Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2014 - 15 CS 14.615

bei uns veröffentlicht am29.08.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au 4 S 14.167, 03.03.2014

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

Der Antragsteller ist Eigentümer des an der S.-straße gelegenen Grundstücks Fl. Nr. 1142/2 Gemarkung H.. Im Westen grenzen das ebenfalls an die S.-straße grenzende Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) sowie nördlich davon - als Hinterliegergrundstück - das Grundstück Fl. Nr. 1142/5 der Beigeladenen an. Letzteres ist durch Teilung im Jahr 2011 aus dem Grundstück Fl. Nr. 1124 (alt) hervorgegangen und weist keinen unmittelbaren Zugang zu einer öffentlichen Straße auf. Sämtliche Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 4. November 2004 bekannt gemachten Bebauungsplans „Teil-Neuaufstellung des Bebauungsplanes ...‚Kapelle O. bis G. - Nachverdichtung 2003‘“ des Markts H.

Im Grundbuch ist zulasten der Grundstücke Fl. Nr. 1142 (neu) und Fl. Nr. 1142/5 ein Geh- und Fahrtrecht für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 1142/2 gemäß Bewilligung vom 4. April 1929 und 10. Januar 1930 eingetragen. In Ziffer VI. und IX. der notariellen Vertragsurkunde vom 4. April 1929 haben die Rechtsvorgänger der Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 1142 (alt) den Käufern des Grundstücks Fl. Nr. 1142/2 im Wege von Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB) unentgeltlich ein Geh- und Fahrtrecht bzw. ein Gehrecht über das Restgrundstück Fl. Nr. 1142 (alt) eingeräumt. In der Nachtragsurkunde vom 10. Januar 1930 heißt es dazu wörtlich: „Die in Ziffer VI - sechs - und IX - neun - der Vorurkunde bestellten Grunddienstbarkeiten werden dahin berichtigt und ergänzt, dass die jeweiligen Eigentümer des vertragsgegenständigen Grundstücks Pl. Nr. 1142 ½ das Recht haben, von der Straße H. = O. aus über das der Frau E. verbleibende Restgrundstück Pl. Nr. 1142 Stgde. H. das ganze Jahr zu gehen und zu fahren, um von der Straße aus über das bezeichnete Restgrundstück zu dem auf Pl. Nr. 1142 ½ errichteten Neubau zu gelangen und umgekehrt. Der Geh- und Fahrtweg beginnt an der Straße H. = O. beim Hause Nr. 122 in O. der Frau E., welches an der Straße liegt. Die Unterhaltung des Weges obliegt den Eigentümern des berechtigten Grundstücks; diese haben auch die Kosten der Unterhaltung allein zu tragen.“

Mit notarieller Urkunde vom 15. Januar 2014 räumten die Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 1142 (neu) den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks Fl. Nr. 1142/5 im Wege der Dienstbarkeit das Recht ein, „den auf dem dienenden Grundstück gelegenen Weg zum Gehen und zum Fahren mit Fahrzeugen aller Art mitzunutzen, zum vorstehenden Zweck zu belassen, auszubauen, zu unterhalten und gegebenenfalls zu erneuern.“ Ferner wurde festgelegt, dass auf dem Ausübungsbereich nicht geparkt werden darf. Das Geh- und Fahrtrecht wurde am 20. März 2014 im Rang nach dem Geh- und Fahrtrecht des Antragstellers ins Grundbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2014 erteilte das Landratsamt Lindau den Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. 1142/5 unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Baugrenzen im Norden und im Westen.

Dagegen hat der Antragsteller am 28. Januar 2014 beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. März 2014 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei unbegründet. Die Klage werde voraussichtlich keinen Erfolg haben. Das Bauvorhaben verletze keine nachbarschützenden Normen. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung des Baugrundstücks sei grundsätzlich nicht drittschützend. Eine Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts des Antragstellers sei nicht zu prüfen, weil die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt werde. Eine Ausnahme liege nicht vor. Dass der Antragsteller ein weiteres Geh- und Fahrtrecht über den fraglichen Weg dulden müsse, stelle keinen wesentlichen Eingriff in sein Eigentum dar. Wegen einer möglicherweise erforderlichen Neuregelung infolge eines hinzukommenden weiteren Unterhaltsverpflichteten für den Weg sei er im Streitfall auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Eine Verletzung der Rechte des Antragstellers komme auch nicht wegen der erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Baugrenzen im Norden und im Westen in Betracht, weil die Baugrenzen keinen Drittschutz vermittelten und das Grundstück des Antragstellers östlich des Bauvorhabens liege. Für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer unzumutbaren Verschattung oder erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens gebe es keine Anhaltspunkte.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Die Baugenehmigung verletze sein durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Geh- und Fahrtrecht sowie die dadurch gesicherte, einzige vorhandene Zufahrt zu seinem Grundstück. Durch die fehlende Erschließung des Baugrundstücks werde sein Geh- und Fahrtrecht mit einem Notwegerecht oder einem weiteren Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen über das Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) belastet. Wegen der zu erwartenden und unvermeidbaren Zunahme der Nutzung des Wegs und wegen der Versperrung durch Baufahrzeuge sei die Beeinträchtigung seiner Rechte und die Einschränkung des ihm eingeräumten freien Nutzungsrechts auch erheblich. Auch die Zufahrt für Rettungswägen und andere Personen, die ihn erreichen wollten, sei beeinträchtigt. Da das Landratsamt die Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts von den Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren zur Erfüllung einer ausreichenden Erschließung des Baugrundstücks mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 selbst gefordert habe, sei es widersprüchlich, wenn der Antragsteller auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Dies verletze auch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Dass trotz Widerspruchs des Antragstellers beim Grundbuchamt am 10. März 2014 ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten der Beigeladenen in das Grundbuch eingetragen worden sei, sei unverständlich und rechtsfehlerhaft. Durch die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans werde der Antragsteller ebenfalls in seinen Rechten verletzt. Die Festsetzungen seien wegen der von der Gemeinde gewollten Nachverdichtung hier drittschützend.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. März 2014 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Lindau vom 20. Januar 2014 anzuordnen.

Der Antragsgegner und die Beigeladenen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hält die Beschwerde für unbegründet. Die Beigeladenen verfügten aufgrund des ihnen eingeräumten Geh- und Fahrtrechts über die notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so dass sie das Grundstück des Antragstellers nicht durch ein Notwegerecht in Anspruch nehmen müssten. Wenn sich dieser in seinem Geh- und Fahrtrecht beeinträchtigt sehe, sei er auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Das Erfordernis der Erschließung sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand.

Die Beigeladenen sind der Auffassung, dass sich der Antragsteller wegen des fehlenden Drittschutzes nicht auf eine unzureichende Erschließung berufen könne. Das Eigentumsrecht sei nicht verletzt. Sein Geh- und Fahrtrecht verleihe ihm nicht die Befugnis, den Weg alleine zu nutzen. Im Übrigen sei das zivilrechtlich eingeräumte Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Auf die Überschreitung der nördlichen und westlichen Baugrenzen durch das Bauvorhaben könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil sein Grundstück von diesen nicht betroffen sei. Das Rücksichtnahmegebot sei ebenfalls nicht verletzt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Dem gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein maßgebenden Beschwerdevorbringen ist nach summarischer Prüfung nicht zu entnehmen, dass die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die in diesem Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO zu prüfen sind und die nicht nur dem Schutz der Interessen der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz der Interessen des Antragstellers als Grundstücksnachbarn dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Antragsteller wird durch das in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des am 4. November 2004 bekannt gemachten Bebauungsplans „Teil-Neuaufstellung des Bebauungsplanes ‚Kapelle O. bis G. - Nachverdichtung 2003‘“ zu beurteilende Bauvorhaben der Beigeladenen aller Voraussicht nach nicht in seinen Rechten verletzt.

1. Der Einwand des Antragstellers, die Baugenehmigung sei schon deswegen rechtswidrig, weil das Bauvorhaben die Anforderungen an die straßenmäßige Erschließung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO nicht erfülle, greift schon deswegen nicht durch, weil die Einhaltung der Erfordernisse des Art. 4 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Abs. 1 BayBO nicht geprüft wird. Im Übrigen haben die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Erschließung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO keine nachbarschützende Funktion. Das Erfordernis der ausreichenden Erschließung soll die Erreichbarkeit und ordnungsgemäße Benutzbarkeit des Baugrundstücks sicherstellen sowie Gefahren für die öffentliche Sicherheit vermeiden und ist deswegen nicht nachbarschützend (vgl. BayVGH, U. v. 22.3.1999 - 15 B 98.207 - BayVBl 1999, 662 = juris Rn.17; U. v. 22.1.2010 - 14 B 08.887 - juris Rn. 20; Wolf in Simon/Busse, BayBO, Stand Jan. 2014, Art. 4 Rn. 24).

2. Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung ist allerdings die Frage des bauplanungsrechtlichen Erschlossenseins nach § 30 Abs. 1 BauGB (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Eine Rechtsverletzung des Antragstellers wegen einer unzureichenden Erschließung des Baugrundstücks nach dieser Vorschrift scheidet indes ebenfalls aus, weil auch das Erfordernis der gesicherten planungsrechtlichen Erschließung grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen dient und keine nachbarschützende Funktion hat (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krauzberger, BauGB, Stand Jan. 2014, § 30 Rn. 56; Wolf in Simon/Busse, a. a. O., Art. 4 Rn. 24). Gründe, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen, liegen entgegen der Auffassung des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor.

Soweit sich der Antragsteller wegen der unzureichenden Erschließung in seinem privaten, dinglich gesicherten Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) beeinträchtigt sieht, muss er sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auf den Zivilrechtsweg verweisen lassen. Die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit diesem Recht ist nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung. Dies ergibt sich aus Art. 68 Abs. 4 BayBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird. Das bedeutet, dass über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter mit dem Bauvorhaben - wie vorliegend das Geh- und Fahrtrecht des Antragstellers - im Baugenehmigungsverfahren nicht entschieden wird. Die Baugenehmigung sagt über solche Rechte nichts aus und wirkt sich demnach auf sie nicht aus. Daher begründet ein privates Recht grundsätzlich auch kein Abwehrrecht des Nachbarn gegen die Baugenehmigung, sondern muss vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand April 2014, Art. 68 Rn. 63). Etwas anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall eine (wegen des Fehlens der Erschließung des Baugrundstücks rechtswidrige) Baugenehmigung dadurch in ein durch Art. 14 GG geschütztes Eigentumsrecht des Nachbarn eingreift, dass sie - wie bei der Entstehung eines Notwegerechts (§ 917 Abs. 1 BGB) über das Grundstück des Nachbarn - gleichsam im Wege einer „Automatik“ eine unmittelbare Verschlechterung seiner Rechte bewirkt und effektiver Rechtsschutz vor den Zivilgerichten nicht (mehr) erreicht werden kann, weil die Baugenehmigung (zuvor) in Bestandskraft erwächst und damit auch für die Zivilgerichte bindende Wirkung entfaltet (vgl. BVerwG, U. v. 26.3.1976 - BVerwGE 50, 282 = juris Rn. 25; U. v. 4.6.1996 - 4 C 15/95 - BauR 1996, 841 = juris Rn. 22; B. v. 11.5.1998 - 4 B 45/98 - NJW-RR 1999, 165 = juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 19.2.2007 - 1 ZB 06.92 - juris Rn. 15).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar könnte im Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung vom 20. Januar 2014 zugunsten der Beigeladenen ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 BGB über das Grundstück Fl. Nr. 1142 entstanden sein, weil zu diesem Zeitpunkt das (am 15. Januar 2014) vertraglich eingeräumte Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen grundbuchrechtlich noch nicht abgesichert war. Abgesehen davon, dass ein solches Notwegerecht mit der Eintragung des Geh- und Fahrtrechts der Beigeladenen ins Grundbuch am 20. März 2014 aber erloschen wäre mit der Folge, dass sich der Antragsteller als Nachbar insoweit auf die ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nicht mehr berufen könnte (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Baugenehmigung Rechte des Nachbarn verletzt, vgl. BVerwG, U. v. 20.8.2008 - 4 C 11/07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 21; B. v. 8.11.2010 - 4 B 43/10 - ZfBR 2011, 164/165 = juris Rn. 9), hätte dieses Recht für den Antragsteller keine unmittelbare Verschlechterung seines Grundeigentums bewirkt. Denn das Notwegerecht hätte eine Duldungspflicht nach § 917 Abs. 1 BGB nicht auf seinem Grundstück Fl. Nr. 1142/2, sondern auf dem Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) begründet.

Eine unmittelbare Verschlechterung seines dinglich gesicherten Geh- und Fahrtrechts wäre mit der Entstehung des Notwegerechts ebenfalls nicht verbunden gewesen, weil das Geh- und Fahrtrecht ausweislich der notariellen Urkunden vom 4. April 1929 und 10. Januar 1930 den Antragsteller nicht zu einer ausschließlichen Nutzung des Wegs berechtigt. Es kollidiert daher weder mit einem weiteren (Not-)Wegerecht noch schließt es eine Mitnutzung durch die Beigeladenen als weitere Berechtigte aus. Gleiches gilt in Bezug auf das vertraglich begründete Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen, zumal diese Berechtigung über ein Recht zum Gehen und Fahren nicht hinausgeht und die Beigeladenen insbesondere nicht zum Parken auf der Wegefläche berechtigt (vgl. notarielle Urkunde vom 15.1.2014, S. 8). Soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, dass parkende Fahrzeuge - in unberechtigter Ausnutzung des Wegerechts - tatsächlich seine einzig vorhandene Grundstückszufahrt behindern und versperren, muss er mögliche Abwehrrechte vor den Zivilgerichten geltend machen. Eine vor dem Abschuss der zivilrechtlichen Verfahren eintretende Bestandskraft der Baugenehmigung steht dem nicht entgegen, weil die Frage der Berechtigung parkender Fahrzeuge von der Feststellungswirkung der Baugenehmigung nicht erfasst ist. Eine Verletzung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegt ebenso wenig vor wie ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

3. Durch die Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von der festgesetzten westlichen und nördlichen Baugrenze, wird der Antragsteller voraussichtlich ebenfalls nicht in seinen Rechten verletzt.

Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist (vgl. BVerwG, B. v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3). Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - BauR 1998, 1206 = juris Rn. 5 f.; BayVGH, B. v. 17.3.2014 - 2 ZB 12.2238 - juris Rn. 3). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verletzt die Befreiung mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Rechte des Antragstellers.

a) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Festsetzungen, von denen den Beigeladenen eine Befreiung erteilt wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nachbarschützend sind.

Eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans ist regelmäßig nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen (vgl. BVerwG, B. v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3). Denn nur durch diese Festsetzungen wird ein auf jeweils wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen beruhendes Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet begründet. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien oder Baugrenzen (§ 23 BauNVO) haben dagegen ebenso wie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine entsprechende Funktion. Solche Festsetzungen vermitteln Drittschutz nur dann, wenn sie ausnahmsweise nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888 = juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 9 CS 14.1171 - juris Rn. 15; OVG NRW, B. v. 27.1.2014 - 2 A 1674/13 - BauR 2014, 969 = juris Rn. 11 ff.; OVG Saarl, B. v. 10.6.2013 - 2 B 29/13 - juris Rn. 38).

Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Fest-setzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln (vgl. BVerwG B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888 = juris Rn. 3), wobei sich ein entsprechender Wille aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben kann (vgl. BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 9 CS 14.1171 - juris Rn. 15; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, a. a. O., § 16 BauNVO Rn. 51; Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bie-lenberg/Krautzberger, a. a. O., § 23 BauNVO Rn. 55 ff.). Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 19.11.2004 - 15 ZB 04.288 - juris Rn. 8; VGH BW, B. v. 2.6.2003 - 8 S 1098/03 - VBlBW 2003, 470 = juris Rn. 2). Bei der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen und Baulinien (vgl. § 23 BauNVO) kann Letzteres etwa angenommen werden, wenn der Plangeber hierdurch faktisch einzuhaltende Grenzabstände festsetzt und damit explizit denselben nachbarschützenden Zweck verfolgt wie die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO (vgl. OVG NW, B. v. 27.1.2014 - 2 A 1674/13 - BauR 2014, 969 = juris Rn. 16).

Nach diesem Maßstab dürften die festgesetzten Baugrenzen hier keinen Nachbarschutz vermitteln. Ein entsprechender Planungswille lässt sich weder dem Bebauungsplan noch dessen Begründung oder sonstigen Umständen entnehmen. Gegen ein vom Markt H. gewolltes nachbarliches Austauschverhältnis spricht im Gegenteil die Tatsache, dass im Plangebiet Baufenster in sehr unterschiedlichen Entfernungen zu den jeweiligen Grundstücksgrenzen ausgewiesen werden. Eine Verkürzung der Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO durch die Festsetzung der Baugrenzen ist nach Nr. 4.1 der textlichen Festsetzungen ausdrücklich nicht vorgesehen (vgl. auch Nr. 8.7.12 der Planbegründung). Auch der Begründung des Bebauungsplans, nach deren Nr. 8.7.7 durch die überbaubare Grundstücksfläche „für die Bauherrschaft zusätzliche Gestaltungsfreiheit (entstehen)“ und „der Abstand zum Uferbereich der Leiblach festgesetzt“ werden sollte, spricht dagegen, dass mit der Festsetzung der Baugrenzen über städtebauliche Gesichtspunkte hinaus Rechte der Nachbarn geschützt werden sollen. Dem steht nicht entgegen, dass der Bebauungsplan nach dem Willen der Gemeinde eine beschränkte Nachverdichtung des vorhandenen Wohnbaugebiets zum Ziel hat (vgl. Nr. 8.1.1 und 8.2.6 der Planbegründung), wie der Antragsteller meint. Die durch die Ausweisung der Bauräume im Plangebiet zugelassene „Wohndichte“ ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht so groß, dass wegen der besonderen Nähe nachbarlicher Grundstücke - wie etwa bei kleinräumigen Reihenhausgrundstücken (vgl. dazu OVG Bremen, U. v. 20.2.1996 - 1 BA 53/95 - NVwZ-RR 1997, 276 = juris Rn. 25 f.; B. v. 19.7.2011 - 1 B 128/11 - juris Rn. 7) - ein nachbarliches gegenseitiges Austauschverhältnis in dem genannten Sinn angenommen werden könnte. Im Übrigen ist dem Verwaltungsgericht auch darin zuzustimmen, dass die auf dem Baugrundstück festgesetzte westliche und nördliche Baugrenze jedenfalls nicht zugunsten des Antragstellers nachbarschützend sind, weil sie dessen östlich gelegenem Grundstück nicht gegenüberliegen (vgl. VGH BW, U. v. 26.1.2012 - 5 S 2233/11 - DVBl 2012, 508 = juris Rn. 42).

b) Dass durch die Erteilung der Befreiung gegenüber dem Antragsteller das Rücksichtnahmegebot verletzt wäre, weil er hierdurch unzumutbar beeinträchtigt würde, macht er weder geltend (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) noch ist dies sonst ersichtlich. Unzumutbare Auswirkungen auf sein Grundstücks dürften hier schon deswegen ausscheiden, weil die Befreiung eine Erweiterung der überbaubaren Grundstücksfläche lediglich nach Norden und Westen ermöglicht und das östlich gelegene Grundstück des Antragstellers davon offensichtlich nicht berührt wird.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil diese einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Juli 2014 - 9 CS 14.1171

bei uns veröffentlicht am 29.07.2014

Tenor I. In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vo

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 17. März 2014 - 2 ZB 12.2238

bei uns veröffentlicht am 17.03.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wird auf

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 27. Jan. 2014 - 2 A 1674/13

bei uns veröffentlicht am 27.01.2014

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt. 1G r ü n d e : 2Der

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 10. Juni 2013 - 2 B 29/13

bei uns veröffentlicht am 10.06.2013

Tenor 1. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung wird hinsichtlich des Aussetzungsbegehrens der Antragsteller wie folgt neu gefasst:„Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Baugenehmigung und den Zulassungsbeschei

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 26. Jan. 2012 - 5 S 2233/11

bei uns veröffentlicht am 26.01.2012

Tenor Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Die Klägerin wendet sich gegen die der

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 08. Nov. 2010 - 4 B 43/10

bei uns veröffentlicht am 08.11.2010

Gründe I. 1 Die Beklagte hat dem Beigeladenen am 6. März 2007 eine Baugenehmigung mit d
53 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2014 - 15 CS 14.615.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 27. Dez. 2016 - M 8 SN 16.5109

bei uns veröffentlicht am 27.12.2016

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt. Gr

Verwaltungsgericht München Urteil, 17. Okt. 2018 - M 9 K 17.2673

bei uns veröffentlicht am 17.10.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. zu tragen. Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbs

Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Sept. 2018 - M 8 K 17.2619

bei uns veröffentlicht am 24.09.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vorläufi

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 07. Mai 2015 - Au 5 K 14.1423

bei uns veröffentlicht am 07.05.2015

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig voll

Referenzen

Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt (Grunddienstbarkeit).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

Gründe

I.

1

Die Beklagte hat dem Beigeladenen am 6. März 2007 eine Baugenehmigung mit dem Betreff "Nutzungsänderung: Gewerbebetrieb (von gewerbliches Lager in Büroräume)" erteilt. Während des Berufungsverfahrens hat sie die Genehmigung mit Bescheid vom 5. Mai 2010 dahin abgeändert, dass die Anzahl der Pkw-Bewegungen, die gemäß Nr. 6 der Nebenbestimmung in den rückwärtigen Grundstücksbereich fahren dürfen, monatlich 300 Fahrzeuge nicht überschreiten darf; außerdem hat sie die Betriebszeit auf werktags von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr beschränkt. Der Beigeladene hatte zuvor in einem "Teilverzicht" erklärt, dass er insoweit von der Baugenehmigung nicht mehr Gebrauch machen werde.

2

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass auf die Genehmigung nicht teilweise verzichtet werden könne, denn der "Teilverzicht" beziehe sich nicht auf einen objektiv abgrenzbaren und benennbaren Teil der Genehmigung; jede Änderung einer Baugenehmigung lasse in der Regel ein aliud entstehen.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass hier auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vom 6. März 2007 abzustellen sei. Die Änderungsgenehmigung vom 5. Mai 2010 führe nicht dazu, dass es für die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Änderungsgenehmigung ankommen würde, denn mit ihr habe die Beklagte keine Genehmigung für ein sogenanntes aliud, also für ein Vorhaben erteilt, das von dem zuvor Genehmigten so erheblich abweicht, dass sich die Genehmigungsfrage neu gestellt hätte. Vielmehr bestätige die Änderungsgenehmigung der Sache nach lediglich den Teilverzicht des Beigeladenen, mit dem dieser eine in der Bandbreite der zuvor genehmigten Nutzung liegende Reduzierung des betrieblichen Geschehens erklärt habe (UA S. 15). Die nähere Umgebung habe jedenfalls am 6. März 2007 einem allgemeinen Wohngebiet entsprochen, in dem das Vorhaben des Beigeladenen als nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise habe zugelassen werden dürfen.

II.

4

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

5

1. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

6

Die Klägerin möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,

ob und ggf. in welcher Konstellation im Rahmen einer Änderungs-/Nachtragsgenehmigung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung oder auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Änderungsgenehmigung abzustellen ist.

