Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 13. Juli 2017 - 20 Ws 146/17

bei uns veröffentlicht am13.07.2017

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird festgestellt, dass

a) die Verfügungen des Vorsitzenden der Großen Strafkammer 2 des Landgerichts Schwerin vom 20. und 25.02.2015, mit denen den Akteneinsichtsgesuchen der Rechtsanwälte Dr. S... und Dr. M... aus der Kanzlei S.../Sch..., der Rechtsanwälte von R... und St... aus der Kanzlei B... sowie der Rechtsanwälte Dr. H... und Dr. P... aus der Kanzlei C.../Ch... und dem Aktenübersendungsersuchen der Zivilkammer 3 des Landgerichts Schwerin stattgegeben wurde,

b) die daraufhin am 26. und 27.02.2015 den Rechtsanwälten G... und H... von der Kanzlei C.../Ch... sowie Rechtsanwältin Dr. Sch... von der Kanzlei S.../Sch... auf der Geschäftsstelle des Landgerichts Schwerin tatsächlich gewährte Akteneinsicht sowie

c) die zwischen dem 02. oder 03.03 und dem 06.03.2015 erfolgte Überlassung der Akten auf der Geschäftsstelle des Landgerichts Schwerin an ein von der Kanzlei C.../Ch... beauftragtes Privatunternehmen zum Zwecke des Einscannens

rechtswidrig waren.

Die Verfügungen des Strafkammervorsitzenden vom 20. und 25.02.2015 werden deshalb aufgehoben.

2. Die weitergehende Beschwerde des Angeklagten sowie die Beschwerde der A... & E... GmbH werden als unzulässig verworfen.

3. Die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten sowie die ihm dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Die Kosten der Beschwerde der A... & E... GmbH trägt diese selbst.

Gründe

I.

1

Gegen den Angeklagten ist wegen Handlungen als ehemaliger Geschäftsführer der in die Insolvenz gegangenen O... GmbH (im Folgenden „O...“), die seit 2007 als V... firmiert, beim Landgericht Schwerin ein Steuerstrafverfahren anhängig. Das erste Urteil des Landgerichts Schwerin vom 16.04.2013 - 31 KLs 12/08 -, mit dem der Angeklagte unter inzwischen rechtskräftiger Verurteilung im Übrigen vom Vorwurf der Steuerhinterziehung und des Subventionsbetruges freigesprochen wurde, wurde auf die gegen den Teilfreispruch eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft in diesem Umfang durch Urteil des Bundesgerichtshofes vom 08.10.2014 - 1 StR 114/14 - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Schwerin zurückverwiesen.

2

Wegen Schadenersatzforderungen der Insolvenzschuldnerin und ihrer ehemaligen Geschäftsführer gegen frühere Geschäftspartner in Höhe von 750 Mio. Euro findet zudem vor dem Landgericht Karlsruhe ein Zivilrechtsstreit statt (10 O 376/14), in dem die hier ebenfalls beschwerdeführende A... & E... GmbH (im Folgenden „A&E“) diese an sie abgetretenen Schadenersatzansprüche geltend macht.

3

Mit Verfügungen vom 20.02.2015 und vom 25.02.2015 gewährte der damalige Vorsitzende der nach Zurückverweisung für die Sache zuständigen Großen Strafkammer 2 des Landgerichts Schwerin ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführer den Verfahrensbevollmächtigten der im Zivilprozess vor dem Landgericht Karlsruhe beklagten Parteien auf deren Anträge hin unbeschränkte Einsicht in die Akten des vorliegenden Steuerstrafverfahrens, die wegen des Umfangs der Akten jedoch nur auf der Geschäftsstelle der Strafkammer genommen werden könne. Die Verfügung vom 20.02.2015 betraf das Akteneinsichtsgesuch der Rechtsanwälte Dr. Sch... und Dr. M... aus der von Herrn E... mandatierten Kanzlei S.../Sch... vom 19.01.2015 sowie das Gesuch der Rechtsanwälte von R... und St... aus der von Herrn Dr. R... mandatierten Kanzlei B... vom 02.02.2015. Ferner gab der Strafkammervorsitzende in dieser Verfügung einem Aktenübersendungsgesuch der 3. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom 19.02.2015 - 3 O 75/12 - unter gleichen Konditionen statt. Mit der Verfügung vom 25.02.2015 gewährte der Strafkammervorsitzende auch den Rechtsanwälten Dr. H... und Dr. P... aus der von der S... T... AG, der ST... GmbH sowie von den Herren P... und Ra... beauftragten Kanzlei C.../Ch... auf deren Antrag vom 24.02.2015 hin Akteneinsicht, obwohl diese Kanzlei mit ihrem gleichgerichteten Ersuchen vom 07.08.2014 noch beim Vorsitzenden des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofes gescheitert war, der es unter Hinweis auf das Steuergeheimnis abgelehnt hatte.

