Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 07. Aug. 2013 - 4 LB 14/12

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2013:0807.4LB14.12.0A
bei uns veröffentlicht am07.08.2013

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 03. April 2012 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 16. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2009 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung als Erstattungspflichtiger für Sozialleistungen auf Grundlage einer ausländerrechtlichen Verpflichtungserklärung.

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Der 1965 geborene Kläger besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und ist Inhaber eines Kfz-Reparatur- und Handelsbetriebes in A-Stadt. Unter dem 13. Juli 2006 gab er bei der Ausländerbehörde des Kreises Herzogtum Lauenburg eine Verpflichtungserklärungserklärung nach § 68 AufenthG ab, in der es auszugsweise heißt:

3

„Ich (…) verpflichte mich gegenüber der Ausländerbehörde für C., Sevgi [es folgen die Personalien], Verwandtschaftsbeziehung mit dem Antragsteller: weitläufige Verwandtschaft, von Beginn der voraussichtlichen Visumsgültigkeit am … bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers / in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck, ab Tag der Einreise zwecks Familiennachzug, nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für den Lebensunterhalt und nach §§ 66 und 67 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für die Ausreise o.g. Ausländers / in zu tragen. Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden (z.B. Arztbesuche, Medikamente, Krankenhausaufenthalt). Dies gilt auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen, (z.B. Leistungen nach dem II. oder XII. Buch SGB oder dem Asylbewerberleistungsgesetz) im Gegensatz zu Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistungen beruhen. (…) Die vorliegende Verpflichtung umfasst auch die Ausreisekosten (…). Ich wurde von der Ausländerbehörde hingewiesen auf den Umfang und die Dauer der Haftung und über die Bindungswirkung dieser Verpflichtung. (…) Ich bestätige, zu der Verpflichtung aufgrund meiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein.“

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Die Ausländerbehörde bestätigte auf dem Formular der Verpflichtungserklärung, dass der Kläger seine finanzielle Leistungsfähigkeit glaubhaft gemacht habe. Auf einem weiteren gesonderten Formular gab der Kläger eine Erklärung u.a. folgenden Inhaltes ab:

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„Folgendes habe ich zur Kenntnis genommen:

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Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden (z. B. Arztbesuch, Medikamente, Krankenhausaufenthalt). Dies gilt auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen, (z. B. Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz) im Gegensatz zu Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen. (...) Die vorliegende Verpflichtung umfasst auch die Ausreisekosten des o.g. Ausländers/in (...) Ich wurde von der Ausländerbehörde hingewiesen auf:

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- den Umfang und die Dauer der Haftung und über die Bindungswirkung dieser Verpflichtung (...).

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In Kenntnis dieser Belehrung gebe ich die Verpflichtungserklärung für C., Sevgi ab. Meine Familie besteht aus 5 Personen. Davon bin ich 4 Personen zum Unterhalt verpflichtet. (...) Ich habe ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 2.600,-- EURO. (...) Beigefügt lege ich vor: 1. Einkommensnachweis“

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Bei der in der Verpflichtungserklärung aufgeführten Sevgi C. handelte es sich um die Ehefrau seines damaligen Auszubildenden. Frau C. wurde daraufhin ein vom 21. Juli 2006 bis 20. Oktober 2006 gültiges Einreisevisum zum Zweck der Familienzusammenführung erteilt. Ab dem 18. Oktober 2006 erhielt Frau C. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG.

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Ab dem 29. März 2007 wurden Frau C. von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligt. Nach Bekanntwerden der Verpflichtungserklärung des Klägers vom 13. Juli 2006 erließ die Beklagte zunächst gegenüber Frau C. einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid für den Zeitraum 19. Januar bis 30. September 2007, der jedoch mit Abhilfebescheid vom 20. Juni 2008 aufgehoben wurde, nachdem die Widerspruchsstelle darauf hingewiesen hatte, dass das Vorliegen einer ausländerrechtlichen Verpflichtungserklärung einer dritten Person keinen Leistungsausschluss nach §§ 7, 8 SGB II begründe. Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 2008 wegen einer beabsichtigten Erstattung der Kosten der an Frau C. geleisteten Sozialhilfe für den - vorliegend nicht streitgegenständlichen - Zeitraum vom 19. Januar bis 30. September 2007 an. In seiner Stellungnahme vom 05. August 2008 machte der Kläger geltend, er sei davon ausgegangen, dass sich die Kostenhaftung aus einer solchen Verpflichtungserklärung, die ihm aus Fällen von Besuchsvisen für Verwandte bekannt gewesen sei, längstens auf einen Zeitraum von drei Monaten beziehe. Er sei auf die Möglichkeit einer zeitlich unbeschränkten Kostenhaftung nicht hingewiesen worden. Die Heranziehung für einen weit nach einem Dreimonatszeitraum liegenden Zeitraum widerspreche Treu und Glauben.

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Am 26. August 2008 wurde der Ehemann von Frau C., Herr Fatih C., eingebürgert. Nachfolgend wurde die Aufenthaltserlaubnis von Frau Sevgi C. zunächst ab Februar 2009 erneut auf Grundlage von § 30 AufenthG und ab 2011 auf Grundlage von § 28 Abs. 1 AufenthG verlängert. Das Ehepaar hat zwei nach Einreise von Frau C. in der Bundesrepublik (am 23. August 2007 und am 05. Juli 2009) geborene Kinder.

12

Mit Bescheid des Beklagten vom 16. Juli 2009 (BA A Bl. 183) wurden für Frau Sevgi C. Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 01. März bis 31. Juli 2009 iHv insgesamt 1.730,23 € bewilligt (mtl. 155 € Unterkunftskosten sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes inkl. Mehrbedarfe zwischen 116,89 und 323 € mtl.). Mit Schreiben vom 28. Mai 2009 wurde der Kläger zur beabsichtigten Heranziehung zur Erstattung von an Frau C. gewährte Sozialleistungen im Zeitraum vom 01. März 2009 bis 31. Juli 2009 in Höhe von „monatlich 525,-- €“ angehört. Mit Bescheid vom 16. Juli 2009 forderte die Beklagte den Kläger für den genannten Zeitraum zur Erstattung von an Frau C. gezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 2.570,80 € auf. Den hiergegen - mit der bereits zuvor inhaltlich abgegebenen Begründung - eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02. Dezember 2009 zurück. Zur Begründung wies sie darauf hin, der Kläger unterliege nach § 68 Abs. 1 AufenthG einer Erstattungspflicht, die aus der von ihm unterzeichneten Verpflichtungserklärung keiner zeitlichen Beschränkung unterliege. Sachliche Gesichtspunkte für einen Ablauf der Verpflichtung seien ebenfalls nicht ersichtlich.

13

Zur Begründung der hiergegen am 04. Januar 2010 eingereichten Klage hat der Kläger erläutert, er sei im Jahre 2006 von seinem damaligen Auszubildenden Fatih C. um die Abgabe einer Verpflichtungserklärung gebeten worden, weil dessen Einkommen für ein Visum zur Familienzusammenführung zu gering gewesen sei und die Ehefrau ihn zumindest einmal habe besuchen wollen. Ein Zuzug der Ehefrau sei im Zeitraum der Ausbildung wirtschaftlich nicht möglich. Der Kläger sei daher davon ausgegangen, dass es um ein Besuchsvisum gehe, zumal ihm bekannt gewesen sei, dass für einen Familiennachzug ein Einkommen des Ehegatten nachgewiesen werden müsse. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass ein solcher Nachweis auch durch Bürgschaft eines Dritten erfolgen könne. Auch nach § 27 AufenthG komme es auf die Lebensunterhaltsdeckung durch den Zusammenführenden an. Der Kläger habe bei Abgabe der Verpflichtungserklärung am 13. Juli 2006 einen schon vollständig ausgefüllten Vordruck vorgefunden, der ihm wegen zuvor bereits häufiger abgegebenen Verpflichtungserklärungen für Besuchervisa wohl bekannt gewesen sei. Weitere Hinweise seien ihm bei der Ausländerbehörde nicht gegeben worden. Seine Willenserklärung habe sich lediglich auf eine übliche Verpflichtungserklärung für ein Besuchervisum gerichtet, nicht jedoch auf eine unbegrenzte Wirkungsdauer bezüglich einer Einreise zwecks Familiennachzugs. Auf eine solche besondere abweichende Verwendung sei er nicht hingewiesen worden und habe auch mit ihrer Möglichkeit nicht rechnen müssen. Eine quasi unbegrenzte Haftung des Klägers für alle Zeiten aus der abgegebenen Verpflichtungserklärung widerspreche Treu und Glauben.

14

Der Kläger hat beantragt,

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den Zahlungsbescheid der Beklagten vom 16.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie auf die Aktenvorgänge sowie auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

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Mit Urteil vom 03. April 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze der §§ 133 und 157 BGB anhand aller erkennbaren Einzelfallumstände auszulegende Verpflichtungserklärung sei hinreichend bestimmt gewesen und habe keine inhaltliche oder zeitliche Begrenzung oder Einschränkung enthalten. Angesichts des Wortlautes der Verpflichtungserklärung und der am selben Tage abgegebenen weiteren Erklärung über Inhalt der Verpflichtung und Hinweise der Ausländerbehörde bestünden keine Anhaltspunkte für die vom Kläger geltend gemachte Einschränkung.

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Mit Beschluss vom 15. August 2012 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor, eine Auslegung der Verpflichtungserklärung nach §§ 133, 157 BGB anhand des wirklichen Willens des Erklärenden und unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ergebe, dass der Kläger keine zeitlich vollkommen unbefristete Verpflichtungserklärung habe abgeben wollen, sondern nur eine Erklärung, die längstens für den Zeitraum eines üblichen Besuchervisums befristet gewesen sei. Das vom Kläger unterzeichnete Formular betreffe ausschließlich einen zeitlich begrenzten Zeitraum zu Besuchszwecken, der nicht zu einem Daueraufenthalt führen bzw. nicht in einen anderen Aufenthaltszweck überführt werden könne. Für einen nachfolgenden Ehegattenaufenthalt werde ein Visum zur Familienzusammenführung erteilt, für das der Zusammenführende die Deckung des Unterhaltsbedarfs nachweisen müsse. Die Erteilung eines zunächst befristeten und dann dauerhaften Aufenthaltstitels für einen Ehegatten, welcher zur zeitlich vollkommen unbefristeten Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Unterzeichners einer Verpflichtungserklärung führe, sei ausländerrechtlich nicht vorgesehen. Vielmehr hätte auf Grundlage der vom Kläger unterzeichneten Verpflichtungserklärung allenfalls ein Besuchervisum erteilt werden dürfen. Es könne unter Beachtung von Treu und Glauben nicht zu Lasten des Klägers gehen, wenn die Ausländerbehörde stattdessen einen Ehegattenaufenthaltstitel gewähre. Mit einer solchen Ausstellung habe auch der Kläger bei Abgabe der Verpflichtungserklärung nicht rechnen müssen.

21

Der Kläger beantragt,

22

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 03. April 2012 den Zahlungsbescheid des Beklagten vom 16. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2009 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

25

Zur Begründung bezieht sie sich auf den erstinstanzlichen Vortrag.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Bescheid vom 16. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Bescheide sind deshalb aufzuheben.

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In Höhe des Differenzbetrages zwischen dem vom Kläger verlangten Betrag iHv 2.570,80 € und den für Leistungen an Frau C. von dem Beklagten im hier streitgegenständlichen Zeitraum aufgewandten Betrag iHv lediglich 1.730,23 € scheidet ein Erstattungsanspruch des Beklagten auf Grundlage der Verpflichtungserklärung von vorneherein aus, so dass die Klage insoweit schon aus diesem Grunde Erfolg haben musste. Im Übrigen gilt Folgendes:

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Rechtsgrundlage für die Erstattung öffentlicher Mittel für den Lebensunterhalt eines Ausländers ist § 68 AufenthG. Wer sich der Ausländerbehörde gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Die Verpflichtung bedarf der Schriftform. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat (§ 68 Abs. 2 AufenthG). In der Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift zu § 68 AufenthG84 AuslG 1990) ist geklärt, dass die anspruchsberechtigte öffentliche Stelle nach der Konzeption der Haftungsnorm berechtigt ist, den hinter ihr stehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Erlass eines Leistungsbescheides geltend zu machen (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 33/97 -, DVBl. 1999, 537). Nichts anderes gilt für die Vorschrift des § 68 AufenthG (vgl. zu alledem Senatsurt. v. 10.08.2012 - 4 LB 8/12 und 4 LB 9/12).

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Bei der vom Kläger in der gebotenen Schriftform (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) abgegebenen Verpflichtungserklärung vom 13. Juli 2006 handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist wirksam abgegeben. Insbesondere steht der Wirksamkeit nicht eine offensichtliche Leistungsunfähigkeit des Klägers im Hinblick auf die Erstattung künftiger öffentlicher Leistungen zugunsten von Frau Sevgi C. entgegen. Die Behörde ist bei Abgabe der Verpflichtungserklärung verpflichtet, die Bonität des Erklärenden im Hinblick auf seine Fähigkeit zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtung zu prüfen (vgl. Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: März 2012, § 68 Rn. 15). Ob der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bereits der Wirksamkeit einer Verpflichtungserklärung, welche von einem offenkundig für keinerlei Unterhaltsleistungen gegenüber Dritten leistungsfähigen Erklärenden entgegengenommen wird, entgegenstünde (offengelassen in: BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 33/97 -, BVerwGE 108, 1, Juris Rn. 40; vgl. auch VG Freiburg, Urt. v. 19.04.2012 4 K 1626/11 -, Juris Rn. 23), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht, da der Kläger bei Abgabe der Verpflichtungserklärung unter Vorlage eines Einkommensnachweises angegeben hat, monatlich über ca. 2.600 € netto zu verfügen. Auch bei Berücksichtigung der von ihm angegebenen Unterhaltsverpflichtung gegenüber vier Personen lag eine offenkundige Leistungsunfähigkeit, die jegliche Erstattungsleistungen zugunsten des Unterhaltes eines einreisewilligen Ausländers ausschlösse, nicht vor.

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Dass die Behörde bei Abgabe der Verpflichtungserklärung durch den Kläger nicht eine volle Überprüfung von dessen Bonität vorgenommen, sondern sich ausweislich der Rückseite des Formulars anstelle eines „Nachweises“ der Bonität lediglich mit der „Glaubhaftmachung“ der Leistungsfähigkeit anhand eines vorgelegten Einkommensnachweises begnügt hat, steht der Wirksamkeit der Erklärung ebenfalls nicht entgegen, sondern ist auf der Ebene der Heranziehung des Erklärenden ggf. im Wege einer Ermessensentscheidung (s.u.) zu berücksichtigen.

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Die Verpflichtungserklärung ist nicht zurückgenommen worden, wobei offen bleiben kann, unter welchen Voraussetzungen sich der jeweilige Verpflichtete von seiner Erklärung lösen kann (offengelassen auch: BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 33/97 -, BVerwGE 108, 1, Juris Rn. 53; vgl. hierzu auch VG Regensburg, Urt. v. 13.02.2013 - RN 9 K 12.14 -, Juris Rn. 36 ff.; VG Freiburg, Urt. v. 19.04.2012 - 4 K 1626/11 -, Juris Rn. 24). Der Kläger selbst hat jedenfalls nicht geltend gemacht, rechtsgestaltende Erklärungen wie eine Rücknahme oder eine Anfechtungserklärung abgegeben zu haben. Auch das in dem Verwaltungsvorgang befindliche Schreiben gegenüber der Beklagten vom 20. Juli 2009 (Bl. 216 BA), mit dem er sich gegen eine Inanspruchnahme wendet, ist schon deshalb nicht als eine derartige Erklärung zu bewerten, weil sie nicht gegenüber der Ausländerbehörde als Empfängerin der Verpflichtungserklärung vom 13. Juli 2006, sondern gegenüber der Beklagten abgegeben worden ist und Erstattungen aus Leistungsverhältnissen anderer Behörden nicht ausschließen konnte.

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Inwieweit die Leistungen, für die der Beklagte vorliegend eine Erstattung verlangt hat, und der von ihnen betroffene Zeitraum von der Erklärung abgedeckt sind, ist eine Frage des Inhaltes der nach wie vor wirksamen Verpflichtungserklärung.

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Inhalt und Reichweite der Verpflichtungserklärung des Klägers sind durch Auslegung anhand objektiver Umstände (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Es ist durch Auslegung zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche (Gesamt-)Aufenthaltsdauer sie gelten soll. Der Geltungsdauer der dem Ausländer, für den die Verpflichtung eingegangen wurde, erteilten Aufenthaltsgenehmigung kommt in der Regel keine entscheidende Bedeutung zu. Die Unterhaltsverpflichtung endet, wenn sie nicht ausdrücklich befristet ist, nach Maßgabe der Auslegung im Einzelfall mit dem Ende des vorgesehenen Aufenthalts. Hängt die vorgesehene Aufenthaltsdauer - wie häufig - vom Aufenthaltszweck ab, kann auch der Zeitraum der Verpflichtung anhand des Aufenthaltszwecks bestimmt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.). Bei der Auslegung ist ferner zu berücksichtigen, dass die Verpflichtungserklärung auf einem Formular des Erklärungsempfängers abgegeben wurde. Grundsätzlich ist bei der Auslegung einer Willenserklärung auf den Empfängerhorizont abzustellen, doch kann es sich anders verhalten, wenn die Erklärung auf einem derartigen Formular abgegeben wird. In einem solchen Fall kommt es jedenfalls auch darauf an, wie der Erklärende die Eintragungen im Formular verstehen durfte, wobei Zweifel zu Lasten des Formularverwenders gehen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.06.2007 m.w.N., juris; BayVGH, Urt. v. 26.04.2012 - 10 B 11.2838 -, Juris; zu allem vgl. Senatsurt. v. 10.08.2012 - 4 LB 8/12 und 4 LB 9/12 -).

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Die vom Kläger 2006 abgegebene Verpflichtung bezieht sich ihrem Wortlaut nach nicht mehr auf den Zeitraum, in dem die im angefochtenen Bescheid geltend gemachten Aufwendungen entstanden sind. Die auf bundeseinheitlichem Vordruck (Bundesdruckerei Art.-Nr. 10150) abgegebene Erklärung bezeichnet den Zeitraum der Verpflichtung als „vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit am ... bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“. Beginn der Geltungsdauer der Verpflichtung sowie der Aufenthaltszweck sind in der Erklärung durch individuellen Zusatz in hervorgehobener Schriftgröße mit „ab Tag der Einreise zwecks Familiennachzug“ festgehalten.

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Für die Auffassung des Klägers, mit der Verpflichtungserklärung sei lediglich der Zeitraum der Geltungsdauer eines dreimonatigen Besuchsvisums abgedeckt worden, findet sich in der Erklärung auch aus Sicht des Verständnishorizontes des Erklärenden bei Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB allerdings kein Anhaltspunkt. Dass das Formular zuvor gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit kurzen Besuchsaufenthalten anderer Personen verwendet worden war, ist insoweit nicht maßgeblich. Ein Besuchsvisum für Frau C. stand nicht in Rede. Auch die Gültigkeitsdauer des dreimonatigen Einreisevisums von Frau C. begrenzt nicht die Wirksamkeit der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O. Rn. 34), zumal der ausdrücklich in seine Erklärung aufgenommene Aufenthaltszweck des Familiennachzuges längerfristiger Natur war und schon von daher eine Parallele zu einem vorübergehenden Besuchsaufenthalt ausschied.

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Jedoch war die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Frau C. ab dem 9. Februar 2009 nach der im August 2008 erfolgten Einbürgerung ihres Ehemannes mit einem Wechsel des Aufenthaltszwecks verbunden, der dazu führte, dass sich die Verpflichtungserklärung des Klägers nicht mehr auf den nach dieser Erteilung des Aufenthaltstitels liegenden Zeitraum bezog. Dem steht nicht entgegen, dass die Ausländerbehörde (wie sie auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt hat) trotz der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehemannes von Frau C. im Februar 2009 erneut eine - bis Februar 2011 gültige - Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG für Ehegatten eines Ausländers und erst ab 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG für Ehegatten eines Deutschen erteilt hat, da es sich insoweit um einen offensichtlichen Irrtum in der Angabe der Rechtsgrundlage handelte, der nicht zu Lasten des Klägers gehen kann. Soweit für die Beendigung des Gültigkeitszeitraumes einer Verpflichtungserklärung aufgrund des Wechsels des Aufenthaltszwecks des betreffenden Ausländers gefordert wird, dass der neue Aufenthaltszweck aufenthaltsrechtlich anerkannt worden sein muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O. Juris Rn. 34; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.03.2013 - 12 S 1188/12 -, Juris Rn. 31) und deshalb nicht allein das Hineinwachsen in eine materiell-rechtliche Anspruchsposition maßgeblich sein könne, weil dem Erfordernis eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und eines diesbezüglichen Verwaltungsverfahrens Rechnung zu tragen sei (VGH-Baden-Württemberg, a.a.O. m.w.N., entgegen Funke-Kaiser, in: GK zum AufenthG, § 68 Rn. 5, 22), so waren auch diese Voraussetzungen im Falle von Frau C. erfüllt. Der hier streitgegenständliche Leistungszeitraum liegt nach der ausländerbehördlichen Bescheidung ihres Antrages auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels, die rechtmäßig nur auf Grundlage des § 28 Abs. 1 AufenthG hätte erfolgen dürfen.

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Bei dem Familiennachzug zu Deutschen i.S.v. § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG handelt es sich um einen gegenüber dem Familiennachzug in Gestalt des Ehegattennachzuges nach § 30 AufenthG eigenständigen Aufenthaltszweck im Sinne der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung.

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Nach dem in §§ 7 und 8 AufenthG verankerten Trennungsprinzip wird ein Aufenthaltstitel nur für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt, an den das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen - etwa hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder der Verfestigung des Aufenthalts - knüpft. Ein Ausländer kann seine aufenthaltsrechtlichen Ansprüche nur aus den Rechtsgrundlagen ableiten, die der Gesetzgeber für die spezifischen, von ihm verfolgten Aufenthaltszwecke geschaffen hat. Die unterschiedlichen Arten von Aufenthaltserlaubnissen stellen daher jeweils eigenständige Regelungsgegenstände dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.03.2013 - 1 C 12/12 -, Juris Rn. 21; Urt. v. 09.06.2009 - 1 C 11/08 - BVerwGE 134, 124; Urt. v. 04.209.2007 - 1 C 43/06 -, BVerwGE 129, 226). Nach § 8 Abs. 1 AufenthG sind auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften anzuwenden wie auf die Erteilung. Richtet sich die Abgrenzung der unterschiedlichen Aufenthaltszwecke der Aufenthaltstitel maßgeblich nach ihren Rechtsfolgen (insbesondere für die Verlängerung, Aufenthaltsverfestigung, u.U. auch die Gestattung der Erwerbstätigkeit), so liegt in der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einbürgerung des Ehegatten eine relevante Zäsur, die ungeachtet des in den Überschriften zu §§ 27 bis 29 AufenthG (und vorliegend in der Verpflichtungserklärung des Klägers) verwandten Oberbegriffes „Familiennachzug“ innerhalb des 6. Abschnitts des AufenthG „Aufenthalt aus familiären Gründen“ einen Wechsel des Aufenthaltszwecks im Verhältnis der Titel nach § 30 und § 28 AufenthG begründet. Zwar ist die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft Voraussetzung für die Verlängerung beider Arten von Aufenthaltstitel. Unterschiede bestehen aber gerade hinsichtlich der für den Erklärenden einer Verpflichtung nach § 68 AufenthG bedeutsamen wirtschaftlichen Grundlagen für den Lebensunterhalt der Ehegatten. Während für die Verlängerung des Aufenthalts des Ehegatten eines Ausländers nach § 30 Abs. 1 und 3 AufenthG Ermessen hinsichtlich einer Abweichung vom der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auszuüben ist, soll die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten eines Deutschen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden. Damit kommt es nur noch in einem atypischen Ausnahmefall auf die wirtschaftliche Absicherung des ausländischen Ehegatten eines Deutschen an. Des Weiteren begründet die deutsche Staatsangehörigkeit unter dem Schutz des Art. 6 GG, Art. 8 EMRK eine entscheidende Aufenthaltsverfestigung für den ausländischen Ehegatten, da seinem Ehegatten - anders als bei Ehen zwischen ausländischen Partnern - wegen des Grundrechts aus Art. 11 GG die Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland grundsätzlich nicht zugemutet werden kann und sich das Gewicht der privaten Interessen am Ehegattennachzug zur Führung der ehelichen Gemeinschaft im Bundesgebiet deutlich erhöht (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2012 - 10 C 12/12 -, BVerwGE 144, 141 Juris Rn. 26 f. m.w.N.).

40

Für denjenigen, der eine Verpflichtungserklärung abgibt, kommt es vor allem auf die Überschaubarkeit des Umfangs und Dauer der potentiell auf ihn zukommenden finanziellen Belastungen an. In der Aufenthaltsverfestigung aufgrund einer deutschen Staatsangehörigkeit des Ehegatten des Ausländers, für dessen Lebensunterhalt die Verpflichtung abgegeben werden soll, wird regelmäßig aus Sicht des Erklärenden ein für seine Willenserklärung ganz wesentlicher Umstand liegen, weil sich durch sie der Familiennachzug von einem längerfristigen zu einem regelmäßig dauerhaften Aufenthaltszweck entwickelt. Auch aus objektiver Sicht des Erklärenden liegt daher in der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Einbürgerung des sich schon im Bundesgebiet aufhaltenden Ehegatten ein Wechsel des Aufenthaltszwecks, der die zeitliche Gültigkeit der von ihm abgegebenen Verpflichtung begrenzt. Zu berücksichtigen ist hierbei weiterhin, dass auch nach laienhafter Kenntnis eine Einbürgerung die grundsätzliche Fähigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie voraussetzt. Mit einer Fortdauer der Gültigkeit der übernommenen finanziellen Erstattungsverpflichtung für einen Familiennachzug über den Zeitpunkt der Einbürgerung des Ehegatten hinaus braucht der Erklärende nicht zu rechnen.

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Selbst wenn man in der Änderung des Aufenthaltstitels vom Ehegattennachzug zu einem Ausländer hin zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen keinen Wechsel des Aufenthaltszwecks sähe und damit die Verpflichtungserklärung Leistungen für den Lebensunterhalt von Frau C. auch noch nach Einbürgerung ihres Ehemannes umfasste, wären die ergangenen Bescheide rechtswidrig, weil es jedenfalls an einer erforderlichen Ermessensbetätigung des Beklagten über die Frage der Heranziehung des Klägers für den streitgegenständlichen Zeitraum fehlt.

42

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Senatsurt. v. 10.08.2012 - 4 LB 8/12 -), ist der Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfte. Ein Regelfall wird vorliegen, wenn der Aufenthalt des Ausländers in Deutschland allein oder überwiegend private Gründe hat und dementsprechend der Lebensunterhalt ausschließlich von privater Seite zu sichern ist. Zudem muss die Lebensunterhaltssicherung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sein und es darf nichts dafür sprechen, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden und unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung (BVerwG, Urt. v. 18.04.2013 - 10 C 10/12 -, Juris, sowie Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.). Die Besonderheiten des Einzelfalls sind bereits bei der Geltendmachung der Forderung von rechtlicher Bedeutung und kommen nicht erst im vollstreckungsrechtlichen Verfahren, sei es durch Stundung, Niederschlagung oder Erlass der Forderung, zum Tragen.

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Nach dem oben Dargelegten liegt in der zwischenzeitlichen Einbürgerung des Ehemannes von Frau Sevgi C., für welche der Kläger die Verpflichtung übernommen hatte, ein Umstand, der einen Ausnahmefall begründet, auch wenn der Aufenthalt von Frau C. weiterhin den privaten Grund der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft (wie auch der Lebensgemeinschaft mit ihren Kindern, von denen mindestens eines die deutsche Staatsangehörigkeit haben dürfte) hat. Durch die Einbürgerungsentscheidung zugunsten von Herrn C., deren genaue Rechtsgrundlagen hier dahinstehen können und aus dem Verwaltungsvorgang nicht ersichtlich sind, hat die Bundesrepublik eine entscheidende Ursache für einen dauerhaften Aufenthalt auch der vom Schutz der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK erfassten Familienmitglieder gesetzt, bei der er gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG regelmäßig auch eine positive Prognose hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung des Einbürgerungsbewerbers für sich und seine Angehörigen zu treffen hatte. Die selbständige Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG gehört zu den gesetzlichen Mindestvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das den Einbürgerungsbehörden nach § 8 Abs. 1 StAG eingeräumte Ermessen eröffnet ist; ein besonderer Härtefall i.S.v. § 8 Abs. 2 StAG, bei dem von der Voraussetzung der selbständigen Unterhaltssicherung abgesehen werden kann, muss durch atypische Einzelfallgesichtspunkte bedingt sein (std. Rspr. des BVerwG, vgl. Beschl. - 5 PKH 13/12 - v. 06.02.2013 m.w.N., Juris). Somit geböte es im vorliegenden Fall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schon aufgrund der Einbürgerung des Ehemannes von Frau C., im Einzelfall darüber zu entscheiden, inwieweit dem Kläger eine Heranziehung zur Erstattung von öffentlichen Leistungen für den Zeitraum nach der Einbürgerung überhaupt zugemutet werden kann bzw. in welchem Umfang dies der Fall ist.