7

Sie macht geltend, dass die nähere Umgebung jedenfalls bei Erteilung der Änderungsgenehmigung einem reinen Wohngebiet entsprochen habe, in dem der Gewerbebetrieb des Beigeladenen unzulässig sei.

8

Die bezeichnete Frage bedarf, soweit sie entscheidungserheblich wäre, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In einem Fall wie dem vorliegenden ist sie ohne Weiteres in dem vom Oberverwaltungsgericht entschiedenen Sinne zu beantworten.

9

Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Nur nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind zu berücksichtigen. Änderungen zu seinen Lasten haben außer Betracht zu bleiben (Beschluss vom 23. April 1998 - BVerwG 4 B 40.98 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87; Urteil vom 19. September 1969 - BVerwG 4 C 18.67 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 25 S. 59). Die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.07 - BVerwGE 130, 113 Rn. 13). Das ist in der Rechtsprechung geklärt. Auch das Oberverwaltungsgericht ist von diesem Grundsatz ausgegangen (UA S. 15).

10

Verzichtet der Bauherr teilweise auf die Ausnutzung der erteilten Baugenehmigung und schreibt die Genehmigungsbehörde diesen Verzicht durch eine Änderung der Genehmigung fest, richtet sich die Frage, ob der aufrechterhaltene Teil der Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, weiterhin nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der ursprünglichen Baugenehmigung. Denn auch für den aufrechterhaltenen Teil des Vorhabens hat der Bauherr bereits durch die Erteilung der Baugenehmigung eine gegenüber nachträglichen Änderungen der Sach- und Rechtslage geschützte Rechtsposition erlangt. Durch die Änderung der Genehmigung wird in einem solchen Fall lediglich deren Umfang nachträglich eingeschränkt. Ein teilweiser Verzicht auf die Ausnutzung einer Baugenehmigung und eine entsprechende Änderung der Genehmigung sind allerdings nur möglich, wenn das genehmigte Vorhaben teilbar ist. Ob und inwieweit das der Fall ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Hier hat das Oberverwaltungsgericht die Reduzierung der höchstzulässigen Anzahl von Pkw-Bewegungen und der Betriebszeit als "eine in der Bandbreite der zuvor genehmigten Nutzung liegende Reduzierung des betrieblichen Geschehens" (UA S. 15), das reduzierte Vorhaben also nicht als aliud, sondern als abtrennbaren Teil des ursprünglichen Vorhabens angesehen. An diese tatrichterliche Würdigung der hier gegebenen Umstände wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Dass der Betrieb durch die genannte Reduzierung des Betriebsumfangs von einem störenden zu einem nicht störenden Gewerbebetrieb wird, steht der Teilbarkeit des Vorhabens nicht entgegen.

11

2. Als Divergenzrüge macht die Klägerin geltend, dass das Oberverwaltungsgericht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 1965 - BVerwG 4 C 3.65 - (BVerwGE 22, 129) abgewichen sei. In diesem Urteil habe das Bundesverwaltungsgericht den Grundsatz aufgestellt, dass es für die Frage der Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung grundsätzlich darauf ankomme, wie die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung beschaffen sei. Demgegenüber habe das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz zugrunde gelegt, dass es bei der zu beurteilenden Änderungsgenehmigung nicht auf den Zeitpunkt der Erteilung der Änderungsgenehmigung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ankomme, sondern auf den Zeitpunkt der Erteilung der Ursprungsgenehmigung.

12

Die geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor. Einen Rechtssatz zu der hier entscheidungserheblichen Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung maßgebend ist, wenn der Bauherr auf die Ausnutzung der Baugenehmigung teilweise verzichtet und die Baugenehmigungsbehörde die Baugenehmigung entsprechend geändert hat, hat der Senat in seinem Urteil vom 5. Oktober 1965 nicht aufgestellt. Um eine derartige Fallkonstellation ging es in der damaligen Entscheidung nicht.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. Juli 2012 hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Befreiung von der Einhaltung der festgesetzten Baugrenzen des Bebauungsplans keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann als Nachbar die Befreiung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

1. Der Kläger behauptet, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug auf die Baulinien und Baugrenzen nachbarschützend seien. Festsetzungen eines Bebauungsplans - mit Ausnahme der Art der baulichen Nutzung - können nur in besonderen Fällen, wenn sich aus dem Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung ergibt, dass der Nachbar geschützt sein soll, als nachbarschützend angesehen werden. Baugrenzen dienen grundsätzlich (nur) städtebaulichen Anforderungen (vgl. BayVGH, B. v. 31.3.2010 - 2 CS 10.307 - juris). Der Kläger hat bereits nicht hinreichend konkret dargelegt, inwieweit sich aus dem Bebauungsplan selbst oder aus der Begründung des Bebauungsplans ergeben soll, dass die Festsetzung ausnahmsweise auch zum Schutz eines bestimmbaren und sich von der Allgemeinheit abgrenzenden Personenkreises gedacht ist. Auch für den Senat ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte für eine nachbarschützende Zielrichtung der Festsetzung der Baugrenze.

2. Der Kläger macht geltend, dass sich das Erstgericht nicht mit seinem Anspruch auf ermessensfehlerfeie Abwägungsentscheidung auseinandergesetzt habe. Bei der Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung ist nur das Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen in § 31 Abs. 2 BauGB drittschützend. Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - juris; BayVGH, B. v. 17.3.2005 - 2 ZB 04.2536 - juris). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris). Das Erstgericht hat diese Maßstäbe zutreffend angewandt. Soweit der Kläger geltend macht, dass er nicht angehört worden sei, keine Aufklärung des örtlichen Sachverhalts hinsichtlich der widerstreitenden Nachbarinteressen erfolgt sei, der sachbearbeitende Bauamtsleiter nicht beteiligt worden sei und Nebengebäude im gesamten Plangebiet ohne ausdrückliche Zustimmung des betroffenen Nachbarn nirgends genehmigt worden seien, vermag der Senat nicht zu erkennen, wie dies zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme führen könnte. Das Gebot der Rücksichtnahme hat einen materiell-rechtlichen Gehalt. Der örtliche Sachverhalt ist nach Aktenlage hinreichend geklärt.

3. Schließlich rügt der Kläger, dass er im Vertrauen auf die Regelung Investitionen und Planungen getätigt habe, die die Befreiung in nicht unerheblichem Maß wertlos machen würden. Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Befreiung bilden für sich genommen jedoch keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinn des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht (vgl. BVerwG, U. v. 23.8.1996 - 4 C 13.94 - NVwZ 1997, 384). Entscheidend ist vielmehr, wie schutzwürdig die baurechtliche Stellung des Betroffenen ist. Je weniger der Nachbar in dieser Hinsicht an Rücksichtnahme verlangen kann, mit desto geringerem Gewicht schlägt der Gesichtspunkt wirtschaftlicher Interessen bei der gebotenen Abwägung zu seinen Gunsten zu Buch (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 -juris). Das Verwaltungsgericht hat hinreichend dargelegt, dass die baurechtliche Stellung des Klägers nicht schutzwürdig ist (UA S. 7). Im Übrigen macht der Kläger geltend, dass er durch Lärmimmissionen handwerklicher Tätigkeiten sowie zukünftig auch durch Gerüche aufgrund einer beabsichtigten Hasenhaltung beeinträchtigt werde. Damit verkennt der Kläger, dass die Frage der Zulässigkeit von Tierhaltung in der Gartengerätehütte nicht Gegenstand der Befreiung ist. Unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen durch die Nutzung einer Gartengerätehütte sind bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Tenor

I.

In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 519/3 Gemarkung W., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück FlNr. 519/18 Gemarkung W. (im Folgenden: Baugrundstück). Dieses Grundstück wurde aus dem nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. herausgemessen und grenzt im Nordosten auf eine Länge von ca. 5 m an das Grundstück der Antragstellerin an.

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Auracher Berg“. Die Baugenehmigung enthält eine Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Baugrenze im nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. und der Dachneigung. In der Begründung des Bescheids ist ausgeführt, die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Interessen vereinbar seien.

Die Antragstellerin hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ferner hat sie beantragt, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2014 abgelehnt. Die erteilten Befreiungen verletzten die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Anhaltspunkte dafür, dass den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenze und der Dachneigung nachbarschützende Ziele zugrunde lägen, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Befreiungen seien gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos. Ein Anspruch eines Nachbarn auf den Fortbestand einer „faktischen Ruhezone“ bestehe nicht. Auf naturschutzrechtliche Belange könne sich ein Nachbar ebenso wenig berufen wie auf ein etwaiges Fehlen einer gesicherten Erschließung. Abgesehen davon, dass das Bebauungsplangebiet nicht innerhalb der vom Markt W. aufgestellten Gestaltungsrichtlinien liege, seien diese ausschließlich zur örtlichen Baugestaltungspflege erlassen worden. Zivilrechtliche Gesichtspunkte blieben im Baugenehmigungsverfahren außer Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Durch die Befreiung hinsichtlich der Baugrenze werde ihr Grundstück erheblich beeinträchtigt. Es sei aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich, welche Gründe hierfür sprächen. Seitliche und hintere Baugrenzen hätten nach der Rechtsprechung einen nachbarschutzrechtlichen Charakter. Eine Hinterlandbebauung, wie sie durch den angefochtenen Bescheid genehmigt worden sei, liege im weiteren Baugebiet nicht vor. Sie stehe auch im Widerspruch zu den Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2014 aufzuheben und die Vollziehung der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen im Bebauungsplan über die Baugrenzen und die Dachneigung dargelegt. Das Gebiet sei bereits in anderen Bereichen nachverdichtet. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht verletzt. Das Grundstück der Antragstellerin und das Baugrundstück lägen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts (AN 3 K 14.00018, AN 3 S 14.00460 und AN 3 K 14.00461) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Hinblick auf die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts derzeit als (zumindest) offen anzusehen. Angesichts dessen überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die gegenläufigen Interessen der Beigeladenen, das genehmigte Vorhaben schon vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Nachbarklage verwirklichen zu können.

Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Antragstellerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und auch die Einwendungen der Antragstellerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Antragstellerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W. der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Indes lässt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze verletze sie in ihren Nachbarrechten, bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit noch keine hinreichend sichere Prognose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu.

Die Frage, ob die im Bebauungsplan „Auracher Berg“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück FlNr. 519/2 Gemarkung W. nachbarschützende Wirkung entfaltet, lässt sich nach summarischer Prüfung nicht ohne weiteres beantworten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - zwar nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888). Es ist daher durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 28.5.2014 - 9 CS 14.84 - juris Rn. 17 m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Nachbarschutz vermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauGB) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend ist jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ kann etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“]).

Im vorliegenden Fall liegen dem Senat weder die Bebauungsplanbegründung noch die Verfahrensakten zum Bebauungsplan „Auracher Berg“ vor. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass derartige Unterlagen auch dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorgelegen haben. Dem Verwaltungsgericht wurden nämlich ausweislich der Vorlageschreiben des Landratsamts nur die den Vorbescheid vom 5. Dezember 2013 und die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung betreffenden Bauakten vorgelegt. Diese enthalten aber lediglich eine Kopie eines Ausschnitts aus der Bebauungsplanzeichnung mit einem Blatt „VERBINDLICHE FESTSETZUNG DES BEBAUUNGSPLANES“ (vgl. Bl. 26 und 27 Bauakt H2014-0057). Letzterem lässt sich aus dem Verweis auf die Geltung der BauNVO vom 26. Juni 1962 entnehmen, dass es sich beim Bebauungsplan „Auracher Berg“ offensichtlich um einen „relativ alten“ Bebauungsplan (so die Bezeichnung in der Niederschrift über die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Marktes W. vom 15.7.2013, Bl. 46 des Bauakts H2013-0472) handelt. Nähere Angaben etwa zum Inkrafttreten dieses Bebauungsplans, zu seinem Geltungsbereich, zu den mit ihm allgemein verfolgten Zielen und konkret zu den Gründen für die im maßgeblichen Teilbereich festgesetzten Baufenster lassen sich aber auch dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit nämlich auf den bloßen Hinweis beschränkt, Anhaltspunkte dafür, dass die planende Gemeinde ihre Festsetzung einer Baugrenze zum Schutze benachbarter Grundstückseigentümer geschaffen hat, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine nähere Prüfung, z. B. anhand der Begründung des Bebauungsplans oder den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, hat das Verwaltungsgericht offensichtlich nicht vorgenommen.

Dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in ausreichender Weise entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass es sich hier um eine seitliche Baugrenze zu ihrem Grundstück handle und seitlichen (und hinteren) Baugrenzen nach der Rechtsprechung eine nachbarschützende Wirkung zukommen könne. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich damit nicht auf pauschale oder formelhafte Rügen. Vielmehr werden in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung substantiiert im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe dafür dargelegt, weshalb die Entscheidung für unrichtig gehalten wird. Ein Eingehen auf die Aufstellungsunterlagen oder die Begründung des Bebauungsplans war entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht erforderlich, weil sich auch das Verwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt hat. Art und Umfang der Beschwerdebegründung hängen nämlich von der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ab. Je eingehender die dortige Argumentation ist, desto tiefer muss sich der Beschwerdeführer mit ihr befassen (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 76; Jeromin in Gärditz, VwGO, § 146 Rn. 32).

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung der (seitlichen und rückwärtigen) Baugrenzen nicht auch zumindest zum Schutze der benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, ist auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lässt sich nämlich jedenfalls das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der Siedler- und Flurstraße sowie dem Finken- und Meisenweg gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1- bis 1 1/2-geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spricht unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führt nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („grüne“) Fläche von ca. 40 - 60 m entsteht, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf aber unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten Grundsätze erst einer Würdigung der Bebauungsplanbegründung und der Akten des Aufstellungsverfahrens (insbesondere der entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse) und einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs.

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2010 - 2 AS 09.2907 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 darauf verwiesen hat, Nachbarn hätten keinen Anspruch auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs lag ein Nachbarrechtsbehelf gegen eine nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Hinterlandbebauung zugrunde, wobei den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, dass die in der maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung sich nicht nur auf den straßenseitigen Bereich beschränkte, sondern auch den rückwärtigen Grundstücksraum einbezog (a. a. O. - juris Rn. 20). Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall eine Nachbarrechtsverletzung durch die erteilte Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze des übergeleiteten Bebauungsplans verneint hat, hat er lediglich eine auch vom erkennenden Senat nicht in Frage gestellte Regel („in der Regel“) aufgestellt (a. a. O. Rn. 21). Seine Ausführungen zum „Wegfall der rückwärtigen Ruhezone“ stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Verneinung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtname (a. a. O. Rn. 23). Darum geht es hier aber nicht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. September 2003 (a. a. O. juris Rn. 19) feststellt, dass ein Nachbar keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone hat, ist diese Aussage im Rahmen einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan getroffen worden, der für eine bisher im Wesentlichen unbebaute Freifläche mit Streuobstwiesennutzung, die von vorhandener Wohnbebauung umgeben war, Baurecht in Form der Festsetzung eines (eingeschränkten) allgemeinen Wohngebiets geschaffen hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Nachbar eine derartige Festsetzung nicht abwehren kann, wenn sie den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht. Auch um diese Frage geht es im vorliegenden Fall aber nicht.

Bei dieser Sach- und Rechtslage fällt die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung daher zu Ungunsten der Beigeladenen aus.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.


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Tenor

1. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung wird hinsichtlich des Aussetzungsbegehrens der Antragsteller wie folgt neu gefasst:

„Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Baugenehmigung und den Zulassungsbescheid jeweils vom 19.11.2012 wird angeordnet“

2. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 4.2.2013 – 5 L 15/13 – wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene.

4. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Wohnanwesens C-Straße in B-Stadt (Parzelle Nr. 44/12 in Flur 20 der Gemarkung St.). Sie wenden sich gegen den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit acht Wohneinheiten auf der seitlich angrenzenden Parzelle Nr. 44/8. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „W.“ der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1980, der von der Nutzungsart her ein reines Wohngebiet (WR, § 3 BauNVO 1977) festsetzt.

Nachdem die Bauarbeiten erstmals im Mai 2011 unter Verweis auf das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung von der Antragsgegnerin eingestellt worden waren,(vgl. dazu den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.5.2011 – 20100827 –, betreffend die Errichtung von Stützmauern und Geländeaufschüttungen im rückwärtigen Grundstücksbereich) beantragte die Beigeladene im September 2011 die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren für den „Neubau Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ sowie verschiedener Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Nach den beigefügten Plänen sollten jeweils zwei Wohnungen im Unter-, Erd- und Obergeschoss sowie in einem darauf aufgesetzten Staffelgeschoss ausgeführt werden. Mit einem „Zulassungsbescheid“ vom 9.11.2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen mehrere Befreiungen von verschiedenen Festsetzungen ihres Bebauungsplans.

Die Antragsteller haben Widerspruch gegen den „Zulassungsbescheid“ erhoben und beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zur Einstellung der wieder aufgenommenen Arbeiten an dem Vorhaben zu verpflichten. Nachdem das Verwaltungsgericht die Beteiligten im Januar 2012 auf Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen hingewiesen hatte, hat die Beigeladene Änderungen des Bauvorhabens in den Plänen vorgenommen. Durch Zulassungsbescheid vom 2.2.2012 wurden ihr daraufhin bezüglich derselben Festsetzungen des Bebauungsplans erneut Befreiungen für dieses Vorhaben erteilt. Auch dagegen haben die Antragsteller Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, das Vorhaben halte nach wie vor die Abstandsflächen nicht ein und widerspreche „trotz aller Ausnahmegenehmigungen“ den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die „riesige Baumasse“ des Neubaus entziehe ihrer Wohnung Licht und Luft in einem nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots nicht akzeptablen Maß.

Im Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Zulassungsbescheide vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Bauarbeiten erneut einzustellen.(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –) In der Begründung ist unter anderem ausgeführt, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch das im Bau befindliche Vorhaben sei überwiegend wahrscheinlich. Zwar seien die erteilten Befreiungen bei isolierter Betrachtung nicht geeignet, eine Nachbarrechtsverletzung zu begründen. Sie führten aber in ihrer Kumulierung zur Zulässigkeit eines die Planvorgaben deutlich überschreitenden, mehr als doppelt so großen Bauvorhabens, das aller Voraussicht nach eine erdrückende Wirkung auf die plankonform bebauten Nachbargrundstücke haben werde. Daraufhin verfügte die Antragsgegnerin im Februar 2012 die neuerliche Einstellung der Bauarbeiten.(vgl. den Bescheid vom 22.2.2012 – 20120077 –)

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobenen Beschwerden sowohl der Beigeladenen als auch der Antragsgegnerin hat der Senat, nachdem die Beigeladene im Februar 2012 auf die Rechte aus dem Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 verzichtet hatte, im Mai 2012 zurückgewiesen.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –, SKZ 2012, 172, Leitsatz Nr. 24) In der Begründung heißt es, es spreche viel dafür, dass die nach dem Nachbarschutz vermittelnden § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes freizuhaltenden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück lägen. Die von der Beigeladenen im Rahmen eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens (§§ 63 LBO 2004, 1 Abs. 2 BauVorlVO 2011) im Februar 2012 eingereichten geänderten Bauvorlagen legten eine Unterschreitung der erforderlichen Grenzabstände nahe. In dem Fall stünde auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots im Raum.

Anschließend forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene mehrfach zur Stellung eines Bauantrags nach § 65 LBO 2004 auf. Die Beigeladene lehnte das ab, legte stattdessen im Juli 2012 zahlreiche Berechnungen zu den Abstandsflächen sowie einen Nachweis über die einweisungsgemäße Ausführung des Vorhabens vor und beantragte, die Bauarbeiten wieder freizugeben. Im August 2012 beantragte die Beigeladene unter Hinweis auf diese Unterlagen beim Verwaltungsgericht, dessen Entscheidung vom Februar 2012 abzuändern und das auf Baueinstellung gerichtete Anordnungsbegehren wie auch den Aussetzungsantrag der Antragsteller hinsichtlich der „Zulassungsbescheide“ vom November 2011 und vom Februar 2012 zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat beide Anträge im September 2012 zurückgewiesen.(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 28.9.2012 – 5 L 695/12 –) In der Begründung heißt es, im Vergleich zum „Zulassungsbescheid“ vom 2.2.2012 handele es sich um ein anderes Bauvorhaben. Die bloße Vorlage neuer Abstandsflächenpläne und des Einmessungsplans beinhalte keine „Änderung der Tatsachengrundlage“ im Verhältnis zu dem abgeschlossenen Eilverfahren.

Das Verfahren betreffend die dagegen seitens der Beigeladenen erhobene Beschwerde haben die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt,(vgl. den Einstellungsbeschluss des OVG des Saarlandes vom 4.1.2013 – 2 B 310/12 –) nachdem die Antragsgegnerin ihr auf einen zwischenzeitlich gestellten Bauantrag im November 2012 eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Neubau einer Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ und gleichzeitig erneut mehrere Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „W.“ erteilt hatte.(vgl. den Bauschein der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 und den Abweichungsbescheid (§ 68 LBO 2004, „Zulassungsbescheid“) vom selben Tag, Az. jeweils – 20120763 –) Die von der Antragsgegnerin zugelassenen Abweichungen betreffen – wie bisher – Überschreitungen der Zahl der zulässigen Vollgeschosse (II) um ein Vollgeschoss im Untergeschoss, der hinteren Baugrenze mit Balkonen, der maximal zulässigen Geschossflächenzahl (0,7) durch die insoweit anrechenbaren Aufenthaltsräume im Staffelgeschoss, die Änderung der zulässigen Dachform sowie der Bauweise, hinsichtlich der zugelassenen Breite des Gebäudes. Zur Begründung heißt es im Bauschein, die Abweichungen würden erlaubt, weil sie „unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar“ seien, da sie „im Bebauungsplangebiet mehrfach auffindbar“ seien.