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Daraufhin nahmen am 26. und 27.02.2015 die Rechtsanwälte G... und H... von der Kanzlei C.../Ch... für deren Mandanten Einsicht in die Strafakten einschließlich der als Beiakten geführten Finanzermittlungsvorgänge, wobei zunächst Aktenbestandteile im Umfang von 3207 Blatt kopiert wurden. Zwischen dem 02. oder 03.03 und dem 06.03.2015 wurden weitere Aktenbestandteile unbekannten Ausmaßes, möglicherweise der gesamte Aktenbestand des Steuerstrafverfahrens, durch ein von der Anwaltskanzlei C.../Ch... beauftragtes Privatunternehmen nach Rücksprache mit dem Strafkammervorsitzenden auf der Geschäftsstelle des Gerichts eingescannt. Ferner nahm Rechtsanwältin Dr. Sch... von der Kanzlei S.../Sch... am 26. und 27.02.2015 für ihren Mandanten E... Einsicht in die Strafakten.

5

Soweit der Strafkammervorsitzende mit den vorbezeichneten Verfügungen auch den Rechtsanwälten von R... und S... aus der Kanzlei B... für deren Mandanten Dr. R... Akteneinsicht gewährt hatte, ist davon später kein Gebrauch gemacht worden. Auch zu einer Aktenübersendung oder -einsichtnahme an/durch Richter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin ist es nicht mehr gekommen.

6

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.05.2015, vertieft mit Schriftsatz vom 03.07.2015, hat der Angeklagte Beschwerde gegen die Verfügungen des damaligen Vorsitzenden der Großen Strafkammer 2 des Landgerichts Schwerin vom 20. und 25.02.2015 eingelegt. In den selben Schreiben hat der auch von der „A&E“ bevollmächtigte Rechtsanwalt für diese ebenfalls Beschwerde gegen die Vorsitzendenentscheidungen eingelegt. Beide Beschwerdeführer beantragen übereinstimmend die Feststellung, dass

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1. die den Beschwerdeführern M... und A&E verwehrte Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Entscheidung über die Akteneinsichtsgesuche der Rechtsanwälte Dr. Sch..., Dr. M..., von R..., S..., Dr. H... und Dr. P...,
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2. die Gewährung von Akteneinsicht an die unter Ziff. 1 bezeichneten Rechtsanwälte,
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3. die Offenbarung des Inhalts der Strafakten gegenüber einem verfahrensunbeteiligten Drittunternehmen und
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4. die Gewährung von Akteneinsicht an die Zivilkammer 3 des Landgerichts Schwerin rechtswidrig waren.
11

Zur Begründung wird vorgetragen, der Anspruch beider Beschwerdeführer auf die Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Entscheidung über die Akteneinsichtsgesuche sei verletzt. Für den Angeklagten ergebe sich dies aus seiner Beschuldigteneigenschaft im laufenden Steuerstrafverfahren, für die „A&E“ aus ihrer Stellung als Inhaberin von Forderungen, deren effektive Durchsetzung im Zivilprozess von der Wahrung des Steuergeheimnisses abhängen könne. Beide Beschwerdeführer seien durch die unterbliebene Anhörung in ihrem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG, der Angeklagte zusätzlich aus seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG und die „A&E“ aus dem des Art. 14 GG verletzt, weshalb sie einen darauf gerichteten Feststellungsanspruch hätten.

