicht ausgeschlossen werden. Offen geblieben sei weiterhin die Frage, ob das unbeeinflusste Grundwasserstandsverhalten oder das durch den Gesteinsabbau veränderte Grundwasserstandsniveau für die Betriebsplanzulassung zu Grunde zu legen sei. Mit der abbaubedingten Dämpfung der Grundwasserspitzen sei zugleich eine Veränderung der Grundwasserdruckverhältnisse verbunden, was zu einer Veränderung der Hydrochemie führe, insbesondere zu einem Chloridanstieg. Die Nebenbestimmung Nr. 17 des Zulassungsbescheides, wonach der Gesteinsabbau im Falle der Grundwasserfreilegung sofort einzustellen sei, stehe dem nicht entgegen. Es handele sich nur um eine Notfallregelung, auch habe bereits die Zulassung eine auch nur zeitweise Freilegung des Grundwassers auszuschließen. Zudem fehle für eine solche Freilegung als Gewässerbenutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis. Der Genehmigungsbescheid sei im Übrigen zu unbestimmt. Die Nebenbestimmung Nr. 18 betreffend die Aufbringung einer lehmhaltigen Schicht aus Gründen des Grundwasserschutzes regele aber keine die Beigeladene bindenden Zeitvorgaben, wann diese Schicht aufzubringen sei, so dass die Gefahr des Eintrags wassergefährdender Stoffe ins Grundwasser bestehe. Eine eindeutige Festlegung der Anteile des Mischungsverhältnisses einzelner Komponenten sei wegen der Frage der Durchlässigkeit erforderlich. Freiliegendes Grundwasser berge stets die Gefahr von unmittelbaren Schadstoffeinträgen, was insbesondere in einem Trinkwasserschutzgebiet nicht akzeptabel sei. Wenn durch Sprengungen das Klufthohlraumvolumen zunehme, nehme auch der Chloridgehalt des Grundwassers zu. Bei der M1. -Quelle sei der Chloridgehalt Gegenstand einer Überwachung der Bezirksregierung Arnsberg gewesen. Sprengungen könnten auch tektonische Veränderungen mit sich bringen und auf Quellen einwirken, weil sich der Grundwasserstrom verändere.
23Die Klägerin hat beantragt,
24den zugunsten der Beigeladenen erlassenen Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 4. September 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide des Beklagten vom 11. November 2009 und 14. September 2011 aufzuheben.
25Der Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Er hat im Wesentlichen geltend gemacht: Die Betriebsplanzulassung verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten aus der Wasserschutzgebietsverordnung. Die Betriebsplanzulassung sei im Einvernehmen mit der Unteren Wasserbehörde des Kreises T. erfolgt. Wasserrechtlich liege keine Benutzung vor, die geeignet sei, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen. Die Nebenbestimmungen des Hauptbetriebsplanes stellten sicher, dass das Grundwasser nicht gefährdet werde, keine Gewässerbenutzung stattfinde und kein Eintrag wassergefährdender Stoffe in das Grundwasser erfolge. Bei sog. freigelegtem Grundwasser handele es sich eher um Oberflächenwasser, welches nicht sofort versickere. Die Festlegung der Abbauteufen sei nicht zu beanstanden. Die hierfür von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten des Ingenieurbüros NBC und die von der Klägerin eingebrachten Gutachten des Ingenieurbüros T3. und Partner seien dem Geologischen Dienst NRW vorgelegt worden, der sich im Sinne der Beigeladenen ausgesprochen habe. Die laufenden Grundwasserbeobachtungen dokumentierten nach dem extremen Nassjahr 2007 fallende Grundwasserstände. Das von der Klägerin geforderte Abbauniveau, das einem 100er-Perzentil entspreche, sei bezüglich des in der Schutzzone III A gelegenen Tagebaus nicht von § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO gefordert. Es sei keine Abgrabung, die Grundwasser dauernd freilege oder anschneide. Das Freilegen des Grundwassers erstrecke sich allenfalls auf kurze Zeiträume. Hierfür sei vom Verordnungsgeber offenbar keine restriktivere Regelung getroffen worden. Die Festlegung eines Bemessungsgrundwasserstandes sei zwingend erforderlich. In einem Karstgrundwasserkörper könne der Grundwasserstand bedingt durch das über Klüfte zufließende Oberflächenwasser stark schwanken. Die Schwankungsamplitude könne mehrere Meter betragen. In dem sog. T2. -Gutachten aus dem Jahr 1992 seien erstmals Grundwasserstände dargestellt worden, die einem 75er-Perzentil entsprächen und als Höchststände für Abbauteufen als Trockenbau anerkannt worden seien. Tatsächlich müsse der Abbau 2 m oberhalb dieses Grundwasserspiegels enden, was in etwa einem 90er-Perzentil entspreche. Hierbei würden in der Regel nur kurzzeitig sich einstellende Grundwasserstandsspitzen nach extremen Regenereignissen oder anhaltenden Niederschlagsperioden nicht erfasst. Seit dem sog. T2. -Gutachten aus 1992 habe zwischen den Genehmigungs- und Fachbehörden Konsens bestanden, dass bei dieser Vorgehensweise keine wasserwirtschaftliche Besorgnis bestehe. Zudem hätten wegen des Vorläufigkeitscharakters der „T2. -Linien“ im vorliegenden Fall konkrete gutachterliche Untersuchungen stattgefunden. Auch die Klägerin habe bei dem vorlaufenden fakultativen Rahmenbetriebsplan aus dem Jahr 2000 mit dem entsprechenden Bewertungsansatz keinen Widerspruch erhoben und auch eine andere Betriebsplanzulassung für einen weiteren Tagebau nicht beklagt. Die behauptete Beeinflussung des übergeordneten hydraulischen Systems durch den eher kleinräumigen Tagebau sei nicht nachvollziehbar. Es bestehe ein Defizit zwischen der Wasserneubildungsrate und der Abflussmenge einschließlich Entnahmemengen durch die Wasserwerke. Auch der Geologische Dienst NRW komme zu dem Ergebnis, dass auf Grund des Tagebaus nicht mit einer Freilegung von Grundwasser oder einem Überstau der Sohlen zu rechnen sei. Im südlichen Teil des Tagebaus sei sogar noch ein tieferer Abbau als beantragt möglich gewesen. Grundwässer mit höherem Chloridgehalt könnten daher nicht im Bereich des Wasserschutzgebietes in das Grundwasser eingeleitet worden sein. Ein Bezug zu dem Gesteinsabbau sei nicht nachgewiesen. Der nach Abgrabungsrecht genehmigte benachbarte Tagebau stehe nicht unter Wasser und befinde sich sogar ca. 10 m tiefer als der hier bergrechtlich zugelassene Tagebau. Durch Sprengungen entstünden keine Gefahren. Die geforderte Abdeckung der Tagebausohle solle eine den natürlichen Verhältnissen vergleichbare Schutz- und Filterfunktion für das Grundwasser haben. Gemäß der Nebenbestimmung Nr. 25 der Hauptbetriebsplanzulassung dürfe nur aus dem Standort stammendes Material verwendet werden, das naturgemäß nicht so homogen wie Bodenmaterial mit eindeutigen physikalischen Eigenschaften sein könne. Das Aufbringen einer Abdeckung, die zum Stau von Niederschlagswasser führe, sei nicht sinnvoll.
28Die Beigeladene hat beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Sie hat insbesondere vorgetragen: Die von der Klägerin unter Berufung auf Stellungnahmen des Ingenieurbüros T3. und Partner behauptete fehlerhafte bzw. unzureichende hydrogeologische Rechtfertigung des Vorhabens sei von mehreren Stellen mit einem negativen Ergebnis geprüft worden. Der sog. T2. -Plan enthalte den Grundwasserhochstand und keine Festlegung eines 75er-Perzentilwerts. Wenn der Bemessungswasserstand nach dem T2. -Plan zu Grunde gelegt worden wäre, hätten sich größere Abbauteufen ergeben. Da die hydrogeologische Erkenntnislage vom damaligen Staatlichen Umweltamt M2. als nicht ausreichend eingeschätzt worden sei, seien eigenständige Untersuchungen erforderlich geworden. Die empfohlene Festlegung der Sohltiefen habe hier auf einer hydrogeologischen Systemanalyse beruht. Im sog. unverritzten Gebirge mit noch nicht abgebautem Kalkstein ergebe sich eine große Grundwasserschwankungshöhe, weil wegen fehlender Hohlräume keine Speicherung eindringenden Wassers erfolge. Hieraus resultierten große Abstände der Messwerte für die einzelnen Perzentile von mehreren Metern bis hin zu 10 bis 20 m. Die Grundwasserganglinie aus einer Messstelle an der Grundsohle im abgebauten Bereich weise für jedes Perzentil nur noch sehr geringe Abstände der Messwerte auf. Durch den Gesteinsabbau erhöhe sich die Auflockerung des Gebirges und vergrößere das Kluftraumvolumen, was das Wasserspeichervermögen des Gebirges deutlich erhöhe. Dies führe zu einer deutlich gedämpfteren Grundwasserganglinie. Bei der hydrogeologischen Prognose der erreichbaren Sohltiefen seien die Perzentil-Verteilung, die Grundwasserfließrichtung und die Niederschlagsabflussbedingungen zu berücksichtigen. Ein besonderes Augenmerk sei auf die Randbedingungen wie Starkregenereignisse zu richten, hier etwa das Starkregenereignis im Jahr 2007 als hundertjähriges Ereignis (worst-case-Fall). Im Übrigen sei die bergrechtliche Zulassung vor ihrem Erlass mit der Unteren Wasserbehörde zum Zwecke der Erteilung des Einvernehmens im Sinne des § 9 Abs. 6 WSG-VO abgestimmt worden. Nach Meinung des Geologischen Dienstes NRW sei mit einer Freilegung von Grundwasser oder einem Überstau der Sohlen nicht zu rechnen. Für die südliche Teilfläche sei die angenommene Sohlhöhe von 385 mNN sogar zu hoch bewertet. Von der Klägerin erhobene Einwendungen gegen die Nebenbestimmungen seien unbegründet.
31Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 13. Dezember 2011 (ZfB 2012, 49 ff.) abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Ein dauerhaftes Freilegen oder Anschneiden von Grundwasser liege vor, wenn das Grundwasser bei normalem Geschehensablauf im Jahresverlauf regelmäßig und für einen erheblichen Zeitraum zu Tage trete bzw. angetroffen werde. Dies sei noch nicht gegeben, wenn das Grundwasser nach höheren Niederschlägen nur kurzfristig oder in ausgeprägten Nassjahren auch für einige Wochen bis Monate zu Tage trete oder angetroffen werde. Vorliegend sei nicht zu erwarten, dass durch den zugelassenen Abbau Grundwasser dauerhaft freigelegt oder angeschnitten werde. Diese Prognose sei auf Grund der vorliegenden fachlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros NBC bzw. GeoConsult und des Geologischen Dienstes NRW möglich. Hiernach sei bei den zugelassenen Abbauteufen eine dauerhaft trockene Grundsohle des Tagebaus zu erwarten. Die Kritik des von der Klägerin beauftragten Gutachterbüros T3. und Partner hieran greife nicht. Es sei sachgerecht, sich an den 75er-Perzentilen der relevanten Grundwassermessstellen über mehrere Jahre zuzüglich eines Sicherheitsabstandes von 2 m zu orientieren.
32Die Klägerin hat gegen dieses Urteil die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
33Im Laufe des Berufungsverfahrens verlängerte die Beklagte auf Antrag der Beigeladenen die Zulassung des Hauptbetriebsplanes II mit Bescheid vom 13. September 2013 bis zum 30. November 2015.
34Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin unter Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz geltend: Sie sei klagebefugt, weil durch das zugelassene Vorhaben eine Beeinträchtigung des Grundwassers wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO zu befürchten sei. Zudem sei das Vorhaben der Beigeladenen eine Benutzung im Sinne des § 9 WHG und gemäß § 8 WHG erlaubnispflichtig. Das Verwaltungsgericht habe ihr - der Klägerin - zu Unrecht die Befugnis abgesprochen, das Fehlen einer wasserrechtlichen Erlaubnis im bergrechtlichen Verfahren geltend zu machen. Sie könne sich auch auf eine Verletzung subjektiver Rechte aus den §§ 55 Abs. 1, 48 Abs. 2 BBergG berufen. Sie nehme die Aufgabe der öffentlichen Trinkwasserversorgung für die an ihr beteiligten Kommunen wahr und verfüge über eigene Trinkwassergewinnungsanlagen. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG seien mittelbare Auswirkungen des Bergbaus auf geschützte Rechtsgüter Dritter im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen, wobei es offenbleiben könne, ob auf diese Generalklausel oder die speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG zurückzugreifen sei. Eine berücksichtigungsfähige Rechtsposition sei hier wegen des Rechts auf Grundwassergewinnung und zur Trinkwasserversorgung durch das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot begründet, das auch im Bergrecht Beachtung finden müsse. Die kürzlich erteilte weitere Genehmigung zur Fortsetzung der Grundwasserentnahme besage nichts über eine Gefährdung durch rechtswidrige Eingriffe Dritter. Die beklagte Bezirksregierung habe die auf Grund der Benutzung eines Gewässers erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 WHG selbst als zuständige Wasserbehörde zusätzlich erteilen und dabei die erforderliche Rücksichtnahme auf ihre - der Klägerin - geschützte Rechtsposition sicherstellen müssen. Die Bergbehörde sei zu einer eigenständigen Prüfung verpflichtet gewesen und habe sich nicht nur auf eine Stellungnahme des Kreises T. und die Beteiligung dieser Behörde stützen dürfen. Andernfalls würden Betroffene rechtsschutzlos gestellt. Eine ordnungsgemäße Prüfung komme zu spät. Unabhängig davon, ob ein anderes wasserrechtliches Verfahren zur Verfügung stehe, habe die Bergbehörde insbesondere bei der Zulassung eines Hauptbetriebsplanes, der den Abbau freigebe, die grundsätzliche Machbarkeit bzw. Genehmigungsfähigkeit in wasserrechtlicher Hinsicht prüfen müssen, um zu klären, ob wasserrechtliche Probleme in diesem anderen Verfahren überhaupt bewältigt werden können. Wenn bereits im Vorfeld feststehe, dass eine wasserrechtliche Erlaubnis nicht erteilt werden könne, sei eine Betriebsplanzulassung zwingend zu versagen. Dies gelte hier insbesondere, weil die streitige bergrechtliche Zulassung keine Konzentrationswirkung habe. Diesen Anforderungen genüge die angefochtene und ohne entsprechende Nebenbestimmungen erlassene Betriebsplanzulassung nicht, zumal die Bergbehörde das Erfordernis eines wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens bestreite. Wenn sich die Bergbehörde weigere, ein wasserrechtliches Erlaubnisverfahren durchzuführen und den Abbau gleichwohl freigebe, sei kein Rechtsschutz möglich. Die angefochtene Betriebsplanzulassung sei auch in der Sache rechtswidrig. Sie verstoße gegen die §§ 48 Abs. 2 Satz 1, 55 Abs. 1 BBergG und das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot, weil sie eine wasserrechtliche Benutzung im Sinne des § 9 WHG ohne eine entsprechende Prüfung gestatte und diese Benutzung nicht erlaubnisfähig sei. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass keine dauerhafte Freilegung des Grundwassers erfolge. Im westlichen Teilbereich liege die Abbausohle unterhalb des Grundwasserspiegels. Nur auf Grund der Annahme, Sprengtätigkeiten würden das Gestein unterhalb der Sohle so auflockern, dass ein größeres Hohlraumvolumen entstehe, werde ein sinkender Grundwasserspiegel infolge einer Kappung der Grundwasserspitzen prognostiziert. Eine Dämpfung des natürlichen Grundwasserspiegels bis 2 m unter die geplante Abbausohle erfülle den „unechten“ Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG. Die natürliche Druckhöhe des oberflächennahen Grundwassers werde künstlich abgesenkt. Hierdurch vergrößere sich der Zustrom des aus größerer Tiefe aufsteigenden höher mineralisierten Tiefenwassers, das einen geringeren Gegendruck zu überwinden habe. Die materiell-rechtliche Frage des Vorliegens einer Gewässerbenutzung werde durch eine bergrechtliche Zulassung der Sprengungen nicht berührt. Die Folge einer Absenkung des Grundwasserspiegels sei ein stetiger Anstieg des Chloridgehaltes. Die Trinkwasserversorgung könne ohne Aufbereitung langfristig nicht mehr aufrechterhalten werden. Dem stehe die Bestimmung des § 35 WHG a. F./§ 49 WHG n. F. zu Erdaufschlüssen nicht entgegen. Die Beigeladene nehme eine zielgerichtete und nicht nur unabsichtliche Einwirkung auf den Grundwasserhorizont vor. Dies bedürfe einer präventiven Kontrolle, die der Beklagte nicht vorgenommen habe. Die erforderliche Erlaubnis habe nicht erteilt werden können, weil schädliche Gewässerveränderungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG zu erwarten seien, jedenfalls ein Verstoß gegen das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot vorliege. Eine Beeinträchtigung ihrer - der Klägerin - zustehenden alten Wasserrechte wegen eines erhöhten Schadstoffeintrages sei zu befürchten. Ferner verstoße das zugelassene Vorhaben gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei wirksam. Sie sei formell rechtmäßig. Zwar sei die Gebietsabgrenzung zwischen den Schutzzonen III A und III B im Bereich L. nach der Öffentlichkeitsbeteiligung verändert worden. Die Schutzzone III A sei unter Berücksichtigung der Belange betroffener Grundstückseigentümer teilweise zur Schutzzone III B herabgestuft worden. Neue Betroffenheiten seien hierdurch nicht ausgelöst worden. Aus § 150 LWG NRW folge nicht das Erfordernis, in einem solchen Fall die Öffentlichkeitsbeteiligung ganz oder teilweise zu wiederholen. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei auch materiell rechtmäßig. Sie entspreche den Anforderungen des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F./§ 51 Abs. 1 Nr. 1 WHG n. F. Bei den hiergegen gerichteten Angriffen der Beigeladenen verwische diese die Erforderlichkeitsprüfung auf der Tatbestandsseite und die Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite. Die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes dürften nicht überspannt werden. Die Festsetzung sei bereits dann erforderlich, wenn sie vernünftigerweise geboten sei. Hierbei sei der Wasserbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Bei der Unterschutzstellung eines Grundwasservorkommens seien Umsetzungsschwierigkeiten unvermeidbar, weil sich genaue Grenzen nicht immer an der Erdoberfläche abbildeten und auch bei sorgfältiger hydrogeologischer Erkenntnislage die Grundwasserfließverhältnisse nicht exakt bestimmt werden könnten. Deshalb sei der Behörde ein administrativer Vereinfachungsspielraum zuzubilligen. Dies gelte insbesondere, wenn es sich um ein Karstgebiet mit hydrogeologisch äußerst schwierigen und nur sehr schlecht berechenbaren bzw. prognostizierbaren Bedingungen handele. Die Einbeziehung des nördlichen Massenkalkzuges im Bereich T1. , in dem auch das Baufeld der Beigeladenen liege, sei erforderlich gewesen. Eine ausreichende Erkenntnisgrundlage hierzu habe dem Beklagten vorgelegen. Das Baufeld liege im Bereich des zur M1. -Quelle hin entwässernden Massenkalkzuges, was das sog. T2. -Gutachten aus dem Jahr 1992 und weitere gutachterlich ermittelte Ergebnisse von Grundwasserstandsmessungen belegten. In einem Karst-Grundwasserleiter mit hohen Abstandgeschwindigkeiten - wie dem vorliegenden - seien im Gegensatz zu (idealtypischen) Poren-Grundwasserleitern hydraulische Berechnungen aus fachlicher Sicht weder zweckmäßig noch durchführbar. Die Abgrenzung habe sich daher nach dem Verlauf ober- und unterirdischer Grundwasserscheiden zu richten und müsse die topographischen sowie geologischen Verhältnisse berücksichtigen. Die Grenzziehung zwischen den Schutzzonen III A und III B östlich des „Hohlen Steins“ sei fachlich begründet. Sie stütze sich auf das sog. T2. -Gutachten und werde durch neuere Erkenntnisse verifiziert. Die Schutzzone III A orientiere sich an der Verbreitung des Massenkalks. Das in den Massenkalk entwässernde Vorland sei als Schutzzone III B eingegliedert und die in den Massenkalk entwässernden Vorfluter möglichst in die Schutzzone II gelegt worden. Auch weitere Abgrenzungen seien im Erläuterungsbericht nachvollziehbar begründet worden. Unbeschadet des zufließenden Tiefenwassers sei der Schutz des oberflächennahen Einzugsgebiets im X1. Massenkalk fachlich begründbar. Eine Ausdehnung des Wasserschutzgebietes auf unbekannte Einzugsgebiete sei nicht zulässig gewesen. Ein Schutz der C1. -Quelle hätte dazu geführt, dass weite Teile von X. in die Schutzzone II oder zumindest in die Schutzzone III A gefallen wären, so dass der Verordnungsgeber aus städtebaulichen Gründen diesen Bereich ermessensgerecht nicht in die Wasserschutzgebietsverordnung einbezogen habe. Der Schutz dieser Quelle sei durch andere Maßnahmen sicherzustellen. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei auch im Übrigen nicht mangelhaft. Die Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten vom 25. April 1975 enthalte keine materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, sondern sei als Hilfestellung gedacht. Insbesondere sei es unschädlich, dass nicht sämtliche dort genannten Unterlagen vorgelegen hätten. Es liege entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein dauerndes Anschneiden des Grundwassers im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO vor. Der Begriff „dauernd“ müsse insbesondere mit Blick auf die öffentliche Wasserversorgung und die Bedeutung des Grundwassers als Trinkwasserreservoir im Sinne der Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes restriktiv ausgelegt werden. Gleiches gelte nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975), das im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserschutzgebietsverordnung maßgeblich gewesen sei. Hiernach seien in der Schutzzone III A Erdaufschlüsse nicht tragbar, durch die die Deckschichten wesentlich verändert würden, vor allem wenn das Grundwasser ständig oder zu Zeiten hoher Grundwasserstände aufgedeckt oder eine schlecht reinigende Schicht freigelegt werde und keine ausreichende und dauerhafte Sicherung zum Schutz des Grundwassers vorgenommen werden könne. Dass im Aufstellungsverfahren der Wasserschutzgebietsverordnung noch das Verbot von Grabungen oder Abgrabungen geplant gewesen sei, die das Grundwasser „dauernd oder zeitweise“ anschnitten, der Verordnungstext aber nur noch den Begriff „dauernd“ enthalte, gebiete keine andere Sichtweise. Der Begriff „dauernd“ sei bis zuletzt auch im Sinne von „zeitweise“ verstanden worden, lediglich seitlich austretendes Grundwasser bei einem schwebenden Grundwasserhorizont habe nicht erfasst werden sollen. Die Vorschriften der Wasserschutzgebietsverordnung zeigten, dass ihr Schutzanspruch im Sinne eines vorbeugenden Grundwasserschutzes sehr streng sei. Eine unterbrechungsfreie Grundwasserabdeckung sei unverzichtbar. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Grundwasser dürfe in ausgeprägten Nassjahren auch einige Wochen bis Monate freiliegen, sei allenfalls eine Freilegung von einigen Tagen zulässig. Der Vorrang des Grundwasserschutzes vor dem Abbau von Bodenschätzen sei auch Ziel regionalplanerischer Reformen. Ansonsten sei selbst bei einem anderen Verständnis des Begriffes „dauernd“ die vom Verwaltungsgericht herangezogene Datengrundlage unzureichend, was gutachterlich belegt worden sei. Die Stellungnahmen des Geologischen Dienstes NRW seien nicht geeignet, ein abweichendes Ergebnis zu begründen. Die Angabe der Beigeladenen, bislang sei es nicht zu einer Freilegung von Grundwasser gekommen, überzeuge nicht. Der hierfür angegebene Beleg berücksichtige nur einen kurzen und trockenen Zeitraum, der etwa gegenüber einem ausgeprägten Nassjahr nicht repräsentativ sei.