Die Antragsteller haben im Dezember 2012 auch gegen diese beiden Bescheide Widerspruch erhoben und Anfang Januar 2013 beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur neuerlichen Einstellung der Bauarbeiten beantragt. Nachdem das Verwaltungsgericht ihrem Vorabentscheidungsersuchen entsprochen hatte,(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 7.1.2013 – 5 L 15/13 – und den die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Zwischenregelung zurückweisenden Beschluss des OVG des Saarlandes vom 18.1.2013 – 2 B 7/13 –) ordnete die Antragsgegnerin unter Hinweis hierauf erneut die sofortige Einstellung der Arbeiten an.(vgl. dazu den Bescheid vom 9.1.2013 – 20120763 –)

Zur Begründung ihrer Anträge haben die Antragsteller unter anderem ausgeführt, der Zulassungsbescheid und die Baugenehmigung seien eklatant rechtswidrig und verletzten sie in subjektiven Rechten. Die Entscheidungen litten an evidenten Fehlern, die bereits die Annahme ihrer Nichtigkeit rechtfertigten. Hinsichtlich der erteilten zahlreichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans lasse die nichtssagende Begründung, die bereits in den vorangegangenen Verfahren sowohl vom Verwaltungs- als auch vom Oberverwaltungsgericht als nicht tragfähig bezeichnet worden sei, nach wie vor keine Auseinandersetzung mit Hinsichtlich den hier offensichtlich nicht erfüllten gesetzlichen Anforderungen erkennen. Die Antragsgegnerin sehe es offensichtlich lediglich als ihre Aufgabe an, das streitgegenständliche Vorhaben „nachbarschaftsfest“ zu machen. Dieses solle „um jeden Preis legalisiert“ werden. Die Einhaltung des Bebauungsplans, die die Antragsgegnerin von ihnen selbst verlangt habe, sei auch der Beigeladenen zumutbar gewesen. Darin liege eine Ungleichbehandlung „hart an der Grenze zu behördlicher Willkür“. Nach den Befreiungen dürfe die Beigeladene doppelt so viele Geschosse bauen wie andere Bauherren und die zulässige Geschossfläche um 499,69 qm, die rückwärtige Baugrenze um 33,71 qm und die zulässige Breite um 1/5 überschreiten. Belichtung, Besonnung und Belüftung ihres – der Antragsteller – Anwesens würden massiv beeinträchtigt. Der von der Beigeladenen geplante „riesige Klotz“ mit einer Baumasse von 3.630 cbm werde die eigene Wohnung erheblich überragen. Auf das Untergeschoss würden 3 Vollgeschosse aufgesetzt, die nach den Plänen ca. 9 m hoch seien. Auf den Garagen sei ein 7 m hoher Baukörper geplant. In 3 m Abstand zu ihrer Terrasse werde ein 11 m hohes und 20 m tiefes Bauvorhaben errichtet. Sogar das Arbeitszimmer und das Zimmer ihrer Tochter im Obergeschoss ihres Hauses würden keine direkte Sonneneinstrahlung mehr haben. Die Ausrichtung der Terrasse sei bewusst gewählt worden, da sie beide ganztägig bei geschlossenen Rollläden arbeiteten und daher auf die Abendstunden angewiesen seien, um „Licht und Luft zu genießen“. Der Einmauerungseffekt sei offensichtlich. Daran zeige sich die Nachbarrechte verletzende Wirkung der Befreiungen in ihrer Kumulation. Schutzwürdige „Belange an baurechtswidrigem Bauen“ könne die Beigeladene nicht geltend machen. Auch das genehmigte Staffelgeschoss sei ein Vollgeschoss, da es mehr als 2/3 der Bruttogrundfläche des ersten Obergeschosses aufweise. Dafür sei keine Befreiung erteilt worden. Ferner müsse nach Nr. 1.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans die Oberkante des Erdgeschossfußbodens bei – wie hier - talseitiger Bebauung bezogen auf die Gebäudemitte auf dem Niveau des höchsten Straßenpunktes liegen. Nach den genehmigten Ansichtsplänen liege der Punkt bei dem Vorhaben 27 cm höher. Das streitgegenständliche Bauvorhaben verstoße auch gegen die nachbarschützenden Vorschriften über die Abstandsflächen. Für die Berechnung aller neun der ihrem Grundstück zugekehrten Abstandsflächen sei bereits nicht erkennbar, welche Geländeoberfläche zugrunde gelegt worden sei. Das Vermessungs- und Geoinformationsamt habe im November 2011 die Geländeoberfläche vermessen und dabei „zwei mögliche Geländeoberflächen festgelegt“. Welche davon sich die Beigeladene „ausgesucht“ habe, sei nicht erkennbar und offenbar von der Antragsgegnerin auch nicht nachgeprüft worden. Die Abstandsflächenberechnungen setzten an den Rohbaumauern an, ohne die außen aufzubringende Wärmedämmung und den Verputz zu berücksichtigen. Im Einzelnen haben sich die Antragsteller vor dem Hintergrund gegen die Berechnung mehrerer Abstandsflächen an der ihrem Grundstück zugekehrten Seite des Bauvorhabens gewandt, insoweit alternative Einzelberechnungen angestellt und unter anderem die aus ihrer Sicht nicht zulässige Berücksichtigung in den genehmigten Plänen enthaltener „kaschierender“ Rücksprünge der Außenwände sowie die Nichtanrechnung einer Balkonumrandung auf der Ebene des Staffelgeschosses beanstandet.

Die Antragsgegnerin hat dem – in Bezug auf die Abstandsflächen – entgegen gehalten, es seien weder zwei „Varianten“ von Geländeoberflächen festgelegt worden, noch gebe es insoweit nach den Plänen eine „Auswahlmöglichkeit“. Die Geländeoberfläche sei von ihrem Vermessungsamt an drei Stellen, und zwar an der rechten und an der linken Grenze sowie in der Grundstücksmitte ermittelt worden. In den gesonderten Abstandsflächenplänen sei die natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze dargestellt. Die vom Architekten angegebenen Geländeprofile seien mit den Plänen ihres Vermessungsamts abgeglichen worden. Die Abstandsflächenberechnung setze grundsätzlich an der Außenkante des obersten Belages der Außenwände an. Der gesamte konstruktive Aufbau der Außenwand sei berücksichtigt worden. Die Abstandsflächen lägen auf dem Baugrundstück. Das gelte auch für die von den Antragstellern beanstandeten Berechnungen. Die an diversen Stellen sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen vorgesehenen Versprünge im Baukörper, die sich an einigen Stellen positiv auf die Abstandsflächen auswirkten, bildeten „offenbar einen Teil des Entwurfskonzeptes“. Bei der Umwehrung der Balkonanlage handele es sich um eine „leichte Stahlumwehrung mit darin liegenden Glasplatten“. Sie sei licht- und luftdurchlässig und in die Wandhöhe nicht einzubeziehen. Die erteilten Befreiungen begründeten keine Nachbarrechtsverletzung der Antragsteller. Es handele sich insoweit insgesamt um nicht nachbarschützende Festsetzungen des Bebauungsplans. Aus einer „Kumulierung“ ergebe sich kein Verstoß gegen das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Eine „erdrückende Wirkung“ trotz Einhaltung der Abstandsflächen sei sehr unwahrscheinlich.

Auch die Beigeladene hat darauf verwiesen, dass die erteilten Befreiungen allein daraufhin zu untersuchen seien, ob sie mit wehrfähigen Rechten der Antragsteller zu vereinbaren seien. Das sei der Fall und eine Verletzung von Nachbarrechten sei auch nicht aus einer „Summation“ abzuleiten. Bei Einhaltung der Abstandsflächen lasse sich nur in ganz besonderen Ausnahmekonstellationen eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens gegenüber den Nachbarn herleiten. Die Abstandsflächen seien eingehalten. Insoweit ist die Beigeladene der Argumentation der Antragsteller unter Verweis auf die in den Baugenehmigungsunterlagen enthaltenen Berechnungen und Nachweise entgegen getreten.

Das Verwaltungsgericht hat den Begehren der Antragsteller im Februar 2013 entsprochen. In den Gründen heißt es unter anderem, es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die „nunmehr angegriffene Baugenehmigung einschließlich des Zulassungsbescheids“ die Antragsteller in ihren Nachbarrechten verletze. Ob das unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten der Fall sei, lasse sich nicht abschließend beurteilen. Es spreche aber einiges dafür, dass das Bauvorhaben im Verhältnis zu ihrem Grundstück die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalte. Die Antragsteller gingen allerdings zu Unrecht davon aus, dass das Vermessungsamt der Antragsgegnerin für diese Berechnungen zwei mögliche Geländeoberflächen festgelegt habe. Ermittelt worden sei nach den überzeugenden Erläuterungen der Antragsgegnerin – soweit hier von Bedeutung – das natürliche Gelände an der rechten Grenze. Maßgebend für die Bestimmung der Wandhöhe sei aber nicht dieses Geländeniveau, weil die Außenwände des Vorhabens bis zu 4,42 m von der linken Grenze entfernt stünden. Ob die in den genehmigten Plänen den Abstandsflächenberechnungen zugrunde gelegte Höhenlage den zutreffenden unteren Punkt für die Ermittlung der Wandhöhe bilde, könne die Kammer nicht abschließend beurteilen. In den Ansichtszeichnungen sei vom Gelände an der Grundstücksgrenze die Rede. Ausweislich der Höhenprofile solle allerdings für die Berechnung der Wandhöhe von Profilen (Schnitten) ausgegangen worden sein, die sich auf der linken Grundstücksseite 3,005 m und auf der rechten Seite 3,129 m von den Grenzen entfernt befänden. Die zur Baugenehmigung gehörenden Bauvorlagen stellten anders als die früheren Pläne nicht mehr auf den Rohbau ab, sondern auf den Endbau. Sowohl die Baupläne als auch die genehmigten Anlagen dazu ließen keinen Zweifel, dass die Außenwände des genehmigten Gebäudes mit Ausnahme des Staffelgeschosses insgesamt 38 cm dick seien und aus 24 cm Mauerwerk sowie 14 cm Dämmung einschließlich Außenputz bestünden und dass sich die Dämmung der Außenwände im Staffelgeschoss im Holzständerwerk befinde. Allerdings seien entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen die Umwehrungen der Balkone voraussichtlich zu der Wandhöhe hinzuzurechnen. Die von der Antragsgegnerin angesprochenen Konstruktionsmerkmale der Umwehrungen lege die Baugenehmigung gerade nicht fest. Dasselbe gelte für die Beschreibung der Beigeladenen. In beiden Seitenansichten „verschwänden“ – anders als in der Gartenansicht – die unteren Teile der bodentiefen Fenster im Staffelgeschoss hinter diesen 12 m breiten und 0,80 m hohen Umwehrungen. Diese würden daher unter abstandsflächenrechtlichen Aspekten als „Bestandteil der Gebäudeaußenwand wahrgenommen“ und seien als eine Erhöhung derselben zu werten, die aller Voraussicht nach zu einer Unterschreitung der dann notwendigen Abstandsfläche führe. Was das Bauplanungsrecht angehe, bleibe die Kammer ungeachtet der seitens des Senats dagegen in der Beschwerdeentscheidung(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –) erhobenen Bedenken bei ihrer in dem Beschluss vom Februar 2012(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –) geäußerten Auffassung, dass das genehmigte Bauvorhaben in der Summierung aller durch die Dispense ermöglichten Ausweitungen mit dem sich aus dem § 15 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot nicht zu vereinbaren sei. Die Absolutheit der vom Senat dabei hervorgehobenen, im Grundsatz zutreffenden Sichtweise, dass bei Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften in aller Regel bis auf ganz besondere Ausnahmekonstellationen kein Raum für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit sei, führe dazu, dass es bei Einhaltung der Grenzabstände per se keinen einstweiligen Rechtsschutz mehr wegen der Ausmaße des Baukörpers geben könne, egal in welchem Umfang im Einzelfall ausdrücklich oder stillschweigend rechtswidrige Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wurden und damit Baukörper entstünden, die im Verhältnis zu den plankonform errichteten Nachbargebäuden erdrückend wirkten. Vorliegend handele es sich um einen „eklatant atypischen Fall“, in dem das Ergebnis der vielen Befreiungen von planerischen Festsetzungen trotz Einhaltung der in den genehmigten Plänen dargestellten und berechneten Abstandsflächen zu einem Baukörper mit erdrückender Wirkung auf die Nachbargrundstücke führe. Erweise sich der Ausgang der Widerspruchsverfahren der Antragsteller gegen die Baugenehmigung und den Zulassungsbescheid somit als Erfolg versprechend, sei dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben und mit Blick auf von daher im Raum stehende Einschreitensansprüche der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Bauarbeiten anzuordnen.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4.2.2013 – 5 L 15/13 – ist unbegründet.

A.

Der Ausspruch im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung war – wie geschehen – neu zu fassen. Dieser bezieht sich bei wörtlichem Verständnis auf die inzwischen „überholten“ Zulassungsbescheide der Antragsgegnerin vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012, die der Beigeladenen im Rahmen des damals betriebenen Genehmigungsfreistellungsverfahrens (§ 63 LBO 2004) erteilt worden waren. Dass die von den Antragstellern in deren Antrag vom 3.1.2013 angeführten (aktuellen) Verwaltungsakte gemeint sind, erschließt sich im Sinne der Offenkundigkeit unschwer aus der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 118 Abs. 1 VwGO entspr.).

B.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller auf Anordnung der nach § 212a Abs. 1 BauGB entfallenden aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19.11.2012 (1.) beziehungsweise gegen den darin in Bezug genommenen, aber selbständig ergangenen Befreiungsbescheid („Zulassungsbescheid“) vom selben Tag (2.) nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens zu Recht entsprochen.

Bei Aussetzungsbegehren von Dritten, hier privaten Nachbarn, nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen eine Baugenehmigung ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache anhängigen Rechtsbehelfs. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die angefochtene Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ständige Rechtsprechung, zuletzt etwa Beschlüsse vom 15.5.2013 – 2 B 51/13 –, m.w.N.)

1. Die Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt nur in Betracht, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position des jeweiligen Rechtsbehelfsführers ergibt.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7.2.2012 – 2 B 422/11 –, SKZ 2012, 65 ff., dort zur Drittanfechtung durch eine Gemeinde) Die abgesehen von den Fällen offensichtlicher Nachbarrechtswidrigkeit der Genehmigung hierbei zumindest zu fordernde überwiegende Wahrscheinlichkeit einer den Antragstellern subjektive Abwehrrechte gegen das genehmigte Vorhaben vermittelnden Verletzung in eigenen Rechten hat das Verwaltungsgericht im konkreten Fall bezogen auf die Baugenehmigung, der in Anwendung der §§ 65, 73 LBO 2004 eine umfassende öffentlich-rechtliche Überprüfung des Vorhabens zugrunde liegt, im Ergebnis zu Recht angenommen. Das den gerichtlichen Prüfungsumfang im Rechtsmittelverfahren begrenzende Beschwerdevorbringen der Beigeladenen gebietet keine abweichende Beurteilung des Aussetzungsbegehrens und damit insoweit keine Änderung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

a. Der formelle Einwand der Antragsteller, dass für das genehmigte Staffelgeschoss keine (weitere) Befreiung hinsichtlich der Überschreitung der in dem ausweislich der Baugenehmigung am 26.4.1980 in Rechtkraft erwachsenen Bebauungsplan „W.“ festgesetzten maximal zulässigen Anzahl der Vollgeschosse erteilt worden sei,(vgl. in dem Zusammenhang den gesonderten Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.10.2010 – 20100817 –, mit dem der Beigeladenen insoweit eine Abweichung für eine damals geplante Variante eines Staffelgeschosses erteilt worden war) obwohl dieses mehr als 2/3 der Bruttogrundfläche des darunter liegenden ersten Obergeschosses aufweise und daher als Vollgeschoss anzurechnen sei,(vgl. hierzu auch die von demselben Ansatz ausgehende Berechnung in den Bauvorlagen, die im Ergebnis zur Unterschreitung des 2/3 Maßes gelangt, Blatt 30 der Bauakte) rechtfertigt nicht die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vom 19.11.2012. Zwar spricht nach den für die Vollgeschosseigenschaft beziehungsweise die diesbezügliche Anrechnung eines oberirdischen Geschosses im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans maßgeblichen §§ 18 BauNVO 1977,(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 27.9.1994 – 2 R 46/93 –, SKZ 1995, 113, Leitsatz Nr. 17, wonach im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der die Zahl der zulässigen Vollgeschosse festsetzt, für die Bestimmung der Vollgeschosse und der auf ihre Zahl anzurechnenden Geschosse gemäß den statischen Verweisungen in den §§ 18 BauNVO 1962, 1968, 1977, 20 Abs. 1 BauNVO 1990 auf die landesrechtliche Vorschrift über den bauordnungsrechtlichen Vollgeschossbegriff abzustellen ist, die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gegolten hat) 2 Abs. 5 LBO 1974(vgl. die bis 1.5.1980 maßgebende Bekanntmachung der Neufassung der Bauordnung für das Saarland (Landesbauordnung – LBO) vom 27.12.1974, Amtsblatt 1975, 85, 88) im Ergebnis viel für eine Anrechenbarkeit des damals allerdings noch nicht – wie heute – einer besonderen Regelung unterworfenen „Staffelgeschosses“ mit gegenüber dem darunter befindlichen Geschoss zurückgesetzten Außenwänden.(vgl. dazu – aktuell – den nach § 20 Abs. 1 BauNVO 1990 auch planungsrechtlich maßgeblichen § 2 Abs. 5 LBO 2004, der – wie die Vorläuferfassung in § 2 Abs. 5 LBO 1996 die von der Antragstellerin angestellte Relationsbetrachtung nach Grundflächen, allerdings mit einem insoweit maßgeblichen Faktor 0,75 (3/4), enthält) Das bloße Nichtvorliegen einer insoweit gegebenenfalls zusätzlich erforderlichen (weiteren) Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von der Festsetzung über die Geschosszahl würde indes für sich genommen – ebenso wie ein Fehlen einer Baugenehmigung oder eine unzutreffende verfahrensrechtliche Behandlung eines Bauvorhabens durch die Behörde am Maßstab der §§ 60 ff. LBO 2004 – noch keine Verletzung subjektiver Nachbarrechte der Antragsteller bewirken. Abwehrrechte gegen ein genehmigtes Bauvorhaben können sich vielmehr nur aus solchen Vorschriften ergeben, die materielle Anforderungen an dieses Vorhaben enthalten und zudem nachbarschützend sind.(vgl. hierzu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 95 ff.; dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 2.9.2010 – 2 B 215/10 –, BRS 76 Nr. 98 = BauR 2011, 983, dort zur Abgrenzung von baurechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage) Unter dem letztgenannten Aspekt gibt es nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin beziehungsweise ihr Stadtrat als das für den Erlass der Satzung über den Bebauungsplan zustände Organ (§§ 10 Abs. 1 BauGB, 35 Nr. 12 KSVG) dieser die Gebäudehöhe mitbestimmenden Festsetzung in dem zumindest im Eilrechtsschutzverfahren mangels evidenter Gültigkeitsbedenken maßgeblichen Bebauungsplan „W.“, jedenfalls was die Antragsteller als seitliche Nachbarn anbelangt, ausnahmsweise eine nachbarschützende Wirkung beigemessen hat.

b. Auch nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich nachbarliche Abwehrrechte der Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 19.11.2012 für den „Neubau einer Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ unter den im Rahmen des „Vollgenehmigungsverfahrens“ (§§ 65, 73 LBO 2004) umfassend zum Prüfungs- und damit Entscheidungsprogramm der Antragsgegnerin gehörenden, anerkannt nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die vor den Außenwänden von Gebäuden (grundsätzlich) auf dem Baugrundstück freizuhaltendenAbstandsflächen beziehungsweise aus der Nichteinhaltung der hieraus resultierenden Abstandserfordernisse bezogen auf die Grenze des eigenen Grundstücks (Parzelle Nr. 44/7) ergeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 LBO 2004).

Mit Blick auf den Vortrag der Antragsteller ist allerdings zunächst festzuhalten, dass Gegenstand der Beurteilung am Maßstab des § 7 LBO 2004 im Zusammenhang mit einem nachbarlichen Aussetzungsbegehren bezüglich einer Baugenehmigung allein das in dieser beziehungsweise in den deren Inhalt konkretisierenden, mit Genehmigungsvermerken der Antragsgegnerin versehenen Planzeichnungen und sonstigen Bauvorlagen dargestellte Bauvorhaben ist. Abweichungen davon bei der Bauausführung, gegebenenfalls etwa die im Beschwerdeverfahren seitens der Antragsteller unter Verweis auf eine ihrerseits veranlasste fachkundige Vermessung des realisierten Bestands (Rohbau bis Erdgeschoss) eingewandten Abweichungen hinsichtlich der Bauhöhe des Gebäudes über Gelände,(vgl. dazu die in Anlage zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 7.5.2013 (A 20) übersandte Gegenüberstellung  von „Isthöhe“ und (genehmigter) „Sollhöhe“ vom 21.3.2013 und den als Anlage zum Schriftsatz vom 28.5.2013 (A 24) vorgelegten Lageplan vom 19.2.2013, jeweils erstellt von dem öffentlich bestellten Vermesser Dipl.-Ing. Kurt Engler) die von der Beigeladenen in ihrem letzten Schriftsatz vom 10.6.2013 unter Verweis auf eine Erklärung des Dipl.-Ing. We. vom 29.5.2013 wiederum bestritten wurden, erlangen für diese Beurteilung der Erfolgsaussichten des Anfechtungsbegehrens in der Hauptsache und daher auch für das Aussetzungsbegehren der Antragsteller keine Bedeutung. Das gilt ganz allgemein selbst in den Fällen, in denen die Pläne beispielsweise von den „wahren“ Grenzverläufen oder von den sonstigen tatsächlichen Verhältnissen her, insbesondere was die vorhandenen und in dem Zusammenhang rechtlich maßgeblichen Geländeverhältnisse angeht, abweichende Darstellungen enthalten. Auch eine „falsche“ Darstellung bestimmt gegebenenfalls (allein) den Genehmigungsinhalt. In solchen Fällen trägt – weil eine unkorrekte Darstellung in den Plänen (Bauvorlagen) nicht zu Lasten des sich gegen ein Vorhaben wendenden Nachbarn gehen kann – allerdings der Bauerlaubnisnehmer im Ergebnis das Risiko einer Realisierbarkeit des Vorhabens in der von ihm in den Bauvorlagen dargestellten Ausgestaltung, etwa wenn sich das Bauwerk aufgrund der abweichenden Verhältnisse auf dem Baugrundstück nicht nachbarrechtskonform ausführen lässt. Enthalten die zur Baugenehmigung gehörenden Bauvorlagen eine von den tatsächlichen Geländeverhältnissen auf dem Baugrundstück wesentlich abweichende Darstellung, so begründet das von daher zum einen keine Verletzung von Nachbarrechten durch die angefochtene Genehmigung, deren Inhalt den Beurteilungsgegenstand im Anfechtungsstreit bildet.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 –, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40) Zum anderen steht aber eine solche Baugenehmigung, von der die Bauherrin oder der Bauherr rechtlich im Ergebnis keinen Gebrauch gemacht hat beziehungsweise nach den faktischen Gegebenheiten des Baugrundstücks vielleicht sogar (von vorneherein) gar keinen Gebrauch machen konnte, späteren Einschreitensansprüchen der betroffenen Nachbarn auf Erlass und Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) für ein abweichend von der Genehmigung ins Werk gesetztes Gebäude zur Ausräumung dadurch bewirkter etwaiger Nachbarrechtsverstöße grundsätzlich nicht entgegen. Dies steht im konkreten Fall hinsichtlich der teilrealisierten unteren Geschosse, die mit der Genehmigung offenbar nachträglich so legalisiert werden sollen, nach dem Vorbringen der Antragsteller durchaus im Raum, muss aber hier nicht vertieft werden, solange nicht feststeht, dass die bereits realisierten Teile des Bauwerks, sofern sie bei einer genehmigungskonformen Ausführung nicht verwendbar sein sollten, nicht – gegebenenfalls im Wege Rückbaus – entsprechend geändert werden könnten und damit einer Realisierung des genehmigten Vorhabens nicht dauerhaft beziehungsweise nicht in diesem Sinne „ausräumbar“ entgegenstehen.

Vor dem Hintergrund ist davon ferner auszugehen, dass in Fällen, in denen – wie hier – die Einhaltung dieser Anforderungen auf der Grundlage entsprechender vom Bauantragsteller eingereichter rechnerischer und zeichnerischer Nachweise für die Abstandsflächen einer präventiven Prüfung in einem Baugenehmigungsverfahren durch eine sach- und fachkundige Bauaufsichtsbehörde, hier die Antragsgegnerin, unterzogen worden ist, „gewichtige Zweifel“ an der rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung unter diesem Aspekt in einem vom betroffenen Grenznachbarn betriebenen Eilrechtsschutzverfahren nur angenommen werden können, wenn die dabei allein mögliche überschlägige Überprüfung offensichtliche oder sich gewissermaßen aufdrängende Mängel zum Nachteil dieses Nachbarn erkennen lässt.

