Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 10. Juni 2013 - 2 B 29/13

bei uns veröffentlicht am10.06.2013

Tenor

1. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung wird hinsichtlich des Aussetzungsbegehrens der Antragsteller wie folgt neu gefasst:

„Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Baugenehmigung und den Zulassungsbescheid jeweils vom 19.11.2012 wird angeordnet“

2. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 4.2.2013 – 5 L 15/13 – wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene.

4. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Wohnanwesens C-Straße in B-Stadt (Parzelle Nr. 44/12 in Flur 20 der Gemarkung St.). Sie wenden sich gegen den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit acht Wohneinheiten auf der seitlich angrenzenden Parzelle Nr. 44/8. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „W.“ der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1980, der von der Nutzungsart her ein reines Wohngebiet (WR, § 3 BauNVO 1977) festsetzt.

Nachdem die Bauarbeiten erstmals im Mai 2011 unter Verweis auf das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung von der Antragsgegnerin eingestellt worden waren,(vgl. dazu den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.5.2011 – 20100827 –, betreffend die Errichtung von Stützmauern und Geländeaufschüttungen im rückwärtigen Grundstücksbereich) beantragte die Beigeladene im September 2011 die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren für den „Neubau Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ sowie verschiedener Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Nach den beigefügten Plänen sollten jeweils zwei Wohnungen im Unter-, Erd- und Obergeschoss sowie in einem darauf aufgesetzten Staffelgeschoss ausgeführt werden. Mit einem „Zulassungsbescheid“ vom 9.11.2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen mehrere Befreiungen von verschiedenen Festsetzungen ihres Bebauungsplans.

Die Antragsteller haben Widerspruch gegen den „Zulassungsbescheid“ erhoben und beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zur Einstellung der wieder aufgenommenen Arbeiten an dem Vorhaben zu verpflichten. Nachdem das Verwaltungsgericht die Beteiligten im Januar 2012 auf Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen hingewiesen hatte, hat die Beigeladene Änderungen des Bauvorhabens in den Plänen vorgenommen. Durch Zulassungsbescheid vom 2.2.2012 wurden ihr daraufhin bezüglich derselben Festsetzungen des Bebauungsplans erneut Befreiungen für dieses Vorhaben erteilt. Auch dagegen haben die Antragsteller Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, das Vorhaben halte nach wie vor die Abstandsflächen nicht ein und widerspreche „trotz aller Ausnahmegenehmigungen“ den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die „riesige Baumasse“ des Neubaus entziehe ihrer Wohnung Licht und Luft in einem nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots nicht akzeptablen Maß.

Im Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Zulassungsbescheide vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Bauarbeiten erneut einzustellen.(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –) In der Begründung ist unter anderem ausgeführt, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch das im Bau befindliche Vorhaben sei überwiegend wahrscheinlich. Zwar seien die erteilten Befreiungen bei isolierter Betrachtung nicht geeignet, eine Nachbarrechtsverletzung zu begründen. Sie führten aber in ihrer Kumulierung zur Zulässigkeit eines die Planvorgaben deutlich überschreitenden, mehr als doppelt so großen Bauvorhabens, das aller Voraussicht nach eine erdrückende Wirkung auf die plankonform bebauten Nachbargrundstücke haben werde. Daraufhin verfügte die Antragsgegnerin im Februar 2012 die neuerliche Einstellung der Bauarbeiten.(vgl. den Bescheid vom 22.2.2012 – 20120077 –)

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobenen Beschwerden sowohl der Beigeladenen als auch der Antragsgegnerin hat der Senat, nachdem die Beigeladene im Februar 2012 auf die Rechte aus dem Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 verzichtet hatte, im Mai 2012 zurückgewiesen.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –, SKZ 2012, 172, Leitsatz Nr. 24) In der Begründung heißt es, es spreche viel dafür, dass die nach dem Nachbarschutz vermittelnden § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes freizuhaltenden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück lägen. Die von der Beigeladenen im Rahmen eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens (§§ 63 LBO 2004, 1 Abs. 2 BauVorlVO 2011) im Februar 2012 eingereichten geänderten Bauvorlagen legten eine Unterschreitung der erforderlichen Grenzabstände nahe. In dem Fall stünde auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots im Raum.

Anschließend forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene mehrfach zur Stellung eines Bauantrags nach § 65 LBO 2004 auf. Die Beigeladene lehnte das ab, legte stattdessen im Juli 2012 zahlreiche Berechnungen zu den Abstandsflächen sowie einen Nachweis über die einweisungsgemäße Ausführung des Vorhabens vor und beantragte, die Bauarbeiten wieder freizugeben. Im August 2012 beantragte die Beigeladene unter Hinweis auf diese Unterlagen beim Verwaltungsgericht, dessen Entscheidung vom Februar 2012 abzuändern und das auf Baueinstellung gerichtete Anordnungsbegehren wie auch den Aussetzungsantrag der Antragsteller hinsichtlich der „Zulassungsbescheide“ vom November 2011 und vom Februar 2012 zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat beide Anträge im September 2012 zurückgewiesen.(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 28.9.2012 – 5 L 695/12 –) In der Begründung heißt es, im Vergleich zum „Zulassungsbescheid“ vom 2.2.2012 handele es sich um ein anderes Bauvorhaben. Die bloße Vorlage neuer Abstandsflächenpläne und des Einmessungsplans beinhalte keine „Änderung der Tatsachengrundlage“ im Verhältnis zu dem abgeschlossenen Eilverfahren.

Das Verfahren betreffend die dagegen seitens der Beigeladenen erhobene Beschwerde haben die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt,(vgl. den Einstellungsbeschluss des OVG des Saarlandes vom 4.1.2013 – 2 B 310/12 –) nachdem die Antragsgegnerin ihr auf einen zwischenzeitlich gestellten Bauantrag im November 2012 eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Neubau einer Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ und gleichzeitig erneut mehrere Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „W.“ erteilt hatte.(vgl. den Bauschein der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 und den Abweichungsbescheid (§ 68 LBO 2004, „Zulassungsbescheid“) vom selben Tag, Az. jeweils – 20120763 –) Die von der Antragsgegnerin zugelassenen Abweichungen betreffen – wie bisher – Überschreitungen der Zahl der zulässigen Vollgeschosse (II) um ein Vollgeschoss im Untergeschoss, der hinteren Baugrenze mit Balkonen, der maximal zulässigen Geschossflächenzahl (0,7) durch die insoweit anrechenbaren Aufenthaltsräume im Staffelgeschoss, die Änderung der zulässigen Dachform sowie der Bauweise, hinsichtlich der zugelassenen Breite des Gebäudes. Zur Begründung heißt es im Bauschein, die Abweichungen würden erlaubt, weil sie „unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar“ seien, da sie „im Bebauungsplangebiet mehrfach auffindbar“ seien.

Die Antragsteller haben im Dezember 2012 auch gegen diese beiden Bescheide Widerspruch erhoben und Anfang Januar 2013 beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur neuerlichen Einstellung der Bauarbeiten beantragt. Nachdem das Verwaltungsgericht ihrem Vorabentscheidungsersuchen entsprochen hatte,(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 7.1.2013 – 5 L 15/13 – und den die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Zwischenregelung zurückweisenden Beschluss des OVG des Saarlandes vom 18.1.2013 – 2 B 7/13 –) ordnete die Antragsgegnerin unter Hinweis hierauf erneut die sofortige Einstellung der Arbeiten an.(vgl. dazu den Bescheid vom 9.1.2013 – 20120763 –)

Zur Begründung ihrer Anträge haben die Antragsteller unter anderem ausgeführt, der Zulassungsbescheid und die Baugenehmigung seien eklatant rechtswidrig und verletzten sie in subjektiven Rechten. Die Entscheidungen litten an evidenten Fehlern, die bereits die Annahme ihrer Nichtigkeit rechtfertigten. Hinsichtlich der erteilten zahlreichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans lasse die nichtssagende Begründung, die bereits in den vorangegangenen Verfahren sowohl vom Verwaltungs- als auch vom Oberverwaltungsgericht als nicht tragfähig bezeichnet worden sei, nach wie vor keine Auseinandersetzung mit Hinsichtlich den hier offensichtlich nicht erfüllten gesetzlichen Anforderungen erkennen. Die Antragsgegnerin sehe es offensichtlich lediglich als ihre Aufgabe an, das streitgegenständliche Vorhaben „nachbarschaftsfest“ zu machen. Dieses solle „um jeden Preis legalisiert“ werden. Die Einhaltung des Bebauungsplans, die die Antragsgegnerin von ihnen selbst verlangt habe, sei auch der Beigeladenen zumutbar gewesen. Darin liege eine Ungleichbehandlung „hart an der Grenze zu behördlicher Willkür“. Nach den Befreiungen dürfe die Beigeladene doppelt so viele Geschosse bauen wie andere Bauherren und die zulässige Geschossfläche um 499,69 qm, die rückwärtige Baugrenze um 33,71 qm und die zulässige Breite um 1/5 überschreiten. Belichtung, Besonnung und Belüftung ihres – der Antragsteller – Anwesens würden massiv beeinträchtigt. Der von der Beigeladenen geplante „riesige Klotz“ mit einer Baumasse von 3.630 cbm werde die eigene Wohnung erheblich überragen. Auf das Untergeschoss würden 3 Vollgeschosse aufgesetzt, die nach den Plänen ca. 9 m hoch seien. Auf den Garagen sei ein 7 m hoher Baukörper geplant. In 3 m Abstand zu ihrer Terrasse werde ein 11 m hohes und 20 m tiefes Bauvorhaben errichtet. Sogar das Arbeitszimmer und das Zimmer ihrer Tochter im Obergeschoss ihres Hauses würden keine direkte Sonneneinstrahlung mehr haben. Die Ausrichtung der Terrasse sei bewusst gewählt worden, da sie beide ganztägig bei geschlossenen Rollläden arbeiteten und daher auf die Abendstunden angewiesen seien, um „Licht und Luft zu genießen“. Der Einmauerungseffekt sei offensichtlich. Daran zeige sich die Nachbarrechte verletzende Wirkung der Befreiungen in ihrer Kumulation. Schutzwürdige „Belange an baurechtswidrigem Bauen“ könne die Beigeladene nicht geltend machen. Auch das genehmigte Staffelgeschoss sei ein Vollgeschoss, da es mehr als 2/3 der Bruttogrundfläche des ersten Obergeschosses aufweise. Dafür sei keine Befreiung erteilt worden. Ferner müsse nach Nr. 1.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans die Oberkante des Erdgeschossfußbodens bei – wie hier - talseitiger Bebauung bezogen auf die Gebäudemitte auf dem Niveau des höchsten Straßenpunktes liegen. Nach den genehmigten Ansichtsplänen liege der Punkt bei dem Vorhaben 27 cm höher. Das streitgegenständliche Bauvorhaben verstoße auch gegen die nachbarschützenden Vorschriften über die Abstandsflächen. Für die Berechnung aller neun der ihrem Grundstück zugekehrten Abstandsflächen sei bereits nicht erkennbar, welche Geländeoberfläche zugrunde gelegt worden sei. Das Vermessungs- und Geoinformationsamt habe im November 2011 die Geländeoberfläche vermessen und dabei „zwei mögliche Geländeoberflächen festgelegt“. Welche davon sich die Beigeladene „ausgesucht“ habe, sei nicht erkennbar und offenbar von der Antragsgegnerin auch nicht nachgeprüft worden. Die Abstandsflächenberechnungen setzten an den Rohbaumauern an, ohne die außen aufzubringende Wärmedämmung und den Verputz zu berücksichtigen. Im Einzelnen haben sich die Antragsteller vor dem Hintergrund gegen die Berechnung mehrerer Abstandsflächen an der ihrem Grundstück zugekehrten Seite des Bauvorhabens gewandt, insoweit alternative Einzelberechnungen angestellt und unter anderem die aus ihrer Sicht nicht zulässige Berücksichtigung in den genehmigten Plänen enthaltener „kaschierender“ Rücksprünge der Außenwände sowie die Nichtanrechnung einer Balkonumrandung auf der Ebene des Staffelgeschosses beanstandet.

Die Antragsgegnerin hat dem – in Bezug auf die Abstandsflächen – entgegen gehalten, es seien weder zwei „Varianten“ von Geländeoberflächen festgelegt worden, noch gebe es insoweit nach den Plänen eine „Auswahlmöglichkeit“. Die Geländeoberfläche sei von ihrem Vermessungsamt an drei Stellen, und zwar an der rechten und an der linken Grenze sowie in der Grundstücksmitte ermittelt worden. In den gesonderten Abstandsflächenplänen sei die natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze dargestellt. Die vom Architekten angegebenen Geländeprofile seien mit den Plänen ihres Vermessungsamts abgeglichen worden. Die Abstandsflächenberechnung setze grundsätzlich an der Außenkante des obersten Belages der Außenwände an. Der gesamte konstruktive Aufbau der Außenwand sei berücksichtigt worden. Die Abstandsflächen lägen auf dem Baugrundstück. Das gelte auch für die von den Antragstellern beanstandeten Berechnungen. Die an diversen Stellen sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen vorgesehenen Versprünge im Baukörper, die sich an einigen Stellen positiv auf die Abstandsflächen auswirkten, bildeten „offenbar einen Teil des Entwurfskonzeptes“. Bei der Umwehrung der Balkonanlage handele es sich um eine „leichte Stahlumwehrung mit darin liegenden Glasplatten“. Sie sei licht- und luftdurchlässig und in die Wandhöhe nicht einzubeziehen. Die erteilten Befreiungen begründeten keine Nachbarrechtsverletzung der Antragsteller. Es handele sich insoweit insgesamt um nicht nachbarschützende Festsetzungen des Bebauungsplans. Aus einer „Kumulierung“ ergebe sich kein Verstoß gegen das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Eine „erdrückende Wirkung“ trotz Einhaltung der Abstandsflächen sei sehr unwahrscheinlich.

Auch die Beigeladene hat darauf verwiesen, dass die erteilten Befreiungen allein daraufhin zu untersuchen seien, ob sie mit wehrfähigen Rechten der Antragsteller zu vereinbaren seien. Das sei der Fall und eine Verletzung von Nachbarrechten sei auch nicht aus einer „Summation“ abzuleiten. Bei Einhaltung der Abstandsflächen lasse sich nur in ganz besonderen Ausnahmekonstellationen eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens gegenüber den Nachbarn herleiten. Die Abstandsflächen seien eingehalten. Insoweit ist die Beigeladene der Argumentation der Antragsteller unter Verweis auf die in den Baugenehmigungsunterlagen enthaltenen Berechnungen und Nachweise entgegen getreten.

Das Verwaltungsgericht hat den Begehren der Antragsteller im Februar 2013 entsprochen. In den Gründen heißt es unter anderem, es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die „nunmehr angegriffene Baugenehmigung einschließlich des Zulassungsbescheids“ die Antragsteller in ihren Nachbarrechten verletze. Ob das unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten der Fall sei, lasse sich nicht abschließend beurteilen. Es spreche aber einiges dafür, dass das Bauvorhaben im Verhältnis zu ihrem Grundstück die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalte. Die Antragsteller gingen allerdings zu Unrecht davon aus, dass das Vermessungsamt der Antragsgegnerin für diese Berechnungen zwei mögliche Geländeoberflächen festgelegt habe. Ermittelt worden sei nach den überzeugenden Erläuterungen der Antragsgegnerin – soweit hier von Bedeutung – das natürliche Gelände an der rechten Grenze. Maßgebend für die Bestimmung der Wandhöhe sei aber nicht dieses Geländeniveau, weil die Außenwände des Vorhabens bis zu 4,42 m von der linken Grenze entfernt stünden. Ob die in den genehmigten Plänen den Abstandsflächenberechnungen zugrunde gelegte Höhenlage den zutreffenden unteren Punkt für die Ermittlung der Wandhöhe bilde, könne die Kammer nicht abschließend beurteilen. In den Ansichtszeichnungen sei vom Gelände an der Grundstücksgrenze die Rede. Ausweislich der Höhenprofile solle allerdings für die Berechnung der Wandhöhe von Profilen (Schnitten) ausgegangen worden sein, die sich auf der linken Grundstücksseite 3,005 m und auf der rechten Seite 3,129 m von den Grenzen entfernt befänden. Die zur Baugenehmigung gehörenden Bauvorlagen stellten anders als die früheren Pläne nicht mehr auf den Rohbau ab, sondern auf den Endbau. Sowohl die Baupläne als auch die genehmigten Anlagen dazu ließen keinen Zweifel, dass die Außenwände des genehmigten Gebäudes mit Ausnahme des Staffelgeschosses insgesamt 38 cm dick seien und aus 24 cm Mauerwerk sowie 14 cm Dämmung einschließlich Außenputz bestünden und dass sich die Dämmung der Außenwände im Staffelgeschoss im Holzständerwerk befinde. Allerdings seien entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen die Umwehrungen der Balkone voraussichtlich zu der Wandhöhe hinzuzurechnen. Die von der Antragsgegnerin angesprochenen Konstruktionsmerkmale der Umwehrungen lege die Baugenehmigung gerade nicht fest. Dasselbe gelte für die Beschreibung der Beigeladenen. In beiden Seitenansichten „verschwänden“ – anders als in der Gartenansicht – die unteren Teile der bodentiefen Fenster im Staffelgeschoss hinter diesen 12 m breiten und 0,80 m hohen Umwehrungen. Diese würden daher unter abstandsflächenrechtlichen Aspekten als „Bestandteil der Gebäudeaußenwand wahrgenommen“ und seien als eine Erhöhung derselben zu werten, die aller Voraussicht nach zu einer Unterschreitung der dann notwendigen Abstandsfläche führe. Was das Bauplanungsrecht angehe, bleibe die Kammer ungeachtet der seitens des Senats dagegen in der Beschwerdeentscheidung(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –) erhobenen Bedenken bei ihrer in dem Beschluss vom Februar 2012(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –) geäußerten Auffassung, dass das genehmigte Bauvorhaben in der Summierung aller durch die Dispense ermöglichten Ausweitungen mit dem sich aus dem § 15 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot nicht zu vereinbaren sei. Die Absolutheit der vom Senat dabei hervorgehobenen, im Grundsatz zutreffenden Sichtweise, dass bei Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften in aller Regel bis auf ganz besondere Ausnahmekonstellationen kein Raum für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit sei, führe dazu, dass es bei Einhaltung der Grenzabstände per se keinen einstweiligen Rechtsschutz mehr wegen der Ausmaße des Baukörpers geben könne, egal in welchem Umfang im Einzelfall ausdrücklich oder stillschweigend rechtswidrige Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wurden und damit Baukörper entstünden, die im Verhältnis zu den plankonform errichteten Nachbargebäuden erdrückend wirkten. Vorliegend handele es sich um einen „eklatant atypischen Fall“, in dem das Ergebnis der vielen Befreiungen von planerischen Festsetzungen trotz Einhaltung der in den genehmigten Plänen dargestellten und berechneten Abstandsflächen zu einem Baukörper mit erdrückender Wirkung auf die Nachbargrundstücke führe. Erweise sich der Ausgang der Widerspruchsverfahren der Antragsteller gegen die Baugenehmigung und den Zulassungsbescheid somit als Erfolg versprechend, sei dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben und mit Blick auf von daher im Raum stehende Einschreitensansprüche der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Bauarbeiten anzuordnen.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4.2.2013 – 5 L 15/13 – ist unbegründet.

A.

Der Ausspruch im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung war – wie geschehen – neu zu fassen. Dieser bezieht sich bei wörtlichem Verständnis auf die inzwischen „überholten“ Zulassungsbescheide der Antragsgegnerin vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012, die der Beigeladenen im Rahmen des damals betriebenen Genehmigungsfreistellungsverfahrens (§ 63 LBO 2004) erteilt worden waren. Dass die von den Antragstellern in deren Antrag vom 3.1.2013 angeführten (aktuellen) Verwaltungsakte gemeint sind, erschließt sich im Sinne der Offenkundigkeit unschwer aus der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 118 Abs. 1 VwGO entspr.).

B.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf Anordnung der nach § 212a Abs. 1 BauGB entfallenden aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19.11.2012 (1.) beziehungsweise gegen den darin in Bezug genommenen, aber selbständig ergangenen Befreiungsbescheid („Zulassungsbescheid“) vom selben Tag (2.) nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens zu Recht entsprochen.

Bei Aussetzungsbegehren von Dritten, hier privaten Nachbarn, nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen eine Baugenehmigung ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache anhängigen Rechtsbehelfs. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die angefochtene Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ständige Rechtsprechung, zuletzt etwa Beschlüsse vom 15.5.2013 – 2 B 51/13 –, m.w.N.)

1. Die Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt nur in Betracht, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position des jeweiligen Rechtsbehelfsführers ergibt.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7.2.2012 – 2 B 422/11 –, SKZ 2012, 65 ff., dort zur Drittanfechtung durch eine Gemeinde) Die abgesehen von den Fällen offensichtlicher Nachbarrechtswidrigkeit der Genehmigung hierbei zumindest zu fordernde überwiegende Wahrscheinlichkeit einer den Antragstellern subjektive Abwehrrechte gegen das genehmigte Vorhaben vermittelnden Verletzung in eigenen Rechten hat das Verwaltungsgericht im konkreten Fall bezogen auf die Baugenehmigung, der in Anwendung der §§ 65, 73 LBO 2004 eine umfassende öffentlich-rechtliche Überprüfung des Vorhabens zugrunde liegt, im Ergebnis zu Recht angenommen. Das den gerichtlichen Prüfungsumfang im Rechtsmittelverfahren begrenzende Beschwerdevorbringen der Beigeladenen gebietet keine abweichende Beurteilung des Aussetzungsbegehrens und damit insoweit keine Änderung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

a. Der formelle Einwand der Antragsteller, dass für das genehmigte Staffelgeschoss keine (weitere) Befreiung hinsichtlich der Überschreitung der in dem ausweislich der Baugenehmigung am 26.4.1980 in Rechtkraft erwachsenen Bebauungsplan „W.“ festgesetzten maximal zulässigen Anzahl der Vollgeschosse erteilt worden sei,(vgl. in dem Zusammenhang den gesonderten Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.10.2010 – 20100817 –, mit dem der Beigeladenen insoweit eine Abweichung für eine damals geplante Variante eines Staffelgeschosses erteilt worden war) obwohl dieses mehr als 2/3 der Bruttogrundfläche des darunter liegenden ersten Obergeschosses aufweise und daher als Vollgeschoss anzurechnen sei,(vgl. hierzu auch die von demselben Ansatz ausgehende Berechnung in den Bauvorlagen, die im Ergebnis zur Unterschreitung des 2/3 Maßes gelangt, Blatt 30 der Bauakte) rechtfertigt nicht die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vom 19.11.2012. Zwar spricht nach den für die Vollgeschosseigenschaft beziehungsweise die diesbezügliche Anrechnung eines oberirdischen Geschosses im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans maßgeblichen §§ 18 BauNVO 1977,(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 27.9.1994 – 2 R 46/93 –, SKZ 1995, 113, Leitsatz Nr. 17, wonach im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der die Zahl der zulässigen Vollgeschosse festsetzt, für die Bestimmung der Vollgeschosse und der auf ihre Zahl anzurechnenden Geschosse gemäß den statischen Verweisungen in den §§ 18 BauNVO 1962, 1968, 1977, 20 Abs. 1 BauNVO 1990 auf die landesrechtliche Vorschrift über den bauordnungsrechtlichen Vollgeschossbegriff abzustellen ist, die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gegolten hat) 2 Abs. 5 LBO 1974(vgl. die bis 1.5.1980 maßgebende Bekanntmachung der Neufassung der Bauordnung für das Saarland (Landesbauordnung – LBO) vom 27.12.1974, Amtsblatt 1975, 85, 88) im Ergebnis viel für eine Anrechenbarkeit des damals allerdings noch nicht – wie heute – einer besonderen Regelung unterworfenen „Staffelgeschosses“ mit gegenüber dem darunter befindlichen Geschoss zurückgesetzten Außenwänden.(vgl. dazu – aktuell – den nach § 20 Abs. 1 BauNVO 1990 auch planungsrechtlich maßgeblichen § 2 Abs. 5 LBO 2004, der – wie die Vorläuferfassung in § 2 Abs. 5 LBO 1996 die von der Antragstellerin angestellte Relationsbetrachtung nach Grundflächen, allerdings mit einem insoweit maßgeblichen Faktor 0,75 (3/4), enthält) Das bloße Nichtvorliegen einer insoweit gegebenenfalls zusätzlich erforderlichen (weiteren) Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von der Festsetzung über die Geschosszahl würde indes für sich genommen – ebenso wie ein Fehlen einer Baugenehmigung oder eine unzutreffende verfahrensrechtliche Behandlung eines Bauvorhabens durch die Behörde am Maßstab der §§ 60 ff. LBO 2004 – noch keine Verletzung subjektiver Nachbarrechte der Antragsteller bewirken. Abwehrrechte gegen ein genehmigtes Bauvorhaben können sich vielmehr nur aus solchen Vorschriften ergeben, die materielle Anforderungen an dieses Vorhaben enthalten und zudem nachbarschützend sind.(vgl. hierzu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 95 ff.; dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 2.9.2010 – 2 B 215/10 –, BRS 76 Nr. 98 = BauR 2011, 983, dort zur Abgrenzung von baurechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage) Unter dem letztgenannten Aspekt gibt es nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin beziehungsweise ihr Stadtrat als das für den Erlass der Satzung über den Bebauungsplan zustände Organ (§§ 10 Abs. 1 BauGB, 35 Nr. 12 KSVG) dieser die Gebäudehöhe mitbestimmenden Festsetzung in dem zumindest im Eilrechtsschutzverfahren mangels evidenter Gültigkeitsbedenken maßgeblichen Bebauungsplan „W.“, jedenfalls was die Antragsteller als seitliche Nachbarn anbelangt, ausnahmsweise eine nachbarschützende Wirkung beigemessen hat.

b. Auch nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich nachbarliche Abwehrrechte der Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 19.11.2012 für den „Neubau einer Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ unter den im Rahmen des „Vollgenehmigungsverfahrens“ (§§ 65, 73 LBO 2004) umfassend zum Prüfungs- und damit Entscheidungsprogramm der Antragsgegnerin gehörenden, anerkannt nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die vor den Außenwänden von Gebäuden (grundsätzlich) auf dem Baugrundstück freizuhaltendenAbstandsflächen beziehungsweise aus der Nichteinhaltung der hieraus resultierenden Abstandserfordernisse bezogen auf die Grenze des eigenen Grundstücks (Parzelle Nr. 44/7) ergeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 LBO 2004).

Mit Blick auf den Vortrag der Antragsteller ist allerdings zunächst festzuhalten, dass Gegenstand der Beurteilung am Maßstab des § 7 LBO 2004 im Zusammenhang mit einem nachbarlichen Aussetzungsbegehren bezüglich einer Baugenehmigung allein das in dieser beziehungsweise in den deren Inhalt konkretisierenden, mit Genehmigungsvermerken der Antragsgegnerin versehenen Planzeichnungen und sonstigen Bauvorlagen dargestellte Bauvorhaben ist. Abweichungen davon bei der Bauausführung, gegebenenfalls etwa die im Beschwerdeverfahren seitens der Antragsteller unter Verweis auf eine ihrerseits veranlasste fachkundige Vermessung des realisierten Bestands (Rohbau bis Erdgeschoss) eingewandten Abweichungen hinsichtlich der Bauhöhe des Gebäudes über Gelände,(vgl. dazu die in Anlage zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 7.5.2013 (A 20) übersandte Gegenüberstellung  von „Isthöhe“ und (genehmigter) „Sollhöhe“ vom 21.3.2013 und den als Anlage zum Schriftsatz vom 28.5.2013 (A 24) vorgelegten Lageplan vom 19.2.2013, jeweils erstellt von dem öffentlich bestellten Vermesser Dipl.-Ing. Kurt Engler) die von der Beigeladenen in ihrem letzten Schriftsatz vom 10.6.2013 unter Verweis auf eine Erklärung des Dipl.-Ing. We. vom 29.5.2013 wiederum bestritten wurden, erlangen für diese Beurteilung der Erfolgsaussichten des Anfechtungsbegehrens in der Hauptsache und daher auch für das Aussetzungsbegehren der Antragsteller keine Bedeutung. Das gilt ganz allgemein selbst in den Fällen, in denen die Pläne beispielsweise von den „wahren“ Grenzverläufen oder von den sonstigen tatsächlichen Verhältnissen her, insbesondere was die vorhandenen und in dem Zusammenhang rechtlich maßgeblichen Geländeverhältnisse angeht, abweichende Darstellungen enthalten. Auch eine „falsche“ Darstellung bestimmt gegebenenfalls (allein) den Genehmigungsinhalt. In solchen Fällen trägt – weil eine unkorrekte Darstellung in den Plänen (Bauvorlagen) nicht zu Lasten des sich gegen ein Vorhaben wendenden Nachbarn gehen kann – allerdings der Bauerlaubnisnehmer im Ergebnis das Risiko einer Realisierbarkeit des Vorhabens in der von ihm in den Bauvorlagen dargestellten Ausgestaltung, etwa wenn sich das Bauwerk aufgrund der abweichenden Verhältnisse auf dem Baugrundstück nicht nachbarrechtskonform ausführen lässt. Enthalten die zur Baugenehmigung gehörenden Bauvorlagen eine von den tatsächlichen Geländeverhältnissen auf dem Baugrundstück wesentlich abweichende Darstellung, so begründet das von daher zum einen keine Verletzung von Nachbarrechten durch die angefochtene Genehmigung, deren Inhalt den Beurteilungsgegenstand im Anfechtungsstreit bildet.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 –, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40) Zum anderen steht aber eine solche Baugenehmigung, von der die Bauherrin oder der Bauherr rechtlich im Ergebnis keinen Gebrauch gemacht hat beziehungsweise nach den faktischen Gegebenheiten des Baugrundstücks vielleicht sogar (von vorneherein) gar keinen Gebrauch machen konnte, späteren Einschreitensansprüchen der betroffenen Nachbarn auf Erlass und Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) für ein abweichend von der Genehmigung ins Werk gesetztes Gebäude zur Ausräumung dadurch bewirkter etwaiger Nachbarrechtsverstöße grundsätzlich nicht entgegen. Dies steht im konkreten Fall hinsichtlich der teilrealisierten unteren Geschosse, die mit der Genehmigung offenbar nachträglich so legalisiert werden sollen, nach dem Vorbringen der Antragsteller durchaus im Raum, muss aber hier nicht vertieft werden, solange nicht feststeht, dass die bereits realisierten Teile des Bauwerks, sofern sie bei einer genehmigungskonformen Ausführung nicht verwendbar sein sollten, nicht – gegebenenfalls im Wege Rückbaus – entsprechend geändert werden könnten und damit einer Realisierung des genehmigten Vorhabens nicht dauerhaft beziehungsweise nicht in diesem Sinne „ausräumbar“ entgegenstehen.

Vor dem Hintergrund ist davon ferner auszugehen, dass in Fällen, in denen – wie hier – die Einhaltung dieser Anforderungen auf der Grundlage entsprechender vom Bauantragsteller eingereichter rechnerischer und zeichnerischer Nachweise für die Abstandsflächen einer präventiven Prüfung in einem Baugenehmigungsverfahren durch eine sach- und fachkundige Bauaufsichtsbehörde, hier die Antragsgegnerin, unterzogen worden ist, „gewichtige Zweifel“ an der rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung unter diesem Aspekt in einem vom betroffenen Grenznachbarn betriebenen Eilrechtsschutzverfahren nur angenommen werden können, wenn die dabei allein mögliche überschlägige Überprüfung offensichtliche oder sich gewissermaßen aufdrängende Mängel zum Nachteil dieses Nachbarn erkennen lässt.

Die Beigeladene hat zwar im Baugenehmigungsverfahren von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Genehmigungsentscheidung akzeptierte Abstandsflächennachweise vorgelegt, die rechnerisch nach den zeichnerischen Vorgaben des Entwurfsverfassers nachvollzogen werden können. Diese sind allerdings von ihrem Inhalt her insgesamt nicht geeignet, die von den Antragstellern erhobenen Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Grenzabstandserfordernisse im Verhältnis zu ihnen auszuräumen.

Was die – mit den Worten der Beigeladenen – „festgelegte“ Geländeoberfläche(vgl. etwa zu den dabei eingeengten Entscheidungsspielräumen der Bauaufsichtsbehörden OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 –, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, Urteil vom 27.9.1994 – 2 R 46/93 –, SKZ 1995, 113 Leitsatz Nr. 20, wonach die Befugnis zur Festlegung einer vom natürlichen Geländeverlauf abweichenden Geländeoberfläche nicht dazu missbraucht werden darf, Verstöße gegen Bauvorschriften, die an die Höhe von Gebäudeteilen über der Geländeoberfläche anknüpfen (zum Beispiel die Abstandsflächenbestimmungen oder die planerische Begrenzung der Vollgeschoßzahl), zu "kaschieren" oder auszuräumen, ebenso Beschluss vom 17.9.1979 – II W 1.2047/79 –, BRS 35 Nr. 99, zu den Möglichkeiten bauaufsichtsbehördlicher „Festlegungen“ von Geländeoberflächen OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 30/96 –, BRS 59 Nr. 121 = BauR 1998, 314, wonach es nicht zu beanstanden ist, dass die Behörde die Geländeoberfläche als unteren Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe einer Grenzgarage abweichend vom natürlichen Gelände gestaltend festlegt, wenn der ursprüngliche natürliche Geländeverlauf aufgrund von Veränderungen, die im Zuge einer vor mehr als 25 Jahren ausgeführten Bebauung vorgenommen wurden, nicht mehr in Erscheinung tritt und er sich auch aus den Geländeverhältnissen in der Umgebung nicht mehr zuverlässig ableiten lässt) als unteren Bezugspunkt der Berechnung angeht, ist für die rechtliche Überprüfung der Baugenehmigung davon auszugehen, dass diesen Berechnungen entsprechend den Vorgaben den § 7 Abs. 4 LBO 2004 die vermessungstechnisch ermittelte beziehungsweise angesichts auf dem Gelände vorgenommener Geländeveränderungen rekonstruierte (ehemalige) zur Rückseite hin abfallende „natürliche“ Geländeoberfläche (§ 2 Abs. 7 LBO 2004) zugrunde liegt, und zwar – wie in der Beschwerde vorgetragen – in dem maßgeblichen Bereich der Außenwände des genehmigten Gebäudes. Abzustellen ist nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 allgemein entgegen der anderslautenden Formulierung im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2.5.2013, wo auf die „natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze“ verwiesen wird, auf die Schnittlinie zwischen dem maßgeblichen Gelände und der Gebäudeaußenwand, nicht auf das Geländeniveau an der Grenze zum Nachbargrundstück. Dass dies im Grundsatz – die Richtigkeit der Übernahme in die Pläne unterstellt – bei den Nachweisen der Beigeladenen Berücksichtigung gefunden hat, ergibt sich aus den von ihr im erstinstanzlichen Verfahren übersandten Geländeschnitten „2“ und „4“ des Landesamts für Kataster-, Karten- und Vermessungswesen (LKVK), die ausweislich des beigefügten erläuternden digitalen Geländemodells die Schnittachsen von der Straße zur rückwärtigen Grenze des Baugrundstücks auf der Ebene der Gebäudeaußenseiten darstellten, wobei der Geländeschnitt „2“ die dem Grundstück der Antragsteller zugewandte – von der Straße aus gesehen – linke Außenwand betrifft. Ob und welche Bedeutung der – aus welchem Grund auch immer – in den Ansichtsplänen beigefügten, tiefer liegenden und mit blauen Punkten dargestellten Linie beizumessen ist, kann demgegenüber dahinstehen. Maßgebend bleibt hier nach dem Gesagten die Schnittlinie zwischen Gelände und Außenwand wie sie der Genehmigung zugrunde gelegt wurde. Ob diese von der Beigeladenen – in dem Sinne – für ihre zeichnerischen Nachweise „gewählte“ Geländeoberfläche die nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 „richtige“ Linie ist, spielt nach dem Gesagten hier keine Rolle. Die „Richtigkeit“ der Darstellung in den Bauvorlagen fällt vielmehr auch insoweit in den erwähnten Verantwortungs- und damit auch in den Risikobereich der Beigeladenen als Bauherrin.

Die für die subjektive Rechtsstellung der Antragsteller im Hinblick auf die Abstandsflächen (§ 7 LBO 2004) relevanten Berechnungen sind in den Bauvorlagen unter den Bezeichnungen A 5, A 5.1.1, A 5.2, A 6, A 6.1, A 6.2, A 7.1, A 7.2 und A 17 erfolgt. Genehmigungsinhalt sind nach diesen Zeichnungen generell von der Beigeladenen im Rahmen der Bauausführung einzuhaltende Abstände zwischen dem äußersten Punkt des jeweiligen Wandabschnitts einschließlich auf das Mauerwerk aufzubringender Schichten insbesondere zur Dämmung beziehungsweise Isolierung und der Grenze zur Parzelle der Antragsteller (Nr. 44/12). Bereits in dem Zusammenhang weisen die Antragsteller zwar mit Recht darauf hin, dass die Bauvorlagen insgesamt nicht ganz auflösbare Widersprüche enthalten. So wird zum einen in der mit Genehmigungsstempel der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 versehenen Baubeschreibung vom 25.10.2012 angegeben, dass die Außenwände des Gebäudes im Staffelgeschoss als „Holzständerwand“ (Mauerstärke 24 cm, vgl. Position 8c), ansonsten aber in den anderen Geschossen in Massivbauweise jeweils mit einer Stärke von 38 cm ausgeführt werden sollen, die sich aus einem gemauerten Teil (24 cm) und zusätzlich aufzubringendem Wärmeschutz (14 cm) zusammensetzt (vgl. Position 8.6, „Gesamtkonstruktion der Außenwände“). Zum anderen sind aber – nach wie vor – in den mit Genehmigungsstempeln versehenen und den Inhalt der Baugenehmigung mit bestimmenden Grundrisszeichnungen bei den Außenwänden mehrfach ganz unterschiedliche Stärken dargestellt, die dann den Antragstellern Veranlassung gegeben haben, entsprechende „Zurechnungen“ vorzunehmen beziehungsweise die Differenzierungen bei den vor diesen Wänden jeweils freigehaltenen Abstandsflächen „in Abzug“ zu bringen. Beim Vergleich der Darstellungen der Wandstärken in den Grundrisszeichnungen mit den Fassadenschnitten in den Abstandsflächennachweisen ist allerdings festzustellen, dass auch dort für verschiedene Wandabschnitte unterhalb des Staffelgeschosses unterschiedliche Aufbaubeschreibungen zugrunde gelegt wurden. So geht beispielsweise die Berechnung des Grenzabstands für die im mittleren Gebäudeabschnitt hervortretende Außenwand auf den Ebenen des Erdgeschosses (A 6.1) und des Obergeschosses (A 6) nicht von – bezogen auf die reine Mauerstärke – 24er, sondern nur von 15er Wänden („d=15“) aus, die nach der Beschreibung des Aufbaus neben einem Kalksandsteinmauerwerk (15 cm) zusätzlich eine Stärke von 11 cm bestehend aus Dünnbettmauermörtel (1 cm), Polyurethan-Hartschaum zur Dämmung (8 cm), einer „ruhenden Luftschicht“ (1 cm, Wärmestrom) und einem Gipsputz (1 cm) haben sollen. Diese Wände sind übrigens in den Grundrissen einerseits im Erdgeschoss deutlich dünner, aber nicht vermaßt, und im Obergeschoss mit 23 dargestellt. Angesichts der in den Abstandsflächennachweisen – insoweit maßgebend – für die Genehmigung vorgenommenen Relation zwischen der Grenze und dem äußersten Punkt der Wand, muss dem aber ebenso wenig weiter nachgegangen werden wie der Frage nach der Stimmigkeit hinsichtlich der generellen Kennzeichnung Stärke der tragenden Außenwände in der Baubeschreibung vom 23.10.2012 (24 + 14 = 38 cm).