35Die Klägerin beantragt,
36das angefochtene Urteil zu ändern und den Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, der Beigeladenen vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 aufzuheben.
37Der Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Eine Klagebefugnis der Klägerin ergebe sich ausschließlich aus der Wasserschutzgebietsverordnung. Diese Verordnung sei wirksam. In formeller Hinsicht lägen keine Fehler vor. Die Veränderungen nach der Öffentlichkeitsbeteiligung hätten zu keiner Verschärfung geführt. Mit der Verschiebung der Schutzzonengrenzen sei den Einwendungen eines Betroffenen im Erörterungstermin zu dessen Gunsten Rechnung getragen worden, was zu einer Abschwächung geführt habe. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Nicht der gesamte nördliche Massenkalkzug sei in das Schutzgebiet einbezogen worden, sondern nur soweit er im Einzugsgebiet der M1. -Quelle liege. Ein Grundwassergleichenplan (Stand: 31. Dezember 1988) in der „Wasserschutzgebietsakte X1. Kalkmassiv“ des früheren StAWA, der in M2. noch vorliege, zeige im Bereich des streitigen Tagebaus ein Gefälle zur M1. -Quelle. Der spätere „T2. -Plan“ habe dies bestätigt. Hydraulische Berechnungen seien nur im Lockergestein (Kies, Sand) möglich. Die Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten vom 25. April 1975 sehe unter Nr. 8.2.1 keine solche Berechnung bei Karstgrundwasserleitern vor. Das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Juni 2006) sehe unter Nr. 4.1 bei komplexen hydrogeologischen Verhältnissen eine Abgrenzung auch nach morphologischen, geo- und hydrogeologischen Ersatzkriterien vor, was hier geschehen sei. Die Grundwassergleichen zeigten, dass der Tagebau zum Einzugsgebiet gehöre. Eines Färbeversuchs, wie 1982 vorgenommen und in einer Zeitschrift dokumentiert, habe es nicht bedurft und er werde von der Klägerin zu Unrecht als unzureichend bewertet. Dieser habe nur dokumentieren sollen, ob ein Nebeneinander von Trinkwassergewinnung und Kalksteinabbau möglich sei und habe auch belegt, dass der Tagebau der Beigeladenen zum Einzugsgebiet der M1. -Quelle und in das Wasserschutzgebiet gehöre. Die Grenzziehung östlich des „Hohlen Steins“ sei nicht zu beanstanden. Eine Abgrenzung der Schutzzone II nach der 50-Tage-Linie sei nicht möglich gewesen, da wegen der im Karst üblichen hohen Fließgeschwindigkeiten das gesamte Einzugsgebiet in eine Schutzzone II habe fallen müssen. Die Abgrenzung müsse nach anderen Kriterien erfolgen. Das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) berücksichtige anders als das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Juni 2006) die Karstsituation nur unzureichend. Die Schutzzone II sei nach dem Erläuterungsbericht also nur für Flächen mit einer besonders großen Gefährdung für die Wassergewinnungsanlagen festgesetzt. Die Wahl der Grenzziehung sei als Ermessensentscheidung des StAWA M2. in enger Abstimmung mit dem damaligen Geologischen Landesamt erfolgt. Auch ansonsten sei die Schutzgebietszonenabgrenzung gerechtfertigt. Im Bereich der Schiefertone (Schutzzone III B) orientiere sich die westliche Grenze an der oberirdischen Einzugsgebietsgrenze. Sie sei wegen der eindeutigen Erkennbarkeit an die B 55 gelegt worden. Das Schutzgebiet sei hierdurch etwas kleiner, was wegen des Waldes vertretbar sei. Im Bereich des Massenkalks (Schutzzone III A) schließe die westliche Grenze Flächen ein, von denen ein Einfluss auf die I1. -Quelle II nicht auszuschließen sei. Die nördliche Abgrenzung sei nach hydrogeologischen und hydraulischen Gesichtspunkten erfolgt. Aus der Verfahrensakte und früheren Abgrenzungsentwürfen gehe hervor, dass Flächen aus dem Schutzgebiet hätten herausgenommen werden können, nachdem die Quellen im Stadtgebiet überflüssig geworden seien und von denen Wasser aus geodätischen Gründen nicht mehr zur I1. -Quelle II fließen könne. Der Grundwassergleichenplan aus 1988 zeige im Bereich T1. ein Gefälle zur M1. -Quelle, weshalb das Gebiet „Auf dem Stein“ in das Wasserschutzgebiet einbezogen worden sei. Das Tiefenwasser werde zwar nicht geschützt. Geschützt werde aber das im X1. Massenkalk neu gebildete Grundwasser bzw. von Süden zufließende Gewässer, die über Schwalglöcher und Bachschwinden ihr Wasser an den Massenkalk abgäben. Gefördert werde ein Mischwasser aus Grundwasser und Tiefenwasser. Alle am Schutzgebietsverfahren Beteiligten seien sich dessen ebenso bewusst gewesen wie der Gefährdung der Wassergewinnungsanlagen durch das oberflächennahe Einzugsgebiet, was durch einen Salzungsversuch im Jahr 1973 an der M1. -Quelle belegt worden sei. Die C1. -Quelle sei anders als bei einem Entwurf aus dem Jahr 1986 nicht geschützt worden, weil ansonsten das gesamte Stadtgebiet von X. in das Schutzgebiet habe mit einbezogen werden müssen. Eine Stadtentwicklung wäre dann kaum noch möglich gewesen. Die C1. -Quelle diene nur einer geringen Wasserentnahme. Die Alternativenprüfung einer anderweitigen Bedarfsdeckung habe nicht im Rahmen der Wasserschutzgebietsfestsetzung erfolgen müssen. Das Wasservorkommen aus dem X1. Kalkmassiv werde für die öffentliche Trinkwasserversorgung genutzt, weshalb der Schutz des Grundwassers zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich gewesen sei. Im Übrigen seien die vorgelegten Unterlagen ausreichend gewesen. Die in Nr. 8.2.1 VwV-WSG angesprochenen Planunterlagen hätten nur „im Allgemeinen“ vorliegen müssen. Das StAWA M2. sei vom Regierungspräsidenten Arnsberg mit der Vorbereitung des Wasserschutzgebietsverfahrens beauftragt worden. Die meisten der in Nr. 8.2.1 VwV-WSG erwähnten Unterlagen hätten dem StAWA M2. bzw. Vorgängerbehörden vorgelegen und seien nicht nochmals in einem „Schutzgebietsgutachten“ zusammengefasst worden. Selbstverständlich hätten grundlegende Dinge wie Übersichtskarten mit Gewässerfassungsanlagen und Kenntlichmachung der Gewässer, Schichtenverzeichnisse oder Baupläne der Fassungsanlagen, bakteriologische Untersuchungen des Roh- und Trinkwassers vorgelegen. Solange das Schutzgebiet geplant gewesen sei, sei immer klar gewesen, dass die hydrogeologischen Verhältnisse des X1. Massenkalks höchst kompliziert seien. Dies komme in allen Stellungnahmen und Untersuchungsberichten in der Verfahrensakte zum Ausdruck. Der Erkenntnisstand sei im Laufe der Jahre gewachsen, auch hinsichtlich der zu schützenden Quellen. Der Erkenntnisprozess sei in der Verfahrensakte dokumentiert. Es liege zwar keine hydrogeologische Begutachtung als geschlossener Bericht vor. Die hydrogeologischen Erkenntnisse seien aber in der Akte niedergelegt. Auch im Übrigen hätten alle für die sachgerechte Abgrenzung des Wasserschutzgebietes erforderlichen Informationen dem StAWA M2. vorgelegen. Das Geologische Landesamt habe die Wasserschutzgebietsverordnung mitgetragen. Selbst mit der Kalksteinindustrie sei 1992 aufgrund des „T2. -Plans“ eine Einigung erzielt worden. Ansonsten sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Bei der Forderung nach einer wasserrechtlichen Machbarkeitsprüfung verkenne die Klägerin, dass keine notwendigen Folgemaßnahmen in Bezug auf ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren zu prüfen gewesen seien. Die streitige Hauptbetriebsplanzulassung habe ebenso wenig wie die vorausgegangene Rahmenbetriebsplanzulassung eine Konzentrationswirkung. Eigentlich gehe es der Klägerin nur darum, ob die Beigeladene zusätzlich eine wasserrechtliche Erlaubnis benötige. Eine ziel- und zweckgerichtete Vergrößerung des Kluftvolumens durch eine Gesteinsauflockerung mit der Folge einer Kappung der Grundwasserspitzen und der Erfüllung des Tatbestandes einer unechten Benutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG stehe im Widerspruch zu der bergrechtlichen Gestattung, die nur schonende Sprengungen gestatte. Die Behauptung, die Druckhöhe des oberflächennahen Grundwassers werde künstlich abgesenkt, halte einer Überprüfung nicht stand. Die Lage des Grundwasserspiegels im Bereich des streitigen Tagebaus werde durch ein großräumig wirkendes hydraulisches System bestimmt. Es bestehe ein Defizit zwischen der Wasserneubildungsrate und der Abflussmenge über die Vorfluter einschließlich der Wasserentnahmemenge durch die Klägerin. Grundwässer mit höherem Chloridgehalt müssten auf Grund eines geogenen hydraulischen Gefälles als Tiefenwässer zufließen. Chlorid könne nicht im Bereich des Wasserschutzgebietes in das Grundwasser eingeleitet worden sein. Eine großräumige Beeinflussung des hydraulischen Gesamtsystems könne allenfalls durch ein dauerndes Abpumpen von großen Wassermengen erfolgen, was nach der Nr. 17 der Nebenbestimmungen des Zulassungsbescheides nicht gegeben sei. Die Kritik der Klägerin an der Auslegung des Begriffs „dauernd“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO durch das Verwaltungsgericht gehe fehl. Hieraus die Begriffe „zeitweilig“ oder „vorübergehend“ heraus zu interpretieren, überschreite die anerkannten Auslegungsgrundsätze. Auflockerungen durch die Abbautätigkeit seien bereits in den Antragsunterlagen angesprochen worden. Allgemeine Gefahren für das Grundwasser bei Freilegen eines Grundwasserleiters seien bei den betriebsplanmäßig zugelassenen Tätigkeiten der Beigeladenen nicht gegeben.
40Die Beigeladene beantragt,
41die Berufung zurückzuweisen.
42Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht ergänzend geltend: Das vom Verwaltungsgericht festgestellte Fehlen einer Verletzung subjektiver Rechte aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG habe die Klägerin nicht angegriffen. Auf eine Verletzung von § 55 Abs. 1 Nr. 9 BBergG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil diese Vorschrift nicht individuellen Interessen Einzelner diene. Eine Verletzung von §§ 55 Abs. 1, 48 Abs. 2 BBergG in Verbindung mit dem wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot scheide aus. Die vorliegende Betriebsplanzulassung entfalte keine Konzentrationswirkung, so dass drittschützende Vorschriften, über die in anderen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren entschieden werde, hier nicht zu prüfen seien. Wasserrechtliche Einwendungen seien nicht über § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zu prüfen. § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO sehe kein generelles Verbot bergrechtlicher Tätigkeiten vor. Unabhängig davon könne die Klage keinen Erfolg haben, weil kein genehmigungspflichtiger Benutzungstatbestand im Sinne des § 9 WHG vorliege. Es fehle an einer finalen Inanspruchnahme von Grundwasser. Auswirkungen auf die Grundwasserdruckverhältnisse seien nur theoretisch. Dies zeige auch die spezielle Regelung des § 49 WHG n. F. zu lediglich anzeigepflichtigen Erdaufschlüssen. Durch Nebenbestimmungen zum Hauptbetriebsplan werde eine unbeabsichtigte Grundwassererschließung verhindert. Im Übrigen habe die Klägerin kein subjektives Recht auf Einhaltung des Zulassungserfordernisses aus § 8 Abs. 1 WHG. Nichts anderes folge aus § 19 Abs. 2 WHG; die wasserrechtliche Entscheidung trete selbstständig neben den bergrechtlichen Betriebsplan. Anders als bei einem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit Konzentrationswirkung sei in Bezug auf die Wasserproblematik keine Machbarkeitsstudie erforderlich. Eine gegebenenfalls erforderliche wasserrechtliche Genehmigung lasse die Rechtmäßigkeit der bergrechtlichen Hauptbetriebsplanzulassung in der vorliegenden Drittanfechtungssituation unberührt. Aus dem wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot oder bergrechtlichen Bestimmungen folge nichts anderes. Im Übrigen sei die Untere Wasserbehörde im bergrechtlichen Zulassungsverfahren beteiligt worden und habe ihr Einverständnis erklärt. Diese Fachbehörde habe ein wasserrechtliches Verfahren nicht für erforderlich gehalten, weshalb sich der Bergbehörde insoweit keine Zweifel hätten aufdrängen müssen und die von der Klägerin geforderte Machbarkeitsstudie nicht erforderlich gewesen sei. Nach den Antragsunterlagen zum Betriebsplan sei eine Benutzung von Gewässern weder vorgesehen noch erfolge sie tatsächlich. Eine Zulassung habe nur verweigert werden können, wenn bereits festgestanden hätte, dass die Erteilung weiterer erforderlicher Genehmigungen ausgeschlossen sei. Hierfür sei nichts ersichtlich. Eine wasserrechtliche Erlaubnis sei zudem in einem gesonderten Verfahren zu erteilen und als eigenständiger Verwaltungsakt selbstständig anfechtbar. Wegen des gestuften Verhältnisses zwischen Bergrecht und Wasserrecht sei ein vorgezogener Verfahrens- oder Rechtsschutz entbehrlich. Unüberwindbare wasserrechtliche Hürden seien nicht erkennbar. Dass kein wasserrechtlicher Benutzungstatbestand gegeben sei und tatsächlich nicht gegen das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoßen werde, bestätige auch der seit Oktober 2009 laufende Abbaubetrieb. Die Vermutung, die natürliche Druckhöhe des oberflächennahen Grundwassers werde bei natürlich hohen Grundwasserständen infolge der durch Sprengungen im Steinbruch bewirkten Dämpfung des Grundwasserspiegels abgesenkt, beruhe auf Spekulationen. Auswirkungen auf die Grundwasserfließverhältnisse seien nicht erkennbar, zumal ein großer Anteil unterirdischen Tiefenwassers zuströme, die hydrogeologische Situation im X1. Massenkalk nicht abschließend bekannt sei und der Abbaubereich des Steinbruchs nur 0,6 % des Gebietes der Wasserschutzzone III A erfasse. Der festgestellte Chloridanstieg sei nicht nachweisbar auf die Abbautätigkeit zurückzuführen und zudem seit 2010 wieder rückläufig. Dem Vorhaben stehe § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO nicht entgegen. Insofern macht die Beigeladene erstmals im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten von GeoConsult C. vom 5. August 2015 geltend, dass sich die Klägerin nicht auf § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO berufen könne, weil sich die Wasserschutzgebietsverordnung als unwirksam erweise. In formeller Hinsicht sei zu beanstanden, dass die Grenze zwischen den Schutzzonen III A und III B im Bereich L. gegenüber dem Entwurf in der Öffentlichkeitsbeteiligung geändert und der nördlich Teil von L. sowie der Bereich östlich der H. aus der Schutzzone entfernt worden seien, ohne dass eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Die Planunterlagen genügten nicht den Anforderungen der Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten vom 25. April 1975, insbesondere fehlten die erforderlichen Detailangaben zu den Wassergewinnungsanlagen, aktuelle und in sich geschlossene hydrogeologische Begutachtungen und Wasseranalysen. Im Erläuterungsbericht bzw. in den Verwaltungsvorgängen fehlten Angaben zu vorliegenden Bodenarten und -typen, eine geologische Karte, eine Karte mit der Lage der Schwinden vorhandener Gewässer, eine Abflussbilanz, Angaben zu meteorologischen und klimatischen Verhältnissen, eine Beschreibung der Fassungsanlage der I1. -Quelle II, Angaben zu den Entnahmemengen und deren Einfluss auf den Grundwasserstand sowie genauere Analysen über die physikalische, chemische, biologische und bakteriologische Beschaffenheit der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers über längere Zeiträume als Qualitätsmerkmal für die Notwendigkeit einer Schutzzone. Materiell-rechtlich sei die Wasserschutzgebietsverordnung nicht im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. erforderlich, um das Wohl der Allgemeinheit im Interesse des Schutzes der öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Die Ausweisung des Wasserschutzgebietes sei ermessensfehlerhaft, da willkürlich. Es sei nicht erforderlich gewesen, den gesamten nördlichen Massenkalkzug im Bereich T1. und damit auch den Tagebau der Klägerin in die Schutzgebietsausweisung einzubeziehen. Mit Blick auf die Eigentumsgarantie seien hierfür zumindest wissenschaftlich fundierte, in sich schlüssige Schätzungen notwendig gewesen. Hier fehle aber komplett eine hydraulische Berechnung des Einzugsgebiets. Erkenntnisse zu einem Gefahrenpotential des nördlichen Einzugsgebietes hätten nicht vorgelegen, auch sei unklar gewesen, ob der nördliche Kalkzug überhaupt eine Verbindung zu den Wassergewinnungsanlagen besitze. Die Grenzziehung zwischen der Zone III A und der Zone III B östlich des „Hohlen Steins“ sei nicht nachzuvollziehen. Der Bachverlauf der M1. und ein unterschiedlich breiter Randstreifen werde der Schutzzone II zugewiesen, die Zuflüsse im Bereich des „Hohlen Steins“ nur der Schutzzone III A; auch weitere Zuflüsse würden nicht berücksichtigt. Gleiches gelte für die Zuläufe der X3. , X4. und T4. im östlichen Bereich des X1. Kalkmassenzuges. Die westliche Grenze des Schutzgebietes im Massenkalk sei nicht dokumentiert und willkürlich gezogen. Ein nach der DIN 4046 möglicher Verweis, dass mit der Schutzzone lediglich ein Teil (unbekannter Größe) des Einzugsgebietes festgesetzt werden solle, fehle. Neuerungen des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Juni 2006) und neuere tatsächliche Erkenntnisse erforderten eine Überarbeitung der Schutzzonen. Es fehle an der Eignung des Wasserschutzgebietes zum Schutz des Trinkwassers, weil der Einzugsbereich des zufließenden Fremd- oder Tiefenwassers nicht geschützt werde. Sowohl die M1. -Quelle als auch die I1. -Quelle förderten in erheblichem Umfang Fremd- oder Tiefenwasser unbekannter Herkunft, das jedenfalls aus Bereichen außerhalb des Wasserschutzgebietes stamme. Die fehlerhaft unterbliebene Einbeziehung des Einzugsgebietes des Tiefenwassers führe zur Unwirksamkeit der Schutzgebietsausweisung insgesamt. Neuere Erkenntnisse hätten das Vorhandensein eines hohen Fremdwasseranteils bestätigt. Bei dem gesamten Kalksteinkomplex handele es sich nicht um einen hydraulisch miteinander verbundenen Grundwasserleiter. Die Entwässerung des zentralen Teils des X1. Massenkalks erfolge nicht ausschließlich über die I1. -Quelle und die M1. -Quelle. Farbmarkierungsversuche hätten keine eindeutigen Nachweise ergeben. Es fehlten Belege, dass der nördliche Kalkzug eine Verbindung zu den Wassergewinnungsanlagen habe und dass eine Wasserscheide im Bereich ihres Tagebaus bestehe. Der Verordnungsgeber habe insgesamt nur eine unvollständige Kenntnis über das Einzugsgebiet in nördlicher Richtung gehabt. Selbst wenn es sich bei dem Kalksteinkomplex um einen hydraulisch miteinander verbundenen Grundwasserleiter handele, sei die Eignung des Wasserschutzgebietes in Zweifel zu ziehen, weil es für die C1. -Quelle, die vollumfänglich der Versorgung von T1. diene, keine festgesetzte Schutzzone gebe. Von einer Einbeziehung des X1. Stadtgebietes habe man offensichtlich abgesehen, unter anderem um Einschränkungen der städtebaulichen Entwicklung zu vermeiden. Wesentliche Teile des Einzugsgebiets seien nicht geschützt, obwohl sie schutzbedürftig seien. Eine Alternativenprüfung sei nicht vorgenommen worden. Der Geologische Dienst NRW habe Ende der 1970er Jahre die Ausweisung rechtswirksamer Schutzmaßnahmen im X1. Raum verneint. Eine Aufzählung anderer Möglichkeiten der Versorgung durch weitere Gewinnungsanlagen, etwa durch die B1. -Talsperre oder H1. , fehle. Zugunsten der durch eine Wasserschutzgebietsverordnung geschützten B1. -Talsperre seien sogar Wasserbezugsrechte abgegeben worden. Angriffe gegen die Wirksamkeit der Wasserschutzgebietsausweisung seien nicht ausgeschlossen, weil in den amtlichen Bekanntmachungen nicht auf eine Präklusion hingewiesen worden sei. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO - die Wirksamkeit der Wasserschutzgebietsverordnung unterstellt - nicht vor. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht entschieden, dass Grundwasser nicht dauernd freigelegt oder angeschnitten werde, wenn das Grundwasser nach höheren Niederschlägen nur kurzfristig oder in ausgeprägten Nassjahren auch für einige Monate zu Tage trete und angetroffen werde. Die von der Klägerin geltend gemachte restriktive Auslegung des Begriffs „dauernd“ widerspreche dem Wortlaut der Vorschrift, den der Verordnungsgeber nicht enger gefasst habe. Ursprüngliche Entwürfe der Wasserschutzgebietsverordnung hätten noch die Differenzierung zwischen einer „dauernden“ und/oder „zeitweisen“ Freilegung von Grundwasser enthalten. Seitlich austretendes Grundwasser habe nicht erfasst werden sollen, weshalb eine protokollarische Klarstellung, dass der schwebende Grundwasserhorizont nicht gemeint sei, ursprünglich beabsichtigt gewesen sei. Die offengelegte Entwurfsfassung der Wasserschutzgebietsverordnung zu § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO habe der später beschlossenen Fassung entsprochen. Der ursprünglich vorgesehene Begriff „zeitweise“ sei also bewusst gestrichen worden. Es widerspreche daher dem Wortlaut der Verordnung und dem Willen des Verordnungsgebers, das gestrichene Tatbestandsmerkmal „zeitweise“ in den Begriff „dauernd“ hineinzuinterpretieren. Für die Auslegung des Verwaltungsgerichts sprächen auch das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) und die Verwaltungsvorschrift, auf deren Grundlage die Wasserschutzgebietsverordnung erarbeitet worden sei. Anders als in diesen Mustern finde sich in § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO kein Hinweis, dass ein Verbot gelten solle, wenn das Grundwasser in Zeiten „hoher Grundwasserstände“ angeschnitten werde. Der Erläuterungsbericht lege dar, dass der Grundwasserschwankungsbereich 25 m betragen könne, weshalb das Problem schwankender Grundwasserstände bekannt gewesen sei. Die weiteren Ausführungen der Klägerin zur genehmigungspflichtigen Herstellung eines Gewässers lägen neben der Sache. Nach der Neufassung des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Juni 2006) sei eine differenzierte Einzelfallbetrachtung geboten. Stark schwankende Grundwasserspiegel bzw. ausgeprägte Nassjahre seien Ausnahmesituationen, so dass auch eine längere Freilegung des Grundwassers keine dauernde sei. Solche Freilegungen seien im laufenden Betrieb auch nicht aufgetreten. Schließlich weist die Beigeladene darauf hin, dass im nordwestlichen Bereich des Tagebaus die Endteufe von 362 m über NN erreicht worden und es zu keiner Freilegung von Grundwasser sowie zu keiner Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung gekommen sei.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe:
45Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern und der Zulassungsbescheid des Beklagten betreffend den Hauptbetriebsplan II für den Tagebau I. M. , Baufeld F. II, der Beigeladenen vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 aufzuheben. Diese bergrechtliche Entscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägern in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
46A. Die Klage ist zulässig.