12

Die gewährte Akteneinsicht selbst sei von § 475 StPO nicht gedeckt gewesen, weil damit gegen das Steuergeheimnis des § 30 AO verstoßen worden sei, das sich vorliegend nicht allein auf die Verhältnisse der O... bzw. V..., sondern auch auf den Angeklagten persönlich erstrecke. Auch hätten Zwecke des Strafverfahrens der Gewährung von Akteneinsicht an unbeteiligte Dritte nach § 477 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegengestanden, weil es sich bei den in dem Zivilprozess vor dem Landgericht Karlsruhe Beklagten zugleich um Zeugen in dem anhängigen Strafverfahren handele. Diese seien während der ersten Hauptverhandlung vor dem Landgericht Schwerin in dieser Sache bereits als Zeugen vernommen worden, weshalb davon auszugehen sei, dass sie nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof erneut als Zeugen in Betracht kämen.

13

Die „A&E“ sei durch die Bewilligung und teilweise erfolgte Akteneinsicht in ihren durch Art. 14 GG geschützten vermögensrechtlichen Interessen beeinträchtigt, weil die von ihr im Zivilverfahren vor dem Landgericht Karlsruhe geltend gemachten Schadenersatzansprüche mit den zugunsten der V... geheimnisgeschützten Informationen in den Strafakten in einem untrennbaren Zusammenhang stünden.

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Schließlich verletze auch die Offenbarung der Strafakten an ein verfahrensunbeteiligtes IT-Unternehmen, um diese im Auftrag einer der einsichtssuchenden Rechtsanwaltskanzleien einzuscannen, schutzwürdige Interessen des Angeklagten; dies selbst dann, wenn den beauftragenden Rechtsanwälten selbst die von ihnen beantragte Akteneinsicht zu gewähren gewesen wäre.

15

Die der Zivilkammer 3 des Landgerichts Schwerin bewilligte Einsicht in die Akten bzw. die Übersendung derselben an sie sei ebenfalls nicht von § 30 Abs. 4 Nrn. 4 oder 5 AO gedeckt gewesen, weil es in dem dort geführten Zivilprozess allein um deliktische Ansprüche gegen die früheren Geschäftsführer der O... und nicht um die Durchführung eines Strafverfahrens oder um die Wahrnehmung eines „zwingenden öffentlichen Interesses“ gehe.

16

Das Landgericht Schwerin hat den Beschwerden mit Verfügung des derzeitigen Vorsitzenden der Großen Strafkammer 2 vom 29.03.2017 nicht abgeholfen.

17

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 12.05.2017 beantragt, der Beschwerde des Angeklagten stattzugeben, soweit mit den Vorsitzendenverfügungen vom 20. und 25.02.2015 rechtswidrig Akteneinsicht gewährt wurde, festzustellen, dass die Beschwerde des Angeklagten gegen die unterbliebene Anhörung vor der Entscheidung über die Akteneinsichtsgesuche erledigt ist und die Beschwerde der „A&E“ als unzulässig zu verwerfen.

18

Der Verteidiger hat dazu mit Schreiben vom 18.05.2017 eine Gegenäußerung abgegeben.

II.

19

Während die Beschwerde des Angeklagten überwiegend Erfolg hat, erweist sich diejenige der „A&E“ als unzulässig.

20

1. Die Beschwerde des Angeklagten

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a) Zur Gewährung von Akteneinsicht an die Prozessbevollmächtigten verfahrensunbeteiligter Dritter

22

Die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht an verfahrensunbeteiligte Dritte obliegt während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens dem Vorsitzenden des jeweils mit der Sache befassten Gerichts (§ 478 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz StPO). Soll sich die Akteneinsicht auch auf beigezogene Akten erstrecken, die nicht (integraler) Bestandteil der Hauptakten (geworden) sind, darf die Einsicht in diese Beiakten zudem nur mit Zustimmung der Stelle gewährt werden, um deren Akten es sich handelt (§ 478 Abs. 2 StPO).