Auch das betrifft indes, jedenfalls was die Frage der Einhaltung der nachbarschützenden Abstandsflächenregelungen anbelangt, die bereits angesprochene Frage der Ausführbarkeit des Vorhabens entsprechend der Genehmigung. Wenn man dementsprechend – mit der Beigeladenen – für die Ermittlung der erforderlichen Tiefen der Abstandsflächen allein von den entsprechenden Nachweisen ausgeht, und die dabei für die einzelnen, dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Wandabschnitte hinsichtlich des Aufbaus der Wände und des jeweiligen Abstands ihres äußersten Punktes zur Grundstücksgrenze die Fassadenschnitte in den Einzelplänen „Detailfassaden Abstandsfläche“ zugrunde legt, ergeben sich nach dem Genehmigungsinhalt zumindest nicht ohne weiteres ausräumbare Bedenken, ob das damit zugelassene Mehrfamilienhaus („Stadtresidenz“) den Anforderungen des saarländischen Abstandsflächenrechts genügt.

Das folgt bereits daraus, dass die Höhe der nach den genehmigten Ansichten auf die Außenkante des Gebäudes reichenden und diese sogar geringfügig überschreitenden seitlichen Umwehrung der Dachterrasse auf der Ebene des Staffelgeschosses bei der Ermittlung der Wandhöhe zur Berechnung der Abstandsflächen A 6 und A 6.1 im Sinne des § 7 Abs. 4 LBO 2004 nicht berücksichtigt worden ist. Der insoweit mitbetroffene, im mittleren Bereich des Hauses seitlich hervortretende Gebäudeteil ist für die Ermittlung seiner Wandhöhe zum einen einheitlich und zum anderen einschließlich der genannten Umwehrungen zu betrachten. Das aus den Fassadenschnitten zu den Abstandsflächennachweisen A 6.1 für den unteren Wandteil in Erdgeschoss und Teile des Untergeschosses und A 6 betreffend die Außenwand im Obergeschoss letztlich nur aufgrund abweichender Angaben für den Abstand zur Grenze erkennbar werdende Zurücktreten um letztlich wenige Zentimeter (3,71 m – 3,68 m) rechtfertigt keine getrennte Betrachtung unterschiedlicher Wandabschnitte nach der Vorgabe des § 7 Abs. 4 Satz 5 LBO 2004 für „gestaffelte“ Wände. Diese Vorschrift ist abgesehen von Staffelungen in der Höhe nur anwendbar auf Außenwände, deren Wandteile sich durch Vor- oder Rücksprünge deutlich unterscheiden, nicht indes auf – sofern überhaupt wahrnehmbar – derart „feingliedrig“ in der Horizontalen „gestufte“ Wände.(vgl. hierzu etwa Gädtke/Czepun/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage 2011, § 6 Rn 203 mit zeichnerischer Erläuterung) Die Außenwand im Obergeschoss setzt anders als die in dem Bereich deutlich zurückversetzte Wand im Staffelgeschoss bei natürlicher Betrachtungsweise die darunter liegende Außenwand des Erdgeschosses in allenfalls geringfügig modifizierter Form nach oben fort. Vor dem Hintergrund ergibt sich aufgrund der Hängigkeit des Geländes nach den Grüneintragungen der Antragsgegnerin im Abstandsflächenplan eine „mittlere“ Wandhöhe von (5,89 m + 3,27 m =) 9,16 m und eine notwendige Tiefe der Abstandsfläche von 3,664 m, wohingegen die Beigeladene in dem Entwurf ausgehend von einer mittleren Wandhöhe von 9,20 m ein Abstandserfordernis von 3,68 m ausgewiesen hat. Dieses Maß wäre nach den Abstandsflächenplänen (A 6 bzw. A 6.1) bei Abständen von 3,68 m (unten) beziehungsweise 3,71 m (1. OG) gerade noch eingehalten. Zusätzlich ist indes über die gesamte Breite die Höhe der nach dem § 38 Abs. 4 Nr. 1 LBO 2004 in den Plänen dargestellten geschlossenen, notwendigen seitlichen Umwehrung der auf der Decke des Obergeschosses geplanten Terrasse von mindestens 0,90 m anzusetzen. Ob – wie die Beigeladene mit der Beschwerde vorträgt, „in Wahrheit“ oder als mögliche Modifikation des Vorhabens eine offene oder offenere Konstruktion in Form eines „leichten“ Edelstahlgeländers mit „dünnen Füllstäben“ vorgesehen ist oder nicht, ist schon wegen der eingangs erwähnten alleinigen Maßgeblichkeit des Genehmigungsinhalts für diese Beurteilung nicht von Bedeutung. Im Übrigen spricht nach der überzeugenden Rechtsprechung des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu der Berücksichtigung derartiger Umwehrungen bei der Bestimmung des oberen Bezugspunktes bei der Ermittlung der Wandhöhe sehr vieles, wenn nicht alles dafür, dass die Herstellungsart der Absturzsicherung (Umwehrung) sowie deren „Transparenz“ im Einzelfall hierfür ohne Belang ist. Sinn und Zweck des Abstandflächenrechts sprechen gegen eine derartige Differenzierung. Neben der Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung soll die Abstandsfläche insbesondere den Wohnfrieden im Verhältnis unter den Nachbarn schützen und einen ausreichenden Sozialabstand sichern. Insoweit sind – wie im Übrigen auch bei der Gestaltung der Fassaden von Außenwänden – das Material und damit die Transparenz der Balkonumwehrung irrelevant. Im Gegenteil kann sogar bei einer durchsichtigen Umwehrung der Wohnfrieden eher in Frage gestellt sein.(vgl. hierzu etwa OVG Münster, Urteil vom 12.9.2006 – 10 A 2980/05 –, BRS 70 Nr. 128, Beschlüsse vom 1.6.2007 – 7 A 3852/06 –, BRS 71 Nr. 127 und vom 12.2.2009 – 10 A 3416/07 –, juris) Daraus ergibt sich für die gesamte Wand einheitlich bis zur Oberkante der Terrassenumwehrung auf der Ebene des Staffelgeschosses eine mittlere Wandhöhe von nach der Berechnung der Antragsgegnerin (9,16 m + 0,90 m =) 10,06 m und ein unstreitig in allen Teilen beziehungsweise Geschossen bis zum Obergeschoss nicht gewahrtes Grenzabstandserfordernis vom (x 0,4 m) 4,024 m. Legt man die Abstandsberechnung der Beigeladenen zugrunde, ergäbe sich gar ein Abstandserfordernis der Wand zur Grenze von 9,20 m + 0,90 m = 10,10 m x 0,4 = 4,04 m. Bereits aus diesem Grund bestehen erhebliche Bedenken gegen die Einhaltung der durch den § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO geforderten Abstandsfläche im Verhältnis zur Grundstücksgrenze der Antragsteller. Die Fassadenschnitte sehen zusätzlich sogar ein Vortreten des Geländers vor die Außenwand, also in die Abstandsfläche, vor. Auf die von der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten modifizierten Pläne, die ein „Abkippen“ der Umwehrung zum Gebäude hin vorsehen, muss hierbei nicht eingegangen werden. Sie sind unstreitig nicht Bestandteil der Baugenehmigung. Legt man die entsprechende „Neufassung“ des Nachweises für die Abstandsfläche A 6 zugrunde, so ist dort übrigens für die Oberkante des abgewinkelten Geländers auch nur ein Abstand zur Grenze von 4,005 m dargestellt und der Fuß der Umwehrung greift danach nach wie vor über die Kante der Außenmauer im Obergeschoss hinaus.(vgl. in dem Zusammenhang Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VII Rn 53, wonach die Abstandspflicht sich vorbehaltlich der Privilegierung für „untergeordnete Bauteile“ in § 7 Abs. 6 LBO 2004 grundsätzlich auf alle Teile eines Gebäudes bezieht)

Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für die Berechnung der Abstandsfläche A 7.1 betreffend die den Antragstellern zugekehrte Außenwand des rückseitigen Teils des Gebäudes. Rechnet man die Höhe der auch in dem Bereich in den Plänen enthaltenen Umwehrung (0,90 m) zu der in Anwendung der Mittelungsregel darunter von der Beigeladenen in Ansatz gebrachten Wandhöhe von 9,76 m ergibt sich ein bei einem aus in den Plänen dargestellten Abstand zur Grenze von 4,23 m ebenfalls nicht eingehaltenes seitliches Abstandserfordernis für diesen Wandabschnitt zum Grundstück der Antragsteller von (<9,76 m + 0,90 m => 10,66 m x 0,4 =) 4,264 m. Legt man die von der Antragsgegnerin angesetzte geringfügig günstigere Wandhöhe (ohne Geländer) von 9,74 m zugrunde, ergäbe sich ein Abstandserfordernis von (10,64 m x 0,4 =) 4,256 m zur Grenze.

Ohne dass es daher im Ergebnis entscheidend darauf ankäme, sieht sich der Senat mit Blick auf die inzwischen Jahre währenden rechtlichen Auseinandersetzungen um das konkrete Bauvorhaben aus Anlass des Vorbringens der Beteiligten und der Begründung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vorliegend veranlasst auf Folgendes hinzuweisen:

Da die Baugenehmigung bezüglich der Freihaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004), wie gesagt, Abstände der jeweils „fertigen Wand“ zur Grenze vorschreibt, muss im Zusammenhang mit deren Anfechtung beziehungsweise dem auf diesen Verwaltungsakt gerichteten Aussetzungsantrag auf die seitens der Antragstellerin hinsichtlich der berechneten Abstandsfläche A 5 erforderlichen Mindesttiefe von 3 m seitlich der ihrem Grundstück zugewandten, die Maße für eine materielle Privilegierung nach § 8 Abs. 2 LBO 2004 deutlich überschreitende Garage mit Flachdach eingewandten Reduzierungen durch „zusätzliche“ Maßnahmen wie Wärmeschutz und Verputz vor der Außenwand nicht eingegangen werden. Bei der in dem Wandabschnitt angegebenen Wandhöhe von im Mittel lediglich 5,155 m ist der Mindestabstand nach § 7 Abs. 5 Satz 3 LBO 2004 von 3 m ausreichend, aber auch erforderlich. Ausgewiesen ist in den Plänen ein Abstand von exakt 3,00 m. Nach einer durch den Dipl.-Ing. We. im Februar 2012 durchgeführten örtlichen Überprüfung (§ 78 Abs. 6 Satz 1 LBO 2004) ist der Wandabschnitt auf seiner gesamten Tiefe (6,01 m) mit einem seitlichen Grenzabstand von – wohl bezogen auf die Rohbauwand – 3,01 m (vorne) beziehungsweise 3,00 m (rückseitig) ausgeführt worden. Insoweit ist zudem kein Wärmeschutz vorgesehen beziehungsweise nachgewiesen, da sich dieser Teil des Gebäudes (Garagen) nach den Bauvorlagen, speziell den Angaben in den Nachweisen zur Abstandsfläche A 5 (Fassadenschnitt mit Beschreibung), nicht innerhalb der „thermischen Hülle“ befindet. Nach der erwähnten Vermessung gibt es in dem Bereich aber auch keinen Spielraum mehr zur Grenze hin für die nach dem Grundriss im Erdgeschoss 23 cm starke Wand.

Hinsichtlich der entgegen den Ausführungen der Antragstellerin in der Antragsschrift berücksichtigten Wandabschnitte zwischen der Garage und der für den mittleren Gebäudeabschnitt ausgewiesenen Abstandsfläche A 6, wäre für den Bereich bis zum Dach des Obergeschosses, der in einem seitlichen Grenzabstand von 4,23 m genehmigt wurde, bei isolierter Betrachtung ausweislich der Berechnungen zur Abstandsfläche A 5.1.1 von der Einhaltung des Grenzabstands auszugehen. Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin („Grüneinträge“) ergibt sich bei einer mittleren Wandhöhe von 8,16 m insoweit eine Abstandserfordernis von (x 0,4 =) lediglich 3,264 m. Gleiches gilt für die Berechnung in den Bauvorlagen der Beigeladenen (8,055 m x 0,4 = 3,222 m).

Wesentlich problematischer erscheint dagegen die unter A 5.2 vorgenommene Berechnung der Abstandsfläche für den darüber liegenden Bereich der linken Außenwand des Staffelgeschosses. Hierfür haben die Beigeladene beziehungsweise ihr Entwurfsverfasser eine Wandhöhe von aus der Seitenansicht übernommenen 8,66 m zuzüglich der unterhalb der Bezugshöhe des Einfahrtsniveaus zu realisierenden –2,265 m, also in der Summe 10,925 m angesetzt, was rechnerisch eine erforderliche Abstandsflächentiefe (Grenzabstand) von (x 0,4 =) 4,37 m ergibt. Dabei wurde – das zeigt die beigefügte Ansichtszeichnung – offensichtlich die in der Mitte dieses Wandabschnitts nach den vorgenannten Maßen „gemessene“ Wandhöhe zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin geht insoweit nach Überprüfung ausweislich des Grüneintrags von etwa demselben Abstandserfordernis aus (4,372 m). Problematisch erscheint jedoch auch bei diesem Teil des Gebäudes, ob die nach dem „Fassadenschnitt“ vorgesehene Zurücksetzung der Vorderseite des (ganzen) Staffelgeschosses in dem Bereich gegenüber der Außenwand des Obergeschosses um (4,42 m – 4,23 m =) 19 cm mit einem zusätzlich vor die Außenwand in Richtung zum Grundstück der Antragsteller hin auskragenden Flachdach bei natürlicher Betrachtungsweise nach den zuvor genannten Kriterien noch als eine die abstandsflächenrechtliche Aufspaltung der Wand im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 5 LBO rechtfertigende Staffelung angesehen werden kann. Wäre das, wofür vieles spricht, zu verneinen, hätte das zur Folge, dass die von der Beigeladenen in den Abstandsflächenberechnungen A 5.1.1 und A 5.2 betrachtete Wand einheitlich zu beurteilen wäre, mit der Folge dass auch im unteren Teil, das heißt bezogen auf das Erd- und das Obergeschoss einheitlich der aus der (dann) mittleren Gesamthöhe zu errechnende Grenzabstand von 4,37 m (4,372 m) einzuhalten wäre. Das ist indes nicht vorgesehen, da der Abstand des äußersten Punktes der Wand zur Grenze der Parzelle der Antragsteller (Nr. 44/12) in dem Bereich – wie erwähnt – in der Planung nur mit 4,23 m vorgegeben ist.

2. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit war zur Klarstellung auf den in der Baugenehmigung inhaltlich in Bezug genommenen, gleichwohl selbständig erteilten Befreiungsbescheid („Zulassungsbescheid“) der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 zu erstrecken, obwohl diese Verwaltungsentscheidung für sich genommen keinen – mit Blick auf die Befugnis zur Ausführung des Vorhabens – eigenständigen vollziehbaren Inhalt aufweist.26(vgl. zur Anwendbarkeit des § 212a Abs. 1 BauGB zumindest auf selbständige Befreiungsbescheide von Gemeinden nach § 68 Abs. 3 LBO 2004 OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.7.2007 – 2 B 144/07 –, BRS 71 Nr. 173) Das gilt ungeachtet der Frage, ob durch die insoweit einschlägigen bauplanungsrechtlichen Anforderungen beziehungsweise deren Nichtbeachtung selbständig subjektive Abwehrrechte der Antragstellerin verletzt werden oder nicht. Der Befreiungsbescheid bezieht sich auf ein bestimmtes Bauvorhaben, hier das den Gegenstand der unter demselben Datum erteilten Baugenehmigung bildende Mehrfamilienhaus („Stadtresidenz“). Liegen nach dem zuvor Gesagten unter verschiedenen Aspekten zumindest ernst zu nehmende Anhaltspunkte für eine Verletzung der Grenzabstandsvorschriften (§ 7 LBO 2004) vor, so steht eine auch bei Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) von nicht nachbarschützenden Festsetzungen in Bebauungsplänen in Betracht zu ziehende Verletzung des Gebots der nachbarlichen Rücksichtnahme im Raum.(vgl. hierzu allgemein bereits OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –)

3. Zusammengefasst muss daher von der angesichts der Wertungsvorgabe des Bundesgesetzgebers in dem § 212a Abs. 1 BauGB für die Aussetzung einer Baugenehmigung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs des Nachbarrechtsbehelfs in der Hauptsache beziehungsweise von „ernstlichen Zweifeln“ an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der Baugenehmigung vom 19.11.2012 und des gleichzeitig (selbständig) erteilten Befreiungsbescheids ausgegangen werden.

4. Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss – wie bereits in seiner Aussetzungsentscheidung vom Februar 2012(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –) zu den inzwischen infolge Verzichts erledigten „Zulassungsbescheiden“ vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 – ferner unter Wiedergabe seiner damaligen Erwägungen davon ausgegangen ist, dass (auch) der inhaltsgleiche „Zulassungsbescheid“ bereits aufgrund einer hier gebotenen kumulierenden Betrachtung der zahlreichen Befreiungen von den jeweils für sich betrachtet nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans „W.“, beziehungsweise wegen der insoweit eröffneten Möglichkeiten zur „Vergrößerung“ des Vorhabens im Vergleich zu den nach den städtebaulichen Vorgaben der Antragsgegnerin im Bebauungsplan (auch) unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten mit dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§ 15 BauNVO) nicht zu vereinbaren sei, ist auf die diesbezüglich schon im Beschluss des Senats vom Mai 2012(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –) geäußerten grundsätzlichen Bedenken zu verweisen.

Das gilt für die jetzt streitige, eigentlich nur inhaltlich „wiederholende“ Befreiungsentscheidung vom 19.11.2012 in gleicher Weise. Dass es sich nach Maßgabe der Festsetzungen ihres eigenen Bebauungsplans „W.“, wie bereits im genannten Beschluss des Senats ausgeführt, um ein in mehrfacher Hinsicht objektiv rechtswidriges Bauvorhaben handelt, das von der Antragsgegnerin durch mehrere – was die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB und vor allem die Nichtbetätigung des ihr dadurch (ohnehin nur) bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eingeräumten Ermessens anbelangt – nicht den rechtlichen Mindestanforderungen des § 31 Abs. 2 BauGB genügende „Dispense“ legalisiert wurde, wird zwischenzeitlich wohl sogar von der Antragsgegnerin so gesehen. Das lässt sich dem von den Antragstellern vorgelegten Antwortschreiben der Obersten Bauaufsichtsbehörde vom Mai 2013(vgl. das Schreiben Ministeriums für Inneres und Sport vom 17.5.2013 – F/3 – 14.3-88/13 BN –) auf ihre „Beschwerde über die Befreiungspraxis“ der Antragsgegnerin entnehmen. Dort heißt es, die um eine Stellungnahme zu der Eingabe gebetene „Untere Bauaufsichtsbehörde“ der Antragsgegnerin habe eingeräumt, dass die von ihr erteilten Befreiungen „nicht rechtsfehlerfrei“ seien und gleichzeitig „versichert“, dass sie die gesetzlichen Grenzen für die Ermessensausübung bei der Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB „künftig einhalten“ werde. Letzteres betrifft wohl nicht den vorliegenden Fall, in dem offenbar weder von Seiten der Antragsgegnerin noch von Seiten der Aufsichtsbehörde derzeit weiterer Handlungsbedarf gesehen wird.

Dem von daher ohne weiteres nachvollziehbaren „Unverständnis“ der Antragsteller beziehungsweise dem verständlichen und vom Senat durchaus geteilten „Unbehagen“ des Verwaltungsgerichts lässt sich allerdings auf der Grundlage des strikt an das Erfordernis der subjektiven Rechtsverletzung anknüpfenden Systems des öffentlich-rechtlichen Baunachbarschutzes wohl kaum auf diese Weise Rechnung tragen. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts zur Begründung einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch ein unter Ausnutzung von der Behörde rechtswidrig erteilter weitgehender Befreiungen von zahlreichen – nach gegenwärtigem Erkenntnisstand – nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans zugelassenes Bauvorhaben aus der Perspektive des Eigentümers eines – unter entsprechenden Vorgaben derselben Behörde – plankonform bebauten benachbarten Grundstücks vernachlässigt, dass es bei der Frage der Rücksichtslosigkeit wegen „räumlicher“ Wirkungen eines Bauwerks um faktische Auswirkungen desselben geht, die letztlich auch unabhängig von konkreten planerischen Festsetzungen die Zumutbarkeitsschwelle für den Nachbarn überschreiten müssen. Ansonsten – und darauf läuft die Sichtweise des Verwaltungsgerichts im Ergebnis hinaus – würde den im konkreten Fall dispensierten städtebaulich-planerischen Vorgaben des Bebauungsplans auf diesem Umweg letztlich doch eine nachbarschützende Wirkung beigemessen, die ihnen – im konkreten Fall bisher unstreitig – nach dem Bebauungsplan nicht zukommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen Festsetzungen betreffend das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO), der Bauweise (§ 22 BauNVO)(vgl. insoweit zur besonderen Festsetzung „Doppelhaus“ i. S. von § 22 Abs. 2 BauNVO BVerwG, Urteil vom 24.3.2000 – 4 C 12.98 –, BRS 63 Nr. 185) und der überbaubaren Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO) – vorbehaltlich eines hier nicht ersichtlichen abweichenden Festsetzungswillens der Gemeinde aber anders als bei der Baugebietsausweisung hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung gerade kein generelles rechtliches Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet.(vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 23.6.1995 – 4 B 52.95 –, BRS 57 Nr. 209, zu einer vom Nachbarn angefochtenen Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern, bei denen – ebenfalls – die Festsetzungen über die zulässige Geschosszahl, die Begrenzung der Geschossflächenzahl und auch die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche nicht eingehalten worden waren) Von daher unterliegt die Bewertung des Verwaltungsgerichts, obgleich in der Sache nachvollziehbar, im Ergebnis nach wie vor aus Sicht des Senats nicht unerheblichen Bedenken.

Darüber hinaus bleibt nochmals festzuhalten, dass – die Richtigkeit des Vorbringens der Antragsteller unterstellt, dass sie an sämtlichen im Falle der Beigeladenen dispensierten Festsetzungen des Bebauungsplans „festgehalten“ wurden – das Verhalten der Antragsgegnerin im konkreten Fall unabhängig von der auszuschließenden Vermittelbarkeit gegenüber den sich entsprechend den planerischen Vorgaben (wohlgemerkt:) der Antragsgegnerin (selbst) im Bebauungsplan „W.“ bauenden Bürgerinnen und Bürgern – mit einer an rechtsstaatlichen Maßstäben orientierten behördlichen Praxis nur schwer zu vereinbaren sein dürfte. Das gilt insbesondere angesichts der von den Antragstellern angesprochenen Tatsache, dass die offensichtliche objektive Rechtswidrigkeit des von der Antragsgegnerin in welcher verfahrensrechtlichen Form auch immer – zugelassenen Bauvorhabens in den bisher zu dem Fall ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Senats seit Anfang 2012 unmissverständlich angesprochen worden ist. Das anschließende Verhalten der Antragsgegnerin mag man als schwer nachvollziehbar, einseitig, „ungerecht“ oder dergleichen ansehen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Antragsgegnerin in dem Bereich ein jedenfalls im Rahmen von Nachbarrechtsbehelfen nicht justiziabler Entscheidungsspielraum „jenseits“ der gesetzlichen Vorgabe des § 57 Abs. 2 LBO 2004 verbleibt. Dass der Antragsgegnerin bei ihren Befreiungsentscheidungen deren Rechtswidrigkeit nach dem Ergebnis der vorausgegangenen gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Bauvorhaben seit dem Jahre 2011 bekannt gewesen sein dürfte, führt entgegen der Ansicht der Antragsteller allerdings nicht bereits zur Nichtigkeit des Befreiungsbescheids vom 19.11.2012 im Sinne von § 44 Abs. 1 SVwVfG.

C.

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin auch zu Recht – antragsgemäß – verpflichtet, die Bauarbeiten auf der Grundlage von § 81 LBO 2004 (erneut) sofort vollziehbar einzustellen.

Insoweit mag der Beigeladenen zwar Recht zu geben sein, dass Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz gerichtet auf bauordnungsrechtliches Einschreiten gegen ein im sog. „Vollgenehmigungsverfahren“ nach einer umfassenden Prüfung zugelassenes Bauvorhaben (§§ 65, 73 LBO 2004) auf der Grundlage der Vorschriften für die Verwaltungsakte mit Doppelwirkung in dem § 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 VwGO und wegen der auch insoweit geltenden Subsidiaritätsklausel des § 123 Abs. 5 VwGO nicht im einstweiligen Anordnungsverfahren zu behandeln sind. Da dabei allerdings – soweit hier von Bedeutung – vergleichbare Maßstäbe für den Erfolg derartiger Begehren gelten, muss diesem eher theoretischen Streit nicht weiter nachgegangen werden.

Hinsichtlich des geplanten Mehrfamilienhauses der Beigeladenen liegen nach der Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004 für den Erlass einer Baueinstellungsanordnung vor. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand spricht – wie ausgeführt – viel dafür, dass die nach § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden und hinsichtlich ihrer Tiefe nach den Vorgaben des § 7 Abs. 4 und 5 LBO 2004 zu ermittelnden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten linken Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) liegen werden. Die Nichtbeachtung dieser anerkannt nachbarschützenden landesrechtlichen Vorschriften würde den Antragstellern als direkten Grundstücksnachbarn während der Bauphase grundsätzlich ungeachtet des der Behörde in § 81 Abs. 1 LBO 2004 eingeräumten Ermessens und unabhängig von einer tatsächlichen Betroffenheit einen subjektiven Anspruch auf Tätigwerden der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, hier der Antragsgegnerin, vermitteln. Dass die Beigeladene inzwischen offenbar erneut eine abweichende Ausführung des Vorhabens in Erwägung zieht, um die Bedenken hinsichtlich der Umwehrungen der Terrasse auf dem Dach des Obergeschosses auszuräumen, steht dem nicht entgegen. Diese Variation des insgesamt genehmigungsbedürftigen Vorhabens wurde von der Beigeladenen bisher ersichtlich nicht im Wege einer Tektur in das Verfahren eingeführt, wobei die Frage einer – hier ohnehin nicht ersichtlichen – Verfahrensfreistellung der Änderung (§ 61 Abs. 1 LBO 2004) und deren Berücksichtigung bereits im vorliegenden Verfahren auch mit Blick auf den § 81 LBO 2004 keiner Vertiefung bedarf. Die Baueinstellung soll gerade auch die Beachtung bauaufsichtlicher Zulassungserfordernisse sicherstellen. Insoweit hätte es der Beigeladenen oblegen, die von ihr wohl in Erwägung gezogenen baulichen Änderungen zunächst einer Überprüfung durch die Antragsgegnerin, die nach eigenem Vortrag im Beschwerdeverfahren inzwischen übrigens selbst von einer Relevanz der Umwehrung in der genehmigten Form bei der Bestimmung der Wandhöhe nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 ausgeht, in einem ergänzenden Baugenehmigungsverfahren zuzuführen. Schon das ist jedenfalls nach Aktenlage nicht geschehen. Hinsichtlich der voraussichtlichen abstandsflächenrechtlichen Irrelevanz dieser Veränderung kann auf das oben Gesagte verwiesen werden.

Von daher muss hier nicht vertieft werden, inwieweit es, da es für die Beurteilung von Einschreitensansprüchen der Antragsteller im Falle einer abweichenden Ausführung in auf den geschaffenen Baubestand ankommt, nach der Teilrealisierung des nach Angaben der Antragstellerin beziehungsweise eines von ihr beauftragten Vermessungsingenieurs abweichend von der Genehmigung errichteten Bauwerks gerechtfertigt wäre, das Baueinstellungsgebot unabhängig vom Anfechtungsstreit „fortzuschreiben“, um eine Schaffung „vollendeter Tatsachen“ durch Fertigstellung eines jedenfalls in der Ausführung nachbarrechtswidrigen Bauwerks unter Verwendung dieser vorhandenen Abschnitte des Rohbaus bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren zu verhindern, zumal die in den Abstandsflächenberechnungen ermittelten seitlichen Abstände zu der Grenze der Parzelle Nr. 44/12 an verschiedenen Stellen „zentimetergenau“ in die Grundrisszeichnungen übernommen worden sind, bei den Wandstärken aber – wie gesehen – zumindest Raum für Interpretationen mit Blick auf die allgemeine Vorgabe für tragende Außenwände in der Baubeschreibung besteht.

Eine unter Ausnutzung der Vollziehbarkeit einer Baugenehmigung (§ 212a Abs. 1 BauGB) erfolgende Bauausführung fällt generell, und zwar über das zuvor Gesagte hinaus auch bei genehmigungskonformer Ausführung des Vorhabens, etwa wenn schon in der Genehmigung enthaltene, aber vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erkannte Nachbarrechtsverstöße vorliegen, in den Bereich des „Bauens auf eigenes Risiko“, für den der Bundesgesetzgeber den Nachbarn auf eine Durchsetzung etwaiger Abwehransprüche nach einem Obsiegen in der Hauptsache mit gegebenenfalls gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen für die Bauherrinnen und Bauherren verwiesen hat. Aus dieser verfahrensrechtlichen Vorgabe lassen sich keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der materiellen Abwehrposition des sich gegen ein Bauvorhaben wendenden Nachbarn ableiten. An diesen Anforderungen wird sich gegebenenfalls das Bauwerk nach Fertigstellung „messen“ lassen müssen. Ein Anspruch der Antragsteller auf Einschreiten gegenüber der Beigeladenen oder Rechtsnachfolgern zur Ausräumung etwaiger im Hauptsacheverfahren festgestellter Nachbarrechtsverstöße richtete sich im Übrigen, auch das sei bereits in dem Zusammenhang zur Klarstellung ergänzend angemerkt, wegen des Verbots des Erlasses so genannter Baugebote im Rahmen des repressiven Bauordnungsrechts auf den Erlass einer Beseitigungsanordnung (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) für das Mehrfamilienhaus (insgesamt).(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 17.6.2010 – 2 A 425/08 –, BRS 76 Nr. 196) Schließlich bleibt, wie bereits im Beschluss des Senats vom Mai 2012(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –, SKZ 2012, 172, Leitsatz Nr. 24) ausgeführt, festzuhalten, dass das 2004 im materiellen Abstandsflächenrecht aus energiepolitischen Erwägungen heraus verankerte Privileg für abstandsflächenrechtlich relevante „nachträgliche“ Außenwandverkleidungen in dem § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LBO 2004 für die hier zur Rede stehende Neubaumaßnahme nicht „nachträglich“ in Anspruch genommen werden kann.

Auch eine bei unterstellter Einhaltung der abstandsflächenrechtlichen Vorgaben – vorbehaltlich sonstiger Erkenntnisse – erfolgende Zurückweisung des Aussetzungsantrags (§ 80a VwGO) gegen die Baugenehmigung und des Anordnungsbegehrens (§ 123 Abs. 1 VwGO) der Antragsteller, würde daher nichts daran ändern, dass die Realisierung des Bauvorhabens, speziell was die in Ausübung der Gestaltungsfreiheit der Beigeladenen als Bauherrin von ihr selbst eng gezogenen „Spielräume“ hinsichtlich der seitlichen Grenzabstände anbelangt, mit Blick auf die Grundentscheidung des Bundesgesetzgebers in § 212a Abs. 1 BauGB hier als besonders riskante oder, wenn man so will, „teure“ Variante des „Bauens auf eigenes Risiko“ in einer genehmigungskonformen Ausnutzung der (bisher nur) vorläufigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache unter Einhaltung insbesondere der Grenzabstandserfordernisse anzusehen ist. Bezogen auf die tatsächliche Ausführung wird allerdings am fertig gestellten Bauwerk durch Vermessung die Feststellung der tatsächlich eingehaltenen Abstände zur Grundstücksgrenze der Antragsteller mit Blick auf den strikt nachbarschützenden Charakter der Abstandsflächenvorschriften sicher gegenüber den derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten deutlich vereinfacht werden.

Demnach war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu bestätigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


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Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 3 Reine Wohngebiete


(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. (3) Ausnahmsweise können zugelassen werden 1. Läden und nicht störende Handwerksbe

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 23 Überbaubare Grundstücksfläche


(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. (2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut wer

Baugesetzbuch - BBauG | § 10 Beschluss, Genehmigung und Inkrafttreten des Bebauungsplans


(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung. (2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden. (3) Die Er

Baugesetzbuch - BBauG | § 212a Entfall der aufschiebenden Wirkung


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absa

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(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden. (2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche i

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 118


(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen. (2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird au

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 18 Höhe baulicher Anlagen


(1) Bei Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen sind die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen. (2) Ist die Höhe baulicher Anlagen als zwingend festgesetzt (§ 16 Absatz 4 Satz 2), können geringfügige Abweichungen zugelassen werden.

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(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

2

Der 1956 geborene Kläger war als Bundesbeamter im Amt eines Fernmeldebetriebsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) bei der Deutsche Telekom AG (im folgenden: Telekom) beschäftigt. Im April 2003 wies diese ihn der Personal-Service-AG (Vivento), einer Arbeitsvermittlungseinrichtung, zu. Seit Mai 2007 ist der Kläger dauernd dienstunfähig erkrankt. Der von der Telekom beauftragte Betriebsarzt erstellte ein sozialmedizinisches Gutachten. Darin teilte er die Diagnosen mit; weiter äußerte er sich zum qualitativen und quantitativen Leistungsvermögen des Klägers. Das im verschlossenen Umschlag an die Personalstelle der Telekom übersandte Gutachten leitete diese an die Vivento elektronisch weiter.

3

Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenübertragung an die Vivento - sowie - der Nutzung und Verarbeitung der Daten durch einen bestimmten Personalvermittler bei Vivento ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

4

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 ).

5

Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

- Sind Diagnosedaten solche das Gutachten tragenden Feststellungen und Gründe, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach § 46a Abs. 2 BBG alter Fassung (entsprechend § 48 Abs. 2 Satz 1 BBG neuer Fassung) mitgeteilt werden dürfen?

- Ist das Einscannen und/oder Versenden der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail, verschlüsselt oder unverschlüsselt, ein Verstoß gegen das Gebot, die Stellungnahme verschlossen zu der Personalakte des Beamten zu nehmen (§ 46a Abs. 3 Satz 1 BBG alter Fassung bzw. § 48 Abs. 2 Satz 2 BBG neuer Fassung)?

- Wenn nicht: Ist die darin liegende automatisierte Datenverarbeitung und Datenübermittlung von der Erlaubnisnorm nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG alter Fassung (bzw. § 48 Abs. 2 Satz 3 BBG neuer Fassung) gedeckt?

- Wenn ja: Ist insbesondere die Datenübermittlung an den Betrieb "Vivento" eine solche, die nach § 90d Abs. 1 BBG alter Fassung (entsprechend § 111 Abs. 1 BBG neuer Fassung) der Einwilligung des Beamten bedarf? Handelt es sich bei dem Betrieb "Vivento" um eine Behörde eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn im Sinne dieser Vorschrift? Insbesondere: Ist die Personalvermittlung durch "Vivento" eine "Personalentscheidung" im Sinne dieser Vorschrift?

6

Diese Fragen können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen würden bzw. beantwortet werden können, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

7

1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob dem Dienstherrn Diagnosedaten in einem zur Feststellung der Dienstunfähigkeit eingeholten ärztlichen Gutachten mitgeteilt werden dürfen, lässt sich auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantworten.

8

Nach § 46a Abs. 2 BBG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2001 (BBG a.F., nunmehr § 48 Abs. 2 BBG) muss ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 2 C 18.89 - Buchholz 237.6 § 56 NdsLBG Nr. 1 S.2 und Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

9

Der Inhalt des Gutachtens richtet sich nach seinem Zweck. Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zurruhesetzungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob er im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F./§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG). Der Beamte muss bereits auf der Grundlage der Anordnung seiner ärztlichen Untersuchung nachvollziehen können, ob die aufgeführten Umstände die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit rechtfertigen (Urteile vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 20 und vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 20). Das darauf folgende Gutachten muss es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss - wie vorliegend - die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, enthält sich einer verallgemeinerungsfähigen Aussage. Entscheidend kommt es deshalb auf Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

10

2. Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage nach der Rechtmäßigkeit des Einscannens und Versendens der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail ist schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil es ihr an einem konkreten Bezug zum Klageantrag mangelt. Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Übermittlung der Gesundheitsdaten an den Personalvermittler der Vivento rechtswidrig war. Diese Frage kann beantwortet werden, ohne dass es auf die Zulässigkeit des Einscannens und Versendens der Daten ankommt.

11

Im Übrigen lässt sich letztere Frage aus dem Gesetzestext mit Hilfe der Auslegungsregeln klar beantworten:

12

Gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 BBG a.F. ist die ärztliche Mitteilung über die Untersuchungsbefunde in einem gesonderten, verschlossenen und versiegelten Umschlag an die personalverwaltende Behörde zu übersenden. Dort ist die Mitteilung verschlossen zur Personalakte des Beamten zu nehmen. Dagegen erlaubt es Satz 2 derselben Vorschrift die übermittelten Daten für die im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens zu treffende Entscheidung zweckbezogen zu verarbeiten und zu nutzen. Während Satz 1 den Schutz der Gesundheitsdaten auf dem Weg vom Arzt zur personalverwaltenden Stelle und denjenigen in der Personalstelle selbst regelt, regelt Satz 2 die Verwendung der erlangten Gesundheitsdaten. Der Verwendungszweck ist dabei begrenzt auf Entscheidungen betreffend die Feststellung der Dienstunfähigkeit, die anderweitige Verwendung im Falle der Dienstunfähigkeit, die begrenzte Dienstfähigkeit, die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen und die Reaktivierung.

13

Bei ärztlichen Gutachten in dienstrechtlichen Angelegenheiten handelt es sich um besondere personenbezogene Daten im Sinn von § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 9 BDSG, die Einzelangaben über persönliche Verhältnisse des Beamten widerspiegeln. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des "Verarbeitens" und "Nutzens" dieser personenbezogenen Daten deshalb nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG auf die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 3 Abs. 4 und Abs. 5 BDSG abgestellt. Denn das Bundesbeamtengesetz enthält keine besonderen Definitionen zur Datenverwendung. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG verarbeitet personenbezogene Daten, wer sie speichert, verändert, übermittelt, sperrt und löscht. Unter dem Auffangtatbestand der Nutzung versteht § 3 Abs. 5 BDSG in Abgrenzung dazu jede Verwendung solcher Daten, die keine Verarbeitung ist (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Aufl. 2012, § 3 Rn. 42).

14

Das Einscannen der Untersuchungsbefunde - d.h. deren automatisierte optische Digitalisierung - stellt ein Verarbeiten gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG dar. Dies gilt auch für den Fall einer bloßen elektronischen Scan-Zwischenspeicherung im Rahmen eines automatisierten Verfahrens, deren Löschung im direkten zeitlichen Zusammenhang nicht gesichert ist (vgl. Dammann, in Simitis, BDSG, Kommentar, 7. Aufl. 2011, § 3 Rn. 124). Mit der Anlage eines plattformunabhängigen Dateiformats (Portable Document Format ) hat die Telekom die personenbezogenen Daten sodann auf einem Datenträger dauerhaft verkörpert und damit gespeichert (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Das innerbetriebliche Versenden der Datei an einen Personalvermittler der Vivento, erfüllt - unabhängig davon, ob Vivento Dritter i.S.v § 3 Abs. 8 BDSG ist, mit der Folge das ein Fall der Datenübermittlung nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG anzunehmen wäre - jedenfalls den Tatbestand der Datennutzung gemäß § 3 Abs. 5 BDSG.