Die Beigeladene hat zwar im Baugenehmigungsverfahren von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Genehmigungsentscheidung akzeptierte Abstandsflächennachweise vorgelegt, die rechnerisch nach den zeichnerischen Vorgaben des Entwurfsverfassers nachvollzogen werden können. Diese sind allerdings von ihrem Inhalt her insgesamt nicht geeignet, die von den Antragstellern erhobenen Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Grenzabstandserfordernisse im Verhältnis zu ihnen auszuräumen.

Was die – mit den Worten der Beigeladenen – „festgelegte“ Geländeoberfläche(vgl. etwa zu den dabei eingeengten Entscheidungsspielräumen der Bauaufsichtsbehörden OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 –, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, Urteil vom 27.9.1994 – 2 R 46/93 –, SKZ 1995, 113 Leitsatz Nr. 20, wonach die Befugnis zur Festlegung einer vom natürlichen Geländeverlauf abweichenden Geländeoberfläche nicht dazu missbraucht werden darf, Verstöße gegen Bauvorschriften, die an die Höhe von Gebäudeteilen über der Geländeoberfläche anknüpfen (zum Beispiel die Abstandsflächenbestimmungen oder die planerische Begrenzung der Vollgeschoßzahl), zu "kaschieren" oder auszuräumen, ebenso Beschluss vom 17.9.1979 – II W 1.2047/79 –, BRS 35 Nr. 99, zu den Möglichkeiten bauaufsichtsbehördlicher „Festlegungen“ von Geländeoberflächen OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 30/96 –, BRS 59 Nr. 121 = BauR 1998, 314, wonach es nicht zu beanstanden ist, dass die Behörde die Geländeoberfläche als unteren Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe einer Grenzgarage abweichend vom natürlichen Gelände gestaltend festlegt, wenn der ursprüngliche natürliche Geländeverlauf aufgrund von Veränderungen, die im Zuge einer vor mehr als 25 Jahren ausgeführten Bebauung vorgenommen wurden, nicht mehr in Erscheinung tritt und er sich auch aus den Geländeverhältnissen in der Umgebung nicht mehr zuverlässig ableiten lässt) als unteren Bezugspunkt der Berechnung angeht, ist für die rechtliche Überprüfung der Baugenehmigung davon auszugehen, dass diesen Berechnungen entsprechend den Vorgaben den § 7 Abs. 4 LBO 2004 die vermessungstechnisch ermittelte beziehungsweise angesichts auf dem Gelände vorgenommener Geländeveränderungen rekonstruierte (ehemalige) zur Rückseite hin abfallende „natürliche“ Geländeoberfläche (§ 2 Abs. 7 LBO 2004) zugrunde liegt, und zwar – wie in der Beschwerde vorgetragen – in dem maßgeblichen Bereich der Außenwände des genehmigten Gebäudes. Abzustellen ist nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 allgemein entgegen der anderslautenden Formulierung im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2.5.2013, wo auf die „natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze“ verwiesen wird, auf die Schnittlinie zwischen dem maßgeblichen Gelände und der Gebäudeaußenwand, nicht auf das Geländeniveau an der Grenze zum Nachbargrundstück. Dass dies im Grundsatz – die Richtigkeit der Übernahme in die Pläne unterstellt – bei den Nachweisen der Beigeladenen Berücksichtigung gefunden hat, ergibt sich aus den von ihr im erstinstanzlichen Verfahren übersandten Geländeschnitten „2“ und „4“ des Landesamts für Kataster-, Karten- und Vermessungswesen (LKVK), die ausweislich des beigefügten erläuternden digitalen Geländemodells die Schnittachsen von der Straße zur rückwärtigen Grenze des Baugrundstücks auf der Ebene der Gebäudeaußenseiten darstellten, wobei der Geländeschnitt „2“ die dem Grundstück der Antragsteller zugewandte – von der Straße aus gesehen – linke Außenwand betrifft. Ob und welche Bedeutung der – aus welchem Grund auch immer – in den Ansichtsplänen beigefügten, tiefer liegenden und mit blauen Punkten dargestellten Linie beizumessen ist, kann demgegenüber dahinstehen. Maßgebend bleibt hier nach dem Gesagten die Schnittlinie zwischen Gelände und Außenwand wie sie der Genehmigung zugrunde gelegt wurde. Ob diese von der Beigeladenen – in dem Sinne – für ihre zeichnerischen Nachweise „gewählte“ Geländeoberfläche die nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 „richtige“ Linie ist, spielt nach dem Gesagten hier keine Rolle. Die „Richtigkeit“ der Darstellung in den Bauvorlagen fällt vielmehr auch insoweit in den erwähnten Verantwortungs- und damit auch in den Risikobereich der Beigeladenen als Bauherrin.

Die für die subjektive Rechtsstellung der Antragsteller im Hinblick auf die Abstandsflächen (§ 7 LBO 2004) relevanten Berechnungen sind in den Bauvorlagen unter den Bezeichnungen A 5, A 5.1.1, A 5.2, A 6, A 6.1, A 6.2, A 7.1, A 7.2 und A 17 erfolgt. Genehmigungsinhalt sind nach diesen Zeichnungen generell von der Beigeladenen im Rahmen der Bauausführung einzuhaltende Abstände zwischen dem äußersten Punkt des jeweiligen Wandabschnitts einschließlich auf das Mauerwerk aufzubringender Schichten insbesondere zur Dämmung beziehungsweise Isolierung und der Grenze zur Parzelle der Antragsteller (Nr. 44/12). Bereits in dem Zusammenhang weisen die Antragsteller zwar mit Recht darauf hin, dass die Bauvorlagen insgesamt nicht ganz auflösbare Widersprüche enthalten. So wird zum einen in der mit Genehmigungsstempel der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 versehenen Baubeschreibung vom 25.10.2012 angegeben, dass die Außenwände des Gebäudes im Staffelgeschoss als „Holzständerwand“ (Mauerstärke 24 cm, vgl. Position 8c), ansonsten aber in den anderen Geschossen in Massivbauweise jeweils mit einer Stärke von 38 cm ausgeführt werden sollen, die sich aus einem gemauerten Teil (24 cm) und zusätzlich aufzubringendem Wärmeschutz (14 cm) zusammensetzt (vgl. Position 8.6, „Gesamtkonstruktion der Außenwände“). Zum anderen sind aber – nach wie vor – in den mit Genehmigungsstempeln versehenen und den Inhalt der Baugenehmigung mit bestimmenden Grundrisszeichnungen bei den Außenwänden mehrfach ganz unterschiedliche Stärken dargestellt, die dann den Antragstellern Veranlassung gegeben haben, entsprechende „Zurechnungen“ vorzunehmen beziehungsweise die Differenzierungen bei den vor diesen Wänden jeweils freigehaltenen Abstandsflächen „in Abzug“ zu bringen. Beim Vergleich der Darstellungen der Wandstärken in den Grundrisszeichnungen mit den Fassadenschnitten in den Abstandsflächennachweisen ist allerdings festzustellen, dass auch dort für verschiedene Wandabschnitte unterhalb des Staffelgeschosses unterschiedliche Aufbaubeschreibungen zugrunde gelegt wurden. So geht beispielsweise die Berechnung des Grenzabstands für die im mittleren Gebäudeabschnitt hervortretende Außenwand auf den Ebenen des Erdgeschosses (A 6.1) und des Obergeschosses (A 6) nicht von – bezogen auf die reine Mauerstärke – 24er, sondern nur von 15er Wänden („d=15“) aus, die nach der Beschreibung des Aufbaus neben einem Kalksandsteinmauerwerk (15 cm) zusätzlich eine Stärke von 11 cm bestehend aus Dünnbettmauermörtel (1 cm), Polyurethan-Hartschaum zur Dämmung (8 cm), einer „ruhenden Luftschicht“ (1 cm, Wärmestrom) und einem Gipsputz (1 cm) haben sollen. Diese Wände sind übrigens in den Grundrissen einerseits im Erdgeschoss deutlich dünner, aber nicht vermaßt, und im Obergeschoss mit 23 dargestellt. Angesichts der in den Abstandsflächennachweisen – insoweit maßgebend – für die Genehmigung vorgenommenen Relation zwischen der Grenze und dem äußersten Punkt der Wand, muss dem aber ebenso wenig weiter nachgegangen werden wie der Frage nach der Stimmigkeit hinsichtlich der generellen Kennzeichnung Stärke der tragenden Außenwände in der Baubeschreibung vom 23.10.2012 (24 + 14 = 38 cm).

Auch das betrifft indes, jedenfalls was die Frage der Einhaltung der nachbarschützenden Abstandsflächenregelungen anbelangt, die bereits angesprochene Frage der Ausführbarkeit des Vorhabens entsprechend der Genehmigung. Wenn man dementsprechend – mit der Beigeladenen – für die Ermittlung der erforderlichen Tiefen der Abstandsflächen allein von den entsprechenden Nachweisen ausgeht, und die dabei für die einzelnen, dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten Wandabschnitte hinsichtlich des Aufbaus der Wände und des jeweiligen Abstands ihres äußersten Punktes zur Grundstücksgrenze die Fassadenschnitte in den Einzelplänen „Detailfassaden Abstandsfläche“ zugrunde legt, ergeben sich nach dem Genehmigungsinhalt zumindest nicht ohne weiteres ausräumbare Bedenken, ob das damit zugelassene Mehrfamilienhaus („Stadtresidenz“) den Anforderungen des saarländischen Abstandsflächenrechts genügt.

Das folgt bereits daraus, dass die Höhe der nach den genehmigten Ansichten auf die Außenkante des Gebäudes reichenden und diese sogar geringfügig überschreitenden seitlichen Umwehrung der Dachterrasse auf der Ebene des Staffelgeschosses bei der Ermittlung der Wandhöhe zur Berechnung der Abstandsflächen A 6 und A 6.1 im Sinne des § 7 Abs. 4 LBO 2004 nicht berücksichtigt worden ist. Der insoweit mitbetroffene, im mittleren Bereich des Hauses seitlich hervortretende Gebäudeteil ist für die Ermittlung seiner Wandhöhe zum einen einheitlich und zum anderen einschließlich der genannten Umwehrungen zu betrachten. Das aus den Fassadenschnitten zu den Abstandsflächennachweisen A 6.1 für den unteren Wandteil in Erdgeschoss und Teile des Untergeschosses und A 6 betreffend die Außenwand im Obergeschoss letztlich nur aufgrund abweichender Angaben für den Abstand zur Grenze erkennbar werdende Zurücktreten um letztlich wenige Zentimeter (3,71 m – 3,68 m) rechtfertigt keine getrennte Betrachtung unterschiedlicher Wandabschnitte nach der Vorgabe des § 7 Abs. 4 Satz 5 LBO 2004 für „gestaffelte“ Wände. Diese Vorschrift ist abgesehen von Staffelungen in der Höhe nur anwendbar auf Außenwände, deren Wandteile sich durch Vor- oder Rücksprünge deutlich unterscheiden, nicht indes auf – sofern überhaupt wahrnehmbar – derart „feingliedrig“ in der Horizontalen „gestufte“ Wände.(vgl. hierzu etwa Gädtke/Czepun/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage 2011, § 6 Rn 203 mit zeichnerischer Erläuterung) Die Außenwand im Obergeschoss setzt anders als die in dem Bereich deutlich zurückversetzte Wand im Staffelgeschoss bei natürlicher Betrachtungsweise die darunter liegende Außenwand des Erdgeschosses in allenfalls geringfügig modifizierter Form nach oben fort. Vor dem Hintergrund ergibt sich aufgrund der Hängigkeit des Geländes nach den Grüneintragungen der Antragsgegnerin im Abstandsflächenplan eine „mittlere“ Wandhöhe von (5,89 m + 3,27 m =) 9,16 m und eine notwendige Tiefe der Abstandsfläche von 3,664 m, wohingegen die Beigeladene in dem Entwurf ausgehend von einer mittleren Wandhöhe von 9,20 m ein Abstandserfordernis von 3,68 m ausgewiesen hat. Dieses Maß wäre nach den Abstandsflächenplänen (A 6 bzw. A 6.1) bei Abständen von 3,68 m (unten) beziehungsweise 3,71 m (1. OG) gerade noch eingehalten. Zusätzlich ist indes über die gesamte Breite die Höhe der nach dem § 38 Abs. 4 Nr. 1 LBO 2004 in den Plänen dargestellten geschlossenen, notwendigen seitlichen Umwehrung der auf der Decke des Obergeschosses geplanten Terrasse von mindestens 0,90 m anzusetzen. Ob – wie die Beigeladene mit der Beschwerde vorträgt, „in Wahrheit“ oder als mögliche Modifikation des Vorhabens eine offene oder offenere Konstruktion in Form eines „leichten“ Edelstahlgeländers mit „dünnen Füllstäben“ vorgesehen ist oder nicht, ist schon wegen der eingangs erwähnten alleinigen Maßgeblichkeit des Genehmigungsinhalts für diese Beurteilung nicht von Bedeutung. Im Übrigen spricht nach der überzeugenden Rechtsprechung des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu der Berücksichtigung derartiger Umwehrungen bei der Bestimmung des oberen Bezugspunktes bei der Ermittlung der Wandhöhe sehr vieles, wenn nicht alles dafür, dass die Herstellungsart der Absturzsicherung (Umwehrung) sowie deren „Transparenz“ im Einzelfall hierfür ohne Belang ist. Sinn und Zweck des Abstandflächenrechts sprechen gegen eine derartige Differenzierung. Neben der Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung soll die Abstandsfläche insbesondere den Wohnfrieden im Verhältnis unter den Nachbarn schützen und einen ausreichenden Sozialabstand sichern. Insoweit sind – wie im Übrigen auch bei der Gestaltung der Fassaden von Außenwänden – das Material und damit die Transparenz der Balkonumwehrung irrelevant. Im Gegenteil kann sogar bei einer durchsichtigen Umwehrung der Wohnfrieden eher in Frage gestellt sein.(vgl. hierzu etwa OVG Münster, Urteil vom 12.9.2006 – 10 A 2980/05 –, BRS 70 Nr. 128, Beschlüsse vom 1.6.2007 – 7 A 3852/06 –, BRS 71 Nr. 127 und vom 12.2.2009 – 10 A 3416/07 –, juris) Daraus ergibt sich für die gesamte Wand einheitlich bis zur Oberkante der Terrassenumwehrung auf der Ebene des Staffelgeschosses eine mittlere Wandhöhe von nach der Berechnung der Antragsgegnerin (9,16 m + 0,90 m =) 10,06 m und ein unstreitig in allen Teilen beziehungsweise Geschossen bis zum Obergeschoss nicht gewahrtes Grenzabstandserfordernis vom (x 0,4 m) 4,024 m. Legt man die Abstandsberechnung der Beigeladenen zugrunde, ergäbe sich gar ein Abstandserfordernis der Wand zur Grenze von 9,20 m + 0,90 m = 10,10 m x 0,4 = 4,04 m. Bereits aus diesem Grund bestehen erhebliche Bedenken gegen die Einhaltung der durch den § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO geforderten Abstandsfläche im Verhältnis zur Grundstücksgrenze der Antragsteller. Die Fassadenschnitte sehen zusätzlich sogar ein Vortreten des Geländers vor die Außenwand, also in die Abstandsfläche, vor. Auf die von der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten modifizierten Pläne, die ein „Abkippen“ der Umwehrung zum Gebäude hin vorsehen, muss hierbei nicht eingegangen werden. Sie sind unstreitig nicht Bestandteil der Baugenehmigung. Legt man die entsprechende „Neufassung“ des Nachweises für die Abstandsfläche A 6 zugrunde, so ist dort übrigens für die Oberkante des abgewinkelten Geländers auch nur ein Abstand zur Grenze von 4,005 m dargestellt und der Fuß der Umwehrung greift danach nach wie vor über die Kante der Außenmauer im Obergeschoss hinaus.(vgl. in dem Zusammenhang Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VII Rn 53, wonach die Abstandspflicht sich vorbehaltlich der Privilegierung für „untergeordnete Bauteile“ in § 7 Abs. 6 LBO 2004 grundsätzlich auf alle Teile eines Gebäudes bezieht)

Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für die Berechnung der Abstandsfläche A 7.1 betreffend die den Antragstellern zugekehrte Außenwand des rückseitigen Teils des Gebäudes. Rechnet man die Höhe der auch in dem Bereich in den Plänen enthaltenen Umwehrung (0,90 m) zu der in Anwendung der Mittelungsregel darunter von der Beigeladenen in Ansatz gebrachten Wandhöhe von 9,76 m ergibt sich ein bei einem aus in den Plänen dargestellten Abstand zur Grenze von 4,23 m ebenfalls nicht eingehaltenes seitliches Abstandserfordernis für diesen Wandabschnitt zum Grundstück der Antragsteller von (<9,76 m + 0,90 m => 10,66 m x 0,4 =) 4,264 m. Legt man die von der Antragsgegnerin angesetzte geringfügig günstigere Wandhöhe (ohne Geländer) von 9,74 m zugrunde, ergäbe sich ein Abstandserfordernis von (10,64 m x 0,4 =) 4,256 m zur Grenze.

Ohne dass es daher im Ergebnis entscheidend darauf ankäme, sieht sich der Senat mit Blick auf die inzwischen Jahre währenden rechtlichen Auseinandersetzungen um das konkrete Bauvorhaben aus Anlass des Vorbringens der Beteiligten und der Begründung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vorliegend veranlasst auf Folgendes hinzuweisen:

Da die Baugenehmigung bezüglich der Freihaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004), wie gesagt, Abstände der jeweils „fertigen Wand“ zur Grenze vorschreibt, muss im Zusammenhang mit deren Anfechtung beziehungsweise dem auf diesen Verwaltungsakt gerichteten Aussetzungsantrag auf die seitens der Antragstellerin hinsichtlich der berechneten Abstandsfläche A 5 erforderlichen Mindesttiefe von 3 m seitlich der ihrem Grundstück zugewandten, die Maße für eine materielle Privilegierung nach § 8 Abs. 2 LBO 2004 deutlich überschreitende Garage mit Flachdach eingewandten Reduzierungen durch „zusätzliche“ Maßnahmen wie Wärmeschutz und Verputz vor der Außenwand nicht eingegangen werden. Bei der in dem Wandabschnitt angegebenen Wandhöhe von im Mittel lediglich 5,155 m ist der Mindestabstand nach § 7 Abs. 5 Satz 3 LBO 2004 von 3 m ausreichend, aber auch erforderlich. Ausgewiesen ist in den Plänen ein Abstand von exakt 3,00 m. Nach einer durch den Dipl.-Ing. We. im Februar 2012 durchgeführten örtlichen Überprüfung (§ 78 Abs. 6 Satz 1 LBO 2004) ist der Wandabschnitt auf seiner gesamten Tiefe (6,01 m) mit einem seitlichen Grenzabstand von – wohl bezogen auf die Rohbauwand – 3,01 m (vorne) beziehungsweise 3,00 m (rückseitig) ausgeführt worden. Insoweit ist zudem kein Wärmeschutz vorgesehen beziehungsweise nachgewiesen, da sich dieser Teil des Gebäudes (Garagen) nach den Bauvorlagen, speziell den Angaben in den Nachweisen zur Abstandsfläche A 5 (Fassadenschnitt mit Beschreibung), nicht innerhalb der „thermischen Hülle“ befindet. Nach der erwähnten Vermessung gibt es in dem Bereich aber auch keinen Spielraum mehr zur Grenze hin für die nach dem Grundriss im Erdgeschoss 23 cm starke Wand.

Hinsichtlich der entgegen den Ausführungen der Antragstellerin in der Antragsschrift berücksichtigten Wandabschnitte zwischen der Garage und der für den mittleren Gebäudeabschnitt ausgewiesenen Abstandsfläche A 6, wäre für den Bereich bis zum Dach des Obergeschosses, der in einem seitlichen Grenzabstand von 4,23 m genehmigt wurde, bei isolierter Betrachtung ausweislich der Berechnungen zur Abstandsfläche A 5.1.1 von der Einhaltung des Grenzabstands auszugehen. Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin („Grüneinträge“) ergibt sich bei einer mittleren Wandhöhe von 8,16 m insoweit eine Abstandserfordernis von (x 0,4 =) lediglich 3,264 m. Gleiches gilt für die Berechnung in den Bauvorlagen der Beigeladenen (8,055 m x 0,4 = 3,222 m).

Wesentlich problematischer erscheint dagegen die unter A 5.2 vorgenommene Berechnung der Abstandsfläche für den darüber liegenden Bereich der linken Außenwand des Staffelgeschosses. Hierfür haben die Beigeladene beziehungsweise ihr Entwurfsverfasser eine Wandhöhe von aus der Seitenansicht übernommenen 8,66 m zuzüglich der unterhalb der Bezugshöhe des Einfahrtsniveaus zu realisierenden –2,265 m, also in der Summe 10,925 m angesetzt, was rechnerisch eine erforderliche Abstandsflächentiefe (Grenzabstand) von (x 0,4 =) 4,37 m ergibt. Dabei wurde – das zeigt die beigefügte Ansichtszeichnung – offensichtlich die in der Mitte dieses Wandabschnitts nach den vorgenannten Maßen „gemessene“ Wandhöhe zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin geht insoweit nach Überprüfung ausweislich des Grüneintrags von etwa demselben Abstandserfordernis aus (4,372 m). Problematisch erscheint jedoch auch bei diesem Teil des Gebäudes, ob die nach dem „Fassadenschnitt“ vorgesehene Zurücksetzung der Vorderseite des (ganzen) Staffelgeschosses in dem Bereich gegenüber der Außenwand des Obergeschosses um (4,42 m – 4,23 m =) 19 cm mit einem zusätzlich vor die Außenwand in Richtung zum Grundstück der Antragsteller hin auskragenden Flachdach bei natürlicher Betrachtungsweise nach den zuvor genannten Kriterien noch als eine die abstandsflächenrechtliche Aufspaltung der Wand im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 5 LBO rechtfertigende Staffelung angesehen werden kann. Wäre das, wofür vieles spricht, zu verneinen, hätte das zur Folge, dass die von der Beigeladenen in den Abstandsflächenberechnungen A 5.1.1 und A 5.2 betrachtete Wand einheitlich zu beurteilen wäre, mit der Folge dass auch im unteren Teil, das heißt bezogen auf das Erd- und das Obergeschoss einheitlich der aus der (dann) mittleren Gesamthöhe zu errechnende Grenzabstand von 4,37 m (4,372 m) einzuhalten wäre. Das ist indes nicht vorgesehen, da der Abstand des äußersten Punktes der Wand zur Grenze der Parzelle der Antragsteller (Nr. 44/12) in dem Bereich – wie erwähnt – in der Planung nur mit 4,23 m vorgegeben ist.

2. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit war zur Klarstellung auf den in der Baugenehmigung inhaltlich in Bezug genommenen, gleichwohl selbständig erteilten Befreiungsbescheid („Zulassungsbescheid“) der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 zu erstrecken, obwohl diese Verwaltungsentscheidung für sich genommen keinen – mit Blick auf die Befugnis zur Ausführung des Vorhabens – eigenständigen vollziehbaren Inhalt aufweist.26(vgl. zur Anwendbarkeit des § 212a Abs. 1 BauGB zumindest auf selbständige Befreiungsbescheide von Gemeinden nach § 68 Abs. 3 LBO 2004 OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.7.2007 – 2 B 144/07 –, BRS 71 Nr. 173) Das gilt ungeachtet der Frage, ob durch die insoweit einschlägigen bauplanungsrechtlichen Anforderungen beziehungsweise deren Nichtbeachtung selbständig subjektive Abwehrrechte der Antragstellerin verletzt werden oder nicht. Der Befreiungsbescheid bezieht sich auf ein bestimmtes Bauvorhaben, hier das den Gegenstand der unter demselben Datum erteilten Baugenehmigung bildende Mehrfamilienhaus („Stadtresidenz“). Liegen nach dem zuvor Gesagten unter verschiedenen Aspekten zumindest ernst zu nehmende Anhaltspunkte für eine Verletzung der Grenzabstandsvorschriften (§ 7 LBO 2004) vor, so steht eine auch bei Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) von nicht nachbarschützenden Festsetzungen in Bebauungsplänen in Betracht zu ziehende Verletzung des Gebots der nachbarlichen Rücksichtnahme im Raum.(vgl. hierzu allgemein bereits OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –)

3. Zusammengefasst muss daher von der angesichts der Wertungsvorgabe des Bundesgesetzgebers in dem § 212a Abs. 1 BauGB für die Aussetzung einer Baugenehmigung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs des Nachbarrechtsbehelfs in der Hauptsache beziehungsweise von „ernstlichen Zweifeln“ an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der Baugenehmigung vom 19.11.2012 und des gleichzeitig (selbständig) erteilten Befreiungsbescheids ausgegangen werden.

4. Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss – wie bereits in seiner Aussetzungsentscheidung vom Februar 2012(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1919/11 –) zu den inzwischen infolge Verzichts erledigten „Zulassungsbescheiden“ vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 – ferner unter Wiedergabe seiner damaligen Erwägungen davon ausgegangen ist, dass (auch) der inhaltsgleiche „Zulassungsbescheid“ bereits aufgrund einer hier gebotenen kumulierenden Betrachtung der zahlreichen Befreiungen von den jeweils für sich betrachtet nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans „W.“, beziehungsweise wegen der insoweit eröffneten Möglichkeiten zur „Vergrößerung“ des Vorhabens im Vergleich zu den nach den städtebaulichen Vorgaben der Antragsgegnerin im Bebauungsplan (auch) unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten mit dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§ 15 BauNVO) nicht zu vereinbaren sei, ist auf die diesbezüglich schon im Beschluss des Senats vom Mai 2012(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –) geäußerten grundsätzlichen Bedenken zu verweisen.

Das gilt für die jetzt streitige, eigentlich nur inhaltlich „wiederholende“ Befreiungsentscheidung vom 19.11.2012 in gleicher Weise. Dass es sich nach Maßgabe der Festsetzungen ihres eigenen Bebauungsplans „W.“, wie bereits im genannten Beschluss des Senats ausgeführt, um ein in mehrfacher Hinsicht objektiv rechtswidriges Bauvorhaben handelt, das von der Antragsgegnerin durch mehrere – was die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB und vor allem die Nichtbetätigung des ihr dadurch (ohnehin nur) bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eingeräumten Ermessens anbelangt – nicht den rechtlichen Mindestanforderungen des § 31 Abs. 2 BauGB genügende „Dispense“ legalisiert wurde, wird zwischenzeitlich wohl sogar von der Antragsgegnerin so gesehen. Das lässt sich dem von den Antragstellern vorgelegten Antwortschreiben der Obersten Bauaufsichtsbehörde vom Mai 2013(vgl. das Schreiben Ministeriums für Inneres und Sport vom 17.5.2013 – F/3 – 14.3-88/13 BN –) auf ihre „Beschwerde über die Befreiungspraxis“ der Antragsgegnerin entnehmen. Dort heißt es, die um eine Stellungnahme zu der Eingabe gebetene „Untere Bauaufsichtsbehörde“ der Antragsgegnerin habe eingeräumt, dass die von ihr erteilten Befreiungen „nicht rechtsfehlerfrei“ seien und gleichzeitig „versichert“, dass sie die gesetzlichen Grenzen für die Ermessensausübung bei der Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB „künftig einhalten“ werde. Letzteres betrifft wohl nicht den vorliegenden Fall, in dem offenbar weder von Seiten der Antragsgegnerin noch von Seiten der Aufsichtsbehörde derzeit weiterer Handlungsbedarf gesehen wird.

Dem von daher ohne weiteres nachvollziehbaren „Unverständnis“ der Antragsteller beziehungsweise dem verständlichen und vom Senat durchaus geteilten „Unbehagen“ des Verwaltungsgerichts lässt sich allerdings auf der Grundlage des strikt an das Erfordernis der subjektiven Rechtsverletzung anknüpfenden Systems des öffentlich-rechtlichen Baunachbarschutzes wohl kaum auf diese Weise Rechnung tragen. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts zur Begründung einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch ein unter Ausnutzung von der Behörde rechtswidrig erteilter weitgehender Befreiungen von zahlreichen – nach gegenwärtigem Erkenntnisstand – nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans zugelassenes Bauvorhaben aus der Perspektive des Eigentümers eines – unter entsprechenden Vorgaben derselben Behörde – plankonform bebauten benachbarten Grundstücks vernachlässigt, dass es bei der Frage der Rücksichtslosigkeit wegen „räumlicher“ Wirkungen eines Bauwerks um faktische Auswirkungen desselben geht, die letztlich auch unabhängig von konkreten planerischen Festsetzungen die Zumutbarkeitsschwelle für den Nachbarn überschreiten müssen. Ansonsten – und darauf läuft die Sichtweise des Verwaltungsgerichts im Ergebnis hinaus – würde den im konkreten Fall dispensierten städtebaulich-planerischen Vorgaben des Bebauungsplans auf diesem Umweg letztlich doch eine nachbarschützende Wirkung beigemessen, die ihnen – im konkreten Fall bisher unstreitig – nach dem Bebauungsplan nicht zukommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen Festsetzungen betreffend das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO), der Bauweise (§ 22 BauNVO)(vgl. insoweit zur besonderen Festsetzung „Doppelhaus“ i. S. von § 22 Abs. 2 BauNVO BVerwG, Urteil vom 24.3.2000 – 4 C 12.98 –, BRS 63 Nr. 185) und der überbaubaren Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO) – vorbehaltlich eines hier nicht ersichtlichen abweichenden Festsetzungswillens der Gemeinde aber anders als bei der Baugebietsausweisung hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung gerade kein generelles rechtliches Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet.(vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 23.6.1995 – 4 B 52.95 –, BRS 57 Nr. 209, zu einer vom Nachbarn angefochtenen Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern, bei denen – ebenfalls – die Festsetzungen über die zulässige Geschosszahl, die Begrenzung der Geschossflächenzahl und auch die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche nicht eingehalten worden waren) Von daher unterliegt die Bewertung des Verwaltungsgerichts, obgleich in der Sache nachvollziehbar, im Ergebnis nach wie vor aus Sicht des Senats nicht unerheblichen Bedenken.

Darüber hinaus bleibt nochmals festzuhalten, dass – die Richtigkeit des Vorbringens der Antragsteller unterstellt, dass sie an sämtlichen im Falle der Beigeladenen dispensierten Festsetzungen des Bebauungsplans „festgehalten“ wurden – das Verhalten der Antragsgegnerin im konkreten Fall unabhängig von der auszuschließenden Vermittelbarkeit gegenüber den sich entsprechend den planerischen Vorgaben (wohlgemerkt:) der Antragsgegnerin (selbst) im Bebauungsplan „W.“ bauenden Bürgerinnen und Bürgern – mit einer an rechtsstaatlichen Maßstäben orientierten behördlichen Praxis nur schwer zu vereinbaren sein dürfte. Das gilt insbesondere angesichts der von den Antragstellern angesprochenen Tatsache, dass die offensichtliche objektive Rechtswidrigkeit des von der Antragsgegnerin in welcher verfahrensrechtlichen Form auch immer – zugelassenen Bauvorhabens in den bisher zu dem Fall ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Senats seit Anfang 2012 unmissverständlich angesprochen worden ist. Das anschließende Verhalten der Antragsgegnerin mag man als schwer nachvollziehbar, einseitig, „ungerecht“ oder dergleichen ansehen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Antragsgegnerin in dem Bereich ein jedenfalls im Rahmen von Nachbarrechtsbehelfen nicht justiziabler Entscheidungsspielraum „jenseits“ der gesetzlichen Vorgabe des § 57 Abs. 2 LBO 2004 verbleibt. Dass der Antragsgegnerin bei ihren Befreiungsentscheidungen deren Rechtswidrigkeit nach dem Ergebnis der vorausgegangenen gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Bauvorhaben seit dem Jahre 2011 bekannt gewesen sein dürfte, führt entgegen der Ansicht der Antragsteller allerdings nicht bereits zur Nichtigkeit des Befreiungsbescheids vom 19.11.2012 im Sinne von § 44 Abs. 1 SVwVfG.

C.

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin auch zu Recht – antragsgemäß – verpflichtet, die Bauarbeiten auf der Grundlage von § 81 LBO 2004 (erneut) sofort vollziehbar einzustellen.

Insoweit mag der Beigeladenen zwar Recht zu geben sein, dass Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz gerichtet auf bauordnungsrechtliches Einschreiten gegen ein im sog. „Vollgenehmigungsverfahren“ nach einer umfassenden Prüfung zugelassenes Bauvorhaben (§§ 65, 73 LBO 2004) auf der Grundlage der Vorschriften für die Verwaltungsakte mit Doppelwirkung in dem § 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 VwGO und wegen der auch insoweit geltenden Subsidiaritätsklausel des § 123 Abs. 5 VwGO nicht im einstweiligen Anordnungsverfahren zu behandeln sind. Da dabei allerdings – soweit hier von Bedeutung – vergleichbare Maßstäbe für den Erfolg derartiger Begehren gelten, muss diesem eher theoretischen Streit nicht weiter nachgegangen werden.

Hinsichtlich des geplanten Mehrfamilienhauses der Beigeladenen liegen nach der Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004 für den Erlass einer Baueinstellungsanordnung vor. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand spricht – wie ausgeführt – viel dafür, dass die nach § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden und hinsichtlich ihrer Tiefe nach den Vorgaben des § 7 Abs. 4 und 5 LBO 2004 zu ermittelnden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragsteller zugekehrten linken Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) liegen werden. Die Nichtbeachtung dieser anerkannt nachbarschützenden landesrechtlichen Vorschriften würde den Antragstellern als direkten Grundstücksnachbarn während der Bauphase grundsätzlich ungeachtet des der Behörde in § 81 Abs. 1 LBO 2004 eingeräumten Ermessens und unabhängig von einer tatsächlichen Betroffenheit einen subjektiven Anspruch auf Tätigwerden der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, hier der Antragsgegnerin, vermitteln. Dass die Beigeladene inzwischen offenbar erneut eine abweichende Ausführung des Vorhabens in Erwägung zieht, um die Bedenken hinsichtlich der Umwehrungen der Terrasse auf dem Dach des Obergeschosses auszuräumen, steht dem nicht entgegen. Diese Variation des insgesamt genehmigungsbedürftigen Vorhabens wurde von der Beigeladenen bisher ersichtlich nicht im Wege einer Tektur in das Verfahren eingeführt, wobei die Frage einer – hier ohnehin nicht ersichtlichen – Verfahrensfreistellung der Änderung (§ 61 Abs. 1 LBO 2004) und deren Berücksichtigung bereits im vorliegenden Verfahren auch mit Blick auf den § 81 LBO 2004 keiner Vertiefung bedarf. Die Baueinstellung soll gerade auch die Beachtung bauaufsichtlicher Zulassungserfordernisse sicherstellen. Insoweit hätte es der Beigeladenen oblegen, die von ihr wohl in Erwägung gezogenen baulichen Änderungen zunächst einer Überprüfung durch die Antragsgegnerin, die nach eigenem Vortrag im Beschwerdeverfahren inzwischen übrigens selbst von einer Relevanz der Umwehrung in der genehmigten Form bei der Bestimmung der Wandhöhe nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 ausgeht, in einem ergänzenden Baugenehmigungsverfahren zuzuführen. Schon das ist jedenfalls nach Aktenlage nicht geschehen. Hinsichtlich der voraussichtlichen abstandsflächenrechtlichen Irrelevanz dieser Veränderung kann auf das oben Gesagte verwiesen werden.

Von daher muss hier nicht vertieft werden, inwieweit es, da es für die Beurteilung von Einschreitensansprüchen der Antragsteller im Falle einer abweichenden Ausführung in auf den geschaffenen Baubestand ankommt, nach der Teilrealisierung des nach Angaben der Antragstellerin beziehungsweise eines von ihr beauftragten Vermessungsingenieurs abweichend von der Genehmigung errichteten Bauwerks gerechtfertigt wäre, das Baueinstellungsgebot unabhängig vom Anfechtungsstreit „fortzuschreiben“, um eine Schaffung „vollendeter Tatsachen“ durch Fertigstellung eines jedenfalls in der Ausführung nachbarrechtswidrigen Bauwerks unter Verwendung dieser vorhandenen Abschnitte des Rohbaus bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren zu verhindern, zumal die in den Abstandsflächenberechnungen ermittelten seitlichen Abstände zu der Grenze der Parzelle Nr. 44/12 an verschiedenen Stellen „zentimetergenau“ in die Grundrisszeichnungen übernommen worden sind, bei den Wandstärken aber – wie gesehen – zumindest Raum für Interpretationen mit Blick auf die allgemeine Vorgabe für tragende Außenwände in der Baubeschreibung besteht.

Eine unter Ausnutzung der Vollziehbarkeit einer Baugenehmigung (§ 212a Abs. 1 BauGB) erfolgende Bauausführung fällt generell, und zwar über das zuvor Gesagte hinaus auch bei genehmigungskonformer Ausführung des Vorhabens, etwa wenn schon in der Genehmigung enthaltene, aber vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erkannte Nachbarrechtsverstöße vorliegen, in den Bereich des „Bauens auf eigenes Risiko“, für den der Bundesgesetzgeber den Nachbarn auf eine Durchsetzung etwaiger Abwehransprüche nach einem Obsiegen in der Hauptsache mit gegebenenfalls gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen für die Bauherrinnen und Bauherren verwiesen hat. Aus dieser verfahrensrechtlichen Vorgabe lassen sich keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der materiellen Abwehrposition des sich gegen ein Bauvorhaben wendenden Nachbarn ableiten. An diesen Anforderungen wird sich gegebenenfalls das Bauwerk nach Fertigstellung „messen“ lassen müssen. Ein Anspruch der Antragsteller auf Einschreiten gegenüber der Beigeladenen oder Rechtsnachfolgern zur Ausräumung etwaiger im Hauptsacheverfahren festgestellter Nachbarrechtsverstöße richtete sich im Übrigen, auch das sei bereits in dem Zusammenhang zur Klarstellung ergänzend angemerkt, wegen des Verbots des Erlasses so genannter Baugebote im Rahmen des repressiven Bauordnungsrechts auf den Erlass einer Beseitigungsanordnung (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) für das Mehrfamilienhaus (insgesamt).(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 17.6.2010 – 2 A 425/08 –, BRS 76 Nr. 196) Schließlich bleibt, wie bereits im Beschluss des Senats vom Mai 2012(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 49/12 –, SKZ 2012, 172, Leitsatz Nr. 24) ausgeführt, festzuhalten, dass das 2004 im materiellen Abstandsflächenrecht aus energiepolitischen Erwägungen heraus verankerte Privileg für abstandsflächenrechtlich relevante „nachträgliche“ Außenwandverkleidungen in dem § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LBO 2004 für die hier zur Rede stehende Neubaumaßnahme nicht „nachträglich“ in Anspruch genommen werden kann.

Auch eine bei unterstellter Einhaltung der abstandsflächenrechtlichen Vorgaben – vorbehaltlich sonstiger Erkenntnisse – erfolgende Zurückweisung des Aussetzungsantrags (§ 80a VwGO) gegen die Baugenehmigung und des Anordnungsbegehrens (§ 123 Abs. 1 VwGO) der Antragsteller, würde daher nichts daran ändern, dass die Realisierung des Bauvorhabens, speziell was die in Ausübung der Gestaltungsfreiheit der Beigeladenen als Bauherrin von ihr selbst eng gezogenen „Spielräume“ hinsichtlich der seitlichen Grenzabstände anbelangt, mit Blick auf die Grundentscheidung des Bundesgesetzgebers in § 212a Abs. 1 BauGB hier als besonders riskante oder, wenn man so will, „teure“ Variante des „Bauens auf eigenes Risiko“ in einer genehmigungskonformen Ausnutzung der (bisher nur) vorläufigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache unter Einhaltung insbesondere der Grenzabstandserfordernisse anzusehen ist. Bezogen auf die tatsächliche Ausführung wird allerdings am fertig gestellten Bauwerk durch Vermessung die Feststellung der tatsächlich eingehaltenen Abstände zur Grundstücksgrenze der Antragsteller mit Blick auf den strikt nachbarschützenden Charakter der Abstandsflächenvorschriften sicher gegenüber den derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten deutlich vereinfacht werden.

Demnach war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu bestätigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

I.

In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 519/3 Gemarkung W., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück FlNr. 519/18 Gemarkung W. (im Folgenden: Baugrundstück). Dieses Grundstück wurde aus dem nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. herausgemessen und grenzt im Nordosten auf eine Länge von ca. 5 m an das Grundstück der Antragstellerin an.

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Auracher Berg“. Die Baugenehmigung enthält eine Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Baugrenze im nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. und der Dachneigung. In der Begründung des Bescheids ist ausgeführt, die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Interessen vereinbar seien.

Die Antragstellerin hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ferner hat sie beantragt, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2014 abgelehnt. Die erteilten Befreiungen verletzten die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Anhaltspunkte dafür, dass den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenze und der Dachneigung nachbarschützende Ziele zugrunde lägen, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Befreiungen seien gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos. Ein Anspruch eines Nachbarn auf den Fortbestand einer „faktischen Ruhezone“ bestehe nicht. Auf naturschutzrechtliche Belange könne sich ein Nachbar ebenso wenig berufen wie auf ein etwaiges Fehlen einer gesicherten Erschließung. Abgesehen davon, dass das Bebauungsplangebiet nicht innerhalb der vom Markt W. aufgestellten Gestaltungsrichtlinien liege, seien diese ausschließlich zur örtlichen Baugestaltungspflege erlassen worden. Zivilrechtliche Gesichtspunkte blieben im Baugenehmigungsverfahren außer Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Durch die Befreiung hinsichtlich der Baugrenze werde ihr Grundstück erheblich beeinträchtigt. Es sei aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich, welche Gründe hierfür sprächen. Seitliche und hintere Baugrenzen hätten nach der Rechtsprechung einen nachbarschutzrechtlichen Charakter. Eine Hinterlandbebauung, wie sie durch den angefochtenen Bescheid genehmigt worden sei, liege im weiteren Baugebiet nicht vor. Sie stehe auch im Widerspruch zu den Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2014 aufzuheben und die Vollziehung der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen im Bebauungsplan über die Baugrenzen und die Dachneigung dargelegt. Das Gebiet sei bereits in anderen Bereichen nachverdichtet. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht verletzt. Das Grundstück der Antragstellerin und das Baugrundstück lägen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts (AN 3 K 14.00018, AN 3 S 14.00460 und AN 3 K 14.00461) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Hinblick auf die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts derzeit als (zumindest) offen anzusehen. Angesichts dessen überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die gegenläufigen Interessen der Beigeladenen, das genehmigte Vorhaben schon vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Nachbarklage verwirklichen zu können.

Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Antragstellerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und auch die Einwendungen der Antragstellerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Antragstellerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W. der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Indes lässt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze verletze sie in ihren Nachbarrechten, bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit noch keine hinreichend sichere Prognose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu.

Die Frage, ob die im Bebauungsplan „Auracher Berg“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück FlNr. 519/2 Gemarkung W. nachbarschützende Wirkung entfaltet, lässt sich nach summarischer Prüfung nicht ohne weiteres beantworten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - zwar nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888). Es ist daher durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 28.5.2014 - 9 CS 14.84 - juris Rn. 17 m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Nachbarschutz vermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauGB) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend ist jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ kann etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“]).

Im vorliegenden Fall liegen dem Senat weder die Bebauungsplanbegründung noch die Verfahrensakten zum Bebauungsplan „Auracher Berg“ vor. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass derartige Unterlagen auch dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorgelegen haben. Dem Verwaltungsgericht wurden nämlich ausweislich der Vorlageschreiben des Landratsamts nur die den Vorbescheid vom 5. Dezember 2013 und die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung betreffenden Bauakten vorgelegt. Diese enthalten aber lediglich eine Kopie eines Ausschnitts aus der Bebauungsplanzeichnung mit einem Blatt „VERBINDLICHE FESTSETZUNG DES BEBAUUNGSPLANES“ (vgl. Bl. 26 und 27 Bauakt H2014-0057). Letzterem lässt sich aus dem Verweis auf die Geltung der BauNVO vom 26. Juni 1962 entnehmen, dass es sich beim Bebauungsplan „Auracher Berg“ offensichtlich um einen „relativ alten“ Bebauungsplan (so die Bezeichnung in der Niederschrift über die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Marktes W. vom 15.7.2013, Bl. 46 des Bauakts H2013-0472) handelt. Nähere Angaben etwa zum Inkrafttreten dieses Bebauungsplans, zu seinem Geltungsbereich, zu den mit ihm allgemein verfolgten Zielen und konkret zu den Gründen für die im maßgeblichen Teilbereich festgesetzten Baufenster lassen sich aber auch dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit nämlich auf den bloßen Hinweis beschränkt, Anhaltspunkte dafür, dass die planende Gemeinde ihre Festsetzung einer Baugrenze zum Schutze benachbarter Grundstückseigentümer geschaffen hat, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine nähere Prüfung, z. B. anhand der Begründung des Bebauungsplans oder den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, hat das Verwaltungsgericht offensichtlich nicht vorgenommen.

Dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in ausreichender Weise entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass es sich hier um eine seitliche Baugrenze zu ihrem Grundstück handle und seitlichen (und hinteren) Baugrenzen nach der Rechtsprechung eine nachbarschützende Wirkung zukommen könne. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich damit nicht auf pauschale oder formelhafte Rügen. Vielmehr werden in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung substantiiert im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe dafür dargelegt, weshalb die Entscheidung für unrichtig gehalten wird. Ein Eingehen auf die Aufstellungsunterlagen oder die Begründung des Bebauungsplans war entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht erforderlich, weil sich auch das Verwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt hat. Art und Umfang der Beschwerdebegründung hängen nämlich von der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ab. Je eingehender die dortige Argumentation ist, desto tiefer muss sich der Beschwerdeführer mit ihr befassen (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 76; Jeromin in Gärditz, VwGO, § 146 Rn. 32).