23

Die Vorsitzendenentscheidung kann von dem davon Betroffenen nach allgemeinen Grundsätzen mit der (einfachen) Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO angefochten werden (vgl. LR-Hilger, StPO 26. Aufl. § 478 Rdz. 14; SK-StPO/Weßlau, 4. Aufl. § 478 Rdz. 27; Graalmann-Scheerer NStZ 2005, 440; KK-Gieg, 7. Aufl. § 478 Rdz. 5; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 29. Juni 2015 – 2 BvR 2048/12 –, Rdz. 23 f. in juris), sofern keine Ausnahme nach § 304 Abs. 4 oder 5 StPO vorliegt, was hier nicht der Fall ist. Auch § 305 Satz 1 StPO steht der Anfechtung nicht entgegen, weil es bei der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht an verfahrensunbeteiligte Dritte um keine Problematik geht, die mit der Urteilsfällung im Strafverfahren in einem inneren Zusammenhang steht. Der Katalog in § 305 Satz 2 StPO ist zudem nicht abschließend.

24

Die Beschwerde des Angeklagten ist danach insoweit statthaft und zulässig angebracht worden (§ 306 Abs. 1 StPO). Sie hat in diesem Umfang auch Erfolg.

25

Die Gewährung von Einsicht in Strafakten für verfahrensunbeteiligte Privatpersonen oder sonstige (private) Stellen, die auch nicht Verletzte i.S.v. § 406e StPO sind, richtet sich nach § 475 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift sind „Auskünfte“ (oder Akteneinsicht) zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat, oder wenn gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen. Zumindest Letzteres ist hier der Fall.

26

Nach § 477 Abs. 2 Satz 1 StPO ist Akteneinsicht zu versagen, wenn der Übermittlung Zwecke des Strafverfahrens (1) oder besondere bundesgesetzliche Verwendungsregelungen (2) entgegenstehen.

27

(1) Zwecke des Strafverfahrens stehen der Gewährung von Akteneinsicht u.a. dann zwingend entgegen, wenn dadurch der Untersuchungszweck im nämlichen Verfahren gefährdet würde. Deshalb haben z.B. Zeugen, die nicht zugleich Verletzte im Sinne von § 406e StPO sind, bzw. deren Beistände grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht, weil dadurch die Verfahrensvorschriften in § 58 Abs. 1, § 243 Abs. 2 Satz 1 StPO unterlaufen werden könnten (BGH NStZ-RR 2010, 246). Danach sind Zeugen in Abwesenheit der später anzuhörenden Zeugen zu vernehmen; während der Einlassung des Angeklagten (sofern diese vor der Zeugenvernehmung abgegeben wird) haben sie den Sitzungssaal zu verlassen. Die Zeugen sollen auf diese Weise unbeeinflusst von der Kenntnis der Angaben Dritter aussagen. Insoweit stehen deshalb bereits Zwecke des Strafverfahrens der Akteneinsicht an Personen entgegen, die im weiteren Verfahren als Zeugen in Betracht kommen, denn der Beweiswert ihrer Aussagen wäre möglicherweise gemindert, wenn sie zuvor im Einzelnen wüssten, was andere Zeugen oder der Angeklagte zu dem Beweisthema bekundet haben. So ist es hier.

28

Aus dem Urteil der Großen Strafkammer 1 des Landgerichts Schwerin vom 16.04.2013 ist ersichtlich, dass Herr Dr. R... (a.a.O. S. 16 f.) und Herr E... (a.a.O. S. 20 ff.) als Zeugen gehört wurden und die Herren P... (a.a.O. S. 30) und Ra... (a.a.O. Bl. 30 f.) zumindest als solche in Betracht kamen und auch weiterhin kommen. Gleiches gilt für die seinerzeit für die vertraglichen Beziehungen mit der O... Verantwortlichen der S... T... AG und der S... GmbH. Herr E... ist zudem schon im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren als Zeuge vernommen worden (Bd. II, Bl. 66 ff. d.A.); er wird auch in der Anklageschrift vom 19.05.2008 als Zeuge benannt.

29

(2) Eine weitere, der Gewährung von Akteneinsicht an unbeteiligte Dritte entgegenstehende bundesgesetzliche Verwendungsregelung ergibt sich aus dem Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 1 AO).