15

Die Datenspeicherung und -weitergabe der ärztlichen Untersuchungsbefunde durch die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei Gesundheitsdaten nach § 3 Abs. 9 BDSG um besonders schutzbedürftige personenbezogene Daten handelt, nicht zu beanstanden. Solche Daten dürfen zwar grundsätzlich nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit der Betroffene darin einwilligt (vgl. § 4 Abs. 3 BDSG). Dies gilt indes nicht für eine kraft Gesetzes, hier nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F., zweckbezogen zulässige Verarbeitung und Nutzung von Daten (vgl. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG).

16

Zweckbezogen ist die Datenverarbeitung und -nutzung, weil die Beklagte verpflichtet war, vor einer Zurruhesetzung eine anderweitige Weiterverwendung des dienstunfähigen Beamten zu prüfen. Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 und 4 BBG a.F. ist der Dienstherr verpflichtet, vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach einer anderweitigen Verwendung des Beamten zu suchen (Grundsatz der Weiterverwendung vor Frühpensionierung). Da es um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn geht, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind, ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er nach einer Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten gesucht hat (Urteile vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25, jeweils Rn. 25 und vom 30. Mai 2013 - a.a.O. Rn. 36).

17

Bereits aufgrund dieser gesetzlichen Suchpflicht nach einer anderweitigen Weiterverwendung ist die Telekom, die nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG Dienstherrenbefugnisse ausübt, nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. berechtigt gewesen, die ihr nach Satz 1 der Norm übermittelten ärztlichen Untersuchungsbefunde zweckbezogen auch elektronisch aufbereitet zu verarbeiten und zu nutzen.

18

3. Schließlich lässt sich auch die Frage der Zulässigkeit der Übermittlung der Gesundheitsdaten des Klägers durch die personalverwaltende Behörde der Telekom an die Vivento durch Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen sicher beantworten:

19

Die nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. zulässige Verarbeitung oder Nutzung der Gesundheitsdaten im Zurruhesetzungsverfahren bewegt sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben des Personalaktenrechts. Die Gesundheitsdaten des Beamten im Zurruhesetzungsverfahren sind gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BBG a.F. nach ihrer Übersendung durch den Arzt versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Zugang zur Personalakte dürfen nur Beschäftigte haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist (§ 90 Abs. 3 Satz 1 BBG a.F.). Automatisiert verarbeitet und übermittelt werden dürfen Personalaktendaten dementsprechend nur für Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft (§ 90g Abs. 1 i.V.m. § 90d BBG a.F.). Für Unterlagen über medizinische Untersuchungen beschränkt dies § 90g Abs. 3 BBG a.F. auf die automatisierte Verarbeitung der Ergebnisse, soweit sie die Eignung betreffen und ihre Verwendung dem Schutz des Beamten dient.

20

Wer personalverwaltende Behörde bei der Telekom ist, richtet sich nach dem Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl. I 2353, PostPersRG). Nach § 1 Abs. 2 PostPersRG nimmt der Vorstand der Aktiengesellschaft die Befugnisse der obersten Dienstbehörde sowie des obersten Dienstvorgesetzten wahr. Die berufliche Tätigkeit des Beamten gilt als Dienst; die Aktiengesellschaft als Verwaltung i.S.d. Bundesbeamtengesetzes (§ 4 Abs. 2 PostPersRG). Auf welche Organisationseinheiten und Stelleninhaber unterhalb des Vorstands die Befugnisse einer Dienstbehörde oder eines Dienstvorgesetzten übertragen werden können, bestimmt nach § 3 Abs. 1 PostPersRG das Bundesministerium der Finanzen nach Anhörung oder auf Vorschlag des Vorstands der Aktiengesellschaft.

21

Fragen der Ausübung dieser Befugnis sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Diese Befugnis wird durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften wahrgenommen, denen keine Rechtssatzqualität zukommt. Aus diesem Grund gehört die auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG ergangene Anordnung des Bundesministeriums der Finanzen nicht zum revisiblen Recht im Sinn von § 137 Abs. 1 VwGO, sodass bereits deshalb es nicht gerechtfertigt ist, die Revision zuzulassen (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 14 = NVwZ 2012, 641; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. II, Stand: 25. Erg.Lfg. April 2013, § 137 Rn. 22; Eyermann/Kraft, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 10, jeweils m.w.N.).

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob die Übertragung eines höherwertigen Amtes zunächst zeitlich begrenzt für die Dauer von sieben Jahren nach § 44 Abs. 5 Satz 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist und welche Folgen sich ggf. aus einer Nichtigkeit der Regelung für diejenigen Beamten ergeben, denen ein solches Amt übertragen worden ist (vgl. Beschluss vom 27. September 2007 - BVerwG 2 C 21.06 u.a. - BVerwGE 129, 272 <278 Rn. 45> zum Anspruch auf Übertragung des innegehabten Amtes sowie BVerfG, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 2 BvL 11/07 - BVerfGE 121, 205 <218> zum jedenfalls bestehenden Anspruch auf Neubescheidung).

2

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG; die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

2

Der 1956 geborene Kläger war als Bundesbeamter im Amt eines Fernmeldebetriebsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) bei der Deutsche Telekom AG (im folgenden: Telekom) beschäftigt. Im April 2003 wies diese ihn der Personal-Service-AG (Vivento), einer Arbeitsvermittlungseinrichtung, zu. Seit Mai 2007 ist der Kläger dauernd dienstunfähig erkrankt. Der von der Telekom beauftragte Betriebsarzt erstellte ein sozialmedizinisches Gutachten. Darin teilte er die Diagnosen mit; weiter äußerte er sich zum qualitativen und quantitativen Leistungsvermögen des Klägers. Das im verschlossenen Umschlag an die Personalstelle der Telekom übersandte Gutachten leitete diese an die Vivento elektronisch weiter.

3

Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenübertragung an die Vivento - sowie - der Nutzung und Verarbeitung der Daten durch einen bestimmten Personalvermittler bei Vivento ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

4

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 ).

5

Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

- Sind Diagnosedaten solche das Gutachten tragenden Feststellungen und Gründe, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach § 46a Abs. 2 BBG alter Fassung (entsprechend § 48 Abs. 2 Satz 1 BBG neuer Fassung) mitgeteilt werden dürfen?

- Ist das Einscannen und/oder Versenden der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail, verschlüsselt oder unverschlüsselt, ein Verstoß gegen das Gebot, die Stellungnahme verschlossen zu der Personalakte des Beamten zu nehmen (§ 46a Abs. 3 Satz 1 BBG alter Fassung bzw. § 48 Abs. 2 Satz 2 BBG neuer Fassung)?

- Wenn nicht: Ist die darin liegende automatisierte Datenverarbeitung und Datenübermittlung von der Erlaubnisnorm nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG alter Fassung (bzw. § 48 Abs. 2 Satz 3 BBG neuer Fassung) gedeckt?

- Wenn ja: Ist insbesondere die Datenübermittlung an den Betrieb "Vivento" eine solche, die nach § 90d Abs. 1 BBG alter Fassung (entsprechend § 111 Abs. 1 BBG neuer Fassung) der Einwilligung des Beamten bedarf? Handelt es sich bei dem Betrieb "Vivento" um eine Behörde eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn im Sinne dieser Vorschrift? Insbesondere: Ist die Personalvermittlung durch "Vivento" eine "Personalentscheidung" im Sinne dieser Vorschrift?

6

Diese Fragen können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen würden bzw. beantwortet werden können, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

7

1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob dem Dienstherrn Diagnosedaten in einem zur Feststellung der Dienstunfähigkeit eingeholten ärztlichen Gutachten mitgeteilt werden dürfen, lässt sich auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantworten.

8

Nach § 46a Abs. 2 BBG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2001 (BBG a.F., nunmehr § 48 Abs. 2 BBG) muss ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 2 C 18.89 - Buchholz 237.6 § 56 NdsLBG Nr. 1 S.2 und Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

9

Der Inhalt des Gutachtens richtet sich nach seinem Zweck. Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zurruhesetzungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob er im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F./§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG). Der Beamte muss bereits auf der Grundlage der Anordnung seiner ärztlichen Untersuchung nachvollziehen können, ob die aufgeführten Umstände die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit rechtfertigen (Urteile vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 20 und vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 20). Das darauf folgende Gutachten muss es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss - wie vorliegend - die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, enthält sich einer verallgemeinerungsfähigen Aussage. Entscheidend kommt es deshalb auf Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

10

2. Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage nach der Rechtmäßigkeit des Einscannens und Versendens der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail ist schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil es ihr an einem konkreten Bezug zum Klageantrag mangelt. Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Übermittlung der Gesundheitsdaten an den Personalvermittler der Vivento rechtswidrig war. Diese Frage kann beantwortet werden, ohne dass es auf die Zulässigkeit des Einscannens und Versendens der Daten ankommt.

11

Im Übrigen lässt sich letztere Frage aus dem Gesetzestext mit Hilfe der Auslegungsregeln klar beantworten:

12

Gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 BBG a.F. ist die ärztliche Mitteilung über die Untersuchungsbefunde in einem gesonderten, verschlossenen und versiegelten Umschlag an die personalverwaltende Behörde zu übersenden. Dort ist die Mitteilung verschlossen zur Personalakte des Beamten zu nehmen. Dagegen erlaubt es Satz 2 derselben Vorschrift die übermittelten Daten für die im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens zu treffende Entscheidung zweckbezogen zu verarbeiten und zu nutzen. Während Satz 1 den Schutz der Gesundheitsdaten auf dem Weg vom Arzt zur personalverwaltenden Stelle und denjenigen in der Personalstelle selbst regelt, regelt Satz 2 die Verwendung der erlangten Gesundheitsdaten. Der Verwendungszweck ist dabei begrenzt auf Entscheidungen betreffend die Feststellung der Dienstunfähigkeit, die anderweitige Verwendung im Falle der Dienstunfähigkeit, die begrenzte Dienstfähigkeit, die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen und die Reaktivierung.

13

Bei ärztlichen Gutachten in dienstrechtlichen Angelegenheiten handelt es sich um besondere personenbezogene Daten im Sinn von § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 9 BDSG, die Einzelangaben über persönliche Verhältnisse des Beamten widerspiegeln. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des "Verarbeitens" und "Nutzens" dieser personenbezogenen Daten deshalb nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG auf die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 3 Abs. 4 und Abs. 5 BDSG abgestellt. Denn das Bundesbeamtengesetz enthält keine besonderen Definitionen zur Datenverwendung. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG verarbeitet personenbezogene Daten, wer sie speichert, verändert, übermittelt, sperrt und löscht. Unter dem Auffangtatbestand der Nutzung versteht § 3 Abs. 5 BDSG in Abgrenzung dazu jede Verwendung solcher Daten, die keine Verarbeitung ist (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Aufl. 2012, § 3 Rn. 42).

14

Das Einscannen der Untersuchungsbefunde - d.h. deren automatisierte optische Digitalisierung - stellt ein Verarbeiten gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG dar. Dies gilt auch für den Fall einer bloßen elektronischen Scan-Zwischenspeicherung im Rahmen eines automatisierten Verfahrens, deren Löschung im direkten zeitlichen Zusammenhang nicht gesichert ist (vgl. Dammann, in Simitis, BDSG, Kommentar, 7. Aufl. 2011, § 3 Rn. 124). Mit der Anlage eines plattformunabhängigen Dateiformats (Portable Document Format ) hat die Telekom die personenbezogenen Daten sodann auf einem Datenträger dauerhaft verkörpert und damit gespeichert (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Das innerbetriebliche Versenden der Datei an einen Personalvermittler der Vivento, erfüllt - unabhängig davon, ob Vivento Dritter i.S.v § 3 Abs. 8 BDSG ist, mit der Folge das ein Fall der Datenübermittlung nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG anzunehmen wäre - jedenfalls den Tatbestand der Datennutzung gemäß § 3 Abs. 5 BDSG.

15

Die Datenspeicherung und -weitergabe der ärztlichen Untersuchungsbefunde durch die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei Gesundheitsdaten nach § 3 Abs. 9 BDSG um besonders schutzbedürftige personenbezogene Daten handelt, nicht zu beanstanden. Solche Daten dürfen zwar grundsätzlich nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit der Betroffene darin einwilligt (vgl. § 4 Abs. 3 BDSG). Dies gilt indes nicht für eine kraft Gesetzes, hier nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F., zweckbezogen zulässige Verarbeitung und Nutzung von Daten (vgl. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG).

16

Zweckbezogen ist die Datenverarbeitung und -nutzung, weil die Beklagte verpflichtet war, vor einer Zurruhesetzung eine anderweitige Weiterverwendung des dienstunfähigen Beamten zu prüfen. Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 und 4 BBG a.F. ist der Dienstherr verpflichtet, vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach einer anderweitigen Verwendung des Beamten zu suchen (Grundsatz der Weiterverwendung vor Frühpensionierung). Da es um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn geht, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind, ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er nach einer Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten gesucht hat (Urteile vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25, jeweils Rn. 25 und vom 30. Mai 2013 - a.a.O. Rn. 36).

17

Bereits aufgrund dieser gesetzlichen Suchpflicht nach einer anderweitigen Weiterverwendung ist die Telekom, die nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG Dienstherrenbefugnisse ausübt, nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. berechtigt gewesen, die ihr nach Satz 1 der Norm übermittelten ärztlichen Untersuchungsbefunde zweckbezogen auch elektronisch aufbereitet zu verarbeiten und zu nutzen.

18

3. Schließlich lässt sich auch die Frage der Zulässigkeit der Übermittlung der Gesundheitsdaten des Klägers durch die personalverwaltende Behörde der Telekom an die Vivento durch Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen sicher beantworten:

19

Die nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. zulässige Verarbeitung oder Nutzung der Gesundheitsdaten im Zurruhesetzungsverfahren bewegt sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben des Personalaktenrechts. Die Gesundheitsdaten des Beamten im Zurruhesetzungsverfahren sind gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BBG a.F. nach ihrer Übersendung durch den Arzt versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Zugang zur Personalakte dürfen nur Beschäftigte haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist (§ 90 Abs. 3 Satz 1 BBG a.F.). Automatisiert verarbeitet und übermittelt werden dürfen Personalaktendaten dementsprechend nur für Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft (§ 90g Abs. 1 i.V.m. § 90d BBG a.F.). Für Unterlagen über medizinische Untersuchungen beschränkt dies § 90g Abs. 3 BBG a.F. auf die automatisierte Verarbeitung der Ergebnisse, soweit sie die Eignung betreffen und ihre Verwendung dem Schutz des Beamten dient.

20

Wer personalverwaltende Behörde bei der Telekom ist, richtet sich nach dem Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl. I 2353, PostPersRG). Nach § 1 Abs. 2 PostPersRG nimmt der Vorstand der Aktiengesellschaft die Befugnisse der obersten Dienstbehörde sowie des obersten Dienstvorgesetzten wahr. Die berufliche Tätigkeit des Beamten gilt als Dienst; die Aktiengesellschaft als Verwaltung i.S.d. Bundesbeamtengesetzes (§ 4 Abs. 2 PostPersRG). Auf welche Organisationseinheiten und Stelleninhaber unterhalb des Vorstands die Befugnisse einer Dienstbehörde oder eines Dienstvorgesetzten übertragen werden können, bestimmt nach § 3 Abs. 1 PostPersRG das Bundesministerium der Finanzen nach Anhörung oder auf Vorschlag des Vorstands der Aktiengesellschaft.

21

Fragen der Ausübung dieser Befugnis sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Diese Befugnis wird durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften wahrgenommen, denen keine Rechtssatzqualität zukommt. Aus diesem Grund gehört die auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG ergangene Anordnung des Bundesministeriums der Finanzen nicht zum revisiblen Recht im Sinn von § 137 Abs. 1 VwGO, sodass bereits deshalb es nicht gerechtfertigt ist, die Revision zuzulassen (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 14 = NVwZ 2012, 641; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. II, Stand: 25. Erg.Lfg. April 2013, § 137 Rn. 22; Eyermann/Kraft, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 10, jeweils m.w.N.).

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.

(2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten kann keinen Erfolg haben. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Divergenz und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO, § 69 BDG) vorliegen.

2

Der Beklagte ist Polizeihauptkommissar; seit dem 30. Juni 2008 befindet er sich im Ruhestand. Er wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil er vor seiner Pensionierung auf seinem privaten Computer kinderpornographische Dateien gespeichert hatte.

3

Wegen dieser Straftat hat ihm das Verwaltungsgericht das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es, die Disziplinarklage sei von dem dafür zuständigen Präsidenten der Bundespolizeidirektion H. erhoben worden. Bei der Bezeichnung der Bundesrepublik als Klägerin in der Disziplinarklageschrift handele es sich um ein Versehen, sodass das Verwaltungsgericht zu Recht das Rubrum berichtigt habe. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei geboten, weil der Beklagte während des Tatzeitraums als Polizeibeamter eine hervorgehobene Stellung bekleidet habe. Ihm seien keine mildernden Umstände von erheblichem Gewicht zugute zu halten. Den Strafbefehl habe er nicht in erster Linie aus Reue oder Einsicht, sondern wegen des Strafmaßes akzeptiert.

4

1. Mit der Verfahrensrüge macht der Beklagte geltend, die Disziplinarklage sei unzulässig, weil sie von einer unzuständigen Stelle erhoben worden sei. Aus dem Rubrum der Disziplinarklageschrift ergebe sich eindeutig, dass der Präsident der Bundespolizeidirektion H. die Disziplinarklage nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der hierfür nicht zuständigen Bundesrepublik erhoben habe. Jedenfalls leide die Disziplinarklageschrift aus diesem Grund an einem wesentlichen Mangel; das Oberverwaltungsgericht habe es versäumt, den Kläger zur Beseitigung des Mangels aufzufordern.

5

Der Begriff des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfasst Verstöße des Verwaltungsgerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze. Ein davon prinzipiell zu unterscheidender wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift zieht einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich, wenn das Verwaltungsgericht die sich aus § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines wesentlichen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken. Diese Verpflichtung gilt nach § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Berufungsgericht. Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann nur der gerichtliche Verstoß gegen § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG sein, nicht aber der Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift selbst (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 18 f.; Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3).

6

Ein wesentlicher Mangel der Disziplinarklageschrift liegt vor, wenn diese nicht den gesetzlichen Anforderungen an die ordnungsgemäße Erhebung entspricht. Dies ist der Fall, wenn die Disziplinarklage von einer unzuständigen Behörde oder einem Beamten erhoben wird, der nicht befugt ist, für die zuständige Behörde tätig zu werden (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - NVwZ 2013, 1087 = juris Rn. 8 ). Hierunter fällt auch, dass der für die Klageerhebung zuständige Dienstvorgesetzte die Disziplinarklage nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der von ihm geleiteten Behörde oder des Dienstherrn erhebt (Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 2 B 113.07 - juris Rn. 7 § 69 bdg nr. 3 abgedruckt>).

7

Ein solcher Mangel kann dadurch geheilt werden, dass die zuständige Stelle (Behörde oder Dienstvorgesetzter) eine neue Disziplinarklageschrift im eigenen Namen einreicht. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Vorgehen keine schutzwürdigen Interessen des Beamten entgegen stehen (Beschluss vom 18. Dezember 2007 a.a.O.).

8

Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor: Nach dem Sachverhalt, den das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, hat der für die Klageerhebung zuständige Präsident der Bundespolizeidirektion H. die Disziplinarklage im eigenen Namen erhoben. An diese tatsächliche Feststellung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil der Beklagte hiergegen keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben hat.

9

Die Bezeichnung eines Verfahrensbeteiligten (Parteibezeichnung) in einer Klageschrift ist Teil der prozessualen Erklärung, Klage zu erheben. Sie ist - wie der gesamte Vortrag in der Klageschrift - der Auslegung zugänglich. Es kommt darauf an, wie die Bezeichnung bei objektiver Würdigung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei einer unrichtigen oder mehrdeutigen Bezeichnung gilt diejenige Person oder Behörde als Verfahrensbeteiligte, die erkennbar durch den Klagegegenstand betroffen wird. Dies ist durch Auslegung des Rubrums unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Klageschrift zu ermitteln (Beschluss vom 22. März 2001 - BVerwG 8 B 262.00 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 20 S. 10; BGH, Urteile vom 26. Februar 1987 - VII ZR 58/86 - NJW 1987, 1946 und vom 27. November 2007 - X ZR 144/06 - NJW-RR 2008, 582).

10

Der durch Auslegung bestimmte Inhalt einer Parteibezeichnung stellt eine tatsächliche Feststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO dar. Ebenso wie die Feststellung des Erklärungsinhalts anderer Prozesshandlungen und Willenserklärungen kann sie vom Revisionsgericht nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie auf einem Rechtsirrtum oder einem Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht. Nur wenn der Auslegung des Tatsachengerichts ein solcher Rechtsfehler anhaftet, kann das Revisionsgericht die Erklärung selbst auslegen (Urteile vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162>, vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 63.08 - BVerwGE 135, 14 Rn. 9 und vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - BVerwGE 137, 138 Rn. 14).

11

Das Aktivrubrum der Disziplinarklageschrift lautet: "Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern, dieser vertreten durch den Präsidenten der Bundespolizeidirektion H.". Dieser Wortlaut könnte zwar darauf schließen lassen, dass der für die Klageerhebung zuständige Präsident die Disziplinarklage als Vertreter der Bundesrepublik erhoben habe. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der sich das Oberverwaltungsgericht angeschlossen hat, ist der durch den Wortlaut des Rubrums vermittelte Eindruck nicht ausschlaggebend. Vielmehr ergebe sich aus Briefbogen und Briefkopf der Klageschrift ("Bundespolizeidirektion H."; "Präsident"), dass der Präsident im eigenen Namen gehandelt habe. Hinzu komme, dass er die Klageschrift unterzeichnet habe.

12

Danach ist die Parteibezeichnung mehrdeutig, sodass die Verwaltungsgerichte ihren Inhalt zu Recht durch Auslegung der Disziplinarklageschrift nach den soeben dargestellten Grundsätzen ermittelt haben. Weder hat der Beklagte dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass dem Auslegungsergebnis, der Präsident sei als Kläger aufgetreten, ein Rechtsirrtum oder ein Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze anhaftet. Vielmehr wird es durch den Grundsatz bestätigt, dass bei einer mehrdeutigen Parteibezeichnung diejenige Person oder Behörde Partei wird, die erkennbar durch den Klagegegenstand betroffen wird. Dies ist hier der Präsident der Bundespolizeidirektion H., weil er als Funktionsnachfolger des früheren Dienstvorgesetzten, des Leiters des früheren Bundespolizeiamtes H., für die Erhebung der Disziplinarklage gegen den Beklagten zuständig war.

13

2. Mit der Verfahrensrüge macht der Beklagte zudem eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO geltend. Der Beklagte trägt vor, er habe sich nicht zu der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts äußern können, er habe den Strafbefehl nicht in erster Linie aus Reue oder Einsicht, sondern wegen des ausgesprochenen Strafmaßes akzeptiert.

14

Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nur solche Teile des Prozessstoffes berücksichtigen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Dies setzt deren Kenntnis vom Prozessstoff voraus (stRspr; BVerfG, Beschlüsse vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765, 766/89 - BVerfGE 89, 381<392> und vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <129>).

15

Die Behauptung des Beklagten, er habe sich nicht zu den Motiven äußern können, aus denen er den Strafbefehl akzeptiert habe, trifft schon deshalb nicht zu, weil er hierzu bereits in der Klageerwiderung vom 25. August 2009 vorgetragen hat. Dort hat er erklärt, auf seine Initiative habe die Staatsanwaltschaft die Anklage zurückgenommen und den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Weiterhin hat er auf seine Erklärung gegenüber dem Amtsgericht verwiesen, wonach er den Strafbefehl akzeptiere, obwohl das Gericht von einer deutlich überhöhten Anzahl von Bilddateien ausgegangen sei, weil er sein Fehlverhalten grundsätzlich einräume, bereue und die vorgesehene Geldstrafe als eine Sanktion empfinde, die sich im angemessenen Rahmen bewege.

16

Das Gericht muss die Beteiligten nicht eigens darauf hinweisen, dass es deren eigenen Vortrag in die Entscheidungsfindung einbeziehen werde. Der Beklagte hat damit rechnen müssen, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Bewertung seines Nachtatverhaltens im Rahmen der Maßnahmebemessung auf seine Erklärungen in der Klageerwiderung zurückgreifen würde.

17

Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nur dann, die Beteiligten vorab darauf hinzuweisen, dass es in seiner Entscheidung auf einen bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt abstellen wird, wenn auch ein gewissenhafter Beteiligter dessen Entscheidungserheblichkeit nicht zu erkennen vermag (stRspr; BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144>).

18

Danach hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten nicht darauf hinweisen müssen, dass es dessen Motive für die Hinnahme des Strafbefehls in bestimmter Weise würdigen würde. Es hat nur tatsächliche Umstände einbezogen, die dem Beklagten bekannt waren oder bekannt sein mussten. Sie ergaben sich entweder aus seinem Vortrag oder lagen nach dem Verlauf von Straf- und Disziplinarverfahren auf der Hand. Dies gilt für die Annahmen, der Beklagte habe sein Fehlverhalten erst nach dessen Aufdeckung zugestanden und er sei bei Fortführung des Strafverfahrens Gefahr gelaufen, dass weitere Dateien mit kinderpornographischem Inhalt entdeckt würden.

19

Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst kann nicht mit der Gehörsrüge angegriffen werden. Es ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr; Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16).

20

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Annahme, der Beklagte habe den Strafbefehl ausschließlich aus Reue und Einsicht hingenommen, auf der Grundlage des nicht angegriffenen Rechtsstandpunkts des Oberverwaltungsgerichts zur Schwere des Dienstvergehens nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme, d.h. zu einer Kürzung des Ruhegehalts (§ 5 Abs. 2 Nr. 1, § 11 BDG), hätte führen können. Bekundungen von Reue und Einsicht nach Entdeckung des Fehlverhaltens kommt ohne Hinzutreten weiterer mildernder Umstände von einigem Gewicht regelmäßig keine entscheidungserhebliche Bedeutung für die Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG zu, wenn aufgrund der Schwere des Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts indiziert ist. Anders liegt es, wenn der Beklagte das Fehlverhalten freiwillig offenbart oder tätige Reue zeigt, etwa indem er zur vollständigen Aufdeckung der Taten beiträgt oder den entstandenen Schaden aus eigenem Antrieb wieder gutmacht (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 39).

21

3. Schließlich liegt die vom Beklagten behauptete Divergenz des Berufungsurteils zu dem Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2007 (BVerwG 2 B 113.07) nicht vor. Nach diesem Beschluss leidet die Disziplinarklageschrift an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 55 BDG, wenn der für die Klageerhebung zuständige Dienstvorgesetzte die Disziplinarklage als Vertreter für eine andere Behörde oder den Dienstherrn erhoben hat. Eine Abweichung des Berufungsurteils scheidet von vornherein aus, weil im vorliegenden Fall - wie dargelegt - nach dem bindend festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit für die Klageerhebung gewahrt ist.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil die Höhe der Gerichtsgebühren betragsgenau festgelegt ist (§ 85 Abs. 12 Satz 1 und Satz 2, § 78 Satz 1 BDG, Nr. 10 und 62 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu diesem Gesetz).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 4. November 2011 – 5 L 624/11 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine saarländische Gemeinde, wendet sich mit ihrem Aussetzungsbegehren (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) gegen eine der Beigeladenen unter Ersetzung ihres Einvernehmens erteilte Bauerlaubnis des Antragsgegners für eine „Nutzungsänderung“ durch Einbau von „zwei getrennten Spielhallen in einer ehemaligen Motorradwerkstatt“ auf der Parzelle Nr. 70/7 in Flur 14 der Gemarkung I (Anwesen Hauptstraße Nr. …).

Das mit einem 30,85 m x 20,50 m großen Gebäude bebaute Grundstück liegt im Planbereich des im Juni 2010 vom Gemeinderat der Antragstellerin beschlossenen und bekannt gemachten Bebauungsplans „Hauptstraße/ I Straße“, durch den der bisher unter anderem dieses Anwesen erfassende Bebauungsplan „In der I “ geändert wurde. Der neue Bebauungsplan enthält einen Ausschluss zentrenrelevanter Sortimente für Betriebe des Einzelhandels und sonstige Gewerbebetriebe mit Verkaufsflächen auf der Grundlage des § 9 Abs. 2a BauGB zum Schutz des zentralen Versorgungsbereichs in der Ortsmitte der Antragstellerin („I-City“) zur Sicherstellung einer verbrauchernahen Versorgung. Im Textteil findet sich der Hinweis, dass sich die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Geltungsbereich im Übrigen nach dem § 34 BauGB richte.

Nachdem die Beigeladene ihr Unterlagen für eine Genehmigungsfreistellung nach § 63 LBO 2004 vorgelegt hatte, wies sie die Antragsgegnerin Ende September 2010 darauf, dass es sich bei dem Bebauungsplan „Hauptstraße/ I Straße“ nicht um einen qualifizierten Bebauungsplan handele, so dass das Genehmigungsfreistellungsverfahren keine Anwendung finde. Die Bauunterlagen seien mit entsprechendem Bauantrag beim Antragsgegner einzureichen.

Anfang Oktober beantragte die Beigeladene beim Antragsgegner daraufhin die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 64 LBO 2004) für die Nutzungsänderung der ehemaligen Motorradwerkstatt „in eine Spielhalle mit zwei Konzessionsflächen unter dem Schwellenwert von 100 m2“.

Die ihr vom Antragsgegner erstmals unter dem 20.10.2010 zur Stellungnahme gemäß § 36 BauGB übermittelten Unterlagen sandte die Antragstellerin mit Schreiben vom 2.11.2010 unter Verweis auf das Fehlen einer zur Beurteilung des Vorhabens notwendigen Betriebsbeschreibung mit Angabe der vorgesehenen Betriebszeiten „unbearbeitet“ zurück.

In einer von der Beigeladenen nachgereichten Betriebsbeschreibung heißt es, geplant sei durch den Einbau von Trennwänden nach § 29 LBO 2004 in dem vorderen Bereich der ehemaligen Motorradwerkstatt zur Straße hin „2 getrennte Spielhallen mit jeweils max. 8 Spielgeräten“ und Nutzflächen von 97,54 qm („Spielhalle 1“) beziehungsweise 97,27 qm („Spielhalle 2“) einzubauen. Die nebeneinander liegenden Anlagen sind in einem Grundriss dargestellt. Sie sollen danach über getrennte Eingänge und eigene Toilettenanlagen verfügen und gesondert beaufsichtigt werden.

Mit Schreiben vom 7.12.2010 ersuchte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut um ihre Stellungnahme zu dem Vorhaben.

In dem nach dem Stempel des Antragsgegners am 11.2.2011 bei diesem eingegangenen Antwortschreiben der Antragstellerin vom 8.2.2011 heißt es unter Bezugnahme auf das „Ersuchen vom 9.12.2010“, der zuständige Ausschuss ihres Gemeinderats habe das Einvernehmen zu dem Bauvorhaben nicht hergestellt. Das nach dem § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben liege von der Umgebungsbebauung her in einem Mischgebiet und füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Anlage wirke trotz baulicher „Einteilung“ als Ganzes wie ein großes „Spielzentrum“ mit ca. 200 qm Nutzfläche und damit wie eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es sich um zwei einzelne Spielhallen von jeweils ca. 100 qm Nutzfläche handele, seien solche Vergnügungsstätten nur in den Teilen eines Mischgebiets mit überwiegend gewerblicher Nutzung zulässig. Das sei hier nicht der Fall. Der unmittelbar angrenzende Bereich sei weitestgehend durch Wohnnutzung geprägt. Vorliegend gehe es ohnehin nicht um zwei getrennt zu betrachtende Einzelbauvorhaben. Betreiber und Betriebszeiten seien gleich. In den Antragsunterlagen werde eine Gesamtnutzfläche von 194,81 qm ausgewiesen. Diese Indizien sprächen für eine betriebliche Einheit, die im Mischgebiet nicht zulässig sei. Bei getrennter Betrachtung stehe einer Zulässigkeit ferner der § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO entgegen, da die Einrichtung von zwei Spielotheken der Eigenart des Baugebiets widerspreche. Wollte man wegen der überwiegend vorhandenen Wohnbebauung in der Umgebung nicht von einem faktischen Mischgebiet nach § 6 BauNVO ausgehen, so würde sich das Vorhaben nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügen. In der Umgebung seien Vergnügungsstätten bisher nicht vorhanden.

Im April 2011 wies der Antragsgegner die Antragstellerin unter Bezugnahme auf eine durchgeführte Ortseinsicht darauf hin, dass das Bauvorhaben aus seiner Sicht genehmigungsfähig sei. Dieses solle in einem Mischgebiet (§ 6 BauNVO) mit einem „ausgeglichenen Nebeneinander“ von Wohn- und gewerblicher Nutzung ausgeführt werden. Nach dem § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO seien in Mischgebieten als Vergnügungsstätten einzuordnende Spielhallen zulässig, die „nicht kerngebietstypisch“ seien. Zur Abgrenzung habe sich in der Rechtsprechung ein Schwellenwert von 100 qm eingependelt. Dieser werde hier durch die einzeln zu betrachtenden Spielhallen nicht überschritten. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass von den nach dem Bauantrag auf einen Betrieb zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr beschränkten Spielhallen in der konkreten Umgebung und an der ohnehin viel befahrenen Straße Belästigungen ausgingen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien. Daher sei beabsichtigt, das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen.

Nachdem der Bauausschuss des Gemeinderats der Antragstellerin Anfang Mai 2011 erneut die Herstellung des Einvernehmens verweigert hatte, erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen durch Bauschein vom 20.5.2011 die begehrte Baugenehmigung. Nach den dabei in Bezug genommenen Auflagen des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz (Nr. 4) darf „die Spielhalle“ nur tagsüber (6 bis 22 Uhr) betrieben werden. Der Bauschein enthält weder einen Hinweis auf die Ersetzung des Einvernehmens noch eine entsprechende förmliche Entscheidung.

Durch gesondertes, mit eigener Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Schreiben an den Bürgermeister der Antragstellerin vom 24.5.2011 wies der Antragsgegner darauf hin, dass er der Beigeladenen durch Bescheid gleichen Datums („vom heutigen Tag“) die Baugenehmigung erteilt habe. Weiter heißt es hier, das nicht hergestellte gemeindliche Einvernehmen werde gemäß § 72 Abs. 3 LBO 2004 durch diese Genehmigung ersetzt. Die anschließende Begründung stellt eine inhaltliche Wiederholung des Hinweisschreibens des Antragsgegners vom April 2011 dar. Dieser Bescheid wurde der Antragstellerin am 30.5.2011 zugestellt.

Mit Schreiben vom 31.5.2011 hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben und im Juli 2011 beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs beantragt. Sie führte aus, in der näheren Umgebung des Baugrundstücks befänden sich der gemeindliche Bauhof, das Gaswerk I, großflächiger Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von ca. 1.400 qm, eine Tankstelle, eine Dienststelle der Polizei und Wohngebäude. Sie habe einen Anspruch gegen den Antragsgegner als Bauaufsichtsbehörde, dass kein Bauvorhaben zugelassen werde, das den im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ihrer Beurteilung unterliegenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen widerspreche. Letzteres sei hier jedoch geschehen. Das Baugrundstück liege im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans, und das Vorhaben sei nach § 34 BauGB zu beurteilen. Die nähere Umgebung entspreche keinem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung. Da sich in der Umgebung bisher keine Vergnügungsstätte befinde, werde der dadurch gesetzte Rahmen überschritten. Wegen der zu besorgenden Situationsverschlechterung und der Vorbildwirkung füge sich das Vorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Im Übrigen hat die Antragstellerin nochmals darauf hingewiesen, dass es sich vorliegend nicht um zwei, sondern um eine Spielhalle mit einer Gesamtnutzfläche von 194,81 qm handele, die selbst nach Auffassung des Antragsgegners hier nicht zulässig sei.

Der Antragsgegner hat geltend gemacht, die sich durch ein ausgeglichenes Miteinander von Wohn- und gewerblicher Nutzung auszeichnende Umgebung sei als Mischgebiet im Sinne § 6 BauNVO einzuordnen und auch im Flächennutzungsplan der Antragstellerin als gemischte Baufläche dargestellt. Die Existenz des Einkaufsmarktes auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehe dem nicht entgegen. Dieser sei 1985 genehmigt worden, wobei der damals nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1977 maßgebende Schwellenwert für die Großflächigkeit von 1.500 qm Geschossfläche nicht überschritten worden sei. Das Vorhaben der Beigeladenen bestehe aus zwei eigenständigen nicht kerngebietstypischen Spielhallen. Daraus ergebe sich die Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Einvernehmens durch die Antragstellerin.

Die Beigeladene hielt den unmittelbar bei Gericht gestellten Antrag bereits für unzulässig und hat in der Sache darauf verwiesen, dass auch die Antragstellerin bisher von einem faktischen Mischgebiet ausgegangen sei, so dass sie nunmehr schon aus verfahrensrechtlichen Gründen mit dem abweichenden Vortrag kein Gehör mehr finden könne. Bei der Bestimmung des Charakters der Umgebung seien die rechts und links der Straße gelegenen Bebauungszusammenhänge schon wegen der Breite der Hauptstraße und wegen des starken Verkehrsaufkommens gesondert zu beurteilen. Auf den 200 m versetzt auf der vom Baugrundstück aus gesehen anderen Straßenseite befindlichen REWE-Markt komme es nicht an. Selbst bei einheitlicher Betrachtung ergebe sich indes nichts anderes. Sondergebiete und dort nach § 11 BauNVO festgesetzte Nutzungen müssten außer Betracht bleiben. Von der Nutzungsart bleibe es bei einem Einzelhandelsgeschäft, das sich lediglich vom Maß der baulichen Nutzung her unterscheide. Ansonsten handele es sich ohnehin um einen für die Bestimmung des Gebietscharakters nicht maßgebenden Fremdkörper. Bei Einbeziehung würde es sich um ein Kerngebiet handeln. Auch bei einer Beurteilung auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB erweise sich das Vorhaben als zulässig, weil von ihm keine wesentlichen städtebaulichen Spannungen ausgingen. Insbesondere sei ein sogenannter trading down effect nicht zu befürchten. Unzumutbare Auswirkungen auf den ganz überwiegenden Teil der Wohnbebauung seien nicht zu erwarten. Selbst die beiden gegenüberliegenden Häuser lägen auf der anderen Seite einer stark befahrenen Straße und befänden sich „in unmittelbarer Wechselwirkung“ mit dem von der Antragstellerin als „Tankstelle“ bezeichneten Gebäude. Dabei handele es sich in Wahrheit um ein ehemaliges Autohaus, in dem sich zwischenzeitlich ein Werbedesigner befinde, der auch das dahinter stehende Gebäude mit benutze. Daran schließe sich unmittelbar das „eigentliche Tankstellengebäude“ mit Shop und Waschanlage an. Für die Unterscheidung, ob es sich um ein oder um zwei Spielhallen handele, komme es allein auf den Inhalt der Baugenehmigung und nicht auf ein äußeres Erscheinungsbild an.