47I. Für die Klägerin besteht die Möglichkeit, dass sie durch den Zulassungsbescheid im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO in ihren Rechten verletzt wird.
481. Die Klägerin kann sich zunächst auf eine Verletzung der Wasserschutzgebietsverordnung berufen, wobei an dieser Stelle deren Wirksamkeit noch nicht von Belang ist.
49Das Wasserschutzgebiet wurde gemäß § 1 Abs. 1 WSG-VO im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung zum Schutz des Grundwassers unter anderem im Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage M1. -Quelle festgesetzt und bezeichnet die Klägerin ausdrücklich als Begünstigte im Sinne von § 15 des im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserschutzgebietsverordnung geltenden Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 1989 (im Folgenden: LWG NRW a. F.), GV. NRW. S. 384, geändert durch § 51 Abs. 4 des Gesetzes über Enteignung und Entschädigung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz - EEG NW -) vom 20. Juni 1989, GV. NRW. S. 366. Die Bestimmung des § 15 LWG NRW a. F. ist zwischenzeitlich durch die unmittelbar geltende bundeseinheitliche Regelung des § 51 Abs. 1 Satz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 (im Folgenden: WHG n. F.), BGBl. I S. 2585, zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015, BGBl. I S. 1474, ersetzt worden.
50Als Begünstigte der Wasserschutzgebietsverordnung und Trägerin der öffentlichen Wasserversorgung ist die Klägerin für einwandfreies, gesundes Trinkwasser verantwortlich und kann geltend machen, als Inhaberin einer materiellen Rechtsposition rechtswidrige Beeinträchtigungen des Grundwassers im Einzugsbereich ihres Brunnens abwehren zu können.
51Vgl. zur Klagebefugnis eines als Aktiengesellschaft organisierten Wasserwerkes bzw. einer Stadtwerke-AG: BVerwG, Urteile vom 17. November 1972 - IV C 21.69 -, BVerwGE 41, 178 (187 f. bzw. S. 1 des amtlichen Umdrucks), und vom 15. Juli 1987 - 4 C 56.83 -, BVerwGE 78, 40 (41 ff.); zu Klagen einer Gemeinde mit eigenem Wasserwerk: BVerwG, Urteile vom 12. August 1999 - 4 C 3.98 -, Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 18, S. 3 f., sowie vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 (291); OVG NRW, Urteil vom 29. April 1993 - 20 A 12/91 -, n. v., S. 9 des amtlichen Umdrucks.
522. Die Klägerin ist auch deshalb klagebefugt, weil sie Inhaberin eines Wasserförderungsrechts ist. Dieses Recht beruhte ursprünglich auf der Grundlage eines preußischen Wasserrechts vom 18. Dezember 1931 und einer Bewilligung vom 18. Dezember 1995 im Sinne des seinerzeit geltenden § 8 Abs. 1 WHG in der Fassung vom 27. Juli 1957, BGBl. I S. 110, 1386, im Zeitpunkt der Bewilligung zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 1994, BGBl. I S. 1440 (im Folgenden: WHG a. F.). Diese Bewilligung galt gemäß § 104 Abs. 2 WHG n. F. fort.
53Vgl. zur Klage eines Wasserwerks als Inhaberin einer Förderungsbewilligung gegen eine Nassauskiesung: OVG NRW, Urteil vom 1. Februar 1996 - 20 A 4019/92 -, n. v., S. 8 des Urteilsabdrucks; Nds. OVG, Urteil vom 5. September 1996 - 3 L 7866/94 -, ZfW 1997, 249 (250 f.).
54Der die Bewilligung vom 18. Dezember 1995 ersetzende Bescheid vom 13. Januar 2015, der auf der Grundlage von § 8 WHG n. F. (Beiakte 15, Anlage BG 3) erteilt wurde, ist zwar von der Beigeladenen angefochten worden. Solange dieser Bescheid aber nicht aufgehoben worden ist, kann sich die Klägerin zumindest weiterhin auf ihre früheren Förderungsrechte berufen.
55II. Die Klägerin ist aus Rechtsschutzgründen an der Anfechtung des Zulassungsbescheides des Beklagten vom 25. September 2007 betreffend den Hauptbetriebsplan II in der Fassung der nachfolgenden Verlängerungen auch nicht dadurch gehindert, dass der Rahmenbetriebsplan vom 22. März 2000 bestandskräftig ist. Ein Rahmenbetriebsplan hat eine nur feststellende und noch keine gestattende Wirkung. Mit der Ausführung von Arbeiten darf auf der Grundlage eines Rahmenbetriebsplanes noch nicht begonnen werden. Hierzu bedarf es vielmehr noch der vorherigen Zulassung eines Hauptbetriebsplanes. Folglich wird mit der Zulassung eines Rahmenbetriebsplanes rechtlich noch kein Eingriff in fremde Berechtigungen ermöglicht.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. November 1995 - 4 C 14.94 -, BVerwGE 100, 1 (13).
57Deshalb sind konkrete Abbauhöhen, wie sie jetzt im Streit stehen, nicht Gegenstand der vormaligen Rahmenbetriebsplanzulassung gewesen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 -, BVerwGE 127, 259 (271).
59Gleiches gilt in Bezug auf den vormals zugelassenen Hauptbetriebsplan I, weil sich dieser - unabhängig von den räumlichen Dimensionen des dort zugelassenen Abbaus - jedenfalls nicht auf die nunmehr genehmigten konkreten Abbauhöhen bezog.
60B. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist begründet. Die bergrechtliche Hauptbetriebsplanzulassung ist wegen eines Verstoßes gegen die drittschützende Bestimmung des § 48 BBergG rechtswidrig. Der Zulassungsbescheid, der den Gesteinsabbau zulässt, hätte in der hier zu überprüfenden Form (dazu I.) auf der Grundlage des vorliegend anzuwendenden Bergrechts (dazu II.) im Falle der Unwirksamkeit der Wasserschutzgebietsverordnung wegen des Fehlens einer erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilt werden dürfen (dazu III.). Unbeschadet dessen hätte das Vorhaben der Beigeladenen, die Wirksamkeit der Wasserschutzgebietsverordnung unterstellt, ebenso wenig zugelassen werden dürfen, weil es dann gegen diese Verordnung verstoßen und eine Ausnahmegenehmigung fehlen würde (dazu IV.).
61I. Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist der auf bergrechtlicher Grundlage erlassene Zulassungsbescheid vom 25. September 2007 betreffend den Hauptbetriebsplan II in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009, wie er letztmalig durch den die Geltungsdauer dieses Hauptbetriebsplanes verlängernden Änderungsbescheid vom 13. September 2013 modifiziert worden ist. Die nach Angaben des Beklagten im Termin zur der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragte Verlängerung des Hauptbetriebsplanes II über den 30. November 2015 hinaus ist noch nicht beschieden.
62Bei der gerichtlichen Überprüfung der Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplanes ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zu Grunde zu legen. Dies gilt auch im Fall der Anfechtungsklage eines Drittbetroffenen gegen eine den Träger eines Vorhabens begünstigende Genehmigung. Hieraus folgt, dass Änderungen der Sach- und Rechtslage, die nach Wirksamwerden der behördlichen Zulassungsentscheidung eintreten, wenn sie sich nicht zugunsten des Trägers des Vorhabens auswirken, sondern zu dessen Nachteil, nicht berücksichtigt werden dürfen. Diese aus der Anspruchsposition des Genehmigungsbegünstigten hergeleiteten Grundsätze gelten auch für die bergrechtliche Betriebsplanzulassung. Aus dem Bundesberggesetz ergibt sich nicht, dass bei der Anfechtung einer Betriebsplanzulassung durch Dritte nachträgliche Änderungen der Sachlage zu berücksichtigen wären. Vielmehr kann nachträglichen Änderungen durch Ergänzung oder Änderung des Betriebsplans durch den Unternehmer bzw. durch die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen im wirtschaftlich vertretbaren und erforderlichen Umfang durch die Bergbehörde Rechnung getragen werden (vgl. § 56 Abs. 1 und 3 BBergG).
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1998 - 21 A 7553/95 -, ZfB 1998, 146 (153 f.), m. w. N.
64Insbesondere ist der vorliegend streitige Betriebsplan, auch wenn er auf eine gewisse Geltungsdauer ausgelegt ist, kein sog. Dauerverwaltungsakt, bei dessen Überprüfung auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen wäre.
65Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 -, Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 5, S. 2 (zu einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung), und vom 8. Februar 1995 - 1 B 6.94 -, Buchholz 451.45 § 8 HwO Nr. 18, S. 5 f. (zu einer handwerksrechtlichen Ausnahmegenehmigung), jeweils m. w. N.
66Allerdings ist hier die rechtsgestaltende Wirkung des zeitlich befristeten Hauptbetriebsplans II auf Grund der späteren Verlängerungen seiner Geltungsdauer um jeweils zwei Jahre jeweils erneuert worden. Deshalb sind im vorliegenden Fall tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten - wie etwa neuere Erkenntnisse zu Grundwasserständen - bis zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung mit Bescheid vom 13. September 2013 zu berücksichtigen.
67II. Ausgangspunkt der materiell-rechtlichen Prüfung sind die Bestimmungen des Bundesberggesetzes.
681. Die Beigeladene baut in dem Tagebau devonischen Massenkalk mit eingelagertem Marmor ab. Das Gestein befindet sich in Bergwerksfeldern, die nach altem Recht verliehen und nach § 149 BBergG vom früheren Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen bestätigt worden sind (S. 3 des Zulassungsantrages betreffend den Rahmenbetriebsplan, Bl. 736 Beiakte 4; Nr. IV des Rahmenbetriebsplans vom 22. März 2000, Beiakte 4).
69Das Vorhaben der Beigeladenen fällt damit gemäß § 2 Abs. 1 BBergG in den Anwendungsbereich des Bergrechts, weil es die Gewinnung und Aufbereitung eines (grundeigenen) Bodenschatzes im Sinne des § 3 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 149 BBergG zum Gegenstand hat. Das nordrhein-westfälische Abgrabungsgesetz ist damit nicht anwendbar (vgl. § 1 Abs. 3 Abgrabungsgesetz NRW).
70Die Gewinnung eines (grundeigenen) Bodenschatzes ist gemäß den §§ 51 ff. BBergG betriebsplanpflichtig. Nachdem die Bergbehörde auf Antrag der Klägerin unter dem 22. März 2000 bereits einen (fakultativen) Rahmenbetriebsplan erlassen hatte, war für die Führung des Betriebes ein Hauptbetriebsplan im Sinne des § 52 BBergG aufzustellen.
712. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 BBergG ist für einen Hauptbetriebsplan im Sinne des § 52 BBergG die Zulassung zu erteilen, wenn die in jener Vorschrift unter den Nummern 1 bis 9 normierten Voraussetzungen gegeben sind bzw. Ausschlussgründe nicht vorliegen. Die von der Klägerin gegen die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen erhobenen wasserrechtlichen Bedenken sind nicht über § 55 Abs. 1 Satz 1 BBergG berücksichtigungsfähig. Die dort normierten Voraussetzungen gewähren, soweit sie hier in Frage kommen, keinen Nachbarschutz.
72a) So erfasst § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG, wonach die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, dass die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes aufgrund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden, nicht Sachgüter Dritter außerhalb des Betriebes des Bergbauunternehmens.
73Vgl. zum Schutz von Oberflächeneigentümern bei untertägigem Bergbau: BVerwG, Urteile vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329 (335 f.), und vom 29. Juni 2006 - 7 C 11.05 -, BVerwGE 126, 205 (209).
74Zwar befindet sich das hier in Rede stehende Grundwasser auch unterhalb der Oberfläche des Betriebsgeländes der Beigeladenen. Es handelt sich aber nicht um ein betriebsbezogenes Sachgut.
75b) Ebenso wenig kommt § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG zum Tragen, wonach die Zulassung des Betriebsplanes davon abhängt, dass gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind. Auch diese Norm hat nicht die individuellen Interessen einzelner im Auge, sondern das objektive Gemeinwohlinteresse. Der zu verhindernde Schaden muss in einem solchen Umfang drohen, dass er sich auf das Allgemeinwohl auswirkt. Wegen dieser hohen Schwelle gewährleistet die Bestimmung aus sich heraus keinen Nachbarschutz, auch nicht für das Grundwasser.
76Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329 (337), und vom 14. April 2005 - 7 C 26.03 -, BVerwGE 123, 247 (253).
773. Der Schutz des Grundwassers durch eine Wasserschutzgebietsverordnung kann aber im Grundsatz über § 48 Abs. 1 Satz 1 BBergG zum Tragen kommen. Hiernach bleiben Rechtsvorschriften unberührt, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind.
78Vgl. etwa die Beispiele bei Vitzthum/Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 48 Rn. 7 ff., insbesondere Rn. 9,
79Zudem kann der Grundwasserschutz im Grundsatz auch über § 48 Abs. 2 BBergG zum Tragen kommen. Nach dieser Vorschrift hat die Bergbehörde unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften die Möglichkeit, eine Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen zu beschränken oder zu untersagen, soweit überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Zu den öffentlichen Interessen gehören auch wasserrechtliche Vorschriften.
80vgl. etwa Müggenborg, Bergbaufolgelandschaften und deren rechtliche Bewältigung, NuR 2013, 326 (328); Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 689 a. E.
81Vorschriften des Wasserrechts dienen dem Ziel, die öffentliche Wasserversorgung sicherzustellen und schädliche Einwirkungen auf das Grundwasser zu verhindern.
82III. Ein Verstoß gegen § 48 Abs. 1 Satz 1 BBergG liegt nicht vor. Die Wasserschutzgebietsverordnung ist rechtswidrig und daher nichtig (dazu 1.). Gleichwohl hätte der Beklagte die einen Abbau freigebende bergrechtliche Betriebsplanzulassung wegen des Fehlens einer wasserrechtlichen Genehmigung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilen dürfen (dazu 2.).
831. Die Wasserschutzgebietsverordnung ist rechtswidrig und daher nichtig.
84a) Formelle Mängel der Wasserschutzgebietsverordnung sind entgegen der Auffassung der Beigeladenen allerdings nicht zu erkennen.
85Die Wasserschutzgebietsverordnung findet gemäß Art. 70 Satz 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (Verf NRW) ihre gesetzliche Grundlage in § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. und den §§ 14 f., 136 f., 141, 150 LWG NRW a. F. sowie den §§ 25 ff. OBG NRW. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW a. F. wurde ein Wasserschutzgebiet durch ordnungsbehördliche Verordnung festgesetzt, wobei die Zuständigkeit für den Erlass einer solchen Wasserschutzgebietsverordnung bei dem Regierungspräsidenten als obere Wasserbehörde lag (§§ 14 Abs. 1 Satz 4, 136 LWG NRW a. F.).
86aa) Bedenken an dem Erfordernis einer korrekten Ausfertigung der Verordnung, insbesondere was deren Kartenteil anbelangt, sind nicht gegeben. Das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ausfertigung einer ordnungsbehördlichen Verordnung folgt zwar nicht bereits aus Art. 71 Abs. 2 Verf NRW.
87Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 15. Dezember 1989 - VerfGH 5/88 -, NWVBl. 1990, 51 (53).
88Es ergibt sich aber aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
89Das Original der Wasserschutzgebietsverordnung wurde von der damaligen Regierungspräsidentin am 15. April 1991 unterschriebenen (Beiakte Heft 13, Ordner 4, Band XV, am Anfang). Nach den insoweit nicht angegriffenen Bekundungen des Beklagten (vgl. Bl. 958 ff. GA) liegen der Behörde zusätzlich von der damaligen Regierungspräsidentin unterzeichnete Exemplare der Übersichtskarte im Maßstab 1:25.000 (§ 1 Abs. 4 Satz 1 WSG-VO) und der aus Blatt 1 bis 25 bestehende Schutzgebietskarte im Maßstab 1:5.000 (§ 1 Abs. 4 Satz 2 WSG-VO) vor.
90bb) Ein Verfahrensfehler wird nicht mit der Rüge der Beigeladenen dargetan, dass die Grenze zwischen den Schutzzonen III A und III B im Bereich L. gegenüber dem Entwurf in der Öffentlichkeitsbeteiligung geändert worden sei und der nördliche Teil von L. sowie der Bereich östlich der H. aus der Schutzzone entfernt worden seien, ohne dass eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Zwar zeigt ein Vergleich zwischen der offengelegten Übersichtskarte (Beiakte Heft 14, Band 5) und der Übersichtskarte, die als Anlage zu der im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg bekanntgemachten Verordnung veröffentlicht worden ist, dass ungeachtet maßstabsbedingter Unschärfen marginale Verschiebungen der Grenzen zwischen den Schutzzonen III A und III B stattgefunden haben. Diese Veränderung erforderte indes keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Verfahrensvorschrift des § 150 LWG NRW a. F., die unter anderem die Öffentlichkeitsbeteiligung regelte, enthielt keine Bestimmungen zu der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei nachträglichen Veränderungen eine erneute Auslegung zu erfolgen hat. Nur bezüglich einer Präklusion verspäteter Einwendungen wurde § 73 Abs. 4 VwVfG NRW für entsprechend anwendbar erklärt. Ein Verweis etwa auf § 73 Abs. 8 VwVfG NRW fehlte. Ob bei wesentlichen Änderungen des ursprünglich ausgelegten Entwurfs einer Wasserschutzgebietsverordnung eine erneute Offenlegung schon aus rechtsstaatlichen Gründen hätte erfolgen müssen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die nur einzelne Flurstücke betreffenden Grenzverschiebungen zwischen zwei Schutzzonen berührten nicht die Grundzüge der Schutzgebietsplanung. Im Falle einer nur unwesentlichen Veränderung der Schutzgebietsabgrenzung ist aber keine erneute Auslegung erforderlich.