44

Eine Ermessensentscheidung wäre hier darüber hinaus wegen der nur überschlägig erfolgten Prüfung der Leistungsfähigkeit des Klägers bei Abgabe seiner Verpflichtungserklärung geboten, weil die Behörde angesichts des ihr aus der zusammen mit der Verpflichtung abgegebenen ergänzenden Erklärung des Klägers bekannten Umfangs seiner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber vier weiteren Personen eine Risikoentscheidung getroffen und somit eine Mitverantwortung übernommen hat, indem sie keine eingehende und sorgfältige, sondern nur eine überschlägige Bonitätsprüfung des Erklärenden vorgenommen hat (vgl. dazu schon Senatsurt. v. 10.08.2012 - 4 LB 8/12 -). Die vom Kläger unterschriebene Bestätigung, zu der Verpflichtung aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein, ersetzt eine individuelle Bonitätsprüfung jedenfalls dann nicht, wenn die Ausländerbehörde die Geltungsdauer der Verpflichtungserklärung über den Geltungszeitraum des Einreisevisums hinaus begründen wollte. Eine solche Verpflichtung kann zu unabsehbar hohen Kostenerstattungsforderungen führen. Hat sich die Ausländerbehörde in einem solchen Falle mit einer bloßen Versicherung des Verpflichtungsgebers begnügt, bedarf es auch aus diesem Grunde gesonderter Ermessenserwägungen über die Heranziehung. Dass der Kläger hier seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht bestritten hat, macht eine Ermessensentscheidung nicht von vorneherein entbehrlich, da sich der Kläger auf Grundlage seiner Rechtsauffassung, seine Verpflichtungserklärung beziehe sich nur auf den Dreimonatszeitraum üblicher Besuchsvisa, hierzu nicht äußern musste. Hat die Ausländerbehörde zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung für einen längerfristigen Aufenthaltszweck eine volle Bonitätsprüfung unterlassen, so ist eine solche bei der Entscheidung über die Heranziehung des Erklärenden zur Erstattung öffentlicher Aufwendungen nachzuholen (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.06.2007 - 22 LC 88/06 -, Juris Rn. 12).

45

Bei der Bonitätsprüfung des Verpflichteten sind die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO zu berücksichtigen. Die Verpflichtungserklärung ist gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes vollstreckbar. Die sinngemäße Geltung der Vorschriften über den Vollstreckungsschutz nach §§ 850 ff. ZPO ergibt sich über die Verweisung des § 5 Abs. 1 VwVG auf § 319 AO (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.2013, a.a.O., Juris Rn. 33). Eine überschlägige Berechnung des pfändbaren Nettoeinkommens der Klägers zur Zeit der Abgabe der Verpflichtungserklärung anhand der Pfändungsfreibeträge des § 850c ZPO ergibt einen Betrag von monatlich lediglich ca. 125 €. Diese - anhand der Pfändungstabelle zu § 850c ZPO auch für die Ausländerbehörde rasch ermittelbare - geringe Höhe des für regelmäßige Unterhaltsleistungen für Frau C. einsetzbaren Betrages wäre bei der Frage, in welchem Umfang die Ausländerbehörde zum damaligen Zeitpunkt eine Mitverantwortung für die Unterhaltssicherung übernommen hat, im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Heranziehung des Klägers zu berücksichtigen.

46

Die gegenüber dem Kläger ergangenen Bescheide enthalten keine Ermessenserwägungen. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, aus der Verpflichtungserklärung ergebe sich keine zeitliche Beschränkung. Sachliche Gesichtspunkte für einen Ablauf der Verpflichtung seien nicht ersichtlich. Aus diesen Ausführungen lassen sich Erwägungen zur Ausübung eines Ermessens über die Heranziehung des Klägers, die sich mit dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, aber insbesondere auch mit der angemessenen Lastenverteilung angesichts der 2008 erfolgten Einbürgerung des Ehemanns von Frau C. und der dadurch bewirkten Aufenthaltsverfestigung befassen, nicht ableiten.

47

Nach alledem war die Berufung im vollen Umfang erfolgreich.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

49

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7 Leistungsberechtigte


(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 84 Wirkungen von Widerspruch und Klage


(1) Widerspruch und Klage gegen 1. die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,1a. Maßnahmen nach § 49,2. die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,2a. Auflagen zur Sicherun

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 27 Grundsatz des Familiennachzugs


(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verläng

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 30 Ehegattennachzug


(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn1.beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,2.der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und3.der Ausländera)eine Nied

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 8 Erwerbsfähigkeit


(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (2) Im Sinne von Absatz 1 kön

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 8


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 7 Aufenthaltserlaubnis


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 11


(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. (2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 68 Haftung für Lebensunterhalt


(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 8 Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis


(1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. (2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmun

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 66 Kostenschuldner; Sicherheitsleistung


(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen. (2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich geg

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 67 Umfang der Kostenhaftung


(1) Die Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung, Zurückweisung und der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung umfassen1.die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bu

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG | § 5 Anzuwendende Vollstreckungsvorschriften


(1) Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich im Falle des § 4 nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327). (2) Wird die Vollstreckung

Abgabenordnung - AO 1977 | § 319 Unpfändbarkeit von Forderungen


Beschränkungen und Verbote, die nach den §§ 850 bis 852 und 899 bis 907 der Zivilprozessordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, gelten sinngemäß.

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Tatbestand 1 Die am 4. Mai 1936 geborene Klägerin, eine russische Staatsangehörige, erstrebt die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug.

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Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 19. April 2012 - 4 K 1626/11 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Der Kläger

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 19. März 2013 - 1 C 12/12

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 04. Sept. 2012 - 10 C 12/12

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Tatbestand 1 Die Klägerin, eine 1983 geborene afghanische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug.

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Apr. 2012 - 4 K 1626/11

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Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand  1 Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme aus einer Verpflichtungserklärung.2 Der am … 1971 in Togo geborene Kläger ist
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Verwaltungsgericht Minden Urteil, 30. März 2016 - 7 K 2137/15

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Tenor Das Verfahren wird im Umfang der übereinstimmend erklärten Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eingestellt. Der Bescheid des Beklagten vom 23.07.2015 wird – soweit er noch streitgegenständlich ist - aufgehoben.               Der Bek

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(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Zeitraum nach Satz 1 beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise des Ausländers. Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

(3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verarbeiten.

(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.

(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.

(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.

(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:

1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war;
4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht;
5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
Die in Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Personen haften als Gesamtschuldner im Sinne von § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.

(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.

(1) Die Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung, Zurückweisung und der Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung umfassen

1.
die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets,
2.
die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie
3.
sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten.

(2) Die Kosten, für die der Beförderungsunternehmer nach § 66 Abs. 3 Satz 1 haftet, umfassen

1.
die in Absatz 1 Nr. 1 bezeichneten Kosten,
2.
die bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehenden Verwaltungskosten und Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers und Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und
3.
die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Kosten, soweit der Beförderungsunternehmer nicht selbst die erforderliche Begleitung des Ausländers übernimmt.

(3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Kosten werden von der nach § 71 zuständigen Behörde durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben. Hinsichtlich der Berechnung der Personalkosten gelten die allgemeinen Grundsätze zur Berechnung von Personalkosten der öffentlichen Hand.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Zeitraum nach Satz 1 beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise des Ausländers. Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

(3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verarbeiten.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Zeitraum nach Satz 1 beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise des Ausländers. Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

(3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verarbeiten.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Zeitraum nach Satz 1 beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise des Ausländers. Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

(3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verarbeiten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme aus einer Verpflichtungserklärung.
Der am … 1971 in Togo geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und arbeitet als Schweißer. Er ist der leibliche Bruder der am ... geborenen A. (künftig: Schwester). Im Rahmen des Visumverfahrens zur Erteilung eines Besuchervisums für seine in Togo lebende Mutter und seine Schwester verpflichtete sich der Kläger am 04.06.2008 gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt R. „vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit bis zur Beendigung des Aufenthalts seiner Schwester oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für den Lebensunterhalt und nach §§ 66 und 67 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für die Ausreise“ seiner Schwester zu tragen. Der Verpflichtungserklärung war eine Prüfung der Einkommensverhältnisse des Klägers anhand von Gehaltsabrechnungen vorangegangen. In der Folgezeit wurden Mutter und Schwester des Klägers je ein Besuchsvisum zum Aufenthalt in der Bundesrepublik erteilt; beide nahmen nach der Einreise ihren Aufenthalt in der Wohnung des Klägers. Die Visa von Mutter und Tochter wurden in der Folgezeit einmal verlängert. Eine weitere Verlängerung des Visums der Schwester des Klägers lehnte die Ausländerbehörde der Stadt R. - anders als hinsichtlich der Mutter des Klägers – ab.
Im März 2009 verließ die Schwester des Klägers dessen Wohnung und hielt sich andernorts in Deutschland auf. Im November 2009 beantragte sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte; die ihr ausgestellte Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung datiert vom 24.11.2009. Am 10.12.2009 beantragte die - seinerzeit hochschwange- re - Klägerin bei der Stadt ... die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Erstmals mit Bescheid vom 14.12.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin Sach- und Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Am 27.01.2010 gebar die Schwester des Klägers ihren Sohn S.. Die Vaterschaft wurde am 09.02.2010 von dem im Jahr 1954 geborenen, schwerbehinderten, einkommens- und vermögenslosen, in Erfurt wohnhaften deutschen Staatsangehörigen togoischer Herkunft, ..., anerkannt; die Vaterschaftsanerkennung wurde von den Ausländerbehörden zunächst für rechtsmissbräuchlich gehalten. Später ergab jedoch ein Abstammungsgutachten, dass ... der Vater des Kindes der Schwester des Klägers ist.
Die Schwester des Klägers war seit dem 28.10.2010 im Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung, nachdem ihr Asylantrag mit Bescheid vom 06.07.2010 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war. Am 16.06.2011 wurde ihr - auf ihren Antrag vom 10.06.2010 - eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt, nachdem das Verfahren auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zeitweise gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ausgesetzt war. Seit dem 16.06.2011 bewilligt der Beklagte der Schwester des Klägers keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr.
Bereits am 29.10.2010 hatte die Stadt R. die vom Kläger unterzeichnete Verpflichtungserklärung übersandt. Mit Schreiben vom 22.11.2010 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, für seine Schwester seien in der Zeit vom 10.12.2009 bis zum 30.11.2010 bereits 8.711,33 EUR an Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt worden. Die Hilfeleistung dauere an. Die gewährten Leistungen seien aufgrund der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung von diesem zu erstatten.
Der Kläger teilte daraufhin telefonisch mit, er habe in der Zeit, als seine Schwester und seine Mutter bei ihm gewohnt hätten, für beide gesorgt und auch eine Krankenversicherung für seine Schwester abgeschlossen. Nach der Rückkehr aus einem Kurzurlaub im April 2009 sei seine Schwester verschwunden gewesen. Er habe dies umgehend der Ausländerbehörde der Stadt R. mitgeteilt und die Krankenversicherung für seine Schwester gekündigt. Seither habe er keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Mit Schreiben vom 26.11.2010 bestätigte die Ausländerbehörde der Stadt R., der Kläger habe ihr gegenüber im März 2009 sinngemäß erklärt: „Meine Schwester ... hält sich nicht mehr bei mir auf. Der neue Aufenthaltsort ist mir nicht bekannt. Ich möchte von der Verpflichtung für meine Schwester zurücktreten.“
Mit Bescheid vom 31.03.2011 gab der Beklagte dem Kläger auf, die seiner Schwester nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Zeitraum vom 10.12.2009 bis zum 31.03.2011 gewährten Leistungen in Höhe von 9.437,08 EUR bis spätestens 30.04.2011 zu erstatten.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, seine Schwester sei damals allein aus dem Grunde zusammen mit seiner Mutter eingereist, weil sie diese habe betreuen sollen. Seine Schwester habe die Wohnung aber im März 2009 verlassen und wohne seither bei einem ihm nicht bekannten Mann. Er - der Kläger - habe seine Mutter im Dezember 2009 zurück nach Togo gebracht, nachdem ihre Betreuung in Deutschland nicht mehr sichergestellt gewesen sei. Die Betreuung der Mutter sei der einzige - auch bei der Deutschen Botschaft in Togo vorgebrachte - Aufenthaltszweck seiner Schwester gewesen. Die für seine Schwester abgegebene Verpflichtungserklärung sei bereits im März 2009 widerrufen worden. Im Übrigen sei deren Geltung auf den damaligen Aufenthaltszweck beschränkt gewesen, decke somit Zeiträume nach der Stellung des Asylantrags nicht ab.
Nachdem der Kläger mehreren Aufforderungen des Beklagten, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen, nicht nachgekommen war, wies das Landratsamt Konstanz den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011, dem Kläger zugestellt am 20.07.2011, zurück.
10 
Der Kläger hat am 22.08.2011, einem Montag, bei dem Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Er macht geltend, er habe unmittelbar nachdem seine Schwester die Wohnung verlassen habe gegenüber der Stadt R. erklärt, nun nicht mehr für deren Lebensunterhalt einstehen zu wollen. Die mit dem angefochtenen Bescheid angeforderten Kosten seien später entstanden und müssten von ihm deshalb nicht übernommen werden. Seine Schwester sei nur deshalb zusammen mit seiner Mutter als deren Betreuerin eingereist, weil seine Mutter Analphabetin sei und nur einen togoischen Dialekt spreche; zudem sei ihre Sehkraft stark eingeschränkt.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
den Bescheid des Landratsamts K. vom 31.03.2011 und dessen Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 aufzuheben.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Klage abzuweisen.
15 
Er macht geltend, es sei dem Kläger aus Rechtsgründen verwehrt, seine Verpflichtungserklärung - eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung - zu widerrufen. Er sei daher grundsätzlich an deren Inhalt festzuhalten. Die auf dem bundeseinheitlichen Formular abgegebene Erklärung, über deren Inhalt der Kläger belehrt worden sei, sei in ihrer Reichweite auch nicht durch den Asylantrag der Schwester des Klägers begrenzt, zumal dieser als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, nachdem er nur gestellt worden sei, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden. Trotz Aufforderung, seine derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen, habe es der Kläger dem Beklagten nicht ermöglicht, eine Haftungsbegrenzung anhand der derzeitigen Verhältnisse zu prüfen. Somit seien insoweit die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung zugrunde gelegt worden.
16 
Dem Gericht liegen die Leistungsakten des Beklagten vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf sie sowie auf die von den Beteiligten im Gerichtsverfahren vorgelegten Schriftsätze und Urkunden wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen haben. Denn die Ladung enthielt den Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO.
18 
Die Verwaltungsgerichte sind nach § 40 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung über Fälle der vorliegenden Art berufen, denn es handelt sich nicht um eine den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe a) SGG zugewiesene Streitigkeit in Angelegenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes, sondern um eine in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte fallende Streitigkeit nach dem Ausländer- und Aufenthaltsrecht (so zutr. BSG, Beschluss vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R -, NVwZ-RR 2011, 343).
19 
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, nachdem der letzte Tag der Frist des § 74 Abs. 1 VwGO auf einen Sonnabend gefallen und die Klage am nächsten Werktag erhoben worden ist (§§ 74 Abs. 1, 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 2 ZPO).
20 
Die Klage ist aber unbegründet, denn der Bescheid des Landratsamts K. ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Befugnis, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen (a), denn die Verpflichtungserklärung wurde wirksam abgegeben (b), ist nicht durch Widerruf erloschen (c), deckt den im Streit stehenden Zeitraum dem Grunde und der Höhe nach ab (d) und wurde ohne nach § 114 Satz 1 VwGO beachtliche Ermessensfehler erlassen (e).
21 
a) In der Rechtsprechung zu § 84 AuslG 1990 - der Vorgängervorschrift zu § 68 AufenthG - ist geklärt, dass die anspruchsberechtigte öffentliche Stelle nach der Konzeption der Haftungsnorm berechtigt ist, den hinter ihr stehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. statt vieler: BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 33.97 -, BVerwGE 108, 1 = NVwZ 1999, 779). Für die hier maßgebliche Vorschrift des § 68 AufenthG hat sich an dieser Sichtweise nichts geändert. Wer sich der Ausländerbehörde gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat der öffentlichen Stelle, die öffentliche Mittel für den Lebensunterhalt des Ausländers aufgewendet hat, diese gemäß § 68 Abs. 1 und 2 AufenthG zu erstatten. Eine derartige Verpflichtung bedarf der Schriftform und ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar (§ 68 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG). Diese Regelung setzt die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, zumal über das Ob und das Wie der Heranziehung eine Ermessensbetätigung der anspruchsberechtigten Behörde zu erfolgen hat (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Loseblattslg. [59. Lieferung März 2012], § 68 RdNr. 37; Hailbronner, Ausländerrecht, Loseblattslg. [38. Aktualisierung 2005], § 68 RdNr. 5; Stiegeler, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht [2008], § 68 RdNr. 11).
22 
b) Die Verpflichtungserklärung ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. hierzu wiederum BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 9; Zeitler, in: HTK-AuslR / § 68 AufenthG / Verpflichtungserklärung 07/2009 Nr. 1) am 04.06.2008 bei der Stadt R. wirksam abgegeben worden. Die von dem Kläger unterzeichnete Urkunde erfüllt die gesetzlich vorgesehene Schriftform (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Da die Verpflichtung gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung begründet wird, bedurfte es keiner förmlichen Annahme durch die Ausländerbehörde. Der Verpflichtungserklärung ging eine Bonitätsprüfung voraus, die die Ausländerbehörde in nicht zu beanstandender Weise anhand der Entgeltabrechnung des Klägers vorgenommen hat. Der ihm bescheinigte durchschnittliche Bruttolohn ließ erwarten, dass der Kläger die mit dem Besuch seiner Mutter und Schwester einhergehenden Kosten würde tragen können (vgl. auch zur Frage, ob pro Person der einfache oder eineinhalbfache Regelsatz als Bedarf zugrunde zu legen ist: Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 13), zumal etwaige Behandlungskosten durch eine Reisekrankenversicherung abgesichert werden sollten. Schließlich wurde der Kläger - was er in der von ihm selbst unterschriebenen Verpflichtungserklärung erklärt und seither nicht in Abrede gestellt hat - über den Umfang und die Dauer der Haftung sowie über die Bindungswirkung seiner Verpflichtung aufgeklärt (vgl. hierzu Hessischer VGH, Urteil vom 29.08.1997 - 10 UE 2030/95 -, NVwZ-RR 1998, 393; OVG Niedersachsen, Urteil vom 20.07.2005 - 7 LB 182/02 -, InfAuslR 2005, 485; Hölscheidt, DVBl. 2000, 385 [388]). Die Verpflichtungserklärung ist daher mit der Entgegennahme durch die Ausländerbehörde am 04.06.2008 wirksam geworden.
23 
Dass die Verpflichtungserklärung im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (materiell) unwirksam gewesen sein könnte (vgl. auch zum Verhältnis zu § 138 BGB: BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 24), macht der Kläger nicht geltend. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Die Zustimmung zur Einreise von Familienangehörigen zu Besuchszwecken davon abhängig zu machen, dass ihnen Obdach und Lebensunterhalt durch Private oder nichtstaatliche Stellen gewährt werden, ist von der Rechtsordnung gedeckt und beruht nicht auf einer sachwidrigen Ausnutzung staatlicher Übermacht (BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O. - zur Einreise bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge). Namentlich werden mit der Abgabe der Verpflichtungserklärung erst die rechtlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung der Auslandsvertretung geschaffen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Trägt der an einer positiven Entscheidung Interessierte nicht das in seiner Macht Stehende dazu bei, die Voraussetzungen des andernfalls nicht erfüllten Begünstigungstatbestandes zu schaffen, nötigt die Rechtslage die Behörde dazu, die Begünstigung zu versagen. Einen entsprechenden Hinweis zu geben, ist ihre Pflicht (vgl. § 25 VwVfG; § 82 Abs. 3 AufenthG) und hat mit der Ausnutzung einer Machtstellung nichts zu tun (so BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; zustimmend Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 25; enger: Kube, VBlBW 1999, 364 [368]). Dass die vom Kläger übernommene Haftung ihrem Umfang nach unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit völlig unangemessen war und er sich bei Abgabe der Erklärung in einer Art Zwangslage befunden haben könnte, macht er selbst nicht geltend. Hierfür ist auch - da das Gegenteil nachgerade feststeht - nichts ersichtlich.
24 
c) Die Verpflichtungserklärung ist schließlich nicht durch die Widerrufs- oder Rücktrittserklärung gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt R. im März 2009 (vgl. Bl. 507 d. Behördenakten) mit Wirkung für die Zukunft unwirksam geworden. Es kann dahinstehen, ob der für öffentlich-rechtliche Verträge in § 60 LVwVfG normierte Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Verpflichtungserklärungen nach § 68 AufenthG entsprechende Anwendung findet (vgl. bejahend: Einzinger, in: Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, B 100, § 84 AuslG RdNr. 75; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 32; Stiegeler, a.a.O., § 68 RdNr. 7; Hölscheidt, DVBl. 2000, 385 [389]; Zeitler, a.a.O., Nr. 3; offen: Hailbronner, a.a.O., RdNr. 23). Denn selbst wenn dies der Fall wäre, käme eine Anpassung mit Wirkung für die Zukunft nur in Betracht, wenn die Kündigung schriftlich erklärt worden wäre (§ 60 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG). Die dem Kläger am 26.11.2010 ausgestellte und von ihm am 28.11.2010 per Telefax übersandte „wunschgemäße“ Bescheinigung, er habe bereits im März 2009 gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt R. erklärt, von der Verpflichtung für seine Schwester zurücktreten zu wollen, ist keine den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG genügende Kündigung. Auch sonst ist - soweit ersichtlich - vor Ablauf des hier im Streit stehenden Zeitraums keine den Formerfordernissen des § 60 Abs. 2 LVwVfG genügende Kündigung von Seiten des Klägers ausgesprochen worden.
25 
d) Die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung deckt den mit dem angefochtenen Bescheid angeforderten Betrag auch dem Grunde und der Höhe nach ab. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Kosten für den Lebensunterhalt der Schwester des Klägers während der Geltungsdauer des (einmal verlängerten) Besuchsvisums von der Verpflichtungserklärung umfasst sind. Um sie geht es hier aber nicht. Im hier maßgeblichen Zeitraum stehen Kosten in Rede, die nach der Verteilung der Schwester des Klägers in den Landkreis K. entstanden sind, weil ihr nach der Stellung eines Asylantrags Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewilligt worden war. Während die obergerichtliche Rechtsprechung zu § 84 AuslG überwiegend die Auffassung vertreten hatte, dass sich die erklärte Verpflichtung nur auf die Geltungsdauer der erteilten Visa erstrecke, weil eine Verpflichtungserklärung nach § 84 AuslG „in unmittelbarem funktionalen Zusammenhang mit einem konkreten Verwaltungsverfahren“ stehe und in ihrer Wirkung auf dieses beschränkt sei (vgl. nur Bayerischer VGH, Urteil vom 17.07.1997 - 12 B 96.1165 -, NVwZ-RR 1998, 264), ist das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.) dem später ausdrücklich entgegen getreten und hat ausgeführt:
26 
„Die Rechtsordnung überlässt es der Entscheidung des einzelnen, ob und in welchem Umfang er für den Unterhalt eines Ausländers im Bundesgebiet aufkommen und damit die Voraussetzungen für dessen Aufenthalt schaffen will. Dementsprechend ist im Wege der Auslegung der jeweiligen Verpflichtungserklärung konkret zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche (Gesamt-) Aufenthaltsdauer sie gelten soll. Der Geltungsdauer der Aufenthaltsgenehmigungen kommt dabei grundsätzlich keine entscheidende Bedeutung zu. Dies wird besonders augenfällig, wenn eine Verpflichtungserklärung abgegeben wird, um die Einreise und einen längeren (etwa zu Ausbildungszwecken) oder sogar auf Dauer angelegten Aufenthalt des Ausländers (etwa zur Familienzusammenführung) zu ermöglichen, die Geltungsdauer des Visums aber wie üblich auf drei Monate beschränkt wird. Sinn der Verpflichtungserklärung ist es nämlich, nicht nur den Versagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG vor der Einreise zu beseitigen, sondern ebenso, die Entstehung des Ausweisungsgrundes des § 46 Nr. 6 AuslG während des gesamten sich an die Einreise anschließenden Aufenthalts auszuschließen und damit einer Belastung öffentlicher Kassen während der Anwesenheit des Ausländers vorzubeugen. Ferner kommt es auf die rechtliche Grundlage und nähere Ausgestaltung des Aufenthalts des Ausländers nicht an. Die Unterhaltsverpflichtung erstreckt sich grundsätzlich auch auf Zeiträume illegalen Aufenthalts einschließlich der Dauer einer etwaigen Abschiebung. Sie endet, wenn sie nicht ausdrücklich befristet ist, nach Maßgabe der Auslegung im Einzelfall mit dem Ende des vorgesehenen Aufenthalts oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt worden ist.“
27 
Hieran ist für unter Geltung des § 68 AufenthG abgegebene Verpflichtungserklärungen festzuhalten. Die demnach entsprechend der allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung der Verpflichtungserklärung anhand aller erkennbaren Umstände des Einzelfalls ergibt keine Beschränkung auf die Zeiten der Geltungsdauer des Besuchsvisums. Vielmehr hat der Kläger das - bundesweit einheitliche - Formular unterschrieben, wo es zur „Dauer der Verpflichtung“ heißt (Bl. 479 d.A.):
28 
„vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.“
29 
Ferner ist dort zum Umfang der Verpflichtung ausgeführt, die Verpflichtung umfasse
30 
„die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden. Dies gilt auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen (z.B. Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleitungsgesetz [Hervorhebung nur hier]), im Gegensatz zu Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen. Die Verpflichtung umfasse auch (…) die Kosten einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung z.B. Abschiebung o.g. Ausländers/in nach den §§ 66 und 67 des Aufenthaltsgesetzes (…).
31 
Gemessen an dieser Erklärung ist davon auszugehen, dass die sich an die Geltungsdauer des Besuchsvisums anschließenden Zeiten des unerlaubten Aufenthalts jedenfalls von der Verpflichtungserklärung des Klägers umfasst sind. Auch der Kläger selbst scheint hiervon ausgegangen zu sein, denn andernfalls hätte es der von ihm offenbar mündlich bei der Stadt R. ausgesprochenen „Kündigung“ der Verpflichtungserklärung gar nicht bedurft. Um die Kosten ab dem „Untertauchen“ der Schwester des Klägers bis zur Stellung des Asylantrags geht es hier indes ebenfalls nicht, denn die die hier im Streit stehenden Kosten sind solche, die nach der Asylantragstellung entstanden sind, und betreffen somit Zeiträume, in denen sich die Schwester des Klägers zunächst auf der Grundlage einer Aufenthaltsgestattung und - nach Zustellung der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet - unerlaubt und auf der Grundlage einer Duldung in Deutschland aufgehalten hat. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die Auslegung der Verpflichtungserklärung ergibt, dass die Haftung des Klägers für seine Schwester mit der Stellung eines Asylantrags geendet hat. Dies ist nach dem Dafürhalten der erkennenden Kammer nicht der Fall. Bereits die Erwähnung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Text der Verpflichtungserklärung sprechen für eine Haftung des Klägers, denn Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden - gerade auch aus der Sicht eines Laien - vor allem für Asylbewerber erbracht (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylblG). Ein Haftungsende mit Asylantragstellung ließe sich allenfalls befürworten, wenn man unter die Formulierung die Verpflichtung dauere „bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ auch die Ausstellung einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung subsumieren würde. Auch diesen Ansatz hält die erkennende Kammer jedoch nicht für zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urteil vom 27.02.2006 - 11 S 1857/06 - juris RdNr. 30) hat zu einer vergleichbaren Fallgestaltung ausgeführt, zwar habe der durch die Verpflichtungserklärung Begünstigte spätestens durch Stellung seines Asylantrags seinen ursprünglichen Aufenthaltszweck (eine durch ein Besuchervisum erlaubte Ferienreise) gewechselt. Der Erhalt einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylVfG) durch die Stellung des Asylantrages könne aber noch nicht als aufenthaltsrechtliche Anerkennung des neuen Aufenthaltszwecks im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet werden, da der Asylantrag - sogar als offensichtlich unbegründet - abgelehnt worden sei (ebenso: Bayerisches LSG, Urteil vom 12.11.2008 - L 11 B 845/08 AY -, FEVS 60, 427; VG Oldenburg, Urteil vom 13.02.2012 - 11 A 518/11 -, juris RdNr. 20; VG Hannover, Urteil vom 22.07.2011 - 3 A 6111/08 - juris RdNr. 32; VG Braunschweig, Gerichtsbescheid vom 01.06.2006 - 3 A 192/05 - juris RdNr. 16; wohl auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 20.07.2005 - 7 LB 182/02 -, InfAuslR 2005, 485; a.A. noch Bayerischer VGH, Urteil vom 03.03.1998 - 12 B 96.3002 -, juris RdNr. 26; VG Minden, Urteil vom 11.11.2002 - 11 K 1203/02 -, juris RdNr. 24; Hail-bronner, a.a.O., § 68 RdNr. 14; Funke-Kaiser, a.a.O., § 68 RdNr. 22). Diese Rechtsauffassung liegt auch dem Bundeseinheitlichen Merkblatt des Bundesministeriums des Innern zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 in Verbindung mit §§ 66 und 67 AufenthG (Fassung vom 15.12.2009) zugrunde (dort S. 9). Sie wird von der erkennenden Kammer geteilt. Hierfür dürfte schon der Hinweis auf die Erstattungspflichtigkeit von Kosten, die der Schwester des Klägers „nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ gewährt werden, sprechen. Zudem ist zur Dauer der Verpflichtungserklärung bestimmt, sie gelte „(…) bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“. Mit dem Terminus des „Aufenthaltstitels“ wird ein Rechtsbegriff in Bezug genommen, der in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abschließend definiert ist (so Wenger, in Storr/Wenger, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. [2008], § 4 RdNr. 5). Die Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG ist danach kein Aufenthaltstitel (Wenger, a.a.O.; Hoffmann, in: Hofmann/Hoffmann, a.a.O., § 4 RdNr. 19). Denn der grundlegende Entscheidungsgehalt eines Aufenthaltstitels besteht darin, dass dem Inhaber ein darin ggf. näher beschriebenes Aufenthaltsrecht zuerkannt wird (zutreffend Maor in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht [2008], § 4 RdNr. 11). Dies ist bei der in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht genannten Aufenthaltsgestattung schon deshalb nicht der Fall, weil nicht erst der Aufenthaltstitel das Aufenthaltsrecht gewährt, sondern bereits das Asylgesuch (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) das Aufenthaltsrecht auslöst. Bei einer an §§ 133, 157 BGB orientierten Auslegung der Verpflichtungserklärung lässt sich demnach nicht feststellen, dass der ihre Dauer begrenzende Tatbestand der „Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ mit der Stellung eines Asylantrags eingetreten ist. Hierfür spricht auch, dass es der von der Verpflichtungserklärung begünstigte Ausländer andernfalls in der Hand hätte, die Reichweite der Verpflichtungserklärung gleichsam auf Null zu reduzieren, indem er sogleich nach der Einreise mit einem Besuchervisum einen Asylantrag stellt. Auch die Zeiten des (nur) geduldeten Aufenthalts im Anschluss an den Ablauf der Geltungsdauer eines Visums sind im Übrigen zweifellos von der Verpflichtungserklärung umfasst (BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.). Dies und der Umstand, dass es sich bei der Aufenthaltsgestattung gleichsam um ein (verfahrensrechtliches) Aufenthaltsrecht handelt, das sich der Ausländer selbst und ohne Erfüllung eines materiell-rechtlichen aufenthaltsrechtlichen Tatbestands beschaffen kann, lassen es - neben dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung - nicht gerechtfertigt erscheinen, den Asylantrag als geltungsbegrenzenden Umstand zu verstehen.
32 
Indes hat die erkennende Kammer eine Beschränkung der Dauer der Verpflichtungserklärung erwogen, weil die Schwester des Klägers mit der Geburt ihres deutschen Sohnes am 27.01.2010 in eine unbedingte Anspruchsposition für einen Aufenthaltstitel zum Zwecke des Familiennachzugs (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG) hineingewachsen ist, zumal in den Fällen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht von der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden darf (§ 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). In Rechtsprechung und Literatur wird angenommen, dass insoweit ein unmittelbarer und immanenter Vorbehalt einer jeden Verpflichtungserklärung bestehe, der nicht erst im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln sei (VG Köln, Urteil vom 12.12.2008 - 5 K 3672/07 -, NWVBl. 2009, 282; VG Ansbach, Urteil vom 21.08.2008 - AN 5 K 08.01116 -, juris RdNr. 20; VG Hannover, Urteil vom 20.11.2001 - 3 A 3320/01 -, NVwZ-RR 2002, 443; VG Oldenburg, Urteil vom 13.02.2012 - 11 A 518/11 -, juris RdNr. 20; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNrn. 5 und 22). Dieser Sichtweise folgend hat die Kammer eine Haftungsbegrenzung ab dem 10.06.2010 - dem Datum des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG - ggf. mit einem Zeitzuschlag für ein Verwaltungsverfahren von angemessener Dauer in Erwägung gezogen.
33 
Mit dem Wortlaut der abgegebenen Verpflichtungserklärung und den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB verträgt sich auch diese Sichtweise indes nicht, denn die Erklärung selbst stellt auf die Erteilung des Aufenthaltstitels für den neuen Aufenthaltszweck ab und nicht auf das Entstehen des materiellen Erteilungsanspruchs oder das gänzlich unklare „Hineinwachsen in eine Anspruchsposition“. Die gegenteilige Auffassung vermag auch nicht hinreichend zu erklären, weshalb der sich Verpflichtende auch für Kosten des geduldeten Aufenthalts nicht soll haften müssen (so aber Funke-Kaiser, a.a.O., § 68 RdNr. 5, der es schon ausreichen lässt, dass der Ausländer in eine unbedingte Anspruchsposition hinsichtlich einer Duldung hinein wächst). Die dem erstattungsberechtigten Leistungsträger und den Gerichten aufgetragene Auslegung der Verpflichtungserklärung anhand der §§ 133, 157 BGB wird bei dieser Sichtweise zugunsten allgemeiner Billigkeitserwägungen überspannt. Für diese ist indes lediglich im Rahmen des Ermessens Raum, nicht aber bereits bei der Frage, ob überhaupt (noch) ein Haftungsgrund gegeben ist. Ob man - entgegen dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung - in Fallkonstellationen, in denen die Ausländerbehörde dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht zeitweise treuwidrig vorenthält, bereits an das Datum der Antragstellung anknüpfen kann, bedarf hier keiner Entscheidung, denn ein solcher Fall steht hier erkennbar nicht in Rede.
34 
Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Fehler hinsichtlich der Addition der einzelnen Beträge sind auch für die Kammer nicht ersichtlich.
35 
e) Schließlich lassen sich auch nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO beachtliche Ermessensfehler nicht feststellen. Gemessen an seinen Einkommensverhältnissen ist der gegenüber dem Kläger festgesetzte Betrag zwar hoch; es bestehen aber andererseits keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass seine Leistungsfähigkeit damit überfordert sein könnte. Namentlich hat der Kläger - trotz mehrfacher Anfragen des Beklagten im Widerspruchsverfahren - in wirtschaftlicher Hinsicht keine Umstände geltend gemacht hat, die gegen seine (volle) Inanspruchnahme sprechen. In Fällen dieser Art gebieten es die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Regel, dass die öffentliche Hand ihr zustehende Geldleistungsansprüche auch geltend macht (BVerwG, Urteil vom 16.06.1997 - 3 C 22.96 -, BVerwGE 105, 55 [58]; Funke-Kaiser, a.a.O., § 68 RdNr. 38).
36 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm nach § 167 Abs. 2 VwGO eingeräumten Ermessens davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
37 
Die Berufung ist zuzulassen, denn die Frage, ob bereits ein Asylantrag die Dauer der Haftung aus einer Verpflichtungserklärung begrenzt oder ob dies anzunehmen ist, wenn der Ausländer in eine unbedingte Anspruchsposition für einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck hineingewachsen ist, stellt sich - zumal unter Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars - in einer Vielzahl von Fällen und ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt.