Das Verwaltungsgericht hat dem Begehren der Antragstellerin entsprochen und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die „Baugenehmigung vom 20.5.2011“ angeordnet. In der Begründung heißt es, bei einer – wie hier – rechtzeitigen Versagung des Einvernehmens habe die Gemeinde einen Anspruch, dass die Bauaufsichtsbehörde kein Vorhaben zulasse, das den von der Gemeinde zu beurteilenden planungsrechtliche Vorschriften nicht entspreche. Insoweit sei auf den § 34 BauGB und nicht auf den Bebauungsplan „Hauptstraße/ I Straße“ abzustellen, weil sich dessen Festsetzungen allein auf den Ausschluss zentrenrelevanter Sortimente beschränkten. Die Frage, ob die nähere Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung beschriebenen Baugebiete entspreche, lasse sich nicht ohne eine dem Hauptsacheverfahren vorzubehaltende Ortsbesichtigung beantworten. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand spreche jedoch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich das Vorhaben der Beigeladenen nicht in die nähere Umgebung einfüge. Mit hinreichender Sicherheit stehe fest, dass die im Wesentlichen aus Wohn- und gewerblich genutzten Gebäuden bestehende Umgebungsbebauung kein Kerngebiet im Sinne von § 7 BauNVO darstelle. Der großflächige Einzelhandelsbetrieb (REWE-Markt) rechtfertige diese Annahme nicht. Dieser und auch ein möglicherweise festzustellendes Überwiegen von Wohnnutzung sprächen indes gegen die Annahme eines Mischgebiets nach § 6 BauNVO. Die Möglichkeit der Einordnung als Mischgebiet könne aber „nicht völlig von der Hand gewiesen werden“. Es sei fraglich, ob der REWE-Markt entweder aufgrund seiner Lage auf der gegenüberliegenden Straßenseite oder wegen einer Eigenschaft als Fremdkörper in die Betrachtung einzubeziehen sei. Bei Annahme eines Mischgebiets sei das Vorhaben unzulässig, da es sich um eine kerngebietstypische Spielhalle mit einer Gesamtnutzfläche von 194,81 qm handele. Die beiden in den Plänen dargestellten Spielhallen bildeten baurechtlich eine Einheit. Zwar seien die beiden Spielhallen nach den Bauvorlagen in baulich-konstruktiver Hinsicht weitgehend voneinander getrennt. Die sonstigen, sich aus den Bauvorlagen ergebenden Umstände ließen aber auf eine beabsichtigte einheitliche Nutzung schließen. Das folge etwa aus der Bauherreneigenschaft der Beigeladenen für beide Spielhallen sowie aus der offensichtlich einheitlichen Darstellung beider Hallen von der Straße aus. Hier trete eine betrieblich einheitliche Konzeption zu Tage, die zeige, dass eine einheitliche Nutzung geplant und gewollt sei. Im Ergebnis gelte das Gleiche, wenn es sich um ein Gebiet sui generis handele, da sich in der Umgebung keine weitere Spielhalle befinde. Auch kerngebietstypische Nutzungen seien bis auf den REWE-Markt nicht vorhanden. Hier bestehe auch eine negative Vorbildwirkung in Form einer konkreten Gefahr, dass sowohl auf den sonstigen Flächen in der ehemaligen Motorradwerkstatt als auch in weiteren Gebäuden in der Umgebung Spielhallen eingerichtet würden. Die bauliche Situation gerate damit „negativ in Bewegung“. Es entspreche allgemeinen städtebaulichen Erfahrungen, dass sich Vergnügungsstätten, zumindest wenn sie gehäuft aufträten, negativ auf die Umgebung auswirkten, indem sie einen sogenannten trading down effect auslösten. Das schließe die Annahme eines Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung aus.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Beigeladenen(vgl. allgemein zu den Anforderungen an die Statthaftigkeit bei Rechtsmitteln von Beigeladenen zuletzt OVG des Saarlandes, Urteil vom 11.11.2010 – 2 A 29/10 –, SKZ 2011, 17 ff., 19) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4.11.2011 – 5 L 624/11 – ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen mit Bauschein vom 20.5.2011 erteilte Baugenehmigung für die „Nutzungsänderung“ durch den Einbau „zweier getrennter Spielhallen“ in einer ehemaligen Motorradwerkstatt auf der Parzelle Nr. 70/7 in Flur 14 der Gemarkung I zu Recht entsprochen. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Rechtsmittelverfahren begrenzende Beschwerdebegründung der Beigeladenen gebietet jedenfalls keine abweichende Beurteilung.

Der Aussetzungsantrag ist statthaft. Der Ausschluss des Suspensiveffekts für Rechtsbehelfe gegen Baugenehmigungen gilt auch für Widersprüche und – gegebenenfalls – Anfechtungsklagen von Gemeinden, die sich unter Geltendmachung einer Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 117 Abs. 3 SVerf) gegen eine Baugenehmigung wenden. „Dritter“ im Verständnis des § 212a Abs. 1 BauGB ist auch eine Standortgemeinde, die sich unter Berufung auf die der formalen Absicherung der gemeindlichen Planungshoheit (§ 2 Abs. 1 BauGB) dienenden Bestimmungen in § 36 BauGB gegen eine ohne ihr Einvernehmen erteilte bauaufsichtliche Zulassung eines Bauvorhabens wendet.(vgl. hierzu zuletzt OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 2.9.2010 – 2 B 215/10 –, SKZ 2011, 42, Leitsatz Nr. 24, vom 25.3.2011 – 2 B 100/11, SKZ 2011, 168, und vom 13.7.2011 – 2 B 231/11 –, SKZ 2011, 262, dazu allgemein Bitz, Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im Baugenehmigungsverfahren und die Rechtsschutzmöglichkeiten der Kommunen, SKZ 2011, 147) Nach § 72 Abs. 4 LBO 2004 entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB sofort vollziehbare Baugenehmigung auch hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen erfordert die Statthaftigkeit des Aussetzungsantrags eines „Dritten“ nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 6 VwGO eine vorherige (erfolglose) Geltendmachung dieses Begehrens gegenüber der zuständigen Verwaltungsbehörde, hier dem Antragsgegner. Der bloße Hinweis der Beigeladenen auf die bekannte abweichende Auffassung des OVG Lüneburg gibt keine Veranlassung zu einer grundlegenden Änderung dieser Rechtsprechung. Danach ist dem § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO eine Rechtsgrundverweisung zu entnehmen, die bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a VwGO) einer unmittelbaren Anrufung der Gerichte nicht entgegensteht.(vgl.  dazu etwa Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rn 1064 a.E. mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen) Der Umstand, dass das Bauvorhaben bereits realisiert wurde, lässt auch nicht – wie die Beigeladene meint – ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin für das vorliegende Aussetzungsverfahren entfallen. Insoweit ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin beim Antragsgegner bereits einen förmlichen Antrag auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gestellt hat. Die vorliegend begehrte Aussetzung der Vollziehbarkeit ist – ungeachtet der Frage des Baufortschritts oder gar einer abschließenden Herstellung eines Bauvorhabens – Voraussetzung für ein etwaiges bauaufsichtsbehördliches Einschreiten auf der Grundlage des § 82 LBO 2004 und damit gleichzeitig der Erfolgsaussicht eines künftigen Einschreitensbegehrens der Antragstellerin, soweit sich der Antragsgegner im Falle ihres Obsiegens in diesem Verfahren nicht bereits mit Blick auf seine Aufgabenbeschreibung in § 57 Abs. 2 LBO 2004 zum Tätigwerden veranlasst sieht. Daraus ergibt sich ohne weiteres ein Rechtsschutzbedürfnis für den Aussetzungsantrag.

In Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs des Dritten – hier der Antragstellerin – gegen die Baugenehmigung. Eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur in Betracht, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position des jeweiligen Rechtsbehelfsführers ergibt.(vgl. hierzu im Einzelnen etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, st. Rechtsprechung) Das gilt auch für die Rechtsbehelfe von Gemeinden gegen Baugenehmigungen. Insbesondere aus der gemeindlichen Planungshoheit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB) als solcher lässt sich im Rahmen der Interessenabwägung für das Aussetzungsverfahren (§ 80 Abs. 5 VwGO) kein weitergehender „Wertungsvorsprung“ für die sich gegen eine unter Ersetzung ihres Einvernehmens erteilte Baugenehmigung wendende Standortgemeinde herleiten. Eine Gemeinde, die – wie vorliegend die Antragstellerin – ihr Einvernehmen uneingeschränkt verweigert hat, ist hinsichtlich der Geltendmachung von Verstößen gegen die insoweit ihrer Beurteilung unterliegenden Vorschriften nicht auf die konkret von ihr im Rahmen der Beteiligung angeführten Gründe beschränkt. Der Gesetzgeber hat insoweit keine „Präklusion“ von einzelnen Einwendungen normiert.

Das für die Entscheidung des Beschwerdegerichts allein maßgebliche Beschwerdevorbringen begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, das im konkreten Fall auf der Grundlage des Beteiligtenvorbringens die zuvor genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vom 20.5.2011 bejaht hat.

In dem Zusammenhang bedarf es zunächst keiner Vertiefung, inwieweit die Verfahrensweise des Antragsgegners den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 72 Abs. 3 Satz 2 LBO 2004 genügt, wonach „die Genehmigung“ – gemeint ist, wie der Wortlaut des § 72 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004 verdeutlicht, die Baugenehmigung – insoweit, also hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens, zu begründen ist.(vgl. zu dem insoweit vom Landesgesetzgeber in § 73 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004 gewählten integrativen Ansatz auch Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VI Rn 103) Im konkreten Fall enthält der der Beigeladenen erteilte Bauschein vom 20.5.2011 keinerlei Hinweis auf eine Ersetzung des Einvernehmens (§ 36 BauGB), geschweige denn eine entsprechende gesonderte Begründung. Vielmehr hat der Antragsgegner in einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben an den Bürgermeister der Antragstellerin vom 24.5.2011 auf die Ersetzung des Einvernehmens nach Maßgabe des § 72 Abs. 3 LBO 2004 durch eine „mit Datum von heute“ erteilte Baugenehmigung hingewiesen und diese Entscheidung begründet. Dem muss aber hier nicht weiter nachgegangen werden.

In der Sache steht einer Gemeinde anerkanntermaßen im Falle einer rechtzeitigen Versagung ihres Einvernehmens ein Anspruch zu, dass die Bauaufsichtsbehörde kein Vorhaben zulässt, das den im Rahmen der Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ihrer Beurteilung unterliegenden planungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen nicht entspricht. Dem trägt der § 72 Abs. 1 LBO 2004 insoweit Rechnung, als er die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde – hier des Antragsgegners – zur Ersetzung des Einvernehmens von vorneherein auf die Fälle der „rechtswidrigen“ Versagung durch die Gemeinde begrenzt.

Die Vorgaben für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Bauvorhabens ergeben sich aller Voraussicht nach aus dem § 34 BauGB, da sich der das Baugrundstück erfassende Bebauungsplan „Hauptstraße/ I Straße“ auf eine Festsetzung über den Ausschluss zentrenrelevanter Sortimente des Einzelhandels (§ 9 Abs. 2a BauGB) beschränkt und im Übrigen sogar ausdrücklich auf den § 34 BauGB verweist.(vgl. allgemein OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 2.9.2010 – 2 B 215/10 –, SKZ 2011, 42, Leitsatz Nr. 24, wonach Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig keinen Raum für eine inzidente Gültigkeitskontrolle hinsichtlich untergesetzlicher Rechtsnormen bieten, mit weiteren Nachweisen) Daher muss auch nicht weiter hinterfragt werden, ob der konkreten Formulierung der Verfahrensvermerke auf der Planurkunde die gebotene zeitliche Staffelung zwischen Ausfertigung und Bekanntmachung dieses Plans entnommen werden kann,(vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 22.11.2007 – 2 N 7/06 –, SKZ 2008, 34 = BRS 71 Nr. 37) zumal gerade mit Blick auf den genannten Verweis auf § 34 BauGB weder Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der damit geänderte Bebauungsplan „In der I “ für den Fall der Ungültigkeit hätte weiter gelten sollen und dass dieser insoweit verfahrensrechtlich mit Blick auf den § 63 LBO 2004 eine andere Einordnung des Vorhabens gerechtfertigt hätte, noch dafür, dass der insoweit teilweise aufgehobene Bebauungsplan in materieller Hinsicht Festsetzungen enthielt, aus denen sich eine weitergehende Zulässigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen hätte ergeben können.

Die vor dem Hintergrund des § 212a Abs. 1 BauGB entwickelten Maßstäbe für die Beurteilung des Aussetzungsbegehrens hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Aus dem Hinweis, dass eine abschließende Aussage zur exakten Abgrenzung der maßgeblichen Umgebungsbebauung und zu deren städtebaulicher Qualität erst im Hauptsacheverfahren nach einer Ortseinsicht möglich sei, lässt sich nichts anderes herleiten. Er schließt die Annahme auf den gegenwärtigen Kenntnisstand bezogener „ernstlicher Zweifel“ an der (bauplanungsrechtlichen) Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen nach Maßgabe des § 64 LBO 2004 erteilten Bauerlaubnis nicht aus. Soweit die Beigeladene die Nichtvornahme einer Ortsbesichtigung im erstinstanzlichen Verfahren beanstandet, bleibt zu ergänzen, dass auch das verfassungsrechtliche Effektivitätsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine verfahrensmäßige „Vorwegnahme“ des Verfahrens in der Hauptsache, insbesondere hinsichtlich der Tatsachenermittlung, gebietet.(ebenso etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 4.4.2011 – 2 B 20/11 –, BauR 2011, 1373, vom 26.11.2010 – 2 B 275/10 –, SKZ 2011, 45, Leitsatz Nr. 30, vom 12.10.2009 – 2 B 440/09 – SKZ 2010, 49, Leitsatz Nr. 23 (Sportanlage in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung), vom 15.1.2009 – 2 B 376/08 –, SKZ 2009, 240, Leitsatz Nr. 31 (Leergutlager einer Großbrauerei), und vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 –, SKZ 2005, 94 Leitsatz Nr. 35 (PKW-Lackiererei mit Karosseriebauwerkstatt)) Entgegen der Ansicht der Beigeladenen lässt das von der Antragstellerin erstinstanzlich vorgelegte Luftbild keine abschließende Beurteilung des Gebietscharakters in der einen oder anderen Richtung zu. Das belegt allein der Umstand, dass diese Aufnahme von den Beteiligten unterschiedlich bewertet wird und sogar hinsichtlich der „tatsächlichen“ Nutzung einzelner Anlagen in den Schriftsätzen unterschiedliche Angaben gemacht werden. Allgemeine Darstellungen im Flächennutzungsplan der Antragstellerin, hier speziell die Ausweisung einer gemischten Baufläche (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO 1990) sind für die Beurteilung des Vorhabens der Beigeladenen im Rahmen des § 34 BauGB nicht von Belang.

Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerin in der Hauptsache unter diesem Gesichtspunkt entscheidende Vereinbarkeit des genehmigten Bauvorhabens der Beigeladenen mit dem für die Beurteilung seiner bodenrechtlichen Zulässigkeit einschlägigen § 34 BauGB sich nicht ohne eine dem Hauptsacheverfahren vorzubehaltende Ortseinsicht beantworten lässt, dass indes nach gegenwärtigem Erkenntnisstand – im eingangs genannten Sinne für die Beurteilung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO – „gewichtige Zweifeln“ an seiner Vereinbarkeit mit diesen bauplanungsrechtlichen Anforderungen unter Aspekt der Art der baulichen Nutzung bestehen. Nach Aktenlage spricht gegenwärtig eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die insoweit den Maßstab bildende vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung keinem der nach städtebaulichen Zielvorstellungen in den §§ 2 ff. BauNVO 1990 (§ 34 Abs. 2 BauGB) beschriebenen Baugebiete im Sinne der insoweit erforderlichen „Gebietsreinheit“ entspricht und dass sich das als Vergnügungsstätte zu beurteilende Vorhaben (Spielhalle) unabhängig von der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Spielhallen in dem Zusammenhang einheitlich oder getrennt zu sehen sind, von der Art der baulichen Nutzung her nicht in der von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB für diese Fälle geforderten Weise in die Eigenart der näheren Umgebung, in der unstreitig entsprechende Einrichtungen bisher nicht vorhanden sind, einfügt.

Der aller Voraussicht nach schon aufgrund seiner Größe auch für die Grundstücke auf der gegenüberliegenden Straßenseite und damit auch das Baugrundstück den Gebietscharakter mitprägende großflächige Einzelhandelsbetrieb REWE dürfte eine Einordnung als (faktisches) Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO 1990 (§ 34 Abs. 2 BauGB) nicht zulassen. Angesichts der auch ansonsten inhomogenen Nutzungsstruktur der Umgebungsbebauung liegt die ohnehin nur für eng begrenzte Ausnahmefälle abweichend vom Grundsatz genereller Beachtlichkeit aller vorhandenen baulichen Nutzungen im Rahmen der Anwendung des § 34 BauGB in Betracht zu ziehende Annahme eines „Fremdkörpers“ hier sehr fern. Entgegen dem Einwand der Beigeladenen handelt es sich – wie schon die Stellung der Vorschrift und die in § 11 Abs. 3 BauNVO vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Grundanliegen verdeutlichen – bei der Abgrenzung des großflächigen vom sonstigen Einzelhandelsgeschäft nicht um eine Frage des „Maßes“ der baulichen Nutzung (dazu: § 16 BauNVO 1990), sondern um eine städtebaulich qualitative Abschichtung im Rahmen der Nutzungsarten nach der Baunutzungsverordnung. Dass es bei der an den faktischen Gegebenheiten zu orientierenden Bewertung von Bauvorhaben nach dem § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht auf die frühere Fassung des § 11 Abs. 3 BauNVO 1977 und auf den darin noch enthaltenen Grenzwert für die Regelvermutung negativer städtebaulicher Fernwirkungen (§ 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1977/1990), sondern auf den heute anerkannten Grenzwert für die „Großflächigkeit“ (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1977/1990) von 800 qm Verkaufsfläche ankommt, ist nicht ernstlich zweifelhaft.(vgl. hierzu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 19.2.2009 – 2 A 254/08 –, BRS 74 Nr. 80 mit weiteren Nachweisen) Dieser wird bei dem REWE-Markt unstreitig deutlich überschritten. Auch die Einordnung der vorhandenen Umgebungsbebauung unter dem Kriterium der Nutzungsart als Kerngebiet (§ 7 BauNVO 1990) erscheint schon mit Blick auf die vorhandene Wohnbebauung in dem Bereich und die sehr zurückhaltende Berücksichtigung dieser Nutzungsart im Katalog der insofern zulässigen Regelbebauung in dem § 7 Abs. 2 BauNVO 1990 zumindest sehr fernliegend.

Spricht daher sehr vieles dafür, dass der Beurteilung im konkreten Fall auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung der für im Sinne der Typenbeschreibung der Baunutzungsverordnung nicht „reine“ (faktische) Gebiete maßgebliche § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zugrunde zu legen ist, so hat das Verwaltungsgericht ferner überzeugend dargelegt, dass ein trotz der Überschreitung des insoweit aus der maßgeblichen Umgebungsbebauung zu entwickelnden Beurteilungsrahmens (nur ausnahmsweise) in Betracht kommendes Einfügen wegen der negativen Vorbildwirkung und einem nachvollziehbar zu besorgenden Hinzutreten weiterer derartiger Vergnügungsstätten (Spielhallen) hier aller Voraussicht nicht angenommen werden kann. Wenn in der näheren Umgebung keine Vergnügungsstätte vorhanden ist, fügt sich eine Vergnügungsstätte im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur ausnahmsweise ein, wenn sie die gegebene Situation nicht negativ in Bewegung bringt. Letzteres ist aber insbesondere dann der Fall, wenn eine Verwirklichung weiterer solcher Vergnügungsstätten auf dem Baugrundstück oder in seiner Umgebung möglich ist und nach der Zulassung einer (ersten) Spielhalle daher am Maßstab des § 34 BauGB nicht mehr verhindert werden könnte.(vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 15.12.1994 – 4 C 13.93 –, BRS 56 Nr. 61 = ZfBR 1995, 100 = BauR 1995, 361) Es entspricht einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz, dass sich Vergnügungsstätten, insbesondere wenn sie in einem Gebiet gehäuft vorhanden sind, negativ auf ihre Umgebung auswirken, indem sie einen sog. "trading-down-Effekt" auslösen.(vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 21.12.1992 – 4 B 182.92 –, BRS 55 Nr. 42, wonach die Verhinderung der Möglichkeit, dass Spielhallen und sonstige Vergnügungsstätten einen so genannten "trading-down-Effekt" bewirken können, auch einen besonderen städtebaulichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO darstellen kann, der den Ausschluss dieser baulichen Nutzung aus einem Kerngebiet rechtfertigt) Durchgreifende Anhaltspunkte, dass das hier ausnahmsweise nicht der Fall ist, lassen sich dem Beschwerdevorbringen der Beigeladenen nicht entnehmen. Soweit sie in dem Zusammenhang auf die „vorliegende Umgebung“ verweist, lässt sich auch das nur aufgrund einer Ortseinsicht klären.

Selbst für den nach dem zuvor Gesagten eher fern liegenden Fall, dass die die Gebietscharakter bestimmende Bebauung in der näheren Umgebung des Baugrundstücks im Sinne der Gebietsreinheit als (faktisches) Mischgebiet entsprechend § 6 BauNVO 1990 einzuordnen sein sollte, ergäbe sich für die vorliegende Interessenabwägung (§ 80 Abs. 5 VwGO) im Ergebnis nichts anderes. Auch dann spräche vieles dafür, dass das den Inhalt der angefochtenen Bauerlaubnis bildende Bauvorhaben der Beigeladenen nach den dann maßgeblichen §§ 34 Abs. 2 BauGB, 6 BauNVO 1990 nicht zu genehmigen gewesen wäre. Die in Mischgebieten zulässige Regelbebauung erfasst nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1990 nur die im Verständnis des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten, hier Spielhallen, und begrenzt sie zusätzlich gebietsintern auf die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägten Gebietsteile.(vgl. zu der letztgenannten Einschränkung etwa BVerwG, Beschluss vom 14.10.1993 – 4 B 176.93 –, Buchholz 406.12 § 6 BauNVO Nr. 13) Auch die Ausnahmemöglichkeit hinsichtlich sonstiger Teile eines Mischgebiets enthält die zuvor genannte Einschränkung (§ 6 Abs. 3 BauNVO 1990). Ob eine Spielhalle kerngebietstypisch ist oder nicht, hängt von ihrer Größe ab. Die inzwischen gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung knüpft dabei in Anlehnung an die Spielverordnung des Bundes(vgl. die Spielverordnung (SpielV), nach deren Neufassung vom 27.1.2006 (BGBl. I 2006, 280) pro 12 qm „Grundfläche“ 1 Geld- oder Warenspielgerät, pro Einrichtung maximal 12 Geräte aufgestellt werden dürfen (§ 3 Abs. 2 SpielV)) an die jeweilige Nutzfläche an und legt der Abgrenzung einen „Schwellenwert“ von 100 qm zugrunde, bei dessen Erreichen eine Spielhalle als kerngebietstypisch im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 anzusehen und daher in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO 1990 nicht mehr zulässig ist.(vgl. beispielsweise VGH Mannheim, Urteil vom 2.11.2006 – 8 S 1891/05 –, BRS 70 Nr. 72, mit weiteren Nachweisen) Das ist augenscheinlich auch der Hintergrund für die innere „Aufteilung“ des in dem Bauantrag der Beigeladenen zur Genehmigung gestellten Bauvorhabens. In dem Baugesuch vom 25.9.2010 wird auch ausdrücklich schon bei der Beschreibung des Bauvorhabens auf den „Schwellenwert“ hingewiesen. Insofern spricht aus gegenwärtiger Sicht des Senats (nach Aktenlage) sehr vieles dafür, dass es sich dabei um einen Versuch der Beigeladenen handelt, sich der Einstufung ihres Vorhabens als kerngebietstypisch „zu entziehen“. Demgegenüber bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass für die städtebauliche Beurteilung des Vorhabens eine einheitliche Betrachtung als (eine) Spielhalle geboten und damit maßgebend erscheint. Zwar reicht hierfür allein die Belegenheit beider Spielhallen in dem zuvor einheitlich als „Motorradwerkstatt“ genutzten Gebäude nicht aus.(vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 20.8.1992 – 4 C 57.89 –, BRS 54 Nr. 50) Entsprechend den in der Rechtsprechung des Senats für die Fälle der Agglomeration mehrerer „selbständiger“, jeweils für sich genommen die Schwelle zur Großflächigkeit nicht überschreitender Einzelhandelsbetriebe liegt fallbezogen eine Gesamtbewertung aus der Sicht der potenziellen Kundschaft und sonstiger Dritter nahe.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.2.2009 – 2 A 267/08 –, BRS 74 Nr. 81) Danach ist in diesen Fällen auf die Wahrnehmung der „Spielhallen“ durch die Kunden abzustellen. Entscheidend ist, ob die jeweils konkrete Mehrheit von Spielhallen vom Kunden als einheitliche Vergnügungsstätte empfunden wird, aus dessen Sicht als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung tritt und dadurch eine „kerngebietstypisch“ gesteigerte Anziehungskraft auf die Spieler ausübt. Im konkreten Fall wurden beide Einrichtungen von der Beigeladenen in einem einheitlichen Bauantrag und damit zu einem gemeinsamen „Genehmigungsschicksal“ verbunden. Die eingereichten Bauvorlagen weisen sogar eine Gesamtnutzfläche von 194,81 qm aus und enthalten von den angegebenen Herstellungskosten (8.000,- EUR) ebenfalls keine Differenzierung hinsichtlich der beiden „Spielhallen“. Deren Betrieb liegt daher zumindest auf den ersten Blick ein einheitliches Konzept zugrunde. Dies bestätigte bisher auch das äußere Erscheinungsbild für die potentiellen Besucher jedenfalls im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung. Nach dem von der Antragstellerin zur Akte gereichten Foto von der inzwischen realisierten Anlage wurde die Einrichtung auf einem einheitlich die Gebäudefront im oberen Teil über dessen gesamte Breite überspannenden Hinweis als ein „Casino“ beworben. Auch durch die optische Gestaltung im unteren Teil der Vorderfront des Gebäudes drängte sich ungeachtet der Hinweispfeile auf die rechts und links befindlichen gesonderten Eingänge („Casino 1 bzw. 2“) der Eindruck auf, dass es sich hier um eine Vergnügungsstätte handelt. Dabei kann die faktische Ausgestaltung der Werbeanlage und der Fassade allerdings nur als ein (weiteres) „Indiz“ für die einheitliche Nutzungsabsicht herangezogen werden. Die Beigeladene weist in dem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass es sich hierbei um eine von der Baugenehmigung nicht legalisierte Ausführung handelte. Die in den genehmigten Bauvorlagen enthaltene Vorderansicht zeigt nämlich die bisherige Gebäudegestaltung ohne irgendeinen schriftlichen oder bildlichen Hinweis auf die Nutzung als Spielhalle. Insofern wird lediglich unter Nr. 2 der Beschreibung der Baumaßnahme auf eine vorgesehene verfahrensfreie Ergänzung des Bauvorhabens durch „geplante Werbeanlagen“ nach § 61 Abs. 2 LBO 2004 verwiesen. Auch die Frage der einheitlichen Betrachtung des Vorhabens wird im Hauptsacheverfahren einer vertieften Beurteilung zuzuführen sein, sofern die Umgebungsbebauung dennoch als Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO 1990 zu qualifizieren sein sollte. Dabei wäre dann gegebenenfalls auch der Vortrag der Beigeladenen im Schriftsatz vom 3.2.2012 zu berücksichtigen, wonach das „gebäudeübergreifende Werbeschild“ inzwischen entfernt und der „linken Spielhalle“ ein „völlig neues Erscheinungsbild“ verliehen wurde und die „beiden Spielhallen“ künftig von zwei unterschiedlichen Pächtern betrieben werden sollen.

Bestehen daher auch unter dieser Prämisse erhebliche Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens und damit die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, so war die Beschwerde der Beigeladenen im Ergebnis zurückzuweisen. Im Rahmen der nach den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung erlangen die durch eine wirtschaftlich zügige „Umsetzung“ des Vorhabens bereits aufgelaufenen Kosten und Haftungsrisiken der Beigeladenen entgegen ihrer Ansicht keine eigenständige Bedeutung. Derartigen Interessen an einer regelmäßig von Rechtsbehelfen Dritter ungehinderten (vorläufigen) Ausnutzbarkeit der Baugenehmigung – wohlgemerkt bis zum Abschluss der Hauptsacheverfahren immer „auf eigenes Risiko“ – hat der Gesetzgeber durch die Einführung des § 212a Abs. 1 BauGB und die darin enthaltene Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung getragen. Deswegen fordert die Rechtsprechung für eine Aussetzungsentscheidung die hier zu bejahenden „gewichtigen“ Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung. Liegen diese vor, so tritt das typischerweise bestehende wirtschaftliche Bauherreninteresse an einer sofortigen Ausnutzbarkeit der Baugenehmigung aber hinter das Interesse des Dritten an der Verhinderung einer Schaffung „vollendeter Tatsachen“ vor abschließender Klärung im Hauptsacheverfahren zurück. In welchem Umfang sich Bauherren im Einzelfall auf dieser Grundlage vorab wirtschaftlich engagieren, kann eine (weitere) Verschiebung dieser Beurteilungsmaßstäbe nicht rechtfertigen. Das muss erst recht gelten, wenn der Bauherr oder die Bauherrin – wie hier die Beigeladene – das ihm/ihr von der gesetzlichen Regelung her auferlegte wirtschaftliche „Risiko“ durch zügige Ausführung des noch nicht bestandskräftig genehmigten Vorhabens bereits „realisiert“ hat.

Für das Hauptsacheverfahren, insbesondere aber auch hinsichtlich möglicher Haftungsrisiken sei abschließend darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage nicht unzweifelhaft erscheint, ob die Antragstellerin noch ihre subjektive Rechtsstellung aus dem Aspekt der Planungshoheit heraus gegenüber der streitgegenständlichen Baugenehmigung mit Erfolg geltend machen kann. Das setzt voraus, dass sie – wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat – ihr Einvernehmen rechtzeitig verweigert hat. Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt das Einvernehmen indes als erteilt, wenn die Gemeinde es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens verweigert hat. Ausweislich der Bauakten hat der Antragsgegner die Antragstellerin unter dem 7.12.2010 (erneut) zur Stellungnahme nach § 36 BauGB aufgefordert. Der Zeitpunkt des Eingangs dieses Ersuchens ist nicht dokumentiert. Allerdings wird in der ablehnenden Rückäußerung der Antragstellerin vom 8.2.2011 im Betreff auf das „Ersuchen vom 9.12.2010 verwiesen. Sollte dies der Zeitpunkt des Eingangs des Ersuchens im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB sein, könnten Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Verweigerung des Einvernehmens bestehen, wenn man auf den Zeitpunkt des Eingangs dieses Schreibens der Antragstellerin beim Antragsgegner – laut Eingangsstempel am 11.2.2011 abstellt.(vgl. dazu Bitz, Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im Baugenehmigungsverfahren und die Rechtsschutzmöglichkeiten der Kommunen, SKZ 2011, 147, 149/150; Dürr in Brügelmann, BauGB, Loseblatt, § 36 Rn 42) Mit Blick auf die sich aus dem § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ergebende Beschränkung des Prüfungsstoffs für derartige Beschwerdeverfahren, ist für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts insoweit hier weder Veranlassung noch Raum.

Vielmehr war die Beschwerde der Beigeladenen aus den zuvor genannten Gründen zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG. Entgegen dem diesbezüglichen Einwand in Abschnitt VI der Beschwerdebegründung der Beigeladenen vom 8.12.2011 hat das Verwaltungsgericht bei der notwendig pauschalierten Bewertung des insoweit maßgeblichen Interesses der Antragstellerin als Rechtsbehelfsführerin zu Recht nicht auf die Nr. 9.1.5 zurückgegriffen, da dort – unschwer erkennbar – eine Vorgabe für die Bewertung wirtschaftlicher Interessen des Betreibers einer Spielhalle für den Genehmigungsstreit gemacht wird. Nach der Rechtsprechung des Senats ist indes auch die vom Verwaltungsgericht herangezogene Vorgabe für Rechtsbehelfe von „Nachbargemeinden“ in Nr. 9.7.2 für solche der Standortgemeinde nicht einschlägig.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 13.7.2011 – 2 B 231/11 –) Bei der demnach mangels Vorgabe in den Beispielen des Streitwertkatalogs zu schätzenden Bedeutung der Sache für die Antragstellerin erscheint indes der vom Verwaltungsgericht hauptsachebezogen angenommene Wert von 30.000,- EUR durchaus angemessen. Er war – wie geschehen – nach Maßgabe der Nr. 1.5 für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Bei Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen sind die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen.

(2) Ist die Höhe baulicher Anlagen als zwingend festgesetzt (§ 16 Absatz 4 Satz 2), können geringfügige Abweichungen zugelassen werden.

(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden.

(2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 zulässig sind.

(3) Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 10. Juni 2010 – 5 L 535/10 – abgeändert und der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Mit Blick auf die im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen vom 11.6.2010 unter Vorlage eines Auszugs aus dem Handelregister beim Amtsgericht Stuttgart angezeigte Änderung ihrer Firma war das Rubrum gegenüber dem Beschluss des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Beigeladenenseite (§ 65 Abs. 1 VwGO) anzupassen.

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Aussetzungsbegehren (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners für die Errichtung eines Windmessmastes. Das gegenwärtig als Ackerfläche benutzte Vorhabengrundstück liegt in einem bodenrechtlich dem Außenbereich zuzuordnenden Teil des Gebiets der Antragstellerin im Stadtteil Nunkirchen sowie in einem Landschaftsschutzgebiet. Es ist darüber hinaus Teil eines in dem im Juli 2004 vom Ministerrat des Saarlandes beschlossenen und in seinen textlichen Festlegungen („Teil A“) bekannt gemachten Teilabschnitts Umwelt des Landesentwicklungsplans (LEP Umwelt 2004) (vgl. hierzu das Amtsblatt vom 29.7.2004, Seiten 1574 ff.) zeichnerisch („Teil B“) festgelegten Vorranggebiets für Windenergie (VE „Nunkirchen“). Durch diese vom Plangeber unter Verweis auf das bundesrechtliche Darstellungsprivileg mit Ausschlusswirkung für andere Bereiche des Landesgebiets versehenen Festlegungen sollten nach den formulierten räumlichen Leitvorstellungen Flächen für die Errichtung von Windkraftanlagen gesichert werden. (vgl. hierzu insgesamt etwa OVG des Saarlandes, Urteile vom 18.5.2006 – 2 N 3/05, 2 N 4/05 und 2 N 3/06 –, BRS 70 Nr. 56)

Die Beigeladene beabsichtigt, in dem Gebiet – entsprechend dieser Festlegung – Windkraftanlagen zu errichten. Die Antragstellerin will das verhindern. Schon im Juni 2006 hat ihr Stadtrat die Aufstellung eines Bebauungsplans „Windenergienutzung“ zur „Steuerung der Nutzung regenerativer Energie im Vorranggebiet für Windenergie – VE – auf der Gemarkung Nunkirchen“ und gleichzeitig den Erlass einer Veränderungssperre beschlossen. Die Satzung über die Veränderungssperre (VS) für das „festgelegte Windvorranggebiet Nunkirchen“, die hinsichtlich ihres Geltungsbereichs unter anderem das hier betroffene Grundstück mit seiner Parzellenbezeichnung aufführt, wurde im Mai 2008 vom Stadtrat beschlossen und anschließend öffentlich bekannt gemacht. (vgl. das Amtliche Bekanntmachungsblatt der Antragstellerin Nr. 24/2008 vom 12.6.2008, Blatt 57 der Bauakte)

Im Juni 2009 suchte die Beigeladene um Erteilung einer Baugenehmigung für Errichtung und Betrieb eines 100 m hohen Windmessmastes in Form eines dreieckigen Gittermastes (vgl. zu den technisch-konstruktiven Einzelheiten die bei den Genehmigungsunterlagen befindliche ergänzende Baubeschreibung, Blatt 84 der Bauakte) auf der Parzelle Nr. 328/1 in Flur 1 der Gemarkung Nunkirchen nach.

Unter dem 24.7.2009 versagte die Antragstellerin ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben unter Verweis auf die geltende Veränderungssperre. Bei dem Vorhaben handele es sich „zweifelsohne … um eine vorbereitende Handlung zur Errichtung einer Windenergieanlage“. Eine Ausnahme könne nicht erteilt werden. Der Beigeladenen sei zuzumuten, den Abschluss ihres Planungsverfahrens abzuwarten.

Im August 2009 stellte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) mit der Auflage einer Befristung der Nutzung des Mastes und der Wiederherstellung des Geländes nach seinem Abbau „das naturschutzrechtliche Benehmen und die landschaftsschutzrechtliche Ausnahme“ her. (vgl. das an den Antragsgegner adressierte Schreiben des LUA vom 4.8.2009, Blatt 70 der Bauakte)

Nachdem sie mehrfach vom Antragsgegner auf Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Einvernehmens hingewiesen und zudem über die Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre in Kenntnis gesetzt worden war, teilte die Antragstellerin im Februar 2010 mit, dass sie an ihrer ablehnenden Entscheidung zu dem Bauvorhaben festhalte.

Unter dem 19.3.2010 erhielt die Beigeladene vom Antragsgegner dann eine ausdrücklich bis 31.3.2012 befristete Baugenehmigung für die „Errichtung eines Windmastes“ auf der Parzelle Nr. 328/1 in Flur 1 der Gemarkung Nunkirchen. (vgl. den Bauschein vom 19.3.2010 – 6130-453-2009 –, Blätter 9 ff. der Gerichtsakte) Nach den beigefügten Auflagen Nr. 4 bis Nr. 6 ist die Anlage nach Ablauf der zugelassenen zweijährigen Nutzungsdauer unter Entfernung sämtlicher eingebrachter Materialien und des Fundaments sowie unter Wiederherstellung des ursprünglichen Geländezustands vollständig abzubauen. Gleichzeitig erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen in der Baugenehmigung eine Ausnahme von der Veränderungssperre unter ausdrücklicher Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens.

Die Antragstellerin hat nach eigenem Vortrag im April 2010 Widerspruch erhoben und im Mai 2010 beim Verwaltungsgericht um Wiederherstellung des Suspensiveffekts dieses Rechtsbehelfs nachgesucht. Zur Begründung hat sie auf die Veränderungssperre hingewiesen und die Ansicht vertreten, dass ein „bloßer Windmessmast“ von der für Windkraftanlagen geltenden Privilegierung nicht erfasst werde. Ihr – der Antragstellerin – stehe ein Recht auf „Änderung der gesamten Konzeption der Bauleitplanung“ zu. Dies gelte für die nähere Ausgestaltung regionalplanerischer Vorgaben „und insbesondere auch nach deren Änderung“. Das zuständige saarländische Umweltministerium habe angekündigt, den Teilbereich Windenergie aus dem LEP Umwelt 2004 auszugliedern, neu zu fassen oder der jeweiligen gemeindlichen Planung zu überlassen. Mit diesem „Vorhaben der Regierung“ sei „alsbald“ zu rechnen. Es stehe ihr – der Antragstellerin – auch frei, im Rahmen ihrer Planungen zur Ausweisung eines anderen Windvorranggebiets zu gelangen. Da die Ergebnisse der Windmessungen Einfluss auf die „Wertigkeit des gegenständlichen Grundstücks“ hätten, unterliege das Vorhaben auch insoweit der Veränderungssperre. Bei „Feststellung eventueller Windhöffigkeit“ erhöhe sich der vom Eigentümer zu erzielende Pachtzins um ein Vielfaches. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme seien nicht erfüllt. Dem stünden öffentliche Belange entgegen. Die Ausnahme werde auch nicht durch die Bezeichnung der Fläche als „Eignungsgebiet“ im LEP Umwelt 2004 gerechtfertigt. Eine von solchen Festlegungen betroffene Gemeinde habe jederzeit das Recht, durch ein Zielabweichungs- und Zieländerungsverfahren eine solche Ausweisung zu verändern. Mit der Windmessung auf diesem einen Grundstück, deren Nutzen nicht ersichtlich sei, solle offensichtlich auf diese Planung Einfluss genommen werden. Für die Aufstellung eines Bebauungsplans seien Daten für das gesamte Plangebiet notwendig.