30

Verbliebener Gegenstand des Strafverfahren ist u.a. der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, der Angeklagte habe am 01.10.2004 für das Geschäftsjahr 2003 eine unrichtige Umsatzsteuererklärungen für die O... beim Finanzamt Wismar abgegeben und dadurch Steuern in Höhe von rund 1,54 Mio. € hinterzogen. Die bei den dazu geführten steuerstrafrechtlichen Ermittlungen angefallenen Unterlagen, darunter Ablichtungen aus den Akten des Finanzamts Wismar über die bei der O... durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Betriebsprüfung), sind Aktenbestandteil. Zudem sind die letztgenannten Akten der Strafkammer nach § 147 Abs. 1 StPO vollumfänglich als Beiakten vorzulegen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 07.07.2015 - 20 VAs 2/15 -, juris).

31

Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person. Hierzu gehören nicht nur der Name und steuerlich relevante Umstände, wie Besteuerungsgrundlagen, sondern auch die Tatsache, dass bei bestimmten Steuerpflichtigen eine Steuerfahndungsprüfung oder ein Bußgeld- und Strafverfahren durchgeführt wurde (Tormöhlen in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 30 Rn. 32; BFH vom 30. September 2002 VII B 137/01, juris). Das Steuergeheimnis stellt eine Datenschutzbestimmung besonderer Art dar und ist gleichzeitig im Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch grundrechtlich (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 15, ggf. i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG; BVerfG vom 17. Juli 1984 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, BStBl II 1984 634) verbürgt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG vom 15. Dezember 1983 1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1).

32

Ein Ausnahmetatbestand nach § 30 Abs. 4 AO, der zugunsten der im Zivilverfahren vor dem Landgericht Karlsruhe Beklagten eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses zuließe, ist nicht ersichtlich.

33

Die Gewährung von Einsicht in die Strafakten des vorliegenden Verfahrens einschließlich etwaiger Beiakten der Finanzverwaltung berührt deshalb den sachlichen und persönlichen Schutzbereich dieses Grundrechts des Angeklagten und stellt einen unzulässigen Eingriff dar.

34

(3) Waren die Bewilligung und die danach erfolgte Akteneinsicht an verfahrensunbeteiligte Dritte nach dem Vorstehenden unzulässig, kann die Maßnahme nicht mehr rückgängig gemacht werden und dauert die dadurch herbeigeführte, grundrechtsrelevante Rechtsbeeinträchtigung fort, steht dem davon betroffenen Angeklagten, zumal wenn er - wie hier - zuvor nicht angehört wurde, zu seiner Rehabilitierung aus Art. 19 Abs. 4 GG ein Anspruch auf (nachträgliche) Feststellung der Rechtswidrigkeit zu (vgl. u.a. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. Juli 2010 – 1 BvR 2579/08 –, Rdz. 50 in juris; Meyer-Goßner, StPO 60. Aufl., vor § 296 Rdz. 18a m.w.N.; SK-Frisch, StPO, 5. Aufl. § 304 Rdz. 52 ff., 55b m.w.N.). Der Angeklagte muss nicht nur besorgen, dass Erkenntnisse aus den Akten an Personen gelangt sind, die in dem gegen ihn noch laufenden Strafverfahren (erneut) als Zeugen in Betracht kommen, sondern er sieht sich auch der irreparablen Situation ausgesetzt, dass sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, hier in Form des Steuergeheimnisses, in schwerwiegenden Weise beeinträchtigt worden ist. Die richterlichen Entscheidungen über die Gewährung der Akteneinsicht an unbeteiligte Dritte beruhen auch auf der unterbliebenen Anhörung des Angeklagten, denn dieser hätte der Maßnahme sonst rechtzeitig zumindest unter Hinweis auf das Steuergeheimnis widersprochen und damit Erfolg gehabt.

35

b) Zur Überlassung der Akten an ein verfahrensunbeteiligtes IT-Unternehmen zum Zwecke des Einscannens

36

War nach dem Vorgesagten schon den Prozessbevollmächtigten der im Verfahren vor dem Landgericht Karlsruhe Beklagten die Akteneinsicht zu versagen, so gilt dies erst Recht für die mit richterlicher Zustimmung auf der Geschäftsstelle der Strafkammer erfolgte Überlassung der Akten zum Zwecke des Einscannens an nicht einmal der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO) und auch sonst keiner Geheimhaltungsverpflichtung unterliegenden Mitarbeiter eines privaten IT-Unternehmens.