Gründe

 
17 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen haben. Denn die Ladung enthielt den Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO.
18 
Die Verwaltungsgerichte sind nach § 40 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung über Fälle der vorliegenden Art berufen, denn es handelt sich nicht um eine den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe a) SGG zugewiesene Streitigkeit in Angelegenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes, sondern um eine in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte fallende Streitigkeit nach dem Ausländer- und Aufenthaltsrecht (so zutr. BSG, Beschluss vom 26.10.2010 - B 8 AY 1/09 R -, NVwZ-RR 2011, 343).
19 
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, nachdem der letzte Tag der Frist des § 74 Abs. 1 VwGO auf einen Sonnabend gefallen und die Klage am nächsten Werktag erhoben worden ist (§§ 74 Abs. 1, 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 2 ZPO).
20 
Die Klage ist aber unbegründet, denn der Bescheid des Landratsamts K. ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Befugnis, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen (a), denn die Verpflichtungserklärung wurde wirksam abgegeben (b), ist nicht durch Widerruf erloschen (c), deckt den im Streit stehenden Zeitraum dem Grunde und der Höhe nach ab (d) und wurde ohne nach § 114 Satz 1 VwGO beachtliche Ermessensfehler erlassen (e).
21 
a) In der Rechtsprechung zu § 84 AuslG 1990 - der Vorgängervorschrift zu § 68 AufenthG - ist geklärt, dass die anspruchsberechtigte öffentliche Stelle nach der Konzeption der Haftungsnorm berechtigt ist, den hinter ihr stehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen (vgl. statt vieler: BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 33.97 -, BVerwGE 108, 1 = NVwZ 1999, 779). Für die hier maßgebliche Vorschrift des § 68 AufenthG hat sich an dieser Sichtweise nichts geändert. Wer sich der Ausländerbehörde gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat der öffentlichen Stelle, die öffentliche Mittel für den Lebensunterhalt des Ausländers aufgewendet hat, diese gemäß § 68 Abs. 1 und 2 AufenthG zu erstatten. Eine derartige Verpflichtung bedarf der Schriftform und ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar (§ 68 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG). Diese Regelung setzt die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, zumal über das Ob und das Wie der Heranziehung eine Ermessensbetätigung der anspruchsberechtigten Behörde zu erfolgen hat (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Loseblattslg. [59. Lieferung März 2012], § 68 RdNr. 37; Hailbronner, Ausländerrecht, Loseblattslg. [38. Aktualisierung 2005], § 68 RdNr. 5; Stiegeler, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht [2008], § 68 RdNr. 11).
22 
b) Die Verpflichtungserklärung ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. hierzu wiederum BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 9; Zeitler, in: HTK-AuslR / § 68 AufenthG / Verpflichtungserklärung 07/2009 Nr. 1) am 04.06.2008 bei der Stadt R. wirksam abgegeben worden. Die von dem Kläger unterzeichnete Urkunde erfüllt die gesetzlich vorgesehene Schriftform (§ 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Da die Verpflichtung gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung begründet wird, bedurfte es keiner förmlichen Annahme durch die Ausländerbehörde. Der Verpflichtungserklärung ging eine Bonitätsprüfung voraus, die die Ausländerbehörde in nicht zu beanstandender Weise anhand der Entgeltabrechnung des Klägers vorgenommen hat. Der ihm bescheinigte durchschnittliche Bruttolohn ließ erwarten, dass der Kläger die mit dem Besuch seiner Mutter und Schwester einhergehenden Kosten würde tragen können (vgl. auch zur Frage, ob pro Person der einfache oder eineinhalbfache Regelsatz als Bedarf zugrunde zu legen ist: Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 13), zumal etwaige Behandlungskosten durch eine Reisekrankenversicherung abgesichert werden sollten. Schließlich wurde der Kläger - was er in der von ihm selbst unterschriebenen Verpflichtungserklärung erklärt und seither nicht in Abrede gestellt hat - über den Umfang und die Dauer der Haftung sowie über die Bindungswirkung seiner Verpflichtung aufgeklärt (vgl. hierzu Hessischer VGH, Urteil vom 29.08.1997 - 10 UE 2030/95 -, NVwZ-RR 1998, 393; OVG Niedersachsen, Urteil vom 20.07.2005 - 7 LB 182/02 -, InfAuslR 2005, 485; Hölscheidt, DVBl. 2000, 385 [388]). Die Verpflichtungserklärung ist daher mit der Entgegennahme durch die Ausländerbehörde am 04.06.2008 wirksam geworden.
23 
Dass die Verpflichtungserklärung im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (materiell) unwirksam gewesen sein könnte (vgl. auch zum Verhältnis zu § 138 BGB: BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 24), macht der Kläger nicht geltend. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. Die Zustimmung zur Einreise von Familienangehörigen zu Besuchszwecken davon abhängig zu machen, dass ihnen Obdach und Lebensunterhalt durch Private oder nichtstaatliche Stellen gewährt werden, ist von der Rechtsordnung gedeckt und beruht nicht auf einer sachwidrigen Ausnutzung staatlicher Übermacht (BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O. - zur Einreise bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge). Namentlich werden mit der Abgabe der Verpflichtungserklärung erst die rechtlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung der Auslandsvertretung geschaffen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Trägt der an einer positiven Entscheidung Interessierte nicht das in seiner Macht Stehende dazu bei, die Voraussetzungen des andernfalls nicht erfüllten Begünstigungstatbestandes zu schaffen, nötigt die Rechtslage die Behörde dazu, die Begünstigung zu versagen. Einen entsprechenden Hinweis zu geben, ist ihre Pflicht (vgl. § 25 VwVfG; § 82 Abs. 3 AufenthG) und hat mit der Ausnutzung einer Machtstellung nichts zu tun (so BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.; zustimmend Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 25; enger: Kube, VBlBW 1999, 364 [368]). Dass die vom Kläger übernommene Haftung ihrem Umfang nach unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit völlig unangemessen war und er sich bei Abgabe der Erklärung in einer Art Zwangslage befunden haben könnte, macht er selbst nicht geltend. Hierfür ist auch - da das Gegenteil nachgerade feststeht - nichts ersichtlich.
24 
c) Die Verpflichtungserklärung ist schließlich nicht durch die Widerrufs- oder Rücktrittserklärung gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt R. im März 2009 (vgl. Bl. 507 d. Behördenakten) mit Wirkung für die Zukunft unwirksam geworden. Es kann dahinstehen, ob der für öffentlich-rechtliche Verträge in § 60 LVwVfG normierte Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Verpflichtungserklärungen nach § 68 AufenthG entsprechende Anwendung findet (vgl. bejahend: Einzinger, in: Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, B 100, § 84 AuslG RdNr. 75; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 32; Stiegeler, a.a.O., § 68 RdNr. 7; Hölscheidt, DVBl. 2000, 385 [389]; Zeitler, a.a.O., Nr. 3; offen: Hailbronner, a.a.O., RdNr. 23). Denn selbst wenn dies der Fall wäre, käme eine Anpassung mit Wirkung für die Zukunft nur in Betracht, wenn die Kündigung schriftlich erklärt worden wäre (§ 60 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG). Die dem Kläger am 26.11.2010 ausgestellte und von ihm am 28.11.2010 per Telefax übersandte „wunschgemäße“ Bescheinigung, er habe bereits im März 2009 gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt R. erklärt, von der Verpflichtung für seine Schwester zurücktreten zu wollen, ist keine den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG genügende Kündigung. Auch sonst ist - soweit ersichtlich - vor Ablauf des hier im Streit stehenden Zeitraums keine den Formerfordernissen des § 60 Abs. 2 LVwVfG genügende Kündigung von Seiten des Klägers ausgesprochen worden.
25 
d) Die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung deckt den mit dem angefochtenen Bescheid angeforderten Betrag auch dem Grunde und der Höhe nach ab. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Kosten für den Lebensunterhalt der Schwester des Klägers während der Geltungsdauer des (einmal verlängerten) Besuchsvisums von der Verpflichtungserklärung umfasst sind. Um sie geht es hier aber nicht. Im hier maßgeblichen Zeitraum stehen Kosten in Rede, die nach der Verteilung der Schwester des Klägers in den Landkreis K. entstanden sind, weil ihr nach der Stellung eines Asylantrags Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bewilligt worden war. Während die obergerichtliche Rechtsprechung zu § 84 AuslG überwiegend die Auffassung vertreten hatte, dass sich die erklärte Verpflichtung nur auf die Geltungsdauer der erteilten Visa erstrecke, weil eine Verpflichtungserklärung nach § 84 AuslG „in unmittelbarem funktionalen Zusammenhang mit einem konkreten Verwaltungsverfahren“ stehe und in ihrer Wirkung auf dieses beschränkt sei (vgl. nur Bayerischer VGH, Urteil vom 17.07.1997 - 12 B 96.1165 -, NVwZ-RR 1998, 264), ist das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.) dem später ausdrücklich entgegen getreten und hat ausgeführt:
26 
„Die Rechtsordnung überlässt es der Entscheidung des einzelnen, ob und in welchem Umfang er für den Unterhalt eines Ausländers im Bundesgebiet aufkommen und damit die Voraussetzungen für dessen Aufenthalt schaffen will. Dementsprechend ist im Wege der Auslegung der jeweiligen Verpflichtungserklärung konkret zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche (Gesamt-) Aufenthaltsdauer sie gelten soll. Der Geltungsdauer der Aufenthaltsgenehmigungen kommt dabei grundsätzlich keine entscheidende Bedeutung zu. Dies wird besonders augenfällig, wenn eine Verpflichtungserklärung abgegeben wird, um die Einreise und einen längeren (etwa zu Ausbildungszwecken) oder sogar auf Dauer angelegten Aufenthalt des Ausländers (etwa zur Familienzusammenführung) zu ermöglichen, die Geltungsdauer des Visums aber wie üblich auf drei Monate beschränkt wird. Sinn der Verpflichtungserklärung ist es nämlich, nicht nur den Versagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG vor der Einreise zu beseitigen, sondern ebenso, die Entstehung des Ausweisungsgrundes des § 46 Nr. 6 AuslG während des gesamten sich an die Einreise anschließenden Aufenthalts auszuschließen und damit einer Belastung öffentlicher Kassen während der Anwesenheit des Ausländers vorzubeugen. Ferner kommt es auf die rechtliche Grundlage und nähere Ausgestaltung des Aufenthalts des Ausländers nicht an. Die Unterhaltsverpflichtung erstreckt sich grundsätzlich auch auf Zeiträume illegalen Aufenthalts einschließlich der Dauer einer etwaigen Abschiebung. Sie endet, wenn sie nicht ausdrücklich befristet ist, nach Maßgabe der Auslegung im Einzelfall mit dem Ende des vorgesehenen Aufenthalts oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt worden ist.“
27 
Hieran ist für unter Geltung des § 68 AufenthG abgegebene Verpflichtungserklärungen festzuhalten. Die demnach entsprechend der allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung der Verpflichtungserklärung anhand aller erkennbaren Umstände des Einzelfalls ergibt keine Beschränkung auf die Zeiten der Geltungsdauer des Besuchsvisums. Vielmehr hat der Kläger das - bundesweit einheitliche - Formular unterschrieben, wo es zur „Dauer der Verpflichtung“ heißt (Bl. 479 d.A.):
28 
„vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.“
29 
Ferner ist dort zum Umfang der Verpflichtung ausgeführt, die Verpflichtung umfasse
30 
„die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden. Dies gilt auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen (z.B. Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleitungsgesetz [Hervorhebung nur hier]), im Gegensatz zu Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen. Die Verpflichtung umfasse auch (…) die Kosten einer zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung z.B. Abschiebung o.g. Ausländers/in nach den §§ 66 und 67 des Aufenthaltsgesetzes (…).
31 
Gemessen an dieser Erklärung ist davon auszugehen, dass die sich an die Geltungsdauer des Besuchsvisums anschließenden Zeiten des unerlaubten Aufenthalts jedenfalls von der Verpflichtungserklärung des Klägers umfasst sind. Auch der Kläger selbst scheint hiervon ausgegangen zu sein, denn andernfalls hätte es der von ihm offenbar mündlich bei der Stadt R. ausgesprochenen „Kündigung“ der Verpflichtungserklärung gar nicht bedurft. Um die Kosten ab dem „Untertauchen“ der Schwester des Klägers bis zur Stellung des Asylantrags geht es hier indes ebenfalls nicht, denn die die hier im Streit stehenden Kosten sind solche, die nach der Asylantragstellung entstanden sind, und betreffen somit Zeiträume, in denen sich die Schwester des Klägers zunächst auf der Grundlage einer Aufenthaltsgestattung und - nach Zustellung der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet - unerlaubt und auf der Grundlage einer Duldung in Deutschland aufgehalten hat. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die Auslegung der Verpflichtungserklärung ergibt, dass die Haftung des Klägers für seine Schwester mit der Stellung eines Asylantrags geendet hat. Dies ist nach dem Dafürhalten der erkennenden Kammer nicht der Fall. Bereits die Erwähnung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Text der Verpflichtungserklärung sprechen für eine Haftung des Klägers, denn Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden - gerade auch aus der Sicht eines Laien - vor allem für Asylbewerber erbracht (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylblG). Ein Haftungsende mit Asylantragstellung ließe sich allenfalls befürworten, wenn man unter die Formulierung die Verpflichtung dauere „bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ auch die Ausstellung einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung subsumieren würde. Auch diesen Ansatz hält die erkennende Kammer jedoch nicht für zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urteil vom 27.02.2006 - 11 S 1857/06 - juris RdNr. 30) hat zu einer vergleichbaren Fallgestaltung ausgeführt, zwar habe der durch die Verpflichtungserklärung Begünstigte spätestens durch Stellung seines Asylantrags seinen ursprünglichen Aufenthaltszweck (eine durch ein Besuchervisum erlaubte Ferienreise) gewechselt. Der Erhalt einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylVfG) durch die Stellung des Asylantrages könne aber noch nicht als aufenthaltsrechtliche Anerkennung des neuen Aufenthaltszwecks im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet werden, da der Asylantrag - sogar als offensichtlich unbegründet - abgelehnt worden sei (ebenso: Bayerisches LSG, Urteil vom 12.11.2008 - L 11 B 845/08 AY -, FEVS 60, 427; VG Oldenburg, Urteil vom 13.02.2012 - 11 A 518/11 -, juris RdNr. 20; VG Hannover, Urteil vom 22.07.2011 - 3 A 6111/08 - juris RdNr. 32; VG Braunschweig, Gerichtsbescheid vom 01.06.2006 - 3 A 192/05 - juris RdNr. 16; wohl auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 20.07.2005 - 7 LB 182/02 -, InfAuslR 2005, 485; a.A. noch Bayerischer VGH, Urteil vom 03.03.1998 - 12 B 96.3002 -, juris RdNr. 26; VG Minden, Urteil vom 11.11.2002 - 11 K 1203/02 -, juris RdNr. 24; Hail-bronner, a.a.O., § 68 RdNr. 14; Funke-Kaiser, a.a.O., § 68 RdNr. 22). Diese Rechtsauffassung liegt auch dem Bundeseinheitlichen Merkblatt des Bundesministeriums des Innern zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 in Verbindung mit §§ 66 und 67 AufenthG (Fassung vom 15.12.2009) zugrunde (dort S. 9). Sie wird von der erkennenden Kammer geteilt. Hierfür dürfte schon der Hinweis auf die Erstattungspflichtigkeit von Kosten, die der Schwester des Klägers „nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ gewährt werden, sprechen. Zudem ist zur Dauer der Verpflichtungserklärung bestimmt, sie gelte „(…) bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“. Mit dem Terminus des „Aufenthaltstitels“ wird ein Rechtsbegriff in Bezug genommen, der in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG abschließend definiert ist (so Wenger, in Storr/Wenger, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. [2008], § 4 RdNr. 5). Die Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG ist danach kein Aufenthaltstitel (Wenger, a.a.O.; Hoffmann, in: Hofmann/Hoffmann, a.a.O., § 4 RdNr. 19). Denn der grundlegende Entscheidungsgehalt eines Aufenthaltstitels besteht darin, dass dem Inhaber ein darin ggf. näher beschriebenes Aufenthaltsrecht zuerkannt wird (zutreffend Maor in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht [2008], § 4 RdNr. 11). Dies ist bei der in § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht genannten Aufenthaltsgestattung schon deshalb nicht der Fall, weil nicht erst der Aufenthaltstitel das Aufenthaltsrecht gewährt, sondern bereits das Asylgesuch (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) das Aufenthaltsrecht auslöst. Bei einer an §§ 133, 157 BGB orientierten Auslegung der Verpflichtungserklärung lässt sich demnach nicht feststellen, dass der ihre Dauer begrenzende Tatbestand der „Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ mit der Stellung eines Asylantrags eingetreten ist. Hierfür spricht auch, dass es der von der Verpflichtungserklärung begünstigte Ausländer andernfalls in der Hand hätte, die Reichweite der Verpflichtungserklärung gleichsam auf Null zu reduzieren, indem er sogleich nach der Einreise mit einem Besuchervisum einen Asylantrag stellt. Auch die Zeiten des (nur) geduldeten Aufenthalts im Anschluss an den Ablauf der Geltungsdauer eines Visums sind im Übrigen zweifellos von der Verpflichtungserklärung umfasst (BVerwG, Urteil vom 24.11.1998, a.a.O.). Dies und der Umstand, dass es sich bei der Aufenthaltsgestattung gleichsam um ein (verfahrensrechtliches) Aufenthaltsrecht handelt, das sich der Ausländer selbst und ohne Erfüllung eines materiell-rechtlichen aufenthaltsrechtlichen Tatbestands beschaffen kann, lassen es - neben dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung - nicht gerechtfertigt erscheinen, den Asylantrag als geltungsbegrenzenden Umstand zu verstehen.
32 
Indes hat die erkennende Kammer eine Beschränkung der Dauer der Verpflichtungserklärung erwogen, weil die Schwester des Klägers mit der Geburt ihres deutschen Sohnes am 27.01.2010 in eine unbedingte Anspruchsposition für einen Aufenthaltstitel zum Zwecke des Familiennachzugs (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG) hineingewachsen ist, zumal in den Fällen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht von der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden darf (§ 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). In Rechtsprechung und Literatur wird angenommen, dass insoweit ein unmittelbarer und immanenter Vorbehalt einer jeden Verpflichtungserklärung bestehe, der nicht erst im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln sei (VG Köln, Urteil vom 12.12.2008 - 5 K 3672/07 -, NWVBl. 2009, 282; VG Ansbach, Urteil vom 21.08.2008 - AN 5 K 08.01116 -, juris RdNr. 20; VG Hannover, Urteil vom 20.11.2001 - 3 A 3320/01 -, NVwZ-RR 2002, 443; VG Oldenburg, Urteil vom 13.02.2012 - 11 A 518/11 -, juris RdNr. 20; Funke-Kaiser, a.a.O., RdNrn. 5 und 22). Dieser Sichtweise folgend hat die Kammer eine Haftungsbegrenzung ab dem 10.06.2010 - dem Datum des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG - ggf. mit einem Zeitzuschlag für ein Verwaltungsverfahren von angemessener Dauer in Erwägung gezogen.
33 
Mit dem Wortlaut der abgegebenen Verpflichtungserklärung und den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB verträgt sich auch diese Sichtweise indes nicht, denn die Erklärung selbst stellt auf die Erteilung des Aufenthaltstitels für den neuen Aufenthaltszweck ab und nicht auf das Entstehen des materiellen Erteilungsanspruchs oder das gänzlich unklare „Hineinwachsen in eine Anspruchsposition“. Die gegenteilige Auffassung vermag auch nicht hinreichend zu erklären, weshalb der sich Verpflichtende auch für Kosten des geduldeten Aufenthalts nicht soll haften müssen (so aber Funke-Kaiser, a.a.O., § 68 RdNr. 5, der es schon ausreichen lässt, dass der Ausländer in eine unbedingte Anspruchsposition hinsichtlich einer Duldung hinein wächst). Die dem erstattungsberechtigten Leistungsträger und den Gerichten aufgetragene Auslegung der Verpflichtungserklärung anhand der §§ 133, 157 BGB wird bei dieser Sichtweise zugunsten allgemeiner Billigkeitserwägungen überspannt. Für diese ist indes lediglich im Rahmen des Ermessens Raum, nicht aber bereits bei der Frage, ob überhaupt (noch) ein Haftungsgrund gegeben ist. Ob man - entgegen dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung - in Fallkonstellationen, in denen die Ausländerbehörde dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht zeitweise treuwidrig vorenthält, bereits an das Datum der Antragstellung anknüpfen kann, bedarf hier keiner Entscheidung, denn ein solcher Fall steht hier erkennbar nicht in Rede.
34 
Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Anspruchs hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Fehler hinsichtlich der Addition der einzelnen Beträge sind auch für die Kammer nicht ersichtlich.
35 
e) Schließlich lassen sich auch nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO beachtliche Ermessensfehler nicht feststellen. Gemessen an seinen Einkommensverhältnissen ist der gegenüber dem Kläger festgesetzte Betrag zwar hoch; es bestehen aber andererseits keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass seine Leistungsfähigkeit damit überfordert sein könnte. Namentlich hat der Kläger - trotz mehrfacher Anfragen des Beklagten im Widerspruchsverfahren - in wirtschaftlicher Hinsicht keine Umstände geltend gemacht hat, die gegen seine (volle) Inanspruchnahme sprechen. In Fällen dieser Art gebieten es die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Regel, dass die öffentliche Hand ihr zustehende Geldleistungsansprüche auch geltend macht (BVerwG, Urteil vom 16.06.1997 - 3 C 22.96 -, BVerwGE 105, 55 [58]; Funke-Kaiser, a.a.O., § 68 RdNr. 38).
36 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm nach § 167 Abs. 2 VwGO eingeräumten Ermessens davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
37 
Die Berufung ist zuzulassen, denn die Frage, ob bereits ein Asylantrag die Dauer der Haftung aus einer Verpflichtungserklärung begrenzt oder ob dies anzunehmen ist, wenn der Ausländer in eine unbedingte Anspruchsposition für einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck hineingewachsen ist, stellt sich - zumal unter Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars - in einer Vielzahl von Fällen und ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 19. April 2012 - 4 K 1626/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme durch den beklagten Landkreis aus einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG.
Er ist deutscher Staatsangehöriger und übernahm im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung eines Besuchervisums für seine Schwester, die die togoische Staatsangehörigkeit besitzt, unter dem 04.06.2008 auf einem bundeseinheitlich verwendeten Vordruck die Verpflichtung, von dem Beginn der voraussichtlichen Visumsgültigkeit bis zur Beendigung des Aufenthalts der Schwester oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck die Kosten für deren Lebensunterhalt und Ausreise zu tragen. Nach dem Inhalt der Erklärung umfasst die Verpflichtung u.a. die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, wie etwa für einen Arztbesuch, für Medikamente und einen Krankenhausaufenthalt. Dies gelte auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhten, wie etwa Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz, nicht jedoch für Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhten.
Nach der Einreise der Schwester des Klägers in das Bundesgebiet wurde deren Visum einmal verlängert, hernach verließ sie die Wohnung des Klägers und stellte im November 2009 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 06.07.2010 als offensichtlich unbegründet ablehnte. Zuvor hatte die Schwester des Klägers am 27.01.2010 einen Sohn geboren, dessen Vater deutscher Staatsangehöriger ist. Am 16.06.2011 wurde der Schwester auf ihren Antrag vom 10.06.2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.
Der beklagte Landkreis nahm den Kläger auf Erstattung von nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in der Zeit vom 10.12.2009 bis zum 31.03.2011 aufgewendeter Kosten in Höhe von 9.437,08 EUR in Anspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat auf den Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils Bezug (§ 130b S. 1 VwGO).
Mit Urteil vom 19.04.2012 - 4 K 1626/11 - wies das Verwaltungsgericht Freiburg die gegen den Erstattungsbescheid des Landratsamts Konstanz vom 31.03.2011 und dessen Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 gerichtete Anfechtungsklage des Klägers ab.
Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der beklagte Landkreis habe die Befugnis, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, die Verpflichtungserklärung des Klägers sei wirksam abgegeben, nicht durch einen Widerruf erloschen, decke den im Streit stehenden Zeitraum dem Grunde und der Höhe nach ab und sei auch ohne beachtliche Ermessensfehler erlassen worden.
Eine von dem Kläger der Ausländerbehörde der Stadt Recklinghausen im März 2009 gegenüber abgegebene Widerrufs- oder Rücktrittserklärung sei jedenfalls nicht schriftlich erfolgt, so dass dem Formerfordernis des § 60 Abs. 2 S. 1 LVwVfG - sollte dessen direkte bzw. entsprechende Anwendung in Betracht kommen - nicht genügt sei.
Bei Berücksichtigung der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.1998 - 1 C 33.97 - ergebe sich entsprechend den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB zur Auslegung der Verpflichtungserklärung keine Beschränkung auf die Zeiten der Geltungsdauer des der Schwester des Klägers erteilten Besuchsvisums. Die Haftung des Klägers habe sodann auch nicht mit der Stellung des Asylantrags seiner Schwester geendet. Hiergegen spreche bereits die Erwähnung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Text der Verpflichtungserklärung. Bei der infolge der Asylantragstellung erteilten Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG handele es sich auch nicht um einen „Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck“. Der Rechtsbegriff des Aufenthaltstitels sei in § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG abschließend definiert. Wäre unter einem Aufenthaltstitel auch eine Aufenthaltsgestattung zu fassen, hätte es der von der Verpflichtungserklärung begünstigte Ausländer in der Hand, die Reichweite der Verpflichtungserklärung gleichsam auf Null zu reduzieren, indem er sogleich nach der Einreise mit einem Besuchervisum einen Asylantrag stelle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien im Übrigen Zeiten eines nur geduldeten Aufenthalts zweifellos von der Verpflichtungserklärung umfasst. Dies und der Umstand, dass es sich bei der Aufenthaltsgestattung gleichsam um ein verfahrensrechtliches Aufenthaltsrecht handele, das sich der Ausländer selbst und ohne Erfüllung eines materiell-rechtlichen aufenthaltsrechtlichen Tatbestands beschaffen könne, ließen es - neben dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung - nicht gerechtfertigt erscheinen, den Asylantrag als die Geltung einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG begrenzenden Umstand zu verstehen.
10 
Allerdings sei die Schwester des Klägers mit der Geburt ihres deutschen Sohnes am 27.01.2010 in eine unbedingte Anspruchsposition für einen Aufenthaltstitel zum Zwecke des Familiennachzugs hineingewachsen, welche nicht von der Sicherung des Lebensunterhalts abhänge. Einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, dass insoweit ein unmittelbarer und immanenter Vorbehalt einer jeden Verpflichtungserklärung bestehe, der nicht erst im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln sei, könne sich die Kammer indes nicht anschließen. Denn diese Auffassung vertrage sich nicht mit dem Wortlaut der abgegebenen Verpflichtungserklärung und den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB. Die dem erstattungsberechtigten Leistungsträger und den Gerichten aufgetragene Auslegung der Verpflichtungserklärung dürfe nicht zugunsten allgemeiner Billigkeitserwägungen überspannt werden. Für solche sei lediglich im Rahmen der Ermessensausübung Raum, nicht jedoch bei der Prüfung, ob überhaupt (noch) ein Haftungsgrund gegeben sei.
11 
Schließlich ließen sich auf Behördenseite nach Maßgabe des § 114 S. 1 VwGO auch keine beachtlichen Ermessensfehler erkennen. An den Einkommensverhältnissen des Klägers gemessen sei der ihm gegenüber festgesetzte Betrag zwar hoch, es bestünden aber keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Leistungsfähigkeit damit überfordert sein könnte. Namentlich habe er - trotz mehrfacher Anfragen des Beklagten im Widerspruchsverfahren - in wirtschaftlicher Hinsicht keine Umstände geltend gemacht, die gegen seine (volle) Inanspruchnahme sprächen. In Fällen dieser Art geböten es aber die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Regel, dass die öffentliche Hand ihr zustehende Geldleistungsansprüche auch geltend mache.
12 
Gegen das dem Kläger am 26.04.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 29.05.2012 (dem Dienstag nach Pfingsten) Berufung eingelegt und diese wie folgt begründen lassen:
13 
Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt zutreffend wiedergegeben, die Entscheidung sei jedoch unzutreffend, weil die Haftung des Klägers aus der Verpflichtungserklärung mit der Stellung des Asylantrags seiner Schwester geendet habe. Der ursprüngliche ausschließliche Aufenthaltszweck der Schwester sei die Betreuung ihrer mitgereisten Mutter gewesen. Mit dem Asylantrag habe sich sodann nicht nur dieser Aufenthaltszweck, sondern auch die Rechtsgrundlage für ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet geändert. Sie habe mit dem Asylantrag zwar keinen Aufenthaltstitel i.S.v. § 4 AufenthG erlangt, jedoch einen legalisierten Aufenthaltsstatus getrennt und unabhängig von der Vorgeschichte. Dieses Aufenthaltsrecht beruhe auf dem verfassungsrechtlich verankerten Asylgrundrecht und sei deshalb mit einem aufenthaltsrechtlichen Aufenthaltstitel vergleichbar.
14 
Was die der Schwester gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angehe, sei zu berücksichtigen, dass ihr hinsichtlich des Bezugs dieser Leistungen während der Dauer des Asylverfahrens kein Entscheidungsspielraum zugekommen sei. Auch wenn sie keinen entsprechenden Leistungsantrag gestellt hätte, wären die vom Beklagten in Rechnung gestellten Kosten für Unterkunft und Verpflegung verursacht worden. Ein Asylbewerber sei nämlich verpflichtet, den Aufenthalt in einer Gemeinschaftsunterkunft zu nehmen und Nahrungsmittel nach einschlägigen Vorschriften zu beziehen. Die somit im Zuge des Asylverfahrens quasi kraft Gesetzes verursachten Kosten könnten daher nicht von denjenigen Lebenshaltungskosten umfasst sein, wie sie das Formular der Stadt Recklinghausen aufzähle.
15 
Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Vaterschaft des Kindes der Schwester von dessen deutschem Vater bereits acht Monate vor der Ausstellung einer Duldung für die Schwester anerkannt worden sei. Der Schwester sei daher bereits frühzeitig als der allein sorgeberechtigten Mutter ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zugekommen. Sie habe am 10.06.2010 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AufenthG beantragt; erst ein Jahr später sei ihr dann die Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Bei einer zügigen und ordnungsgemäßen Bearbeitung hätte die Aufenthaltserlaubnis jedoch schon im Sommer 2010 erteilt werden müssen. Zwar habe die Ausländerbehörde das Verfahren gemäß § 79 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zum Zweck der Anfechtung der Vaterschaft ausgesetzt, ein entsprechender Antrag beim Amtsgericht sei aber erst am 20.10.2010 gestellt und im Hinblick auf das Ergebnis des Vaterschaftsgutachtens auf Anfrage des Amtsgerichts Konstanz vom 22.02.2011 erst am 09.05.2011 zurückgenommen worden. Irgendwelche Anhaltspunkte, die die Einleitung eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens gerechtfertigt hätten, seien nicht ersichtlich gewesen. Die erst am 16.06.2011 erteilte Aufenthaltserlaubnis habe der Schwester daher bereits - quasi rückwirkend - am 10.06.2010 mit der Folge zugestanden, dass Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab diesem Zeitpunkt ggf. von dieser selbst, nicht jedoch vom Kläger hätten zurückverlangt werden können.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 19. April 2012 - 4 K 1626/11 - zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 31. März 2011 und dessen Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2011 aufzuheben.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Er macht geltend, der von dem Kläger unterzeichneten Verpflichtungserklärung sei klar zu entnehmen, dass dessen Haftung erst ende, wenn auch der Aufenthalt seiner Schwester ende oder ihr ein Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck erteilt werde. Die Verpflichtungserklärung des Klägers habe auch die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz umfasst. Eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylVfG sei einem Aufenthaltstitel nicht gleichzusetzen, was sich aus § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG und auch aus § 63 AsylVfG ergebe. Auf den Inhalt des Merkblatts zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i.V.m. §§ 66 und 67 AufenthG werde Bezug genommen.
21 
Die Auffassung des Klägers stehe auch im Widerspruch zu dem Zweck der Verpflichtungserklärung, mit welcher seiner Schwester überhaupt erst die Einreise nach Deutschland ermöglicht worden sei. Mit der Verpflichtungserklärung habe der Bezug von Sozialhilfe durch die Schwester während ihres gesamten Aufenthaltes verhindert werden sollen. Es könne nicht im Interesse des Gesetzgebers sein, mittels einer Verpflichtungserklärung einem Ausländer die Einreise zu ermöglichen, damit dieser dann anschließend die Haftung des Verpflichteten mittels eines Asylantrags mit der Folge beenden könne, dass hierauf die öffentlichen Kassen belastet würden.
22 
Der Einwand des Klägers, dass seiner Schwester nach ihrer Asylantragstellung Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aufgezwungen worden seien und ihm daher diese Kosten nicht zugerechnet werden könnten, sei nicht berechtigt. Nach dem Wortlaut der Verpflichtungserklärung bestehe eine Verpflichtung der Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel für den Lebensunterhalb einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall, die eine zuständige Behörde aufgewendet habe, insbesondere Aufwendungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dem Kläger sei daher bei der Abgabe der Verpflichtungserklärung bekannt gewesen, dass er auch für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haften müsse und verpflichtet sei, solche an die zuständige Behörde zu erstatten. Der Wortlaut der Verpflichtungserklärung stelle auch eindeutig darauf ab, dass die Verpflichtung erst mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck ende. Eine Verzögerung seitens der Ausländerbehörde sei nicht bekannt und vom Verwaltungsgericht auch nicht festgestellt worden.
23 
Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten des Beklagten und die Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die zulässige, insbesondere die Begründungsanforderungen des § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO erfüllende Berufung des Klägers ist unbegründet.
25 
Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 31.03.2011 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 zu Recht abgewiesen, denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
26 
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb von einer ausführlichen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 130b S. 2 VwGO). Er merkt ergänzend nur das Folgende an:
27 
a) Einer direkten bzw. entsprechenden Anwendung der Bestimmung des § 60 LVwVfG auf die von dem Kläger gegenüber der Stadt Recklinghausen im März 2009 abgegebene Rücktrittserklärung steht nach der Auffassung des Senats auch entgegen, dass sich die Verhältnisse, die für die Abgabe der Verpflichtungserklärung des Klägers maßgebend gewesen waren, seit deren Abgabe nicht so wesentlich geändert haben dürften, dass dem Kläger ein Festhalten an dem Inhalt der Verpflichtungserklärung nicht mehr zuzumuten war. Denn die Verpflichtungserklärung stand nur insoweit in einem Bezug zu der Erteilung eines Visums an die Schwester des Klägers, als damit der Beginn der Verpflichtung nach § 68 AufenthG festgelegt worden ist. Im Übrigen knüpfte die Verpflichtungserklärung gerade nicht lediglich an die Geltungsdauer des der Schwester erteilten Visums zu Besuchszwecken an. Dass diese nach einer gewissen Zeit die Wohnung des Klägers verließ, um sodann einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte zu stellen, und dass sie zudem Mutter eines deutschen Sohnes wurde, kann nicht als derart außergewöhnlich i.S.v. § 60 Abs. 1 S. 1 LVwVfG aufgefasst werden, dass hierdurch der nach § 68 AufenthG übernommenen Verpflichtung die Grundlage entzogen worden wäre.
28 
b) Dass die Stellung eines Asylantrags nicht per se einer nach § 68 Abs. 1 AufenthG abgegebenen Verpflichtung ein Ende setzt (vgl. dazu ergänzend VG Trier, Urteil vom 05.06.2012 - 1 K 1591/11 -, juris, sowie auch unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten VG Münster, Urteil vom 14.06.2012 - 8 K 2632/10 - juris), entspricht jedenfalls dem Willen des Bundesgesetzgebers, wie er in der Bestimmung des § 8 Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG - seinen Ausdruck gefunden hat. Denn nach § 8 Abs. 1 S. 1 AsylbLG werden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG gedeckt wird. Die Regelung setzt danach zwingend voraus, dass mit der Stellung eines Asylantrags, der Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auslöst, eine nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG abgegebene Verpflichtung nicht endet.
29 
Allerdings wirft die Regelung in § 8 Abs. 1 S. 1 AsylbLG in dem vorliegenden Zusammenhang die Frage auf, ob bei einer wirksamen Verpflichtung des Klägers nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG der beklagte Landkreis seiner Schwester Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz überhaupt rechtmäßig gewähren durfte. Denn nur eine rechtmäßige Leistungsgewährung ist dazu geeignet, eine Erstattungspflicht auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG auszulösen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 33.97 - BVerwGE 108,1). Indes erfordert § 8 Abs. 1 S. 1 AsylbLG, dass der Lebensunterhalt aufgrund der Verpflichtung nach § 68 AufenthG auch tatsächlich gedeckt worden ist (vgl. Scheider in GK-AsylbLG, Stand Januar 2013, RN 17, 18, 26; Groth in JurisPK-SGB XII, § 8 AsylbLG RN 17; VG Karlsruhe, Beschl. v. 18.3.2002 - 8 K 521/02 - InfAuslR 2003, 113; SG Dortmund, Beschl. v. 11.5.2011 - S 47 AY 58/11 - SAR 2011, 106 m. w. N. aus der Kommentarliteratur), was in dem hier zu entscheidenden Fall für den vorliegend maßgeblichen Zeitraum ab der Asylantragstellung der Schwester des Klägers von diesem nicht geltend gemacht worden und für den Senat auch nicht ersichtlich ist.
30 
Ebenso wenig vermag sich der Kläger darauf zu berufen, dass der Beklagte in Anwendung von § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG jedenfalls die für Erkrankungen seiner Schwester aufgewendeten Kosten zu übernehmen gehabt hätte. Besteht eine Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG, übernimmt nach § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG zwar die zuständige Behörde die Kosten für Leistungen im Krankheitsfall, bei Behinderung und bei Pflegebedürftigkeit. Dies gilt indes nur, soweit es durch das jeweilige Landesrecht vorgesehen ist (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG am Ende). Eine dementsprechende landesrechtliche Regelung besteht indes - auch nach dem Bekunden des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung - in Baden-Württemberg nicht. Insbesondere sehen dies die Regelungen des baden-württembergischen Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen (FlüAG), das nach seinem § 1 Nr. 2 auch die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes regelt, nicht vor.
31 
c) Dem von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur bei der Beurteilung der Frage, zu welchem Zeitpunkt eine einmal übernommene Verpflichtung nach § 68 AufenthG endet, bemühte Gesichtspunkt, dass jedenfalls die Abgabe einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG dann nicht gefordert werden könne, wenn auch bei mangelnder Sicherung des Lebensunterhalts des Ausländers ein Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - wie etwa im Fall des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 AufenthG - bestehe, wird nach der Auffassung des Senats jedenfalls dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass - wie dies in dem bundeseinheitlich verwendeten Vordruck für eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG vorgesehen ist - die Zahlungsverpflichtung mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck endet. Eine Vorverlegung des Endes der Zahlungsverpflichtung etwa bereits auf den Zeitpunkt eines „Hineinwachsens in eine Anspruchsposition“, auf den Zeitpunkt des Entstehens des materiellen Erteilungsanspruchs oder auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist nach der Auffassung des Senats rechtlich nicht geboten. Soweit die Gegenauffassung darauf abstellt, wegen der Verknüpfung mit dem für den Aufenthaltstitel maßgeblichen materiellen Recht ende die Wirksamkeit einer zunächst nicht zu beanstandenden Verpflichtungserklärung dann, wenn die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht mehr von einer bestehenden Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden dürfe und der Ausländer später in einer unbedingte Anspruchsposition hinsichtlich eines Aufenthaltstitels hineinwachse (vgl. etwa Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Komm., Stand März 2012, § 68 AufenthG RdNr. 5), lässt sie unberücksichtigt, dass auch bei dem Vorliegen einer sog. „unbedingten Anspruchsposition“ eine solche von dem Ausländer zunächst - im Wege eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - geltend zu machen ist, die (etwaigen sonstigen) Anspruchsvoraussetzungen sodann von der zuständigen Ausländerbehörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zu prüfen sind und schließlich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - jedenfalls in der Regel (vgl. zur ausnahmsweisen rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 14.97 -, NVwZ 1999, 306) - erst zu dem Zeitpunkt des entsprechenden stattgebenden Bescheids erfolgt. In jedem Fall - so etwa auch bei der Beantragung eines Visums gem. § 3 Abs. 3 AufenthG zum Zwecke eines Daueraufenthalts vom Ausland aus - nimmt die Prüfung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einen gewissen Zeitraum in Anspruch, was auch für die Fälle gilt, in denen die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht von einer bestehenden Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden darf, denn auch die im Übrigen von dem Ausländer zu erfüllenden Voraussetzungen liegen nicht stets bereits bei der Antragstellung offen zutage. Auch im Falle einer Antragstellung vom Ausland her hätte die Schwester des Klägers daher mit der - hier seitens der Stadt Radolfzell für erforderlich gehaltenen - Prüfung zu rechnen gehabt, ob es sich bei ihrem am 27.01.2010 geborenen Sohn tatsächlich um einen deutschen Staatsangehörigen bzw. ob es sich bei Herrn K.C.A. tatsächlich um den leiblichen Vater ihres Sohnes handelt. Keineswegs hätte die Schwester des Klägers in diesem Fall eine sofortige Einreise in das Bundesgebiet bzw. eine sofortige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - ohne nähere Prüfung der weiteren Voraussetzungen - beanspruchen können.
32 
Dass in dem vorliegenden Fall das bei der Stadt Radolfzell geführte Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Schwester unangemessen lange gedauert hätte, vermag der Senat im Übrigen nicht anzunehmen, zumal abhängig von dem jeweiligen Arbeitsanfall in der Behörde auch die zeitweise Nichtbearbeitung eines Verwaltungsverfahrens - ohne dass dies zugleich zu einer überlangen Verfahrensdauer führt - nicht beanstandet werden kann. Insbesondere lässt sich für den Senat nicht erkennen, dass in dem vorliegenden Fall das zusätzlich angestrengte Verfahren nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, das zu einer zeitweisen Aussetzung des ausländerrechtlichen Verfahrens nach § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG geführt hat, nicht hätte durchgeführt werden dürfen.
33 
d) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Berufungsverhandlung im Hinblick auf die konkrete Höhe der vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung noch den Ansatz des sogenannten Taschengeldes nach dem AsylbLG bemängelt sowie die Höhe der geltend gemachten Kosten der Unterkunft bestritten hat, vermag auch dies keine (zumindest teilweise) Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide zu begründen. Denn bei dem von dem Beklagten angesetzten Taschengeld handelt es sich nach § 3 Abs. 1 S. 4 AsylbLG um eine zusätzliche Leistung an die Leistungsberechtigten „zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens“. Auch diese Beträge erachtet der Senat als „Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers“ i.S.v. § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG, zumal die mit der Gewährung eines „Taschengeldes“ erfolgte Ergänzung des Sachleistungsprinzips dem Leistungsberechtigten zwar für bestimmte Bedarfsbereiche eine gewisse Dispositionsfreiheit ermöglicht, indes wegen der Höhe des Barbetrags keinen ernsthaften Spielraum für zweckfremde Ausgaben zulässt (vgl. Hohm in GK-AsylbLG, Komm., Stand Dezember 2012, § 3 RdNr. 64 unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/4451). Hinsichtlich der bemängelten Höhe der Kosten für die Unterkunft der Schwester des Klägers (hier: bis November 2010 monatlich 180,-- EUR und ab Dezember 2010 monatlich 140,-- EUR) handelt es sich bei dem Einwand des Klägers lediglich um ein unsubstantiiertes Bestreiten. Nachdem der Vertreter des beklagten Landkreises in der Berufungsverhandlung hierauf entgegnet hat, die Kosten für die Unterkunft seien von dem Beklagten für die von ihm betriebene Asylbewerberunterkunft satzungsrechtlich festgelegt worden, sieht der Senat keinen Anlass, die Erstattungsforderung hinsichtlich der geltend gemachten Höhe der Unterkunftskosten zu beanstanden.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
35 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
36 
Beschluss
37 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 9.437,00 EUR festgesetzt.
38 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Die zulässige, insbesondere die Begründungsanforderungen des § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO erfüllende Berufung des Klägers ist unbegründet.
25 
Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers gegen den Erstattungsbescheid des Beklagten vom 31.03.2011 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 zu Recht abgewiesen, denn diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
26 
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb von einer ausführlichen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 130b S. 2 VwGO). Er merkt ergänzend nur das Folgende an:
27 
a) Einer direkten bzw. entsprechenden Anwendung der Bestimmung des § 60 LVwVfG auf die von dem Kläger gegenüber der Stadt Recklinghausen im März 2009 abgegebene Rücktrittserklärung steht nach der Auffassung des Senats auch entgegen, dass sich die Verhältnisse, die für die Abgabe der Verpflichtungserklärung des Klägers maßgebend gewesen waren, seit deren Abgabe nicht so wesentlich geändert haben dürften, dass dem Kläger ein Festhalten an dem Inhalt der Verpflichtungserklärung nicht mehr zuzumuten war. Denn die Verpflichtungserklärung stand nur insoweit in einem Bezug zu der Erteilung eines Visums an die Schwester des Klägers, als damit der Beginn der Verpflichtung nach § 68 AufenthG festgelegt worden ist. Im Übrigen knüpfte die Verpflichtungserklärung gerade nicht lediglich an die Geltungsdauer des der Schwester erteilten Visums zu Besuchszwecken an. Dass diese nach einer gewissen Zeit die Wohnung des Klägers verließ, um sodann einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte zu stellen, und dass sie zudem Mutter eines deutschen Sohnes wurde, kann nicht als derart außergewöhnlich i.S.v. § 60 Abs. 1 S. 1 LVwVfG aufgefasst werden, dass hierdurch der nach § 68 AufenthG übernommenen Verpflichtung die Grundlage entzogen worden wäre.
28 
b) Dass die Stellung eines Asylantrags nicht per se einer nach § 68 Abs. 1 AufenthG abgegebenen Verpflichtung ein Ende setzt (vgl. dazu ergänzend VG Trier, Urteil vom 05.06.2012 - 1 K 1591/11 -, juris, sowie auch unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten VG Münster, Urteil vom 14.06.2012 - 8 K 2632/10 - juris), entspricht jedenfalls dem Willen des Bundesgesetzgebers, wie er in der Bestimmung des § 8 Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG - seinen Ausdruck gefunden hat. Denn nach § 8 Abs. 1 S. 1 AsylbLG werden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere aufgrund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG gedeckt wird. Die Regelung setzt danach zwingend voraus, dass mit der Stellung eines Asylantrags, der Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auslöst, eine nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG abgegebene Verpflichtung nicht endet.
29 
Allerdings wirft die Regelung in § 8 Abs. 1 S. 1 AsylbLG in dem vorliegenden Zusammenhang die Frage auf, ob bei einer wirksamen Verpflichtung des Klägers nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG der beklagte Landkreis seiner Schwester Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz überhaupt rechtmäßig gewähren durfte. Denn nur eine rechtmäßige Leistungsgewährung ist dazu geeignet, eine Erstattungspflicht auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG auszulösen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 33.97 - BVerwGE 108,1). Indes erfordert § 8 Abs. 1 S. 1 AsylbLG, dass der Lebensunterhalt aufgrund der Verpflichtung nach § 68 AufenthG auch tatsächlich gedeckt worden ist (vgl. Scheider in GK-AsylbLG, Stand Januar 2013, RN 17, 18, 26; Groth in JurisPK-SGB XII, § 8 AsylbLG RN 17; VG Karlsruhe, Beschl. v. 18.3.2002 - 8 K 521/02 - InfAuslR 2003, 113; SG Dortmund, Beschl. v. 11.5.2011 - S 47 AY 58/11 - SAR 2011, 106 m. w. N. aus der Kommentarliteratur), was in dem hier zu entscheidenden Fall für den vorliegend maßgeblichen Zeitraum ab der Asylantragstellung der Schwester des Klägers von diesem nicht geltend gemacht worden und für den Senat auch nicht ersichtlich ist.
30 
Ebenso wenig vermag sich der Kläger darauf zu berufen, dass der Beklagte in Anwendung von § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG jedenfalls die für Erkrankungen seiner Schwester aufgewendeten Kosten zu übernehmen gehabt hätte. Besteht eine Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG, übernimmt nach § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG zwar die zuständige Behörde die Kosten für Leistungen im Krankheitsfall, bei Behinderung und bei Pflegebedürftigkeit. Dies gilt indes nur, soweit es durch das jeweilige Landesrecht vorgesehen ist (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 AsylbLG am Ende). Eine dementsprechende landesrechtliche Regelung besteht indes - auch nach dem Bekunden des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung - in Baden-Württemberg nicht. Insbesondere sehen dies die Regelungen des baden-württembergischen Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen (FlüAG), das nach seinem § 1 Nr. 2 auch die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes regelt, nicht vor.
31 
c) Dem von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur bei der Beurteilung der Frage, zu welchem Zeitpunkt eine einmal übernommene Verpflichtung nach § 68 AufenthG endet, bemühte Gesichtspunkt, dass jedenfalls die Abgabe einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG dann nicht gefordert werden könne, wenn auch bei mangelnder Sicherung des Lebensunterhalts des Ausländers ein Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - wie etwa im Fall des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 AufenthG - bestehe, wird nach der Auffassung des Senats jedenfalls dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass - wie dies in dem bundeseinheitlich verwendeten Vordruck für eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG vorgesehen ist - die Zahlungsverpflichtung mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck endet. Eine Vorverlegung des Endes der Zahlungsverpflichtung etwa bereits auf den Zeitpunkt eines „Hineinwachsens in eine Anspruchsposition“, auf den Zeitpunkt des Entstehens des materiellen Erteilungsanspruchs oder auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist nach der Auffassung des Senats rechtlich nicht geboten. Soweit die Gegenauffassung darauf abstellt, wegen der Verknüpfung mit dem für den Aufenthaltstitel maßgeblichen materiellen Recht ende die Wirksamkeit einer zunächst nicht zu beanstandenden Verpflichtungserklärung dann, wenn die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht mehr von einer bestehenden Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden dürfe und der Ausländer später in einer unbedingte Anspruchsposition hinsichtlich eines Aufenthaltstitels hineinwachse (vgl. etwa Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Komm., Stand März 2012, § 68 AufenthG RdNr. 5), lässt sie unberücksichtigt, dass auch bei dem Vorliegen einer sog. „unbedingten Anspruchsposition“ eine solche von dem Ausländer zunächst - im Wege eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - geltend zu machen ist, die (etwaigen sonstigen) Anspruchsvoraussetzungen sodann von der zuständigen Ausländerbehörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zu prüfen sind und schließlich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - jedenfalls in der Regel (vgl. zur ausnahmsweisen rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 14.97 -, NVwZ 1999, 306) - erst zu dem Zeitpunkt des entsprechenden stattgebenden Bescheids erfolgt. In jedem Fall - so etwa auch bei der Beantragung eines Visums gem. § 3 Abs. 3 AufenthG zum Zwecke eines Daueraufenthalts vom Ausland aus - nimmt die Prüfung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einen gewissen Zeitraum in Anspruch, was auch für die Fälle gilt, in denen die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht von einer bestehenden Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden darf, denn auch die im Übrigen von dem Ausländer zu erfüllenden Voraussetzungen liegen nicht stets bereits bei der Antragstellung offen zutage. Auch im Falle einer Antragstellung vom Ausland her hätte die Schwester des Klägers daher mit der - hier seitens der Stadt Radolfzell für erforderlich gehaltenen - Prüfung zu rechnen gehabt, ob es sich bei ihrem am 27.01.2010 geborenen Sohn tatsächlich um einen deutschen Staatsangehörigen bzw. ob es sich bei Herrn K.C.A. tatsächlich um den leiblichen Vater ihres Sohnes handelt. Keineswegs hätte die Schwester des Klägers in diesem Fall eine sofortige Einreise in das Bundesgebiet bzw. eine sofortige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - ohne nähere Prüfung der weiteren Voraussetzungen - beanspruchen können.
32 
Dass in dem vorliegenden Fall das bei der Stadt Radolfzell geführte Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Schwester unangemessen lange gedauert hätte, vermag der Senat im Übrigen nicht anzunehmen, zumal abhängig von dem jeweiligen Arbeitsanfall in der Behörde auch die zeitweise Nichtbearbeitung eines Verwaltungsverfahrens - ohne dass dies zugleich zu einer überlangen Verfahrensdauer führt - nicht beanstandet werden kann. Insbesondere lässt sich für den Senat nicht erkennen, dass in dem vorliegenden Fall das zusätzlich angestrengte Verfahren nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, das zu einer zeitweisen Aussetzung des ausländerrechtlichen Verfahrens nach § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG geführt hat, nicht hätte durchgeführt werden dürfen.
33 
d) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Berufungsverhandlung im Hinblick auf die konkrete Höhe der vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung noch den Ansatz des sogenannten Taschengeldes nach dem AsylbLG bemängelt sowie die Höhe der geltend gemachten Kosten der Unterkunft bestritten hat, vermag auch dies keine (zumindest teilweise) Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide zu begründen. Denn bei dem von dem Beklagten angesetzten Taschengeld handelt es sich nach § 3 Abs. 1 S. 4 AsylbLG um eine zusätzliche Leistung an die Leistungsberechtigten „zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens“. Auch diese Beträge erachtet der Senat als „Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers“ i.S.v. § 68 Abs. 1 S. 1 AufenthG, zumal die mit der Gewährung eines „Taschengeldes“ erfolgte Ergänzung des Sachleistungsprinzips dem Leistungsberechtigten zwar für bestimmte Bedarfsbereiche eine gewisse Dispositionsfreiheit ermöglicht, indes wegen der Höhe des Barbetrags keinen ernsthaften Spielraum für zweckfremde Ausgaben zulässt (vgl. Hohm in GK-AsylbLG, Komm., Stand Dezember 2012, § 3 RdNr. 64 unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/4451). Hinsichtlich der bemängelten Höhe der Kosten für die Unterkunft der Schwester des Klägers (hier: bis November 2010 monatlich 180,-- EUR und ab Dezember 2010 monatlich 140,-- EUR) handelt es sich bei dem Einwand des Klägers lediglich um ein unsubstantiiertes Bestreiten. Nachdem der Vertreter des beklagten Landkreises in der Berufungsverhandlung hierauf entgegnet hat, die Kosten für die Unterkunft seien von dem Beklagten für die von ihm betriebene Asylbewerberunterkunft satzungsrechtlich festgelegt worden, sieht der Senat keinen Anlass, die Erstattungsforderung hinsichtlich der geltend gemachten Höhe der Unterkunftskosten zu beanstanden.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
35 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
36 
Beschluss
37 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 9.437,00 EUR festgesetzt.
38 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmung nach nur vorübergehenden Aufenthalt bei der Erteilung oder der zuletzt erfolgten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen hat.