91Vgl. etwa OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8. Mai 2008 - 1 C 10511/06 -, juris, Rn. 51; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 840 a. E., m. w. N.
92b) Die Wasserschutzgebietsverordnung ist jedoch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig und daher nichtig.
93aa) Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F., der insoweit mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 WHG n. F. inhaltlich übereinstimmt. Hiernach konnten Wasserschutzgebiete festgesetzt werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit dies erforderte, um Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. Zu den Gewässern zählte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG a. F. auch das Grundwasser. Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 WHG a. F. konnten in den Wasserschutzgebieten bestimmte Handlungen verboten oder nur für beschränkt zulässig erklärt werden. Ergänzend hierzu bestimmte § 24 Abs. 1 WHG a. F. unter anderem, dass die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Grundstücken verpflichtet werden können, ihre Grundstücke nur in bestimmter Weise zu nutzen.
94Der Begriff der Erforderlichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 WHG a. F. ist gerichtlich voll überprüfbar.
95Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. September 2005 - 1 BvR 1161/03 -, NVwZ 2005, 1412 (1414).
96Er bezieht sich zunächst in sachlicher Hinsicht auf den Schutz des Wasservorkommens dem Grunde nach, was sich nach der Schutzwürdigkeit, der Schutzbedürftigkeit und der Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens richtet.
97Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4; Beschluss vom 20. Januar 2015 - 7 BN 2.14 -, juris, Rn. 26.
98Die Erforderlichkeit setzt ferner der räumlichen Ausdehnung des Wasserschutzgebiets Grenzen. Bei Beachtung der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG ist die mit der Ausweisung eines Wasserschutzgebiets einhergehende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse im Wege der Inhalts- und Schrankenbestimmung nur zulässig, wenn von dem betroffenen Grundstück Einwirkungen auf das zu schützende Grundwasser ausgehen können.
99Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. September 2005 - 1 BvR 1161/03 -, NVwZ 2005, 1412 (1414); BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4 f., m. w. N.
100bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend kann entgegen der Ansicht der Beigeladenen der Schutz des Wasservorkommens, das der I1. -Quelle II und der M1. -Quelle (auch) aus dem X1. Kalkmassiv unstreitig zufließt, zwar nicht von vornherein mit dem Argument in Abrede gestellt werden, dass die Wasserversorgung durch andere Wassergewinnungsanlagen, etwa die B1. -Talsperre oder durch das Unternehmen H1. , möglich sei. Denn sowohl die I1. -Quelle II als auch die M1. -Quelle haben einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Stadt X. und einzelner umliegender Gebietskörperschaften mit Trinkwasser. Ob diese Versorgung zur Not auch anderweitig aufrechterhalten werden könnte, ist in aller Regel keine Frage der grundsätzlichen Schutzwürdigkeit des Grundwassers, das in den beiden fraglichen Quellen gefördert wird. Die Bedeutung des zu schützenden Wasservorkommens für die konkrete Trinkwasserversorgung mit Blick auf etwaige Alternativen ist aber bei der Abwägung etwa entgegenstehender Interessen zu berücksichtigen.
101Vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24. März 1986 - 5 S 2831/84 -, NVwZ 1987, 241 (242).
102Angesichts der Tatsache, dass nach den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin am 31. Oktober 1990 allein die M1. -Quelle den Gesamtbedarf des Versorgungsgebietes zu ca. 60 % abdeckt (Beiakte 13, Ordner 4, Band XIII, Ergebnisniederschrift vom 5. März 1991, S. 2), kann die Schutzwürdigkeit des Grundwassers nicht von vornherein mit dem Bestehen anderer Versorgungsmöglichkeiten in Frage gestellt werden.
103Gleiches gilt im Grundsatz für den Einwand der Beigeladenen, ein Teil des geförderten Grundwassers entstamme nicht dem X1. Kalkmassiv, vielmehr handele es sich um Fremd- und Tiefenwasser. Dem Verordnungsgeber ging es hier ersichtlich um den Schutz des aus dem X1. Kalkmassiv zu den Quellen fließenden Grundwassers. Dass dieses Grundwasser einen völlig untergeordneten Teil an der geförderten Wassermenge ausmachen oder für einen Schutz völlig ungeeignet sein würde und sein Schutz daher im Rechtssinn nicht „erforderlich“ wäre, hat die Beigeladene weder behauptet noch sonst substantiiert dargelegt.
104cc) Die Beurteilung der Frage, ob das Wasservorkommen in sachlicher Hinsicht dem Grunde nach eines Schutzes bedarf, was sich nach der Schutzwürdigkeit, der Schutzbedürftigkeit und der Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens richtet, oblag in erster Linie dem Verordnungsgeber, hier also dem Regierungspräsidenten Arnsberg als obere Wasserbehörde.
105In diesem Zusammenhang setzt die Feststellung, ob das Wohl der Allgemeinheit die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. erforderte, trotz der spezifischen Struktur der Entscheidung des Verordnungsgebers, die keine gestaltende Abwägung im Sinne des Fachplanungsrechts ist, sondern das Ergebnis eines differenzierten Bewertungs- und Gestaltungsprozesses, eine Gegenüberstellung und Abwägung der für die Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen und der durch sie beeinträchtigten Belange und dabei auch die Beachtung des rechtsstaatlichen Übermaßverbots voraus.
106Vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2009 - 3 S 170/07 -, NuR 2010, 659 f., m. w. N.
107Für die Frage, anhand welcher Maßstäbe die Kriterien Schutzwürdigkeit, Schutzbedürftigkeit und Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens zu bewerten sind, gab die Tatbestandsvoraussetzung in § 19 Abs. 1 WHG a. F., die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes müsse zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich sein, keine genauen Maßgaben vor. Die Bewertung erforderte aber jedenfalls wissenschaftlich abgesicherte hydrogeologische bzw. hydraulische Erkenntnisse über die vorhandenen Gegebenheiten.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4 ff.
109Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage, welche genauen Erkenntnisse der Festsetzungsbehörde zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit, Schutzbedürftigkeit und Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens vorliegen mussten, ließen sich im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserschutzgebietsverordnung der seinerzeit noch geltenden und erst 2003 durch Erlassbereinigung aufgehobenen Verwaltungsvorschrift über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten und Quellschutzgebieten - RdErl. des (damaligen) Ministers für Ernährung, Landwirtschaften und Forsten vom 25. April 1975 (im Folgenden: VwV-WSG) -, MBl. NRW. S. 1010 = Historische SMBl. NRW. Nr. 770 (Wasserrecht historisch), entnehmen. Die Regelungen dieser Verwaltungsvorschrift enthielten zwar keine materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes, die sich im vorliegenden Fall ausschließlich aus § 19 WHG a. F. ergaben. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt die Verwaltungsvorschrift aber auch nicht nur eine bloße „Hilfestellung“ dar, weil sie den wasserrechtlichen und fachlichen Sachverstand der obersten Wasserbehörde Nordrhein-Westfalens widerspiegelt und somit normkonkretisierende Wirkung hat.
110Die Nr. 8.2.1 der VwV-WSG legte im Einzelnen fest, was zu den Planunterlagen gehört, die auf Veranlassung der Verfahrensbehörde (= Regierungspräsident als obere Wasserbehörde) aufzustellen und zu prüfen sind (Nrn. 8.2 lit. b) und lit. c) VwV-WSG). Hiernach mussten im Allgemeinen folgende Unterlagen vorliegen:
111a) Erläuterungsbericht (u. a. Beschreibung der Gewässerbenutzung mit Angabe der durchschnittlichen und höchsten Wasserentnahme/Wasserförderung (je Sekunde, Tag, Jahr), der dazugehörigen Wasserstände, der Entnahme-/Förderungs-/Fortleitungsanlagen, des Zweckes der Benutzung)
112b) Übersichtskarte mit den Wasserfassungs-, entnahme-, förderungs-, fortleitungs- und sonstigen Anlagen sowie den oberirdischen Gewässern unter Kenntlichmachung ihrer Ordnung
113c) Schutzgebietskarte (Maßstab nicht über 1 : 5000), in der die Wasserfassungsanlage, das vorgesehene Wasserschutzgebiet und die Zoneneinteilung parzellenscharf eingetragen sind
114d) im Fall des § 19 Abs. 1 Satz 1 WHG und des § 26 LWG Unterlagen über den Aufbau des Untergrundes an der Fassungsstelle (Schichtenverzeichnis u. dgl.) sowie Baupläne der Fassungsanlagen
115e) hydrogeologische Begutachtung
116f) Ergebnisse von chemischen und bakteriologischen Wasseruntersuchungen bei trockenen und bei nassen Witterungsperioden (möglichst nicht älter als 1/2 Jahr)
117g) hydraulische Berechnung des Einzugsgebiets und der Schutzzonen bei porösen (kiessandigen) Grundwasserträgern, Angaben über die Aufenthaltszeiten des Grundwassers im Boden
118h) Vorschlag der Schutzbestimmungen
119i) Entwurf der Schutzgebietsverordnung.
120Zusätzlich verwies Nr. 7.5 VwV-WSG auf die in Anlage 1 übernommenen Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete, I. Teil, Schutzgebiete für Grundwasser - (Arbeitsblatt W 101, Februar 1975) des (ehemaligen) Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern - im Folgenden: DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) -. Diese auch unter Beteiligung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser erarbeitete Richtlinie stellte nach dem Vorwort dieses Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) den (damaligen) Stand der naturwissenschaftlichen, hygienischen und technischen Erkenntnisse dar, die bei der Einrichtung eines Wasserschutzgebietes für Grundwasser zum Schutz vor nachteiligen Veränderungen seiner Beschaffenheit zu beachten waren. Die Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) konnten als allgemeine Orientierung im Sinne eines „antizipierten Sachverständigengutachten“ herangezogenen werden, ohne dass von diesem technischen Regelwerk eine strikte Bindung ausgegangen wäre.
121Vgl. zu den DVGW-Arbeitsblättern allgemein: BVerwG, Beschluss vom 2. November 2007 - 7 BN 3.07 -, juris, Rn. 10, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 8, und Beschluss vom 20. Januar 2015 - 7 BN 2.14 -, juris, Rn. 16; OVG Rh.-Pf.-, Urteil vom 27. September 1989 - 10 C 42/88 -, NVwZ-RR 1990, 126 (127); Salzwedel, ZfW 1992, 397 (401).
122Das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) hob in Nr. 4.2 hervor, dass bei der Errichtung eines Wasserschutzgebietes nicht schematisch vorgegangen werden könne und zur Beurteilung entsprechende Vorarbeiten notwendig seien, die von Fachleuten durchgeführt werden müssten. Besonders wichtig seien Kenntnis und Berücksichtigung u. a. folgender Gegebenheiten:
123a) Grenzen des Einzugsgebietes mit dessen Oberflächengestalt und
124-beschaffenheit,
125b) Bodenarten und -typen,
126c) geologischer Aufbau,
127d) hydrologische Verhältnisse,
128e) meteorologische und klimatische Verhältnisse,
129f) Art und Ausbau, Zustand und Wirkungsweise der Fassungsanlage,
130g) Entnahmemenge (auch künftige) und Reichweite der Grundwasserabsenkung,
131h) physikalische, chemische, biologische und bakteriologische Beschaffenheit der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers, auch über längere Zeiträume,
132i) bestehende und geplante Flächennutzung, wie Bebauung, Bodenbewuchs und -nutzung (z. B. Wald, Grünland, Acker), Abbau von Steinen und Erden (z. B. Sand- und Kiesgruben), Verkehrseinrichtungen, Verwaltungsgrenzen,
133k) bergbauliche Rechte, Anlagen und Vorhaben,
134l) Natur- und Landschaftsschutzgebiete.
135Hiervon ausgehend lagen dem Regierungspräsidenten Arnsberg als obere Wasserbehörde und damit für die Festsetzung des Wasserschutzgebietes zuständigen Verfahrensbehörde nicht die erforderlichen Erkenntnisse für die Bewertung vor, ob die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes wegen der Schutzwürdigkeit, Schutzbedürftigkeit und Schutzfähigkeit eines Grundwasservorkommens im Sinne des § 19 Abs. 1 WHG a. F. zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich war.
136Das ehemalige Staatliche Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft M2. (im Folgenden: StAWA M2. ) hatte als untere Wasserbehörde, welche die Vorarbeiten zur Aufstellung der Wasserschutzgebietsverordnung geleistet hatte, mit Schreiben vom 22. Juni 1989 dem Regierungspräsidenten - sogar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Nr. 8.2.1 der VwV-WSG - als „Planunterlagen“ folgende Unterlagen übersandt (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang):
137„60 Übersichtskarten (1 : 25.000)
13815 x 25 Wasserschutzgebietskarten (1 : 5.000), Bl. 1 + 25
13915 Erläuterungsberichte zur Ausweisung des Wasserschutzgebietes (WSG)
1402 x 2 chemisch-bakteriologische Analysen
1411 Mutterpause der Übersichtskarte
1421 Aufstellung über Gemarkung und Fluren des gesamten WSG
1431 Eigentümerverzeichnis der Zonen I und II mit Gemarkung, Fluren und
144Flurstücken
1452 Flurkarten der Zone I (Lagepläne)
146Stellungnahmen der Behörden
147Stellungnahme des StAWA zu den Stellungnahmen
1481 Niederschrift vom Behördenanhörungstermin am 06.09.1988“.
149Weitere aussagekräftige Unterlagen hatte das StAWA M2. dem Regierungspräsidenten Arnsberg ausweislich der dem Senat vorliegenden Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung nicht übersandt. Anhand der vorgelegten Unterlagen konnte der Regierungspräsident Arnsberg als Festsetzungsbehörde aber die Schutzwürdigkeit des in den Wassergewinnungsanlagen I1. -Quelle II und M1. -Quelle gewonnenen Grundwassers nicht sachgerecht beurteilen.
150(1) Diese Feststellung betrifft zunächst die Schutzwürdigkeit des Grundwassers in chemischer und bakteriologischer Hinsicht. Hierzu lagen dem Regierungspräsidenten Arnsberg für die „Anlage I1. “, also die I1. -Quelle II, die an die Stadtwerke X. adressierten drei chemischen Untersuchungen des Hygiene-Instituts des Ruhrgebiets vom 29. August 1986, vom 12. Januar 1989 und vom 4. März 1989 vor; ebenso lagen vor drei weitere an die Klägerin adressierte chemische Untersuchungen des gleichen Instituts vom 29. November 1986, vom 5. April 1989 und vom 29. April 1989, die für das „Pumpwerk C2. “ erstellt worden sind (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Anhänge zum Schreiben des StAWA M2. vom 22. Juni 1989). Bei dem Erlass des Wasserschutzgebietes im April 1991 erfüllten diese chemischen Analysen jedenfalls in zeitlicher Hinsicht nicht (mehr) die Anforderungen, die an eine fachliche Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Grundwassers zu stellen waren. Nach der Nr. 8.2.1 lit. f) VwV-WSG waren hierfür die Ergebnisse von chemischen und bakteriologischen Wasseruntersuchungen bei trockenen und bei nassen Witterungsperioden (möglichst nicht älter als ein 1/2 Jahr) erforderlich. Auch die Nr. 4.2 lit. h) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) forderte eine Untersuchung der physikalischen, chemischen, biologischen und bakteriologischen Beschaffenheit der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers, auch über längere Zeiträume. Im Zeitpunkt der Festsetzung des Wasserschutzgebietes waren die vom StAWA M2. vorgelegten Analysen bereits zwei bis fünf Jahre alt, umfassten keine längeren Untersuchungszeiträume und differenzierten nicht nach trockenen bzw. nassen Witterungszeiträumen. Hinzu kommt, dass die an die Klägerin adressierten chemischen Untersuchungen des Hygiene-Instituts des Ruhrgebiets offenkundig nicht das Wasser betreffen, das an der M1. -Quelle selbst - Quellfassung westlich von L. - entnommen worden ist, sondern Wasser aus dem weiter nördlich gelegenen „Pumpwerk C2. “ analysiert wurde. Zwar wird nach den Angaben des StAWA M2. das Wasser von der „Quellfassung in L. … mit natürlichem Abfluss über zwei Transportleitungen zur Pumpstation C2. “ geleitet (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 4). Dass die chemische Zusammensetzung des Wassers an der einen wie an der anderen Stelle identisch und nicht - etwa durch Osmosevorgänge - Veränderungen unterworfen war, wurde nicht dokumentiert.
151(2) Des Weiteren ergeben sich Zweifel an der sachgerechten Beurteilung der Schutzfähigkeit des Grundwassers aus dem Umstand, dass der Erläuterungsbericht unter seiner Nr. 4.5 „Abfall/Altlast“ von acht bekannten Altlasten-Standorten spricht, von denen sechs in diesem Bericht aufgelistet sind (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 9 f.). Diese Altlasten-Standorte sind in der Karte „Altlasten im Wasserschutzgebiet X1. Kalkmassiv“ zeichnerisch wiedergegeben (Beiakte 11, Ordner 2, Band I). Ob diese Karte dem Regierungspräsidenten Arnsberg überhaupt vorgelegen hat, ist nicht ersichtlich. Unbeschadet dessen lässt sich in der Sache feststellen, dass allein fünf dieser Altlasten-Standorte das Tal der M1. umringen, eine weitere Fläche befindet sich südwestlich der I1. -Quelle II. Für einen der fünf Altlasten-Standorte im Umfeld der M1. -Quelle trifft der Erläuterungsbericht zwar die Aussage, dass keine Gefährdung für das Grundwasser zu erwarten sei. Im Übrigen wird aber grundsätzlich auf die Notwendigkeit weiterer Kontrollen oder Analysen hingewiesen. Ein langfristig wirksamer Schutz der Grundwasservorkommen vor Stoffen, die zur Verunreinigung des Grundwassers führen können, ist für die derzeitige und zukünftige Trinkwasserversorgung unverzichtbar. Die notwendigen Untersuchungen sind allerdings ausweislich der Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung weder vom StAWA M2. noch auf Veranlassung des Regierungspräsidenten Arnsberg vor dem Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung durchgeführt worden. Auch in dieser Hinsicht mangelt es daher an einer hinreichend sicheren Beurteilungsgrundlage, um eine abschließende Aussage zur Gefährdung des Grundwassers durch Altlasten zu treffen. Eine solche Beurteilung hätte aber vor der Festsetzung eines Wasserschutzgebiets erfolgen müssen, weil nicht oder schwer abbaubare Stoffe, wie sie etwa in Nr. 3.4 des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) aufgeführt sind, selbst bei großer Fließstrecke und langer Verweildauer im Untergrund ihre schädliche Wirkung in der Regel nicht verlieren. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als von allen Beteiligten stets die hohen Fließgeschwindigkeiten des Grundwassers in einem Karstgrundwasserleiter hervorgehoben worden sind. Ferner musste nach der Nr. 4.4 des DGVW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) der unterschiedlichen Auswirkung der Gefahrenherde nach Art, Ort und Untergrundbeschaffenheit durch eine entsprechende Gliederung des Wasserschutzgebietes in Schutzzonen und durch die in ihnen zu treffenden Maßnahmen Rechnung getragen werden. Substantiierte Erwägungen zu der Frage, warum trotz der vorliegenden Altlasten-Standorte deren Einbeziehung zum Teil in die Schutzzone III A - mit einem höheren Schutzpotential - und teilweise in die Schutzzone III B - mit einem niedrigeren Schutzpotential - erfolgt ist, lassen sich dem Erläuterungsbericht des StAWA M2. vom 1. Juli 1988, der Grundlage der Festsetzungsentscheidung des Regierungspräsidenten Arnsberg war, nicht entnehmen.
152Eine in dieser Hinsicht abweichende Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass bislang wohl keine (erhebliche) Kontamination des Grundwassers aufgetreten ist und bei dennoch auftretenden konkreten Gefährdungen diesen möglicherweise durch wasserrechtliche Anordnungen begegnet werden könnte. Denn der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von demjenigen in vergleichbaren Fällen
153- vgl. etwa BayVGH, Urteil vom 5. Dezember 2007 - 22 N 05.194 -, juris, Rn. 32; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8. Mai 2008 - 1 C 10511/06 -, juris, Rn. 64 -
154insoweit erheblich, weil dort bereits vor Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung fundierte Stellungnahmen von Fachbehörden vorlagen und nicht - wie hier - auf in der Zukunft noch einzuholende Begutachtungen verwiesen wird. Warum sich der Regierungspräsident Arnsberg nicht bemüht hat, die mit vertretbarem Aufwand zu beschaffenden Erkenntnisse einzuholen, ist nicht erkennbar. Ein von der Festsetzungsbehörde vorgefundener und als regelungsbedürftig erkannter Konflikt bedarf aber vor der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes grundsätzlich einer umfassenden und abschließenden Lösung. Ein Problemtransfer in die Zukunft könnte allenfalls dann erfolgen, wenn er mit Blick auf die Schutzwürdigkeit des Grundwassers von untergeordneter Bedeutung ist, die Regelungen einer Wasserschutzgebietsverordnung hierdurch im Übrigen nicht in Frage gestellt und Erwägungen zu der Frage einer späteren Problemlösung angestellt werden. Dies ist hier nicht geschehen.