Mit Beschluss vom 10.6.2010 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung vom 19.3.2010 angeordnet. In der Begründung heißt es unter anderem, der Antrag sei mit Blick auf den auch hier einschlägigen Ausschluss des Suspensiveffekts von Rechtsbehelfen gegen Baugenehmigungen in § 212a Abs. 1 BauGB statthaft. Da der Antragsgegner jedoch das nach § 36 Abs. 1 BauGB notwendige und ausdrücklich verweigerte Einvernehmen der Antragstellerin nicht ersetzt habe, werde diese in ihrer durch die Vorschrift geschützten Planungshoheit beziehungsweise in ihrem daraus abzuleitenden Mitwirkungsrecht verletzt. Ersetzt worden sei in der Baugenehmigung ausdrücklich nur das hinsichtlich der Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB erforderliche Einvernehmen der Antragstellerin. Sollte man dies gleichzeitig als Herstellung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB sehen, so wäre diese Entscheidung jedenfalls gegenwärtig mangels dahingehender Anordnung ihrer sofortigen Vollziehbarkeit nach der Rechtsbehelfseinlegung durch die Antragstellerin nicht vollziehbar. Der Ausschluss des Suspensiveffekts nach § 212a Abs. 1 BauGB erstrecke sich nicht auf einen Widerspruch der Gemeinde gegen die Ersetzung des Einvernehmens. Deswegen sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. In der Sache unterliege die Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens am Maßstab des § 35 BauGB keinen durchgreifenden Bedenken. Die von der Antragstellerin beschlossene Veränderungssperre dürfte wegen Fehlens hinreichend konkreter Vorstellungen über den Inhalt des künftig zu erlassenden Bebauungsplans „erkennbar rechtswidrig und damit unwirksam“ sein. Ziele und Zwecke der Planung seien nach § 1 Abs. 4 BauGB auf die Gewinnung von Windenergie in der Weise auszurichten, dass eine „rationale Nutzung der Windenergie gewährleistet“ sei. Darüber hinaus sei die mit der Planung beabsichtigte Verhinderung von Windkraftanlagen derzeit mittels rechtmäßiger Bauleitplanung aller Voraussicht nach nicht zu erreichen. Die Planung widerspreche nach dem maßgeblichen derzeitigen Stand den Zielen der Raumordnung. Insofern sei für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes trotz in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geäußerter Bedenken von der Wirksamkeit des LEP Umwelt 2004 hinsichtlich der darin festgelegten Vorranggebiete für Windenergie auszugehen. Absichtsbekundungen der Landesregierung zur Änderung dieser Planungsvorgaben seien bisher nicht umgesetzt worden. Daher dränge sich auf, das es sich bei der Bauleitplanung der Antragstellerin „um eine klassische, in jeder Hinsicht rechtlich unzulässige und unwirksame Verhinderungsplanung“ handele, die der Zulässigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen nicht entgegen gehalten werden könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10.6.2010 – 5 L 535/10 – ist zulässig und begründet. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung gebietet eine abweichende Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens der Antragstellerin. Das Verwaltungsgericht hat ihrem Antrag auf „Wiederherstellung“ der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen unter dem 19.3.2010 erteilte Baugenehmigung für die „Errichtung eines Windmessmastes“ zu Unrecht entsprochen.

1. In derartigen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs des Dritten – hier der Antragstellerin – gegen die Baugenehmigung. Maßgebend ist daher eine für den Erfolg des Widerspruchs beziehungsweise einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragstellerin unabdingbare Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, keinen Grund darstellt, dem Drittinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ebenso etwa Beschlüsse vom 26.1.2007 – 2 W 27/06 –, SKZ 2007, 135, vom 16.12.2003 – 1 W 42/03 -, vom 24.6.2004 – 1 W 18/04 –, SKZ 2005, 71, Leitsatz Nr. 26, und vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94, Leitsatz Nr. 35) Eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur in Betracht, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position des Anfechtenden ergibt. (vgl. hierzu im Einzelnen etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, st. Rechtsprechung) Das ist nicht der Fall. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass – was sich nach den vorliegenden Verwaltungsunterlagen nicht nachvollziehen lässt, von dem Antragsgegner aber auch nicht in Abrede gestellt wird – die Antragstellerin entsprechend ihrem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren formgerecht Widerspruch gegen die Baugenehmigung erhoben hat.

Für die Rechtsstellung der Antragstellerin ist dabei von vorneherein nicht von Bedeutung, ob der Antragsgegner zutreffend davon ausgegangen ist, dass die streitige Einrichtung zur Bestimmung der Windhöffigkeit – anders als die in Ziffer 1.6 (Spalte 2) des Anhangs zur 4. BimSchV aufgeführten Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m – auch nach den Maßstäben des § 1 Abs. 2 der 4. BImschV nicht dem (vereinfachten) immissionsschutzrechtlichen Zulassungserfordernis (§ 19 BImschG) unterliegt. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 15.1.2009 – 2 B 376/08 –, SKZ 2009, 240, Leitsatz Nr. 31)

Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend gesehen, dass der Ausschluss des Suspensiveffekts für Rechtsbehelfe gegen Baugenehmigungen auch Widersprüche und – gegebenenfalls – Anfechtungsklagen von Gemeinden erfasst, die sich unter Geltendmachung einer Verletzung ihres gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 117 Abs. 3 SVerf) gegen eine Baugenehmigung wenden. „Dritter“ im Verständnis des § 212a Abs. 1 BauGB ist wie in § 80a VwGO jeder durch die einen anderen begünstigende Baugenehmigung rechtlich Belastete und daher insbesondere auch eine – wie hier – Standortgemeinde, die sich unter Berufung auf die der formalen Absicherung der gemeindlichen Planungshoheit (§ 2 Abs. 1 BauGB) dienenden Bestimmungen in § 36 BauGB gegen eine ohne ihr Einvernehmen erteilte bauaufsichtliche Zulassung eines Bauvorhabens wendet. (vgl. hierzu etwa Rieger in Schrödter, BauGB, 7. Auflage 2006, § 212a Rn 3, Fislake in Berliner Kommentar zum BauGB, Loseblatt, § 212a BauGB Rn 4, jeweils mit weiteren Nachweisen; ebenso bereits VGH München, Beschluss vom 18.7.1995 – 2 CS 95.1918 –, BRS 57 Nr. 85, OVG Münster, Beschluss vom 14.8.1997 – 10 B 1869/97 –, BRS 59 Nr. 73, jeweils noch zu § 10 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG)

2. Der von daher statthafte Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (§§ 80a Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) muss indes in der Sache ohne Erfolg bleiben.

a. Das gilt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts insbesondere unter formellen Gesichtspunkten, speziell unter dem Aspekt des gemeindlichen Einvernehmenserfordernisses nach § 36 Abs. 1 BauGB bei Erteilung von Baugenehmigungen. Zwar steht einer insoweit im Einzelfall mitwirkungsbefugten Gemeinde, die entweder nicht beteiligt wurde oder die ihr Einvernehmen zu einem Bauvorhaben gegenüber der Bauaufsichtsbehörde rechtzeitig (§ 36 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB) verweigert hat, im Grundsatz ein Anspruch auf Aufhebung einer des ungeachtet erteilten Baugenehmigung schon wegen Verletzung ihres Mitwirkungsrechts, also insbesondere unabhängig von der bodenrechtlichen Zulässigkeit des zugelassenen Vorhabens nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB, zu. Neben dem Fristerfordernis mit Einvernehmensfiktion (§ 36 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BauGB) hat der Bundesgesetzgeber in § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB zum Schutz der Bauherrinnen und Bauherren aus Gründen der Beschleunigung des Verfahrens für die Fälle einer rechtswidrigen Versagung des gemeindlichen Einvernehmens seit 1998 indes ausdrücklich die Möglichkeit der Ersetzung des Einvernehmens durch eine nach Landesrecht zuständige Behörde vorgesehen. Der saarländische Landesgesetzgeber hat diese Befugnis im Jahre 2004 vordringlich den Unteren Bauaufsichtsbehörden eingeräumt und dabei bestimmt, dass die Ersetzung „durch die Genehmigung“, also die Baugenehmigung selbst, erfolgt, die insoweit mit einer besonderen Begründung zu versehen ist (§ 72 Abs. 1 und Abs. 3 LBO 2004).

Der Antragsgegner hat von dieser Befugnis entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bei Erteilung der Baugenehmigung vom 19.3.2010 Gebrauch gemacht und die Ersetzung auch ausführlich begründet. Ungeachtet der in insoweit etwas missverständlichen, auf die Ersetzung des Einvernehmens nach § 14 Abs. 2 BauGB für die gleichzeitig erteilte Ausnahme von der Veränderungssperre (Satzung) Bezug nehmenden Überschrift auf der Seite 2 des Bauscheins lässt der Inhalt der Begründung unschwer erkennen, dass hier auch die entsprechend der Vorgabe in § 72 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004 durch die Genehmigung selbst erfolgende Ersetzung des Einvernehmens der Antragstellerin nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorgenommen und begründet wurde. Diese Vorschrift wird in der Begründung im Zusammenhang mit der (erstmaligen) Ablehnung zur Herstellung des Einvernehmens durch die Antragstellerin im Juli 2009 ausdrücklich ebenso angesprochen wie die aus Sicht des Antragsgegners unzutreffende Beantwortung der in dem Zusammenhang von der Antragstellerin (allein) zu prüfenden Frage der materiellen Genehmigungsfähigkeit am Maßstab der dabei bauplanungsrechtlich zugrunde zu legenden Vorschrift des § 35 BauGB. Daher unterliegt keinen durchgreifenden Zweifeln, dass der Antragsgegner mit Erteilung der Baugenehmigung das aus seiner Sicht – wie im Schriftwechsel mit der Antragstellerin wiederholt herausgestellt – an diesem Maßstab rechtswidrig versagte Einvernehmen insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Anforderungen des § 14 Abs. 2 BauGB ersetzen wollte. Es kann nicht ernsthaft angenommen werden, dass sich der Antragsgegner (ausführlich nur) mit den weiter gehenden Genehmigungsanforderungen nach § 14 Abs. 2 BauGB befassen und ansonsten die Baugenehmigung unter Verstoß gegen das ihm nach dem Inhalt der Begründung ohne Zweifel bekannte Mitwirkungserfordernis nach § 36 Abs. 1 BauGB erteilen wollte. Auch die Antragstellerin, die in ihrer in dem Bauschein wörtlich wiedergegebenen ablehnenden Stellungnahme zu dem Vorhaben vom 24.7.2009 eine Verquickung der Versagung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit der von ihr erlassenen Veränderungssperre vorgenommen hatte, hatte nach dem Inhalt der Antragsschrift vom 27.5.2010 offenbar damals (noch) keine Zweifel, dass durch die Baugenehmigung auch ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ersetzt wurde. (vgl. dazu den verfahrenseinleitenden Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 27.5.2010, Seite 3 unten)

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die Ersetzung des Einvernehmens auch „derzeit wirksam“. Dazu bedarf es keiner Vertiefung, ob sich der – damit angesprochene – Wegfall des Suspensiveffekts des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung nach § 212a Abs. 1 BauGB auch auf den „Widerspruch gegen die Ersetzung des Einvernehmens“ erstreckt oder nicht. Dies hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf eine Entscheidung des OVG Lüneburg aus dem Jahr 1999 und daran anknüpfende Literatur verneint. Ob sich diese Rechtsauffassung, die einen Fall betraf, in dem die Ersetzungsentscheidung gesondert durch eine andere als die Baugenehmigungsbehörde getroffen worden war, auf die im Saarland seit 2004 geltende Rechtslage mit einheitlicher Behördenzuständigkeit und einer in § 72 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004 angeordneten Integration der Ersetzungsentscheidung in die Baugenehmigung selbst (vgl. dagegen zur bis dahin geltenden Rechtslage Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VI Rn 99 bis 101) übertragen lässt, scheint zumindest fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Die in diesen Fällen aufgetretenen divergierenden Auffassungen hinsichtlich der Reichweite des Ausschlusses des Suspensiveffekts durch den § 212a Abs. 1 BauGB (vgl. dazu etwa Dürr in Brügelmann, BauGB, Loseblatt Band 3, § 36 Rn 51 beziehungsweise Rn 68, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung) haben mehrere Landesgesetzgeber zur Aufnahme insoweit zumindest klar stellender beziehungsweise – je nach Standpunkt – ergänzender Regelungen in ihren Bauordnungen unter Ausnutzung der 1997 durch die Neufassung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO erweiterten Möglichkeiten für die Länder (vgl. dazu etwa Jeromin, LBauO Rh-Pf, 2. Auflage 2008, § 71 Rn 4) veranlasst. Das gilt auch für das Saarland. (ebenso beispielsweise Art. 67 Abs. 3 BayBO, wonach die Baugenehmigung an die kommunalaufsichtliche Ersatzvornahme gekoppelt wird, die danach wiederum mit der Baugenehmigung selbst zusammenfällt, oder § 71 Abs. 4 LBauO RP) Nach § 72 Abs. 4 LBO 2004 entfällt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB sofort vollziehbare Baugenehmigung auch hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Nach dieser ausdrücklichen und unzweideutigen gesetzlichen Vorgabe ist vorliegend kein Raum, um isoliert hinsichtlich der in und mit der Baugenehmigung erfolgten Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens einen Suspensiveffekt des Widerspruchs der Antragstellerin anzunehmen. Vor dem Hintergrund bedarf es insbesondere auch nicht der dem Antragsgegner vom Verwaltungsgericht zur „Heilung“ angesonnenen (nachträglichen) Sofortvollzugsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wie sie von der Rechtsprechung in anderen Bundesländern ohne eine dem § 72 Abs. 4 LBO 2004 entsprechende gesetzliche Vollzugsanordnung gefordert wird. (vgl. auch hierzu den vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss des OVG Lüneburg vom 9.3.1999 – 1 M 405/99 –, BRS 62 Nr. 177, wo im Übrigen die nachträgliche Sofortvollzugsanordnung von der Behörde bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung nachgeholt worden war, so dass es letztlich auf die Frage der Reichweite des § 212a Abs. 1 BauGB dort nicht (mehr) ankam)

b. Unter förmlichen Aspekten nichts anderes gilt hinsichtlich der in der Baugenehmigung vom Antragsgegner gleichzeitig vorgenommenen Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zur Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre (§ 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Wie der Wortlaut des diese Vorschrift ausdrücklich mit aufführenden § 72 Abs. 1 LBO 2004 verdeutlicht, gelten auch hierfür die Regelungen der Absätze 2 bis 4 des § 72 LBO 2004. Das umfasst den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) von Rechtsbehelfen (auch) der Gemeinde gegen eine von der insoweit zuständigen Bauaufsichtsbehörde unter Ersetzung ihres nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB grundsätzlich erforderlichen Einvernehmens erteilte Ausnahme von einer Veränderungssperre (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Ob hierin eine rechtlich eigenständige Verwaltungsentscheidung zu erblicken ist, muss nicht vertieft werden. Allein die (äußere) Verknüpfung mit der Baugenehmigung in einem Bescheid, hier dem Bauschein vom 19.3.2010, begründet sicher keine Rechtsverletzung der Antragstellerin. Der vom Verwaltungsgericht verlangten besonderen Sofortvollzugsanordnung des Antragsgegners (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) bedurfte es daher auch insoweit nicht.

Vor dem Hintergrund kann schließlich generell dahinstehen, ob bei dem im Saarland vom Landesgesetzgeber gewählten integrativen Ansatz, (vgl. in dem Zusammenhang auch Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VI Rn 103, wonach der Landesgesetzgeber insbesondere durch die Regelung in § 72 Abs. 2 LBO 2004 klargestellt hat, dass es sich bei § 72 LBO 2004 um eine gegenüber kommunalaufsichtsrechtlichen Ersetzungsregelungen selbständige Bestimmung handelt) wonach die Ersetzungsentscheidungen der Bauaufsichtsbehörde durch die „Genehmigung“ vorzunehmen sind (§ 72 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004), unter Vollziehbarkeitsgesichtspunkten überhaupt – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat – Raum für eine gesonderte und insoweit unterschiedliche Betrachtung der „eigentlichen“ Baugenehmigung und der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach den §§36 Abs. 1 beziehungsweise 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist.

3. Die vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung vom 19.3.2010 verletzt die Antragstellerin nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch inhaltlich nicht in eigenen Rechten, konkret in ihrer als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie zu sehenden gemeindlichen Planungshoheit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Das genehmigte Bauvorhaben ist sowohl mit Blick auf den planungsrechtlich einschlägigen § 35 BauGB (a.) als auch am Maßstab der von der Antragstellerin erlassenen Veränderungssperre (§ 14 BauGB) aller Voraussicht nach vom Antragsgegner zu Recht zugelassen worden (b.).

a. Der § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB eröffnet den Standortgemeinden weder Ermessen noch planerische Gestaltungsfreiheit bei der Beurteilung eines hinsichtlich seiner Zulässigkeit bodenrechtlich am Maßstab des § 35 BauGB zu beurteilenden Außenbereichsvorhabens. Ein nach dieser Vorschrift zulässiges Vorhaben vermag die Gemeinde schon mit Blick auf die verfassungsrechtlich verankerte Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) nicht auf dem Wege über die Verweigerung ihres Einvernehmens, sondern nur unter Ausnutzung des ihr zur Verfügung stehenden Instrumentariums gegensteuernder Bauleitplanung unter Einhaltung der dafür geltenden gesetzlichen Anforderungen zu verhindern. Sie hat allerdings im Falle der rechtzeitigen Versagung ihres Einvernehmens einen Anspruch darauf, dass die Bauaufsichtsbehörde kein Vorhaben zulässt, das den im Rahmen der Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ihrer Beurteilung unterliegenden planungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen nicht entspricht. Dementsprechend ist die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde – hier des Antragsgegners – zur Ersetzung des Einvernehmens von vorneherein zwingend auf die Fälle der „rechtswidrigen“ Versagung durch die Gemeinde begrenzt.

Die daher für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerin in der Hauptsache in diesem Punkt entscheidende Vereinbarkeit des genehmigten Windmessmastes mit dem § 35 BauGB unterliegt - wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss in einem vorsorglichen „Hinweis“ zur materiellen Rechtslage bereits zutreffend ausgeführt hat – keinen Bedenken. Die streitgegenständliche Anlage gehört entgegen der auch im Beschwerdeverfahren erneut vertretenen Ansicht der Antragstellerin zu den vom Bundesgesetzgeber in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ausdrücklich für im Außenbereich bevorrechtigt zulässig erklärten Bauvorhaben. Es unterliegt keinen Zweifeln, dass es sich bei dem genehmigten Windmessmast um ein Vorhaben handelt, das der „Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie“ dient. Die Aufnahme in den Katalog der im Außenbereich privilegierten Bauvorhaben durchgängig seit dem 1.1.1997 (vgl. das BauGB-ÄndG vom 30.7.1996, BGBl. I 1996, 1189 (damals noch Nr. 7)) verdeutlicht, dass der Bundesgesetzgeber die Nutzung der alternativen Energiequelle Windkraft seither ungeachtet der zum Teil beachtlichen negativen Folgen für das Landschaftsbild als wichtig und wirtschaftlich notwendig bewertet hat. Dem Anliegen ist bei der Auslegung (nunmehr) des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB Rechnung zu tragen. Die ausdrücklich auch eine „Erforschung“ einschließende Bestimmung erfasst mit Blick auf den der Privilegierung generell zugrunde liegenden Gesichtspunkt der Standortgebundenheit insbesondere Einrichtungen der Windmessung, welche die Windhöffigkeit und damit letztlich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer (späteren) Nutzung eines ganz bestimmten Grundstücks im Außenbereich zur Errichtung von Windkraftanlagen notwendig und sinnvoll vorab „erforschen“ sollen und die von daher zwingend auf den konkreten Standort angewiesen sind. (ebenso beispielsweise Dürr in Brügelmann, BauGB, Loseblatt Band 3, § 35 Rn 62c)

Die von der Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung aufgestellte Behauptung, (auch) das Bundesverwaltungsgericht vertrete die Auffassung, dass Anlagen zur Ermittlung der Windhöffigkeit eines als Standort für Windkraftanlagen ausersehenen Grundstücks, insbesondere „bloße Windmessmasten“ nicht unter den Begriff „Erforschung der Windenergie“ in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB subsumiert werden könnten, kann anhand der insoweit als Beleg angeführten und teilweise inhaltlich wiedergegebenen Entscheidung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 22.1.2009 – 4 C 17.07 –, BauR 2009, 1115 = NVwZ 2009, 918, zu einem Genehmigungsstreit (Vorbescheid) betreffend die geplante „Errichtung einer hybriden Klein-Windkraftanlage (4 kW) mit einem 1-achsigen sektoriell helligkeitsnachgeführten Beplattungsvarianten-Modulträger für PV-Beplattung mit 12 kWp und Vorrichtung zur Adaption zweier magnetdynamischer Speicher mit einer Leistung von jeweils 900 kW“) nicht nachvollzogen werden. Richtig ist allein, dass es in dem dort zugrunde liegenden Fall um eine ganz bestimmte Einrichtung, nämlich eine technisch-konstruktiv kombinierte „hybride Klein-Windkraftanlage“, beziehungsweise um deren „mitgezogene“ Privilegierung als Nebenanlage einer Groß-Windenergieanlage ging. Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesem Vorhaben, wonach dessen Privilegierung voraussetze, dass der Bauherr anhand eines Forschungs- und Entwicklungskonzepts plausibel darlege, dass die von ihm konstruierte aber noch zu erprobende Anlage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand geeignet sei, die Nutzung der Windenergie mehr als nur unerheblich zu verbessern, lassen sich keinerlei Rückschlüsse auf den hier streitigen Windmessmast ziehen. Bei diesem geht es nicht um die Frage seiner Tauglichkeit als technische Neukonstruktion, also in dem Sinne nicht um Forschung. Die Eignung der Anlage für kontinuierliche Windmessungen über einen längeren Zeitraum steht außer Frage und mit diesem Zweck, dessen Erreichung notwendig standortgebunden ist, verfolgt die Beigeladene sicher ein in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB bevorrechtigtes Anliegen. Es gibt schon konstruktiv nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen hier zu befürchtenden Missbrauch dieser Privilegierung durch die Beigeladene zur Realisierung anderer Nutzungen. Es ist zudem jedenfalls nicht von vorneherein auszuschließen, dass das Baugrundstück in dem festgelegten Windvorranggebiet „Nunkirchen“ tatsächlich eine für die Nutzung durch eine Windkraftanlage ausreichende Windhöffigkeit hat. Das soll sinnvollerweise – spätestens jetzt – geklärt werden.

Unzulässig ist ein – wie hier – dem § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB unterfallendes Vorhaben allerdings (aber auch nur) dann, wenn ihm im konkreten Einzelfall andere öffentliche Belange insbesondere des Natur- und Artenschutzes oder des Immissions- und Nachbarschutzes entgegenstehen, die in einer von Behörden und Gerichten „nachzuvollziehenden“, das heißt nicht planerisch-abwägenden Bewertung als standortbezogen überwiegend und damit im Sinne des § 35 BauGB vorrangig einzustufen sind. (vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 17.1.2008 – 2 R 11/06 –, BRS 73 Nr. 97, SKZ 2008, 86 und 207, Leitsatz Nr. 25) Dafür gibt es weder nach Aktenlage noch nach dem Vortrag der Beteiligten, auch der Antragstellerin, irgendwelche sachlichen Anhaltspunkte. Bei dieser Bewertung ist in Rechnung zustellen, dass die Windmessanlage nach der Baugenehmigung des Antragsgegners nur befristet zugelassen wurde und nach Ablauf der Frist von zwei Jahren unter Wiederherstellung des bisherigen Landschaftszustandes baulich vollständig wieder entfernt werden muss. Unter diesen Voraussetzungen hat insbesondere die dafür zuständige Naturschutzbehörde bereits im August 2009 ausdrücklich eine Ausnahme von der das Baugrundstück erfassenden Landschaftsschutzverordnung bewilligt. (vgl. das an den Antragsgegner adressierte Schreiben des LUA vom 4.8.2009, Blatt 70 der Bauakte)

Bestehen also bereits insofern nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Bedenken gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Windmessrades am Maßstab des § 35 BauGB, so bedarf es, da es sich um ein raumordnerisch am Maßstab des einschlägigen Teilabschnitts Umwelt des Landesentwicklungsplans (LEP Umwelt 2004) (vgl. hierzu insgesamt etwa OVG des Saarlandes, Urteile vom 15.5.2006 – 2 N 3/05, 2 N 4/05 und 2 N 3/06 –, BRS 70 Nr. 56) „plankonform“ innerhalb eines darin festgelegten Vorranggebiets für Windenergie (VE) zu verwirklichendes Vorhaben handelt, das von daher von vorneherein keiner Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Verbindung mit der Ziffer 69 im Textteil („A“) des LEP Umwelt 2004 (vgl. dazu Amtsblatt des Saarlandes 2004, 1574, 1587) nach dem so genannten Darstellungsprivileg unterliegt, keiner Auseinandersetzung mit den Fragen, ob es sich zum einen bei dem Windmessmast um eine am Maßstab des § 3 Nr. 6 ROG „raumbedeutsame“ Anlage im Verständnis des § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB handelt und ob zum anderen die Vorranggebietsfestlegung (VE) im zeichnerischen Teil („B“) des LEP Umwelt 2004 überhaupt rechtsverbindlich ist und – gegenüber nicht planungskonformen Vorhaben mit Standorten außerhalb des Vorranggebiets – eine Ausschlusswirkung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erzeugen kann. Dass die Wirksamkeit speziell dieser landesplanerischen Zielvorgabe, wie das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung referiert hat, aus Sicht des Senats in mehrfacher Hinsicht erheblichen grundsätzlichen Bedenken unterliegt, (vgl. auch dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 17.1.2008 – 2 R 11/06 –, BRS 73 Nr. 97, SKZ 2008, 86 und 207, Leitsatz Nr. 25; zum Erfordernis einer speziellen landesrechtlichen Ermächtigungsnorm und der gesetzlichen Vorgabe zur Festlegung von Eignungsgebieten zuletzt BVerwG, Urteil vom 1.7.2010 – 4 C 6.09 –; grundlegend zu den Anforderungen, Befugnissen und Grenzen gemeindlicher Bauleitplanung in dem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 – 4 C 15.01 –, BRS 65 Nr. 95, insbesondere auch zu sog. „Alibiplanungen“) muss auch daher nicht vertieft werden. Darauf kommt es für die Beurteilung der bodenrechtlichen Zulässigkeit des hier konkret zur Rede stehenden Vorhabens jedenfalls insoweit nicht an.

b. Das Verwaltungsgericht hat in seinen ergänzenden „Hinweisen“ ferner zu Recht hervorgehoben, dass nach gegenwärtigem Erkenntnisstand der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens der Beigeladenen auch die im Mai 2008 vom Stadtrat von der Antragstellerin beschlossene Satzung über die Veränderungssperre für das „bestehende Windvorranggebiet Nunkirchen“ (vgl. das Amtliche Bekanntmachungsblatt Nr. 24 der Stadt Wadern Nr. 24/2008 vom 12.6.2008, Blatt 57 der Bauakte) (VS) nicht entgegensteht.

Insofern bestehen unter mehreren Gesichtspunkten bereits erhebliche Bedenken gegen die Gültigkeit der im Streit befindlichen städtebaulichen Satzung über die Veränderungssperre, die gemäß §§ 7 VS, 10 Abs. 3 BauGB mit ihrer Veröffentlichung am 12.6.2008 in Kraft gesetzt worden ist. Diese ergeben sich schon daraus, dass die vom Gesetzgeber mit Blick auf die sich aus den Verboten des § 14 Abs. 1 BauGB ergebenden weit reichenden Einschränkungen der Befugnisse betroffener Grundstückseigentümer vorgenommene Befristung der Geltungsdauer städtebaulicher Veränderungssperren in § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf (regelmäßig) zwei Jahre im Juni diesen Jahres abgelaufen ist. Dass die Antragstellerin von der Verlängerungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB Gebrauch gemacht hätte, lässt sich weder den Akten noch dem Vortrag der Beteiligten entnehmen. Zu einer weiteren Aufklärung in dieser Richtung besteht keine Veranlassung, da darüber hinaus – wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt – mit Blick auf das sich für die gemeindliche Bauleitplanung aus § 1 Abs. 4 BauGB ergebende Anpassungsgebot an die Ziele der Raumordnung, hier konkret die räumlich konkretisierte und den in Aussicht genommenen Standort des Windmessmastes einschließende Festlegung des Vorranggebiets für Windenergie (VE) im LEP Umwelt 2004 nach dem hier allein maßgeblichen gegenwärtigen Stand der Landesplanung nicht realisierbar erscheint. Zu einer abschließenden Überprüfung der Geltung der Vorranggebietsfestlegungen (VE) im LEP Umwelt 2004 sieht sich der Senat im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsverfahrens nicht veranlasst, zumal Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig keinen Raum für eine inzidente Gültigkeitskontrolle von untergesetzlichen Rechtsnormen bieten (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 13.4.1993 – 2 W 5/93 –, SKZ 1993, 273, vom 19.4.1995 – 2 W 8/95 – und vom 18.7.1995 – 2 W 31/95 –, SKZ 1996, 112, Leitsatz Nr. 12, jeweils zu gemeindlichen Bebauungsplänen) und es im konkreten Fall im Ergebnis auf die Beantwortung der Frage nicht ankommt. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin können der Genehmigungsanspruch der Beigeladenen oder das Nutzungsrecht des Grundeigentümers nicht davon abhängig sein, ob – wie die Antragstellerin behauptet – die zuständige Landesplanungsbehörde angekündigt hat, „alsbald“ den Teilbereich Windenergie aus dem LEP Umwelt 2004 „auszugliedern“ oder der jeweiligen gemeindlichen Planung zu überlassen, das heißt auf eigene Steuerungsmöglichkeiten im Sinne des § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB grundsätzlich zu verzichten. (vgl. dazu den bei den Bauakten befindlichen Vermerk vom 30.3.2010 über ein am Vortag geführtes Gespräch von Vertretern der Antragstellerin mit der zuständigen Fachministerin) Entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens kann nur der aktuelle Stand der niedergelegten Ziele der Raumordnung sein, nicht (behauptete) Absichtsbekundungen der Landesplanungsbehörde oder gar aus dem „politischen Raum“. Schließlich, und auch darauf hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen, drängt es sich nach Aktenlage geradezu auf, dass es sich bei der mit der Veränderungssperre aus dem Jahre 2008 zu sichernden Bauleitplanung offenbar um eine nach städtebaulichen Grundsätzen mit Blick auf die Position der Eigentümer unzulässige reine Negativ- oder Verhinderungsplanung handelt, die sich nicht (wirksam) durch eine Veränderungssperre sichern lässt. (vgl. hierzu im Einzelnen OVG des Saarlandes, Urteile vom 9.4.2008 – 2 C 309/07 –, SKZ 2008, 256, vom 31.3.2003 – 1 N 1/03 –, SKZ 2003, 152, und insbesondere vom 14.4.2004 – 1 N 1/04 –, SKZ 2004, 155, jeweils zu Veränderungssperren (§ 14 BauGB)) Irgendwelche in den immerhin nunmehr vier Jahren seit dem Aufstellungsbeschluss konkretisierten oder fortgeschriebenen Planungsziele lassen sich den Akten nicht entnehmen. Anhaltspunkte für einen dynamisch fortschreitenden Planungsprozess ergeben sich daraus nicht. Der Antragsgegner hat in der Genehmigungsentscheidung wie auch in seiner Antragserwiderung vom 2.6.2010 darauf hingewiesen, dass bis heute mit den Planungen „nicht ernsthaft begonnen“ worden sei. Dem ist die Antragstellerin in der Sache nie substantiiert entgegen getreten. Sie hat in der Beschwerdeerwiderung vom 14.7.2010 vielmehr lediglich formal argumentiert und darauf verwiesen, dass sie „im Rahmen des … grundgesetzlich verbürgten Planungsrechts“ im Jahr 2006 einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst und eine Veränderungssperre erlassen habe. Nimmt man ihren Vortrag ernst, so hat die Antragstellerin über diesen Zeitraum hinweg seither nicht einmal die von ihr für notwendig erachteten übergreifenden wissenschaftlichen Untersuchungen hinsichtlich einer Eignung einzelner Bereiche der Gemarkung Nunkirchen zur Nutzung der Windenergie, die schon mit Blick auf die §§ 1 Abs. 7, 2 Abs. 3 BauGB auch für sie elementare Planungsgrundlage wäre, in Auftrag gegeben oder gar durchführen lassen. Auch das spricht vehement dafür, dass die Antragstellerin hier lediglich „auf Zeit spielt“ und eigentliches Anliegen die Verhinderung des genehmigten Bauvorhabens ist, was angesichts des Charakters des Vorhabens als zeitlich begrenzte und danach zu entfernende bloße Messeinrichtung schon im Ansatz kaum noch verständlich erscheint.

Selbst wenn man des ungeachtet von der Gültigkeit der Satzung über die Veränderungssperre ausgehen wollte, so stünde der Antragstellerin aller Voraussicht ungeachtet des insoweit eröffneten Ermessens ein Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB4 VS) zu. Dem konkreten Vorhaben können gerade mit Blick auf den Schutzzweck der Veränderungssperre nach §§ 14 ff. BauGB, mit der eine konkret eingeleitete gemeindliche Planung zum Erlass eines verbindlichen Bauleitplans (§ 1 Abs. 2 BauGB) abgesichert werden soll, keine überwiegenden öffentlichen Belange entgegen gehalten werden. Die gemeindliche Planungshoheit der Antragstellerin wird offensichtlich nicht durch das Vorhaben der Beigeladenen tangiert. Insbesondere ist nicht zu befürchten, dass die Durchführung der Planung – ihre Ernsthaftigkeit unterstellt – durch das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht würde. Insofern kann insbesondere in der Realisierung des Bauwerks mit Blick auf die in der Baugenehmigung enthaltene zeitliche Befristung der Aufstellung des Windmessmastes und die ergänzenden Auflagen zu seiner vollständigen Beseitigung nach Beendigung der zeitlich begrenzten Nutzungsphase kein „Zwangspunkt“ für eine Bauleitplanung, mit deren vorherigem Abschluss im Übrigen nach dem bisherigen „Lauf“ der Dinge nicht wirklich ernsthaft gerechnet werden kann, erblickt werden. Welche Bedeutung in dem Zusammenhang dem Einwand der Antragstellerin zuzumessen sein sollte, das es sich bei dem Vorhaben „zweifelsohne … um eine vorbereitende Handlung zur Errichtung einer Windenergieanlage“ handele, erschließt sich nicht . Die Errichtung des – wie gesagt – nach Ablauf der eingeräumten Nutzungszeit vollständig zu demontierenden Messrades bedingt nicht zwingend die Errichtung von – nochmals: – jedenfalls gegenwärtig ohnehin landesplanerisch hier vorgesehenen Windkraftanlagen. Soweit die Antragstellerin schließlich im Zusammenhang mit dem § 14 Abs. 1 Nr. 2 BauGB darauf verweist, dass das Grundstück eine erhebliche Wertsteigerung erfahre, wenn sich aufgrund der Messungen herausstelle, dass das Grundstück tatsächlich für eine Nutzung zur Erzeugung von Windenergie geeignet sei, drängt sich zweierlei auf. Erstens wäre diese Wertsteigerung im Sinne der Vorschrift nicht auf eine Veränderung des Grundstücks zurückzuführen. Dieses besitzt entweder eine ausreichende Windhöffigkeit in dem vorgenannten Sinne oder nicht und danach bestimmt sich – wie bei Bodenschätzen – sein „Wert“. Zweitens ist, soweit sich die Antragstellerin mit der vorerwähnten Argumentation bereits gegen eine Untersuchung der Windverhältnisse in dem Bereich wendet und damit letztlich verhindern will, dass „herauskommt“, dass das Grundstück eine entsprechende Eignung aufweist, dieser Einwand fast schon als grotesk zu bezeichnen. Die Antragstellerin müsste, wenn sie ihr im Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan immerhin bereits 2006, also vor vier Jahren, formuliertes Planungsziel selbst ernst nehmen sollte, ein elementares Interesse an der Erlangung von Datenmaterial und von Erkenntnissen über die wirtschaftliche Eignung von Grundstücken im Bereich des Stadtteils Nunkirchen zur Gewinnung von Windenergie haben. Dass sie schon das vehement zu verhindern sucht, ist schwer nachzuvollziehen. Zumindest befremdlich muss es aber erscheinen, wenn die Landesplanung hier – unterstellt man den Vortrag der Antragstellerin als zutreffend – offenbar „auf Verdacht“ oder „auf Zuruf“ der Antragstellerin ein Vorranggebiet (VE) festgelegt hat, ohne über irgendwelches Datenmaterial oder naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu verfügen, ob der Standort im Sinne der Zielvorgabe für einen wirtschaftlichen Betrieb von Windkraftanlagen überhaupt geeignet ist. Die Klärung dieser Frage ist – neben der Anwendung zwingender Ausschlusskriterien – die entscheidende Voraussetzung für eine solche planerische Festlegung. Eine wegen der weit reichenden Konsequenzen solcher Festlegungen für die Eigentümer vom Vorranggebiet erfasster, aber gerade auch außerhalb desselben liegender Grundstücke (§ 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB) rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Entscheidung auf ausreichend ermittelter Tatsachengrundlage könnte darin gegebenenfalls kaum noch erblickt werden. Nach dem Gesagten unterliegt es keinen ernsthaften Zweifel, dass der Antragsgegner, der keine eigene Normverwerfungskompetenz hinsichtlich der Satzung über die Veränderungssperre besitzt, auch das Einvernehmen der Antragstellerin hinsichtlich des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB durch seine Genehmigungsentscheidung (§ 72 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 LBO 2004) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ersetzt hat. Die den Bauaufsichtsbehörden durch § 72 LBO 2004 eingeräumten Befugnisse sind im „Nebeneffekt“ im Übrigen auch geeignet, um in dem Bereich rechtwidrig agierende Gemeinden vor Amtshaftungsansprüchen zu bewahren.

4. Vor diesem Hintergrund war der Aussetzungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 1 VwGO. Ein Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO ist nicht veranlasst. Sie hat keinen eigenen Antrag gestellt und damit keine Kostenrisiken übernommen (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.

(2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ist ortsüblich bekannt zu machen. Der Bebauungsplan ist mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10a Absatz 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten; über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Mit der Bekanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. Die Bekanntmachung tritt an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Die Anträge des Antragstellers auf Erlass von Vorabentscheidungen (Zwischenregelungen) für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.