(3) Vor der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist festzustellen, ob der Ausländer einer etwaigen Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Integrationskurs nachgekommen ist. Verletzt ein Ausländer seine Verpflichtung nach § 44a Abs. 1 Satz 1 zur ordnungsgemäßen Teilnahme an einem Integrationskurs, ist dies bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen. Besteht kein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, soll bei wiederholter und gröblicher Verletzung der Pflichten nach Satz 1 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden. Besteht ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur nach diesem Gesetz, kann die Verlängerung abgelehnt werden, es sei denn, der Ausländer erbringt den Nachweis, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist. Bei der Entscheidung sind die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, schutzwürdige Bindung des Ausländers an das Bundesgebiet und die Folgen einer Aufenthaltsbeendigung für seine rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen zu berücksichtigen. War oder ist ein Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 44a Absatz 1 Satz 1 verpflichtet, soll die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis jeweils auf höchstens ein Jahr befristet werden, solange er den Integrationskurs noch nicht erfolgreich abgeschlossen oder noch nicht den Nachweis erbracht hat, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist.

(4) Absatz 3 ist nicht anzuwenden auf die Verlängerung einer nach § 25 Absatz 1, 2 oder Absatz 3 erteilten Aufenthaltserlaubnis.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Zugleich wendet er sich gegen mehrere Gebührenbescheide.

2

Der Kläger, ein 1980 geborener türkischer Staatsangehöriger, kam 2003 zum Studium nach Deutschland. Er erhielt zunächst eine Aufenthaltsbewilligung, später eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG, die mehrfach - zuletzt bis Juni 2010 - verlängert wurde. Ab Januar 2004 war er bei der RWTH A. beschäftigt.

3

Im April 2010 beantragte der Kläger, ihm zu bestätigen, dass ihm spätestens seit August 2009 ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht zustehe. Außerdem beantragte er die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sowie einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG. Im Juni 2010 stellte die Beklagte dem Kläger rückwirkend zum 1. August 2009 eine auf den 30. Juni 2011 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG aus. Hierfür zahlte der Kläger eine Gebühr in Höhe von 40 €.

4

Im Juli 2010 erhob der Kläger Klage. Während des Klageverfahrens verlängerte die Beklagte die Aufenthaltserlaubnis des Klägers im Juni 2011 um ein Jahr und erteilte ihm im März 2012 eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG als eigenständiges Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium. Hierfür zahlte der Kläger Gebühren in Höhe von 30 € und 135 €. Hinsichtlich des Begehrens auf Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG wurde das Verfahren eingestellt. Zuletzt beantragte der Kläger vor dem Verwaltungsgericht, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Außerdem beantragte er, die Gebührenbescheide der Beklagten vom 9. Juni 2010 über 40 €, vom 15. Juni 2011 über 30 € und vom 20. Januar 2012 über 135 € aufzuheben, soweit sie den Betrag von 20,45 €, 15,45 € bzw. 30,68 € übersteigen, und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Überzahlung in Höhe von insgesamt 138,42 € nebst Zinsen zurückzuzahlen.

5

Das Verwaltungsgericht Aachen hat der Klage mit Urteil vom 14. März 2012 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Hinsichtlich des Begehrens auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis fehle dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da dieser Aufenthaltstitel unter bestimmten Voraussetzungen einen besseren Schutz gewähre als eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG. Nach dem Wortlaut des Aufenthaltsgesetzes bestehe ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ohne Begrenzung auf einen einzelnen Titel. Auch aus der Systematik des Aufenthaltsgesetzes lasse sich nicht ableiten, dass mehrere Aufenthaltstitel nicht nebeneinander erteilt werden könnten. Die Richtlinie 2003/109/EG gehe ebenfalls von einem Nebeneinander aus. Der in der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 hervorgehobene Grundsatz "eine Person - ein Dokument" beziehe sich auf das technische Dokument, in dem die dem Aufenthalt zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen anzugeben seien. Bei Schwierigkeiten praktischer Art müsse die technische Ausgestaltung der Aufenthaltstitel den gesetzlichen Verpflichtungen angepasst werden.

6

Die Gebührenforderungen verstießen im angefochtenen Umfang gegen die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 und gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 10 ARB 1/80, da sie höher seien als die Gebühren für die Ausstellung vergleichbarer Aufenthaltstitel bei Inkrafttreten des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 am 1. Dezember 1980 und sie im Vergleich zu den von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten verlangten Gebühren unverhältnismäßig seien. Der Gebührenbescheid vom 9. Juni 2010 über 40 € betreffe die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG. Für die Erteilung einer vergleichbaren Aufenthaltserlaubnis habe die Gebühr im Dezember 1980  40 DM (= 20,45 €) betragen; dies entspreche selbst bei einer inflationsbereinigten Umrechnung nur 37,43 €. Unionsbürger hätten - im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheids - für die Ausstellung einer Aufenthaltsbescheinigung keine Gebühren entrichten müssen. Der Gebührenbescheid vom 15. Juni 2011 über 30 € betreffe die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Im Dezember 1980 habe die Gebühr für eine vergleichbare Verlängerung 30 DM (= 15,45 €) betragen; dies entspreche selbst bei einer inflationsbereinigten Umrechnung nur 28,71 €. Da Unionsbürger bei Erlass des Bescheids keine vergleichbare Gebühr hätten zahlen müssen, sei auch diese Gebühr unverhältnismäßig. Der Gebührenbescheid vom 20. Januar 2012 über 135 € betreffe die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG. Auch diese Gebühr verstoße - jedenfalls soweit sie den Betrag von 30,68 € übersteige - gegen Art. 10 und 13 ARB 1/80. Als Vergleichsmaßstab sei die Aufenthaltsberechtigung nach § 8 AuslG 1965 heranzuziehen. Im Dezember 1980 habe die Gebühr für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels 60 DM (= 30,68 €) betragen; dies entspreche selbst bei einer inflationsbereinigten Umrechnung nur 57,89 €. Unionsbürger hätten im Januar 2012 für die Bescheinigung ihres Daueraufenthalts lediglich 8 € und ihre freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte oder einer Daueraufenthaltskarte höchstens 28,80 € zahlen müssen. Der Assoziationsrechtswidrigkeit stehe nicht entgegen, dass die Erhöhung der Gebühr im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels stehe, der auf Unionsebene für Drittstaatsangehörige verbindlich vorgeschrieben worden sei und zusätzliche Material- und Verwaltungskosten verursache. Der Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus § 21 VwKostG; ab Rechtshängigkeit sei er in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen.

7

Die Beklagte macht mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision geltend, für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis fehle schon das Rechtsschutzbedürfnis. Außerdem widerspreche die Erteilung mehrerer Aufenthaltstitel nebeneinander der Systematik des Aufenthaltsgesetzes. Die Ausstellung eines zweiten (elektronischen) Aufenthaltstitels sei zudem technisch nicht möglich. Hinsichtlich der Gebührenbescheide fehle es an einer neuen Beschränkung im Sinne des Art. 13 ARB 1/80. Die Anhebung der Gebühren stelle sich im Wesentlichen als eine aufgerundete Anpassung an die Geldentwertung dar und sei nicht geeignet, die Verwirklichung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu behindern. Die Gebühren seien auch nicht unverhältnismäßig höher als die Gebühren, die Unionsbürger unter "gleichartigen Umständen" zu zahlen hätten. Die Erhöhung der Gebühr für die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG sei auf die Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels zurückzuführen. Dieser Aufenthaltstitel sei mit der Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts bei Unionsbürgern nicht vergleichbar. Er sei mit einem höheren Material- und Verwaltungsaufwand verbunden und diene der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 ARB 1/80.

8

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und unterstützt die Revision der Beklagten.

10

Der Kläger ist während des Revisionsverfahrens umgezogen. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass sie das Verfahren mit Zustimmung der für den neuen Wohnort zuständigen Ausländerbehörde fortführt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das der Klage in vollem Umfang stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ist im Ergebnis mit revisiblem Recht zu vereinbaren. Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zusätzlich zu der ihm bereits erteilten Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG (1.). Die Gebührenbescheide sind, soweit der Kläger sie angegriffen hat, wegen Verstoßes gegen das Assoziationsrecht EWG-Türkei rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (2.). Hinsichtlich des Rückzahlungsbegehrens war im Tenor allerdings klarzustellen, dass die Beklagte insoweit nicht verpflichtet, sondern verurteilt wird (3.).

12

1. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte ohne Verstoß gegen Bundesrecht zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis verpflichtet.

13

1.1 Der Umstand, dass der Kläger bereits Inhaber einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ist, stellt das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht in Frage. Denn der (zusätzliche) Besitz einer Niederlassungserlaubnis würde seine aufenthaltsrechtliche Rechtsposition verbessern. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für ihn völlig nutzlos wäre.

14

Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG sind beides unbefristete und weitgehend unbeschränkte Aufenthaltstitel, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen (§ 9 Abs. 1, § 9a Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG). Bei Umsetzung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl EU Nr. L 16 S. 44) - Daueraufenthaltsrichtlinie - hat der deutsche Gesetzgeber entschieden, die Vorgaben dieser Richtlinie durch Schaffung eines neuen Aufenthaltstitels umzusetzen, der nach unionsrechtlichen Grundsätzen erteilt wird. Daneben besteht weiterhin die Möglichkeit der Aufenthaltsverfestigung über eine Niederlassungserlaubnis. Soweit das Aufenthaltsgesetz nichts anderes regelt, ist die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG der Niederlassungserlaubnis gleichgestellt (§ 9a Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Über diese "Gleichstellung" hinaus, gewährt die Daueraufenthaltserlaubnis-EG weitergehende Rechte, die dem Inhaber einer Niederlassungserlaubnis nicht zustehen, etwa das Recht zum Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten nach Art. 14 ff. der Richtlinie 2003/109/EG. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass umgekehrt die Niederlassungserlaubnis dem Ausländer bei den Erlöschensgründen eine geringfügig bessere Rechtsstellung gewährt. Denn die Daueraufenthaltserlaubnis-EG erlischt - in Umsetzung der Vorgaben aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109/EG - kraft Gesetzes, wenn der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat erwirbt (§ 51 Abs. 9 Nr. 5 AufenthG), während eine Niederlassungserlaubnis in diesem Fall nur unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG und unter Berücksichtigung der nach § 51 Abs. 2 bis 4 AufenthG geltenden Einschränkungen entfällt. Dieser Nachteil der Daueraufenthaltserlaubnis-EG wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass einem Ausländer mit dem Erwerb der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat unter den Voraussetzungen des § 38a AufenthG in Deutschland ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht, wenn er sich länger als drei Monate hier aufhalten will. Denn dieser Anspruch bleibt hinter den Rechtswirkungen einer fortbestehenden Niederlassungserlaubnis zurück. Der Kläger muss sich auch nicht entgegenhalten lassen, dass derzeit ungewiss ist, ob er jemals auf den weitergehenden Schutz der Niederlassungserlaubnis angewiesen sein wird, und ihm bei einem entsprechenden Bedürfnis zu einem späteren Zeitpunkt eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden könnte. Denn der Besitz einer Niederlassungserlaubnis bewirkt eine vom weiteren Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen unabhängige Aufenthaltsverfestigung.

15

1.2 Die Klage richtet sich gegen die richtige Beklagte. Der Kläger ist während des Revisionsverfahrens zwar umgezogen. Die für den neuen Wohnort zuständige Ausländerbehörde hat der Beklagten aber die Zustimmung zur Fortführung des Verfahrens in eigener Zuständigkeit erteilt (vgl. Art. 3 Abs. 3 LVwVfG NRW). Eine solche Handhabung ist rechtlich nicht zu beanstanden und dient der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens (Urteil vom 24. Mai 1995 - BVerwG 1 C 7.94 - BVerwGE 98, 313 <316> = Buchholz 402.240 § 24 AuslG 1990 Nr. 1).

16

1.3 Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Er erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 AufenthG. Auch materiell steht dem Anspruch nicht entgegen, dass er bereits im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ist. Ein Verbot beider Aufenthaltstitel nebeneinander mit der Folge, dass dem Kläger nur einer dieser beiden Aufenthaltstitel erteilt werden könnte, ist dem Aufenthaltsgesetz nicht zu entnehmen. Es widerspräche auch der Systematik des Aufenthaltsgesetzes.

17

a) Das Aufenthaltsgesetz enthält keine allgemeine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn ein Ausländer die gesetzlichen Voraussetzungen für mehrere Aufenthaltstitel erfüllt. Soweit § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet "eines" Aufenthaltstitels bedürfen, kann dem nur entnommen werden, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet unter einem Erlaubnisvorbehalt steht (BTDrucks 15/420 S. 68). Das Erfordernis einer Erlaubnis zum Aufenthalt im Bundesgebiet sagt aber nichts darüber aus, ob bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mehrerer Aufenthaltstitel nur ein Aufenthaltstitel erteilt werden darf. Soweit in der Gesetzesbegründung zum Zuwanderungsgesetz darauf hingewiesen wird, dass "die gesetzliche Grundlage" für die Erteilung "eines" Aufenthaltstitels auf dem Dokument vermerkt werde (BTDrucks 15/420 S. 69), schließt dies die Erteilung mehrerer Aufenthaltstitel aufgrund unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen nicht aus.

18

Die Vorschriften über die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG enthalten ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine wechselbezügliche Sperrwirkung. Beide Aufenthaltstitel beruhen auf unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen mit eigenständigen Tatbestandsvoraussetzungen. Auch in den Rechtsfolgen stimmen sie zwar weitgehend, aber eben nicht vollständig überein. Vielmehr handelt es sich nach der gesetzlichen Ausgestaltung um zwei gleichberechtigt nebeneinander gestellte Aufenthaltstitel, die beide dem Inhaber einen dauerhaften Aufenthalt ermöglichen.

19

b) Dass einem Ausländer - solange das Gesetz nicht eindeutig etwas anderes bestimmt - mehrere Aufenthaltstitel nebeneinander erteilt werden können, ergibt sich insbesondere aus dem dem Aufenthaltsgesetz zugrunde liegenden Konzept unterschiedlicher Aufenthaltstitel mit jeweils eigenständigen Rechtsfolgen. In Umsetzung dieses Konzepts definiert das Aufenthaltsgesetz verschiedene Aufenthaltstitel (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) und regelt deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Erfüllt ein Ausländer - wie hier - sowohl die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG als auch einer Niederlassungserlaubnis, hat er nach dem Gesetz einen Anspruch auf beide Aufenthaltstitel. Folglich sind ihm auf einen entsprechenden Antrag hin beide Aufenthaltstitel zu erteilen. Denn nur so kann der Ausländer von den mit beiden Aufenthaltstiteln verbundenen Rechtsvorteilen effektiv Gebrauch machen. Müsste er sich für einen der beiden Aufenthaltstitel entscheiden, würden ihm hierdurch die nur mit dem anderen Titel verbundenen Rechtsvorteile verlorengehen, obwohl er nach dem Gesetz auch auf diesen Titel und die damit verbundenen Rechtsvorteile einen Anspruch hat.

20

Die gleichzeitige Erteilung einer Niederlassungserlaubnis neben einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG führt nicht zu einer vom Aufenthaltsrecht nicht gedeckten Rechtsstellung des Ausländers. Er erhält hierdurch insbesondere kein über die gesetzlich geregelten Aufenthaltstitel hinausgehendes "neues" Aufenthaltsrecht, sondern lediglich zwei Aufenthaltstitel, die in ihren Rechtsfolgen und in ihrem Fortbestand weiterhin jeweils ihren eigenen Regelungen unterliegen. Damit lässt sich auch beim Besitz mehrerer Aufenthaltstitel der aufenthaltsrechtliche Status des Ausländers jederzeit eindeutig bestimmen. Dass dem Aufenthaltsgesetz das gleichzeitige Bestehen verschiedener - in ihren Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestalteter - Rechtsstellungen eines Ausländers nicht fremd ist, zeigt im Übrigen die Regelung in § 4 Abs. 5 AufenthG. Danach ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt. Dem ist zu entnehmen, dass das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts, das in seinen Rechtsfolgen und in seinem Fortbestand ebenfalls eigenen Regelungen unterliegt, der (konstitutiven) Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht (so im Ergebnis auch Nr. 4.5.1 der VV-AufenthG).

21

Auch das in §§ 7 und 8 AufenthG verankerte Trennungsprinzip steht der gleichzeitigen Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG und einer Niederlassungserlaubnis nicht entgegen. Dieses Prinzip besagt lediglich, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - anders als zuvor die Aufenthaltserlaubnis nach § 15 AuslG 1990 - nur für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt wird. An diesen knüpft das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen, etwa hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder der Verfestigung des Aufenthalts. Das hat zur Folge, dass ein Ausländer seine aufenthaltsrechtlichen Ansprüche nur aus den Rechtsgrundlagen ableiten kann, die der Gesetzgeber für die spezifischen, vom Ausländer verfolgten Aufenthaltszwecke geschaffen hat. Damit handelt es sich bei den unterschiedlichen Arten von Aufenthaltserlaubnissen um jeweils eigenständige Regelungsgegenstände, die zueinander im Verhältnis der Anspruchskonkurrenz stehen (Urteile vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 Rn. 26 = Buchholz 402.242 § 31 AufenthG Nr. 2 und vom 9. Juni 2009 - BVerwG 1 C 11.08 - BVerwGE 134, 124 Rn. 13 = Buchholz 402.242 § 7 AufenthG Nr. 3). Das Trennungsprinzip verhält sich hingegen nicht zu der vorgelagerten Frage, ob ein Ausländer immer nur einen Aufenthaltstitel beanspruchen kann oder ob ihm bei Vorliegen der gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen und Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses auf einen entsprechenden Antrag hin auch mehrere Aufenthaltstitel - ggf. zu unterschiedlichen Zwecken - erteilt werden müssen. Es wirft in dem hier vorliegenden Fall auch deshalb keine Probleme auf, weil es sich bei der Niederlassungserlaubnis und der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG um unbefristete Aufenthaltstitel handelt, die keiner Zweckbindung unterliegen.

22

c) Ungeachtet dieses sich bereits aus dem nationalen Recht ergebenden Befunds finden sich auch in der Richtlinie 2003/109/EG keine Anhaltspunkte für die Zulässigkeit einer Sperrwirkung. Vorrangiges Ziel dieser Richtlinie ist die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind. Erfüllt ein Drittstaatsangehöriger die in der Richtlinie aufgestellten Bedingungen, hat er Anspruch auf Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten und der weiteren Rechte, die sich aus der Zuerkennung dieser Rechtsstellung ergeben (EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - Rs. C-508/10, Kommission/Niederlande u.a. - ABl EU Nr. C 174 S. 7 = InfAuslR 2012, 253 Rn. 65 ff.). Die Richtlinie verbietet den Mitgliedstaaten zwar nicht, für die Ausstellung dauerhafter oder unbefristeter Aufenthaltstitel günstigere Voraussetzungen als diejenigen der Richtlinie vorzusehen (Art. 13 der Richtlinie). Der nationale Gesetzgeber durfte daher die bestehenden Regelungen über die Niederlassungserlaubnis beibehalten. Dem Unionsrecht ist aber nicht zu entnehmen, dass sich ein Drittstaatsangehöriger in diesem Fall für einen der beiden Aufenthaltstitel entscheiden muss, wenn sie - wie hier - in Teilbereichen unterschiedliche Vorteile gewähren (vgl. hierzu auch Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Richtlinie 2003/109/EG betreffend der Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, KOM <2011> 585 endg. S. 8 ABl EU Nr. C 335 S. 20).

23

d) Der Einwand der Beklagten, die Erteilung eines zweiten elektronischen Aufenthaltstitels sei ihr technisch nicht möglich, übersieht, dass es für die Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis nicht der Ausstellung eines weiteren Dokuments bedarf. Die erforderlichen Eintragungen können als Zusatz zur Art des Titels oder im Anmerkungsfeld vorgenommen werden (Urteil vom 22. Mai 2012 - BVerwG 1 C 6.11 - BVerwGE 143, 150 Rn. 30 unter Hinweis auf § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8 und 12 AufenthG, § 59 Abs. 2 i.V.m. Anl. D 14a AufenthVO, Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Anhang a) Verordnung Nr. 1030/2002 des Rates vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige, in der durch VO Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 geänderten Fassung ABl EG Nr. L 115 S. 1). Damit ergeben sich auch weder aus der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 noch aus dem Grundsatz "eine Person - ein Dokument" durchgreifende Bedenken gegen die gleichzeitige Erteilung einer Niederlassungserlaubnis neben einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG.

24

2. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht auch hinsichtlich der angegriffenen Gebührenbescheide stattgegeben. Diese sind, soweit der Kläger sie angefochten hat, rechtswidrig. Zwar ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass nicht nur der Gebührenbescheid vom 20. Januar 2012, sondern auch die Gebührenbescheide vom 9. Juni 2010 und 15. Juni 2011 gegen die Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ANBA 1981 S. 4) - ARB 1/80 - verstoßen, mit Bundesrecht nicht zu vereinbaren (2.1). Diese Annahme ist aber nicht entscheidungstragend, da alle drei Gebührenbescheide jedenfalls das Diskriminierungsverbot des Art. 10 ARB 1/80 verletzen (2.2). Offen bleiben kann, ob der Gebührenbescheid vom 20. Januar 2012 darüber hinaus mit der Richtlinie 2003/109/EG zu vereinbaren ist (2.3).

25

Die Rechtmäßigkeit der Gebührenbescheide bestimmt sich grundsätzlich - und so auch hier - nach der im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblichen Rechtslage (Urteil vom 16. Oktober 2012 - BVerwG 10 C 6.12 - Rn. 12, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).

26

Der Gebührenbescheid vom 9. Juni 2010, der die rückwirkende Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG anstelle der dem Kläger zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG betrifft, findet seine Rechtsgrundlage in § 69 AufenthG i.d.F. des Gesetzes zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten - GewVVG - vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2437) i.V.m. § 45 Nr. 3 AufenthV i.d.F. vom 15. Juni 2009 (BGBl I S. 1287) - AufenthV 2009/2010. Danach ist für die durch einen Wechsel des Aufenthaltszwecks veranlasste Änderung der Aufenthaltserlaubnis einschließlich deren Verlängerung eine Gebühr in Höhe von 40 € zu erheben. Der Anwendung dieses Gebührentatbestands steht nicht entgegen, dass die der Gebührenerhebung zugrunde liegende Aufenthaltserlaubnis auf einem assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht beruht. Denn türkische Staatsangehörige, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, sind unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 AufenthG verpflichtet, das Bestehen dieses Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen. Auch die Ausstellung einer solchen - deklaratorischen - Aufenthaltserlaubnis unterfällt der Gebührenregelung in § 45 AufenthV 2009/2010.

27

Der Gebührenbescheid vom 15. Juni 2011, der die Verlängerung der nach § 4 Abs. 5 AufenthG ausgestellten Aufenthaltserlaubnis betrifft, findet seine Rechtsgrundlage in § 69 AufenthG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des deutschen Rechts an die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 zur Änderung der Verordnung Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige - EGV380/2008AnpG - vom 12. April 2011 (BGBl I S. 610) i.V.m. § 45 Nr. 2 Buchst. b AufenthV i.d.F. vom 2. August 2010 (BGBl I S. 1134) - AufenthV 2010/2011. Danach ist für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für einen weiteren Aufenthalt von mehr als drei Monaten eine Gebühr in Höhe von 30 € zu erheben. Auch hier steht der Anwendung des § 45 AufenthV 2010/2011 nicht entgegen, dass der Verlängerung lediglich deklaratorische Wirkung zukommt.

28

Der Gebührenbescheid vom 20. Januar 2012 über 135 € betrifft schließlich die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG nach § 9a AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsdokument im Scheckkartenformat mit integriertem Chip (vgl. § 78 AufenthG; sog. elektronischer Aufenthaltstitel). Er findet seine Rechtsgrundlage in § 69 Abs. 1 AufenthG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex - EURL/VisakodexUmsG - vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) i.V.m. § 44a AufenthV i.d.F. vom 25. November 2011 (BGBl I S. 2347) - AufenthV 2011/2012.

29

2.1. Mit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 nicht zu vereinbaren ist nur der Gebührenbescheid vom 20. Januar 2012. Die den Bescheiden vom 9. Juni 2010 und 15. Juni 2011 zugrunde liegenden Gebühren stellen hingegen schon keine neue Beschränkung im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 dar.

30

Der Kläger erfüllt aufgrund seiner Beschäftigung bei der RWTH A. unstreitig die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80. Als türkischer Arbeitnehmer kann er sich auf die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 berufen. Danach dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Der EuGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass diese Bestimmung unmittelbare Wirkung entfaltet, so dass sich türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen der Stillhalteklausel erfüllen, vor den innerstaatlichen Gerichten auf diese Vorschrift berufen können, um die Anwendung entgegenstehender Vorschriften des innerstaatlichen Rechts auszuschließen (EuGH, Urteil vom 17. September 2009 - Rs. C-242/06, Sahin - Slg. 2009, I-08465 Rn. 53 ff. m.w.N.).

31

Art. 13 ARB 1/80 verbietet die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung in dem betreffenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17. September 2009 a.a.O. Rn. 63). Maßgeblich für diesen Vergleich ist die am 1. Dezember 1980 geltende Rechtslage (Art. 16 Abs. 1 ARB 1/80; Urteil vom 8. Dezember 2009 - BVerwG 1 C 16.08 - BVerwGE 135, 334 Rn. 23 = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 58; EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - Rs. C-300/09 und C-301/09, Toprak und Oguz - Slg. 2010, I-12845 Rn. 62). Darüber hinaus erfasst die Stillhalteklausel auch die nachträgliche Verschärfung einer nach diesem Stichtag in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeführten Bestimmung, die eine Erleichterung der damals geltenden Bestimmungen vorsah, auch wenn diese Verschärfung nicht die Bedingungen für die Erteilung der Erlaubnis im Vergleich zu den bei Inkrafttreten geltenden Bedingungen verschlechtert (EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 50 ff.). Nicht jede Änderung einer nationalen Bestimmung stellt aber eine Verschärfung dar. Die Stillhalteklausel ist darauf gerichtet, günstige Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu schaffen, indem den innerstaatlichen Stellen verboten wird, neue Hindernisse für diese Freiheit einzuführen, um die schrittweise Herstellung dieser Freiheit zwischen den Mitgliedstaaten und der Republik Türkei nicht zu erschweren (EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 53). Änderungen bestehender Vorschriften führen daher nur dann zu einer neuen Beschränkung im Sinne des Art. 13 ARB 1/80, wenn sie ein neues Hindernis für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit begründen (EuGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 54). Der Erlass neuer Vorschriften steht allerdings dann nicht im Widerspruch zur Stillhalteklausel, wenn die neuen Vorschriften in gleicher Weise auf türkische Staatsangehörige und auf Unionsbürger Anwendung finden. Andernfalls befänden sich türkische Staatsangehörige in einer günstigeren Position als Unionsbürger, was gegen Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen vom 23. November 1970 (BGBl 1972 II S. 385) - Zusatzprotokoll (ZP) - verstieße, wonach der Republik Türkei keine günstigere Behandlung gewährt werden darf als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander einräumen (EuGH, Urteil vom 17. September 2009 a.a.O. Rn. 67).