155(3) Ebenso wenig lagen der oberen Wasserbehörde als Verordnungsgeber hinreichend präzise Angaben zur Untergrundbeschaffenheit und den baulichen Einzelheiten der Fassungsstellen I1. -Quelle II und M1. -Quelle vor, wie sie von der Nr. 8.2.1 lit. d) VwV-WSG und der Nr. 4.2 lit. f) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) als erforderlich angesehen wurden. Besondere Umstände, aufgrund derer es fachlich vertretbar gewesen sein könnte, von dem Erfordernis des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) abzuweichen, sind hier nicht zu erkennen.
156(4) Bei der Abgrenzung des Wasserschutzgebietes als solchem und der Ausweisung der einzelnen Schutzzonen sind ebenfalls Fehler gegeben.
157Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 WHG die flächenmäßige Ausdehnung eines Wasserschutzgebiets als erforderlich angesehen werden kann, mussten für jedes darin einbezogene Grundstück gegeben sein.
158Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1984 - 4 B 157.83 und 158.83 -, Buchholz 445.4, § 19 WHG Nr. 4, S. 1.
159Hierbei musste sich die Abgrenzung des Wasserschutzgebiets - soweit möglich - an den hydrogeologisch-hydraulisch ermittelten Grenzen des Wassereinzugsgebiets orientieren. Eine Arrondierung über das Maß des Erforderlichen hinaus war grundsätzlich nicht möglich.
160Eine solche Grenzziehung trifft indessen auf praktische Schwierigkeiten. Zum einen ist die Ermittlung der Grenze des Wassereinzugsgebiets aus der Natur der Sache bei Wahrung eines angemessenen Verwaltungsaufwands mit fachlichen Unsicherheiten behaftet. Die Behörde darf sich folglich mit wissenschaftlich abgesicherten, in sich schlüssigen Schätzungen begnügen. Zum anderen bilden sich unterirdische Grenzlinien nicht ohne Weiteres auf der Erdoberfläche ab. Im Interesse der Normenklarheit und damit der Praktikabilität und der Vollziehbarkeit der Verordnung bietet es sich dann an, soweit als möglich bestehenden natürlichen, etwa topographischen, oder vorgegebenen rechtlichen Merkmalen, etwa Grundstücksgrenzen, zu folgen. Insoweit ist ein „administrativer Vereinfachungsspielraum" anzuerkennen. Er ist rechtlich nur beschränkt überprüfbar, nämlich auf die Wahl nachvollziehbarer Maßstäbe, und betrifft unter dem Aspekt der Erforderlichkeit letztlich nur die Erweiterung des Wasserschutzgebiets über das Wassereinzugsgebiet hinaus. Die Behörde ist allerdings nicht verpflichtet, ein Grundstück bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 WHG a. F. (§ 51 Abs. 1 WHG n. F.) in den Geltungsbereich einer Wasserschutzgebietsverordnung einzubeziehen. Vielmehr kommt ihr insoweit Ermessen zu, aufgrund dessen sie zu entscheiden hat, wie sie den gebotenen Schutz des Wasservorkommens letztlich gewährleisten will. Diese Ermessensentscheidung muss sich an einem nachvollziehbaren Schutzkonzept messen lassen. Es kann darauf ausgerichtet sein, bei Vorliegen besonderer Umstände das anzustrebende Schutzniveau durch einzelfallbezogene Maßnahmen zu erreichen. Im Gegensatz zur Prüfung der Erforderlichkeit der räumlichen Ausdehnung des Wasserschutzgebiets geht es dabei nicht um ein „Zuviel" an Schutz, sondern um ein „Zuwenig". Denn bei einer fehlerhaft unterbliebenen Einbeziehung eines Grundstücks kann die Eignung des Wasserschutzgebiets für den verfolgten Zweck infrage stehen. Bei der Abgrenzung eines Wasserschutzgebiets sind beide Gesichtspunkte zu beachten.
161Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 4 ff., m. w. N.
162Von diesen Prämissen ausgehend ist hier zunächst völlig unklar, auf welchen Grundlagen, die vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfen sein müssen, der Regierungspräsident Arnsberg als Normgeber die örtlichen Gegebenheiten beurteilte und auf welche wasserwirtschaftlichen sowie hydrogeologischen Erkenntnisse er seine Entscheidung, ein Wasserschutzgebiet festzusetzen, gestützt hat.
163Selbst wenn dem Regierungspräsidenten neben den mit Übersendungsschreiben vom 22. Juni 1989 übersandten Unterlagen (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang) auch die dem Senat vorliegenden, bis dahin entstandenen und später mit den Verfahrensvorgängen des Regierungspräsidenten Arnsberg offenbar wieder zusammengeführten Verfahrensordner des StAWA M2. (Beiakten 10 bis 14) vorgelegen haben sollten, sind in diesen Akten keine für eine abschließende Bewertung erforderlichen und vom Gericht hinsichtlich der Erforderlichkeit aussagekräftigen und vor allem nachprüfbaren Sachverständigenaussagen enthalten.
164So fehlt es zunächst an einer dokumentierten sachverständigen Begutachtung der hydrogeologischen Verhältnisse des vorgesehenen Wasserschutzgebietes, wie sie nach dem damaligen Erkenntnisstand allgemein, etwa in Nr. 8.2.1 lit. e) VwV-WSG und Nr. 4.2 lit. c) und d) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975), gefordert worden ist, auch wenn nach der einleitenden Bemerkung in Nr. 8.2.1 VwV-WSG die „Planunterlagen … (nur) im allgemeinen … vorliegen“ mussten. Besondere Umstände, aufgrund derer es fachlich bzw. wissenschaftlich hätte vertretbar sein können, von dem Erfordernis der „im allgemeinen“ vorzulegenden Unterlagen abzuweichen, sind hier nicht zu erkennen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Beklagten, eine hydraulische Berechnung des Einzugsgebiets sei nur im Lockergestein (Kies, Sand) möglich, nicht aber in einem Karstgrundwasserleiter mit hohen Fließgeschwindigkeiten, weshalb die Nr. 8.2.1 lit. g) VwV-WSG nicht zum Tragen komme.
165Das von Prof. Dr. T5. erstellte Gutachten über die hydrogeologischen Verhältnisse in der Umgebung der M1. -Quellen und ihre zweckmäßige Schutzzone II vom 31. August 1971 und der vom gleichen Autor erstellte Nachtrag vom 5. Juni 1972 - beide Gutachten sind der ursprünglichen Verfahrensakte des StAWA M2. vorgeheftet (Beiakte Heft 10, Ordner 1, den weiteren Vorgängen vorgeheftet) - waren im Zeitpunkt der Festsetzung des Wasserschutzgebietes annähernd 20 Jahre alt. Ob diese Gutachten vom Regierungspräsidenten Arnsberg gesehen und gewürdigt worden sind, insbesondere ob sie trotz ihres Alters im Jahr 1991 noch als aussagekräftig bewertet wurden, ist den Akten nicht zu entnehmen.
166Zwar mögen - so der Beklagte - die meisten der in Nr. 8.2.1 VwV-WSG erwähnten Unterlagen dem StAWA M2. bzw. dessen Vorgängerbehörden vorgelegen haben und nur nicht in einem dem Regierungspräsidenten Arnsberg vorgelegten „Schutzgebietsgutachten“ zusammengefasst worden sein. Weder aus dem Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988 (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang) noch aus sonstigen Unterlagen ergibt sich aber mit der erforderlichen und vom Senat nachzuprüfenden Deutlichkeit, auf welche Grundlagen der Regierungspräsident Arnsberg seine Beurteilung der Erforderlichkeit der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes gestützt hat. Unabhängig davon müssen etwaige wissenschaftlich fundierte Analysen der örtlichen Gegebenheiten nicht nur der unteren Wasserbehörde als mit den Vorarbeiten zu der Erstellung einer Wasserschutzgebietsfestsetzung beauftragten Stelle vorliegen, sondern auch der oberen Wasserbehörde, die zur Letztentscheidung über die Festsetzung des Wasserschutzgebietes berufen ist. Unklar ist auch, ob und in welchem Umfang - wie von der Beigeladenen und den von ihr beauftragten Gutachtern behauptet - dem Regierungspräsidenten Arnsberg in Fachpublikationen oder in sonstiger Weise veröffentlichte Beiträge zur Wasserproblematik im X1. Kalkmassiv vorgelegen haben. Solange die Festsetzungsbehörde - wie hier - nicht eindeutig dokumentiert, auf welche Erkenntnisse sie ihre Entscheidung gestützt hat, ist es jedenfalls nicht Sache des Gerichts, sich das möglicherweise „Passende“ aus einem Aktenkonvolut herauszusuchen und zu unterstellen, was die Behörde möglicherweise in Erwägung gezogen haben könnte.
167Die Behauptung des Beklagten und der Beigeladenen, Erwägungen aus dem Verfahren, das zur Festsetzung der Wasserschutzgebietsverordnung geführt habe, seien durch spätere gutachterliche Erkenntnisse wie etwa den „Schneiderplan“ (Beiakte 5, am Anfang, Geohydrologischen Gutachten im Bereich des X1. Massenkalkzuges zur Festlegung vorläufiger Höhen der Steinbruchsohlen vom 13. Januar 1992 von Prof. Dr. T2. & Partner) belegt worden, gebietet keine abweichende Beurteilung. Dieses Gutachten wurde erst nach dem Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung vorgelegt und konnte daher nicht Gegenstand der Erwägungen des Regierungspräsidenten Arnsberg gewesen sein. Dies gilt auch hinsichtlich der in Randbereichen möglicherweise veränderten Einschätzungen späterer Fassungen des DVGW-Arbeitsblattes W 101.
168Das Fehlen einer alle hydrologischen und geologischen Aspekte berücksichtigenden Begutachtung macht sich hier um so mehr bemerkbar, als die äußeren Grenzen des Wasserschutzgebietes zum Teil in nicht nachvollziehbarer Weise festgelegt worden sind. So etwa wurde die „westliche Abgrenzung … der übersichtlichen Grenzziehung wegen an die B 55 gelegt, die eigentliche Grenze liegt im Waldgebiet bis zu 500 m weiter westlich an der Wasserscheide zum Bilsteinbach hin“ (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 6). Zwar ist es zulässig, dass die Behörde topographischen oder vorgegebenen rechtlichen Merkmalen, etwa Grundstücksgrenzen, folgt. Aus welchen belegbaren Gründen das an sich für schutzwürdig erachtete Waldgebiet westlich der B 55 nicht in das Schutzgebiet mit einbezogen worden ist, ist nicht erkennbar. Ebenso wenig wurde dargetan, wie in diesem Bereich das anzustrebende Schutzniveau durch einzelfallbezogene Maßnahmen erreicht werden soll.
169Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 5 f.
170Das Gleiche gilt auch hinsichtlich der auf der Hand liegenden Frage, warum die Grenze des Wasserschutzgebietes genau östlich der B 55 verläuft, d. h. diese Bundesstraße nicht mehr in die Schutzzone III B einbezogen wurde. Denn Verkehrsanlagen sind in Bezug auf den Grundwasserschutz potentiell gefährlich. Diese Beurteilung wird zum einen belegt durch die vom Regierungspräsidenten Arnsberg selbst mit der Kodifizierung von § 3 Abs. 1 Nr. 8 WSG-VO vertretenen Auffassung. Hiernach ist in der Schutzzone III B der Bau neuer oder das wesentliche Ändern bestehender Straßen und Wege, soweit dies über den Rahmen der üblichen Unterhaltung und örtlich begrenzter Verkehrssicherungsmaßnahmen hinausgeht, genehmigungspflichtig. Zum anderen ergab sich dies auch aus der Nr. 3.2 lit. k) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975), wonach unter anderem Verkehrsanlagen und der Straßenverkehr als Gefahrenherd für das Grundwasser in Betracht kommen. Erwägungen zu einer Herausnahme der B 55 aus der Schutzzone III B und damit zum Schutz des Grundwassers vor Abwässern, die von der Bundesstraße abfließen, fehlen ebenso wie zu Maßnahmen, durch die ein vergleichbares Schutzniveau für das Grundwasser erreicht werden soll.
171Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 2010 - 7 BN 1.10 -, juris, Rn. 8 f.
172Die Schutzkonzeption eines Wasserschutzgebietes muss aber auch dem Einwand einer zu kleinen Gebietsabgrenzung standhalten, damit die Wasserschutzgebietsfestsetzung insgesamt Bestand haben kann.
173Vgl. Salzwedel, ZfW 1992, 397 (401).
174Überprüfbare wissenschaftliche Erwägungen zur Festlegung der nördlichen Grenze des Wasserschutzgebietes fehlen ebenfalls. Im Interesse eines effektiven Schutzes vor weitreichenden Beeinträchtigungen des Trinkwassers umfasst ein Wasserschutzgebiet grundsätzlich das gesamte Wassereinzugsgebiet eines Trinkwasserbrunnens, das durch die Schutzzone III umschrieben wird.
175Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. August 2012 - 7 CN 1.11 -, Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 1, S. 8.
176Die vom ehemaligen Wasserwirtschaftsamt M2. aufgestellte „Übersichtskarte über das Wasserschutzgebiet für die Wassergewinnungsanlagen im X1. Kalkmassiv und für das Amtswasserwerk S. “ vom 19. Januar 1971 (Beiakte 10, Ordner 1, Hefter 64.1-46.19.02/65 „M1. Wasserwerk“, nach Bl. 53) zeigt ein geplantes Schutzgebiet für die M1. und den westlich hiervon verlaufenden Fluss T4. , das hinsichtlich der Schutzgebietsgrenzen viel weiter nördlich reicht und innerhalb dessen sich die Grenzen der Schutzzonen weit umfangreicher erstreckten. Warum aus wissenschaftlich abgesicherten hydrologischen oder hydrogeologischen Erkenntnissen, die seither bis zum Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung entstanden sind, eine deutliche Reduzierung der nördlichen Schutzgebietsgrenze gerechtfertigt erschien, ist nicht ersichtlich. Insbesondere reichen die Angaben hierzu im Erläuterungsbericht nicht aus. Welche genauen Grundwasserbeobachtungsbrunnen im Bereich T1. hiernach eine andere Grenze belegen sollen und wo genau dort eine Wasserscheide im Bereich des Berges „Auf dem Stein“ verlaufen soll (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 6), ist in den dem Regierungspräsidenten vorgelegten Unterlagen weder dokumentiert noch sonst mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar.
177Nicht auf wissenschaftlich fundierter Grundlage nachvollziehbar ist auch unbeschadet der Erklärungen im Erläuterungsbericht die Festlegung der Schutzzonen II (Beiakte 12, Ordner 3, Band IV am Anfang, Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988, S. 6). So fehlt beispielsweise eine nachvollziehbare Begründung, warum der Bereich um den Fluss T4. in die Schutzzone II einbezogen wurde, obwohl dieser Fluss ebenso wie die M1. in nördlicher Richtung fließt, beide in die H. münden - das T4. vor der M1. -, das T4. also keine unmittelbare Verbindung zur M1. hat und die geschützte Fassungsanlage der M1. -Quelle viel weiter westlich des Schlagwassers liegt. An welcher Stelle etwa „Bachschwinden“ liegen mögen oder sonst eine Verbindung des Schlagwassers mit der M1. bestehen kann, ist nicht ersichtlich. Nach der Nr. 5.2 des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) sollte die Schutzzone II aber den Schutz vor Verunreinigungen und sonstigen Beeinträchtigungen gewährleisten, die von verschiedenen menschlichen Tätigkeiten und Einrichtungen ausgehen und wegen ihrer Nähe zur Fassungsanlage besonders gefährdend sind. Durch eine Schutzzone II soll also das Grundwasser geschützt werden, das genau zu der Fassungsanlage strömt und nicht zu irgendeiner Fassungsanlage. Welche Verunreinigungen oder sonstige Beeinträchtigungen des Flusses T4. einen unmittelbaren Einfluss auf das in der Fassungsanlage M1. -Quelle geförderte Grundwasser haben könnten, ist gerichtlich nicht nachzuvollziehen.
178Insgesamt drängt sich an dieser Stelle wie auch bei der Festlegung des gesamten Wasserschutzgebietes die Vermutung auf, dass frühere Entwürfe des StAWA M2. oder einer Vorgängerbehörde schlicht übernommen wurden und nur in einzelnen Bereichen eine neue Grenzziehung erfolgt ist, ohne dass die Gesamtkonzeption überdacht worden ist.
1792. Geht man nach dem Vorstehenden davon aus, dass die Wasserschutzgebietsverordnung X1. Kalkmassiv unwirksam ist, so würde die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen zwar nicht § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO widersprechen. Für den Gesteinsabbau wäre aber gleichwohl eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich gewesen (dazu a)). Eine den Abbau freigebende bergrechtliche Betriebsplanzulassung durfte wegen des Fehlens der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilt werden (dazu b)).
180a) Das Abbauvorhaben der Beigeladenen bedurfte sowohl im Zeitpunkt seiner Zulassung als auch bei den danach verfügten Verlängerungen des Betriebsplanes einer Erlaubnis nach den §§ 7, 14 Abs. 2 WHG a. F. respektive nach den §§ 8, 19 Abs. 2 WHG n. F. Der Tagebau war bzw. ist mit der Benutzung eines Gewässers im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG a. F. bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG n. F. verbunden, und zwar sei es, dass mit dem Freilegen der über dem Grundwasser liegenden Deckschichten ein Zutageleiten von Grundwasser verbunden ist, sei es, dass es durch Sprengtätigkeiten zu einer sog. Verritzung des Gebirges kommt, die ein unterirdisches Absenken oder Ableiten des Grundwassers bewirkt.
181Vgl. Berendes, in: von Lersner/Berendes, Handbuch des Deutschen Wasserrechts, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: Juni 2015), § 9 WHG Rn.13.
182Sollten Sprengungen in dem Steinbruch als Anlage auch zu einem Umleiten des Grundwassers führen, wäre ebenfalls der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 WHG a. F./§ 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG n. F. erfüllt. Hierbei ist es unerheblich, dass die Beigeladene den Steinbruch zu diesem Zweck bestimmt hat; es genügt, wenn diese Anlage objektiv geeignet ist, den gesetzlichen Tatbestand zu verwirklichen.
183Vgl. Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Wasserabgabengesetz, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: September 2014), § 9 WHG Rn. 77 f.
184Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen ist eine Grundwasserbenutzung in einem der vorbeschriebenen Sinne gegeben.
185aa) Unter dem Begriff „Grundwasser“ war bereits im Zeitpunkt der hier angefochtenen Betriebsplanzulassung das unterirdische Wasser in der Sättigungszone zu verstehen, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht.
186Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (303); Gieseke/Wiedemann/Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 5. Aufl. 1989, § 1 Rn. 9 f., m. w. N.
187Dieses Begriffsverständnis ist in der Legaldefinition des § 3 Nr. 3 WHG n. F. kodifiziert worden. Eine nahezu wortgleiche Begriffsbestimmung enthält auch Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327 S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie vom 12. August 2013, ABl. L 226 S. 1 (sog. Wasserrechtsrahmenrichtlinie - WRRL -). Diese Vorschrift bestimmt: „Grundwasser“: alles unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht.
188Vgl. zur bildlichen Darstellung einer Sättigungszone auch Wallbrecher, Allgemeine Geologie, Teil 18, SS 2005, Abbildung „Grundwasseroberfläche“ - nach Press & Siever, 1995 (Spektrum Lehrbücher), www.erdwissenschaften.uni-graz. at/mitarbeiter/personal/home-page.
189Dabei ist die Herkunft des unterirdischen Wassers nach alter wie nach neuer Rechtslage grundsätzlich ebenso wenig von Bedeutung wie die Tiefe, in der es sich befindet, ob es fließt, in Hohlräumen gestaut oder kapillar gebunden ist. In der Sättigungszone sind alle Hohlräume in Poren-, Kluft- und Karstgrundwasser zu einhundert Prozent mit Wasser ausgefüllt.
190Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1967 - IV C 208.65 -, BVerwGE 27, 176 (178); OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 9 A 2967/08 -, NWVBl. 2011, 159 (160); Hess. VGH, Urteil vom 11. April 2001 - 5 UE 2176/00 -, NVwZ-RR 2002, 376 f.
191bb) Durch den Abbau der das Grundwasser überdeckenden Schichten ist zumindest im Bereich des nordöstlichen Teilabbaufeldes mit einer zugelassenen Abbauteufe von 352 mNN eine Grundwasserfreilegung gegeben.
192An der Grundwassermessstelle B 2, die im Süden dieses Teilabbaufeldes liegt (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, Anlage 2, Plan 1:5.000 „Empfohlene Abbautiefen“), ist bereits nach der hydrogeologischen Untersuchung, die den Antragsunterlagen der Beigeladenen beigefügt war, ein Maximalpegel von 391,38 mNN gemessen worden. Die Grundwasserganglinie vom 1. August 2005 bis zum 25. Oktober 2006 lag regelmäßig in einem Bereich zwischen ca. 385 mNN und etwa 390 mNN. Ein Vergleich zum Wasserwirtschaftsjahr 2004 zeigt keine wesentlichen Abweichungen, jedenfalls wurde auch in diesem Zeitraum die Marke von 380 mNN nie unterschritten. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass die vorgenannten Zeiträume Jahre mit einem durchschnittlichen Niederschlag umfassen, während etwa die Jahre 1993, 1994 und 1998 deutlich höhere Niederschlagsmengen aufwiesen (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 10 f. sowie Anhänge 1 und 2).