Die Kosten dieses Zwischenverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird insoweit auf 750,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die gleichzeitig mit der Erhebung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12.3.2007 -5 L 309/07 – gestellten Anträge des Antragstellers und (insoweit) Beschwerdeführers,

1. gemäß Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Befreiungsbescheide der Antragsgegnerin zu 1) vom 16.11.2006 (6/06B, 7/06B und 8/06B) bis zur Entscheidung des Senats über die Beschwerde einstweilen anzuordnen, und

2. den Antragsgegner zu 2) gemäß Art. 19 Abs. 4 GG zu verpflichten, einstweilen bis zur Entscheidung des Senats die Bauarbeiten zur Errichtung eines Neubaus auf dem Grundstück Gemarkung E, Flur 5, Parzelle Nr. 94/44 sofort vollziehbar einzustellen, die Anordnung mit einem angemessenen Zwangsgeld zu bewehren und erforderlichenfalls durchzusetzen,

bleiben ohne Erfolg. Zwar verweist der Antragsteller zu Recht darauf, dass schon bei der hier allein möglichen „überschlägigen“ Betrachtung alles dafür spricht, dass die den Beigeladenen von der Antragsgegnerin zu 1) vor Ausführung ihres Bauvorhabens („Neubau eines Zweifamilienwohnhauses“) im Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 63 LBO 2004 gewährten umfangreichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans für das „Gelände hinter der neuen Schule“ der früheren Gemeinde E aus dem Jahre 1965 insbesondere hinsichtlich einer Überschreitung der Geschossflächenzahl, der überbaubaren Grundstücksflächen (Baugrenzen) und der zulässigen Zahl der Vollgeschosse am Maßstab des § 31 Abs. 2 BauGB objektiv rechtswidrig sind. Das hat das Verwaltungsgericht unschwer nachvollziehbar in dem vorerwähnten Beschluss im Einzelnen auch dargelegt und das bedarf hier keiner Wiederholung.

Nach dem geltenden Verwaltungsprozessrecht kann jedoch im baurechtlichen Nachbarstreit ungeachtet der objektiven Rechtswidrigkeit im Einzelfall bekämpfter Verwaltungsentscheidungen eine von der subjektiven Rechtsposition des um Rechtsschutz Ersuchenden losgelöste Beurteilung nicht vorgenommen werden. Das gilt nicht nur für das Hauptsacheverfahren, für dessen Erfolg sich das Erfordernis subjektiver Rechtsverletzung des Nachbarn aus § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO ergibt, sondern auch für diesem vorgeschaltete Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a, 123 VwGO). Für die hier begehrten Zwischenregelungen kann nichts anderes gelten. Wer keine Verletzung in eigenen Rechten zu besorgen hat, bedarf keiner „vorläufigen“ Sicherung solcher Rechte.

Auch der Erlass einer im Verwaltungsprozessrecht nicht vorgesehenen, unmittelbar auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gestützten und von daher nur in ganz besonderen Fällen, in denen ein solcher Rechtsschutz auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann, in Betracht zu ziehenden Zwischenregelung kann nicht losgelöst von einer Prognose über die Erfolgsaussichten der zugrunde liegenden Nachbarrechtsbehelfe und von der durch die Einführung des § 212a BauGB im Jahre 1998 getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung für die von Nachbarrechtsbehelfen unbehinderte Vollziehbarkeit bauaufsichtlicher Zulassungsentscheidungen gesehen werden. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.10.1994 – 2 W 50/94 -) Die „Sicherheit“ einer derartigen Vorausbeurteilung hängt gerade in dem Bereich aber vom jeweils erreichten Verfahrensstand ab, weswegen die vom Verwaltungsgericht unmittelbar nach dem Eingang des Antrags mit Beschluss vom 9.2.2007 getroffene Vorabentscheidung zur Überbrückung des Zeitraums bis zu seiner Entscheidung nicht zu beanstanden war. (vgl. dazu beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 15.12.1992 – 2 W 36/92 -, BRS 54 Nr. 165, wonach die Gericht im Verlaufe eines Verfahrens von ihnen – dort im konkreten Fall vor der Vorlage von Verwaltungsakten - erlassene Zwischenregelungen auch zeitlich „unter Kontrolle“ halten müssen, und vom 17.6.1994 – 2 W 27/94 -, wonach das Instrument der Zwischenregelung nicht von den Gerichten dazu benutzt werden darf, um sich selbst in zeitlicher Hinsicht „Dispositionsmöglichkeiten“ zu verschaffen)

Aus Sicht des Beschwerdegerichts im baurechtlichen Nachbarstreit nach einer Zurückweisung der Nachbaranträge durch das Verwaltungsgericht unter negativer Einschätzung der Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs in der Hauptsache nach inhaltlicher Befassung mit dem Begehren kann indes keine „völlig neue“ Beurteilung quasi „ins Blaue hinein“ in Betracht kommen. Etwas anderes mag gelten, wenn die erstinstanzliche Entscheidung evident fehlerhaft ist, wenn etwa ein für den Nachbarschutz bedeutsamer Gesichtspunkt übersehen wurde. Davon kann hier indes ersichtlich nicht die Rede sein.

Das gilt insbesondere für den vom Antragsteller angeführten Umstand, dass auch bei einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen in einem Bebauungsplan grundsätzlich einer Verletzung von Abwehrrechten des Nachbarn unter dem Aspekt des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme in Betracht kommen kann. Dies hat aber das Verwaltungsgericht gesehen, die Frage nach den von der Rechtsprechung insoweit entwickelten Kriterien der Zumutbarkeit einer im Rahmen des Eilverfahrens möglichen Vorausbeurteilung unterzogen und dabei im Ergebnis eine Verletzung der Rechte des Antragstellers unter dem Aspekt „voraussichtlich“ verneint. Dass diese Einschätzung bereits jetzt erkennbar fehlerhaft wäre, lässt sich zum einen dem Antragsvorbringen nicht entnehmen und ist zum anderen auch sonst nicht ersichtlich.

Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass nicht schon jede Bautätigkeit vollendete oder nur schwer rückgängig zu machende Tatsachen schafft und deshalb von vorneherein den Erlass einer solchen Vorabentscheidung rechtfertigt. (vgl. auch dazu beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschluss vom 15.12.1992 – 2 W 36/92 -, BRS 54 Nr. 165) Vom Eintritt „vollendeter Tatsachen“ kann vielmehr erst ab einem gewissen Baufortschritt überhaupt die Rede sein. (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.11.1994 – 2 W 50/94 – (Mehrfamilienhaus), wonach dies erst in Betracht kommt, wenn die Fertigstellung der baulichen Anlage droht oder wenn ein Bauzustand erreicht wird, der zur Fertigstellung des Gesamtvorhabens „drängt“)

Vor dem Hintergrund ist eine (weitere) Zwischenregelung (allein noch) für das Beschwerdeverfahren mit Blick auf das Effektivitätsgebot (Art. 19 Abs. 4 GG) aus Sicht des Senats nicht geboten.

Klarstellend ist hinzuzufügen, dass diese Entscheidung keinerlei Bindungen des Senats auslöst oder gar als „Vorgabe“ für die Entscheidung über die bisher noch nicht begründete Beschwerde des Antragstellers verstanden werden kann. Die nach seiner Aussage am 26.3.2007 wieder aufgenommenen Bauarbeiten vor Abschluss des Rechtsmittelverfahrens erfolgen auf Eigenrisiko des Bauherrn. Wirtschaftliche Aspekte werden für die rechtliche Beurteilung bei der Entscheidung über die Beschwerde auch hinsichtlich der begehrten Verpflichtung des Antragsgegners zu 2) zum Erlass einer bis zur Vollendung des Bauwerks auch noch bei fortgeschrittener Bauausführung möglichen Baueinstellung (§ 81 LBO 2004) keine Rolle spielen.

Auf die Frage, ob das Verwaltungsprozessrecht, insbesondere der entsprechend heranzuziehende § 44 VwGO, die hier vorgenommene Verfolgung eines Aussetzungsbegehrens hinsichtlich der Befreiungsbescheide der Antragsgegnerin zu 1) und des gegen den Antragsgegner zu 2) gerichteten Anordnungsbegehrens in einem (einzigen) Verfahren zulässt, braucht hier nicht eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Für den Erstattungsausspruch im Sinne der letztgenannten Bestimmung besteht keine Veranlassung.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG. Das Interesse eines Antragstellers an einer einstweiligen Zwischenregelung (Art. 19 Abs. 4 GG) ist regelmäßig mit einem Zehntel des Streitwerts des betreffenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu beziffern. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.1992 – 2 W 36/91 -) Dieser Betrag ist vorliegend im Hinblick auf die gesonderten Streitgegenstände infolge der Verschiedenheit der Antragsgegner zu verdoppeln.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

2

Der 1956 geborene Kläger war als Bundesbeamter im Amt eines Fernmeldebetriebsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) bei der Deutsche Telekom AG (im folgenden: Telekom) beschäftigt. Im April 2003 wies diese ihn der Personal-Service-AG (Vivento), einer Arbeitsvermittlungseinrichtung, zu. Seit Mai 2007 ist der Kläger dauernd dienstunfähig erkrankt. Der von der Telekom beauftragte Betriebsarzt erstellte ein sozialmedizinisches Gutachten. Darin teilte er die Diagnosen mit; weiter äußerte er sich zum qualitativen und quantitativen Leistungsvermögen des Klägers. Das im verschlossenen Umschlag an die Personalstelle der Telekom übersandte Gutachten leitete diese an die Vivento elektronisch weiter.

3

Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenübertragung an die Vivento - sowie - der Nutzung und Verarbeitung der Daten durch einen bestimmten Personalvermittler bei Vivento ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

4

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 ).

5

Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

- Sind Diagnosedaten solche das Gutachten tragenden Feststellungen und Gründe, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach § 46a Abs. 2 BBG alter Fassung (entsprechend § 48 Abs. 2 Satz 1 BBG neuer Fassung) mitgeteilt werden dürfen?

- Ist das Einscannen und/oder Versenden der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail, verschlüsselt oder unverschlüsselt, ein Verstoß gegen das Gebot, die Stellungnahme verschlossen zu der Personalakte des Beamten zu nehmen (§ 46a Abs. 3 Satz 1 BBG alter Fassung bzw. § 48 Abs. 2 Satz 2 BBG neuer Fassung)?

- Wenn nicht: Ist die darin liegende automatisierte Datenverarbeitung und Datenübermittlung von der Erlaubnisnorm nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG alter Fassung (bzw. § 48 Abs. 2 Satz 3 BBG neuer Fassung) gedeckt?

- Wenn ja: Ist insbesondere die Datenübermittlung an den Betrieb "Vivento" eine solche, die nach § 90d Abs. 1 BBG alter Fassung (entsprechend § 111 Abs. 1 BBG neuer Fassung) der Einwilligung des Beamten bedarf? Handelt es sich bei dem Betrieb "Vivento" um eine Behörde eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn im Sinne dieser Vorschrift? Insbesondere: Ist die Personalvermittlung durch "Vivento" eine "Personalentscheidung" im Sinne dieser Vorschrift?

6

Diese Fragen können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen würden bzw. beantwortet werden können, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

7

1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob dem Dienstherrn Diagnosedaten in einem zur Feststellung der Dienstunfähigkeit eingeholten ärztlichen Gutachten mitgeteilt werden dürfen, lässt sich auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantworten.

8

Nach § 46a Abs. 2 BBG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2001 (BBG a.F., nunmehr § 48 Abs. 2 BBG) muss ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 2 C 18.89 - Buchholz 237.6 § 56 NdsLBG Nr. 1 S.2 und Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

9

Der Inhalt des Gutachtens richtet sich nach seinem Zweck. Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zurruhesetzungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob er im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F./§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG). Der Beamte muss bereits auf der Grundlage der Anordnung seiner ärztlichen Untersuchung nachvollziehen können, ob die aufgeführten Umstände die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit rechtfertigen (Urteile vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 20 und vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 20). Das darauf folgende Gutachten muss es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss - wie vorliegend - die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, enthält sich einer verallgemeinerungsfähigen Aussage. Entscheidend kommt es deshalb auf Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

10

2. Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage nach der Rechtmäßigkeit des Einscannens und Versendens der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail ist schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil es ihr an einem konkreten Bezug zum Klageantrag mangelt. Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Übermittlung der Gesundheitsdaten an den Personalvermittler der Vivento rechtswidrig war. Diese Frage kann beantwortet werden, ohne dass es auf die Zulässigkeit des Einscannens und Versendens der Daten ankommt.

11

Im Übrigen lässt sich letztere Frage aus dem Gesetzestext mit Hilfe der Auslegungsregeln klar beantworten:

12

Gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 BBG a.F. ist die ärztliche Mitteilung über die Untersuchungsbefunde in einem gesonderten, verschlossenen und versiegelten Umschlag an die personalverwaltende Behörde zu übersenden. Dort ist die Mitteilung verschlossen zur Personalakte des Beamten zu nehmen. Dagegen erlaubt es Satz 2 derselben Vorschrift die übermittelten Daten für die im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens zu treffende Entscheidung zweckbezogen zu verarbeiten und zu nutzen. Während Satz 1 den Schutz der Gesundheitsdaten auf dem Weg vom Arzt zur personalverwaltenden Stelle und denjenigen in der Personalstelle selbst regelt, regelt Satz 2 die Verwendung der erlangten Gesundheitsdaten. Der Verwendungszweck ist dabei begrenzt auf Entscheidungen betreffend die Feststellung der Dienstunfähigkeit, die anderweitige Verwendung im Falle der Dienstunfähigkeit, die begrenzte Dienstfähigkeit, die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen und die Reaktivierung.

13

Bei ärztlichen Gutachten in dienstrechtlichen Angelegenheiten handelt es sich um besondere personenbezogene Daten im Sinn von § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 9 BDSG, die Einzelangaben über persönliche Verhältnisse des Beamten widerspiegeln. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des "Verarbeitens" und "Nutzens" dieser personenbezogenen Daten deshalb nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG auf die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 3 Abs. 4 und Abs. 5 BDSG abgestellt. Denn das Bundesbeamtengesetz enthält keine besonderen Definitionen zur Datenverwendung. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG verarbeitet personenbezogene Daten, wer sie speichert, verändert, übermittelt, sperrt und löscht. Unter dem Auffangtatbestand der Nutzung versteht § 3 Abs. 5 BDSG in Abgrenzung dazu jede Verwendung solcher Daten, die keine Verarbeitung ist (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Aufl. 2012, § 3 Rn. 42).

14

Das Einscannen der Untersuchungsbefunde - d.h. deren automatisierte optische Digitalisierung - stellt ein Verarbeiten gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG dar. Dies gilt auch für den Fall einer bloßen elektronischen Scan-Zwischenspeicherung im Rahmen eines automatisierten Verfahrens, deren Löschung im direkten zeitlichen Zusammenhang nicht gesichert ist (vgl. Dammann, in Simitis, BDSG, Kommentar, 7. Aufl. 2011, § 3 Rn. 124). Mit der Anlage eines plattformunabhängigen Dateiformats (Portable Document Format ) hat die Telekom die personenbezogenen Daten sodann auf einem Datenträger dauerhaft verkörpert und damit gespeichert (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Das innerbetriebliche Versenden der Datei an einen Personalvermittler der Vivento, erfüllt - unabhängig davon, ob Vivento Dritter i.S.v § 3 Abs. 8 BDSG ist, mit der Folge das ein Fall der Datenübermittlung nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG anzunehmen wäre - jedenfalls den Tatbestand der Datennutzung gemäß § 3 Abs. 5 BDSG.

15

Die Datenspeicherung und -weitergabe der ärztlichen Untersuchungsbefunde durch die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei Gesundheitsdaten nach § 3 Abs. 9 BDSG um besonders schutzbedürftige personenbezogene Daten handelt, nicht zu beanstanden. Solche Daten dürfen zwar grundsätzlich nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit der Betroffene darin einwilligt (vgl. § 4 Abs. 3 BDSG). Dies gilt indes nicht für eine kraft Gesetzes, hier nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F., zweckbezogen zulässige Verarbeitung und Nutzung von Daten (vgl. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG).

16

Zweckbezogen ist die Datenverarbeitung und -nutzung, weil die Beklagte verpflichtet war, vor einer Zurruhesetzung eine anderweitige Weiterverwendung des dienstunfähigen Beamten zu prüfen. Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 und 4 BBG a.F. ist der Dienstherr verpflichtet, vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach einer anderweitigen Verwendung des Beamten zu suchen (Grundsatz der Weiterverwendung vor Frühpensionierung). Da es um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn geht, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind, ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er nach einer Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten gesucht hat (Urteile vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25, jeweils Rn. 25 und vom 30. Mai 2013 - a.a.O. Rn. 36).

17

Bereits aufgrund dieser gesetzlichen Suchpflicht nach einer anderweitigen Weiterverwendung ist die Telekom, die nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG Dienstherrenbefugnisse ausübt, nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. berechtigt gewesen, die ihr nach Satz 1 der Norm übermittelten ärztlichen Untersuchungsbefunde zweckbezogen auch elektronisch aufbereitet zu verarbeiten und zu nutzen.

18

3. Schließlich lässt sich auch die Frage der Zulässigkeit der Übermittlung der Gesundheitsdaten des Klägers durch die personalverwaltende Behörde der Telekom an die Vivento durch Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen sicher beantworten:

19

Die nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. zulässige Verarbeitung oder Nutzung der Gesundheitsdaten im Zurruhesetzungsverfahren bewegt sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben des Personalaktenrechts. Die Gesundheitsdaten des Beamten im Zurruhesetzungsverfahren sind gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BBG a.F. nach ihrer Übersendung durch den Arzt versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Zugang zur Personalakte dürfen nur Beschäftigte haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist (§ 90 Abs. 3 Satz 1 BBG a.F.). Automatisiert verarbeitet und übermittelt werden dürfen Personalaktendaten dementsprechend nur für Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft (§ 90g Abs. 1 i.V.m. § 90d BBG a.F.). Für Unterlagen über medizinische Untersuchungen beschränkt dies § 90g Abs. 3 BBG a.F. auf die automatisierte Verarbeitung der Ergebnisse, soweit sie die Eignung betreffen und ihre Verwendung dem Schutz des Beamten dient.

20

Wer personalverwaltende Behörde bei der Telekom ist, richtet sich nach dem Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl. I 2353, PostPersRG). Nach § 1 Abs. 2 PostPersRG nimmt der Vorstand der Aktiengesellschaft die Befugnisse der obersten Dienstbehörde sowie des obersten Dienstvorgesetzten wahr. Die berufliche Tätigkeit des Beamten gilt als Dienst; die Aktiengesellschaft als Verwaltung i.S.d. Bundesbeamtengesetzes (§ 4 Abs. 2 PostPersRG). Auf welche Organisationseinheiten und Stelleninhaber unterhalb des Vorstands die Befugnisse einer Dienstbehörde oder eines Dienstvorgesetzten übertragen werden können, bestimmt nach § 3 Abs. 1 PostPersRG das Bundesministerium der Finanzen nach Anhörung oder auf Vorschlag des Vorstands der Aktiengesellschaft.

21

Fragen der Ausübung dieser Befugnis sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Diese Befugnis wird durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften wahrgenommen, denen keine Rechtssatzqualität zukommt. Aus diesem Grund gehört die auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG ergangene Anordnung des Bundesministeriums der Finanzen nicht zum revisiblen Recht im Sinn von § 137 Abs. 1 VwGO, sodass bereits deshalb es nicht gerechtfertigt ist, die Revision zuzulassen (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 14 = NVwZ 2012, 641; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. II, Stand: 25. Erg.Lfg. April 2013, § 137 Rn. 22; Eyermann/Kraft, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 10, jeweils m.w.N.).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

2

Der 1956 geborene Kläger war als Bundesbeamter im Amt eines Fernmeldebetriebsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) bei der Deutsche Telekom AG (im folgenden: Telekom) beschäftigt. Im April 2003 wies diese ihn der Personal-Service-AG (Vivento), einer Arbeitsvermittlungseinrichtung, zu. Seit Mai 2007 ist der Kläger dauernd dienstunfähig erkrankt. Der von der Telekom beauftragte Betriebsarzt erstellte ein sozialmedizinisches Gutachten. Darin teilte er die Diagnosen mit; weiter äußerte er sich zum qualitativen und quantitativen Leistungsvermögen des Klägers. Das im verschlossenen Umschlag an die Personalstelle der Telekom übersandte Gutachten leitete diese an die Vivento elektronisch weiter.

3

Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenübertragung an die Vivento - sowie - der Nutzung und Verarbeitung der Daten durch einen bestimmten Personalvermittler bei Vivento ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

4

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 ).

5

Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

- Sind Diagnosedaten solche das Gutachten tragenden Feststellungen und Gründe, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach § 46a Abs. 2 BBG alter Fassung (entsprechend § 48 Abs. 2 Satz 1 BBG neuer Fassung) mitgeteilt werden dürfen?

- Ist das Einscannen und/oder Versenden der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail, verschlüsselt oder unverschlüsselt, ein Verstoß gegen das Gebot, die Stellungnahme verschlossen zu der Personalakte des Beamten zu nehmen (§ 46a Abs. 3 Satz 1 BBG alter Fassung bzw. § 48 Abs. 2 Satz 2 BBG neuer Fassung)?

- Wenn nicht: Ist die darin liegende automatisierte Datenverarbeitung und Datenübermittlung von der Erlaubnisnorm nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG alter Fassung (bzw. § 48 Abs. 2 Satz 3 BBG neuer Fassung) gedeckt?

- Wenn ja: Ist insbesondere die Datenübermittlung an den Betrieb "Vivento" eine solche, die nach § 90d Abs. 1 BBG alter Fassung (entsprechend § 111 Abs. 1 BBG neuer Fassung) der Einwilligung des Beamten bedarf? Handelt es sich bei dem Betrieb "Vivento" um eine Behörde eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn im Sinne dieser Vorschrift? Insbesondere: Ist die Personalvermittlung durch "Vivento" eine "Personalentscheidung" im Sinne dieser Vorschrift?

6

Diese Fragen können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen würden bzw. beantwortet werden können, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

7

1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob dem Dienstherrn Diagnosedaten in einem zur Feststellung der Dienstunfähigkeit eingeholten ärztlichen Gutachten mitgeteilt werden dürfen, lässt sich auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantworten.

8

Nach § 46a Abs. 2 BBG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2001 (BBG a.F., nunmehr § 48 Abs. 2 BBG) muss ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 2 C 18.89 - Buchholz 237.6 § 56 NdsLBG Nr. 1 S.2 und Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

9

Der Inhalt des Gutachtens richtet sich nach seinem Zweck. Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zurruhesetzungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob er im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F./§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG). Der Beamte muss bereits auf der Grundlage der Anordnung seiner ärztlichen Untersuchung nachvollziehen können, ob die aufgeführten Umstände die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit rechtfertigen (Urteile vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 20 und vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 20). Das darauf folgende Gutachten muss es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss - wie vorliegend - die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, enthält sich einer verallgemeinerungsfähigen Aussage. Entscheidend kommt es deshalb auf Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

10

2. Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage nach der Rechtmäßigkeit des Einscannens und Versendens der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail ist schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil es ihr an einem konkreten Bezug zum Klageantrag mangelt. Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Übermittlung der Gesundheitsdaten an den Personalvermittler der Vivento rechtswidrig war. Diese Frage kann beantwortet werden, ohne dass es auf die Zulässigkeit des Einscannens und Versendens der Daten ankommt.

11

Im Übrigen lässt sich letztere Frage aus dem Gesetzestext mit Hilfe der Auslegungsregeln klar beantworten:

12

Gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 BBG a.F. ist die ärztliche Mitteilung über die Untersuchungsbefunde in einem gesonderten, verschlossenen und versiegelten Umschlag an die personalverwaltende Behörde zu übersenden. Dort ist die Mitteilung verschlossen zur Personalakte des Beamten zu nehmen. Dagegen erlaubt es Satz 2 derselben Vorschrift die übermittelten Daten für die im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens zu treffende Entscheidung zweckbezogen zu verarbeiten und zu nutzen. Während Satz 1 den Schutz der Gesundheitsdaten auf dem Weg vom Arzt zur personalverwaltenden Stelle und denjenigen in der Personalstelle selbst regelt, regelt Satz 2 die Verwendung der erlangten Gesundheitsdaten. Der Verwendungszweck ist dabei begrenzt auf Entscheidungen betreffend die Feststellung der Dienstunfähigkeit, die anderweitige Verwendung im Falle der Dienstunfähigkeit, die begrenzte Dienstfähigkeit, die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen und die Reaktivierung.

13

Bei ärztlichen Gutachten in dienstrechtlichen Angelegenheiten handelt es sich um besondere personenbezogene Daten im Sinn von § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 9 BDSG, die Einzelangaben über persönliche Verhältnisse des Beamten widerspiegeln. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des "Verarbeitens" und "Nutzens" dieser personenbezogenen Daten deshalb nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG auf die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 3 Abs. 4 und Abs. 5 BDSG abgestellt. Denn das Bundesbeamtengesetz enthält keine besonderen Definitionen zur Datenverwendung. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG verarbeitet personenbezogene Daten, wer sie speichert, verändert, übermittelt, sperrt und löscht. Unter dem Auffangtatbestand der Nutzung versteht § 3 Abs. 5 BDSG in Abgrenzung dazu jede Verwendung solcher Daten, die keine Verarbeitung ist (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Aufl. 2012, § 3 Rn. 42).

14

Das Einscannen der Untersuchungsbefunde - d.h. deren automatisierte optische Digitalisierung - stellt ein Verarbeiten gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG dar. Dies gilt auch für den Fall einer bloßen elektronischen Scan-Zwischenspeicherung im Rahmen eines automatisierten Verfahrens, deren Löschung im direkten zeitlichen Zusammenhang nicht gesichert ist (vgl. Dammann, in Simitis, BDSG, Kommentar, 7. Aufl. 2011, § 3 Rn. 124). Mit der Anlage eines plattformunabhängigen Dateiformats (Portable Document Format ) hat die Telekom die personenbezogenen Daten sodann auf einem Datenträger dauerhaft verkörpert und damit gespeichert (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Das innerbetriebliche Versenden der Datei an einen Personalvermittler der Vivento, erfüllt - unabhängig davon, ob Vivento Dritter i.S.v § 3 Abs. 8 BDSG ist, mit der Folge das ein Fall der Datenübermittlung nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG anzunehmen wäre - jedenfalls den Tatbestand der Datennutzung gemäß § 3 Abs. 5 BDSG.

15

Die Datenspeicherung und -weitergabe der ärztlichen Untersuchungsbefunde durch die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei Gesundheitsdaten nach § 3 Abs. 9 BDSG um besonders schutzbedürftige personenbezogene Daten handelt, nicht zu beanstanden. Solche Daten dürfen zwar grundsätzlich nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit der Betroffene darin einwilligt (vgl. § 4 Abs. 3 BDSG). Dies gilt indes nicht für eine kraft Gesetzes, hier nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F., zweckbezogen zulässige Verarbeitung und Nutzung von Daten (vgl. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG).

16

Zweckbezogen ist die Datenverarbeitung und -nutzung, weil die Beklagte verpflichtet war, vor einer Zurruhesetzung eine anderweitige Weiterverwendung des dienstunfähigen Beamten zu prüfen. Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 und 4 BBG a.F. ist der Dienstherr verpflichtet, vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach einer anderweitigen Verwendung des Beamten zu suchen (Grundsatz der Weiterverwendung vor Frühpensionierung). Da es um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn geht, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind, ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er nach einer Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten gesucht hat (Urteile vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25, jeweils Rn. 25 und vom 30. Mai 2013 - a.a.O. Rn. 36).

17

Bereits aufgrund dieser gesetzlichen Suchpflicht nach einer anderweitigen Weiterverwendung ist die Telekom, die nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG Dienstherrenbefugnisse ausübt, nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. berechtigt gewesen, die ihr nach Satz 1 der Norm übermittelten ärztlichen Untersuchungsbefunde zweckbezogen auch elektronisch aufbereitet zu verarbeiten und zu nutzen.

18

3. Schließlich lässt sich auch die Frage der Zulässigkeit der Übermittlung der Gesundheitsdaten des Klägers durch die personalverwaltende Behörde der Telekom an die Vivento durch Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen sicher beantworten:

19

Die nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. zulässige Verarbeitung oder Nutzung der Gesundheitsdaten im Zurruhesetzungsverfahren bewegt sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben des Personalaktenrechts. Die Gesundheitsdaten des Beamten im Zurruhesetzungsverfahren sind gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BBG a.F. nach ihrer Übersendung durch den Arzt versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Zugang zur Personalakte dürfen nur Beschäftigte haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist (§ 90 Abs. 3 Satz 1 BBG a.F.). Automatisiert verarbeitet und übermittelt werden dürfen Personalaktendaten dementsprechend nur für Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft (§ 90g Abs. 1 i.V.m. § 90d BBG a.F.). Für Unterlagen über medizinische Untersuchungen beschränkt dies § 90g Abs. 3 BBG a.F. auf die automatisierte Verarbeitung der Ergebnisse, soweit sie die Eignung betreffen und ihre Verwendung dem Schutz des Beamten dient.

20

Wer personalverwaltende Behörde bei der Telekom ist, richtet sich nach dem Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl. I 2353, PostPersRG). Nach § 1 Abs. 2 PostPersRG nimmt der Vorstand der Aktiengesellschaft die Befugnisse der obersten Dienstbehörde sowie des obersten Dienstvorgesetzten wahr. Die berufliche Tätigkeit des Beamten gilt als Dienst; die Aktiengesellschaft als Verwaltung i.S.d. Bundesbeamtengesetzes (§ 4 Abs. 2 PostPersRG). Auf welche Organisationseinheiten und Stelleninhaber unterhalb des Vorstands die Befugnisse einer Dienstbehörde oder eines Dienstvorgesetzten übertragen werden können, bestimmt nach § 3 Abs. 1 PostPersRG das Bundesministerium der Finanzen nach Anhörung oder auf Vorschlag des Vorstands der Aktiengesellschaft.

21

Fragen der Ausübung dieser Befugnis sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Diese Befugnis wird durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften wahrgenommen, denen keine Rechtssatzqualität zukommt. Aus diesem Grund gehört die auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG ergangene Anordnung des Bundesministeriums der Finanzen nicht zum revisiblen Recht im Sinn von § 137 Abs. 1 VwGO, sodass bereits deshalb es nicht gerechtfertigt ist, die Revision zuzulassen (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 14 = NVwZ 2012, 641; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. II, Stand: 25. Erg.Lfg. April 2013, § 137 Rn. 22; Eyermann/Kraft, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 10, jeweils m.w.N.).

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.

(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.

(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.

(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11.7.2007 – 5 K 71/06 – abgeändert und der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids verpflichtet, den Beigeladenen aufzugeben, den auf ihrem Grundstück Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 in Flur 16 der Gemarkung Außen (Anwesen A-Straße) grenzständig errichteten zweigeschossigen Wohnhausanbau mit oben liegender Terrasse zu beseitigen, diese Anordnung mit Zwangsmitteln für den Fall der Nichtbefolgung zu versehen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Beklagte, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen einerseits der Beklagte und andererseits die Beigeladenen jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen – in beiden Instanzen – werden nicht erstattet.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens Sch... Straße ... in A-Stadt (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1 in Flur 16 der Gemarkung A). Daran grenzt rückseitig das über die rechts vom Grundstück der Kläger liegende Parzelle Nr. 159/2 erschlossene Grundstück der Beigeladenen (Nr. ..., Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2) an. Darauf befindet sich neben einem Wohnhaus (A-Straße) ein bis auf die gemeinsame Grenze reichender zweigeschossiger Anbau mit Garage und darüber befindlichem Wohnraum. Die Kläger wenden sich gegen die Benutzung des auf der Höhe des Dachgeschosses des Wohngebäudes der Beigeladenen liegenden Flachdachs dieses Anbaus als Terrasse.

Der Anbau wurde im Jahr 1979 von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen, , ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet und auch nie nachträglich vom Beklagten zugelassen. Im Zuge der Ausführung hatten die Rechtsvorgänger der Beigeladenen ein in der Giebelwand des Hauses befindliches Fenster durch eine Tür ersetzt, um das mit einem Geländer umwehrte Dach des Anbaus als Terrasse nutzen zu können. Eine daraufhin vom Rechtsvorgänger der Kläger, , hinsichtlich des Anbaus eingeleitete zivilgerichtliche Nachbarstreitigkeit vor dem Amtsgericht in Lebach wurde im Jahre 1983 durch gerichtlichen Vergleich beendet. Darin verpflichteten sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen, die vom Elternschlafzimmer auf den Balkon hinausführende Tür wieder in Höhe des neben der Tür befindlichen Fensters zuzumauern, um eine „Begehung des Balkons auszuschließen“. Diese Vereinbarung haben die Rechtsvorgänger der Beigeladenen baulich umgesetzt.

Im April 1998 erwarben die Beigeladenen ihr Grundstück (Nr. ...). Im Jahre 2002 stellten sie den ursprünglichen Zustand durch neuerlichen Einbau einer Tür in die Giebelwand als Zugang zu dem Dach des Anbaus wieder her und nutzten dieses als Terrasse. Daraufhin forderten die Kläger als nunmehrige Eigentümer des Anwesens Nr. ... die Beigeladenen im Oktober 2002 unter Hinweis auf die Bindungswirkung des Vergleichs auf, diese Veränderungen erneut rückgängig zu machen.

Nachdem die Beigeladenen das abgelehnt und sich lediglich zur Anbringung eines Sichtschutzes bereit erklärt hatten, wandten sich die Kläger im Dezember 2002 an den Beklagten und baten diesen, die erforderlichen rechtlichen Schritte gegen die Beigeladenen bezüglich der rechtswidrigen Nutzung des „Balkons“ auf dem nicht genehmigten Wohnhausanbau in die Wege zu leiten. Im März 2003 konkretisierten die Kläger diese Forderung dahingehend, dass die „Nutzung des rechtswidrigen Bauwerks sofort zu untersagen und dessen Beseitigung zu veranlassen“ sei.

Durch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Schreiben an die Kläger vom 11.7.2003 lehnte der Beklagte ein Einschreiten ab und verwies zur Begründung darauf, dass aufgrund des 1983 geschlossenen Vergleichs zwischen den Rechtsvorgängern Ansprüche auf Beseitigung oder auf Erlass einer Nutzungsuntersagung „aus öffentlich-rechtlicher Sicht als verwirkt anzusehen“ seien. Die Wiederherstellung der Türöffnung durch die Beigeladenen stelle aus öffentlich-rechtlicher Sicht keine Verletzung der Kläger in geschützten Nachbarrechten dar.

Der dagegen erhobene Widerspruch der Kläger wurde im Juni 2004 zurückgewiesen. (vgl. den auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses – KRA 196/03 –) In der Begründung heißt es unter anderem, die Rechtsvorgänger der Kläger hätten 1983 bewusst auf ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich des illegalen Anbaus verzichtet und ihre Nachbarrechte zivilrechtlich durchgesetzt. Diese Entscheidung binde die Kläger. Sie könnten nicht nach 20 Jahren nunmehr ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde verlangen. Ein solcher Anspruch sei, sofern er irgendwann bestanden haben sollte, verwirkt. Der Vergleich sei für die Bauaufsichtsbehörde Anlass gewesen, nicht gegen den illegalen Bau einzuschreiten. Die Rechtsvorgänger der Beigeladenen hätten darauf vertrauen dürfen, dass die Rechtsvorgänger der Kläger den Anbau akzeptierten. Wenn sich die Beigeladenen nun nicht an den Vergleich hielten, seien die Kläger erneut auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, für den sich ihre Rechtsvorgänger entschieden hätten.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage haben die Kläger auf die Nichteinhaltung der Abstandsfläche durch den Wohnhausanbau und eine durch die Nutzung der Dachterrasse bedingte Verletzung ihrer Privatsphäre verwiesen. Bei Erlass eines Benutzungsverbots für die Terrasse, der Beseitigung von Umwehrung und Handlauf sowie einer „Vermauerung“ der Zugangstür bis auf Höhe der Fensterbrüstung stehe das dafür streitende auch öffentliche Interesse in angemessenem Verhältnis zur Erheblichkeit des Eingriffs in private Belange der Beigeladenen. Diesen seien beim Grundstückserwerb die Vereinbarungen und der Bauzustand bekannt gewesen. Ein Einschreiten des Beklagten sei ungeachtet des Zeitablaufs seit Errichtung des Anbaus geboten. Ihnen stehe als betroffenen Nachbarn ein darauf gerichteter subjektiver Anspruch zu. Ihrem Verhalten und dem ihrer Rechtsvorgänger habe nie entnommen werden können, dass sie keine Abwehransprüche gegen den Anbau geltend machen würden, da sie sich jeweils umgehend „gewehrt“ hätten, sobald die baulichen Voraussetzungen für die von ihnen nie tolerierte Benutzung des Dachs als Terrasse geschaffen worden seien. Die Entscheidung des Beklagten, nicht tätig zu werden, sei auch willkürlich. Zivilrechtliche Absprachen könnten die Rechtslage hinsichtlich des öffentlichen Baurechts nicht beeinflussen. In der Beschreitung des Zivilrechtswegs sei kein Verzicht auf den Einschreitensanspruch oder dessen Durchsetzung zu erblicken. Der Anbau sei in dieser Form auch nicht nachträglich genehmigungsfähig. Insbesondere die Widerspruchsbehörde habe sich auch nicht mit der Frage beschäftigt, ob Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche für sie überhaupt zivilrechtlich durchsetzbar seien. Immerhin bedürfe es für eine Titelumschreibung und Vollstreckung einer „komplizierten Konstruktion“. Ihnen könne nicht das Prozessrisiko einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung aufgebürdet werden.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, die auf ihrem Hausanbau an der gemeinsamen Grenze zum Grundstück der Kläger auf dem Grundstück Gemarkung A, Flur 16, Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 (Sch… Straße ...), auf dem Flachdach aufgesetzte Umwehrung zu beseitigen und die auf das Flachdach führende Türöffnung bis zur Brüstungshöhe zuzumauern, damit eine Begehung des Flachdachs ausgeschlossen ist.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Verwaltungsentscheidungen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben in erster Instanz keinen Antrag gestellt. Sie haben vorgetragen, die Kläger, die auf die „Durchführung eines Abrisses des Anbaus verzichtet“ hätten, könnten auch mit Blick auf das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme keinen Schutz vor einer Einsichtnahme in ihr Grundstück verlangen. Nach der Flurkarte seien die Hauptgebäude in der näheren Umgebung fast sämtlich grenzständig erbaut. Die Situation der nächstgelegenen Bebauung sei von einer Bauweise geprägt, die verstärkt Einsichtsmöglichkeiten biete. Diese müssten in einem erhöhten Maße hingenommen werden. Die umstrittene Dachterrasse, die keine weitergehenden Einsichtsmöglichkeiten biete als ein Fenster, sei etwa 17 m vom Haus der Kläger entfernt. Dazwischen befinde sich lediglich eine Wiese. Ein Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften lasse sich nicht feststellen. Die nicht überdachte Terrasse verursache keine gebäudegleichen Wirkungen und sei daher abstandsflächenrechtlich irrelevant. Die rein subjektive Empfindung der Kläger, es läge eine Störung vor, sei nicht von Belang. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die Nutzungsänderung daher genehmigungsfähig. An den 1983 geschlossenen Vergleich seien sie nicht gebunden, da sie beim Erwerb des Grundstücks diesbezüglich gutgläubig gewesen seien. Der Verkäufer habe ihnen im Vertrag garantiert, dass keine Auflagen der Baubehörden bestünden und dass alle Baulichkeiten genehmigt seien.