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung der (seitlichen und rückwärtigen) Baugrenzen nicht auch zumindest zum Schutze der benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, ist auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lässt sich nämlich jedenfalls das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der Siedler- und Flurstraße sowie dem Finken- und Meisenweg gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1- bis 1 1/2-geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spricht unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führt nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („grüne“) Fläche von ca. 40 - 60 m entsteht, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf aber unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten Grundsätze erst einer Würdigung der Bebauungsplanbegründung und der Akten des Aufstellungsverfahrens (insbesondere der entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse) und einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs.

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2010 - 2 AS 09.2907 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 darauf verwiesen hat, Nachbarn hätten keinen Anspruch auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs lag ein Nachbarrechtsbehelf gegen eine nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Hinterlandbebauung zugrunde, wobei den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, dass die in der maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung sich nicht nur auf den straßenseitigen Bereich beschränkte, sondern auch den rückwärtigen Grundstücksraum einbezog (a. a. O. - juris Rn. 20). Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall eine Nachbarrechtsverletzung durch die erteilte Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze des übergeleiteten Bebauungsplans verneint hat, hat er lediglich eine auch vom erkennenden Senat nicht in Frage gestellte Regel („in der Regel“) aufgestellt (a. a. O. Rn. 21). Seine Ausführungen zum „Wegfall der rückwärtigen Ruhezone“ stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Verneinung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtname (a. a. O. Rn. 23). Darum geht es hier aber nicht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. September 2003 (a. a. O. juris Rn. 19) feststellt, dass ein Nachbar keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone hat, ist diese Aussage im Rahmen einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan getroffen worden, der für eine bisher im Wesentlichen unbebaute Freifläche mit Streuobstwiesennutzung, die von vorhandener Wohnbebauung umgeben war, Baurecht in Form der Festsetzung eines (eingeschränkten) allgemeinen Wohngebiets geschaffen hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Nachbar eine derartige Festsetzung nicht abwehren kann, wenn sie den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht. Auch um diese Frage geht es im vorliegenden Fall aber nicht.

Bei dieser Sach- und Rechtslage fällt die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung daher zu Ungunsten der Beigeladenen aus.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Wird im Flächennutzungsplan das allgemeine Maß der baulichen Nutzung dargestellt, genügt die Angabe der Geschossflächenzahl, der Baumassenzahl oder der Höhe baulicher Anlagen.

(2) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung bestimmt werden durch Festsetzung

1.
der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen,
2.
der Geschossflächenzahl oder der Größe der Geschossfläche, der Baumassenzahl oder der Baumasse,
3.
der Zahl der Vollgeschosse,
4.
der Höhe baulicher Anlagen.

(3) Bei Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan ist festzusetzen

1.
stets die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen,
2.
die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe baulicher Anlagen, wenn ohne ihre Festsetzung öffentliche Belange, insbesondere das Orts- und Landschaftsbild, beeinträchtigt werden können.

(4) Bei Festsetzung des Höchstmaßes für die Geschossflächenzahl oder die Größe der Geschossfläche, für die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen im Bebauungsplan kann zugleich ein Mindestmaß festgesetzt werden. Die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen können auch als zwingend festgesetzt werden.

(5) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung für Teile des Baugebiets, für einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile und für Teile baulicher Anlagen unterschiedlich festgesetzt werden; die Festsetzungen können oberhalb und unterhalb der Geländeoberfläche getroffen werden.

(6) Im Bebauungsplan können nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen von dem festgesetzten Maß der baulichen Nutzung vorgesehen werden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.