193In der weiteren hydrogeologischen Stellungnahme des Gutachterbüros NBC vom 22. Oktober 2009 betreffend die Grundwasserverhältnisse von 2006 bis 2009 ist für die Grundwassermessstelle B 2 im Zeitraum vom 5. August 2005 bis zum 21. Oktober 2009 sogar ein Maximalpegel von 393,54 mNN angegeben. Die in der gleichen Stellungnahme dokumentierte - zeitweilig allerdings unterbrochene - Grundwasserganglinie der Messstelle B 2 schwankt von Anfang Oktober 2003 bis zum Herbst 2009 in einem Bereich zwischen etwas mehr als 380 mNN bis deutlich über 390 mNN (Beiakte 2, Stellungnahme S. 6, Bl. 391, und Anlage 1, Bl. 394).
194Die Frage, ob die Ursache für eine große Amplitude oder Grundwasserschwankungshöhe in einer Messstelle - so die Beigeladene - darin liegt, dass der Hohlraum der Klüfte im Gebirge nur sehr geringe Volumina aufweist und somit kein großes Speichervolumen für eindringendes Wasser und Niederschlagswasser besitzt, weshalb das Wasser sehr schnell an die Grundwassermessstelle abgegeben wird und dann auch relativ schnell wieder in das Gebirge zurückfließt (Fachtechnische Bewertung Geoconsult C. vom 14. April 2010, S. 5 f., Bl. 217 f. GA), ist hier ohne Bedeutung. Denn gerade bei der Grundwassermessstelle B 2 ist mit Blick auf die Schwankung des über Jahre einheitlichen Grundwasserstandes, der jedenfalls nur zwischen zumindest 385 und 390 mNN schwankt, eine relativ geringe Amplitude vorhanden.
195Hinzu kommt, dass selbst nach der Einschätzung in den von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten die Grundwasserschwankungen von mehr als 10 m bei den ausgewerteten Grundwassermessstellen für klüftige Gesteinskörper charakteristisch sind, die sich vor allem in den nur leicht verkarsteten Schichten des Massenkalks ausbilden; wobei die großen Spiegelschwankungen durch das Kluftnetz generiert werden, die ähnlich wie in einem Kapillarsystem sofort auf die zutretenden Niederschlagswerte reagieren (Beiakte 2, Berichte NBC vom 7. Oktober 2004, S. 12, Bl. 158, und vom 7. November 2006, S. 10 f.). Hieraus folgt, dass bei Nassjahren oder Zeiten größerer Niederschlagsmengen in den Bereichen mit hohem Grundwasserstand - wie etwa im Bereich der Grundwassermessstelle B 2 -, in denen die Deckschicht über der Sättigungszone entfernt wird, um so eher mit einem Austritt von Grundwasser zu rechnen sein wird. Dies bestätigt auch die weitere Aussage, dass in dem hier fraglichen Bereich mit „einem weitgehend oberflächenparallelen Verlauf der Grundwasserdruckfläche zu rechnen (ca. 380 bis 390 mNN)“ ist (Beiakte 2, Bericht NBC vom 7. Oktober 2004, S. 13, Bl. 159).
196Nach alldem unterschreitet die im Bereich des nordöstlichen Teilabbaufeldes zugelassene Abbauteufe von 352 mNN die an der Grundwassermessstelle B 2 ermittelten und ständig gegebenen Grundwasserstände von rund 385 bis 390 mNN - auch ohne Berücksichtigung des während sogenannter Nassjahre aller Wahrscheinlichkeit nach noch höheren Pegels - deutlich um über 30 m.
197Die Prognose der Beigeladenen, unterhalb der Abbausohle werde das Gebirge durch die Abbautätigkeit aufgelockert - wobei die Auflockerungszone zwischen 2 und 4 m liege - und in dieser Auflockerungszone sei mit einer so hohen Zunahme des verfügbaren Hohlraumvolumens zu rechnen, dass die bei Niederschlagsereignissen anfallenden Wassermengen hierin gespeichert werden könnten (Beiakte 3, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 12), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn bei der Frage, ob eine Gewässerbenutzung in der Form des Zutageleitens von Grundwasser gegeben ist, ist auf die vor Ort anzutreffenden natürlichen Verhältnisse abzustellen, und nicht auf diejenigen, wie sie sich erst nach einem menschlichen Eingriff darbieten. Es ist daher auch nicht von Bedeutung, dass der Steinbruch nach dem Abbau „trocken“ bleibt. Entscheidend ist vielmehr, dass das Grundwasser an keiner Stelle - unabhängig davon, von welcher Stelle aus der Abbau angefahren wird - durch Abbautätigkeiten in seiner natürlichen Lage beeinträchtigt wird. Durch ein Freilegen des Grundwassers in der vor Ort anzutreffenden Situation kann dieses in seiner Güte durch Verunreinigungen oder in seiner Menge durch Verdunstung beeinträchtigt werden. Der wasserrechtlich nachteilige Einfluss ergäbe sich daraus, dass die geschlossene, durch ihren Bewuchs und ihre sonstige Beschaffenheit dem Zutagetreten des Grundwassers Widerstand leistende Erdoberfläche aufgebrochen wird. Bei Ansteigen des Grundwasserspiegels etwa in Nassjahren könnte hierdurch eine von der normalen Fließrichtung des Grundwassers abweichende Bewegung hervorgerufen werden.
198Vgl. Schwendner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Wasserabgabengesetz, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: September 2014), § 49 WHG Rn. 1.
199Durch den Abbau der über dem Grundwasser liegenden Mineralien werden Menge und Qualität des verfügbaren Grundwassers nachhaltig beeinträchtigt. Daraus können sich für die Allgemeinheit erhebliche Gefahren ergeben, vor allem wenn das Grundwasser von einer in der Nähe gelegenen Wasserversorgungsanlage gefördert wird. Selbst wenn sich der Abbau auf die Bereiche beschränkt, die oberhalb des Grundwasserspiegels liegen, verringert die Maßnahme die Deckschicht, die das Grundwasser vor dem Eindringen von Schadstoffen schützt. Auch die Selbstreinigung des von der Oberfläche eindringenden Wassers wird vermindert.
200Vgl. für den Kiesabbau BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (343).
201Der Deckfläche kommt beim Schutz des Grundwassers also eine eminent wichtige Funktion zu.
202Vgl. etwa Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen: Flächendeckend wirksamer Grundwasserschutz - Ein Schritt zur dauerhaft umweltgerechten Entwicklung (Redaktionsschluss: 15. Januar 1998), BT-Drucks. 13/10196, S. 16 (Abb. 1), 25 und 148 ff.
203Das Vorstehende wurde in der Sache auch von den im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat angehörten Sachverständigen bestätigt. So hat Herr Dr. I3. vom Geologischen Dienst NRW - Fachbereich 33: Beratung Grundwassererschließung und -schutz, Mineral- und Heilquellen - dargelegt, dass im verritzten Gebirge der Grundwasserstand nicht mehr so hoch ansteige, wie er im unverritzten Gebirge hätte ansteigen können. Auch Frau Dr. C3. vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW - Fachbereich 52: Grundwasser, Wasserversorgung, Trinkwasser, Lagerstättenabbau - hat bestätigt, dass die Verwendung des sog. 75er Perzentils (im verritzten Gebirge) zu längerfristigen Freilegungen führe.
204Hiernach vermag der Senat nicht die vom Geologischen Dienst NRW früher vertretene Auffassung und die Beurteilung des Verwaltungsgerichts zu teilen, es sei nicht auf die Grundwasserstände im unverritzten Gebirge, sondern auf die Verhältnisse im verritzten Gebirge abzustellen, wie sie sich nach Beendigung der Abbautätigkeit darstellten. Denn § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG a. F. bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG n. F. gehen für den Grundwasserschutz von der in einer Örtlichkeit vorgefundenen Situation aus und nicht von einem Zustand, wie er sich erst nach einem Eingriff darstellt. Träfe eine abweichende Annahme zu, könnte hoch über der endgültig durch den Abbau erst künstlich geschaffenen Oberfläche anstehendes Grundwasser für Monate oder auch Jahre freigelegt werden in der Erwartung, durch die Neugestaltung der Oberfläche des abgebauten Gebirges werde die Amplitude des Grundwassers reduziert. Dies würde allerdings ein Absenken des Grundwassers bedeuten, welches seinerseits aber eine erlaubnispflichtige Benutzung darstellt. Denn wasserrechtlich erlaubnispflichtig ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 WHG a. F. bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG n. F. auch das Absenken von Grundwasser durch Anlagen, die hierfür geeignet sind.
205Deshalb stellt auch die Prognose des Geologischen Dienstes NRW, ein „Anschneiden“ von Grundwasser sei auszuschließen, weil durch Sprengungen in den Flinzschichten ein künstlich vergrößertes Hohlraumvolumen entstehe, über das das Grundwasser in den darunter liegenden Massenkalk abströme (vgl. Stellungnahme vom 26. Oktober 2011 an das Verwaltungsgericht Arnsberg, Bl. 436 f. GA), die Beurteilung nicht in Frage, dass durch die Entfernung der Erd- und Gesteinsschichten im Bereich der Grundwassermessstelle B 2 bis zur genehmigten Teufe angesichts der an dieser Stelle gemessenen Grundwasserstände das Grundwasser im genehmigungsrechtlichen Sinn betroffen wäre.
206Ebenso wenig führt die weitere Einschätzung des Geologischen Dienstes NRW in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2011 (Bl. 370 GA) zu einer anderen Beurteilung. Der Geologische Dienst NRW hat dort ausgeführt, dass die Bohrung der Messstelle B 2 offenbar einen besonders kompakten Bereich des Massenkalks erschlossen habe, der hydraulisch nicht an das Hauptkluftsystem des Karstaquifers angeschlossen sei und ausschließlich die hydraulische Entwicklung der Grundwasserstände in den Flinzschichten widerspiegele. Dafür spreche auch die Beobachtung, dass in den letzten Jahren tendenziell fallende Grundwasserstände beobachtet worden seien, wie sie bei einem eigenständigen hydraulischen System zu erwarten seien, das mit fortschreitendem Anschnitt durch den Tagebau „ausblute“. Eine Grundwassermessstelle, die nicht an das Kluftsystem des Massenkalks angebunden sei, könne nicht zur Festlegung von Abbauhöhen im Massenkalk herangezogen werden. Selbst wenn diese Annahmen zuträfen, würde dies nichts darüber aussagen, dass angesichts der real ermittelten Grundwasserstände der Messstelle B 2 zumindest an dieser Stelle bzw. in deren Umkreis bei einem Entfernen der darüber liegenden Erd- und Gesteinsschichten (Flinzschichten) das gerade dort anzutreffende Grundwasser angegraben würde.
207Die Tatsache, dass der Tagebau der Beigeladenen von Nordosten nach Westen bzw. Süden fortschreitend in Teilbereichen des nordöstlichen Abbaufeldes mit einer zugelassenen Endteufe von 352 mNN bzw. des nordwestlichen Abbaufeldes mit einer zugelassenen Endteufe von 362 mNN mittlerweile - Stand: Anfang 2015 - eine durchschnittliche Teufe von 362 mNN erreicht hat (vgl. Tageriss 1:1.000 und Schnitte A - A bzw. B - B, Bl. 701 ff. GA), hat keine Relevanz für die Feststellung, dass jedenfalls im Bereich der Messstelle B 2 eine dauernde Freilegung des Grundwassers möglich ist. Zum einen mögen vorgenommene Sprengungen bereits zu sog. Verritzungen des Gebirges geführt haben, zum anderen liegt die Messstelle B 2 weiter südlich bzw. südöstlich des fortschreitenden Abbaus im noch nicht angetasteten Gebirge, dessen Oberkante bei einer Höhe von ca. 400 mNN liegt.
208cc) Nach dem vorstehend Dargelegten ist auch für das südliche Teilabbaufeld mit einer zugelassenen Abbauteufe von 385 mNN durch den Abbau der das Grundwasser überdeckenden Schichten die Gefahr einer Freilegung des Grundwassers gegeben.
209Für die am südöstlichen Rand dieses Abbaufeldes liegende Grundwassermessstelle B 4 ist in dem Bericht NBC vom 7. Oktober 2004 (Beiakte 2, Bl. 147 ff.) ein Grundwasserhöchststand von 388,33 mNN und für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis zum 1. Oktober 2004 eine Grundwasserganglinie festgestellt worden, die deutlich über 380 m liegt und sich im Mittel um 385 m bewegt (Beiakte 2, Bl. 158, und Anhang 3, Bl. 183). In einem späteren Bericht desselben Gutachters ist die Grundwassermessstelle B 4 nur noch als „wahrsch. vorh. aber nicht gemessen“ gekennzeichnet (vgl. Übersichtslageplan 1:5.000, im Anhang zur Stellungnahme von GeoConsult C. vom 18. März 2011, Bl. 359 GA).
210Lag aber die Grundwasserganglinie schon für den Beobachtungszeitraum 1. Oktober 2003 bis 1. Oktober 2004 - einem nur mittelmäßig niederschlagsreichem Zeitraum (Beiakte Heft 2, Bericht NBC vom 7. Oktober 2004, S. 14, Bl. 161, und Beiakte 3 a. E., Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 11) - im Mittel bei 385 mNN, so war die nur drei Jahre später mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. September 2007 erfolgende Zulassung einer Abbauteufe von 385 mNN hinsichtlich des Grundwasserschutzes nicht auf der sicheren Seite. Diese Abbauteufe unterschreitet den höchsten Grundwasserstand, liegt gerade in der Höhe des mittleren Grundwasserstandes und berücksichtigt nicht den höheren Pegel, der sich für Nassjahre oder niederschlagsreichere Zeiten der Behörde hätte aufdrängen müssen.
211dd) Das Vorhaben der Beigeladenen betrifft das Grundwasser bei intaktem Gebirge auch im Bereich der Grundwassermessstelle B 6.
212Die Grundwassermessstelle B 6 (Stellungnahme GeoConsult C. vom 4. März 2015, Plan 1:2.500, Anlage 2, Bl. 710 GA) liegt im nordwestlichen Teilabbaufeld des Vorhabens, für das eine Abbauteufe von 362 mNN zugelassen wurde. Für diese Messstelle liegen statistische Kennwerte und eine Aufzeichnung der Grundwasserganglinie seit dem Frühjahr 2012 vor (Stellungnahme GeoConsult C. vom 4. März 2015, S. 4, und Anlage 1, Bl. 707 und 709 GA). Diese Erkenntnisse, die erst nach der ursprünglichen Zulassung des Hauptbetriebsplanes II mit Bescheid vom 25. September 2007 entstandenen sind, sind nach dem eingangs Dargelegten mit Blick auf die jeweils später verfügten Verlängerungen dieses Hauptbetriebsplanes vorliegend zu berücksichtigen.
213An der Grundwassermessstelle B 6 sind Grundwasserstände mit einem Minimalwert von 348,64 mNN bis zu einem Maximalwert von 370,68 mNN ermittelt worden. Die Grundwasserganglinie bewegte sich im aufgezeichneten Zeitraum (Frühjahr 2012 bis zum 30. Oktober 2014) in dem zeitlichen Abschnitt von etwa November 2012 bis April 2013 mit zwei kurzzeitigen Pegelabfällen deutlich über 365 mNN, ebenso lagen Überschreitungen dieser Höhe im November 2013 und im Frühsommer 2014 vor.
214Angesichts der Tatsache, dass der Pegel der Grundwassermessstelle B 6 die zugelassene Abbauteufe von 362 mNN in Zeiträumen, die sich von mehreren Wochen bis zu mehreren Monaten erstrecken, deutlich überschreitet, besteht auch im nordwestlichen Abbaufeld unter Zugrundelegung der vorstehend dargelegten Bewertungsmaßstäbe die Möglichkeit einer dauernden Freilegung des Grundwassers.
215ee) Hieraus ergibt sich, dass das Vorhaben der Beigeladenen mit Blick auf die Vorschrift des § 35 WHG a. F. bzw. § 49 WHG n. F. nicht nur anzeigepflichtig ist. Es liegt nämlich keine nur unbeabsichtigte Grundwassererschließung vor, da nach dem vorstehend Dargelegten nach Lage der Dinge mit einem Freilegen oder jedenfalls Ableiten von Grundwasser zu rechnen war bzw. diese Folge billigend in Kauf genommen wurde.
216Vgl. Schwendner, in: Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Wasserabgabengesetz, Kommentar, Loseblatt-Ausgabe (Stand: September 2014), § 49 WHG Rn. 11.
217Denn der Steinabbau ist nach Aktenlage final auf ein Eindringen in das Grundwasser gerichtet, jedenfalls aber kausal mit einer Benutzung des Grundwassers verbunden,
218vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1967 - IV C 208.65 -, BVerwGE 27, 176 (179 ff.),
219mag auch die Erschließung des Grundwassers von einem unmittelbaren Vorsatz bzw. einem darauf direkt gerichteten Zweck nicht umfasst sein.
220b) Eine den Abbau freigebende bergrechtliche Betriebsplanzulassung durfte wegen des Fehlens einer wasserrechtlichen Genehmigung noch nicht bzw. nicht unbedingt erteilt werden.
221Die Zulassung des angefochtenen Hauptbetriebsplanes in der Fassung seiner nachfolgenden Verlängerungen erfolgte hier nicht durch einen Planfeststellungsbeschluss mit einer Konzentrationswirkung im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Mit Blick auf § 14 Abs. 2 WHG a. F./§ 19 Abs. 2 WHG n. F., wonach die Bergbehörde über die Erteilung der (wasserrechtlichen) Erlaubnis entscheidet, wenn ein bergrechtlicher Betriebsplan die Benutzung von Gewässern vorsieht, hätte die Bergbehörde bei zutreffender Bewertung der Sach- und Rechtslage aber berücksichtigen müssen, dass der zugelassene Abbau zu einer Freilegung von Grundwasser führt. Demgegenüber ist der Beklagte in dem Zulassungsbescheid vom 25. September 2007 davon ausgegangen, „die Machbarkeit des Vorhabens ohne nachteilige Einwirkungen auf das Grundwasser (sei) nachgewiesen“.
222Da der Hauptbetriebsplan den Abbau freigibt (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 BBergG) hätte die Bergbehörde den Hauptbetriebsplan wegen entgegenstehender Gründe des Grundwasserschutzes gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG nicht vor oder nur bei gleichzeitiger Erteilung der erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigung zulassen dürfen.
223Vgl. zum Hochwasserschutz bei planfeststellungsbedürftigen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplänen: BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2006 - 7 C 6.06 -, BVerwGE 127, 272 (280 f.), und vom 29. April 2010 - 7 C 18.09 -, ZfB 2010, 129 (132 f.); zum Verhältnis eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides zur wasserrechtlichen Gestattung: BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1989 - 7 B 87.89 -, Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 1, S. 2.
224Der gesetzliche Versagungsgrund des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG ist drittschützend. Liegen bereits bei der Entscheidung über die Zulassung eines Betriebsplans Umstände vor, die der Bergbehörde Anlass geben, die Aufsuchung oder Gewinnung gemäß § 48 Abs. 2 BBergG zu beschränken oder zu untersagen, hat sie dies bei ihrer Entscheidung durch Beschränkung oder Versagung der Zulassung zu berücksichtigen. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG ermöglicht und verlangt, schon im Betriebsplanverfahren die mittelbaren Auswirkungen untertägigen Bergbaus auf geschützte Rechtsgüter Dritter zu berücksichtigen.
225Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 -, BVerwGE 127, 259 (264).
226Insbesondere auf das Fehlen dieser wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bzw. die erforderliche aber unterbliebene Prüfung der wasserrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen kann sich die Klägerin im Sinne einer Rechtsverletzung auch berufen.
227Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1987 - 4 C 56.83 -, BVerwGE 78, 40 (42 ff.).
228Mit Blick auf die überragende Bedeutung des Grundwassers für die öffentliche Trinkwasserversorgung
229- vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (341 ff.);
230kann bei der Verringerung der Deckschicht und dem Eingriff in das Grundwasser die nicht nur abstrakte Gefahr einer Wassergefährdung sowohl in qualitativer Hinsicht - Eintrag von schädlichen Verunreinigungen in das Grundwasser - als auch mit Blick auf die Quantität - Verringerung des der M1. -Quelle zuströmenden Wassers unter anderem wegen einer Veränderung der Druckverhältnisse - nicht von der Hand gewiesen werden, was wiederum von unmittelbarem Einfluss auf das der Klägerin gewährte Wassergewinnungsrecht wäre.
231IV. Wäre die Wasserschutzgebietsverordnung - unbeschadet des vorstehend Ausgeführten - wirksam, würde der angefochtene Zulassungsbescheid des Beklagten in der Fassung der nachfolgenden Verlängerungen wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO ebenfalls rechtswidrig sein. Nach dieser Vorschrift sind in der Zone III A Grabungen oder Abgrabungen verboten, durch die das Grundwasser dauernd freigelegt oder angeschnitten wird; ausgenommen von diesem Verbot sind nur Maßnahmen für das Verlegen von Post- und Stromkabeln, für das Aufstellen von Masten, das Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen und Baugruben für Wohnbebauung. Die Voraussetzungen dieses Verbotstatbestandes sind erfüllt.
2321. Der Steinbruch der Beigeladenen liegt in der Schutzzone III A. Das Vorhaben der Beigeladenen gehört nicht zu den von den Verboten des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO ausgenommenen Maßnahmen. Der Tagebau zur Gewinnung von devonischem Massenkalk mit eingelagertem Marmor ist eine Grabung bzw. Abgrabung, da durch ihn die Geländeoberfläche in der Vertikalen verändert wird.