Durch Urteil vom 11.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist zu lesen, den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch auf Einschreiten nicht zu. Zwar habe der Nachbar einen Anspruch auf Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften. Der zweigeschossige Wohnhausanbau sei abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert. Der Verstoß gegen die anerkannt nachbarschützenden Bestimmungen könne auch nicht durch einen Dispens „überwunden“ werden. Bei dieser Sachlage habe der betroffene Nachbar „im Grundsatz“ einen Anspruch auf bauaufsichtsbehördliches Vorgehen. Ferner sei anerkannt, dass die Möglichkeit eines zivilrechtlichen Nachbarschutzes weder die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Ansprüche hindere, noch den behördlichen Ermessensspielraum erweitere. Eine Verpflichtung der Behörde zum Einschreiten sei gleichwohl dann nicht anzuerkennen, wenn der Nachbar – wie hier die Kläger – im Besitz eines rechtskräftigen Titels gegen den Bauherrn und daher ohne „erneute umfängliche Anrufung von Gerichten“ in der Lage sei, seine Rechte zu wahren. Hierzu gehöre auch die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich. Bislang sei nicht streitig, dass die Rechtsvorgänger der privaten Beteiligten vor dem Amtsgericht Lebach einen Vergleich geschlossen hätten, dessen Inhalt nach wie vor auch gegen Rechtsnachfolger vollstreckt werden könne. Auf die Möglichkeit einer Umschreibung des Titels hätten die Kläger selbst hingewiesen. Die Erfolglosigkeit dieses Weges sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Demgegenüber erscheine der Erfolg der baurechtlichen Nachbarklage angesichts der unvollständigen Bauakten des Beklagten und des wegen der Vergleichsbereitschaft der Rechtsvorgänger der Kläger sowie wegen des aufgrund der über Jahrzehnte währenden Hinnahme der Baumaßnahme mit in den Blick zu nehmenden Gesichtspunkts der Verwirkung „eher ungewiss“. Von daher sei die Vollstreckung aus dem zivilrechtlichen Titel die einfachere Möglichkeit für die Kläger, ihre Rechte durchzusetzen. Die Gewährung öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes im Wege eines bauaufsichtsbehördlichen Einschreitens sei bei dieser Sachlage nicht erforderlich.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –) gegen dieses Urteil machen die Kläger geltend, sie seien gerade nicht im Besitz eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels gegen die Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht habe selbst die Notwendigkeit einer Titelumschreibung angesprochen. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Inhalt des Vergleichs nach wie vor völlig unproblematisch und kurzfristig gegen die Beigeladenen durchsetzbar sei. Sie hätten bereits im September 2003 einen Antrag auf Umschreibung des Titels und auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung beim Amtsgericht Lebach gestellt. (vgl. dazu das in Anlage zum Berufungszulassungsantrag vorgelegte Schreiben an das Amtsgericht Lebach vom 23.9.2003, Blatt 115 der Gerichtsakte) Dabei sei zu problematisieren, ob die Rechtskraft des zwischen den jeweiligen Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleichs für und gegen die Rechtsnachfolger wirke und ob es sich bei den Nachbargrundstücken um streitbefangene Gegenstände handele, weil auf der rechtlichen Beziehung zu den Grundstücken ihre Aktivlegitimation und die Passivlegitimation der Beigeladenen beruhe. Die rechtlichen Beziehungen zu den Grundstücken könnten sich sowohl auf ein dingliches Recht als auch auf dem jeweiligen Eigentümer zustehende Ansprüche, im konkreten Fall nach den §§ 985, 1004 BGB stützen. Aus dem Anspruch aus § 1004 BGB ergebe sich die Aktivlegitimation der Kläger, aus der Störung durch Schwarzbau und Terrassennutzung die Passivlegitimation der Beigeladenen. Die Umschreibung des Titels erfolge also nicht rein formal, sondern erst nach rechtlicher Prüfung. Bevor das Amtsgericht in eine solche eingetreten sei, hätten die Beigeladenen behauptet, dass ihnen – den Klägern – keine Rechte aus § 1004 BGB zustünden und ihr Rechtsvorgänger zur Herausgabe des Titels nach Erfüllung verpflichtet gewesen sei. (vgl. dazu das Schreiben der Beigeladenen an das Amtsgericht Lebach vom 17.12.2003, Ablichtung Blatt 117 der Gerichtsakte) Für den Fall der Umschreibung hätten die Beigeladenen bereits eine Vollstreckungsabwehrklage in Aussicht gestellt. Daher hätten sie sich entschlossen, ihre Rechte zunächst auf dem „weit einfacheren und zügigeren“ verwaltungsprozessualen Weg weiter zu verfolgen. Der Beklagte sei aufgrund einer entsprechenden Ermessenreduzierung verpflichtet, gegen den gesamten Grenzanbau in seiner jetzigen Form vorzugehen und dessen Abriss anzuordnen. Erst Recht könnten sie – die Kläger – daher ein Vorgehen gegen einen von ihnen beanstandeten Teil des Anbaus, hier die Dachterrasse, verlangen. „Neben der Sache“ liege die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Erfolg des baurechtlichen Nachbarstreits eher ungewiss sei. Dass es bei dem Beklagten keine Bauakten für den Anbau gebe, könne nicht verwundern, da es sich unstreitig um einen Schwarzbau handele. Das könne ihnen nicht zum Nachteil gereichen. Was die Vergleichsbereitschaft ihres Rechtsvorgängers mit einem Erfolg der Klage zu tun haben sollte, sei nicht nachvollziehbar; dabei gerate ihr Anliegen „völlig aus dem Blick“. Sie verlangten im Ergebnis ein Zumauern der Türöffnung bis auf Brüstungshöhe, um die Begehung und Benutzung des Flachdachs auszuschließen, also die Wiederherstellung der im Vergleich zwischen den Rechtsvorgängern gefundenen Lösung, und eine Entfernung der Umwehrung, um die Terrassennutzung „mit Sicherheit“ auszuschließen. Das könne nicht durch jahrzehntelange Hinnahme des Schwarzbaus ausgeschlossen werden. Auch auf ihre angebliche, ohnehin sehr zweifelhafte „Gutgläubigkeit“ beim Erwerb des Anwesens könnten sich die Beigeladenen jedenfalls ihnen gegenüber nicht berufen.

Die Kläger, die im Rechtsmittelverfahren zunächst ihr erstinstanzlich formuliertes Begehren weiterverfolgt haben, beantragen nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.7.2007 – 5 K 71/06 – den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, den auf ihrem Grundstück Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 in Flur 16 der Gemarkung A (Anwesen A-Straße) grenzständig errichteten zweigeschossigen Wohnhausanbau zu beseitigen, diese Anordnung mit geeigneten Zwangsmitteln für den Fall der Nichtbefolgung zu versehen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Der Beklagte und die Beigeladenen sehen in der Umstellung des Antrags eine Klageänderung, der beide in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich widersprochen haben.

Der Beklagte beantragt ferner,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dem Vorbringen der Kläger lasse sich nicht entnehmen, dass sie auf das Schreiben der Beigeladenen an das Amtsgericht Lebach vom Dezember 2003 reagiert hätten, um das Verfahren zur Umschreibung des Titels beziehungsweise das Vollstreckungsverfahren weiter zu betreiben. Daher sei nicht erkennbar, ob die Titelumschreibung erhebliche Streitigkeiten nach sich gezogen hätte. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe sich seinerzeit für die zivilrechtliche Durchsetzung der Nachbarrechte entschieden. Daran seien die Kläger gebunden und könnten nicht nach 20 Jahren auf einem Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde bestehen.

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweisen auf ihr bisheriges Vorbringen und machen geltend, die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei nicht der Ort, bei Vorliegen eines zivilrechtlichen Titels vollstreckungsrechtliche Einzelfragen zu klären. Vermeintlich bestehende Nachbarrechte der Kläger seien zudem verwirkt. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe nicht den Abriss des Grenzbauwerks betrieben. Der Dachterrasse komme insoweit keine selbständige rechtliche Bedeutung zu. Sie sei abstandsflächenrechtlich für sich genommen irrelevant. Es handele sich um einen unselbständigen und untergeordneten Teil des Grenzbauwerks und sein daher von der Verwirkung der Nachbarrechte „umfasst“. Gegen den Anbau hätten weder die Kläger noch ihr Rechtsvorgänger Einwände erhoben. Der Vergleich sei ihnen – den Beigeladenen – bei Abschluss des Kaufvertrags nicht bekannt gewesen und der Verkäufer habe ihnen zugesichert, dass alle Baulichkeiten genehmigt seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der zugehörigen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

A.

Die vom Senat zugelassene und fristgerecht mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger ist auch sonst zulässig.

Die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens vorgenommene Neufassung des Klageantrags auf – nunmehr – die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer Beseitigungsanordnung für den grenzständigen Wohnhausanbau auf dem Grundstück der Beigeladenen unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es ist bereits fraglich, ob hierin eine Änderung des Streitgegenstands zu erblicken ist, da das Einschreitensbegehren eines Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in der Sache immer auf eine Ausräumung materieller Nachbarrechtsverstöße durch das von ihm bekämpfte Bauvorhaben mit den der Behörde durch die Landesbauordnung eröffneten Möglichkeiten des Vorgehens gegen den Bauherrn zielt und vom Nachbarn regelmäßig keine abschließende rechtliche Prüfung hinsichtlich der insoweit im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden Einschreitensbefugnisse und ihrer Grenzen verlangt werden kann. Selbst wenn man aber, wie dies der Beklagte und die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung getan haben, die Umstellung des Antrags als Änderung der Klage ansieht, so wäre diese in jedem Falle sachdienlich und daher zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO). Ansprüche privater Nachbarn auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber Dritten können sich von vornherein nur im Rahmen der durch die einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnung eröffneten Befugnisse zum Tätigwerden nach den §§ 57 Abs. 2, 81, 82 LBO 2004 ergeben. Diese Vorschriften ermächtigen nicht zum Erlass von Baugeboten in Form einer Verpflichtung zur baulichen Änderung bestehender Anlagen (vgl. zur fehlenden Befugnis der Bauaufsichtsbehörden zum Erlass sog. Baugebote selbst bei der Durchsetzung verbindlicher nachbarlicher Vorbehalte in Genehmigungsverfahren, die Gegenstand der behördlichen Zulassungsentscheidung geworden sind OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192, wonach insoweit regelmäßig nur die Anordnung der Beseitigung entsprechend nicht genehmigungskonform ausgeführter Anlagen in Betracht kommt) und lassen daher hier keinen Raum zumindest für die im erstinstanzlichen Klageantrag von den Klägern geforderte Rückbaumaßnahme hinsichtlich der von den Beigeladenen in die Giebelwand ihres Wohnhauses eingebauten Zugangstür zur Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Die Anordnungsbefugnisse des Beklagten umfassen – bei Vorliegen der in § 82 Abs. 1 LBO 2004 genannten Voraussetzungen – vielmehr lediglich die Beseitigung des insoweit rechtlich als Einheit zu betrachtenden Anbaus in seiner Gesamtheit. Die Änderung des Antrags durch die Kläger dient einer abschließenden Klärung der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Bauwerks und der rechtlichen Beziehungen der Kläger zum Beklagten mit Blick auf das von ihnen seit Jahren verlangte Tätigwerden. Die Sachdienlichkeit (§ 91 Abs. 1 VwGO) ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen. Das Verlangen auf Anordnung der Beseitigung des Anbaus war bereits Gegenstand des Verwaltungsantrags der Kläger und „spielte sich“ daher entgegen der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht lediglich in deren „Hinterkopf“ ab. Bereits in dem Schreiben der Kläger vom 20.3.2003 an den Beklagten heißt es ausdrücklich, dass der Anbau die notwendigen Abstandsflächen nicht einhalte, weswegen neben der Nutzungsuntersagung auch „die Beseitigung des rechtswidrigen Bauwerks zu veranlassen“ sei. Das hätte dem Beklagten unter Ermessensgesichtspunkten von vornherein Veranlassung geben müssen, sich mit diesem Begehren der Kläger zu befassen und den Gesichtspunkt in seine Erwägungen einzubeziehen.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Die Weigerung des Beklagten zum Einschreiten ist gegenüber den Klägern rechtswidrig und verletzt diese in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Beseitigungsanordnung bezüglich des grenzständigen Wohnhausanbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem § 82 Abs. 1 LBO 2004, wonach die Bauaufsichtsbehörden die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen können, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und rechtmäßig Zustände auf andere Weise nicht hergestellt werden können, in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen in § 7 LBO 2004 über die vor Gebäudeaußenwänden auf dem Baugrundstück einzuhaltenden Abstandsflächen (Grenzabstände).

1. Der bis auf die gemeinsame Grenze mit dem Grundstück der Kläger (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1) reichende Wohnhausanbau verstößt gegen das Grenzabstandsgebot des § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004. Danach sind vor Außenwänden von Gebäuden auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) Abstandsflächen freizuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 7 Abs. 5 Satz 4 LBO 2004). Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBO 2004, nach denen abweichend von dieser Grundregel Abstandsflächen nicht erforderlich sind (Satz 2) beziehungsweise „ohne Grenzabstand“ gebaut werden darf, liegen hier nicht vor. Insbesondere wurde das Grundstück der Kläger nicht ohne Grenzabstand bebaut (Satz 3). Für diese Beurteilung ist mit Blick auf das den Abstandsflächenregelungen zugrunde liegende nachbarliche Austauschverhältnis allein auf die gemeinsame Grenze des Baugrundstücks mit dem Grundstück des sich gegen eine Grenzbebauung wendenden Nachbarn abzustellen. (vgl. zu den sich allgemein aus der Novellierung des Abstandsflächenrechts im Jahre 2004 ergebenden weitergehenden Möglichkeiten „einvernehmlicher“ Grenzbebauung Bitz, „Die neuere Rechtsprechung zum Abstandsflächenrecht der Landesbauordnung 2004“, SKZ 2009, 158 ff.)

Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung der Beigeladenen kommt es dabei nicht entscheidend darauf an, ob nach der Flurkarte Hauptgebäude in der näheren Umgebung ohne die Einhaltung von Grenzabständen errichtet worden sind oder nicht. Anhaltspunkte für einen aus der faktischen Umgebungsbebauung im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO 2004, 34 Abs. 1 BauGB wegen Nichteinfügens einer Bebauung mit Grenzabstand ergebenden strikten bauplanungsrechtlichen Zwang zur Grenzbebauung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nicht zulässig ist ferner die von den Beigeladenen geforderte isolierte abstandsflächenrechtliche Beurteilung (nur) der Dachterrasse auf der Grundlage des § 7 Abs. 7 Satz 1 LBO 2004. Die Terrasse mit den diese Benutzung des Flachdachs ermöglichenden baulichen Einrichtungen ist untrennbarer Bestandteil des Wohnhausanbaus, auf dessen Dach sie eingerichtet ist und der mit Ausnahme untergeordneter Bauteile nach § 7 Abs. 6 LBO 2004 einer einheitlichen Beurteilung zu unterziehen ist. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 53, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.8.1999 – 2 Q 31/99 – (Dachgeländer), Urteil vom 14.12.1999 – 2 R 4/99 –, SKZ 2000, 103, Leitsatz Nr. 57 (Rollmarkise))

2. Die materielle Illegalität des 1979 errichteten Bauwerks (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) erfasst den gesamten Zeitraum seines Bestands. Der aus dem Abstandsflächenrecht herzuleitende Widerspruch zum Bauordnungsrecht ergab sich auch aus den einschlägigen Vorläuferbestimmungen in den §§ 6 LBO 1996 und 6 LBO 1988 und aus den Vorschriften über die von Gebäudeaußenwänden und insbesondere von „betretbaren Anbauten“ gegenüber den Grundstücksgrenzen einzuhaltenden Abstände (Bauwiche) nach § 7 Abs. 1 und Abs. 8 LBO 1974/80. Dass nach § 7 Abs. 4 Satz 3 LBO 1974/80 bis zur Änderung der Bauordnung im Jahre 1988 noch Terrassen auf „Grenzgaragen“ gestattet werden konnten, wenn sie einen Abstand von mindestens 2 m von der Grenze einhielten, lässt in mehrfacher Hinsicht keine andere Beurteilung zu. Zum einen handelte es sich bei dem Grenzanbau hier nicht um eine die dafür geltenden gesetzlichen Grenzen, insbesondere hinsichtlich der Höhenvorgaben, wahrende privilegierte Grenzgarage (§ 7 Abs. 5 LBO 1974/80). Zum anderen wurde die nunmehr maßgebliche erneute Änderung der Anlage im Dachbereich erst im Jahr 2002 von den Beigeladenen ins Werk gesetzt.

3. Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht wäre mangels Vorliegens der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen auch zu keinem Zeitpunkt durch die Gewährung einer Abweichung (§ 68 LBO 2004) oder – früher – einer Befreiung (§§ 75 Abs. 3 LBO 1996, 64 Abs. 1 LBO 1988, 95 Abs. 1 LBO 1974/80) mit Blick auf eine atypische Sachverhaltskonstellation im Einzelfall und damit im Sinne des § 82 Abs. 1 LBO 2004 aus heutiger Sicht „auf andere Weise“ ausräumbar gewesen. Zum einen liegen grundstücksbezogene Besonderheiten des Einzelfalls hier offensichtlich nicht vor. Zum anderen hat die Rechtsprechung aus der in diesen Vorschriften durchgängig vom Gesetzgeber geforderten Würdigung nachbarlicher Interessen auf der Tatbestandsseite hergeleitet, dass eine Befreiung von nachbarschützenden Anforderungen des Bauordnungsrechts gegen den Willen der betroffenen Nachbarn in aller Regel nicht in Betracht kam. Das gilt auch für die nunmehr in § 68 Abs. 1 LBO 2004 vorgesehene Abweichungsmöglichkeit.

4. Im Falle einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften des materiellen Baurechts verdichtet sich das der zuständigen Behörde – hier dem Beklagten – auf der Rechtsfolgeseite des § 82 Abs. 1 LBO 2004 vom Gesetzgeber eingeräumte Entschließungsermessen für ein Tätigwerden in aller Regel zu einem positiven Anspruch des betroffenen Nachbarn auf Tätigwerden zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes. Das ist auch hier der Fall. Einschränkungen ergeben sich insoweit im konkreten Fall zunächst nicht aus einem Vorliegen behördlicher Zulassungsentscheidungen für den Wohnhausanbau. Dieser wurde – unstreitig – vom Rechtsvorgänger der Beigeladenen ohne die damals nach den §§ 87 ff. LBO 1974/80 erforderliche Baugenehmigung errichtet und in der Folge von der Bauaufsichtsbehörde ungeachtet ihres gesetzlichen Auftrags (heute: § 57 Abs. 2 LBO 2004) nie überprüft, geschweige denn genehmigt.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen, die – was im Übrigen bezogen auf die Nutzung des vollständigen, sich in mehreren Metern Höhe befindenden Daches des grenzständigen Anbaus ohnehin sehr stark bezweifeln lässt – eine Störung der Kläger in ihrem Eigentum in Abrede stellen, setzt eine Ermessensreduzierung auf Null und damit der nachbarliche Einschreitensanspruch gegen die sich aus den Bestimmungen über die Abstandsflächen ergebende Grenzabstandserfordernisse unterschreitende Gebäude insbesondere nicht die Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit durch das Bauwerk voraus. (ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte, so bereits OVG des Saarlandes, Urteil vom 6.3.1987 – 2 R 180/84 –, BRS 47 Nr. 100 unter Hinweis auf die „zentimeterscharf“ konzipierte Abstandsverpflichtung) Insofern gilt für den § 82 Abs. 1 LBO 2004 nichts anderes als für die entsprechenden Vorläuferbestimmungen. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 99) Die saarländischen Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004) sind (auch) an die Stelle der früheren Regelungen über die Sozialabstände (§ 8 LBO 1974/80) getreten, wobei der Gesetzgeber bei der diesen Gesichtspunkt ausdrücklich einbeziehenden Novellierung des Grenzabstandsrechts im Saarland im Jahre 1988 (§§ 6, 7 LBO 1988) ausdrücklich auch die weitere Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des Nachbarfriedens im Blick hatte. Für die aktuellen Nachfolgebestimmungen über die insbesondere von Gebäuden einzuhaltenden Abstandsflächenvorschriften in den §§ 7 und 8 LBO 2004 gilt nichts anderes. (vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 19 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien; OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.11.2000 – 2 R 2/00 –, SKZ 2001, 111, Leitsatz Nr. 48, BRS 63 Nr. 135)

5. Die Kläger sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht aufgrund von Besonderheiten des konkreten Falls an der Geltendmachung ihres Abwehrrechts und damit des Anspruchs gegen den Beklagten gehindert.

a. Der Einschreitensanspruch der Kläger nach § 82 Abs. 1 LBO 2004 gegenüber dem „Schwarzbau“ wegen Verletzung des materiellen Grenzabstandsgebots kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht mit Blick auf den Bestandszeitraum des Wohnhauses von nunmehr über 20 Jahren als gemäß § 242 BGB entspr. verwirkt angesehen werden. (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen dieses auch gegenüber sog. ungenehmigten „Schwarzbauten“ im öffentlichen Baunachbarrecht beachtlichen Verlusttatbestands Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 73, 77 ff.)

Weder die Kläger noch – insoweit zurechenbar – ein Rechtsvorgänger haben in der Vergangenheit durch ihr Verhalten den Beigeladenen beziehungsweise deren Rechtsvorgängern zu irgendeinem Zeitpunkt – geschweige denn über einen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Hinnahme des Bauwerks begründenden Zeitraum Veranlassung zu der Annahme gegeben, dass der grenzständige Wohnhausanbau in seiner jetzigen Form, das heißt mit einem als Terrasse benutzbaren Flachdach, hingenommen würde. Der Voreigentümer des Wohnhauses der Kläger hat unmittelbar nach der Ausführung der Anlage um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht und über einen mit den Bauherrn geschlossenen zivilgerichtlichen Vergleich den Rückbau der Terrasse, insbesondere die Schließung der Zugangstür erreicht, die baulich umgesetzt wurde und anschließend bis zur Änderung durch die Beigeladenen im Jahre 2002 Bestand hatte. Gegen den erneuten Einbau der Tür haben sich die Kläger zeitnah sowohl in Schreiben an die Beigeladenen als auch, nachdem diese einen erneuten Rückbau abgelehnt hatten, an den Beklagten gewandt.

Ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Verwirkung von sich aus dem materiellen Bundesbaurecht ergebenden nachbarlichen Abwehransprüchen gegen Bauvorhaben entwickelten strengen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Kausalitätskriteriums zwischen einem Untätigbleiben des Nachbarn und einer darauf aufbauenden Vertrauensbetätigung durch den Bauherrn (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.5.1991 – 4 C 4.89 –, BRS 52 Nr. 218) auf die Verwirkung landesrechtlicher Abwehrrechte vollumfänglich zu übertragen sind und ob insoweit hier überhaupt eine Verwirkung des Anspruchs der Kläger in Betracht käme, kann daher auf sich beruhen.

b. Dem Begehren auf Erlass einer Beseitigungsanordnung durch den Beklagten für den streitgegenständlichen Wohnhausanbau kann auch nicht der Einwand eines darin liegenden Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens entgegen gehalten werden. ( vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.5.1996 – 2 R 24/95 -, SKZ 1996, 266, Leitsatz Nr. 20, wonach die im Rahmen eines Zivilprozesses abgegebene Erklärung des Nachbarn, er erhebe keine Einwendungen gegen ein bestimmtes Bauvorhaben, die Erhebung des Widerspruchs gegen die für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des ‚ venire contra factum proprium ’ unzulässig machen kann, und Beschluss vom 14.3.1983 – 2 R 14/82 –, BRS 40 Nr. 209 ) Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass sowohl ihr Rechtsvorgänger, wie sich dem zwischen ihm und den Bauherrn im Jahre 1983 vor dem Amtsgericht in Lebach geschlossenen Vergleich entnehmen lässt, als auch die Kläger, wie bereits die Fassung ihres Klageantrags in erster Instanz zeigt, bereit waren beziehungsweise sind, den formell und materiell illegalen Grenzbau zu tolerieren, sofern die Benutzung des Flachdaches als Terrasse „über“ ihrem Garten beziehungsweise Außenwohnbereich unterbleibt und die diese Nutzung ermöglichenden baulichen Vorkehrungen in Form einer Zugangstür im Giebel des Wohnhauses und einer Umwehrung der dann betretbaren Dachfläche (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 LBO 2004) „zurückgebaut“ werden. Aus dem eindeutig an diese Vorbedingung geknüpften nachbarlichen Einverständnis vermögen die Beigeladenen offensichtlich keine Verpflichtung zur Hinnahme des Anbaus in seiner nunmehr insoweit gerade entgegen der nachbarlichen Bedingung wiederum veränderten Form mit der Terrasse auf dessen Flachdach herzuleiten.

Eine Bindung der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Rechtsvorgänger 1983 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit Nachbarn, die sich im Rahmen eines Zivilprozesses mit einem ursprünglich von ihnen bekämpften Bauvorhaben in einer bestimmten Form einverstanden erklärt hatten, anschließend unter Verweis auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB entspr.) die Befugnis abgesprochen, bezüglich dieses Bauvorhabens Ansprüche auf Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wegen einer Nichteinhaltung nachbarschützender öffentlich-rechtlicher Vorschriften geltend zu machen. Das betraf indes Fälle, in denen das Vorhaben nicht nachträglich in einer die Frage der Nachbarbetroffenheit – wie hier – neu aufwerfenden Form verändert wurde oder in denen teilweise sogar das Bauwerk im Gefolge und nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Nachbarn geändert worden war. (vgl. insoweit OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 1/97 –, n.v., betreffend ein Beseitigungsverlangen des Nachbarn für einen auf seiner Grenze ausgeführten Wintergarten, der zuvor entsprechend seinen Wünschen im Zivilprozess vom Bauherrn verändert worden war.) Das hat mit dem vorliegenden Fall, in dem sich die Beigeladenen offensichtlich – ob bewusst oder unbewusst, spielt insoweit keine Rolle – von der zivilrechtlichen Einigung entgegen dem erkennbar fortbestehenden Willen der Nachbarn einseitig „eigenmächtig verabschiedet“ haben, nichts zu tun. Daher ließe sich hier allenfalls die Frage aufwerfen, ob den Klägern trotz der neuerlichen Veränderung des Bauwerks im Jahre 2002 im Falle des (erneuten) Rückbaus (weiterhin) eine Pflicht zur Hinnahme des Anbaus in der Form obliegt, wie sie im Vergleich von 1983 festgelegt worden ist. Das muss indes mit Blick auf die diesbezüglich eindeutigen Erklärungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach die Kläger weiterhin zur Hinnahme des Grenzbaus ohne die Terrasse entsprechend dem 1983 geschlossenen Vergleich bereit sind, nicht vertieft werden.

Die Situation stellt sich daher rechtlich nicht anders dar, als in der Konstellation, dass der Beklagte seinerzeit, was mit Blick auf seine allgemeine Aufgabenstellung als Bauaufsichtsbehörde (damals: § 82 Abs. 2 LBO 1974/80) zu erwarten gewesen wäre, über eine ausdrückliche Nachbarzustimmung und eine – unterstellt rechtmäßige – Befreiung (§ 95 Abs. 1 LBO 1974/80) für den Anbau in der von dem Rechtsvorgänger der Kläger tolerierten Form ohne Nutzung des Daches eine nachträgliche zumindest formelle Legalisierung herbeigeführt hätte. Auch in diesem Fall beschränkte sich die Bindungswirkung der Nachbarzustimmung allein auf das konkrete Vorhaben in der Ausgestaltung, in der es der Nachbar gebilligt hatte, das heißt hier ebenfalls ohne Herstellung einer Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Dass der von den Beigeladenen im Jahre 2002 vorgenommene, dem Beklagten spätestens seit 2003 bekannte Umbau diesem ohnehin unabhängig von Nachbarbeschwerden Veranlassung zu einer baurechtlichen Überprüfung des Vorgangs geben müsste, sei dabei nur ergänzend erwähnt.

Wollte man den Klägern eine Befugnis zur Geltendmachung der Verletzung der ihrem Schutz dienenden Abstandsflächenvorschriften verwehren, so hätte das zur Konsequenz, dass sie nun den illegalen Bau auf ihrer Grenze in einer Form hinzunehmen hätten, die sie beziehungsweise ihr Rechtsvorgänger von Anfang an nicht zu tolerieren bereit waren und den sie auch in beiden Herstellungsphasen der Terrasse jeweils konsequent und zeitnah bekämpft haben. Da dies eindeutig ist, kann der Beklagte gegenüber dem Einschreitensbegehren vorliegend nicht darauf verweisen, dass er als Bauaufsichtsbehörde – was im Grundsatz zutrifft – nicht verpflichtet sein kann, die inhaltliche Reichweite im Einzelfall getroffener zivilrechtlicher Absprachen zwischen Bauherrn und von dem Bauvorhaben betroffenen Nachbarn im Wege der Auslegung und Würdigung zu ermitteln. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.6.1985 – 2 R 404/83 –, SKZ 1985, 235 Leitsatz Nr. 19, wonach der Bauaufsichtsbehörde unter Ermessensgesichtspunkten die Befugnis einzuräumen sein soll, unter Hinweis auf „ungeklärte zivilrechtliche Vorfragen“ auch bei einer nur möglichen Pflicht zur Hinnahme des Bauwerks durch den Nachbarn ein Einschreiten abzulehnen; OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.6.1991 – 2 R 12/90 –, zur Pflicht der Bauaufsichtsbehörde, im Rahmen einer auf die Nachbarrechtsverletzung abhebenden Beseitigungsanordnung bei der Ermessensausübung zivilrechtliche Absprachen zwischen Bauherrn und Nachbarn zu berücksichtigen)

c. Schließlich müssen sich die Kläger in dem konkreten Fall entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Existenz des vor dem Amtsgericht Lebach im Jahre 1983 von ihrem Rechtsvorgänger geschlossenen Vergleichs, in dem sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu dem von den Klägern nunmehr erneut verlangten Rückbau verpflichtet haben, entgegenhalten lassen. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass der Nachbar im Grundsatz dann kein (zusätzliches) bauaufsichtsbehördliches Einschreiten erfolgreich einfordern kann, wenn er im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachtete Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels ist und er sich daher insoweit selbst einfacher „zu seinem Recht verhelfen“ kann. (vgl. insoweit zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2010 – 2 A 390/09 – mit weiteren Nachweisen, wonach das auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem „kostengünstigere“ Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung eines Zivilurteils gilt) Das gilt hier indes nicht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits formal aus dem Umstand, dass weder die Kläger noch die Beigeladenen als Vollstreckungsgläubiger beziehungsweise Vollstreckungsschuldner – wie in § 750 Abs. 1 ZPO für den Beginn der Vollstreckung vorgeschrieben – in der Vergleichsurkunde namentlich benannt sind. Insoweit müssten sich die Kläger im Grundsatz auf ihnen zivilprozessual eröffnete Möglichkeiten einer Umschreibung des Titels verweisen lassen. Die Kläger weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass eine Vollstreckung durch sie aus dem 1983 zwischen den Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleich gegenüber den Beigeladenen, sofern diese überhaupt in Betracht kommt, eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft, die, nachdem die Beigeladenen Rechtsbehelfe gegen die von den Klägern beantragte Umschreibung des Titels angekündigt haben, im Rahmen weiterer (zivil-)gerichtlicher Verfahren, deren Ausgang aus heutiger Sicht nicht im Sinne der Kläger positiv prognostiziert werden kann, zu klären wären.

Die Kläger haben im September 2003, also unmittelbar nachdem der Beklagte ein Tätigwerden unter Hinweis auf den zivilgerichtlichen Vergleich der Rechtsvorgänger abgelehnt hatte, beim Amtsgericht in Lebach beantragt, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf der Grundlage des insoweit über § 795 ZPO auch für gerichtliche Vergleiche geltenden § 727 Abs. 1 ZPO zu erteilen. (vgl. den Schriftsatz vom 23.9.2003 im Verfahren 3 C 659/82 der Rechtsvorgänger, Blatt 115 der Gerichtsakte) Ohne eine solche qualifizierte Klausel ist der Titel für die Kläger von vorneherein nicht vollstreckbar; sie können eine Vollstreckung weder beginnen noch fortsetzen. Das Vollstreckungsgericht ist auch in Fällen der Rechtsnachfolge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.1.2007 – V ZB 47/06 –, NJW 2007, 3357) grundsätzlich zu einer materiellen Überprüfung des titulierten Anspruchs und der materiellen Rechtslage weder berechtigt noch in der Lage. Mit der Möglichkeit der Umschreibung in § 727 Abs. 1 ZPO soll nachträglichen Veränderungen in der materiellen Berechtigung Rechnung getragen und insbesondere ein neuer Prozess für oder gegen Rechtsnachfolger vermieden werden. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1) Von daher konsequent verneint die Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse für den neuen Prozess gegen den Rechtsnachfolger unter Verweis auf die Umschreibungsmöglichkeit nach § 727 Abs. 1 ZPO beziehungsweise die dem Gläubiger dadurch eröffneten Möglichkeiten, einen gegen den Rechtsvorgänger des Schuldners erstrittenen Titel auch gegen dessen Rechtsnachfolger nutzbar zu machen. Das wird indes wiederum ausnahmsweise dann nicht angenommen, wenn es sich bei dem Titel um eine vollstreckbare Urkunde oder – wie hier – um einen Vergleich, also um einen nicht der Rechtskraft fähigen Titel handelt und der Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ernsthaft gewärtigen muss, mit welcher der in Anspruch genommene Rechtsnachfolger die Geltendmachung von Einwendungen gegen den titulierten (materiellen) Anspruch gegenüber dem Prozessgericht erhebt. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 3.4.1957 – V ZR 111/56 –, NJW 1957, 1111 und KG Berlin, Urteil vom 21.1.2005 – 13 UF 146/04 –,  FamRZ 2005, 1759) Diese Wertung ist auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Die Beigeladenen haben gegenüber dem Amtsgericht Lebach schon im Dezember 2003 eine Vielzahl von Einwendungen gegen die – wohlgemerkt im Ansatz doppelt erforderliche – Umschreibung des Vergleichs erhoben und eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bereits ausdrücklich angekündigt. (vgl. den Schriftsatz vom 17.12.2003 – 3 C 659/82 – an das AG Lebach, Blatt 117 der Gerichtsakte) Dabei wurden neben der Rechtsnachfolge, und zwar für beide Anwesen, auch die materielle Berechtigung der Kläger aus dem Vergleich beziehungsweise aus § 1004 BGB in Abrede gestellt und den Klägern insoweit die Einleitung eines erneuten Erkenntnisverfahrens angesonnen. Darüber hinaus haben die Beigeladenen einen Herausgabeanspruch bezogen auf den Titel eingewandt mit Blick auf den Umstand, dass der frühere Eigentümer ihres Grundstücks die im Vergleich gegenüber dem damaligen Eigentümer des klägerischen Anwesens übernommene Verpflichtung des Teilrückbaus der Tür erfüllt und dass dieser Zustand bis ins Jahr 2002 Bestand hatte. In dieser Situation kann es kaum verwundern, dass das Amtsgericht in Lebach bisher – unstreitig – den Titel nicht umgeschrieben hat. Nicht ganz widerspruchsfrei erscheint es allerdings, wenn sich die Beigeladenen in dem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten zu eigen machen, wonach den Klägern ein einfacherer zivilrechtlicher Weg offenstehe, um ihre Rechte durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass den Klägern aufgrund des 1983 vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleichs eine „einfachere“ und „sichere“ Möglichkeit offenstünde, um im Ergebnis zu ihrem Recht zu kommen. Die Kläger sind daher im konkreten Fall nicht verpflichtet, die absehbar notwendigen weiteren streitigen zivilgerichtlichen Erkenntnisverfahren mit derzeit zumindest ungewissem Ausgang durchzuführen, bevor ihnen eine Befugnis zuerkannt werden kann, im Verwaltungsrechtsweg die ihnen aus öffentlichem Recht, hier der Landesbauordnung, zustehenden materiellen Abwehrrechte und Ansprüche gegenüber dem vom Landesgesetzgeber mit der „Überwachung“ der Einhaltung dieser Vorschriften – unabhängig von Fragen des Bauverfahrensrechts – betrauten Beklagten (§§ 57 Abs. 2, 60 Abs. 2 LBO 2004) geltend zu machen.

3. Insgesamt war daher der Berufung stattzugeben und der Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Erlass der von den Klägern geforderten Beseitigungsanordnung hinsichtlich des Anbaus in seiner durch die Beigeladenen (erneut) hergestellten Form mit bis auf die gemeinsame Grenze reichendem begehbarem Flachdach, und auch zur im Fall der Nichtbefolgung erforderlichen Durchsetzung einer solchen Verfügung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (§§ 13 ff. SVwVG) zu verpflichten. Bei letzterem handelt es sich lediglich um eine „Klarstellung“ des Umstands, dass sich der Einschreitensanspruch der Kläger in der Sache auf eine Ausräumung der Nachbarrechtsverletzung richtet und daher erforderlichenfalls auch die Durchsetzung diesem Ziel dienender Anordnungen durch den Beklagten umfasst.

4. Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die Beigeladenen jedenfalls im Rechtsverhältnis zu den Klägern im Falle des Erlasses beziehungsweise gegenüber der Durchsetzung der Beseitigungsanordnung (§§ 82 Abs. 1 LBO 2004, 13 ff. SVwVG) für den Anbau berechtigt sind, als – in der vollstreckungsrechtlichen Terminologie – geeignetes Austauschmittel zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes den Rückbau entsprechend den Vorgaben des Vergleichs aus dem Jahre 1983 durchzuführen. Dass die Kläger mit dieser Maßnahme ihre Nachbarrechte als gewahrt ansehen, haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.6.2010 noch einmal ausdrücklich zu Protokoll erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladenen, die nur in zweiter Instanz Anträge gestellt haben, waren insoweit nach Maßgabe des § 154 Abs. 3 VwGO hälftig an den Kosten des Berufungsverfahrens zu beteiligen. Für einen Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO zu ihren Gunsten bestand mit Blick auf den Prozessausgang insgesamt keine Veranlassung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

I.

A.

Die vom Senat zugelassene und fristgerecht mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger ist auch sonst zulässig.