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Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine bereits errichtete Werbetafel.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst. Nr. 12359 (... Straße 11) der Gemarkung Karlsruhe, auf dem eine Tankstelle betrieben wird. Die Tankstelle wird von der ... Straße aus angefahren; auf dem Tankstellengrundstück befinden sich - in unmittelbarem Anschluss an die Straßenfläche - u.a der Einfahrtspfeil zur Tankstelle und das Preisschild.
Am 30.07.2008 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Werbeanlage auf dem benachbarten - nördlich an das Tankstellengrundstück angrenzenden - Grundstück Flst. Nr. 981/1 (...ring 12), das sowohl vom ...ring her als auch - auf seiner Südostseite - von der ... Straße her erschlossen ist und an diese angrenzt. Bei der Werbeanlage handelt sich um eine sog. Mega-Light-Wechsleranlage mit den Abmessungen 3806 X 2846 mm, die in einer Höhe von ca. 2,5 m auf einem Monofuß errichtet werden soll. Sie bietet Raum für großflächige, hinterleuchtete Plakate im Format 18/1 (9 qm). Als Standort der Anlage ist in den Genehmigungsunterlagen die äußerste südöstlichste Ecke des Grundstücks Flst. Nr. 981/1, unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Tankstellengrundstück der Klägerin und zur ... Straße hin, vorgesehen.
Sowohl das Baugrundstück als auch das Grundstück der Klägerin liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“ der ehemals selbständigen Gemeinde ... in der Fassung vom 19.03.1963, der im betreffenden Bereich ein Gewerbegebiet festsetzt. Nach § 2 des Satzungstextes zum Gewerbegebiet gilt für die „Einhaltung der Baulinien und der hinteren Baugrenze der am 07.03.1961 gefertigte Fluchtlinienplan“, welcher in Bezug auf das Baugrundstück Flst. Nr. 981/1 eine „hintere Bauflucht (Baugrenze für Wohn- und Nebengebäude)“ festsetzt. Nach § 5 des Satzungstextes zum Gewerbegebiet darf „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“.
Mit Bescheid vom 29.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung zunächst mit der Begründung ab, dem Vorhaben stünden Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“ entgegen, weil die Werbeanlage deutlich vor der Baugrenze errichtet werden solle und dort auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden könne. Außerdem führe sie zu einer bauordnungsrechtlichen Verunstaltung. Gegen diesen Bescheid erhob die Beigeladene am 06.11.2008 Widerspruch und errichtete die Werbeanlage an dem beantragten Standort. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15.07.2009 half die Beklagte dem Widerspruch ab und erteilte die begehrte Baugenehmigung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Werbeanlage nach § 6 Abs. 6 Ziffer 2 LBO in der Abstandsfläche zulässig sei, da sie zwar eine Höhe von 2,5 m überschreite, die fiktive Wandfläche jedoch unterschreite, mithin nicht beide Maße kumulativ überschritten seien. Infolgedessen könne die Anlage gem. § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO auch auf nichtüberbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden. Der der Behörde in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensspielraum sei hier aufgrund der in der näheren Umgebung anzutreffenden Nutzungen außerhalb des festgesetzten Baubereichs deutlich reduziert.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.08.2009 Widerspruch. Zur Begründung bezog sie sich zunächst auf die ihrer Ansicht nach richtigen Ausführungen der Beklagten in dem Ablehnungsbescheid vom 29.10.2008. Zu der im Bescheid vom 15.07.2009 gegebenen Begründung führte sie ergänzend aus, die Werbeanlage sei schon bauordnungsrechtlich nicht zulässig, weil sie als einzige kommerzielle Werbeanlage dieser Größe am konkreten Standort verunstaltend wirke. Mit in der Umgebung vorhandenen Werbeanlagen sei sie nicht vergleichbar. Aus diesem Grunde sei auch die bauplanungsrechtliche Argumentation der Beklagten nicht überzeugend. Mit Bescheid vom 25.03.2010 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Zwar überschreite die Werbeanlage die im Bebauungsplan festgelegte (vordere) Baugrenze; diese Baugrenze vermittle der Klägerin aber keinen Nachbarschutz. Im Übrigen sei der Verstoß durch die erteilte Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB geheilt. Die Befreiungsvoraussetzungen lägen vor; nachbarliche Interessen der Klägerin würden nicht beeinträchtigt, insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass die Werbeanlage zu einer übermäßigen Behinderung der Sicht auf die Tankstelle führe. Die Vorschriften des Baugestaltungsrechts hätten ebenfalls keine nachbarschützende Wirkung; bauordnungsrechtliche Abstandsvorschriften seien nicht verletzt.
Am 26.04.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die Werbeanlage sei bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie sich außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze befinde. Eine Genehmigung habe nicht ausnahmsweise gem. § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO erteilt werden dürfen. Die Beklagte sei zu Unrecht von einer Ermessensreduzierung auf null ausgegangen. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Vergleichsfälle seien mit der in Rede stehenden Werbetafel nicht vergleichbar. Da die Vorschrift des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO eine nachbarschützende Komponente enthalte, könne eine fehlerhafte Ermessensentscheidung vom Nachbarn auch dann gerügt werden, wenn die jeweilige Festsetzung der Baugrenze im Bebauungsplan selbst nicht nachbarschützend sei. Vorliegend habe auch die vordere Baugrenze drittschützenden Charakter, da mit ihrer Festsetzung eine aufgelockerte Bauweise gewährleistet werden solle, die auch den Nachbarn zugutekomme. Ferner verstoße die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 BauNVO. Die Klägerin sei als unmittelbare Angrenzerin besonders von der Anlage betroffen. Die großen Werbeplakate wirkten vom Grundstück der Klägerin aus wie eine Wand und versperrten die Sicht auf die Vorgärten. Diese störende und aufdringliche Wirkung werde dadurch verstärkt, dass die Werbeplakate rollierten und nachts beleuchtet seien. Die Werbeanlage sei bauordnungsrechtlich unzulässig. Sie verunstalte die Umgebung und verstoße gegen §11 Abs. 1 LBO. Die bunten Werbeschilder zerstörten den ansonsten ruhigen Eindruck der Umgebung, die einem Wohngebiet entspreche. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide verwiesen.
Mit Urteil vom 12.04.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat sein Urteil wie folgt begründet: Die in Streit stehende Werbetafel verletze keine nachbarschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts. § 5 Abs. 1 LBO finde aufgrund der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO normierten Privilegierung keine Anwendung. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Bei der Werbetafel handele es sich auch landesrechtlich um eine bauliche Anlage (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LBO), die kein Gebäude sei (§ 2 Abs. 2 LBO). Zwar solle sie höher als 2,5 m ausgeführt werden, ihre Wandfläche betrage aber - selbst bei Berücksichtigung des Monofußes - nicht mehr als 25 qm. Für die Berechnung sei lediglich die tatsächlich vorhandene Wandfläche maßgeblich. Eine fiktive Fläche, die sich unter Berücksichtigung des Luftraumes unter der eigentlichen Fläche des Monofußes ergebe, sei nicht zu berechnen. Dahinstehen könne, ob dem Vorhaben das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO entgegen stehe, da es sich insoweit nicht um eine drittschützende Vorschrift handele. Die Werbeanlage verstoße auch nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Maßgeblich für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit seien die Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 476 „Kirchfeld“. Aufgrund der dort ausgewiesenen Baugrenze sei die Werbeanlage an der Stelle, an der sich errichtet worden sei, grundsätzlich unzulässig; nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO könnten bauliche Anlagen jedoch auf nichtüberbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig seien oder zugelassen werden könnten. Mit ihrer Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO habe die Beklagte hier eine Überschreitung der hinteren Baugrenze zugelassen, welche jedoch keine nachbarschützende Wirkung zugunsten der Klägerin entfalte. Aus den Festsetzungen des Bebauungsplans selbst ergäben sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Baugrenze den Interessen der Nachbarn zu dienen bestimmt sei; insbesondere die in § 15 der Satzung statuierte Genehmigungspflicht für Werbe-einrichtungen lasse diesen Schluss nicht zu. Baugrenzen oder Baulinien würden in der Regel nur aus städtebaulichen Gründen festgesetzt. Besondere Anhaltspunkte für eine nachbarschützende Wirkung ergäben sich regelmäßig nur hinsichtlich seitlicher Baugrenzen zugunsten des an derselben Grundstücksseite liegenden Nachbarn, weil durch die Festsetzung solcher Baugrenzen bei unmittelbar aneinander liegenden Grundstücken ein nachbarrechtliches Austauschverhältnis begründet werde, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichte. Diese Erwägungen gälten aber nicht für die hier in Rede stehende vordere, straßenseitige Baugrenze und zwar unabhängig davon, ob sie in dem Bebauungsplan zu Recht als „hintere“ Baugrenze deklariert werde. Es sei schließlich auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu erkennen. Nach den Feststellungen der Kammer vor Ort beeinträchtige die Werbetafel das Grundstück der Klägerin nicht unzumutbar.
Mit Beschluss vom 04.08.2011 (5 S 1561/11) hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, weil das Verwaltungsgericht die Vorschrift des § 5 des Bebauungsplans Nr. 46 „Kirchfeld“ (Gewerbegebiet), wonach der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten darf, ungeprüft gelassen habe und insofern ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden.
10 
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass die Werbeanlage als bauliche Anlage nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO in der Abstandsfläche zulässig sei. Die Werbeanlage weise eine Gesamthöhe von 5,541 m auf und überschreite damit das in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO vorausgesetzte Höhenmaß von maximal 2,5 m. Zu Unrecht berufe sich das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung, nur eines der in der Vorschrift genannten Maße müsse erfüllt sein um die Werbeanlage zulassen zu können, auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 -. Es habe übersehen, dass diese Entscheidung zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. und damit zu einer völlig anderen Fassung der Vorschrift ergangen sei. Nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in der Abstandsfläche zulässig, wenn sie höher als 2,5 m seien und ihre Wandfläche mehr als 25 qm betrage. Die im vorliegenden Fall anzuwendende Vorschrift - § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO in der aktuellen Fassung - sei aber anders formuliert. Nach ihr seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen nur zulässig, soweit sie nicht höher als 2,5 m seien oder ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm betrage. Durch die Einfügung des Wörtchens „soweit“ sei nunmehr eindeutig klargestellt, dass eine Genehmigung dann nicht in Betracht komme, wenn die bauliche Anlage - hier die streitgegenständliche Werbeanlage - entweder höher als 2,5 m sei oder eine größere Wandfläche als 25 qm aufweise. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verletze das Vorhaben hier auch drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Der Bebauungsplan setze in § 6 (Gewerbegebiet) i.V.m. der Planzeichnung eine vordere Bauflucht (rot), eine hintere Bauflucht (blau) und eine Straßenflucht (schwarz) fest und treffe - in § 5 (Gewerbegebiet) - eine Regelung zum Bauwich. Lege man diese Regelungen nach dem Willen des Satzungsgebers im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung über den Plan aus, so komme man zu dem Ergebnis, dass er zwischen der roten vorderen Bauflucht und der Straßenflucht keine Bebauung habe zulassen wollen mit Ausnahme der Zapfsäulen der damals bereits vorhandenen Tankstelle. Gleichzeitig sollten im Bauwich überhaupt keine baulichen Anlagen errichtet werden dürfen. Genau aus diesem Grund sei auch festgesetzt (§ 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet -), dass Nebengebäude außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen nicht errichtet werden dürften. Der Satzungsgeber habe damit in der konkreten Situation gerade auch zum Schutze der Grundstücke Flst. Nrn. 981/1 und 991 eine Regelung zur Freihaltung von jeglicher Bebauung treffen wollen, zumal die Festlegung einer seitlichen Baugrenze mit Blick auf die vorhandene Bestandsbebauung auf den genannten Grundstücken nicht in Betracht gekommen sei. Das Verwaltungsgericht habe ferner nicht beachtet, dass die Klägerin richtigerweise eine Prüfung verlangen könne, ob die Regelungen des Bebauungsplans objektivrechtlich eingehalten seien. Die Beschränkung des Überprüfungsrechts auf sog. nachbarschützende Normen führe dazu, dass der rechtssuchende Bürger keinerlei Möglichkeit habe, dafür Sorge zu tragen, dass gesetzliche Bestimmungen auch tatsächlich eingehalten würden. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 12.05.2011 - C-115/09 - hätte dem Verwaltungsgericht Veranlassung geben müssen, seine gegenteilige Rechtsauffassung zu überdenken. Dort habe der EuGH dargelegt, die Mitgliedstaaten müssten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherstellen, dass auch objektive Rechtsverletzungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden könnten. Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gesehen. Die Werbetafel sei deutlich höher als das Tankstellendach und nehme - besonders von der Straße aus - den Blick auf die Tankstelle. Zu berücksichtigen sei, dass es nicht um ein legitimes Interesse des Eigentümers des Grundstücks 981/1 gehe, wenn dort eine Werbetafel aufgestellt werde. Denn sie diene nicht dem Zweck, auf ein dort betriebenes Gewerbeunternehmen aufmerksam zu machen, sondern ausschließlich der Fremdwerbung. Fremdwerbung stehe aber in keinerlei Bezug zum Gewerbegebiet, wohingegen die Tankstelle diesen Bezug aufweise. Die Errichtung einer Hinweistafel auf die Tankstelle und die entsprechende werbliche Herausstellung des Tankstellendachs dienten folglich - anders als die streitgegenständliche Werbeanlage - ebenfalls der Zielsetzung des Gewerbegebiets. Aus diesem Grund sei die Werbeanlage nach der BauNVO 1962 zudem als solche überhaupt nicht zulässig. Denn weder handele es sich bei der Werbeanlage selbst um einen Gewerbebetrieb noch stehe sie - vergleichbar einem Nebengebäude - in funktionalem Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb, der auf einem Grundstück des Plangebiets vorhanden sei.
11 
Die Klägerin beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.04.2011 abzuändern und die Baugenehmigung der Stadt Karlsruhe vom 15.07.2009 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 25.03.2010 aufzuheben.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Zur Begründung trägt sie vor: Anders als es der Wortlaut der alten Fassung der LBO noch nahegelegt habe, seien bauliche Anlagen, die keine Gebäude seien, in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen bzw. ohne eigene Abstandsflächen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bereits dann zulässig, wenn eines der beiden in der Vorschrift genannten Maße erfüllt sei. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt habe, sei die im Bebauungsplan festgesetzte hintere Bauflucht nicht geeignet, der Klägerin Drittschutz zu vermitteln. Zudem gelte diese Regelung nur für Wohngebäude und Nebengebäude. Die Werbeanlage falle hierunter nicht. Das Rücksichtnahmegebot sei zulasten der Klägerin nicht verletzt, weil in dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Ortstermin keine erhebliche Beeinträchtigung auf dem Grundstück der Klägerin habe festgestellt werden können. Schließlich stehe die Regelung des § 5 des Bebauungsplans (Gewerbegebiet) zum Bauwich der Erteilung der Genehmigung nicht entgegen. In dem zur Zeit des Satzungsbeschlusses üblichen Sprachgebrauch sei mit „Bauwich“ lediglich der Grenzabstand von Gebäuden - und nicht von sonstigen baulichen Anlagen - gemeint gewesen. Schon rein begrifflich werde die Werbeanlage daher nicht von dieser Regelung erfasst. Dies ergebe sich auch aus § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, der vorliegend Anwendung finde. Danach seien in der offenen Bauweise Gebäude mit „seitlichem Grenzabstand (Bauwich)“ zu errichten. Die gesetzliche Definition des Bauwichs, wie er im Bebauungsplan Nr. 476 festgesetzt sei, beziehe sich daher nur auf Gebäude. Aber auch dann, wenn man § 5 des Bebauungsplans auf die streitgegenständliche Werbeanlage anwende, stehe er der Genehmigung nicht entgegen. Denn an der Festsetzung eines Bauwichs von 3,00 m bestünden durchgreifende Bedenken. Vom Bauordnungsrecht abweichende planungsrechtliche Festsetzungen des Bauwichs i.S.v. § 22 BauNVO 1962 hätten im Bebauungsplan nicht wirksam getroffen werden können. § 5 des Bebauungsplans i.V.m. § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 regele daher lediglich, dass Gebäude in der offenen Bauweise mit einem seitlichen Grenzabstand errichtet werden sollten. Die seitlichen Abstandsflächen ergäben sich aber zwingend aus dem Abstandsflächenrecht. Auch die bauordnungsrechtlichen Regelungen zur Zulässigkeit baulicher Anlagen in Abstandsflächen blieben unberührt.
16 
Die Beigeladene beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen
18 
Sie hat sich im Berufungsverfahren schriftlich nicht geäußert.
19 
Dem Senat haben die Behördenakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Bebauungsplanakten Nr. 621.41.11 der Stadt Karlsruhe zum Bebauungsplan ... „Gewann Kirchfeld/Nördlich der Waldhornstraße“ vorgelegen. Auf diese Akten und die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands Bezug genommen.
20 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und dessen nähere Umgebung. Hinsichtlich der dort getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26.01.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in der notwendigen Weise begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO, § 124a Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO). Sie hat aber keinen Erfolg.
22 
1. Die auf Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung gerichtete Nachbarklage ist zulässig, insbesondere steht der Klägern als unmittelbarer Grundstücksnachbarin die erforderliche Klagebefugnis zur Seite. Denn sie macht u.a. geltend, die unmittelbar an der Grenze zu ihrem Grundstück verwirklichte Werbeanlage verstoße, da dieses Vorhaben abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sei, gegen nachbarschützende Vorschriften zur Abstandsflächentiefe. Aber auch der weitere Vortrag der Klägerin, die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ zu Baugrenzen und zum Bauwich seien nach der Vorstellung des seinerzeitigen Satzungsgebers zum Schutz der Grundstücksnachbarn und damit auch zu ihrem Schutz ergangen, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auch insoweit ist es daher möglich, dass die angefochtene Baugenehmigung subjektive Rechtspositionen der Klägerin verletzt. Ihr kann auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht abgesprochen werden.
23 
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheiden vom 15.07.2008 und 25.03.2010 erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die jedenfalls auch dem Schutz der Klägerin dienen.
24 
a) Die Zulassung der Werbeanlage an dem konkreten Standort verletzt keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier - da es sich um eine Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn bereits erteilte Baugenehmigung handelt - der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, denn bereits die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43.10 -, ZfBR 2011, 53). Spätere Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen, wirken sich aber regelmäßig nicht aus, wenn ihm eine Baugenehmigung bereits rechtmäßig erteilt wurde.
25 
Unter Zugrundelegung dessen ist die Rechtmäßigkeit des Vorhabens hier nach den Vorschriften der Landesbauordnung vom 08.08.1995 in der bis zum 28.02.2010 geltenden alten Fassung (im Folgenden LBO a.F.) zu beurteilen. Denn diese Fassung fand im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung - - im Juli 2009 - noch Anwendung.
26 
aa) Es kann offen bleiben, ob die Werbeanlage gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO a.F. verstößt. Denn Gestaltungsvorschriften sind ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Sie sind nicht dazu bestimmt, auch den Individualinteressen des Einzelnen zu dienen. § 11 LBO ist daher nicht nachbarschützend (Sauter, LBO, § 11 Rdnr. 9; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6. Aufl. § 11 Rdnr 28; zu den Vorgängervorschriften schon VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.12.1999 - 3 S 2737/97 -, juris Rdnr. 31 mw.N.). Mit Blick darauf könnte die Klägerin jedenfalls nicht verlangen, dass die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen § 11 LBO - unterstellt, er läge vor - aufgehoben wird.
27 
bb) Der Zulassung der Werbeanlage an ihrem konkreten Standort stehen auch keine Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach der LBO a.F. entgegen. Zwar handelt es sich bei der Werbeanlage zweifellos um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 LBO a.F., sie braucht jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 LBO a.F. selbst keine Abstandsfläche zum Nachbargrundstück hin einzuhalten.
28 
Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die kein Gebäude ist (vgl. § 2 Abs. 2 LBO a.F.). Die bauliche Anlage ist zwar unstreitig höher als 2,5 m, ihre Wandfläche beträgt aber nicht mehr als 25 qm. Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Produktbeschreibung ist die Werbefläche selbst höchstens 3806 X 2846 mm, also 10,83 qm groß. Hinzu kommt der Monofuß mit den (Höchst-)Maßen 586 X 2698 mm (1,58 qm). Eine Wandfläche von 25 qm wird damit bei weitem nicht erreicht. Dieses Wandmaß bliebe selbst dann unterschritten, wenn man – entsprechend dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – noch den „Luftraum“ unter der Werbefläche bis zum Erdboden hinzurechnete. Dies hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt und wurde von der Klägerin danach auch nicht mehr bestritten.
29 
Die Regelung des § 5 Abs. 9 LBO a.F. findet aber nur Anwendung, wenn beide Maße überschritten sind, m.a.W. braucht eine bauliche Anlage, welche - wie hier - nur eines dieser Maße überschreitet, keine eigene Abstandsfläche einzuhalten (vgl. Urt. v. 18.07.1984 - 3 S 976/84 -, BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris, Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585)
30 
An dieser Rechtslage hat sich im Übrigen – entgegen der dezidiert geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin – durch die seit dem 01.03.2010 geltende abstandsflächenrechtliche Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO neuer Fassung (im folgenden: LBO) nichts geändert. Vielmehr ist die Werbeanlage auch nach dieser Vorschrift abstandsflächenrechtlich privilegiert. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Werbeanlage ohne eigene Abstandsflächen lägen nicht mehr vor, weil seit der Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 10.11.2009 „eine Genehmigung nicht mehr in Betracht komme, wenn die Anlage entweder höher als 2,5 m ist oder die Anlage eine größere Wandfläche als 25 qm hat“. Damit gibt sie den Wortlaut der Vorschrift sinnverdreht wieder. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO ist entgegen ihrem Vortrag gerade nicht in der Weise negativ formuliert, dass bauliche Anlagenunzulässig sind, wenn eines der in der Vorschrift genannten Maße überschritten wird, sondern umgekehrt in der Weise positiv, dass bauliche Anlagen (in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen) zulässig sind, soweit eines der in der Vorschrift genannten Maße nicht überschritten wird. Bereits der Gesetzeswortlaut („oder“) legt bei dieser Formulierung nahe, dass die Erfüllung schon eines der beiden Maße ausreicht, um die abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer baulichen Anlage auszulösen. Umgekehrt bedeutet dies, dass nur die kumulative Überschreitung beider Gebäudemaße zur Unzulässigkeit einer baulichen Anlage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO führt. So wird die neugefasste Vorschrift auch in der Kommentarliteratur verstanden (Sauter, LBO, 3. Aufl. § 6 Rdnr. 26; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6.Aufl. 2011 § 6 Rdnr. 32).
31 
Dieses schon nach dem Wortlaut naheliegende Verständnis der Vorschrift wird durch einen Blick auf die im Gesetzgebungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers bestätigt.
32 
Mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO wurden die bis zum 28.02.2010 geltenden Vorschriften des § 5 Abs. 9 LBO a.F. und des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. in einer Regelung zusammengefasst (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19.08.2009, LT-Drs. 14/5013, S. 39). § 5 Abs. 9 LBO a.F. bestimmte, dass die - für Gebäude geltenden - Abstandsflächenvorschriften des § 5 Abs. 1 bis 8 LBO a.F. entsprechend für bauliche Anlagen gelten, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 qm beträgt. Nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. waren „in den Abstandsflächen bauliche Anlagen zulässig, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm beträgt. Hinsichtlich beider Vorgängervorschriften - bzw. deren Vorgängervorschriften in noch früheren Fassungen der Landesbauordnung - war in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aber anerkannt, dass bereits die Erfüllung eines der beiden genannten Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W. erst deren kumulative Überschreitung zu einer Unzulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt (zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. Beschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 -, BRS 55 Nr. 162, juris; Urt. v. 14.08.1997 - 5 S 1252/96 -, BauR 1998, 517; Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585, ebenso zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. Urt. v. 18.07.1984 - BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 - , VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris). Diese Interpretation war mit dem Wortlaut der Vorgängervorschriften nicht auf den ersten Blick in Einklang zu bringen, denn die „und“-Verknüpfung konnte auch dahin verstanden werden, dass erst eine kumulative Einhaltung beider Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W zur Zulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 - aber herausgestellt, dass es sich bei dem Bindewort „und“ um eine relativ schwache und sprachlich mehrdeutige konjunktive Verbindung handele. Der Wortlaut lasse die vom Gesetzgeber intendierte und von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung - Zulässigkeit des Vorhabens bereits bei Einhaltung eines der genannten Maße, umgekehrt gesprochen: Unzulässigkeit des Vorhabens erst bei kumulativer Überschreitung beider Maße - daher durchaus zu.
33 
Dem Landesgesetzgeber waren die aufgezeigten Verständnis- und Auslegungsschwierigkeiten bei der Neuformulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bekannt. Ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu dieser Vorschrift (LT-Drs. 14/5013, S. 39) soll sich an dem von der Rechtsprechung konkretisierten Verständnis der Vorgängervorschriften durch die Neufassung nichts ändern. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die von ihm als „unklar“ bezeichnete bisherige Regelung deutlicher fassen. Zur Auslegung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO genannten Voraussetzungen und zur Regelungsabsicht heißt es in der Gesetzesbegründung unzweideutig:
34 
„Zukünftig gilt hier, dass alle sonstigen baulichen Anlagen dann eigene Abstandsvorschriften besitzen und in Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen unzulässig sind, wenn sie beide in Nummer 3 aufgeführten Grenzwerte überschreiten“.
35 
Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Umformulierungen im Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO („soweit“ anstatt bisher „wenn“, „oder“ anstatt bisher „und“) bewusst gewählt hat, um das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schon bisher entwickelte Verständnis der Vorgängervorschriften im Wortlaut des neugefassten § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO klar zu verankern. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist dies auch gelungen.
36 
Dementsprechend ist die hier in Rede stehende Werbeanlage sowohl nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. als auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO abstandsflächenrechtlich privilegiert und ohne eigene Abstandsfläche zum Grundstück der Klägerin hin zulässig.
37 
cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Werbeanlage trotz ihrer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegenüber der Klägerin rücksichtslos - oder gar schikanös - sein könnte, bestehen nicht. Bei der Errichtung einer privilegierten baulichen Anlage muss der Bauherr nicht den Standort wählen, der für den Nachbarn die geringsten Beeinträchtigungen mit sich bringt. Es genügt, wenn er die bauordnungsrechtlichen Vorschriften einhält (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.03.1989 - 5 S 46/89 -, NVwZ-RR 1989, 530, juris).
38 
b) Die an ihrem konkreten Standort unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zugelassene Werbeanlage verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
39 
aa) Der Standort der Werbeanlage liegt in einem durch Bebauungsplan Nr. 467 „Kirchfeld“ der Beklagten ausgewiesenen Gewerbegebiet. Gem. § 8 Abs. 1 BauNVO in der für den beschlossenen Bebauungsplan maßgeblichen Fassung 1962 (auf die in § 3 des Bebauungsplans auch verwiesen wird, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.) dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung nicht erheblich belästigender Gewerbebetriebe (Abs. 1) und sind „Gewerbebetriebe aller Art“ zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Zwar verwendet die BauNVO 1962 (nur) den Begriff des Gewerbebetriebs und ist eine Anlage der Außenwerbung - worauf die Klägerin im Berufungsverfahren hinweist - im engeren Begriffsverständnis kein „Betrieb“. Mit dem Begriff des „Betriebs“ beschreibt die BauNVO jedoch nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen, um diese Nutzung von anderen Nutzungsarten sinnvoll abgrenzen zu können (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 4 Rdnr. 9.31). Eine Außenwerbeanlage, die der Fremdwerbung dient, stellt daher bauplanerisch eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 - , BauR 2008, 1585, juris Rdnr. 18 m.w.N.), welche im Gewerbegebiet typischerweise zulässig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Werbeanlage sich nicht im Rahmen dieser Typisierung bewegte - insbesondere weil sie als „erheblich belästigender Gewerbebetrieb“ i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO 1962 anzusehen sein könnte - bestehen nicht. Die Werbeanlage ist an dem konkreten Standort daher ihrer Art nach zulässig.
40 
bb) Der Bebauungsplan Nr.467 „Kirchfeld“ (vgl. dessen § 2 - Gewerbegebiet - i.V.m. dem Fluchtlinienplan vom 07.03.1961) setzt bezüglich des Baugrundstücks eine - gesehen vom ...ring aus - „hintere Bauflucht“ fest.
41 
(1) Diese Bauflucht ist, wie sich aus dem Klammerzusatz („Baugrenze“) ergibt, als Baugrenze und damit als Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche i.S.v. § 23 Abs. 1, 3 BauNVO 1962 zu verstehen. Nach dieser Vorschrift dürfen „Gebäude und Gebäudeteile“ die Baugrenze nicht überschreiten. Auch wenn eine Werbeanlage weder als „Gebäude“ noch als „Gebäudeteil“ i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1962 angesehen werden kann, wird sie doch von der Vorschrift erfasst. Denn diese zielt darauf ab, die von der Gemeinde gewünschte offene Bauweise dadurch zu unterstreichen, dass nichtüberbaubare Grundstücksflächen ausgewiesen werden. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn andere bauliche Anlagen - insbesondere Werbeanlagen - als Hauptnutzung „vor der Baugrenze“ ohne weiteres zulässig wären (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001 - 4 C 1.01 -, BauR 2001, 1698, juris Rdnr. 13ff). Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber der BauNVO im Jahre 1962 aufgrund der damaligen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) BauGB keine Veranlassung hatte, zwischen Gebäuden und anderen baulichen Anlagen zu differenzieren. Er hat sich vielmehr auf den „typischen“ Fall einer Bebauung mit „Gebäuden“ beschränkt, ohne diesem Tatbestandsmerkmal konstitutive Bedeutung zuzumessen (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001, a.a.O., Rdnr. 14/15). Der konkrete Standort der genehmigten Werbeanlage befindet sich mithin auf einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche des Flst. Nr. 981/1 und verstößt damit grundsätzlich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans.
42 
Die Klägerin kann indes aus diesem Grund die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht verlangen. Denn die Festsetzung der hinteren Baugrenze auf dem Flst. Nr. 981/1 ist nicht zu ihren Gunsten nachbarschützend. Regelmäßig kommt hinteren Baugrenzen Nachbarschutz nur zugunsten solcher Nachbargrundstücke zu, die der Baugrenze gegenüberliegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.02.1999 - 5 S 2507/96-, BRS 62, 445; Beschl. v. 14.06.2007 - 8 S 967/97 -, VBlBW 2007, 387). Das Grundstück der Klägerin liegt dem Baugrundstück nicht in diesem Sinne gegenüber. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung noch aus den Planakten irgendein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der „hinteren Baugrenze“ gerade die Interessen des Eigentümers des Tankstellengrundstücks schützen sollte.
43 
(2) Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Genehmigung der Werbeanlage auch objektiv rechtmäßig ist. Sie konnte hier nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 zugelassen werden. Die angefochtene Baugenehmigung stützt sich hierauf ausdrücklich. Die erste Tatbestandsvoraussetzung für eine Zulassung nach dieser Vorschrift liegt ohne weiteres vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die nach Landesrecht in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen zulässig ist (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO; die Verweisung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 auf das jeweilige Landesrecht ist als dynamische Verweisung zu verstehen, VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.).
44 