2332. Das Vorhaben der Beigeladenen ist in Bezug auf das Grundwasser im Kalksteingebirge relevant.
234a) Die Wasserschutzgebietsverordnung X1. Kalkmassiv verwendet den Begriff „Grundwasser“, ohne ihn näher zu definieren. Insbesondere enthalten die „Begriffsbestimmungen“ in § 2 WSG-VO hierzu keine Erläuterungen. Die seinerzeit maßgeblichen Bestimmungen des Landeswassergesetzes NRW a. F. oder des Wasserhaushaltsgesetzes a. F. enthielten zwar Regelungen zum Schutz des Grundwassers, sahen aber ebenso wenig eine eigene Definition des Begriffs „Grundwasser“ vor. Unbeschadet dessen war - wie der Senat bereits weiter oben erläutert hat - auch damals schon nach herkömmlichem Begriffsverständnis unter Grundwasser das unterirdische Wasser in der Sättigungszone zu verstehen, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht, was auch dem heutigen Begriff des Grundwassers entspricht.
235b) Wann von einem „Freilegen“ von Grundwasser auszugehen ist, wird in der Wasserschutzgebietsverordnung nicht definiert. Ein solches „Freilegen“ ist aber nach allgemeiner Meinung bei dem Abbau von Steinen ebenso wie bei der Gewinnung von Kies, Sand, Torf oder anderen Bodenbestandteilen gegeben, wenn das Grundwaser bei dem Abbau oder der Gewinnung zu Tage tritt, wenn also die das Grundwasser schützenden Deckschichten ganz oder teilweise entfernt werden oder wenn es mit anderen Worten aufgedeckt wird.
236Vgl. OVG Münster, Teilurteil vom 27. März 1991 - 7 A 1927/87 -, NuR 1992, 134 (135); Nds. OVG, Urteil vom 18. Oktober 2001 - 7 LB 161/01 -, NuR 2003, 40 (41); Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2010, § 9 Rn. 69 f.
237c) Die Wasserschutzgebietsverordnung bestimmt nicht, was unter dem Begriff eines „dauernden“ Freilegens von Grundwasser zu verstehen ist, insbesondere enthält § 2 WSG-VO in den dort aufgeführten Begriffsbestimmungen hierzu keine Erläuterungen.
238Der Begriff eines „dauernden“ Freilegens von Grundwasser ist aber bestimmt genug, weil sich sein normativer Inhalt durch Auslegung ermitteln lässt. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der den Anforderungen des allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG) genügt. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Begriffs gegeben sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die Auslegungsfähigkeit und Auslegungsbedürftigkeit tatbestandlicher Begriffe nimmt einer Norm grundsätzlich nicht die erforderliche Bestimmtheit. Ohne Verwendung solcher Begriffe könnte der Gesetzgeber der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht gerecht werden. Eine etwa notwendige Klarstellung ist Aufgabe der Rechtsprechung.
239Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. November 1989 - 1 BvL 14/85, 1 BvR 1276/84 -, BVerfGE 81, 70 (88), und vom 17. November 2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, 754 (755).
240Was unter einem „dauernden“ Freilegen von Grundwasser im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 der WSG-VO zu verstehen ist, lässt sich durch die Fachgerichte im Rahmen der Auslegung mit den Mitteln herkömmlicher Gesetzesauslegung, insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Grundwasserschutzes, hinreichend genau präzisieren. Hierbei ist nach ständiger Rechtsprechung für die Auslegung einer Norm maßgebend der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht. Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht kommt der grammatikalischen Auslegung eine herausgehobene Bedeutung zu; hier zieht der Wortsinn einer Vorschrift die unübersteigbare Grenze. Dies gilt auch, wenn eine Sanktionsnorm - wie hier § 12 WSG-VO - das bußgeldbewehrte Verhalten nicht selbst festlegt, sondern auf eine vorstehende Vorschrift verweist. In diesem Fall müssen beide Vorschriften in ihrer Gesamtheit sowie ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG genügen.
241Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2012 - 9 C 8.11 -, BVerwGE 142, 84, (86), m. w. N.
242Hiervon ausgehend steht das Verbot einer dauernden Freilegung des Grundwassers in § 4 Abs. 2 Nr. 21 der WSG-VO unter Berücksichtigung des Normzwecks und der überragenden Bedeutung des Grundwassers, wie sie das Bundesverfassungsgericht in der sog. Nassauskiesungs-Entscheidung hervorgehoben hat,
243vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (339 ff.),
244einer Abgrabung entgegen, die ursächlich dafür sein kann, dass Grundwasser auch nur während eines bestimmten Zeitraums, etwa zu wiederkehrenden Anlässen, etwa im Zeitpunkt der Schneeschmelze, in besonderen Nassjahren oder sonstigen ungewöhnlichen Wetterlagen, zu Tage tritt.
245aa) Diese Auslegung des Begriffs der Dauerhaftigkeit wahrt die Wortlautgrenze des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO.
246„Dauern“ bedeutete schon nach altem Sprachverständnis so viel wie „Stand halten, „Bestand haben“, „fortdauern“ oder „ausdauern“.
247Vgl. Stichwort: „dauern“: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Band 2, Biermörder - Dwatsch, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1984 (Nachdruck der Erstausgabe 1860).
248Nach neuerem Sprachgebrauch steht das Adjektiv „dauernd“ synonym „für längere Zeit in gleichbleibender Weise vorhanden, wirkend, geltend“, „fortwährend“, „ununterbrochen“ und „ständig“ oder aber auch für „häufig auftretend“, „wiederkehrend“ oder „immer wieder“.
249Vgl. zum Stichwort: „dauernd“: Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, Band 2: Cl -F, Bibliographische Institut (1976), und Duden online, www.duden.de/recht-schreibung.
250Die Bedeutung des Wortes „dauernd“ ist hiernach mehrdeutig. Sie kann zum einen auf einen Zeitraum hinweisen, d. h. auf eine Zeitspanne von bestimmter Länge, zum anderen kann sie aber auch eine unbegrenzte Zeit im Blick haben. Entscheidend ist daher, in welchem Kontext das Wort „dauernd“ verwendet wird.
251Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass ein „dauerndes“ Freilegen von Grundwasser im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO sowohl eine begrenzte Zeit als auch einen unverändert bestehen bleibenden Zustand meinen kann.
252bb) Ist die grammatikalische Auslegung des § 21 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO noch offen hinsichtlich der zeitlichen Reichweite des Begriffs der „dauernden“ Freilegung von Grundwasser, so zeigt bereits die systematische Auslegung, dass dieser Begriff restriktiv in einem Sinne auszulegen ist, dass bereits eine Zeitspanne ausreicht, um den Verbotstatbestand zu erfüllen.
253Die Wasserschutzgebietsverordnung differenziert zum Schutz des Grundwassers in den Schutzzonen III B, III A und II zwischen genehmigungspflichtigen und verbotenen Vorhaben. Innerhalb dieser beiden Kategorien wird erneut - vereinfacht ausgedrückt - zwischen solchen Vorhaben unterschieden, die durch das Eindringen schädlicher Stoffe zu einer Gefährdung der Grundwasserchemie führen können, und solchen Maßnahmen, die durch eine Beeinträchtigung oder Entfernung der über dem Grundwasser befindlichen Schutzschicht eine negative Veränderung insbesondere des Grundwasserhaushaltes bewirken und zusätzlich - wegen des Fehlens dieser Schutzschicht - unter Umständen ebenfalls einen erleichterten Eintrag schädlicher Stoffe ermöglichen können.
254Sowohl in der Schutzzone III B als auch in der Schutzzone III A sind Bohrungen aller Art mit Ausnahme von Bohrungen im Rahmen der geowissenschaftlichen Landesaufnahme oder solchen für Weidebrunnen genehmigungspflichtig (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 13 WSG-VO für die Zone III B und § 4 Abs. 1 Nr. 10 WSG-VO für die Zone III A). Ebenso sind Grabungen oder Abgrabungen über eine Tiefe von 2 m oder über eine Ausdehnung von 10 m2 hinaus grundsätzlich - von im Einzelnen ausgenommenen und hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - einer Genehmigungspflicht unterworfen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 12 WSG-VO für die Zone III B und § 4 Abs. 1 Nr. 16 WSG-VO für die Zone III A). Diese Genehmigungstatbestände zeigen, dass der Verordnungsgeber bereits die Beeinträchtigung oder das Entfernen der oberen Bodenschicht und das weitere Eindringen in tiefere Schichten als potentiell grundwassergefährdend angesehen hat und über die Kontrollfunktion eines Genehmigungsverfahrens wasserrechtliche Belange hat sicherstellen wollen.
255Mit diesen Regelungen steht das für die Schutzzonen III B und III A wortgleich geltende Verbot von Grabungen oder Abgrabungen, durch die das Grundwasser dauernd freigelegt oder angeschnitten wird - ausgenommen: Maßnahmen für das Verlegen von Post- und Stromkabeln, für das Aufstellen von Masten, das Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen und Baugruben für Wohnbebauung - (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 13 WSG-VO für die Zone III B und § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO für die Zone III A) in einem untrennbaren Zusammenhang. Bereits die Genehmigungspflicht für Abgrabungen, die eine größere horizontale Ausdehnung oder eine Tiefe von 2 m überschreiten, deutet auf eine Gefahr für das Grundwasser hin, die sich bei der Möglichkeit einer dauernden Freilegung oder eines dauernden Anschneidens des Grundwassers potenziert. Eine präventive Genehmigungspflicht wird damit zu einem repressiven Verbot mit Befreiungsmöglichkeit (vgl. § 10 WSG-VO).
256Das restriktive Normsystem der Wasserschutzgebietsverordnung zeigt mithin, dass von einer „dauernden“ Freilegung oder einem „dauernden“ Anschneiden des Grundwassers nicht erst dann die Rede sein kann, wenn dies zeitlich unbegrenzt - für immer - geschieht, sondern bereits bei einem zeitlich begrenzten, häufig auftretenden oder immer wiederkehrenden Zeitraum.
257cc) Die Entstehungsvorgänge der Wasserschutzgebietsverordnung tragen zur Bedeutungsfindung, was unter einer „dauernden“ Freilegung oder einem „dauernden“ Anschneiden des Grundwassers zu verstehen ist, wenig bei.
258aaa) Der vom StAWA M2. erarbeitete Erläuterungsbericht vom 1. Juli 1988 (Beiakte 11, Ordner 2, Band I am Anfang) verhält sich hierzu nicht ausdrücklich. Ihm lässt sich lediglich die Aussage entnehmen, dass hinsichtlich der Schutzfähigkeit der Gewinnungsanlagen die Gefahrenschwerpunkte unter anderem sicherlich bei den Abgrabungen lägen.
259Auch im Übrigen ist die gesamte Entstehungsgeschichte der Wasserschutzgebietsverordnung, soweit es insbesondere um Abgrabungen geht, durch die divergierenden Interessen der Wasserwirtschaft einerseits und der Kalksteinindustrie andererseits geprägt, ohne dass aber im Schriftverkehr oder in Protokollen zu Besprechungen über grundsätzliche Positionen hinaus die hier interessierende Frage in eindeutiger Weise im Detail erläutert worden wäre.
260Die Interessengemeinschaft Steinindustrie X. -L. hatte zum Entwurf des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO unter anderem eingewandt, das generelle Verbot könne nicht hingenommen werden, da als Grundwasser auch Sink- und Sickerwasser, das aus Klüften des Gesteins austrete und sich auf der Grundsohle sammelt, angesehen werde, weshalb das Verbot praktisch jede Abgrabung treffe, da dabei Grundwasser nach der vorgenannten Definition auftreten könne (Beiakte 11, Ordner 2, Band II, Schreiben vom 5. September 1988, S. 3).
261Hierzu hatte bei einer Besprechung von Behördenvertretern mit Vertretern der Kalksteinindustrie ein Vertreter des Geologischen Landesamtes erklärt, dass Grundwasser im Sinne dieser Bestimmung - gemeint war der Entwurf zu § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO - nicht das kurzzeitig austretende seitliche Wasser sei (Beiakte 11, Ordner 2, Band II, Terminsprotokoll vom 12. Oktober 1988, S. 4; ebenso enthalten in Beiakte 12, Ordner 3, Band V, mit erweiterten handschriftlichen Vermerken).
262Zwar ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Beigeladenen zutreffend, dass in ursprünglichen Entwurfsfassungen des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO noch das Verbot einer „dauernden oder zeitweisen“ Freilegung des Grundwassers enthalten war, so etwa in dem Entwurfstext vom 4. Oktober 1988 (Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 25). In dem weiteren Entwurf vom September 1989 (Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 73) und in dem „Entwurf zur Auslegung“ (Beiakte 12, Ordner 3, Band VI, Bl. 57), der im Januar 1990 an die Städte und Gemeinden zur Offenlegung versandt worden ist, war das Wort „zeitweise“ entfallen. Diese Veränderung geht ausweislich der Ergebnisniederschrift vom 12. Oktober 1988 offenbar auf eine Besprechung mit Vertretern der X1. Kalkindustrie zurück (Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 57), in der unter anderem das seitlich kurzzeitig austretende Grundwasser thematisiert worden ist. Neben einer Ergänzung um die hier nicht relevanten Ausnahmen in Bezug auf Maßnahmen für das Verlegen von Post- und Stromkabeln, für das Aufstellen von Masten, das Verlegen von Ver- und Entsorgungsleitungen und Baugruben für Wohnbebauung ist der Entwurf des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO insoweit durch Streichung des Begriffs „zeitweise“ modifiziert worden. Nach einem weiteren Vermerk über eine Besprechung von Behördenvertretern zur Fassung des Entwurfs des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO wurde nur „ausdrücklich festgehalten, daß der schwebende Grundwasserhorizont nicht gemeint ist“, aber im Übrigen die Aussage getroffen: „die Vorschrift wird nicht anders formuliert“ (Terminsprotokoll vom 11. Oktober 1989 betreffend die Besprechung vom 6. September 1989, Beiakte 12, Ordner 3, Band V, Bl. 5). Von einem solchen „schwebenden Grundwasserhorizont“ kann aber nur dann die Rede sein, wenn sich über dem Hauptgrundwasserleiter ein Grundwassernichtleiter befindet, über dem sich ein „schwebender“ Grundwasserleiter gebildet hat.
263Vgl. Wallbrecher, Allgemeine Geologie, Teil 18, SS 2005, Abbildung „schwebender Grundwasserhorizont“ - nach Press & Siever, 1995 (Spektrum Lehrbücher), www.erdwissenschaften.uni-graz.at/mitarbeiter/personal/homepage.
264Letztlich wurde bei einer Besprechung von Behördenvertreten am 20. Juli 1990 beim federführenden Dezernat 54.1 des Regierungspräsidenten Arnsberg hinsichtlich der Abgrabungstiefe einvernehmlich festgestellt, dass ein Abbau erfolgen könne, „solange er nicht im Grundwasser stattfindet (Gesprächsnotiz vom 31. Juli 1990, Beiakte 12, Ordner 3, Band XIV, Bl. 6). Hieraus ergibt sich, dass der Verordnungsgeber beim Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung erhöhte Gefahren für das Grundwasser durch Abgrabungen gesehen hat, einen Abbau im Grundwasser verbieten und allenfalls bei kurzzeitig seitlich austretendem Wasser auf Grund eines schwebenden Grundwasserhorizonts ein Verbot nicht vorsehen wollte.
265bbb) Bei dem Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung hatte der Verordnungsgeber bei der Einteilung und Bemessung der Schutzgebiete nach Nr. 7.5 VwV-WSG das in Anlage 1 übernommene DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Februar 1975) zu beachten. Nach der Nr. 5.1.2 Buchstabe p) des DVGW-Arbeitsblattes W 101 (Februar 1975) sind in der Zone III A gefährlich und in der Regel nicht tragbar Erdaufschlüsse, durch die die Deckschichten wesentlich vermindert werden, vor allem, wenn das Grundwasser ständig oder zu Zeiten hoher Grundwasserstände aufgedeckt oder eine schlecht reinigende Schicht freigelegt wird und keine ausreichende und dauerhafte Sicherung zum Schutz des Grundwassers vorgenommen werden kann. Auch das DVGW-Arbeitsblatt W 101 (Juni 2006) stuft unter Nr. 5.1 der Tabelle I das Gewinnen von Rohstoffen und sonstige Abgrabungen mit Freilegung des Grundwassers in der Zone II/III A mit einem sehr hohen Gefährdungspotential ein. Auch insoweit vermittelt das DVGW-Arbeitsblatt W 101 - in allen Fassungen - auf Grund des in ihm zum Ausdruck kommenden gebündelten fachlichen Sachverstandes dem Rechtsanwender wertvolle Aufschlüsse darüber, welche Gefährdungen zu vermeiden sind, damit die erforderliche Vorsorge für die Trinkwasserversorgung geleistet werden kann.
266Vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 27. November 2012 - 22 N 09.2974 -, juris, Rn. 39.
267Hieraus folgt, dass der Verordnungsgeber bei der Begriffswahl einer „dauernden“ Freilegung des Grundwassers nicht nur lange oder gar nicht abzusehende Zeiträume einer Grundwasserfreilegung vor Augen hatte („wenn das Grundwasser ständig … aufgedeckt … wird“), sondern mit „dauernd“ auch zeitlich begrenzte Perioden („wenn das Grundwasser … zu Zeiten hoher Grundwasserstände aufgedeckt … wird“) gemeint haben muss.
268dd) Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die vorgenannten Auslegungskriterien böten keine genügenden Anhaltspunkte für eine sachgerechte Interpretation des Verbots einer dauernden Freilegung oder eines dauernden Anschneidens des Grundwassers im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO, führt jedenfalls die teleologische Auslegung zu dem Ergebnis, dass der Begriff „dauernd“ hinsichtlich des in Betracht zu ziehenden zeitlichen Horizonts eingeschränkt zu verstehen ist.
269Das Wasser ist eine der wichtigsten Grundlagen allen menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens. Es wird nicht nur als Trink- und Brauchwasser, sondern auch als Produktionsmittel in Industrie und Handwerk benötigt. Wegen der vielfältigen und teilweise miteinander konkurrierenden Nutzungsinteressen ist eine geordnete Wasserbewirtschaftung sowohl für die Bevölkerung als auch für die Gesamtwirtschaft lebensnotwendig.
270Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (341).
271Das Wasserrecht hat sich daher seit Längerem bei dem Zielkonflikt zwischen dem Schutz des Wassers als natürlicher Ressource und den wirtschaftlichen Interessen an einer Gewässerbenutzung im weiteren Sinn im Grundsatz für die Priorität des Umweltschutzes entschieden, wie § 1a WHG a. F. bzw. § 1 WHG n. F. zeigt. Auch das europäische Wasserrecht geht in Bezug auf das Grundwasser grundsätzlich von einem ökologischen Ansatz, d. h. einem Erhaltungsgebot und einem Verschlechterungsverbot aus (vgl. Art 2 Nr. 20 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) WRRL).
272Gerade im Geltungsbereich einer Wasserschutzgebietsverordnung und speziell in der Schutzzone III A ist das Freilegen der das Grundwasser überdeckenden Bodenschichten typischerweise als besonders gefährlich einzustufen.
273Vgl. etwa zur Nassauskiesung OVG NRW, Urteil vom 1. Oktober 2001 - 20 A 1945/99 -, ZfW 2004, 114 (118 ff.), m. w. N.
274Diese Feststellung gilt aber nicht nur für Nassauskiesungen, sondern auch für weniger eingriffsintensive Fälle der dauernden Freilegung des Grundwassers. Dies zeigt beispielsweise das DVGW-Arbeitsblatt W 101, das in allen Fassungen Erdaufschlüsse bzw. das Gewinnen von Rohstoffen und sonstige Abgrabungen mit Freilegung des Grundwassers in der Zone III A als gefährlich einstuft.
275Eine „dauernde“ Freilegung des Grundwassers im Rechtssinn ist daher auch gegeben, wenn die Deckschicht über der Sättigungszone mit der Folge entfernt wird, dass das Grundwasser auch nur während eines bestimmten Zeitraums, etwa zu wiederkehrenden Anlässen, etwa im Zeitpunkt der Schneeschmelze, in besonderen Nassjahren oder sonstigen ungewöhnlichen Wetterlagen, zu Tage tritt. Mit Blick auf den Grundwasserschutz ist nicht zu fordern, dass die Grundwasserfreilegung auf unabsehbare Zeit erfolgt.
276So wohl Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 698.
277Diese Wertung wird bestätigt durch das Begriffsverständnis etwa der Legaldefinition des oberirdischen Gewässers in § 1 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. (§ 3 Nr. 1 WHG n. F.), wonach ein oberirdisches Gewässer unter anderem das ständig oder zeitweilig in Betten fließende Wasser ist. Hinsichtlich der zeitlichen Komponente sagt das Begriffspaar „ständig oder zeitweilig" lediglich etwas darüber aus, wann sich das Wasser während der Dauer der Existenz des Gewässers in seinem Bett befinden muss, so dass es ausreicht, wenn sich im Gewässerbett nur zu bestimmten wiederkehrenden Anlässen Wasser befindet.
278Vgl. OVG NW, Urteil vom 24. September 1986 - 20 A 454/85 -, ZfW 1987, 122 (123), m. w. N.
279Dementsprechend muss es in Bezug auf ein „dauerndes“ Freilegen des Grundwassers ebenfalls genügen, dass dieses nur zu bestimmten wiederkehrenden Anlässen, also nicht nur während eines temporär zu vernachlässigenden Zeitraumes freiliegt.