32

Hieraus hat der EuGH gefolgert, dass die Stillhalteklausel die Einführung von Gebühren für die Ausstellung von Aufenthaltsdokumenten nicht hindert, solange diese im Vergleich zu Gebühren, die Unionsbürger in vergleichbarer Lage zu zahlen haben, nicht unverhältnismäßig sind (EuGH, Urteil vom 17. September 2009 a.a.O. Rn. 69 ff.). Dabei ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht jede im Vergleich zur Lage der Unionsbürger höhere Gebühr notwendigerweise unverhältnismäßig (EuGH, Urteil vom 29. April 2010 - Rs. C-92/07, Kommission/Niederlande - Slg. 2010, I-03683 Rn. 71). Vielmehr geht der Gerichtshof davon aus, dass Gebühren, die etwas höher sind als die von Unionsbürgern für die Ausstellung entsprechender Dokumente verlangten, in bestimmten Sonderfällen als verhältnismäßig angesehen werden können.

33

a) In Anwendung dieser Grundsätze verstößt der Bescheid vom 9. Juni 2010 nicht gegen Art. 13 ARB 1/80. Denn die Erhebung einer Gebühr in Höhe von 40 € für die (rückwirkende) Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG mit einer Geltungsdauer von zwei Jahren stellt gegenüber der am 1. Dezember 1980 geltenden Rechtslage keine neue Beschränkung im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 dar.

34

Dies ergibt sich allerdings nicht schon aus dem Umstand, dass türkische Arbeitnehmer in Deutschland - im Gegensatz zur Rechtslage in den Niederlanden, die den Urteilen des EuGH vom 17. September 2009 (a.a.O.) und vom 29. April 2010 (a.a.O.) zugrunde lag - bereits im Dezember 1980 für die Ausstellung von Aufenthaltsdokumenten Gebühren entrichten mussten. Denn auch die Änderung einer bereits vorhandenen Regelung kann zu einer Verschärfung der Bedingungen für den Arbeitsmarktzugang führen. Allein die zwischenzeitliche Erhöhung der Gebühren in Deutschland begründet in Bezug auf die dem Bescheid vom 9. Juni 2010 zugrunde liegende Gebühr aber noch kein neues Hindernis für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c der im Dezember 1980 geltenden Gebührenverordnung zum Ausländergesetz vom 20. Dezember 1977 (BGBl I S. 2840) - AuslGebV - betrug die Gebühr bei Aufenthaltserlaubnissen für einen Aufenthalt von länger als einem Jahr 40 DM. Dies ergibt nach dem amtlichen Umrechnungskurs 20,45 € und entspricht - nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit bindenden tatrichterlichen Feststellungen - bei einer inflationsbereinigten Umrechnung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt 37,43 €. Die im Bescheid vom 9. Juni 2010 festgesetzte Gebühr liegt damit inflationsbereinigt nur unwesentlich über der am 1. Dezember 1980 zu entrichtenden Gebühr. Allein die - geringfügig aufgerundete - Anpassung einer Gebühr an die Geldentwertung begründet aber noch kein neues Hindernis für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Denn in diesem Fall bleibt die tatsächliche Belastung im Wesentlichen gleich. Ein Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 scheidet daher aus, ohne dass es darauf ankommt, ob die festgesetzte Gebühr im Vergleich zu den Gebühren, die von Unionsbürgern im Juni 2010 für die Ausstellung entsprechender Dokumente verlangt wurden, unverhältnismäßig ist.

35

b) Gleiches gilt hinsichtlich der dem Bescheid vom 15. Juni 2011 zugrunde liegenden Gebühr in Höhe von 30 € für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG um ein Jahr. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 Buchst. b AuslGebV betrug im Dezember 1980 die Gebühr für die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis von mehr als drei Monaten bis zu einem Jahr 30 DM. Dies ergibt nach dem amtlichen Umrechnungskurs 15,45 € und entspricht nach den tatrichterlichen Feststellungen bei einer inflationsbereinigten Umrechnung 28,71 €. Auch hier liegt die festgesetzte Gebühr inflationsbereinigt mithin nur unwesentlich über der am 1. Dezember 1980 zu entrichtenden Gebühr.

36

c) Die Erhebung einer Gebühr in Höhe von 135 € für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG nach § 9a AufenthG ist hingegen mit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 nicht zu vereinbaren.

37

aa) Auch hier fehlt es - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - zwar an einer neuen Beschränkung gegenüber der am 1. Dezember 1980 geltenden Rechtslage. Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ist nach § 9a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein unbefristeter Aufenthaltstitel, der - wie sich aus § 12 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ergibt - nicht mit Auflagen und Bedingungen versehen werden kann und im Gegensatz zur Niederlassungserlaubnis dem Inhaber ein Recht zum Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Art. 14 ff. der Richtlinie 2003/109/EG gewährt. Sowohl die Aufenthaltsberechtigung nach § 8 AuslG 1965 als auch die unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 AufenthG 1965 gewährten dem Ausländer kein über das Bundesgebiet hinausgehendes Aufenthaltsrecht. Schon wegen dieser unterschiedlichen Rechtsfolgen kann die Gebühr für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG daher nicht an den Gebühren für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung nach altem Recht gemessen werden. Als Gebühr für einen mit weitergehenden Rechten verbundenen neuen Daueraufenthaltstitel stellt sie keine neue Beschränkung, sondern eine nachträgliche Verbesserung der Bedingungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar.

38

Die Gebühr für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG wurde aber nachträglich erhöht. Bei Einführung dieses Aufenthaltstitels durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 betrug sie nach § 44a AufenthV i.d.F. vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - AufenthV 2007 - zunächst 85 €. Erst durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung vom 22. Juli 2011 (BGBl I S. 1530) - AufenthV 2011 - wurde sie mit Wirkung ab dem 1. September 2011 auf 135 € angehoben. Diese - über einen Inflationsausgleich deutlich hinausgehende - Erhöhung begründet eine nachträgliche Verschärfung der Bedingungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dabei ist unerheblich, dass der Kläger zum Nachweis und zur effektiven Inanspruchnahme der ihm mit dem Assoziationsrecht eingeräumten Rechte nicht auf den Besitz dieses Aufenthaltstitels angewiesen ist. Denn die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG berechtigt zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat und ist damit sowohl gegenüber dem assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht als auch dem Besitz eines nationalen Aufenthaltstitels in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit von einer anderen rechtlichen Qualität.

39

bb) Die nachträgliche Erhöhung der Gebühr für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG von 85 € auf 135 € ist im Vergleich zu den von Unionsbürgern für die Ausstellung vergleichbarer Dokumente erhobenen Gebühren auch unverhältnismäßig. Bei diesem Vergleich ist auf die in Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 158 S. 77) - Unionsbürgerrichtlinie - im Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU -) geregelten Aufenthaltsdokumente abzustellen. Allein der Umstand, dass bei Unionsbürgern über § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU das Aufenthaltsgesetz entsprechende Anwendung findet, wenn es im Einzelfall eine günstigere Rechtsstellung vermittelt, hat entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Folge, dass Unionsbürger schon deshalb hinsichtlich der im Aufenthaltsgesetz geregelten Aufenthaltstitel der gleichen Gebührenpflicht unterliegen wie Drittstaatsangehörige.

40

Die Unionsbürgern in Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG im Januar 2012 auszustellenden Aufenthaltsdokumente ergeben sich aus § 5 FreizügG/EU in der seinerzeit gültigen Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Wiedereingliederungschancen am Arbeitsmarkt - EinglVerbG - vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854) - FreizügG/EU a.F. Die damit korrespondierenden Gebührentatbestände richten sich nach § 47 Abs. 3 AufenthV 2011/2012. Danach war von Unionsbürgern für die Bescheinigung ihres Daueraufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU a.F. eine Gebühr in Höhe von 8 € zu entrichten (§ 47 Abs. 3 Satz 4 AufenthV 2011/2012); die - inzwischen weggefallene - Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU a.F. war nicht gebührenpflichtig (§ 2 Abs. 6 FreizügG/EU a.F.).

41

Als "vergleichbares" Dokument kommt hier die Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts für Unionsbürger nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU a.F. in Betracht. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG für Drittstaatsangehörige im Gegensatz zur Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts bei Unionsbürgern um einen konstitutiven Aufenthaltstitel handelt, der zudem nach der Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige (ABl EU Nr. L 115 S. 1) - sog. eAT-Verordnung - als eigenständiges Dokument im ID-1- oder ID-2-Format ausgestellt werden muss. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen türkischen Staatsangehörigen, auf die Art. 13 ARB 1/80 Anwendung findet, keine neuen Pflichten auferlegt werden, die im Vergleich zu denen der Unionsbürger unverhältnismäßig sind. Als Anknüpfungspunkt hat er in der Rechtssache Sahin die von Unionsbürgern "unter gleichartigen Umständen" verlangten Gebühren herangezogen (EuGH, Urteil vom 17. September 2009 a.a.O. Rn. 74). In der Rechtssache Kommission/Niederlande hat er die Gleichartigkeit der von türkischen Staatsangehörigen und von Unionsbürgern gestellten Anträge hervorgehoben und auf die von Unionsbürgern "für entsprechende Dokumente" verlangten Gebühren abgestellt (EuGH, Urteil vom 29. April 2010 a.a.O. Rn. 54 und 74). Damit ist Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Unverhältnismäßigkeit die finanzielle Belastung eines Unionsbürgers, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet. Hinsichtlich der Gebühren für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ist daher auf die Kosten abzustellen, die einem Unionsbürger entstehen, der innerhalb der Union von seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch macht und zu diesem Zwecke im Aufnahmemitgliedstaat die Ausstellung eines Dokuments über sein Recht zum Daueraufenthalt begehrt.

42

Sind diese Kosten - wie hier - niedriger als die Gebühren, die ein türkischer Arbeitnehmer für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zu entrichten hat, können allerdings bei der Frage, ob diese unterschiedliche Belastung eine Unverhältnismäßigkeit begründet, die der Ungleichbehandlung zugrunde liegenden Gründe eine Rolle spielen. Dabei stellt aber allein der Umstand, dass es sich bei der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG für Drittstaatsangehörige im Gegensatz zur Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts für Unionsbürger um einen konstitutiven Aufenthaltstitel handelt, kein stichhaltiges Argument für eine unterschiedliche Gebührenerhebung dar. Auch die mit der Umstellung der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG auf ein elektronisches Aufenthaltsdokument verbundenen Nutzungsmöglichkeiten rechtfertigen nicht die bestehende Ungleichbehandlung. Denn der Verordnungsgeber ist bei der Festlegung der Gebührensätze davon ausgegangen, dass allein mit dieser Umstellung der Wert oder Nutzen der Amtshandlung für den Empfänger im Vergleich zum bisherigen Recht unverändert bleibt (BRDrucks 264/11 S. 23). Für den Empfänger vorteilhaft ist allein die Einschaltung des elektronischen Identitätsnachweises. Hinsichtlich dieser Amtshandlung ergeben sich aber keine Unterschiede zum elektronischen Personalausweis, weshalb diesbezüglich nach § 45a AufenthV die gleichen Gebühren erhoben werden wie beim Personalausweis (BRDrucks 264/11 S. 25 f.).

43

Ob eine Ungleichbehandlung türkischer Arbeitnehmer gegenüber Unionsbürgern mit den bei der Ausstellung eines elektronischen Aufenthaltsdokuments anfallenden höheren Kosten und Auslagen begründet werden kann (hinsichtlich der Gebührenkalkulation vgl. BRDrucks 264/11 S. 21 ff. zur Änderung der §§ 44, 44a und 45 AufenthV), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn man - zu Lasten des Klägers - davon ausgeht, dass insoweit stichhaltige Gründe für eine Ungleichbehandlung vorliegen, wofür einiges spricht, würde dies jedenfalls nicht die tatsächliche Höhe der festgesetzten Gebühr rechtfertigen. Denn in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt im Januar 2012 wurden auch die für drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern in Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen Aufenthaltsdokumente als elektronische Aufenthaltsdokumente ausgestellt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 FreizügG/EU a.F. i.V.m. § 78 AufenthG). Für deren Ausstellung fielen mithin die gleichen Kosten und Auslagen an wie bei der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG. Drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern mussten aber für die Ausstellung sowohl einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 2 als auch einer Daueraufenthaltskarte nach § 5 Abs. 6 Satz 2 FreizügG/EU a.F. höchstens eine Gebühr in Höhe von 28,80 € entrichten (vgl. § 47 Abs. 3 Satz 1 AufenthV 2011/2012). Dieser Betrag markiert unionsrechtlich zugleich eine absolute Grenze für die Erhebung von Gebühren für die Ausstellung von Aufenthaltsdokumenten an Unionsbürger und deren Familienangehörige. Denn nach Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG werden die nach der Unionsbürgerrichtlinie auszustellenden Aufenthaltsdokumente unentgeltlich oder gegen Entrichtung eines Betrags ausgestellt, der die Gebühr für die Ausstellung entsprechender Dokumente für Inländer nicht übersteigt. In Umsetzung dieser unionsrechtlichen Vorgabe ist der deutsche Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass es sich bei der Aufenthaltskarte und der Daueraufenthaltskarte für Familienangehörige von Unionsbürgern um Dokumente handelt, die in ihrer technischen Herstellung und Ausgestaltung dem (elektronischen) Personalausweis vergleichbar sind, so dass für sie höchstens eine Gebühr erhoben werden darf, die der Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises entspricht (BRDrucks 264/11 S. 27). Diese beträgt nach der Personalausweisgebührenverordnung bei Inländern, die bei Antragstellung mindestens 24 Jahre alt sind, 28,80 € (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 PAuswGebV).

44

Dürfen die Kosten und Auslagen für die Ausstellung eines Aufenthaltdokuments bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen nach Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG allenfalls in Höhe der von Inländern für die Ausstellung entsprechender Dokumente erhobenen Gebühren weitergegeben werden, wirkt sich diese unionsrechtliche Gebührenobergrenze über das Assoziationsrecht auch auf türkische Arbeitnehmer aus. Denn ausgehend von dem Ziel, dass ihnen keine neuen Pflichten auferlegt werden dürfen, die im Vergleich zu denen der Unionsbürger unverhältnismäßig sind, ist es mit der Standstillklausel des Art. 13 ARB 1/80 jedenfalls nicht zu vereinbaren, wenn bei ihnen die für die Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG erhobene Gebühr nicht nur erheblich über der von Unionsbürgern für eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltsrechts erhobenen Gebühr liegt, sondern zugleich die von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern - in Umsetzung der in Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG unionsrechtlich vorgegebenen Grenze - zu entrichtende Gebühr um mehr als das Vierfache übersteigt, ohne dass für diese Ungleichbehandlung stichhaltige Gründe erkennbar sind. An diesem Befund ändern auch die - im Fall des Klägers ohnehin nicht einschlägigen - Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände nach §§ 52 und 53 AufenthV 2011/2012 nichts.

45

Die erhebliche Differenz zu den von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für die Ausstellung elektronischer Aufenthaltsdokumente verlangten Gebühren kann auch nicht über Art. 14 ARB 1/80 gerechtfertigt werden. Danach gelten - ähnlich den in Art. 45 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 und Art. 62 AEUV enthaltenen Einschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit bei Unionsbürgern - die Bestimmungen des 1. Abschnitts nur vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Auch wenn die mit der Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels vorgesehenen technischen Standards den Schutz vor Fälschungen und Verfälschungen von Aufenthaltstiteln weiter erhöhen und damit zur Verhinderung und Bekämpfung illegaler Einwanderung und des illegalen Aufenthalts beitragen und so letztlich der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen, vermag dies eine unterschiedliche Behandlung türkischer Staatsangehöriger gegenüber Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bei der Erhebung von Gebühren für unter gleichen Umständen ausgestellte aufenthaltsrechtliche Dokumente und die damit einhergehende Ungleichbehandlung bei der Ausgestaltung der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht zu rechtfertigen.

46

2.2 Im Einklang mit revisiblen Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass alle drei Gebührenbescheide gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 10 ARB 1/80 verstoßen. Danach räumen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft den türkischen Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein, die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgelts und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausschließt. Der EuGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auch diese Bestimmung unmittelbare Wirkung entfaltet und sich ein türkischer Staatsangehöriger vor den nationalen Gerichten des Aufnahmemitgliedstaates hierauf berufen kann (Urteil vom 8. Dezember 2009 - BVerwG 1 C 16.08 - BVerwGE 135, 334 Rn. 13 = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 58; EuGH, Beschluss vom 25. Juli 2008 - Rs. C-152/08, Real Sociedad de Futbal SAD u.a. - Slg. 2008, I-6291 Rn. 29).

47

Soweit ein Mitgliedstaat von türkischen Arbeitnehmern für die Ausstellung von Aufenthaltsdokumenten Gebühren verlangt, die im Vergleich zu den von Unionsbürgern für entsprechende Aufenthaltsdokumente verlangten Gebühren unverhältnismäßig sind, stellt dies eine gegen Art. 10 ARB 1/80 verstoßende diskriminierende Arbeitsbedingung dar (EuGH, Urteil vom 29. April 2010 a.a.O. Rn. 75). Dabei ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch hier - wie bei Art. 13 ARB 1/80 - nicht jede im Vergleich zur Lage der Unionsbürger höhere Gebühr notwendigerweise unverhältnismäßig. Vielmehr können in Sonderfällen Gebühren, die etwas höher sind als die von Unionsbürgern für die Ausstellung entsprechender Dokumente verlangten, noch als verhältnismäßig angesehen werden. Auch insoweit hat der EuGH aber die niederländischen Gebühren, die innerhalb einer Spanne lagen, deren niedrigster Wert um mehr als 2/3 höher war als die von Unionsbürgern für die Ausstellung entsprechender Dokumente verlangten Gebühren, insgesamt als unverhältnismäßig angesehen (EuGH, Urteil vom 29. April 2010 a.a.O. Rn. 74).

48

a) In Anwendung dieser Grundsätze führt die im Bescheid vom 9. Juni 2010 festgesetzte Gebühr in Höhe von 40 € mit Blick auf die von Unionsbürgern für entsprechende Dokumente verlangten Gebühren zu einer Diskriminierung im Sinne des Art. 10 ARB 1/80. Als vergleichbares Dokument ist hier die Unionsbürgern seinerzeit noch ausgestellte Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU in der damals anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze - BPolGuaÄndG - vom 26. Februar 2008 (BGBl I S. 215) heranzuziehen, die nach § 47 Abs. 3 AufenthV 2009/2010 unentgeltlich ausgestellt wurde. Damit liegt bereits betragsmäßig eine nicht von vornherein zu vernachlässigende finanzielle Mehrbelastung vor, für die keine stichhaltigen Gründe vorgetragen oder ersichtlich sind. Zudem war die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende Aufenthaltserlaubnis auf zwei Jahre befristet, während die Unionsbürgern nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU a.F. auszustellenden Bescheinigungen keiner Befristung unterlagen.

49

b) Gleiches gilt hinsichtlich der dem Bescheid vom 15. Juni 2011 zugrunde liegenden Gebühr in Höhe von 30 €. Als vergleichbares Dokument ist auch hier die Unionsbürgern seinerzeit noch ausgestellte Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU in der damals anwendbaren Fassung des Gesetz zur Anpassung des deutschen Rechts an die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 zur Änderung der Verordnung Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige - EGV380/2008AnpG - vom 12. April 2011 (BGBl I S. 610) heranzuziehen, die nach § 47 Abs. 3 AufenthV 2010/2011 weiterhin unentgeltlich ausgestellt wurde. Zwar liegt die finanzielle Belastung betragsmäßig hier etwas niedriger, andererseits war die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auch nur befristet für ein Jahr ausgesprochen worden. Im Ergebnis ist daher auch diese Gebühr - ungeachtet ihrer überschaubaren absoluten Höhe - im Vergleich zur Nichterhebung von Gebühren bei Unionsbürgern unverhältnismäßig.

50

c) Da die dem Bescheid vom 20. Januar 2012 zugrunde liegende Gebühr nach den vorstehenden Ausführungen zu Art. 13 ARB 1/80 mit Blick auf die von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für entsprechende Dokumente verlangten Gebühren unverhältnismäßig ist, liegt insoweit zugleich eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 10 ARB 1/80 vor.

51

2.3. Die festgestellten Verstöße gegen das Assoziationsrecht EWG/Türkei haben zur Folge, dass alle drei Gebührenbescheide jedenfalls in der Höhe, in der sie vom Kläger angefochten wurden, rechtswidrig sind. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es nicht, da die maßgeblichen unionsrechtlichen Fragen, soweit sie hier entscheidungserheblich sind, geklärt sind. Ob die dem Bescheid vom 20. Januar 2012 zugrunde liegende Gebühr für die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG - unabhängig von der türkischen Staatsangehörigkeit des Klägers und der damit verbundenen assoziationsrechtlichen Privilegierung - mit der Richtlinie 2003/109/EG zu vereinbaren ist (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - Rs. C-508/10, Kommission/Niederlande u.a. - ABl EU Nr. C 174 S. 7 = InfAuslR 2012, 253), kann offenbleiben.

52

3. Soweit die Gebührenbescheide nach § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben sind, hat der Kläger einen Erstattungsanspruch. Diesbezüglich war die Beklagte nach § 113 Abs. 4 VwGO zur Rückzahlung aber zu verurteilen und nicht zu verpflichten.

(1) Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann in der Regel nicht verlängert werden, wenn die zuständige Behörde dies bei einem seiner Zweckbestimmung nach nur vorübergehenden Aufenthalt bei der Erteilung oder der zuletzt erfolgten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen hat.

(3) Vor der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist festzustellen, ob der Ausländer einer etwaigen Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Integrationskurs nachgekommen ist. Verletzt ein Ausländer seine Verpflichtung nach § 44a Abs. 1 Satz 1 zur ordnungsgemäßen Teilnahme an einem Integrationskurs, ist dies bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen. Besteht kein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, soll bei wiederholter und gröblicher Verletzung der Pflichten nach Satz 1 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden. Besteht ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nur nach diesem Gesetz, kann die Verlängerung abgelehnt werden, es sei denn, der Ausländer erbringt den Nachweis, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist. Bei der Entscheidung sind die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts, schutzwürdige Bindung des Ausländers an das Bundesgebiet und die Folgen einer Aufenthaltsbeendigung für seine rechtmäßig im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen zu berücksichtigen. War oder ist ein Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 44a Absatz 1 Satz 1 verpflichtet, soll die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis jeweils auf höchstens ein Jahr befristet werden, solange er den Integrationskurs noch nicht erfolgreich abgeschlossen oder noch nicht den Nachweis erbracht hat, dass seine Integration in das gesellschaftliche und soziale Leben anderweitig erfolgt ist.

(4) Absatz 3 ist nicht anzuwenden auf die Verlängerung einer nach § 25 Absatz 1, 2 oder Absatz 3 erteilten Aufenthaltserlaubnis.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Zeitraum nach Satz 1 beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise des Ausländers. Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

(3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verarbeiten.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine 1983 geborene afghanische Staatsangehörige, begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug.

2

Der 1982 geborene Ehemann der Klägerin reiste 1999 als afghanischer Staatsangehöriger nach Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. 2002 wurde ihm eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, 2006 eine Niederlassungserlaubnis. Seit August 2007 oder Anfang 2008 ist die Klägerin wirksam mit ihrem Ehemann verheiratet. Im November 2009 erhielt der Ehemann durch Einbürgerung zusätzlich zur afghanischen die deutsche Staatsgehörigkeit.

3

Im Mai 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Die Deutsche Botschaft in Kabul lehnte den Antrag am 9. April 2009 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nachgewiesen. Eine Ausnahme vom Spracherfordernis ergebe sich im Fall der Klägerin weder aus der Tatsache, dass sie Analphabetin sei, noch aus dem Umstand, dass in Ghazni keine Deutschkurse angeboten würden.

4

Im Dezember 2009 hat die Klägerin Klage auf Erteilung des begehrten Visums erhoben. Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte zur Erteilung eines Visums von einem Jahr zum Spracherwerb in Deutschland zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. August 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug, da sie das Spracherfordernis nicht erfülle, das gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auch für den Ehegattennachzug zu Deutschen gelte. Die Klägerin sei nicht wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung außerstande, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG). Vielmehr gehe sie selbst davon aus, dass es ihr im Rahmen geeigneter Integrationsmaßnahmen gelingen werde, Lesen und Schreiben und zudem die deutsche Sprache zu erlernen. Denn darauf ziele ihr Hilfsantrag.

5

Das Erfordernis, dass sich ein Ausländer grundsätzlich vor dem Nachzug zu dem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten einfache Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen müsse, sei mit dem Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG und nach Art. 8 EMRK sowie mit Unionsrecht - insbesondere der Familienzusammenführungsrichtlinie - vereinbar. Die Richtlinie 2003/86/EG räume in Art. 7 Abs. 2 den Mitgliedstaaten das Recht ein, von Drittstaatsangehörigen zu verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen, wozu auch der erfolgreiche Abschluss eines Sprachkurses gehöre. Es sei auch nicht erkennbar, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar wäre, einfache deutsche Sprachkenntnisse vor ihrem Zuzug nach Deutschland zu erwerben. Entsprechende Kurse würden in Kabul angeboten. Von der Klägerin könne erwartet werden, dass sie sich zur Absolvierung eines solchen Sprachkurses nach Kabul begebe. Sie habe auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in Deutschland.

6

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin. Sie beruft sich auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Die Ungleichbehandlung der drittstaatsangehörigen Ehegatten von Deutschen im Verhältnis zu drittstaatsangehörigen Ehegatten von in Deutschland lebenden Unionsbürgern sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sinn der Sprachanforderungen sei es, die Integration neu einreisender Ausländer zu fördern, Zwangsehen zu verhindern und das Entstehen von "Parallelgesellschaften" zu verhindern. Bei Ehegatten deutscher Staatsangehöriger sei aber im Regelfall von einem geringeren Integrationsbedarf auszugehen. Die mangelnde Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sei auch nicht durch das formale Argument einer Bindung an das Unionsrecht zu heilen, die eigene Staatsangehörige nicht erfasse. Darüber hinaus erschwere die Regelung die Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar und verstoße daher gegen den Schutz der Ehe nach Art. 6 GG. Vor allem sei die Regelung aber mit Art. 20 AEUV nicht vereinbar. Dem Ehegatten der Klägerin werde als Unionsbürger das grundlegende Recht auf Familieneinheit unangemessen erschwert. Werde die Aufenthaltserlaubnis wegen fehlender Sprachkenntnisse versagt, könnten die Klägerin und ihr Ehemann die eheliche Lebensgemeinschaft nicht in Deutschland aufnehmen. Das sei mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu vereinbaren.

7

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung des begehrten Visums zum Ehegattennachzug mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat verkannt, dass sich die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen von den Nachzugsvoraussetzungen zu einem Ausländer unterscheiden. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den Anspruchsvoraussetzungen kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Erteilung eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug, das sie auch auf ihre Stellung als Familienangehörige eines Unionsbürgers stützt. Das in erster Instanz hilfsweise geltend gemachte Begehren auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb in Deutschland hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht weiterverfolgt.

10

Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224), zugrunde zu legen. Denn bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz maßgeblich (vgl. Urteil vom 30. März 2010 - BVerwG 1 C 8.09 - BVerwGE 136, 231 Rn. 10). Die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Rechtsänderungen sind allerdings zu beachten, weil auch das Verwaltungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte.

11

Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, da die Rechtsstellung der Klägerin mangels eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU- FreizügG/EU) erfasst wird. Ein solches ergibt sich nicht aus der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürger-Richtlinie, da sich ihr Ehemann in Deutschland als dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufhält (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie). Es lässt sich auch nicht unmittelbar aus der Unionsbürgerstellung ihres Ehemannes ableiten. Zum einen hat dieser von seinem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht keinen nachhaltigen Gebrauch gemacht, so dass es bereits an dieser Voraussetzung für die Annahme eines sog. Rückkehrerfalls fehlt (vgl. Urteil vom 22. Juni 2011 - BVerwG 1 C 11.10 - NVwZ 2012, 52 Rn. 9 m.w.N.). Zum anderen wird ihm durch die Versagung eines Aufenthaltsrechts zugunsten der Klägerin nicht der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte verwehrt, die ihm der Unionsbürgerstatus nach Art. 20, 21 AEUV verleiht (vgl. EuGH, Urteile vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Zambrano - NVwZ 2011, 545 Rn. 42; vom 5. Mai 2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - NVwZ 2011, 867 Rn. 56 und vom 15. November 2011 - Rs. C-256/11, Dereci u.a. - NVwZ 2012, 97 Rn. 74).

12

2. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin als afghanische Staatsangehörige ein nationales Visum für den von ihr angestrebten längerfristigen Aufenthalt in Deutschland benötigt (§ 6 Abs. 3 AufenthG). Das ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl EG Nr. L 81 S. 1) - EG-VisaVO - und deren Anhang I.