37

c) Zur unterbliebenen Anhörung

38

Auch wenn § 478 StPO vor der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht an verfahrensunbeteiligte Dritte grundsätzlich keine vorherige Anhörung des Betroffenen vorsieht (vgl. zum Gesetzgebungsverfahren BT-Drucks. 14/1484, S. 29, 30; Meyer-Goßner a.a.O. § 478 Rdz. 2a), ist inzwischen durch mehrere Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass Betroffene in der Regel analog § 33 StPO anzuhören sind, wenn durch die Gewährung von Akteneinsicht in ihre Grundrechte, namentlich in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, eingriffen wird (BVerfG NStZ-RR 2005, 343; NJW 2007, 1052; 2009, 2876), wie es hier bei dem Angeklagten der Fall ist. Seine unterbliebene Anhörung stellt dann einen schweren Verfahrensfehler dar (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Oktober 2016 – 1 BvR 1766/14 –, Rdz. 5 in juris m.w.N.).

39

Allerdings ist der Mangel der unterbliebenen Anhörung vorliegend mit der Durchführung des Beschwerdeverfahrens als geheilt anzusehen, weil dieses zur Nachholung des rechtlichen Gehörs geführt hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02. Oktober 2015 – 4 Ws 83/15 –, Rdz. 8 in juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 406e Rdn. 11, § 478 Rdn. 4; KK-Gieg, StPO 7. Aufl., § 478 Rdn. 3). So hat der nunmehr zuständige Vorsitzende der Großen Strafkammer 2 des Landgericht Schwerin das Vorbringen des Angeklagten zur Kenntnis genommen und unter dem 20.12.2016 in Vermerksform in den Akten festgehalten, dass „nach Zuständigkeitswechsel ... die Sachlage so beurteilt (wird), dass die Verfahrensakten höchstpersönliche Daten der Angeklagten enthalten. § 30 AO ist betroffen. Insoweit stehen der Gewährung von Akteneinsicht an Dritte schutzwürdige Interessen der Angeklagten entgegen“ (Bd. XXIV, Bl. 84 d.A.). Darüber hinaus ist der Vortrag des Angeklagten nunmehr Gegenstand der Prüfung durch den Senat in der Hauptsache (vgl. vorstehend unter a). Der auf die gesonderte Feststellung der Rechtswidrigkeit der unterbliebenen Anhörung gerichteten Beschwerde fehlt es damit an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weshalb das Rechtsmittel insoweit als unzulässig zu verwerfen war.

40

d) Zur Gewährung der Akteneinsicht bzw. Aktenübersendung an die Richter einer Zivilkammer des LG Schwerin

41

Die Beurteilung der Zulässigkeit der Einsicht in die Strafakten des vorliegenden Verfahrens bzw. deren Überlassung an die 3. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin für Zwecke der Rechtspflege richtet sich nach dem „Doppeltürmodell“ (vgl. dazu grundlegend BVerfGE 130, 151, 184) auf der strafprozessualen Seite nach § 474 Abs. 1 StPO, wobei die Frage der Erforderlichkeit als allgemeine Voraussetzung für das Ersuchen in die alleinige Verantwortung der ersuchenden Stelle fällt, während das dem Ersuchen möglicherweise entgegenstehende Interesse eines davon Betroffenen nach § 477 Abs. 4 StPO sowohl von der ersuchenden wie auch von der ersuchten Stelle zu prüfen ist (LR-Hilger a.a.O. § 474 Rdz. 6). Dabei sind die Einschränkungen nach § 477 Abs. 2 StPO zu beachten, die hier vorliegen (vgl. oben a).

42

Nachdem es jedoch weder zu der Aktenüberlassung noch zu einer Einsichtnahme durch Richter der ersuchenden Zivilkammer gekommen ist und der Vorsitzende der Strafkammer nunmehr in seiner bereits erwähnten Verfügung vom 20.12.2016 auch festgehalten hat, dass es zu einer Umsetzung der (diesbezüglichen) Verfügung aus dem Jahre 2015 nicht mehr kommen wird, fehlt es dem Angeklagten für seine dagegen gerichtete Beschwerde an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (Rehabilitierungsinteresse). Weder ist es insoweit zu einer Grundrechtsverletzung gekommen, noch besteht Wiederholungsgefahr.