280ee) Die Behördenpraxis in anderen Bundesländern geht hinsichtlich des Grundwasserschutzes beim Trockenabbau ebenfalls von einem restriktiven Maßstab aus. So muss etwa nach den Bayerischen Richtlinien für Anlagen zur Gewinnung von Kies, Sand, Steinen und Erden
281- Erlass des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 9. Juni 1995 - 11/53-4511.3-001/90 -, AllMBl. S. 589, i. d. F. vom 12. April 2002, AllMBl. S. 234 = juris -
282beim Trockenabbau in der Regel ein Mindestabstand von 2 m zum höchstmöglichen Grundwasserstand eingehalten werden. Zur Festlegung der Abbausohle sind in der Regel mehrjährige Grundwasserbeobachtungen erforderlich. Ansonsten ist ein entsprechend hoher Sicherheitszuschlag einzuhalten. Grundwasser darf auch vorübergehend nicht angeschnitten werden (vgl. Nr. 4.2.2 der Richtlinien). Wenngleich diese Richtlinien nach ihrer Nr. 1 nicht für Anlagen gelten, die der Bergaufsicht unterliegen, so zeigen sie doch, welche allgemeinen Anforderungen - selbst außerhalb von Wasserschutzgebieten - zum Grundwasserschutz fachaufsichtlich für erforderlich gehalten werden.
283Gleiches gilt für die Erlasslage in Niedersachsen bezogen auf den Trockenabbau im Verhältnis zum Grundwasserschutz.
284Vgl. Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, Abbau von Bodenschätzen - Anlage 2: Inhalt des Erläuterungstextes sowie des Karten- und Planwerkes unter besonderer Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Bestandsaufnahme gemäß § 9 NAGBNatSchG und der Anforderungen des § 17 Abs. 4 BNatSchG, Erlass vom 3. Januar 2011 - 54-22442/1/1 -, juris.
285Nach der Nr. 4.3 dieses Erlasses dürfen Trockenabbauten nur mit einer verbleibenden ausreichenden Deckschicht über dem höchsten Grundwasserstand ausgeführt werden. Dieser ist ggf. nachvollziehbar theoretisch zu ermitteln. Eine entsprechende Darstellung ist aufzunehmen.
286Die beiden vorstehend zitierten Erlasse zeigen jeweils deutlich, dass zum einen auf den „höchstmöglichen“ bzw. „höchsten“ Grundwasserstand abzuheben ist, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt dieser Grundwasserstand anzutreffen ist. Zum anderen wird jeweils das weitere Erfordernis eines Mindestabstandes von 2 m zu diesem Grundwasserstand bzw. einer über dem Grundwasserstand verbleibenden ausreichenden Deckschicht statuiert.
2873. Die sogenannte Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG steht diesem engen Verständnis des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO nicht entgegen. Nach der vorgenannten Bestimmung ist zwar bei der Anwendung der einem Vorhaben entgegenstehenden Vorschriften dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsuchung oder Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Ob und in welchem Umfang in einem insgesamt schutzbedürftigen Gebiet im Einzelfall - ausnahmsweise - die Zulassung einer Abgrabung auf einzelnen Grundstücken den Zweck des Gebietsschutzes möglicherweise nicht gefährdet, ist auch nicht bereits bei der Schutzgebietsfestsetzung, sondern bei dem administrativen Vollzug zu prüfen.
288Vgl. zu einer Landschaftsschutzgebietsverordnung: BVerwG, Beschluss vom 25. August 1995 - 4 B 191.95 -, Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 5, S. 7; ebenso Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 694, m. w. N.
289Allerdings lässt sich aus der sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht herleiten, dass ein öffentliches Interesse an einem Abbau bei einer bergbehördlichen Entscheidung grundsätzlich einen Vorrang vor entgegenstehenden privaten oder anderen öffentlichen Interessen hat.
290Vgl. zur bergrechtlichen Zulegung BVerwG, Urteil vom 20. November 2008 - 7 C 10.08 -, BVerwGE 132, 261 (275).
291Hiervon ausgehend kann nicht erkannt werden, dass den Interessen der Beigeladenen ein Vorrang vor dem Grundwasserschutz gebührt. Zwar ist die Industrie auf die Lieferung von Kalkstein angewiesen, auch sind die wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen, deren alte und nach § 149 BBergG von der Bergbehörde bestätigten Rechte Schutz genießen, zu berücksichtigen. Ein Verbot der grundwassergefährdenden Abgrabung ist aber keine unzumutbare Beschränkung bestehender Rechte, sondern stellt selbst bei einer Eigentumsbeschränkung nur eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, wozu in besonderer Weise auch das Trinkwasser gehört, ist ein besonderer Ausdruck der Sozialbindung des (Grund-)Eigentums.
292Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 - , BVerfGE 58, 300 (345); BGH, Urteil vom 3. Juni 1982 - III ZR 107/78 -, BGHZ 84, 230 (232 ff.); Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 702, m. w. N.
2934. Es ist im vorliegenden Fall auch hinreichend wahrscheinlich, dass es jedenfalls zu einer dauernden Freilegung von Grundwasser im vorstehend dargelegten Begriffsverständnis kommen kann.
294Dabei mag es auf sich beruhen, ob man bei der Frage des Eintritts der Wahrscheinlichkeit den Maßstab der „Geeignetheit“ im Sinne des § 9 Abs. 2 WHG oder den Erwartungshorizont im Sinne des § 12 Abs. 1 WHG bzw. den sog. Besorgnisgrundsatz im Sinne der §§ 46 ff. WHG anlegt. Jedenfalls muss in Wasserschutzgebieten dem ohnehin schon besonders bedeutsamen und vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Schutz des Grundwassers
295- vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 (340 f.); vgl. auch zu § 50 WHG n. F. BT-Drucks. 16/12275, S. 66 -
296eine alle anderen Belange überragende Bedeutung zukommen. Somit sind an die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Grundwassergefährdung in einem Wasserschutzgebiet nur geringe Anforderungen zu stellen.
297Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 2 B 1484/11 - DVBl. 2011, 1429 (1431); Piens, in: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, Bundesberggesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 56 Anhang Rn. 697, m. w. N.
298Ist das Grundwasser betroffen, so reicht hierfür schon die nicht ganz entfernte, nur theoretische Möglichkeit einer schädlichen Einwirkung aus.
299Vgl. zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG a. F.: BGH, Urteil vom 3. Juni 1982 - III ZR 107/78 -, BGHZ 84, 230 (234); BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2001- 4 B 80.01 -, BRS 64 Nr. 104 (2001), S. 460.
3005. Unter Zugrundelegung der vorstehend aufgezeigten Grundsätze wird die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen durch die Bergbehörde nicht dem Schutzmaßstab des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO gerecht.
301a) Bereits die Sachverhaltsermittlung der Bergbehörde sowohl vor der Zulassung des Vorhabens als auch bei der jeweiligen Verlängerung des Zulassungsbescheides war in Bezug auf eine mögliche Gefährdung des Grundwassers unzureichend.
302aa) Die mit dem Zulassungsantrag im November 2006 eingereichten Antragsunterlagen waren für die hier zu fordernde Beurteilung, ob in den drei Abbaufeldern des Vorhabens mit ihren unterschiedlichen Abbautiefen - 352 m, 362 m und 385 m - (Beiakte 3 am Ende, Nr. 14 der Nebenbestimmungen des Zulassungsbescheides vom 25. September 2007 und Bericht NBC vom 7. November 2006, Plan 1:5.000 „Empfohlene Abbautiefen“, Anlage 2) ein dauerndes Freilegen von Grundwasser möglich ist, nicht ausreichend.
303Der Bericht des Gutachterbüros NBC vom 7. November 2006 (Beiakte 3 am Ende) enthält zwar in den als Anlagen 1 und 2 beigefügten Lageplänen Eintragungen von Grundwassermessstellen im Bereich des Vorhabens und in dessen Umfeld. Speziell im Bereich des Vorhabens sind die Grundwassermessstellen B 1 bis B 4 vermerkt, was allerdings irreführend ist. Die Messstelle B 4 ist zwar für den vorausgegangenen Bericht NBC vom 7. Oktober 2004 (Beiakte 2, Bl. 147 ff.) noch ausgewertet worden, nicht mehr aber für die Antragsunterlagen. Zudem wurden die Messstellen B 1, B 3 und B 4 in einem späteren Bericht desselben Gutachters als „nicht mehr vorhanden“ oder aber als „wahrsch. vorh. aber nicht gemessen“ gekennzeichnet (Übersichtslageplan 1:5.000, Anhang zur Stellungnahme von GeoConsult C. vom 18. März 2011, Bl. 359 GA).
304Innerhalb des Vorhabensbereiches wurde für die Antragsunterlagen einzig die Messstelle B 2 ausgewertet, was sich aus den entsprechenden Erläuterungen und den schematisch wiedergegebenen Grundwasserganglinien ergibt (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 3 und Anhang 1 sowie 2). Dass die weiteren außerhalb des Vorhabensgebietes liegenden Messstellen 33, B und Aneu speziell für den Bereich des hier in Rede stehenden Tagebaus prognostisch hinreichend aussagekräftig sind, ergibt sich aus dem Bericht NBC vom 7. November 2006 nicht mit hinreichender Deutlichkeit. Es wird dort lediglich auf eine „vergleichbare Tendenz“ verwiesen, gleichzeitig aber auch betont, dass „jedoch erhebliche Unterschiede in den Grundwasserschwankungsbreiten auftreten“ (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 10). Mit Blick auf die Tatsache, dass nach dem Bericht zudem eine Grundwasserfließrichtung von West nach Ost gegeben ist (Beiakte 3 am Ende, Bericht NBC vom 7. November 2006, S. 5), hätte eine Relevanz der Messstellen 33, B und Aneu für die Beurteilung des Grundwasserpegels im gesamten Abbaubereich des zu beurteilenden Tagebaus deutlicher herausgearbeitet werden müssen, da die drei Abbaufelder mit unterschiedlichen (vorgeschlagenen) Abbauteufen weiter südlich bzw. westlich dieser Messstellen liegen, d. h. jedenfalls nicht in der Grundwasserfließrichtung. Eine solche vertiefende Erläuterung ist aber nicht gegeben worden.
305Auf das Fehlen ergänzender Messstellen hatten die von Klägerin beauftragten Gutachter schon in ihrer Stellungnahme vom 10. Dezember 2007 - Anlage zur Begründung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Zulassungsbescheid vom 25. September 2007 - hingewiesen (Beiakte 1, Bl. 24).
306Die Bergbehörde hätte mithin mit Blick auf die ihr nach § 24 VwVfG NRW obliegenden Amtsermittlung schon vor der Zulassung des angefochtenen Hauptbetriebsplanes mit Bescheid vom 25. September 2007 eine weitere Aufklärung des Sachverhalts betreiben und gegebenenfalls von der Beigeladenen verlangen müssen, ein Grundwassermessstellennetz im gesamten Bereich des Abbauvorhabens zu errichten, um hinreichend aussagekräftige Erkenntnisse für die zu treffende Prognose zu gewinnen, ob ein dauerndes Anschneiden des Grundwassers zu besorgen ist, und damit die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens der Beigeladenen abschließend beurteilen zu können.
307Die Nebenbestimmung Nr. 15 des Zulassungsbescheides, mit der die Errichtung und Betreibung weiterer Grundwassermessstellen zur eindeutigen Dokumentation und Ermittlung des Grundwassers im Bereich auskeilender Flinzschichten zum Massenkalk gefordert wird, stellt nur einen Transfer des Problems in spätere Zeiten dar, dessen Lösung aber schon zuvor hätte erfolgen müssen. Prognoseunsicherheiten, die das Vorhaben als solches betreffen, lassen sich nicht durch Nebenbestimmungen lösen. Denn der Grundwasserschutz war eines der zentralen Probleme des Vorhabens der Beigeladenen und bedurfte bereits bei der Zulassung einer umfassenden und abschließenden Entscheidung. Bis zu ihrer Entscheidung hätte sich die Bergbehörde die für die Bewältigung des Problems notwendigen Kenntnisse auch mit vertretbarem Aufwand beschaffen (lassen) können.
308Vgl. zur ähnlichen Problematik eines Vorbehaltes im Planungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 1995 - 4 B 30.95 -, Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 16, S. 6 f., und Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 -, BVerwGE 102, 331 (346 f.), jeweils m. w. N.
309Die gleiche Feststellung gilt hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 17 des Zulassungsbescheides vom 25. September 2007 betreffend das sofortige Einstellen des Abbaus in Bereichen, in denen bei den zugelassenen Abbauteufen wider Erwarten Grundwasser angetroffen oder Quellen freigelegt werden sollten. Auch insoweit wird mangels einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage ein bereits im Vorfeld zu lösendes Problem sehenden Auges in die Zukunft geschoben mit der nicht gerechtfertigten Erwartung, es werde sinngemäß „schon alles gut gehen“, ohne dass aber dem Grundwasserschutz angemessen Rechnung getragen würde.
310Die Tatsache, dass die von der Bergbehörde beteiligte Wasserbehörde (Beiakte 2, Bl. 5 ff. und 48 ff.) und der Geologische Dienst NRW (Beiakte 2, Bl. 229 f.) keine Bedenken gegen eine Erlaubniserteilung hatten, weil auch sie nicht von der Möglichkeit einer dauernden Freilegung des Grundwassers ausgegangen sind, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die gemäß § 9 Abs. 6, Abs. 3 Satz 2 WSG-VO auch in wasserrechtlichen Fragen zuständige Bergbehörde war durch positive Stellungnahmen anderer (Fach-)Behörden nicht von der Pflicht zu einer kritischen Prüfung entbunden und blieb als letztentscheidende Behörde in der Verantwortung, sich alle für die Entscheidung erforderlichen notwendigen Informationen zu beschaffen.
311bb) Bei den weiteren Verlängerungen der Zulassung des Hauptbetriebsplanes mit Bescheiden vom 11. November 2009, vom 14. September 2011 und vom 13. September 2013 ist eine hinreichende Sachverhaltsaufklärung ebenfalls unterblieben.
312Die Grundwassermessstelle B 5, die im November/Dezember 2009 erstellt worden ist, liegt außerhalb des hier streitigen Abbauvorhabens im Bereich des benachbarten Steinbruchs. Am Bohrpunkt waren zudem bereits ca. 25 m Gestein bis zu einer Sohle in Höhe von 377 mNN abgebaut (GeoConsult C. , Dokumentation vom 14. Januar 2010, Bl. 353 ff. GA). Deshalb kommt den bei der Erstellung der Messstelle gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der Gesteinszusammensetzung oder dort gemessener Grundwasserstände keine unmittelbare Aussagekraft hinsichtlich der hier allein interessierenden Frage zu, ob im Bereich des Vorhabens der Beigeladenen mit einer dauernden Freilegung des Grundwassers zu rechnen ist. Denn gerade im südlichen Teilabbaugebiet des Vorhabens, dessen natürliche Geländeoberkante teilweise über 395 mNN liegt, ist das Gebirge noch nicht vom Abbau erfasst. Zudem liegt die Messstelle B 5 östlich des Vorhabens, also jenseits der sich von West nach Ost bewegenden Grundwasserfließrichtung.
313Die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erstellte Stellungnahme des Geologischen Dienstes NRW vom 13. Mai 2011 (Bl. 368 ff. GA) gebietet keine abweichende Beurteilung. Zwar lässt sich dieser Stellungnahme unter anderem entnehmen, dass die Messstelle B 2 als nicht repräsentativ bzw. aussagekräftig für die Festlegung von Abbauhöhen im Massenkalk angesehen wird. Im Übrigen enthält diese Stellungnahme in Ermangelung von Grundwassermessstellen, die im Abbaugebiet selbst liegen, nur hypothetische Aussagen zur Einteilung des Abbaugebietes in Teilschollen und zu möglichen Wasserbewegungen aufgrund einer Interpolation des Grundwasserstandes der außerhalb des Abbaugebietes liegenden Messstellen.
314Innerhalb des Abbaugebietes - im nordwestlichen Teilbereich mit der zugelassenen Abbauteufe von 362 mNN - ist zwar später noch die Grundwassermessstelle B 6 eingerichtet worden. Die Stellungnahme des Gutachters der Beigeladenen vom 4. März 2015, in der unter anderem auch diese Grundwassermessstelle ausgewertet wird, ist aber erst nach der letzten Verlängerung des Hauptbetriebsplanes mit Bescheid vom 13. September 2013 erstellt worden.
315b) Unabhängig von den vorstehend aufgezeigten Ermittlungsdefiziten ist die Gefahr einer dauernden Freilegung des Grundwassers um die Grundwassermessstellen B 2 und B 6 im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine bereits weiter oben gemachten und hier sinngemäß geltenden Ausführungen zu der Frage einer Benutzung des Grundwassers im wasserrechtlichen Sinn.
316Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch in diesem Zusammenhang nicht auf die Grundwasserstände im verritzten Gebirge, sondern auf die Verhältnisse im unverritzten Gebirge abzustellen ist. Denn § 4 Abs. 2 Nr. 21 WSG-VO dient dem Schutz des Status quo. Eine Schutzgebietsverordnung kann naturgemäß nur auf den Zustand einwirken, den sie im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens vorfindet. Sie dient dem Zweck, künftige Belastungen zu verhindern und den Grundwasserleiter in einem möglichst intakten Zustand zu erhalten.
317Vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. März 2014 - 3 S 280/14 -, juris, Rn. 50, m. w. N.
318V. Eine Umdeutung der von der beklagten Bergbehörde gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 16 i. V. m. § 9 Abs. 6 WSG-VO im Rahmen der Zulassung des Hauptbetriebsplanes inzident erteilten wasserrechtlichen Genehmigung in eine Befreiung nach § 4 Abs. 2 Nr. 21 i. V. m. § 10 Abs. 1 WSG-VO, über die ebenfalls die Bergbehörde bei der bergrechtlichen Betriebsplanzulassung zu entscheiden hätte (vgl. § 10 Abs. 3 i. V. m. § 9 Abs. 6 WSG-VO), kommt nicht in Betracht.
319Nach § 47 Abs. 1 VwVfG NRW kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nach Absatz 3 der vorgenannten Bestimmung kann aber eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
320§ 47 Abs. 3 VwVfG NRW steht hier einer solchen Umdeutung entgegen. Die Zulassung eines Betriebsplans ist eine gebundene Entscheidung ohne planerischen Gestaltungsspielraum der Behörde.
321Vgl. zum Rahmenbetriebsplan BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2006 - 7 C 1.06 -, BVerwGE 127, 259 (264).
322Die Befreiung nach § 10 Abs. 1 WSG-VO ist demgegenüber eine Ermessensentscheidung („kann“), die zudem die Prüfung erfordert, ob Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung erfordern (Nr. 1) oder Verbote zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen und die Abweichungen mit den Belangen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere des Gewässerschutzes im Sinne dieser Verordnung, vereinbar sind (Nr. 2). Eine dahingehende Prüfung wurde hier aber von der Bergbehörde - aus ihrer Sicht konsequent - nicht vorgenommen.
323VI. Eine lediglich teilweise Aufhebung des rechtswidrigen Hauptbetriebsplanes II in der Fassung seiner nachfolgenden Verlängerungen kommt nicht in Betracht. Ein in einem Genehmigungsantrag zusammengefasstes Vorhaben stellt regelmäßig ein einheitliches Ganzes dar, sei es, dass dessen einzelne Teile unter Nutzungsgesichtspunkten eine enge funktionale Verbindung aufweisen, sei es, dass der eine Bestandteil ohne den anderen baurechtlich nicht zulässig ist, oder sei es, dass die Einheitlichkeit des Vorhabens dem ausdrücklich geäußerten oder jedenfalls erkennbaren Willen des Vorhabenträgers entspricht.
324Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 30. September 2014 - 8 A 460/13 -, juris, Rn. 137 f., m. w. N.
325Eine Teilaufhebung scheidet daher aus, weil trotz der Aufteilung des Vorhabens in drei Abbaufelder mit unterschiedlichen Abbauteufen es den betrieblichen Dispositionen des Unternehmers überlassen ist, welche genauen Stellen des Bergfeldes er in welcher Reihenfolge abbaut bzw. bis zu welcher (genehmigten) Teufe er Gestein abbaut.
326VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Der Senat hält es für ermessensgerecht, die Beigeladene hälftig an den Verfahrenskosten zu beteiligen, weil sie auf Seiten des Beklagten der Klage und der Berufung entgegengetreten ist und Anträge gestellt hat. Lediglich klarstellend sei angemerkt, dass die hälftige Kostentragungspflicht des Beklagten nicht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen umfasst (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
327Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
328Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Unberührt bleiben Rechtsvorschriften, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind. Bei Anwendung dieser Vorschriften ist dafür Sorge zu tragen, daß die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.
(2) In anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15 kann, unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Bei der Prüfung, ob eine Beschränkung oder Untersagung zu erfolgen hat, sind bei raumbedeutsamen Vorhaben Ziele der Raumordnung zu beachten. Soweit die öffentlichen Interessen zugleich den Schutz von Rechten Dritter umfassen, kann die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde den Plan auslegen, wenn voraussichtlich mehr als 300 Personen betroffen sind oder der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist. § 73 Abs. 3, 4 und 5 Satz 1 und 2 Nr. 1, 2 und 4 Buchstabe b des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, daß an die Stelle der Gemeinde die zuständige Behörde tritt. Verspätet erhobene Einwendungen sind ausgeschlossen. Hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen.
Die zuständige Behörde hat vor der Entscheidung über den Antrag den Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10 gehört.
(1) Unberührt bleiben Rechtsvorschriften, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind. Bei Anwendung dieser Vorschriften ist dafür Sorge zu tragen, daß die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.
(2) In anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15 kann, unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Bei der Prüfung, ob eine Beschränkung oder Untersagung zu erfolgen hat, sind bei raumbedeutsamen Vorhaben Ziele der Raumordnung zu beachten. Soweit die öffentlichen Interessen zugleich den Schutz von Rechten Dritter umfassen, kann die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde den Plan auslegen, wenn voraussichtlich mehr als 300 Personen betroffen sind oder der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist. § 73 Abs. 3, 4 und 5 Satz 1 und 2 Nr. 1, 2 und 4 Buchstabe b des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, daß an die Stelle der Gemeinde die zuständige Behörde tritt. Verspätet erhobene Einwendungen sind ausgeschlossen. Hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.