13

3. Die Klägerin erstrebt den Nachzug zu ihrem deutschen Ehemann. Nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen ein (nationales) Visum zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Dabei ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG entsprechend anzuwenden (§ 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Damit setzt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen - ebenso wie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Ausländer - (u.a.) voraus, dass sich der nachzugswillige Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Die Klägerin verfügt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts über keinerlei Deutschkenntnisse und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.

14

3.1 Nach § 2 Abs. 8 AufenthG entsprechen einfache deutsche Sprachkenntnisse dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER.) Dies beinhaltet als unterstes Sprachniveau folgende sprachliche Fähigkeiten:

"Kann vertraute, alltägliche Ausdrücke und ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse zielen. Kann sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen - z.B. wo sie wohnen, was für Leute sie kennen oder was für Dinge sie haben - und kann auf Fragen dieser Art Antwort geben. Kann sich auf einfache Art verständigen, wenn die Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner langsam und deutlich sprechen und bereit sind zu helfen."

15

Die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, umfasst nach der Definition des Sprachniveaus auch Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 14).

16

3.2 Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen, unter denen nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG von dem Spracherfordernis abgesehen wird.

17

Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG berufen. Danach ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG unbeachtlich, wenn der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Klägerin der Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht möglich ist. Auch ihr Analphabetismus hat seine Ursache danach nicht in einer Krankheit oder Behinderung. Die mit einer Erstalphabetisierung im Erwachsenenalter allgemein verbundenen Schwierigkeiten reichen für eine Ausnahme nach dieser Vorschrift nicht aus (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 16).

18

Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG berufen. Danach gilt das Spracherfordernis nicht, wenn der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Diese Ausnahmeregelung bezieht sich auf Stammberechtigte, die nach § 41 AufenthV auch für längere Aufenthalte visumfrei einreisen und einen erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen können (BTDrucks 16/5065 S. 175). Ihr kommt beim Ehegattennachzug zu einem Deutschen über den Verweis in § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG keine Bedeutung zu. Ein Deutscher benötigt keinen Aufenthaltstitel zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Dass er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit visumfrei einreisen und sich hier aufhalten darf, ergibt sich nicht aus § 41 AufenthV. Bei einer Übertragung der Ausnahmeregelung auf deutsche Stammberechtigte würde das Spracherfordernis beim Nachzug zu einem Deutschen vollkommen leerlaufen, was dem Willen des Gesetzgebers, auch in diesen Fällen vom nachziehenden Ehegatten grundsätzlich den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse zu verlangen (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 171), zuwiderlaufen würde.

19

4. Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug ist mit dem besonderen Schutz, den Ehe und Familie nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK genießen, grundsätzlich zu vereinbaren, auch soweit es den Nachzug zu einem Deutschen betrifft. Art. 7 der GR-Charta findet beim Nachzug zu einem - wie hier - unionsrechtlich nicht privilegierten inländischen Stammberechtigten, bei dem sich der Ehegattennachzug ausschließlich nach nationalem Recht richtet, keine Anwendung (vgl. Art. 51 Abs. 1 GR-Charta).

20

4.1 Das Erfordernis einfacher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug stellt zwar keinen Eingriff in die Freiheitsrechte des Art. 6 GG dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Das gilt auch für den Nachzug eines Ausländers zu seinem deutschen Ehegatten. Das Spracherfordernis ist jedoch an der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <49>). Danach wirken der zur Berücksichtigung ehelicher und familiärer Bindungen verpflichtende Schutzauftrag und das Förderungsgebot des Art. 6 GG auf die gesamte, die Ehe und Familie betreffende Rechtsordnung ein und setzen auch dem Gesetzgeber Grenzen. Dieser hat beim Erlass allgemeiner Regeln über die Erteilung von Aufenthaltstiteln die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz dem Schutz von Ehe und Familie beimisst. Damit korrespondiert ein grundrechtlicher Anspruch auf angemessene Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Interessen an einem Zusammenleben im Bundesgebiet. Stehen dem Begehren eines Ausländers auf Familiennachzug öffentliche Belange entgegen, sind seine ehelichen und familiären Belange sowie gegenläufige öffentliche Interessen mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Dabei müssen Grundlage und Abwägungsergebnis der gesetzlichen Regelung dem sich aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden Gebot gerecht werden, die ehelichen und familiären Bindungen der einen Aufenthaltstitel begehrenden Ausländer an ihre im Bundesgebiet lebenden Angehörigen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die zu treffenden Regelungen müssen insbesondere den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots entsprechen. Dabei steht dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 31 ff. m.w.N.).

21

Ehe und Familie unterfallen zudem dem Schutz des Art. 8 EMRK. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte garantiert aber auch die Konvention kein Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK berühren. Danach hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; ein Eingriff ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft. In beiden Fällen ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herzustellen. Im Ergebnis verpflichtet damit auch Art. 8 EMRK zu einer Abwägungslösung nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 33 f. m.w.N.).

22

Für das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug zu Ausländern ist der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 30. März 2010 (a.a.O. Rn. 40 ff.) zu dem Ergebnis gekommen, dass die gesetzliche Regelung in der Regel zu einem ausgewogenen Interessenausgleich führt, der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK entspricht. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall auch durch Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Spracherwerb nach § 16 Abs. 5 AufenthG hergestellt werden kann (Rn. 46). An dieser Rechtsprechung hält der 10. Senat für die Beurteilung des nationalen Rechts fest.

23

Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtliche Wertung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verpflichtung des Ehegatten eines in Deutschland lebenden Ausländers, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstößt (Beschluss vom 25. März 2011 - 2 BvR 1413/10 - NVwZ 2011, 870). Danach verfolgt der Gesetzgeber mit der Obliegenheit, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache vor Zuzug in das Bundesgebiet zu erwerben, ein legitimes Ziel, nämlich die Integration von Ausländern zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, das zur Erreichung dieses Ziels gewählte Instrumentarium sei Erfolg versprechend, evident ungeeignet sein könnte. Den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers überschreite auch nicht die weitere Annahme, der Erwerb von Deutschkenntnissen vor der Einreise sei erforderlich, weil er häufiger und schneller zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse führe als ein Spracherwerb erst im Bundesgebiet. Gleiches gelte für die Einschätzung, bereits bei Einreise vorhandene Sprachkenntnisse erschwerten die Ausnutzung von Nötigungslagen, insbesondere könne sich ein Ehegatte im Falle einer Zwangslage an die zuständigen Behörden wenden und der Abhängigkeit von der "Schwiegerfamilie" leichter entgehen. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht zu der Beurteilung gelange, beim Ehegattennachzug zu einem Ausländer führe der geforderte Nachweis von Deutschkenntnissen in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung in der Regel zu einem angemessenen Interessenausgleich, sei dagegen von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Die mit dem Erwerb von Sprachkenntnissen typischerweise verbundene Belastung verzögerten häuslichen Zusammenlebens im Bundesgebiet werde sich zumeist in einem überschaubaren Zeitraum überwinden lassen, wofür insbesondere spreche, dass an die nachzuweisenden Sprachkenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt werden. Hinzu komme, dass dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich Anstrengungen zumutbar seien, die familiäre Einheit durch Besuche oder nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen (Beschluss vom 25. März 2011 a.a.O. Rn. 5 ff.).

24

Auch der High Court für England und Wales hält in seinem Urteil vom 16. Dezember 2011 (<2011> EWHC 3370 (Admin) Rn. 115) die im Vereinigten Königreich Ende 2010 eingeführte gesetzliche Regelung, wonach der Ehegattennachzug vom erfolgreichen Absolvieren eines auf Verstehen und Sprechen beschränkten Sprachtests vor der Einreise abhängig ist - allerdings versehen mit einer Härteklausel ("exceptional compassionate circumstances") - für vereinbar mit Art. 8 EMRK.

25

4.2 Die Gesichtspunkte, die für eine Vereinbarkeit des in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geregelten Spracherfordernisses mit Art. 6 Abs. 1 GG beim Ehegattennachzug zu Ausländern sprechen, sind allerdings nur eingeschränkt auf den Nachzug zu Deutschen übertragbar. Das hat das Verwaltungsgericht in der hier angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt. Soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beim Nachzug zum deutschen Ehepartner Einschränkungen gebietet, ist dem durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Rechnung zu tragen, der nur eine entsprechende Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG anordnet.

26

Zwar stellt es auch beim Ehegattennachzug zu Deutschen ein legitimes gesetzgeberisches Ziel dar, durch frühzeitigen Nachweis von Sprachkenntnissen die Integration des nachziehenden Ausländers in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern und der Gefahr von Zwangsverheiratungen entgegenzuwirken. An der Eignung und Erforderlichkeit der in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG getroffenen Regelung bestehen für den Senat aus den gleichen Gründen keine Zweifel, wie dies im Urteil vom 30. März 2010 bereits für den Ehegattennachzug zu einem Ausländer näher ausgeführt ist (a.a.O. Rn. 38 f.). Bei der Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Belange ist allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Deutscher - anders als ein im Bundesgebiet lebender Ausländer (vgl. Rn. 45 des zitierten Urteils) - grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden darf, seine Ehe im Ausland zu führen oder auf ein eheliches Zusammenleben zu verzichten (vgl. Urteil vom 20. Mai 1980 - BVerwG 1 C 55.75 - BVerwGE 60, 126 <130>). Denn das Grundrecht des Art. 11 GG gewährt ihm - anders als einem Ausländer - das Recht zum Aufenthalt in Deutschland (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 a.a.O. <47>) und erhöht deutlich das Gewicht der privaten Interessen am Ehegattennachzug zur Führung der ehelichen Gemeinschaft im Bundesgebiet. Einem deutschen Staatsangehörigen kann nur bei gewichtigen öffentlichen Belangen zugemutet werden, die Ehe für einige Zeit gar nicht oder nur im Ausland führen zu können. Sie dauerhaft im Ausland führen zu müssen, ist für ihn in jedem Fall unangemessen und unzumutbar.

27

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich zwar keine uneingeschränkte Verpflichtung für die Ausländerbehörde, dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Ihr lässt sich durchweg entnehmen, dass die Ehe mit einem deutschen Partner den ausländischen Staatsangehörigen nicht schlechthin vor einer Aufenthaltsbeendigung schützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73 u.a. - BVerfGE 35, 382 <408>). Jedoch verschiebt sich die Gewichtung der widerstreitenden Belange bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten des Schutzes der Ehe (vgl. Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 <398>). Gleiches gilt für die Kammerrechtsprechung, wonach es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar ist, den ausländischen Ehepartner eines Deutschen auf die Nachholung eines erforderlichen Visumverfahrens und damit eine zeitweilige Trennung zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 - InfAuslR 2008, 239 f.). Danach sind Nachzugshindernisse von eng begrenzter Zeitdauer auch beim Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nicht von vornherein verfassungswidrig.

28

Überschreitet jedoch das Spracherfordernis als Nachzugsvoraussetzung im Visumverfahren im Einzelfall das zumutbare Ausmaß der Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG qualifiziert geschützten Belange des ausländischen und deutschen Ehegatten, ist es geboten, gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der Anwendung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise des ausländischen Ehegatten abzusehen. Die Unzumutbarkeit kann sich u.a. daraus ergeben, dass es dem ausländischen Ehegatten aus besonderen persönlichen Gründen oder wegen der besonderen Umstände in seinem Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die deutsche Sprache innerhalb angemessener Zeit zu erlernen. In einem solchen Fall schlägt die grundsätzlich verhältnismäßige Nachzugsvoraussetzung in ein unverhältnismäßiges dauerhaftes Nachzugshindernis um. Die Grenze zwischen Regel- und Ausnahmefall ist nach der Überzeugung des Senats bei einer Nachzugsverzögerung von einem Jahr zu ziehen. Sind zumutbare Bemühungen zum Erwerb der Sprachkenntnisse ein Jahr lang erfolglos geblieben, darf dem Visumbegehren des Ehegatten eines Deutschen das Spracherfordernis nicht mehr entgegen gehalten werden. Entsprechendes gilt, wenn dem ausländischen Ehepartner Bemühungen zum Spracherwerb von vornherein nicht zumutbar sind, etwa weil Sprachkurse in dem betreffenden Land nicht angeboten werden oder deren Besuch mit einem hohen Sicherheitsrisiko verbunden ist und auch sonstige erfolgversprechende Alternativen zum Spracherwerb nicht bestehen; in diesem Fall braucht die Jahresfrist nicht abgewartet zu werden. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind insbesondere die Verfügbarkeit von Lernangeboten, deren Kosten, ihre Erreichbarkeit sowie persönliche Umstände zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung von Lernangeboten entgegenstehen können, etwa Krankheit oder Unabkömmlichkeit. Das erforderliche Bemühen zum Spracherwerb kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass der Ausländer zwar die schriftlichen Anforderungen nicht erfüllt, wohl aber die mündlichen.

29

Führt die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass vom Nachweis des Spracherfordernisses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor der Einreise abzusehen ist, ist bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen das Visum zum Ehegattennachzug nach § 6 Abs. 3 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Dies enthebt den ausländischen Ehepartner allerdings nicht von Bemühungen, die gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse dann nach der Einreise zu erwerben, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erhalten. Der Verzicht auf den Spracherwerbsnachweis vor der Einreise lässt das öffentliche Interesse an Mindestsprachkenntnissen als Integrationsvoraussetzung nicht endgültig entfallen (s.a. den Rechtsgedanken des § 41 Abs. 3 AufenthV). Gelingt dem ausländischen Ehegatten der Spracherwerb nicht, ist der Aufenthalt jedenfalls auf andere Weise, etwa durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG zu ermöglichen, um die Ehe im Bundesgebiet führen zu können.

30

4.3 Die vorstehenden Erwägungen gelten gleichermaßen für den Ehegattennachzug zu einem Deutschen, der eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn die weitere Staatsangehörigkeit führt nicht zu einer Beschränkung der Rechtswirkungen der deutschen, insbesondere des Rechts auf Aufenthalt in Deutschland nach Art. 11 GG. Der Senat weist darauf hin, dass die doppelte Staatsangehörigkeit eines deutschen Stammberechtigten - entgegen der Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 28 AufenthG (BTDrucks 16/5065 S. 171) - auch keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel den Ehegattennachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

31

5. Das Verwaltungsgericht ist bei der Zumutbarkeitsprüfung rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Ehegattennachzug zu Deutschen "identisch" seien mit denen zu einem ausländischen Staatsangehörigen (UA S. 6) und ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren für den Spracherwerb in aller Regel zumutbar sei (UA S. 10). In Ermangelung hinreichender tatsächlicher Feststellungen zu den maßgeblichen Zumutbarkeitskriterien ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Das Verwaltungsgericht wird nunmehr insbesondere zu prüfen haben, ob der Klägerin der Besuch eines Sprachkurses in Kabul in der Zeit seit Stellung des Visumsantrags im Mai 2008 zumutbar gewesen ist. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass es einer afghanischen Frau, die bisher bei ihren Schwiegereltern in einem dörflichen Umfeld gelebt hat, eher nicht zumutbar sein dürfte, allein in die viele Autostunden entfernte Hauptstadt Kabul zu ziehen, um dort über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten die deutsche Sprache zu erlernen. Anderes mag gelten, wenn Verwandte oder Freunde in Kabul leben, die die Klägerin während der Dauer des Spracherwerbs bei sich aufnehmen können. Hierzu fehlen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Sollte die Klägerin tatsächlich - wie sie vorträgt - Analphabetin sein, wäre vom Verwaltungsgericht weiter zu ermitteln, ob sie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles innerhalb eines Jahres eine Alphabetisierung und den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse hätte erreichen können. Sollte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Klägerin der Erwerb der gesetzlich geforderten Sprachkenntnisse nicht zumutbar war, hat es die Beklagte zur Erteilung des begehrten Visums zu verpflichten, wenn auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für den Ehegattennachzug vorliegen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die doppelte Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes - wie bereits ausgeführt - keine besonderen Umstände begründet, um entgegen der gesetzlichen Regel in § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG den Nachzug von einer Sicherung des Lebensunterhalts abhängig zu machen.

32

6. Mit ihrer Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes hat die Revision keinen Erfolg. Der nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG auch von dem nachzugswilligen Ehegatten eines Deutschen geforderte Sprachnachweis verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

33

6.1 Zu Unrecht sieht die Revision einen mit der Verfassung nicht vereinbaren Gleichheitsverstoß darin, dass der Sprachnachweis von den Ehegatten Deutscher verlangt wird, nicht hingegen von den Ehegatten anderer sich in Deutschland aufhaltender Unionsbürger. Denn dieser Unterschied folgt aus dem Unionsrecht, das begünstigende Regelungen nur für diejenigen Unionsbürger gewährt, die unionsrechtlich privilegiert sind (vgl. EuGH, Urteile vom 5. Mai 2011 a.a.O. und vom 15. November 2011 a.a.O.; Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürger-Richtlinie). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, wenn der nationale Gesetzgeber Regelungen des Unionsrechts nicht auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern überträgt, die - wie der Ehemann der Klägerin - unionsrechtlich nicht privilegiert sind (vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 Rn. 15 m.w.N.). Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der dadurch bedingten Betroffenheit unterschiedlicher Rechtskreise überhaupt gleiche oder vergleichbare Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. Denn die aus dem Nebeneinander von (umgesetztem) Unionsrecht und rein nationalem Recht entstehende Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Ist eine Übertragung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern, die unionsrechtlich nicht privilegiert sind, nicht geboten, liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, dass in diesen Fällen die für alle unionsrechtlich nicht privilegierten Ausländer geltenden Bestimmungen des nationalen Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen. Im Übrigen berücksichtigt die gesetzliche Regelung in ihrer Auslegung durch den Senat das besondere Gewicht des privaten Interesses beim Ehegattennachzug zu Deutschen, weshalb das Spracherfordernis auf die Ehepartner von Deutschen nur mit Einschränkungen Anwendung findet.

34

6.2 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch nicht vor, soweit Ehegatten, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen dürfen, einen erforderlichen Aufenthaltstitel innerhalb von drei Monaten nach der Einreise beantragen können (vgl. § 41 Abs. 3 AufenthV). Dadurch sind sie gegenüber anderen Ehegatten insoweit im Vorteil, als sie das Spracherfordernis nicht schon vor der Einreise, sondern erst bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet erfüllen müssen. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt. Der Bundesrepublik steht hinsichtlich der Pflege ihrer Beziehungen zu auswärtigen Staaten ein weites außenpolitisches Ermessen zu. Dies schließt die aufenthaltsrechtliche Privilegierung von Angehörigen bestimmter Drittstaaten ein (vgl. Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 59). Im Übrigen ist die Regelung von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt, differenzierte Regelungen für unterschiedliche Gruppen nachzugswilliger Ausländer zu treffen, die in einem Gesamtabgleich untereinander teilweise vorteilhafte und teilweise nachteilige Regelungen beinhalten. So gewähren die Nachzugsregelungen den Ehegatten von Deutschen z.B. insoweit einen Vorteil gegenüber den Ehegatten aus visumrechtlich privilegierten Staaten, als § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG im Regelfall vom Erfordernis der Unterhaltssicherung befreit.

35

7. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Frage, ob das Spracherfordernis eine zulässige Integrationsmaßnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG darstellt, bedurfte es nicht. Denn bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin nicht von ihren Regelungen erfasst wird.

36

Nach Art. 3 Abs. 3 findet die Richtlinie auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers keine Anwendung. Der Ehemann der Klägerin ist als Deutscher aber Unionsbürger, auch wenn er zusätzlich eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Denn "Drittstaatsangehöriger" ist nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie nur derjenige, der nicht - wie der Ehemann der Klägerin - Unionsbürger im Sinne von Art. 17 Abs. 1 des Vertrages (jetzt: Art. 20 Abs. 1 AEUV) ist. Im Übrigen bietet das Unionsrecht kein geschlossenes Konzept von Regelungen für den Familiennachzug. Vielmehr bleibt ein bestimmter Personenkreis sowohl von der Anwendbarkeit der Familienzusammenführungs-Richtlinie, der Unionsbürger-Richtlinie und anderen Regelungen des unionsrechtlichen Sekundärrechts ausgenommen. Das gilt insbesondere für Familienangehörige von Unionsbürgern, bei denen der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.

37

Eine Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/86/EG auf die Klägerin ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass sie bis zur Einbürgerung ihres Ehemannes im November 2009 die Rechtsstellung einer Familienangehörigen im Sinne der Richtlinie besessen hat. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 29. März 2012 in der Sache Kahveci und Inan (Rs. C-7/10 und Rs. C-9/10 - InfAuslR 2012, 201) entschieden, dass sich die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, weiterhin auf ihre Rechtsstellung nach Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei 1/80 - ARB 1/80 - berufen können, wenn dieser Arbeitnehmer zusätzlich zu seiner türkischen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erhalten hat. Diese Entscheidung zum Assoziationsrecht lässt sich auf die Rechtsstellung nach der Richtlinie 2003/86/EG nicht übertragen, da im Bereich der Richtlinie 2003/86/EG durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die Rechtsstellung eines Unionsbürgers erworben und damit der Ausschlusstatbestand des Art. 3 Abs. 3 erfüllt wird, während der ARB 1/80 entsprechendes für die assoziationsrechtliche Rechtsstellung nicht vorsieht.

Tatbestand

1

Die am 4. Mai 1936 geborene Klägerin, eine russische Staatsangehörige, erstrebt die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug.

2

Die Klägerin hat zwei Töchter deutscher Staatsangehörigkeit, die in Deutschland leben. Ihre ältere Tochter, Frau N., ist verheiratet und hat zwei 1985 und 1998 geborene Kinder, von denen das ältere seinen Lebensunterhalt ohne finanzielle Unterstützung der Eltern bestreitet. Die jüngere Tochter der Klägerin, Frau F. ist ebenfalls verheiratet und hat einen 1996 geborenen Sohn.

3

Die Klägerin beantragte im März 2007 bei der Deutschen Botschaft in Moskau ein Visum zum Familiennachzug zu ihrer Tochter N. Dabei gab sie an, unter einer fortschreitenden Herzkrankheit, Hypertonie und Diabetes zu leiden. Hinzu komme ein ständig sinkendes Sehvermögen wegen grauen Stars an beiden Augen. Sie beziehe eine monatliche Altersrente in Höhe von 3 155,39 Rubel (ca. 90 €), aber ihr Lebensunterhalt werde in Deutschland durch das Einkommen ihrer Töchter und Schwiegersöhne gesichert. Nachdem der Beigeladene seine Zustimmung zur Visumerteilung versagt hatte, lehnte die Beklagte den Visumantrag mit Bescheid vom 4. Mai 2007 und zuletzt mit Remonstrationsbescheid vom 8. Januar 2008 ab. Eine außergewöhnliche Härte sei nicht nachgewiesen und der Lebensunterhalt der Klägerin sei nicht gesichert. Zudem fehle der notwendige Kranken- und Pflegeversicherungsschutz.

4

Die Klägerin hat Klage erhoben und Verpflichtungserklärungen ihres Schwiegersohnes N. und ihrer Tochter F. vorgelegt. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand der Klägerin zur Visumerteilung verpflichtet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass offenbleiben könne, ob die Erteilung des Visums gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich sei. Dies sei trotz des medizinischen Gutachtens fraglich, da die Klägerin sich ausweislich der Angaben ihrer Tochter in der Berufungsverhandlung im Wesentlichen mit gelegentlicher Nachbarschaftshilfe und Betreuungsleistungen von Freunden behelfen könne. Jedenfalls fehle es an der Regelerteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts. Dafür sei ausschließlich auf den eigenen Bedarf der Klägerin und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel abzustellen. Denn ihr stünden infolge Überschreitung der Altersgrenze ggf. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu, und die Klägerin bilde gemäß § 43 Abs. 1 SGB XII mit den Mitgliedern der Familie N. keine Haushaltsgemeinschaft.

5

Der Regelbedarf betrage für die Klägerin 299 €. Dazu kämen die Kosten für eine private Kranken- und Pflegeversicherung (592,88 + 74,59 €). Die Klägerin zähle nicht zu den nach § 5 SGB V in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmenden Personen. Nach der Einreise habe sie aber gemäß § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG einen Anspruch auf Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages im Basistarif. Eine Reduzierung auf die Hälfte des Beitrags gemäß § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG scheide entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts aus, da keine Hilfebedürftigkeit eintreten dürfe. Da die Zusage unentgeltlicher Unterbringung seitens der Familie N. dem Sozialamt keine Versagung entsprechender Leistungen ermögliche, sei der Anteil der Klägerin an den tatsächlichen Unterkunftskosten nach Kopfteilen in Höhe von 131,87 € in Anrechnung zu bringen.

6

Dem monatlichen Bedarf in Höhe von 1 098,34 € stünden Mittel von allenfalls 903,83 € gegenüber. Nach eigenem Vorbringen beziehe die Klägerin in der Russischen Föderation eine Rente in Höhe von monatlich 3 155,39 Rubel (= 79,31 €). Ob diese Rente nach einer Übersiedlung nach Deutschland weiter gezahlt werde, sei offen und müsse auch nicht aufgeklärt werden, da ihre Mittel auch dann nicht ausreichten, um ihren Bedarf zu decken. Nicht titulierte Unterhaltsansprüche gegen ihre Töchter könnten nicht berücksichtigt werden, da das Sozialamt im Hinblick darauf Leistungen der Grundsicherung im Alter gemäß § 43 Abs. 2 SGB XII nicht ablehnen könne und nach § 94 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 SGB XII auch keine Regressmöglichkeit bestehe. Die abgegebenen Verpflichtungserklärungen seien lediglich in Höhe von 824,52 € zu berücksichtigen. Sie seien zwar wirksam und weder befristet noch vom Aufenthaltszweck her beschränkt. Die Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung im Rahmen der Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts setze aber voraus, dass der Erklärende leistungsfähig sei. Das richte sich bei Arbeitseinkünften nach § 850c ZPO, da bei einer Vollstreckung eines auf § 68 AufenthG gestützten Erstattungsanspruchs Arbeitseinkommen nur in dem danach zulässigen Maße gepfändet werden könnten. Das pfändbare Einkommen von Herrn N., der nur einem seiner Kinder Unterhalt leiste, betrage 219,26 €. Daneben sei das Einkommen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 310 € zu berücksichtigen. Frau F. verfüge über ein Nettoeinkommen in Höhe von 2 370,70 €. Sie sei grundsätzlich zwei Personen gegenüber unterhaltspflichtig, so dass sich ein pfändbarer Betrag in Höhe von 295,26 € ergebe. Dieser Betrag erhöhe sich nicht gemäß § 850c Abs. 4 Halbs. 1 ZPO. Denn die im Fall der Vollstreckung ggf. nach dieser Vorschrift zu treffende Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde könne nicht im Rahmen der Bonitätsprüfung vorweggenommen werden.

7

Schließlich sei nicht ausnahmsweise vom Regelerfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen. Weder seien atypische Umstände ersichtlich noch sei die Annahme eines Ausnahmefalls im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geboten.

8

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Revision im Wesentlichen geltend, das Berufungsgericht sei von einer zu niedrigen Rente ausgegangen. Sie habe im Berufungsverfahren eine neue Rentenbescheinigung vorgelegt, wonach sie eine Rente in Höhe von 9 340,56 Rubel beziehe (234,80 €). Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Person, die eine Verpflichtungserklärung abgebe, dürfe nicht nur auf § 850c ZPO abgestellt werden. Im Übrigen hätte die Regelung des § 850c Abs. 4 Halbs. 1 ZPO berücksichtigt werden müssen, denn die Eheleute F. verfügten über nahezu gleich hohe Einkommen. In diesem Fall reduziere sich das Ermessen der Vollstreckungsbehörde auf Null, so dass Herr F. bei der Berechnung des unpfändbaren Arbeitseinkommens seiner Ehefrau unberücksichtigt bleibe.

9

Die Beklagte hält die Revision für unbegründet. Der im Ergebnis richtigen Entscheidung des Berufungsgerichts sei entgegenzuhalten, dass Verpflichtungserklärungen bei einem angestrebten Daueraufenthalt nicht geeignet seien, den Lebensunterhalt zu sichern. Das ergebe sich aus § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG, wonach bereits die bloße Inanspruchnahme von Sozialhilfe einen Ausweisungsgrund darstelle. Eine Verpflichtungserklärung verhindere nicht die Inanspruchnahme der öffentlichen Hand, sondern löse lediglich einen mit Unwägbarkeiten behafteten Erstattungsanspruch aus. Zudem könnten für den Garantiegeber unabsehbare Belastungen auftreten, so dass sich die Frage der Sittenwidrigkeit stelle. Des Weiteren verfüge die Klägerin über keinen Krankenversicherungsschutz. Angesichts der negativen Auskünfte von Krankenversicherungsunternehmen könne gerade nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese bereit seien, mit der Klägerin nach der Einreise eine private Kranken- und Pflegeversicherung abzuschließen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin hat Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Begründung des Berufungsgerichts für die Annahme, der Lebensunterhalt der Klägerin sei nicht gesichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG), hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand (1.). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil vermag der Senat in der Sache weder positiv noch negativ abschließend zu entscheiden, so dass der Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (2.).

11

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10 = Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 4). Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind vom Revisionsgericht allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es nunmehr anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15 S. 32). Daher ist das Nachzugsbegehren der Klägerin an dem Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) zu messen, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen aber nicht geändert.

12

Gemäß § 28 Abs. 4 AufenthG findet auf den Nachzug sonstiger Familienangehöriger zu Deutschen § 36 AufenthG entsprechende Anwendung. Gemäß § 6 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann sonstigen Familienangehörigen ein Visum zum Familiennachzug erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzung offengelassen, da der Lebensunterhalt der Klägerin nicht gesichert sei und von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht abgesehen werden könne. Diese Vorgehensweise ist an sich nicht zu beanstanden, aber die Begründung für die Annahme mangelnder Lebensunterhaltssicherung verletzt § 2 Abs. 3 AufenthG.