Der Bebauungsplan enthält auch keine „andere Festsetzung“, welche die Zulassung einer Werbeanlage außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen hier ausschlösse. Nach § 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet - dürfen außerhalb der durch Baulinie und Baugrenze festgesetzten überbau-baren Grundstücksflächen weder Garagen noch Nebengebäude errichtet werden. Man könnte aus dieser Festsetzung zwar auf den ersten Blick schließen, dass damit - entsprechend der unter (1) aufgezeigten Argumentation zu § 23 Abs. 3 BauNVO - sämtliche baulichen Anlagen einschließlich Werbeanlagen ausgeschlossen sein sollten. Diese Auslegung würde dem Sinn der Regelung aber nicht gerecht. Der Plangeber hat für das Baugebiet offene Bauweise (§ 4) festgesetzt und verfolgt mit der Festsetzung einer „hinteren Baugrenze“ auf dem Baugrundstück offensichtlich das Ziel, straßennahe Flächen zur... Straße von einer Bebauung freizuhalten. Dabei hat er in § 6 Abs. 2 der Festsetzungen zum Gewerbegebiet aber eine differenzierende Regelung dazu getroffen, welche baulichen Anlagen den Planungszielen von vornherein widersprechen und deshalb außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche gänzlich unterbleiben müssen. Dementsprechend dürfen Garagen und Nebengebäude dort nicht errichtet werden; die in § 6 ebenfalls erwähnten Einstellplätze hat er aber nicht in gleicher Weise ausgeschlossen. Auch Werbeanlagen - sogar gewerbliche Werbeanlagen - hat er, wie aus § 15 des Bebauungsplans - Wohngebiet - zu ersehen ist, für das Wohngebiet „Kirchfeld“ durchaus in den Blick genommen, hinsichtlich des Gewerbegebiets „Kirchfeld“ aber nicht für regelungsbedürftig gehalten. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls in Bezug auf Werbeanlagen der hier vorliegenden Art keine „andere Festsetzung“ i.S.v. § 23 Abs. 5 BauNVO vorliegt, zumal eine solche Einschränkung der Zulassungsmöglichkeit eine ausdrückliche Bezeichnung der unzulässigen Anlage erforderte (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 23 Rdnr. 22), an der es in Bezug auf Werbeanlagen fehlt.
45 
Fällt die Werbeanlage damit in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962, so hatte die Beklagte über dessen Zulassung auf der nichtüberbaubaren Grundstücksfläche nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist insbesondere unter Berücksichtigung der in § 15 BauNVO genannten Kriterien zu prüfen (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 23 Rdnr. 19). Ermessensfehler liegen nicht vor.
46 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass in der näheren Umgebung des Plangebiets noch weitere bauliche Anlagen auf nichtüberbaubaren Flächen vorhanden seien, weshalb das Ermessen „deutlich reduziert“ sei. Die Klägerin hat das Vorhandensein der genannten baulichen Anlagen im nichtüberbaubaren Bereich nicht bestritten, hält diese aber nicht für vergleichbar. Soweit sie darauf abhebt, dass es bei der Werbeanlage der Beigeladenen um eine Anlage der gewerblichen Fremdwerbung gehe, welche im Vergleich zu gewerblichen Werbeanlagen an der Stätte der Leistung weniger schutzwürdig sei, ist ihr schon entgegen zu halten, dass im Plangebiet ausweislich der vom Senat vor Ort getroffenen Feststellungen bereits weitere Anlagen der Fremdwerbung vorhanden sind. Hierauf kommt es aber gar nicht entscheidend an. Denn selbst wenn keine solchen Anlagen vorhanden wären, begegnete die im Rahmen des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO getroffene Entscheidung der Beklagten, erstmals auch Fremdwerbungsanlagen zuzulassen, keinen Bedenken. Auch diese sind im Gewerbegebiet typischerweise zulässig und beeinträchtigen das Planungsziel der offenen Bauweise, das mit der Festsetzung einer Baugrenze gesichert werden soll (s.o.), zumindest nicht stärker als Eigenwerbeanlagen. Soweit die Klägerin vorträgt, die auf dem Tankstellengrundstück vorhandenen Anlagen seien bereits vor der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ an dieser Stelle vorhanden und genehmigt gewesen, mag dies so sein. Zugleich wird hieraus aber deutlich, dass das mit der Festsetzung nichtüberbaubarer Flächen an sich verfolgte „Freihalteziel“ im Gewerbegebiet von Anfang an als nicht berührt angesehen wurde durch das Vorhandensein oder die Zulassung solcher baulichen Anlagen, die nicht Garagen und Gebäude sind.
47 
In die Ermessenüberlegungen der Beklagten ist auch eingeflossen, dass die in Rede stehende Werbeanlage Belange der Klägerin nicht unzumutbar (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) beeinträchtigt. Bereits die Beklagte hat die konkrete Situation vor Ort einschließlich der Situation auf dem Tankstellengrundstück in den Blick genommen, wie die Ausführungen in der Baugenehmigung zeigen. Gleiches gilt für die Widerspruchsbehörde, die auf S. 4 ihres Bescheides zu dem Ergebnis gekommen ist, eine „übermäßige Sichtbehinderung der Tankstelle“ liege nicht vor. Diese Einschätzung teilt auch der Senat aufgrund der Ergebnisse des Augenscheinstermins vom 26.01.2012. Nach dem Eindruck vor Ort kann keine Rede davon sein, dass die Werbeanlage Autofahrern den Blick auf die Tankstelle nehmen würde. Von Süden her ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil die Werbeanlage „hinter“ der Tankstelle liegt und Autofahrer sowohl die Tankstellenüberdachung als auch entsprechende Werbe- und Preisschilder in vollem Umfang erkennen können. Der Blick wird auch durch den relativ schnellen Wechselrhythmus auf der Werbefläche nicht abgelenkt. Von Norden her, also in Richtung Ortsmitte ... fahrende Autofahrer können schon früh – etwa 50 m vor der Tankstelle - das tankstellentypische Preisschild mit den Benzin- bzw. Dieselpreisen erkennen, welches ganz nach links an den Straßenrand gerückt ist und durch die Werbeanlage nicht verdeckt wird. Diese Feststellung hat der Senat von der (rechten) Fahrbahn aus getroffen. Noch nicht erkennbar ist in dieser Entfernung zwar die Tankstellenüberdachung – mit dem kennzeichnenden Schriftzug als freie Tankstelle -, mit jeder weiteren Annäherung wird der Blick auf diese Überdachung aber umso besser eröffnet. In einer Entfernung von etwa 20 Metern ist – im Luftraum „unter“ der streitgegenständlichen Werbefläche – der tankstellentypische Hinweis auf „Luft - Wasser“ zu erkennen, auch ist etwa die Hälfte der Tankstellenüberdachung zu sehen. Da das tankstellentypische Preisschild, auf welches nicht ortskundige Autofahrer auf der Suche nach einer Tankstelle regelmäßig fixiert sein werden, aber auch in dieser Entfernung uneingeschränkt zu sehen ist, erscheint ausgeschlossen, dass Autofahrer infolge des Standorts der Werbeanlage bzw. infolge der ablenkenden Wirkung der Wechselwerbung an der Tankstelle vorbeifahren.
48 
cc) Die an ihrem konkreten Standort genehmigte Werbeanlage verstößt ferner nicht gegen § 5 des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ - Gewerbegebiet -, wonach „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“ darf. Mit dieser Regelung nimmt der Bebauungsplan erkennbar Bezug auf § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, wonach in der offenen Bauweise - welche durch § 4 des Bebauungsplans für das Gewerbegebiet angeordnet ist - die „Gebäude mit seitlichem Grenzabstand (Bauwich) als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder als Hausgruppen mit einer Länge von höchstens 50 m errichtet werden“. Da § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 schon nach seinem Wortlaut nur Gebäude(typen), nicht aber sonstige bauliche Anlagen erfasst (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 22 Rdnr. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.06.1996 - 5 S 2572/95 -; BauR 1997, 274, juris Rdnr. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.07.1982 - 7 A 2798/80 -, BRS 39 Nr. 111 jeweils zu vergleichbaren späteren Fassungen von § 22 Abs. 2 BauNVO 1962), findet die Vorschrift auf die hier in Rede stehende Werbeanlage keine Anwendung. Unabhängig davon könnte § 5 des Bebauungsplans jedenfalls keine verbindliche, von den landesrechtlichen Vorschriften der LBO abweichende Abstandsflächenregelung entnommen werden. Denn § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 ermächtigte die Gemeinden lediglich dazu, im Bebauungsplan offene oder geschlossene Bauweise festzusetzen, wobei § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 klarstellt, dass für die offene Bauweise der seitliche Grenzabstand das wesentliche Merkmal darstellt. Wurde die offene Bauweise - wie hier - durch Bebauungsplan festgesetzt, so ergaben sich die seitlichen Grenzabstände aus dem Bauordnungsrecht (BVerwG, Beschl. v. 12.05.1995 - 4 NB 5.95 -, BRS 57 Nr. 7, juris Rdnr. 6; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 25.06.1996 a.a.O.; auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.1993 - 3 S 1779/93 -, juris Rdnr. 7). Dass die hier in Rede stehende Werbeanlage nach den Vorschriften der LBO einen seitlichen Grenzabstand nicht einhalten muss, wurde bereits ausgeführt.
49 
dd) Schließlich ist nach den Ausführungen unter bb) auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.
51 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
52 
Beschluss
53 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in der notwendigen Weise begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO, § 124a Abs. 3 Sätze 4 und 5 VwGO). Sie hat aber keinen Erfolg.
22 
1. Die auf Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung gerichtete Nachbarklage ist zulässig, insbesondere steht der Klägern als unmittelbarer Grundstücksnachbarin die erforderliche Klagebefugnis zur Seite. Denn sie macht u.a. geltend, die unmittelbar an der Grenze zu ihrem Grundstück verwirklichte Werbeanlage verstoße, da dieses Vorhaben abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert sei, gegen nachbarschützende Vorschriften zur Abstandsflächentiefe. Aber auch der weitere Vortrag der Klägerin, die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ zu Baugrenzen und zum Bauwich seien nach der Vorstellung des seinerzeitigen Satzungsgebers zum Schutz der Grundstücksnachbarn und damit auch zu ihrem Schutz ergangen, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auch insoweit ist es daher möglich, dass die angefochtene Baugenehmigung subjektive Rechtspositionen der Klägerin verletzt. Ihr kann auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht abgesprochen werden.
23 
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die der Beigeladenen mit Bescheiden vom 15.07.2008 und 25.03.2010 erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die jedenfalls auch dem Schutz der Klägerin dienen.
24 
a) Die Zulassung der Werbeanlage an dem konkreten Standort verletzt keine nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier - da es sich um eine Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine dem Bauherrn bereits erteilte Baugenehmigung handelt - der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Baugenehmigung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, denn bereits die erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Bauherrn eine Rechtsposition, die sich, wenn ein Nachbar die Genehmigung anficht, gegenüber während des Rechtsmittelverfahrens eintretenden Änderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen kann (BVerwG, Beschl. v. 08.11.2010 - 4 B 43.10 -, ZfBR 2011, 53). Spätere Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen, wirken sich aber regelmäßig nicht aus, wenn ihm eine Baugenehmigung bereits rechtmäßig erteilt wurde.
25 
Unter Zugrundelegung dessen ist die Rechtmäßigkeit des Vorhabens hier nach den Vorschriften der Landesbauordnung vom 08.08.1995 in der bis zum 28.02.2010 geltenden alten Fassung (im Folgenden LBO a.F.) zu beurteilen. Denn diese Fassung fand im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung - - im Juli 2009 - noch Anwendung.
26 
aa) Es kann offen bleiben, ob die Werbeanlage gegen das Verunstaltungsverbot des § 11 LBO a.F. verstößt. Denn Gestaltungsvorschriften sind ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Sie sind nicht dazu bestimmt, auch den Individualinteressen des Einzelnen zu dienen. § 11 LBO ist daher nicht nachbarschützend (Sauter, LBO, § 11 Rdnr. 9; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6. Aufl. § 11 Rdnr 28; zu den Vorgängervorschriften schon VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.12.1999 - 3 S 2737/97 -, juris Rdnr. 31 mw.N.). Mit Blick darauf könnte die Klägerin jedenfalls nicht verlangen, dass die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen § 11 LBO - unterstellt, er läge vor - aufgehoben wird.
27 
bb) Der Zulassung der Werbeanlage an ihrem konkreten Standort stehen auch keine Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach der LBO a.F. entgegen. Zwar handelt es sich bei der Werbeanlage zweifellos um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 LBO a.F., sie braucht jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 LBO a.F. selbst keine Abstandsfläche zum Nachbargrundstück hin einzuhalten.
28 
Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die kein Gebäude ist (vgl. § 2 Abs. 2 LBO a.F.). Die bauliche Anlage ist zwar unstreitig höher als 2,5 m, ihre Wandfläche beträgt aber nicht mehr als 25 qm. Nach der von der Beigeladenen vorgelegten Produktbeschreibung ist die Werbefläche selbst höchstens 3806 X 2846 mm, also 10,83 qm groß. Hinzu kommt der Monofuß mit den (Höchst-)Maßen 586 X 2698 mm (1,58 qm). Eine Wandfläche von 25 qm wird damit bei weitem nicht erreicht. Dieses Wandmaß bliebe selbst dann unterschritten, wenn man – entsprechend dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – noch den „Luftraum“ unter der Werbefläche bis zum Erdboden hinzurechnete. Dies hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt und wurde von der Klägerin danach auch nicht mehr bestritten.
29 
Die Regelung des § 5 Abs. 9 LBO a.F. findet aber nur Anwendung, wenn beide Maße überschritten sind, m.a.W. braucht eine bauliche Anlage, welche - wie hier - nur eines dieser Maße überschreitet, keine eigene Abstandsfläche einzuhalten (vgl. Urt. v. 18.07.1984 - 3 S 976/84 -, BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 -, VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris, Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585)
30 
An dieser Rechtslage hat sich im Übrigen – entgegen der dezidiert geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin – durch die seit dem 01.03.2010 geltende abstandsflächenrechtliche Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO neuer Fassung (im folgenden: LBO) nichts geändert. Vielmehr ist die Werbeanlage auch nach dieser Vorschrift abstandsflächenrechtlich privilegiert. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Werbeanlage ohne eigene Abstandsflächen lägen nicht mehr vor, weil seit der Neufassung der Vorschrift durch Gesetz vom 10.11.2009 „eine Genehmigung nicht mehr in Betracht komme, wenn die Anlage entweder höher als 2,5 m ist oder die Anlage eine größere Wandfläche als 25 qm hat“. Damit gibt sie den Wortlaut der Vorschrift sinnverdreht wieder. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO ist entgegen ihrem Vortrag gerade nicht in der Weise negativ formuliert, dass bauliche Anlagenunzulässig sind, wenn eines der in der Vorschrift genannten Maße überschritten wird, sondern umgekehrt in der Weise positiv, dass bauliche Anlagen (in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen sowie ohne eigene Abstandsflächen) zulässig sind, soweit eines der in der Vorschrift genannten Maße nicht überschritten wird. Bereits der Gesetzeswortlaut („oder“) legt bei dieser Formulierung nahe, dass die Erfüllung schon eines der beiden Maße ausreicht, um die abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer baulichen Anlage auszulösen. Umgekehrt bedeutet dies, dass nur die kumulative Überschreitung beider Gebäudemaße zur Unzulässigkeit einer baulichen Anlage i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO führt. So wird die neugefasste Vorschrift auch in der Kommentarliteratur verstanden (Sauter, LBO, 3. Aufl. § 6 Rdnr. 26; Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 6.Aufl. 2011 § 6 Rdnr. 32).
31 
Dieses schon nach dem Wortlaut naheliegende Verständnis der Vorschrift wird durch einen Blick auf die im Gesetzgebungsverfahren eindeutig zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers bestätigt.
32 
Mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO wurden die bis zum 28.02.2010 geltenden Vorschriften des § 5 Abs. 9 LBO a.F. und des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. in einer Regelung zusammengefasst (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19.08.2009, LT-Drs. 14/5013, S. 39). § 5 Abs. 9 LBO a.F. bestimmte, dass die - für Gebäude geltenden - Abstandsflächenvorschriften des § 5 Abs. 1 bis 8 LBO a.F. entsprechend für bauliche Anlagen gelten, die keine Gebäude sind, wenn die baulichen Anlagen höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche mehr als 25 qm beträgt. Nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. waren „in den Abstandsflächen bauliche Anlagen zulässig, die keine Gebäude sind, wenn sie in den Abstandsflächen nicht höher als 2,5 m sind und ihre Wandfläche nicht mehr als 25 qm beträgt. Hinsichtlich beider Vorgängervorschriften - bzw. deren Vorgängervorschriften in noch früheren Fassungen der Landesbauordnung - war in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aber anerkannt, dass bereits die Erfüllung eines der beiden genannten Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W. erst deren kumulative Überschreitung zu einer Unzulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt (zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. Beschl. v. 21.06.1993 - 5 S 874/93 -, BRS 55 Nr. 162, juris; Urt. v. 14.08.1997 - 5 S 1252/96 -, BauR 1998, 517; Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 -, BauR 2008, 1585, ebenso zu § 5 Abs. 9 LBO a.F. Urt. v. 18.07.1984 - BWVPr. 1984, 257; Urt. v. 08.05.1985 - 3 S 63/85 - , VBlBW 1986, 23; Urt. v. 01.06.1994 - 3 S 2617/92 -, VGHBW-Ls 1994, Beilage 8, B8, juris). Diese Interpretation war mit dem Wortlaut der Vorgängervorschriften nicht auf den ersten Blick in Einklang zu bringen, denn die „und“-Verknüpfung konnte auch dahin verstanden werden, dass erst eine kumulative Einhaltung beider Maße die abstandsflächenrechtliche Privilegierung auslöst, m.a.W zur Zulässigkeit der betreffenden baulichen Anlage führt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 13.03.2008 - 8 S 15/07 - aber herausgestellt, dass es sich bei dem Bindewort „und“ um eine relativ schwache und sprachlich mehrdeutige konjunktive Verbindung handele. Der Wortlaut lasse die vom Gesetzgeber intendierte und von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung - Zulässigkeit des Vorhabens bereits bei Einhaltung eines der genannten Maße, umgekehrt gesprochen: Unzulässigkeit des Vorhabens erst bei kumulativer Überschreitung beider Maße - daher durchaus zu.
33 
Dem Landesgesetzgeber waren die aufgezeigten Verständnis- und Auslegungsschwierigkeiten bei der Neuformulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO bekannt. Ausweislich der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu dieser Vorschrift (LT-Drs. 14/5013, S. 39) soll sich an dem von der Rechtsprechung konkretisierten Verständnis der Vorgängervorschriften durch die Neufassung nichts ändern. Vielmehr wollte der Gesetzgeber die von ihm als „unklar“ bezeichnete bisherige Regelung deutlicher fassen. Zur Auslegung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO genannten Voraussetzungen und zur Regelungsabsicht heißt es in der Gesetzesbegründung unzweideutig:
34 
„Zukünftig gilt hier, dass alle sonstigen baulichen Anlagen dann eigene Abstandsvorschriften besitzen und in Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen unzulässig sind, wenn sie beide in Nummer 3 aufgeführten Grenzwerte überschreiten“.
35 
Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Umformulierungen im Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO („soweit“ anstatt bisher „wenn“, „oder“ anstatt bisher „und“) bewusst gewählt hat, um das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schon bisher entwickelte Verständnis der Vorgängervorschriften im Wortlaut des neugefassten § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO klar zu verankern. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist dies auch gelungen.
36 
Dementsprechend ist die hier in Rede stehende Werbeanlage sowohl nach § 5 Abs. 9 LBO a.F. als auch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO abstandsflächenrechtlich privilegiert und ohne eigene Abstandsfläche zum Grundstück der Klägerin hin zulässig.
37 
cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Werbeanlage trotz ihrer abstandsflächenrechtlichen Privilegierung in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegenüber der Klägerin rücksichtslos - oder gar schikanös - sein könnte, bestehen nicht. Bei der Errichtung einer privilegierten baulichen Anlage muss der Bauherr nicht den Standort wählen, der für den Nachbarn die geringsten Beeinträchtigungen mit sich bringt. Es genügt, wenn er die bauordnungsrechtlichen Vorschriften einhält (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.03.1989 - 5 S 46/89 -, NVwZ-RR 1989, 530, juris).
38 
b) Die an ihrem konkreten Standort unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zugelassene Werbeanlage verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
39 
aa) Der Standort der Werbeanlage liegt in einem durch Bebauungsplan Nr. 467 „Kirchfeld“ der Beklagten ausgewiesenen Gewerbegebiet. Gem. § 8 Abs. 1 BauNVO in der für den beschlossenen Bebauungsplan maßgeblichen Fassung 1962 (auf die in § 3 des Bebauungsplans auch verwiesen wird, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.) dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung nicht erheblich belästigender Gewerbebetriebe (Abs. 1) und sind „Gewerbebetriebe aller Art“ zulässig (Abs. 2 Nr. 1). Zwar verwendet die BauNVO 1962 (nur) den Begriff des Gewerbebetriebs und ist eine Anlage der Außenwerbung - worauf die Klägerin im Berufungsverfahren hinweist - im engeren Begriffsverständnis kein „Betrieb“. Mit dem Begriff des „Betriebs“ beschreibt die BauNVO jedoch nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen, um diese Nutzung von anderen Nutzungsarten sinnvoll abgrenzen zu können (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 4 Rdnr. 9.31). Eine Außenwerbeanlage, die der Fremdwerbung dient, stellt daher bauplanerisch eine eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008 - 8 S 15/07 - , BauR 2008, 1585, juris Rdnr. 18 m.w.N.), welche im Gewerbegebiet typischerweise zulässig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehende Werbeanlage sich nicht im Rahmen dieser Typisierung bewegte - insbesondere weil sie als „erheblich belästigender Gewerbebetrieb“ i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO 1962 anzusehen sein könnte - bestehen nicht. Die Werbeanlage ist an dem konkreten Standort daher ihrer Art nach zulässig.
40 
bb) Der Bebauungsplan Nr.467 „Kirchfeld“ (vgl. dessen § 2 - Gewerbegebiet - i.V.m. dem Fluchtlinienplan vom 07.03.1961) setzt bezüglich des Baugrundstücks eine - gesehen vom ...ring aus - „hintere Bauflucht“ fest.
41 
(1) Diese Bauflucht ist, wie sich aus dem Klammerzusatz („Baugrenze“) ergibt, als Baugrenze und damit als Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche i.S.v. § 23 Abs. 1, 3 BauNVO 1962 zu verstehen. Nach dieser Vorschrift dürfen „Gebäude und Gebäudeteile“ die Baugrenze nicht überschreiten. Auch wenn eine Werbeanlage weder als „Gebäude“ noch als „Gebäudeteil“ i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO 1962 angesehen werden kann, wird sie doch von der Vorschrift erfasst. Denn diese zielt darauf ab, die von der Gemeinde gewünschte offene Bauweise dadurch zu unterstreichen, dass nichtüberbaubare Grundstücksflächen ausgewiesen werden. Dieses Ziel würde unterlaufen, wenn andere bauliche Anlagen - insbesondere Werbeanlagen - als Hauptnutzung „vor der Baugrenze“ ohne weiteres zulässig wären (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001 - 4 C 1.01 -, BauR 2001, 1698, juris Rdnr. 13ff). Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber der BauNVO im Jahre 1962 aufgrund der damaligen Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) BauGB keine Veranlassung hatte, zwischen Gebäuden und anderen baulichen Anlagen zu differenzieren. Er hat sich vielmehr auf den „typischen“ Fall einer Bebauung mit „Gebäuden“ beschränkt, ohne diesem Tatbestandsmerkmal konstitutive Bedeutung zuzumessen (BVerwG, Urt. v. 07.06.2001, a.a.O., Rdnr. 14/15). Der konkrete Standort der genehmigten Werbeanlage befindet sich mithin auf einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche des Flst. Nr. 981/1 und verstößt damit grundsätzlich gegen Festsetzungen des Bebauungsplans.
42 
Die Klägerin kann indes aus diesem Grund die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung nicht verlangen. Denn die Festsetzung der hinteren Baugrenze auf dem Flst. Nr. 981/1 ist nicht zu ihren Gunsten nachbarschützend. Regelmäßig kommt hinteren Baugrenzen Nachbarschutz nur zugunsten solcher Nachbargrundstücke zu, die der Baugrenze gegenüberliegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.02.1999 - 5 S 2507/96-, BRS 62, 445; Beschl. v. 14.06.2007 - 8 S 967/97 -, VBlBW 2007, 387). Das Grundstück der Klägerin liegt dem Baugrundstück nicht in diesem Sinne gegenüber. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich weder aus der Zusammenschau der Festsetzungen des Bebauungsplans noch aus dessen Begründung noch aus den Planakten irgendein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass und inwiefern die Festsetzung der „hinteren Baugrenze“ gerade die Interessen des Eigentümers des Tankstellengrundstücks schützen sollte.
43 
(2) Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Genehmigung der Werbeanlage auch objektiv rechtmäßig ist. Sie konnte hier nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 zugelassen werden. Die angefochtene Baugenehmigung stützt sich hierauf ausdrücklich. Die erste Tatbestandsvoraussetzung für eine Zulassung nach dieser Vorschrift liegt ohne weiteres vor: Bei der Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage, die nach Landesrecht in den Abstandsflächen anderer baulicher Anlagen zulässig ist (§ 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO a.F. und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBO; die Verweisung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962 auf das jeweilige Landesrecht ist als dynamische Verweisung zu verstehen, VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.2008, a.a.O.).
44 
Der Bebauungsplan enthält auch keine „andere Festsetzung“, welche die Zulassung einer Werbeanlage außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen hier ausschlösse. Nach § 6 Abs. 2 des Bebauungsplans - Gewerbegebiet - dürfen außerhalb der durch Baulinie und Baugrenze festgesetzten überbau-baren Grundstücksflächen weder Garagen noch Nebengebäude errichtet werden. Man könnte aus dieser Festsetzung zwar auf den ersten Blick schließen, dass damit - entsprechend der unter (1) aufgezeigten Argumentation zu § 23 Abs. 3 BauNVO - sämtliche baulichen Anlagen einschließlich Werbeanlagen ausgeschlossen sein sollten. Diese Auslegung würde dem Sinn der Regelung aber nicht gerecht. Der Plangeber hat für das Baugebiet offene Bauweise (§ 4) festgesetzt und verfolgt mit der Festsetzung einer „hinteren Baugrenze“ auf dem Baugrundstück offensichtlich das Ziel, straßennahe Flächen zur... Straße von einer Bebauung freizuhalten. Dabei hat er in § 6 Abs. 2 der Festsetzungen zum Gewerbegebiet aber eine differenzierende Regelung dazu getroffen, welche baulichen Anlagen den Planungszielen von vornherein widersprechen und deshalb außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche gänzlich unterbleiben müssen. Dementsprechend dürfen Garagen und Nebengebäude dort nicht errichtet werden; die in § 6 ebenfalls erwähnten Einstellplätze hat er aber nicht in gleicher Weise ausgeschlossen. Auch Werbeanlagen - sogar gewerbliche Werbeanlagen - hat er, wie aus § 15 des Bebauungsplans - Wohngebiet - zu ersehen ist, für das Wohngebiet „Kirchfeld“ durchaus in den Blick genommen, hinsichtlich des Gewerbegebiets „Kirchfeld“ aber nicht für regelungsbedürftig gehalten. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls in Bezug auf Werbeanlagen der hier vorliegenden Art keine „andere Festsetzung“ i.S.v. § 23 Abs. 5 BauNVO vorliegt, zumal eine solche Einschränkung der Zulassungsmöglichkeit eine ausdrückliche Bezeichnung der unzulässigen Anlage erforderte (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. § 23 Rdnr. 22), an der es in Bezug auf Werbeanlagen fehlt.
45 
Fällt die Werbeanlage damit in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO 1962, so hatte die Beklagte über dessen Zulassung auf der nichtüberbaubaren Grundstücksfläche nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist insbesondere unter Berücksichtigung der in § 15 BauNVO genannten Kriterien zu prüfen (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 23 Rdnr. 19). Ermessensfehler liegen nicht vor.
46 
Die Beklagte hat ihre Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass in der näheren Umgebung des Plangebiets noch weitere bauliche Anlagen auf nichtüberbaubaren Flächen vorhanden seien, weshalb das Ermessen „deutlich reduziert“ sei. Die Klägerin hat das Vorhandensein der genannten baulichen Anlagen im nichtüberbaubaren Bereich nicht bestritten, hält diese aber nicht für vergleichbar. Soweit sie darauf abhebt, dass es bei der Werbeanlage der Beigeladenen um eine Anlage der gewerblichen Fremdwerbung gehe, welche im Vergleich zu gewerblichen Werbeanlagen an der Stätte der Leistung weniger schutzwürdig sei, ist ihr schon entgegen zu halten, dass im Plangebiet ausweislich der vom Senat vor Ort getroffenen Feststellungen bereits weitere Anlagen der Fremdwerbung vorhanden sind. Hierauf kommt es aber gar nicht entscheidend an. Denn selbst wenn keine solchen Anlagen vorhanden wären, begegnete die im Rahmen des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO getroffene Entscheidung der Beklagten, erstmals auch Fremdwerbungsanlagen zuzulassen, keinen Bedenken. Auch diese sind im Gewerbegebiet typischerweise zulässig und beeinträchtigen das Planungsziel der offenen Bauweise, das mit der Festsetzung einer Baugrenze gesichert werden soll (s.o.), zumindest nicht stärker als Eigenwerbeanlagen. Soweit die Klägerin vorträgt, die auf dem Tankstellengrundstück vorhandenen Anlagen seien bereits vor der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ an dieser Stelle vorhanden und genehmigt gewesen, mag dies so sein. Zugleich wird hieraus aber deutlich, dass das mit der Festsetzung nichtüberbaubarer Flächen an sich verfolgte „Freihalteziel“ im Gewerbegebiet von Anfang an als nicht berührt angesehen wurde durch das Vorhandensein oder die Zulassung solcher baulichen Anlagen, die nicht Garagen und Gebäude sind.
47 
In die Ermessenüberlegungen der Beklagten ist auch eingeflossen, dass die in Rede stehende Werbeanlage Belange der Klägerin nicht unzumutbar (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) beeinträchtigt. Bereits die Beklagte hat die konkrete Situation vor Ort einschließlich der Situation auf dem Tankstellengrundstück in den Blick genommen, wie die Ausführungen in der Baugenehmigung zeigen. Gleiches gilt für die Widerspruchsbehörde, die auf S. 4 ihres Bescheides zu dem Ergebnis gekommen ist, eine „übermäßige Sichtbehinderung der Tankstelle“ liege nicht vor. Diese Einschätzung teilt auch der Senat aufgrund der Ergebnisse des Augenscheinstermins vom 26.01.2012. Nach dem Eindruck vor Ort kann keine Rede davon sein, dass die Werbeanlage Autofahrern den Blick auf die Tankstelle nehmen würde. Von Süden her ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil die Werbeanlage „hinter“ der Tankstelle liegt und Autofahrer sowohl die Tankstellenüberdachung als auch entsprechende Werbe- und Preisschilder in vollem Umfang erkennen können. Der Blick wird auch durch den relativ schnellen Wechselrhythmus auf der Werbefläche nicht abgelenkt. Von Norden her, also in Richtung Ortsmitte ... fahrende Autofahrer können schon früh – etwa 50 m vor der Tankstelle - das tankstellentypische Preisschild mit den Benzin- bzw. Dieselpreisen erkennen, welches ganz nach links an den Straßenrand gerückt ist und durch die Werbeanlage nicht verdeckt wird. Diese Feststellung hat der Senat von der (rechten) Fahrbahn aus getroffen. Noch nicht erkennbar ist in dieser Entfernung zwar die Tankstellenüberdachung – mit dem kennzeichnenden Schriftzug als freie Tankstelle -, mit jeder weiteren Annäherung wird der Blick auf diese Überdachung aber umso besser eröffnet. In einer Entfernung von etwa 20 Metern ist – im Luftraum „unter“ der streitgegenständlichen Werbefläche – der tankstellentypische Hinweis auf „Luft - Wasser“ zu erkennen, auch ist etwa die Hälfte der Tankstellenüberdachung zu sehen. Da das tankstellentypische Preisschild, auf welches nicht ortskundige Autofahrer auf der Suche nach einer Tankstelle regelmäßig fixiert sein werden, aber auch in dieser Entfernung uneingeschränkt zu sehen ist, erscheint ausgeschlossen, dass Autofahrer infolge des Standorts der Werbeanlage bzw. infolge der ablenkenden Wirkung der Wechselwerbung an der Tankstelle vorbeifahren.
48 
cc) Die an ihrem konkreten Standort genehmigte Werbeanlage verstößt ferner nicht gegen § 5 des Bebauungsplans Nr. 467 „Kirchfeld“ - Gewerbegebiet -, wonach „der Bauwich 3,00 m nicht unterschreiten“ darf. Mit dieser Regelung nimmt der Bebauungsplan erkennbar Bezug auf § 22 Abs. 2 BauNVO 1962, wonach in der offenen Bauweise - welche durch § 4 des Bebauungsplans für das Gewerbegebiet angeordnet ist - die „Gebäude mit seitlichem Grenzabstand (Bauwich) als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder als Hausgruppen mit einer Länge von höchstens 50 m errichtet werden“. Da § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 schon nach seinem Wortlaut nur Gebäude(typen), nicht aber sonstige bauliche Anlagen erfasst (Fickert/Fieseler, BauNVO, § 22 Rdnr. 2; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.06.1996 - 5 S 2572/95 -; BauR 1997, 274, juris Rdnr. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.07.1982 - 7 A 2798/80 -, BRS 39 Nr. 111 jeweils zu vergleichbaren späteren Fassungen von § 22 Abs. 2 BauNVO 1962), findet die Vorschrift auf die hier in Rede stehende Werbeanlage keine Anwendung. Unabhängig davon könnte § 5 des Bebauungsplans jedenfalls keine verbindliche, von den landesrechtlichen Vorschriften der LBO abweichende Abstandsflächenregelung entnommen werden. Denn § 22 Abs. 1 BauNVO 1962 ermächtigte die Gemeinden lediglich dazu, im Bebauungsplan offene oder geschlossene Bauweise festzusetzen, wobei § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 klarstellt, dass für die offene Bauweise der seitliche Grenzabstand das wesentliche Merkmal darstellt. Wurde die offene Bauweise - wie hier - durch Bebauungsplan festgesetzt, so ergaben sich die seitlichen Grenzabstände aus dem Bauordnungsrecht (BVerwG, Beschl. v. 12.05.1995 - 4 NB 5.95 -, BRS 57 Nr. 7, juris Rdnr. 6; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 25.06.1996 a.a.O.; auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.08.1993 - 3 S 1779/93 -, juris Rdnr. 7). Dass die hier in Rede stehende Werbeanlage nach den Vorschriften der LBO einen seitlichen Grenzabstand nicht einhalten muss, wurde bereits ausgeführt.
49 
dd) Schließlich ist nach den Ausführungen unter bb) auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt.
50 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.
51 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
52 
Beschluss
53 
Der Streitwert wird gem. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2004) auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
54 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.