Die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens vorgenommene Neufassung des Klageantrags auf – nunmehr – die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer Beseitigungsanordnung für den grenzständigen Wohnhausanbau auf dem Grundstück der Beigeladenen unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es ist bereits fraglich, ob hierin eine Änderung des Streitgegenstands zu erblicken ist, da das Einschreitensbegehren eines Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in der Sache immer auf eine Ausräumung materieller Nachbarrechtsverstöße durch das von ihm bekämpfte Bauvorhaben mit den der Behörde durch die Landesbauordnung eröffneten Möglichkeiten des Vorgehens gegen den Bauherrn zielt und vom Nachbarn regelmäßig keine abschließende rechtliche Prüfung hinsichtlich der insoweit im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden Einschreitensbefugnisse und ihrer Grenzen verlangt werden kann. Selbst wenn man aber, wie dies der Beklagte und die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung getan haben, die Umstellung des Antrags als Änderung der Klage ansieht, so wäre diese in jedem Falle sachdienlich und daher zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO). Ansprüche privater Nachbarn auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber Dritten können sich von vornherein nur im Rahmen der durch die einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnung eröffneten Befugnisse zum Tätigwerden nach den §§ 57 Abs. 2, 81, 82 LBO 2004 ergeben. Diese Vorschriften ermächtigen nicht zum Erlass von Baugeboten in Form einer Verpflichtung zur baulichen Änderung bestehender Anlagen (vgl. zur fehlenden Befugnis der Bauaufsichtsbehörden zum Erlass sog. Baugebote selbst bei der Durchsetzung verbindlicher nachbarlicher Vorbehalte in Genehmigungsverfahren, die Gegenstand der behördlichen Zulassungsentscheidung geworden sind OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192, wonach insoweit regelmäßig nur die Anordnung der Beseitigung entsprechend nicht genehmigungskonform ausgeführter Anlagen in Betracht kommt) und lassen daher hier keinen Raum zumindest für die im erstinstanzlichen Klageantrag von den Klägern geforderte Rückbaumaßnahme hinsichtlich der von den Beigeladenen in die Giebelwand ihres Wohnhauses eingebauten Zugangstür zur Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Die Anordnungsbefugnisse des Beklagten umfassen – bei Vorliegen der in § 82 Abs. 1 LBO 2004 genannten Voraussetzungen – vielmehr lediglich die Beseitigung des insoweit rechtlich als Einheit zu betrachtenden Anbaus in seiner Gesamtheit. Die Änderung des Antrags durch die Kläger dient einer abschließenden Klärung der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Bauwerks und der rechtlichen Beziehungen der Kläger zum Beklagten mit Blick auf das von ihnen seit Jahren verlangte Tätigwerden. Die Sachdienlichkeit (§ 91 Abs. 1 VwGO) ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen. Das Verlangen auf Anordnung der Beseitigung des Anbaus war bereits Gegenstand des Verwaltungsantrags der Kläger und „spielte sich“ daher entgegen der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht lediglich in deren „Hinterkopf“ ab. Bereits in dem Schreiben der Kläger vom 20.3.2003 an den Beklagten heißt es ausdrücklich, dass der Anbau die notwendigen Abstandsflächen nicht einhalte, weswegen neben der Nutzungsuntersagung auch „die Beseitigung des rechtswidrigen Bauwerks zu veranlassen“ sei. Das hätte dem Beklagten unter Ermessensgesichtspunkten von vornherein Veranlassung geben müssen, sich mit diesem Begehren der Kläger zu befassen und den Gesichtspunkt in seine Erwägungen einzubeziehen.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Die Weigerung des Beklagten zum Einschreiten ist gegenüber den Klägern rechtswidrig und verletzt diese in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Beseitigungsanordnung bezüglich des grenzständigen Wohnhausanbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem § 82 Abs. 1 LBO 2004, wonach die Bauaufsichtsbehörden die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen können, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und rechtmäßig Zustände auf andere Weise nicht hergestellt werden können, in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen in § 7 LBO 2004 über die vor Gebäudeaußenwänden auf dem Baugrundstück einzuhaltenden Abstandsflächen (Grenzabstände).

1. Der bis auf die gemeinsame Grenze mit dem Grundstück der Kläger (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1) reichende Wohnhausanbau verstößt gegen das Grenzabstandsgebot des § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004. Danach sind vor Außenwänden von Gebäuden auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) Abstandsflächen freizuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 7 Abs. 5 Satz 4 LBO 2004). Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBO 2004, nach denen abweichend von dieser Grundregel Abstandsflächen nicht erforderlich sind (Satz 2) beziehungsweise „ohne Grenzabstand“ gebaut werden darf, liegen hier nicht vor. Insbesondere wurde das Grundstück der Kläger nicht ohne Grenzabstand bebaut (Satz 3). Für diese Beurteilung ist mit Blick auf das den Abstandsflächenregelungen zugrunde liegende nachbarliche Austauschverhältnis allein auf die gemeinsame Grenze des Baugrundstücks mit dem Grundstück des sich gegen eine Grenzbebauung wendenden Nachbarn abzustellen. (vgl. zu den sich allgemein aus der Novellierung des Abstandsflächenrechts im Jahre 2004 ergebenden weitergehenden Möglichkeiten „einvernehmlicher“ Grenzbebauung Bitz, „Die neuere Rechtsprechung zum Abstandsflächenrecht der Landesbauordnung 2004“, SKZ 2009, 158 ff.)

Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung der Beigeladenen kommt es dabei nicht entscheidend darauf an, ob nach der Flurkarte Hauptgebäude in der näheren Umgebung ohne die Einhaltung von Grenzabständen errichtet worden sind oder nicht. Anhaltspunkte für einen aus der faktischen Umgebungsbebauung im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO 2004, 34 Abs. 1 BauGB wegen Nichteinfügens einer Bebauung mit Grenzabstand ergebenden strikten bauplanungsrechtlichen Zwang zur Grenzbebauung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nicht zulässig ist ferner die von den Beigeladenen geforderte isolierte abstandsflächenrechtliche Beurteilung (nur) der Dachterrasse auf der Grundlage des § 7 Abs. 7 Satz 1 LBO 2004. Die Terrasse mit den diese Benutzung des Flachdachs ermöglichenden baulichen Einrichtungen ist untrennbarer Bestandteil des Wohnhausanbaus, auf dessen Dach sie eingerichtet ist und der mit Ausnahme untergeordneter Bauteile nach § 7 Abs. 6 LBO 2004 einer einheitlichen Beurteilung zu unterziehen ist. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 53, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.8.1999 – 2 Q 31/99 – (Dachgeländer), Urteil vom 14.12.1999 – 2 R 4/99 –, SKZ 2000, 103, Leitsatz Nr. 57 (Rollmarkise))

2. Die materielle Illegalität des 1979 errichteten Bauwerks (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) erfasst den gesamten Zeitraum seines Bestands. Der aus dem Abstandsflächenrecht herzuleitende Widerspruch zum Bauordnungsrecht ergab sich auch aus den einschlägigen Vorläuferbestimmungen in den §§ 6 LBO 1996 und 6 LBO 1988 und aus den Vorschriften über die von Gebäudeaußenwänden und insbesondere von „betretbaren Anbauten“ gegenüber den Grundstücksgrenzen einzuhaltenden Abstände (Bauwiche) nach § 7 Abs. 1 und Abs. 8 LBO 1974/80. Dass nach § 7 Abs. 4 Satz 3 LBO 1974/80 bis zur Änderung der Bauordnung im Jahre 1988 noch Terrassen auf „Grenzgaragen“ gestattet werden konnten, wenn sie einen Abstand von mindestens 2 m von der Grenze einhielten, lässt in mehrfacher Hinsicht keine andere Beurteilung zu. Zum einen handelte es sich bei dem Grenzanbau hier nicht um eine die dafür geltenden gesetzlichen Grenzen, insbesondere hinsichtlich der Höhenvorgaben, wahrende privilegierte Grenzgarage (§ 7 Abs. 5 LBO 1974/80). Zum anderen wurde die nunmehr maßgebliche erneute Änderung der Anlage im Dachbereich erst im Jahr 2002 von den Beigeladenen ins Werk gesetzt.

3. Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht wäre mangels Vorliegens der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen auch zu keinem Zeitpunkt durch die Gewährung einer Abweichung (§ 68 LBO 2004) oder – früher – einer Befreiung (§§ 75 Abs. 3 LBO 1996, 64 Abs. 1 LBO 1988, 95 Abs. 1 LBO 1974/80) mit Blick auf eine atypische Sachverhaltskonstellation im Einzelfall und damit im Sinne des § 82 Abs. 1 LBO 2004 aus heutiger Sicht „auf andere Weise“ ausräumbar gewesen. Zum einen liegen grundstücksbezogene Besonderheiten des Einzelfalls hier offensichtlich nicht vor. Zum anderen hat die Rechtsprechung aus der in diesen Vorschriften durchgängig vom Gesetzgeber geforderten Würdigung nachbarlicher Interessen auf der Tatbestandsseite hergeleitet, dass eine Befreiung von nachbarschützenden Anforderungen des Bauordnungsrechts gegen den Willen der betroffenen Nachbarn in aller Regel nicht in Betracht kam. Das gilt auch für die nunmehr in § 68 Abs. 1 LBO 2004 vorgesehene Abweichungsmöglichkeit.

4. Im Falle einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften des materiellen Baurechts verdichtet sich das der zuständigen Behörde – hier dem Beklagten – auf der Rechtsfolgeseite des § 82 Abs. 1 LBO 2004 vom Gesetzgeber eingeräumte Entschließungsermessen für ein Tätigwerden in aller Regel zu einem positiven Anspruch des betroffenen Nachbarn auf Tätigwerden zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes. Das ist auch hier der Fall. Einschränkungen ergeben sich insoweit im konkreten Fall zunächst nicht aus einem Vorliegen behördlicher Zulassungsentscheidungen für den Wohnhausanbau. Dieser wurde – unstreitig – vom Rechtsvorgänger der Beigeladenen ohne die damals nach den §§ 87 ff. LBO 1974/80 erforderliche Baugenehmigung errichtet und in der Folge von der Bauaufsichtsbehörde ungeachtet ihres gesetzlichen Auftrags (heute: § 57 Abs. 2 LBO 2004) nie überprüft, geschweige denn genehmigt.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen, die – was im Übrigen bezogen auf die Nutzung des vollständigen, sich in mehreren Metern Höhe befindenden Daches des grenzständigen Anbaus ohnehin sehr stark bezweifeln lässt – eine Störung der Kläger in ihrem Eigentum in Abrede stellen, setzt eine Ermessensreduzierung auf Null und damit der nachbarliche Einschreitensanspruch gegen die sich aus den Bestimmungen über die Abstandsflächen ergebende Grenzabstandserfordernisse unterschreitende Gebäude insbesondere nicht die Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit durch das Bauwerk voraus. (ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte, so bereits OVG des Saarlandes, Urteil vom 6.3.1987 – 2 R 180/84 –, BRS 47 Nr. 100 unter Hinweis auf die „zentimeterscharf“ konzipierte Abstandsverpflichtung) Insofern gilt für den § 82 Abs. 1 LBO 2004 nichts anderes als für die entsprechenden Vorläuferbestimmungen. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 99) Die saarländischen Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004) sind (auch) an die Stelle der früheren Regelungen über die Sozialabstände (§ 8 LBO 1974/80) getreten, wobei der Gesetzgeber bei der diesen Gesichtspunkt ausdrücklich einbeziehenden Novellierung des Grenzabstandsrechts im Saarland im Jahre 1988 (§§ 6, 7 LBO 1988) ausdrücklich auch die weitere Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des Nachbarfriedens im Blick hatte. Für die aktuellen Nachfolgebestimmungen über die insbesondere von Gebäuden einzuhaltenden Abstandsflächenvorschriften in den §§ 7 und 8 LBO 2004 gilt nichts anderes. (vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 19 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien; OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.11.2000 – 2 R 2/00 –, SKZ 2001, 111, Leitsatz Nr. 48, BRS 63 Nr. 135)

5. Die Kläger sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht aufgrund von Besonderheiten des konkreten Falls an der Geltendmachung ihres Abwehrrechts und damit des Anspruchs gegen den Beklagten gehindert.

a. Der Einschreitensanspruch der Kläger nach § 82 Abs. 1 LBO 2004 gegenüber dem „Schwarzbau“ wegen Verletzung des materiellen Grenzabstandsgebots kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht mit Blick auf den Bestandszeitraum des Wohnhauses von nunmehr über 20 Jahren als gemäß § 242 BGB entspr. verwirkt angesehen werden. (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen dieses auch gegenüber sog. ungenehmigten „Schwarzbauten“ im öffentlichen Baunachbarrecht beachtlichen Verlusttatbestands Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 73, 77 ff.)

Weder die Kläger noch – insoweit zurechenbar – ein Rechtsvorgänger haben in der Vergangenheit durch ihr Verhalten den Beigeladenen beziehungsweise deren Rechtsvorgängern zu irgendeinem Zeitpunkt – geschweige denn über einen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Hinnahme des Bauwerks begründenden Zeitraum Veranlassung zu der Annahme gegeben, dass der grenzständige Wohnhausanbau in seiner jetzigen Form, das heißt mit einem als Terrasse benutzbaren Flachdach, hingenommen würde. Der Voreigentümer des Wohnhauses der Kläger hat unmittelbar nach der Ausführung der Anlage um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht und über einen mit den Bauherrn geschlossenen zivilgerichtlichen Vergleich den Rückbau der Terrasse, insbesondere die Schließung der Zugangstür erreicht, die baulich umgesetzt wurde und anschließend bis zur Änderung durch die Beigeladenen im Jahre 2002 Bestand hatte. Gegen den erneuten Einbau der Tür haben sich die Kläger zeitnah sowohl in Schreiben an die Beigeladenen als auch, nachdem diese einen erneuten Rückbau abgelehnt hatten, an den Beklagten gewandt.

Ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Verwirkung von sich aus dem materiellen Bundesbaurecht ergebenden nachbarlichen Abwehransprüchen gegen Bauvorhaben entwickelten strengen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Kausalitätskriteriums zwischen einem Untätigbleiben des Nachbarn und einer darauf aufbauenden Vertrauensbetätigung durch den Bauherrn (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.5.1991 – 4 C 4.89 –, BRS 52 Nr. 218) auf die Verwirkung landesrechtlicher Abwehrrechte vollumfänglich zu übertragen sind und ob insoweit hier überhaupt eine Verwirkung des Anspruchs der Kläger in Betracht käme, kann daher auf sich beruhen.

b. Dem Begehren auf Erlass einer Beseitigungsanordnung durch den Beklagten für den streitgegenständlichen Wohnhausanbau kann auch nicht der Einwand eines darin liegenden Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens entgegen gehalten werden. ( vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.5.1996 – 2 R 24/95 -, SKZ 1996, 266, Leitsatz Nr. 20, wonach die im Rahmen eines Zivilprozesses abgegebene Erklärung des Nachbarn, er erhebe keine Einwendungen gegen ein bestimmtes Bauvorhaben, die Erhebung des Widerspruchs gegen die für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des ‚ venire contra factum proprium ’ unzulässig machen kann, und Beschluss vom 14.3.1983 – 2 R 14/82 –, BRS 40 Nr. 209 ) Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass sowohl ihr Rechtsvorgänger, wie sich dem zwischen ihm und den Bauherrn im Jahre 1983 vor dem Amtsgericht in Lebach geschlossenen Vergleich entnehmen lässt, als auch die Kläger, wie bereits die Fassung ihres Klageantrags in erster Instanz zeigt, bereit waren beziehungsweise sind, den formell und materiell illegalen Grenzbau zu tolerieren, sofern die Benutzung des Flachdaches als Terrasse „über“ ihrem Garten beziehungsweise Außenwohnbereich unterbleibt und die diese Nutzung ermöglichenden baulichen Vorkehrungen in Form einer Zugangstür im Giebel des Wohnhauses und einer Umwehrung der dann betretbaren Dachfläche (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 LBO 2004) „zurückgebaut“ werden. Aus dem eindeutig an diese Vorbedingung geknüpften nachbarlichen Einverständnis vermögen die Beigeladenen offensichtlich keine Verpflichtung zur Hinnahme des Anbaus in seiner nunmehr insoweit gerade entgegen der nachbarlichen Bedingung wiederum veränderten Form mit der Terrasse auf dessen Flachdach herzuleiten.

Eine Bindung der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Rechtsvorgänger 1983 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit Nachbarn, die sich im Rahmen eines Zivilprozesses mit einem ursprünglich von ihnen bekämpften Bauvorhaben in einer bestimmten Form einverstanden erklärt hatten, anschließend unter Verweis auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB entspr.) die Befugnis abgesprochen, bezüglich dieses Bauvorhabens Ansprüche auf Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wegen einer Nichteinhaltung nachbarschützender öffentlich-rechtlicher Vorschriften geltend zu machen. Das betraf indes Fälle, in denen das Vorhaben nicht nachträglich in einer die Frage der Nachbarbetroffenheit – wie hier – neu aufwerfenden Form verändert wurde oder in denen teilweise sogar das Bauwerk im Gefolge und nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Nachbarn geändert worden war. (vgl. insoweit OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 1/97 –, n.v., betreffend ein Beseitigungsverlangen des Nachbarn für einen auf seiner Grenze ausgeführten Wintergarten, der zuvor entsprechend seinen Wünschen im Zivilprozess vom Bauherrn verändert worden war.) Das hat mit dem vorliegenden Fall, in dem sich die Beigeladenen offensichtlich – ob bewusst oder unbewusst, spielt insoweit keine Rolle – von der zivilrechtlichen Einigung entgegen dem erkennbar fortbestehenden Willen der Nachbarn einseitig „eigenmächtig verabschiedet“ haben, nichts zu tun. Daher ließe sich hier allenfalls die Frage aufwerfen, ob den Klägern trotz der neuerlichen Veränderung des Bauwerks im Jahre 2002 im Falle des (erneuten) Rückbaus (weiterhin) eine Pflicht zur Hinnahme des Anbaus in der Form obliegt, wie sie im Vergleich von 1983 festgelegt worden ist. Das muss indes mit Blick auf die diesbezüglich eindeutigen Erklärungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach die Kläger weiterhin zur Hinnahme des Grenzbaus ohne die Terrasse entsprechend dem 1983 geschlossenen Vergleich bereit sind, nicht vertieft werden.

Die Situation stellt sich daher rechtlich nicht anders dar, als in der Konstellation, dass der Beklagte seinerzeit, was mit Blick auf seine allgemeine Aufgabenstellung als Bauaufsichtsbehörde (damals: § 82 Abs. 2 LBO 1974/80) zu erwarten gewesen wäre, über eine ausdrückliche Nachbarzustimmung und eine – unterstellt rechtmäßige – Befreiung (§ 95 Abs. 1 LBO 1974/80) für den Anbau in der von dem Rechtsvorgänger der Kläger tolerierten Form ohne Nutzung des Daches eine nachträgliche zumindest formelle Legalisierung herbeigeführt hätte. Auch in diesem Fall beschränkte sich die Bindungswirkung der Nachbarzustimmung allein auf das konkrete Vorhaben in der Ausgestaltung, in der es der Nachbar gebilligt hatte, das heißt hier ebenfalls ohne Herstellung einer Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Dass der von den Beigeladenen im Jahre 2002 vorgenommene, dem Beklagten spätestens seit 2003 bekannte Umbau diesem ohnehin unabhängig von Nachbarbeschwerden Veranlassung zu einer baurechtlichen Überprüfung des Vorgangs geben müsste, sei dabei nur ergänzend erwähnt.

Wollte man den Klägern eine Befugnis zur Geltendmachung der Verletzung der ihrem Schutz dienenden Abstandsflächenvorschriften verwehren, so hätte das zur Konsequenz, dass sie nun den illegalen Bau auf ihrer Grenze in einer Form hinzunehmen hätten, die sie beziehungsweise ihr Rechtsvorgänger von Anfang an nicht zu tolerieren bereit waren und den sie auch in beiden Herstellungsphasen der Terrasse jeweils konsequent und zeitnah bekämpft haben. Da dies eindeutig ist, kann der Beklagte gegenüber dem Einschreitensbegehren vorliegend nicht darauf verweisen, dass er als Bauaufsichtsbehörde – was im Grundsatz zutrifft – nicht verpflichtet sein kann, die inhaltliche Reichweite im Einzelfall getroffener zivilrechtlicher Absprachen zwischen Bauherrn und von dem Bauvorhaben betroffenen Nachbarn im Wege der Auslegung und Würdigung zu ermitteln. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.6.1985 – 2 R 404/83 –, SKZ 1985, 235 Leitsatz Nr. 19, wonach der Bauaufsichtsbehörde unter Ermessensgesichtspunkten die Befugnis einzuräumen sein soll, unter Hinweis auf „ungeklärte zivilrechtliche Vorfragen“ auch bei einer nur möglichen Pflicht zur Hinnahme des Bauwerks durch den Nachbarn ein Einschreiten abzulehnen; OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.6.1991 – 2 R 12/90 –, zur Pflicht der Bauaufsichtsbehörde, im Rahmen einer auf die Nachbarrechtsverletzung abhebenden Beseitigungsanordnung bei der Ermessensausübung zivilrechtliche Absprachen zwischen Bauherrn und Nachbarn zu berücksichtigen)

c. Schließlich müssen sich die Kläger in dem konkreten Fall entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Existenz des vor dem Amtsgericht Lebach im Jahre 1983 von ihrem Rechtsvorgänger geschlossenen Vergleichs, in dem sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu dem von den Klägern nunmehr erneut verlangten Rückbau verpflichtet haben, entgegenhalten lassen. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass der Nachbar im Grundsatz dann kein (zusätzliches) bauaufsichtsbehördliches Einschreiten erfolgreich einfordern kann, wenn er im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachtete Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels ist und er sich daher insoweit selbst einfacher „zu seinem Recht verhelfen“ kann. (vgl. insoweit zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2010 – 2 A 390/09 – mit weiteren Nachweisen, wonach das auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem „kostengünstigere“ Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung eines Zivilurteils gilt) Das gilt hier indes nicht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits formal aus dem Umstand, dass weder die Kläger noch die Beigeladenen als Vollstreckungsgläubiger beziehungsweise Vollstreckungsschuldner – wie in § 750 Abs. 1 ZPO für den Beginn der Vollstreckung vorgeschrieben – in der Vergleichsurkunde namentlich benannt sind. Insoweit müssten sich die Kläger im Grundsatz auf ihnen zivilprozessual eröffnete Möglichkeiten einer Umschreibung des Titels verweisen lassen. Die Kläger weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass eine Vollstreckung durch sie aus dem 1983 zwischen den Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleich gegenüber den Beigeladenen, sofern diese überhaupt in Betracht kommt, eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft, die, nachdem die Beigeladenen Rechtsbehelfe gegen die von den Klägern beantragte Umschreibung des Titels angekündigt haben, im Rahmen weiterer (zivil-)gerichtlicher Verfahren, deren Ausgang aus heutiger Sicht nicht im Sinne der Kläger positiv prognostiziert werden kann, zu klären wären.

Die Kläger haben im September 2003, also unmittelbar nachdem der Beklagte ein Tätigwerden unter Hinweis auf den zivilgerichtlichen Vergleich der Rechtsvorgänger abgelehnt hatte, beim Amtsgericht in Lebach beantragt, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf der Grundlage des insoweit über § 795 ZPO auch für gerichtliche Vergleiche geltenden § 727 Abs. 1 ZPO zu erteilen. (vgl. den Schriftsatz vom 23.9.2003 im Verfahren 3 C 659/82 der Rechtsvorgänger, Blatt 115 der Gerichtsakte) Ohne eine solche qualifizierte Klausel ist der Titel für die Kläger von vorneherein nicht vollstreckbar; sie können eine Vollstreckung weder beginnen noch fortsetzen. Das Vollstreckungsgericht ist auch in Fällen der Rechtsnachfolge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.1.2007 – V ZB 47/06 –, NJW 2007, 3357) grundsätzlich zu einer materiellen Überprüfung des titulierten Anspruchs und der materiellen Rechtslage weder berechtigt noch in der Lage. Mit der Möglichkeit der Umschreibung in § 727 Abs. 1 ZPO soll nachträglichen Veränderungen in der materiellen Berechtigung Rechnung getragen und insbesondere ein neuer Prozess für oder gegen Rechtsnachfolger vermieden werden. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1) Von daher konsequent verneint die Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse für den neuen Prozess gegen den Rechtsnachfolger unter Verweis auf die Umschreibungsmöglichkeit nach § 727 Abs. 1 ZPO beziehungsweise die dem Gläubiger dadurch eröffneten Möglichkeiten, einen gegen den Rechtsvorgänger des Schuldners erstrittenen Titel auch gegen dessen Rechtsnachfolger nutzbar zu machen. Das wird indes wiederum ausnahmsweise dann nicht angenommen, wenn es sich bei dem Titel um eine vollstreckbare Urkunde oder – wie hier – um einen Vergleich, also um einen nicht der Rechtskraft fähigen Titel handelt und der Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ernsthaft gewärtigen muss, mit welcher der in Anspruch genommene Rechtsnachfolger die Geltendmachung von Einwendungen gegen den titulierten (materiellen) Anspruch gegenüber dem Prozessgericht erhebt. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 3.4.1957 – V ZR 111/56 –, NJW 1957, 1111 und KG Berlin, Urteil vom 21.1.2005 – 13 UF 146/04 –,  FamRZ 2005, 1759) Diese Wertung ist auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Die Beigeladenen haben gegenüber dem Amtsgericht Lebach schon im Dezember 2003 eine Vielzahl von Einwendungen gegen die – wohlgemerkt im Ansatz doppelt erforderliche – Umschreibung des Vergleichs erhoben und eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bereits ausdrücklich angekündigt. (vgl. den Schriftsatz vom 17.12.2003 – 3 C 659/82 – an das AG Lebach, Blatt 117 der Gerichtsakte) Dabei wurden neben der Rechtsnachfolge, und zwar für beide Anwesen, auch die materielle Berechtigung der Kläger aus dem Vergleich beziehungsweise aus § 1004 BGB in Abrede gestellt und den Klägern insoweit die Einleitung eines erneuten Erkenntnisverfahrens angesonnen. Darüber hinaus haben die Beigeladenen einen Herausgabeanspruch bezogen auf den Titel eingewandt mit Blick auf den Umstand, dass der frühere Eigentümer ihres Grundstücks die im Vergleich gegenüber dem damaligen Eigentümer des klägerischen Anwesens übernommene Verpflichtung des Teilrückbaus der Tür erfüllt und dass dieser Zustand bis ins Jahr 2002 Bestand hatte. In dieser Situation kann es kaum verwundern, dass das Amtsgericht in Lebach bisher – unstreitig – den Titel nicht umgeschrieben hat. Nicht ganz widerspruchsfrei erscheint es allerdings, wenn sich die Beigeladenen in dem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten zu eigen machen, wonach den Klägern ein einfacherer zivilrechtlicher Weg offenstehe, um ihre Rechte durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass den Klägern aufgrund des 1983 vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleichs eine „einfachere“ und „sichere“ Möglichkeit offenstünde, um im Ergebnis zu ihrem Recht zu kommen. Die Kläger sind daher im konkreten Fall nicht verpflichtet, die absehbar notwendigen weiteren streitigen zivilgerichtlichen Erkenntnisverfahren mit derzeit zumindest ungewissem Ausgang durchzuführen, bevor ihnen eine Befugnis zuerkannt werden kann, im Verwaltungsrechtsweg die ihnen aus öffentlichem Recht, hier der Landesbauordnung, zustehenden materiellen Abwehrrechte und Ansprüche gegenüber dem vom Landesgesetzgeber mit der „Überwachung“ der Einhaltung dieser Vorschriften – unabhängig von Fragen des Bauverfahrensrechts – betrauten Beklagten (§§ 57 Abs. 2, 60 Abs. 2 LBO 2004) geltend zu machen.

3. Insgesamt war daher der Berufung stattzugeben und der Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Erlass der von den Klägern geforderten Beseitigungsanordnung hinsichtlich des Anbaus in seiner durch die Beigeladenen (erneut) hergestellten Form mit bis auf die gemeinsame Grenze reichendem begehbarem Flachdach, und auch zur im Fall der Nichtbefolgung erforderlichen Durchsetzung einer solchen Verfügung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (§§ 13 ff. SVwVG) zu verpflichten. Bei letzterem handelt es sich lediglich um eine „Klarstellung“ des Umstands, dass sich der Einschreitensanspruch der Kläger in der Sache auf eine Ausräumung der Nachbarrechtsverletzung richtet und daher erforderlichenfalls auch die Durchsetzung diesem Ziel dienender Anordnungen durch den Beklagten umfasst.

4. Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die Beigeladenen jedenfalls im Rechtsverhältnis zu den Klägern im Falle des Erlasses beziehungsweise gegenüber der Durchsetzung der Beseitigungsanordnung (§§ 82 Abs. 1 LBO 2004, 13 ff. SVwVG) für den Anbau berechtigt sind, als – in der vollstreckungsrechtlichen Terminologie – geeignetes Austauschmittel zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes den Rückbau entsprechend den Vorgaben des Vergleichs aus dem Jahre 1983 durchzuführen. Dass die Kläger mit dieser Maßnahme ihre Nachbarrechte als gewahrt ansehen, haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.6.2010 noch einmal ausdrücklich zu Protokoll erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladenen, die nur in zweiter Instanz Anträge gestellt haben, waren insoweit nach Maßgabe des § 154 Abs. 3 VwGO hälftig an den Kosten des Berufungsverfahrens zu beteiligen. Für einen Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO zu ihren Gunsten bestand mit Blick auf den Prozessausgang insgesamt keine Veranlassung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

2

Der 1956 geborene Kläger war als Bundesbeamter im Amt eines Fernmeldebetriebsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) bei der Deutsche Telekom AG (im folgenden: Telekom) beschäftigt. Im April 2003 wies diese ihn der Personal-Service-AG (Vivento), einer Arbeitsvermittlungseinrichtung, zu. Seit Mai 2007 ist der Kläger dauernd dienstunfähig erkrankt. Der von der Telekom beauftragte Betriebsarzt erstellte ein sozialmedizinisches Gutachten. Darin teilte er die Diagnosen mit; weiter äußerte er sich zum qualitativen und quantitativen Leistungsvermögen des Klägers. Das im verschlossenen Umschlag an die Personalstelle der Telekom übersandte Gutachten leitete diese an die Vivento elektronisch weiter.

3

Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenübertragung an die Vivento - sowie - der Nutzung und Verarbeitung der Daten durch einen bestimmten Personalvermittler bei Vivento ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

4

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 ).

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Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

- Sind Diagnosedaten solche das Gutachten tragenden Feststellungen und Gründe, die unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach § 46a Abs. 2 BBG alter Fassung (entsprechend § 48 Abs. 2 Satz 1 BBG neuer Fassung) mitgeteilt werden dürfen?

- Ist das Einscannen und/oder Versenden der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail, verschlüsselt oder unverschlüsselt, ein Verstoß gegen das Gebot, die Stellungnahme verschlossen zu der Personalakte des Beamten zu nehmen (§ 46a Abs. 3 Satz 1 BBG alter Fassung bzw. § 48 Abs. 2 Satz 2 BBG neuer Fassung)?

- Wenn nicht: Ist die darin liegende automatisierte Datenverarbeitung und Datenübermittlung von der Erlaubnisnorm nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG alter Fassung (bzw. § 48 Abs. 2 Satz 3 BBG neuer Fassung) gedeckt?

- Wenn ja: Ist insbesondere die Datenübermittlung an den Betrieb "Vivento" eine solche, die nach § 90d Abs. 1 BBG alter Fassung (entsprechend § 111 Abs. 1 BBG neuer Fassung) der Einwilligung des Beamten bedarf? Handelt es sich bei dem Betrieb "Vivento" um eine Behörde eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn im Sinne dieser Vorschrift? Insbesondere: Ist die Personalvermittlung durch "Vivento" eine "Personalentscheidung" im Sinne dieser Vorschrift?

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Diese Fragen können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen würden bzw. beantwortet werden können, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

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1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob dem Dienstherrn Diagnosedaten in einem zur Feststellung der Dienstunfähigkeit eingeholten ärztlichen Gutachten mitgeteilt werden dürfen, lässt sich auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantworten.

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Nach § 46a Abs. 2 BBG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2001 (BBG a.F., nunmehr § 48 Abs. 2 BBG) muss ein im Zurruhesetzungsverfahren verwendetes amtsärztliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Danach muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben (Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 2 C 18.89 - Buchholz 237.6 § 56 NdsLBG Nr. 1 S.2 und Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

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Der Inhalt des Gutachtens richtet sich nach seinem Zweck. Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zurruhesetzungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob er im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F./§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG). Der Beamte muss bereits auf der Grundlage der Anordnung seiner ärztlichen Untersuchung nachvollziehen können, ob die aufgeführten Umstände die behördlichen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit rechtfertigen (Urteile vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 20 und vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 20). Das darauf folgende Gutachten muss es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Arztes und mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss - wie vorliegend - die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Wie detailliert eine amtsärztliche Stellungnahme danach jeweils sein muss, enthält sich einer verallgemeinerungsfähigen Aussage. Entscheidend kommt es deshalb auf Umstände des jeweiligen Einzelfalles an (Beschluss vom 20. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.10 - juris Rn. 5).

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2. Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage nach der Rechtmäßigkeit des Einscannens und Versendens der ärztlichen Stellungnahme per E-Mail ist schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil es ihr an einem konkreten Bezug zum Klageantrag mangelt. Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Übermittlung der Gesundheitsdaten an den Personalvermittler der Vivento rechtswidrig war. Diese Frage kann beantwortet werden, ohne dass es auf die Zulässigkeit des Einscannens und Versendens der Daten ankommt.

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Im Übrigen lässt sich letztere Frage aus dem Gesetzestext mit Hilfe der Auslegungsregeln klar beantworten:

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Gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 BBG a.F. ist die ärztliche Mitteilung über die Untersuchungsbefunde in einem gesonderten, verschlossenen und versiegelten Umschlag an die personalverwaltende Behörde zu übersenden. Dort ist die Mitteilung verschlossen zur Personalakte des Beamten zu nehmen. Dagegen erlaubt es Satz 2 derselben Vorschrift die übermittelten Daten für die im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens zu treffende Entscheidung zweckbezogen zu verarbeiten und zu nutzen. Während Satz 1 den Schutz der Gesundheitsdaten auf dem Weg vom Arzt zur personalverwaltenden Stelle und denjenigen in der Personalstelle selbst regelt, regelt Satz 2 die Verwendung der erlangten Gesundheitsdaten. Der Verwendungszweck ist dabei begrenzt auf Entscheidungen betreffend die Feststellung der Dienstunfähigkeit, die anderweitige Verwendung im Falle der Dienstunfähigkeit, die begrenzte Dienstfähigkeit, die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen und die Reaktivierung.

13

Bei ärztlichen Gutachten in dienstrechtlichen Angelegenheiten handelt es sich um besondere personenbezogene Daten im Sinn von § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 9 BDSG, die Einzelangaben über persönliche Verhältnisse des Beamten widerspiegeln. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des "Verarbeitens" und "Nutzens" dieser personenbezogenen Daten deshalb nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG auf die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 3 Abs. 4 und Abs. 5 BDSG abgestellt. Denn das Bundesbeamtengesetz enthält keine besonderen Definitionen zur Datenverwendung. Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG verarbeitet personenbezogene Daten, wer sie speichert, verändert, übermittelt, sperrt und löscht. Unter dem Auffangtatbestand der Nutzung versteht § 3 Abs. 5 BDSG in Abgrenzung dazu jede Verwendung solcher Daten, die keine Verarbeitung ist (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Aufl. 2012, § 3 Rn. 42).

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Das Einscannen der Untersuchungsbefunde - d.h. deren automatisierte optische Digitalisierung - stellt ein Verarbeiten gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG dar. Dies gilt auch für den Fall einer bloßen elektronischen Scan-Zwischenspeicherung im Rahmen eines automatisierten Verfahrens, deren Löschung im direkten zeitlichen Zusammenhang nicht gesichert ist (vgl. Dammann, in Simitis, BDSG, Kommentar, 7. Aufl. 2011, § 3 Rn. 124). Mit der Anlage eines plattformunabhängigen Dateiformats (Portable Document Format ) hat die Telekom die personenbezogenen Daten sodann auf einem Datenträger dauerhaft verkörpert und damit gespeichert (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Das innerbetriebliche Versenden der Datei an einen Personalvermittler der Vivento, erfüllt - unabhängig davon, ob Vivento Dritter i.S.v § 3 Abs. 8 BDSG ist, mit der Folge das ein Fall der Datenübermittlung nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG anzunehmen wäre - jedenfalls den Tatbestand der Datennutzung gemäß § 3 Abs. 5 BDSG.

15

Die Datenspeicherung und -weitergabe der ärztlichen Untersuchungsbefunde durch die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei Gesundheitsdaten nach § 3 Abs. 9 BDSG um besonders schutzbedürftige personenbezogene Daten handelt, nicht zu beanstanden. Solche Daten dürfen zwar grundsätzlich nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit der Betroffene darin einwilligt (vgl. § 4 Abs. 3 BDSG). Dies gilt indes nicht für eine kraft Gesetzes, hier nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F., zweckbezogen zulässige Verarbeitung und Nutzung von Daten (vgl. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG).

16

Zweckbezogen ist die Datenverarbeitung und -nutzung, weil die Beklagte verpflichtet war, vor einer Zurruhesetzung eine anderweitige Weiterverwendung des dienstunfähigen Beamten zu prüfen. Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 und 4 BBG a.F. ist der Dienstherr verpflichtet, vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach einer anderweitigen Verwendung des Beamten zu suchen (Grundsatz der Weiterverwendung vor Frühpensionierung). Da es um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn geht, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind, ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er nach einer Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten gesucht hat (Urteile vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25, jeweils Rn. 25 und vom 30. Mai 2013 - a.a.O. Rn. 36).

17

Bereits aufgrund dieser gesetzlichen Suchpflicht nach einer anderweitigen Weiterverwendung ist die Telekom, die nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG Dienstherrenbefugnisse ausübt, nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. berechtigt gewesen, die ihr nach Satz 1 der Norm übermittelten ärztlichen Untersuchungsbefunde zweckbezogen auch elektronisch aufbereitet zu verarbeiten und zu nutzen.

18

3. Schließlich lässt sich auch die Frage der Zulässigkeit der Übermittlung der Gesundheitsdaten des Klägers durch die personalverwaltende Behörde der Telekom an die Vivento durch Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen sicher beantworten:

19

Die nach § 46a Abs. 3 Satz 2 BBG a.F. zulässige Verarbeitung oder Nutzung der Gesundheitsdaten im Zurruhesetzungsverfahren bewegt sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben des Personalaktenrechts. Die Gesundheitsdaten des Beamten im Zurruhesetzungsverfahren sind gemäß § 46a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BBG a.F. nach ihrer Übersendung durch den Arzt versiegelt zur Personalakte zu nehmen. Zugang zur Personalakte dürfen nur Beschäftigte haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten beauftragt sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist (§ 90 Abs. 3 Satz 1 BBG a.F.). Automatisiert verarbeitet und übermittelt werden dürfen Personalaktendaten dementsprechend nur für Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft (§ 90g Abs. 1 i.V.m. § 90d BBG a.F.). Für Unterlagen über medizinische Untersuchungen beschränkt dies § 90g Abs. 3 BBG a.F. auf die automatisierte Verarbeitung der Ergebnisse, soweit sie die Eignung betreffen und ihre Verwendung dem Schutz des Beamten dient.

20

Wer personalverwaltende Behörde bei der Telekom ist, richtet sich nach dem Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl. I 2353, PostPersRG). Nach § 1 Abs. 2 PostPersRG nimmt der Vorstand der Aktiengesellschaft die Befugnisse der obersten Dienstbehörde sowie des obersten Dienstvorgesetzten wahr. Die berufliche Tätigkeit des Beamten gilt als Dienst; die Aktiengesellschaft als Verwaltung i.S.d. Bundesbeamtengesetzes (§ 4 Abs. 2 PostPersRG). Auf welche Organisationseinheiten und Stelleninhaber unterhalb des Vorstands die Befugnisse einer Dienstbehörde oder eines Dienstvorgesetzten übertragen werden können, bestimmt nach § 3 Abs. 1 PostPersRG das Bundesministerium der Finanzen nach Anhörung oder auf Vorschlag des Vorstands der Aktiengesellschaft.

21

Fragen der Ausübung dieser Befugnis sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Diese Befugnis wird durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften wahrgenommen, denen keine Rechtssatzqualität zukommt. Aus diesem Grund gehört die auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG ergangene Anordnung des Bundesministeriums der Finanzen nicht zum revisiblen Recht im Sinn von § 137 Abs. 1 VwGO, sodass bereits deshalb es nicht gerechtfertigt ist, die Revision zuzulassen (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 14 = NVwZ 2012, 641; Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. II, Stand: 25. Erg.Lfg. April 2013, § 137 Rn. 22; Eyermann/Kraft, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 10, jeweils m.w.N.).

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.