13

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Dies ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Fall, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel außer Betracht. Erforderlich ist mithin die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei richten sich sowohl die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens als auch der Unterhaltsbedarf bei erwerbsfähigen Ausländern und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, seit dem 1. Januar 2005 grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II (grundlegend Urteil vom 26. August 2008 - BVerwG 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 Rn. 19 ff. = Buchholz 402.242 § 2 AufenthG Nr. 1). Konsequenterweise bemessen sich Einkommen und Unterhaltsbedarf bei nicht (mehr) erwerbsfähigen Ausländern wie der Klägerin, die die Altersgrenze des § 7a SGB II überschritten hat und daher gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II keine Leistungen nach dem SGB II beanspruchen kann, grundsätzlich nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die wie die Klägerin die - mit § 7a SGB II korrespondierende - Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Für Ausländer gelten insoweit keine anderen Regelungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Unerheblich ist, ob Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden; nach dem gesetzlichen Regelungsmodell kommt es nur auf das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs an (Urteil vom 26. August 2008 a.a.O.).

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1.1 Aus § 2 Abs. 3 Satz 1 und 3 AufenthG ergibt sich, dass die Lebensunterhaltssicherung auch einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz, d.h. die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oder einen damit vergleichbaren privaten Versicherungsschutz erfordert. Das Berufungsgericht hat es zu Recht ausreichen lassen, dass die Klägerin nach ihrer Einreise eine private Kranken- und Pflegeversicherung abschließen kann.

15

Die Klägerin unterliegt nach der Einreise nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, auch wenn diese gemäß § 3 Nr. 2 SGB IV i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB V grundsätzlich für alle Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gilt, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Denn Ausländer, die wie die Klägerin nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden gemäß § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 der Vorschrift nur erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht. Die zuletzt genannte Voraussetzung verlangt, dass die Regelerteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung abstrakt für den avisierten Aufenthaltstitel keine Anwendung findet; nicht ausreichend ist das Vorliegen einer Ausnahme von der Regel im Einzelfall oder die Möglichkeit eines Absehens im Ermessenswege. Andernfalls würde das gesetzgeberische Anliegen konterkariert, den gesetzlichen Krankenkassen mit § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V eine möglichst leicht handhabbare Feststellung der Voraussetzung der Versicherungspflicht zu ermöglichen (BTDrucks 16/3100 S. 95). Da die Klägerin nach ihrer Einreise keine der in § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V genannten aufenthaltsrechtlichen Vorrausetzungen erfüllt, besteht keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine freiwillige Mitgliedschaft kommt gemäß § 9 Abs. 1 SGB V ebenfalls nicht in Betracht. Demzufolge besteht für sie gemäß § 20 Abs. 1 SGB XI auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung.

16

Die Klägerin hat aber nach Begründung ihres Wohnsitzes in Deutschland gegen jedes zugelassene private Krankenversicherungsunternehmen einen Anspruch auf Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags im Basistarif. § 12 Abs. 1a VAG verpflichtet jedes Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welches die substitutive Krankenversicherung betreibt, zum Angebot eines branchenweit einheitlichen Basistarifs, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, auf die ein Anspruch besteht, vergleichbar sind. Im Basistarif besteht für private Krankenversicherungsunternehmen gemäß § 12 Abs. 1b VAG Kontrahierungszwang. Damit korrespondierend ist der Versicherer nach § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG versicherungsvertragsrechtlich verpflichtet, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland eine Versicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VAG zu gewähren, die in der gesetzlichen Krankenversicherung weder versicherungspflichtig noch freiwillig versichert sind, Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben oder Empfänger laufender Leistungen der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 4 der Vorschrift genannten Art sind und nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben. Ergänzend besteht die gesetzliche Verpflichtung von Personen mit Wohnsitz im Inland, eine entsprechende Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten (§ 193 Abs. 3 Satz 1 VVG). Der gesetzlich angeordnete Kontrahierungszwang und die Versicherungspflicht erfassen auch Ausländer und enthalten - anders als § 5 Abs. 11 SGB V - keine aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen wie etwa den Besitz eines qualifizierten Aufenthaltstitels.

17

§ 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG setzt - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht voraus, dass die Klägerin bereits im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Berufungsverhandlung einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat. Das wäre ihr vor der Begründung eines Wohnsitzes in Deutschland auch gar nicht möglich. Der Gesetzgeber hat das Bestehen ausreichenden Krankenversicherungsschutzes im Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Lebensunterhaltssicherung zugeordnet. Folglich genügt für die von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geforderte Prognoseentscheidung, dass der Ausländer diese Voraussetzung nach der Einreise erfüllen kann und wird. Denn nach dem Zweck der Vorschrift, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern, kommt es nur darauf an, ob während des Aufenthalts im Bundesgebiet ein Anspruch auf öffentliche Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG besteht bzw. vermieden werden kann (Urteil vom 16. August 2011 - BVerwG 1 C 4.10 - Buchholz 402.242 § 9 AufenthG Nr. 3 = NVwZ-RR 2012, 333 Rn. 15).

18

Der Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kontrahierungszwang für die privaten Versicherer rechtfertige die positive Prognose künftigen Krankenversicherungsschutzes der Klägerin, da eine eventuelle gesetzwidrige Weigerung von Versicherungsunternehmen insoweit nicht zu ihren Lasten gehen könne. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass Prognosen sich auf zukünftige tatsächliche Entwicklungen und tatsächliches Verhalten beziehen, das nicht immer dem normativ Gebotenen entsprechen muss. Es widerspräche jedoch der fairen Zuweisung von Prognoserisiken, die Klägerin in dem oben beschriebenen sozial- und versicherungsrechtlichen Rahmen eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs ohne Rücksicht auf Vorerkrankungen mit den verbleibenden Unsicherheiten über ein rechtstreues Verhalten der Versicherungsunternehmen zu belasten, die zudem staatlicher Aufsicht unterliegen. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass die Beklagte den Abschluss einer befristeten Reisekrankenversicherung für die Übergangszeit in Deutschland verlangen kann, wenn und soweit eine solche für den nachzugswilligen Ausländer angeboten wird.

19

1.2 Das Berufungsgericht hat bei dem von § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG gebotenen Bedarfs- und Einkommensvergleich zutreffend nur auf den eigenen Bedarf und die eigenen Mittel der Klägerin abgestellt. Denn die Klägerin bildet nach ihrer Einreise und dem Einzug bei Familie N. mit ihrer Tochter, deren Ehemann und dem Kind keine Haushaltsgemeinschaft gemäß § 39 Satz 1 SGB XII, da diese Vorschrift gemäß § 43 Abs. 1 letzter Halbs. SGB XII auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht anzuwenden ist.

20

1.3 Die Bedarfsberechnung des Berufungsgerichts ist aber nicht frei von Mängeln. Sie richtet sich nach § 42 SGB XII.

21

1.3.1 Der Regelsatz ergibt sich aus der Anlage zu § 28 SGB XII. Im Fall der Klägerin ist die Regelbedarfsstufe 3 (ab 1. Januar 2012: 299 €) anzuwenden, die für eine erwachsene leistungsberechtigte Person gilt, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in ähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt. Das ist hier der Fall, da die Klägerin nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auf Dauer im Haushalt der Familie N. wohnen würde. Diese aufgrund der übereinstimmenden Bekundungen der Familienmitglieder gewonnene Überzeugung ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

22

1.3.2 Von den zusätzlichen Bedarfen nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB XII sind vorliegend die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 32 Abs. 5 SGB XII von Bedeutung. Das Berufungsgericht hat seiner Berechnung den vollen Beitrag für den Basistarif gemäß § 12 Abs. 1c Satz 1 und 2 VAG in Höhe von 592,88 € zugrunde gelegt. Dabei hat es die Möglichkeit der Reduzierung auf die Hälfte gemäß § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG - anders als das Verwaltungsgericht - nicht berücksichtigt, da der Ausländer seinen Bedarf selbst decken müsse und Hilfebedürftigkeit gerade nicht eintreten dürfe. Dem folgt der Senat nicht.

23

Entsteht allein durch die Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags für den Basistarif Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, vermindert sich gemäß § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte. Die dadurch entstehenden Mehraufwendungen sind gemäß § 12g Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 VAG auf alle an dem gesetzlich vorgesehenen Ausgleichssystem beteiligten privaten Versicherungsunternehmen zu verteilen. Besteht auch bei einem nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im o.g. Sinne, beteiligt sich der zuständige Träger auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs. 1c Satz 5 VAG). Aus diesem Regelungsgefüge wird deutlich, dass die Möglichkeit der Absenkung auf die Hälfte des Beitrags gemäß § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG zur Vermeidung sozialrechtlicher Hilfebedürftigkeit sich nur zulasten der privaten Versicherungsunternehmen und damit letztlich der privat Versicherten auswirkt. Öffentliche Mittel im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG werden dadurch - im Gegensatz zu dem in Satz 5 der Vorschrift geregelten Fall - nicht in Anspruch genommen. Bei der ausländerrechtlichen Prüfung, ob der Lebensunterhalt gesichert ist, ist daher bei Bestehen eines Anspruchs auf Abschluss einer privaten Krankenversicherung im Basistarif zugunsten des Ausländers auch die Absenkungsmöglichkeit des § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG zu berücksichtigen. Damit reduziert sich der in die Prognoseentscheidung einzustellende Aufwand der Klägerin für einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz auf 296,44 €. Zutreffend hat das Berufungsgericht hingegen die Kosten für eine private Pflegeversicherung im Basistarif in voller Höhe in die Berechnung eingestellt (74,59 €). Denn insoweit besteht keine Absenkungsmöglichkeit, und es müssen die Kosten daher bei Hilfebedürftigkeit in vollem Umfang gemäß § 32 Abs. 5 Satz 4 SGB XII vom Sozialhilfeträger übernommen werden.

24

1.3.3 Die Vorgehensweise des Berufungsgerichts, die für das Eigenheim der Familie N. ermittelten Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 35 SGB XII) nach Kopfteilen aufzuteilen und ein Viertel davon als Bedarf der Klägerin anzusetzen, begegnet keinen Bedenken. Das in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck kommende grundlegende staatliche Interesse an der Vermeidung neuer Belastungen für die öffentlichen Haushalte (BTDrucks 15/420 S. 70) verlangt die nachhaltige Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist. Der Tatrichter hat sich daher in jedem Einzelfall die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon zu verschaffen, dass der Ausländer aufgrund realistischer Annahmen und konkreter Dispositionen dauerhaft nicht auf öffentliche Mittel angewiesen ist. Dazu gehört auch die Entscheidung des Ausländers, wo und wie er in Deutschland wohnen will und kann. Die aufgrund der übereinstimmenden Bekundungen der Familienmitglieder gewonnene Überzeugung des Oberverwaltungsgerichts, die Klägerin werde auf Dauer bei Familie N. wohnen können, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Auf dieser tatsächlichen Prognosegrundlage hat es das Berufungsgericht zu Recht nicht bei der Zusage unentgeltlicher Wohnraumüberlassung seitens der Eheleute N. bewenden lassen. Nachvollziehbar ist es davon ausgegangen, dass diese bei einem - z.B. durch finanzielle Probleme infolge Arbeitslosigkeit motivierten - Sinneswandel nicht gegen den Willen der Eheleute N. durchsetzbar wäre. Auch die Art und Weise der Berechnung der Kosten der Unterkunft ist nicht zu beanstanden. Wegen der festgestellten Absicht, die Klägerin im Haus der Familie N. wohnen zu lassen, hat die Vorinstanz deren Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht abstrakt als Durchschnittskosten eines Einpersonenhaushalts im Zuständigkeitsbereich des Trägers der Sozialhilfe (vgl. § 42 Nr. 4 SGB XII) angesetzt, sondern die bereits jetzt absehbaren tatsächlichen Kosten (Aufwendungen für das selbst genutzte Eigenheim der Eheleute N., Schuldzinsen sowie die Neben- und Betriebskosten) ermittelt und nach Kopfteilen aufgeteilt (131,87 €). Diese Vorgehensweise erscheint nachvollziehbar und aus Praktikabilitätsgründen sinnvoll (Berlit, in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK Sozialgesetzbuch XII, 9. Aufl. 2012, § 35 Rn. 31 m.w.N.).

25

1.4 Das Berufungsgericht hat auch die der Klägerin zur Verfügung stehenden Mittel nicht korrekt berechnet.

26

1.4.1 Zutreffend erweist sich allerdings sein Ansatz, evtl. Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen ihre Töchter nicht zu berücksichtigen. Gemäß § 43 Abs. 3 SGB XII bleiben bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des SGB IV unter einem Betrag von 100 000 € liegt. Dass das Einkommen diese Grenze nicht überschreitet, wird gemäß Satz 2 der Vorschrift widerleglich vermutet und ist hier auch tatsächlich der Fall. Gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbs. SGB XII ist der Übergang des Anspruchs des Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel gegenüber Eltern und Kindern ausgeschlossen. Damit hat das Berufungsgericht eventuelle Unterhaltsansprüche der Klägerin gegenüber ihren Töchtern als liquide Mittel - unabhängig von dem Erfordernis der Titulierung - zu Recht unberücksichtigt gelassen, denn der Träger der Sozialhilfe könnte diese nicht gegenüber den Kindern geltend machen.

27

1.4.2 Das Berufungsgericht hat den Miteigentumsanteil der Klägerin an der derzeit noch selbstgenutzten Eigentumswohnung in Jekaterinburg (Russische Föderation) weder als Vermögen noch als potenzielle Einnahmequelle berücksichtigt. Das verstößt gegen Bundesrecht, da sich die Klägerin auf diesen Vermögensgegenstand berufen hatte und der Tatrichter - unter Mitwirkung der Klägerseite - hätte aufklären müssen, ob und inwieweit ein Verkaufserlös bzw. Mieteinnahmen nach Deutschland transferierbar sind und zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden können.

28

1.4.3 Die Vorinstanz hat die von Herrn N. und Frau F. abgegebenen Verpflichtungserklärungen bei der Lebensunterhaltssicherung zu Recht berücksichtigt und die Bonität der Garantiegeber am Maßstab der Pfändungsschutzvorschriften geprüft. Allerdings erweist sich die konkrete Bonitätsberechnung als nicht frei von Mängeln.

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Der Senat folgt der Rechtsprechung des 1. Senats (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <5 f.> = Buchholz 402.240 § 84 AuslG 1990 Nr. 2), dass die Ausländerbehörde - und damit auch die Gerichte - eine Verpflichtungserklärung bei der Prüfung der Lebensunterhaltssicherung im Rahmen pflichtgemäßer Überzeugungsbildung zu berücksichtigen haben. Denn mit der Abgabe dieser in § 68 AufenthG vorgesehenen Garantie wird bezweckt, ein tatbestandliches Hindernis der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auszuräumen. Dagegen wendet die Beklagte ein, eine Verpflichtungserklärung sei dazu insbesondere bei beabsichtigten Daueraufenthalten untauglich. Denn sie könne nicht die Inanspruchnahme von Sozialhilfe seitens des Ausländers verhindern, der damit den Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG verwirkliche, sondern löse lediglich einen mit Unwägbarkeiten behafteten Erstattungsanspruch aus. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

30

Nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG (früher: § 46 Nr. 6 AuslG 1990) kann ein Ausländer nach Absatz 1 der Vorschrift insbesondere dann ausgewiesen werden, wenn er für sich, seine Familienangehörigen oder für sonstige Haushaltsangehörige Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Die Vorschrift, die nicht den Bezug von Leistungen nach dem SGB II erfasst (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 20.09 - BVerwGE 138, 135 Rn.18 = Buchholz 402.242 § 2 AufenthG Nr. 3), dient fiskalischen Interessen und soll, soweit sie der Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels und der Aufenthaltsverfestigung entgegensteht, die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zulasten der Allgemeinheit verhindern und ggf. durch Ausweisung beenden (Urteil vom 28. September 2004 - BVerwG 1 C 10.03 - BVerwGE 122, 94 <98> = Buchholz 402.240 § 35 AuslG Nr. 3 S. 4 f.). Ihr Anwendungsbereich ist teleologisch jedoch auf die Fälle zu reduzieren, in denen die öffentliche Hand letztlich keine Erstattung der geleisteten Aufwendungen durchsetzen kann. Die Vorschrift schützt öffentliche Träger aber nicht grundsätzlich davor, dass die zuständigen Behörden ihre Aufwendungen ggf. im Wege der Festsetzung des Erstattungsanspruchs gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 und 3 AufenthG gegenüber einem Garantiegeber durchsetzen müssen. Folgte man der Auffassung der Beklagten, erwiese sich die gesetzliche Normierung der Verpflichtungserklärung im Aufenthaltsrecht als sinnlos, da eine solche Erklärung dann prinzipiell ungeeignet wäre, als Beleg bei der Lebensunterhaltssicherung Berücksichtigung zu finden. Der Gesetzgeber wollte aber mit § 84 AuslG 1990, der Vorläufervorschrift des § 68 AufenthG, die bis dahin in der Verwaltungspraxis übliche zivilrechtliche Garantieerklärung und Regressmöglichkeit öffentlich-rechtlich ausgestalten, um die Inanspruchnahme des Garantiegebers im Wege behördlicher Selbsttitulierung durch Verwaltungsakt und das Instrumentarium der Verwaltungsvollstreckung effektiver auszugestalten (vgl. BTDrucks 11/6321, S. 84). Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass eine Verpflichtungserklärung ein taugliches Mittel sein kann, um die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erfüllen.

31

Eine Verpflichtungserklärung ist zur Gewähr der Lebensunterhaltssicherung grundsätzlich auch bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zu berücksichtigen, die auf längerfristige oder Daueraufenthalte ausgerichtet sind (Urteil vom 24. November 1998 a.a.O. S. 8: Ausbildungszwecke oder Familienzusammenführung). Auch wenn in diesen Fällen die Reichweite und der Umfang der eingegangenen Verpflichtung für den Garantiegeber bei Abgabe der Erklärung nicht absehbar sind, verstößt eine Verpflichtungserklärung nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Denn für die Berücksichtigung von unzumutbaren Härten bei der Inanspruchnahme des Garantiegebers bieten im System des Aufenthaltsrechts sowohl die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt im Regel-Ausnahme-Verhältnis als auch die sich ggf. anschließende Verwaltungsvollstreckung ausreichend Raum (Urteil vom 24. November 1998 a.a.O. S. 11, 17 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfte. Ein Regelfall wird vorliegen, wenn der Aufenthalt des Ausländers in Deutschland allein oder überwiegend private Gründe hat und dementsprechend der Lebensunterhalt ausschließlich von privater Seite zu sichern ist. Zudem muss die Lebensunterhaltssicherung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sein, und es darf nichts dafür sprechen, dass seine Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung für ihn führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden (Urteil vom 24. November 1998 a.a.O. S. 18 f. für die Fallgruppe der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen als öffentliche Angelegenheit).

32

Dieses Regelungssystem als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewährleistet eine differenzierte Risikozuweisung und lässt bei einem - wie hier - aus privaten Gründen angestrebten Aufenthalt in Deutschland den Erstattungsanspruch der öffentlichen Hand nicht leerlaufen. Im Übrigen obliegt es tatrichterlicher Würdigung und Überzeugungsbildung in jedem Einzelfall, ob und in welchem Umfang eine Verpflichtungserklärung mit Blick auf den absehbaren Bedarf des Ausländers und seine Mittel sowie das Vorliegen ausreichender und stabiler finanzieller Verhältnisse des Garantiegebers genügt, um von einem gesicherten Lebensunterhalt des Ausländers ausgehen zu können.

33

Das Berufungsgericht hat die Verpflichtungserklärungen von Herrn N. und Frau F. als wirksam erachtet und so ausgelegt, dass sie den angestrebten Daueraufenthalt der Klägerin abdecken. Diese Auslegung der Willenserklärungen ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Weiter hat die Vorinstanz die Bonität der Garantiegeber zu Recht am Maßstab der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO geprüft. Denn die Verpflichtungserklärung ist gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes vollstreckbar. § 5 Abs. 1 VwVG verweist für den Vollstreckungsschutz auf § 319 AO, demzufolge die Beschränkungen und Verbote, die u.a. nach §§ 850 bis 852 der Zivilprozessordnung für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, sinngemäß gelten.

34

Dazu hat das Berufungsgericht die aktuellen monatlichen Lohnabrechnungen von Herrn N. und Frau F. über sechs Monate hinweg ausgewertet und der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens zutreffend das jeweilige Nettogehalt zugrunde gelegt (§ 850e Nr. 1 ZPO). Die nach § 850a Nr. 2 und 4 ZPO unpfändbaren Teile wurden vom Nettobetrag abgezogen. Der daraus resultierende Betrag ergibt unter Berücksichtigung der jeweiligen Anzahl von Unterhaltspflichtigen nach der Tabelle zu § 850c ZPO ein pfändbares Arbeitseinkommen in Höhe von 219,26 € (Herr N.) und 295,26 € (Frau F.). Das Mieteinkommen von Herrn N. aus der fremd vermieteten Eigentumswohnung hat das Berufungsgericht im Grundsatz zutreffend gemäß § 851b ZPO in voller Höhe herangezogen; allerdings dürften insoweit nicht umlagefähige Kosten in Abzug zu bringen sein. Außerdem sind die auf der Bedarfsseite in Ansatz gebrachten Kosten der Unterkunft im Haus der Familie N. (131,87 €) abzüglich der auf die Klägerin entfallenden herausrechenbaren Mehrkosten als zusätzliche Einkünfte bei den Eheleuten N. zu berücksichtigen. Obwohl nach den getroffenen Feststellungen Herr und Frau F. über ein nahezu gleich hohes Einkommen verfügen, hat das Berufungsgericht bei Prüfung der von Frau F. abgegebenen Verpflichtungserklärung die Möglichkeit der Erhöhung des pfändbaren Betrags für den Fall der Vollstreckung gemäß § 850c Abs. 4 ZPO nicht berücksichtigt, da einer zukünftigen Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde nicht vorgegriffen werden dürfe. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.

35

Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass eine Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt und die über eigene Einkünfte verfügt, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Diese Regelung soll dem Vollstreckungsgläubiger die Möglichkeit eröffnen, das pfändbare Einkommen des Schuldners zu erweitern, wenn ein Unterhaltsberechtigter des Vollstreckungsschuldners über eigene Einkünfte verfügt. Aus den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 8/693 S. 48 f.) ergibt sich, dass der Gesetzgeber in dieser Vorschrift keine Geldbeträge fixiert, sondern statt dessen ganz bewusst eine Ermessensentscheidung des Vollsteckungsgerichts vorgesehen hat, um die Entscheidung flexibel zu gestalten und den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - IXa ZB 142/04 - NJW-RR 2005, 795). Bei der sinngemäßen Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO im Verwaltungsvollstreckungsrecht ist das "billige Ermessen" kein Ausdruck eines Verwaltungsvorbehalts im Sinne der gesetzgeberischen Zuweisung einer administrativen Letztentscheidungs- oder Gestaltungskompetenz an die Exekutive. Vielmehr hat die Vollstreckungsbehörde eine den Interessen aller Beteiligten angemessene und ausgewogene Entscheidung über eine Erweiterung des vollstreckbaren Vermögens des Vollstreckungsschuldners zu treffen. Dieser Entscheidungsvorbehalt, der der Berücksichtigung der Einzelfallgerechtigkeit dient, ändert aber nichts daran, dass auch der Teilbetrag des Einkommens, der erst nach einer Ermessensentscheidung gemäß § 850c Abs. 4 ZPO der Pfändung unterliegt, materiell zum Vermögen des Schuldners gehört und prinzipiell geeignet ist, dessen Bonität zu verbessern. Damit ist auch die Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde einer ausländerbehördlichen bzw. tatrichterlichen Prognose zugänglich, die sich daran auszurichten hat, welches der rechtmäßigen Ergebnisse am wahrscheinlichsten zu erwarten ist. Letztlich verbleibenden Unsicherheiten kann dabei durch einen Sicherheitsabschlag begegnet werden.

36

2. Das Berufungsurteil beruht bei der Bedarfs- und Mittelberechnung auf den aufgezeigten Verstößen gegen Bundesrecht. Da der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen in der Sache weder positiv noch negativ abschließend zu entscheiden vermag, ist der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

37

2.1 In dem neuen Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob bei der Klägerin - in dem dann maßgeblichen Zeitpunkt - die Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegen, d.h. die Erteilung des Visums zum Familiennachzug zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass der im Ausland lebende Familienangehörige kein eigenständiges Leben mehr führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann (Urteil vom 10. März 2011 - BVerwG 1 C 7.10 - NVwZ 2011, 1199 mit Hinweis auf den Beschluss vom 25. Juni 1997 - BVerwG 1 B 236.96 - Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4 zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 22 AuslG 1990).

38

Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Frage angesprochen, ob der Nachzugswillige im Rahmen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auf die Pflege durch familienfremde Dritte in seinem Herkunftsland verwiesen werden kann (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Dezember 2011 - OVG 3 B 17.10 - juris Rn. 26 ff. m.w.N.). Ob die Maßstäbe, die insoweit für aufenthaltsbeendende Maßnahmen entwickelt worden sind, durch die eine tatsächlich gelebte familiäre Beistandsgemeinschaft auseinandergerissen wird, in gleicher Weise für den Zuzug von Ausländern gelten, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Jedenfalls setzt die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug wegen Pflegebedürftigkeit gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die spezifische Angewiesenheit auf familiäre Hilfe voraus. Das ist nicht bei jedem Betreuungsbedarf der Fall, sondern kann nur dann in Betracht kommen, wenn die geleistete Nachbarschaftshilfe oder im Herkunftsland angebotener professioneller pflegerischer Beistand den Bedürfnissen des Nachzugswilligen qualitativ nicht gerecht werden können. Wenn der alters- oder krankheitsbedingte Autonomieverlust einer Person so weit fortgeschritten ist, dass ihr Wunsch auch nach objektiven Maßstäben verständlich und nachvollziehbar erscheint, sich in die familiäre Geborgenheit der ihr vertrauten persönlichen Umgebung engster Familienangehöriger zurückziehen zu wollen, spricht dies dagegen, sie auf die Hilfeleistungen Dritter verweisen zu können. Denn das humanitäre Anliegen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG respektiert den in den unterschiedlichen Kulturen verschieden stark ausgeprägten Wunsch nach Pflege vorrangig durch enge Familienangehörige, zu denen typischerweise eine besondere Vertrauensbeziehung besteht. Pflege durch enge Verwandte in einem gewachsenen familiären Vertrauensverhältnis, das geeignet ist, den Verlust der Autonomie als Person infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen in Würde kompensieren zu können, erweist sich auch mit Blick auf die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm als aufenthaltsrechtlich schutzwürdig.

39

Jedenfalls ist grundsätzlich eine umfassende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles geboten, bei der sowohl der Grad des Autonomieverlusts des nachzugswilligen Ausländers als auch das Gewicht der familiären Bindungen zu den in Deutschland lebenden Familienangehörigen und deren Bereitschaft und Fähigkeit zur Übernahme der familiären Pflege zu berücksichtigen sind. Nur zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass in einem Fall, in dem die in § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit der der hohen Hürde der "außergewöhnlichen Härte" zum Ausdruck kommenden einwanderungspolitische Belange (vgl. BTDrucks 15/420 S. 84) durch Art. 6 GG zurückgedrängt werden und sich das Ermessen der Ausländerbehörde verdichtet, nicht automatisch auch eine Ausnahme von dem Regelerfordernis der Lebensunterhaltssicherung vorgezeichnet ist. Denn das vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck gebrachte grundlegende staatliche Interesse, neue Belastungen für die öffentlichen Haushalte durch Zuwanderung zu vermeiden (BTDrucks 15/420 S. 70), ist nicht deckungsgleich mit seinem Anliegen, Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme und Integrationsfähigkeit sowie wirtschaftlicher und arbeitsmarktpolitischer Interessen zu gestalten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AufenthG).

40

2.2 Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Fall der Klägerin vorliegen und sich auch das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert hat, wird es die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG auf aktueller Grundlage unter Beachtung der o.g. Vorgaben zu prüfen haben. Dabei wird es insbesondere der - in der Revisionsverhandlung von der Beklagten nunmehr prinzipiell bejahten - Frage nachzugehen haben, ob und in welcher Höhe die russische Rente der Klägerin auch in Deutschland ausgezahlt wird. Sollte es noch darauf ankommen, wird es auch aufzuklären haben, ob und inwieweit der Miteigentumsanteil der Klägerin an der Wohnung in Jekaterinburg (Russische Föderation) als Vermögen verwertbar ist oder daraus zu erzielende Mieteinnahmen nach Deutschland transferierbar sind und zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden können.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat für einen Zeitraum von fünf Jahren sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum sowie der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Zeitraum nach Satz 1 beginnt mit der durch die Verpflichtungserklärung ermöglichten Einreise des Ausländers. Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.

(2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat.

(3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verarbeiten.

(1) Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich im Falle des § 4 nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327).

(2) Wird die Vollstreckung im Wege der Amtshilfe von Organen der Länder vorgenommen, so ist sie nach landesrechtlichen Bestimmungen durchzuführen.

Beschränkungen und Verbote, die nach den §§ 850 bis 852 und 899 bis 907 der Zivilprozessordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen, gelten sinngemäß.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.