43

Soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit der auch insoweit unterbliebenen vorherigen Anhörung des Angeklagten begehrt wird, gilt das vorstehend unter c) Ausgeführte gleichermaßen. Die Beschwerde war deshalb auch insoweit als unzulässig zu verwerfen.

44

2. Zur Beschwerde der „A&E“

45

Die sowohl nach ihren Anträgen wie auch in der Begründung gleichlautende Beschwerde der „A&E“ ist insgesamt unzulässig, weil sie durch die angegriffenen Entscheidungen nicht in eigenen Rechten betroffen ist.

46

Die §§ 474 ff. StPO dienen allein dem Schutz personenbezogener Daten von Beteiligten im Strafverfahren vor unberechtigter Weitergabe an Dritte. Die „A&E“ ist weder Beschuldigte noch Verletzte oder sonst Nebenbeteiligte im vorliegenden Verfahren. Die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen und das nachfolgende Strafverfahren betreffen weder diese Gesellschaft noch die für sie handelnden Organe, weshalb keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Steuergeheimnisses zum Nachteil der „A&E“ bestehen. Auch wird weder vorgetragen noch ist sonst erkennbar, dass sich sonstige dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung unterfallende Daten dieser juristischen Person - sofern sie überhaupt entsprechende Rechte hat (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Mai 2009 – 10 ME 385/08 –, Rdz. 23 in juris m.w.N.) - bei den Akten befinden. Das gilt auch für die für diese Gesellschaft handelnden natürlichen Personen.

47

Auch für eine unbefugte Offenbarung von aus den Akten ersichtlichen und durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der „A&E“ ist nichts ersichtlich.

48

Soweit die „A&E“ besorgt, die einigen der von ihr im Zivilverfahren vor dem Landgericht Karlsruhe aus abgetretenem Recht auf Schadenersatz in Anspruch genommenen Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten gewährte Einsicht in die Strafakten des vorliegenden Verfahrens könne ihnen Vorteile bei ihrer Verteidigung gegen die Klage verschaffen und die Beschwerdeführerin sich dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt sieht, verkennt sie, dass die staatlichen Schutzpflichten aus dieser Norm nicht so weit gehen, sie bei der Durchsetzung behaupteter Ansprüche in einem Zivilprozess dergestalt zu unterstützen, dass den Beklagten der Zugang zu in Gerichtsakten befindlichen Informationen über geschäftliches Verhalten Dritter verwehrt wird, die für ihre Verteidigung gegen die Forderung hilfreich sein könnten. Gegen diese Sichtweise spricht bereits § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO, wonach für Privatpersonen tätigen Rechtsanwälten grundsätzlich Akteneinsicht gewährt werden kann (muss), wenn sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen. Allein das gegenläufige (wirtschaftliche) Interesse einer anderen Person, dass bestimmte Umstände nicht bekannt werden, die ihren behaupteten Ansprüchen zuwider laufen könnten, reicht als Versagungsgrund nicht aus, solange nicht spezielle, gerade ihrem persönlichen Schutz dienende gesetzliche Bestimmungen der Gewährung von Akteneinsicht entgegenstehen. Solches ist hier nicht erkennbar.

49

Die unter 1. lit a) und b) dargestellte Verletzung von Rechten des Angeklagten kann die „A&E“ nicht, auch nicht im Wege eines „Rechtsreflexes“ für sich selbst und zu außerhalb der Schutzbereiche der jeweiligen Norm liegenden Zwecken geltend machen, weil ihnen keine drittschützende Wirkung zukommt.

50

Auch § 304 Abs. 2 StPO führt zu keinem anderen Ergebnis. Wer durch die angegriffene Entscheidung nicht unmittelbar selbst und in eigenen Rechten, sondern nur durch deren faktische Auswirkungen betroffen ist, hat auch nach dieser Vorschrift kein Beschwerderecht (LR-Matt, StPO, 26. Aufl., § 304 Rdz. 52; ebenso SK-Frisch, StPO, 5. Aufl. § 304 Rdz. 43).

51

Aus diesen Gründen hatte die „A&E“ auch keinen Anspruch auf rechtliches Gehör, bevor über die Akteneinsichts- bzw. Übersendungsgesuche entschieden wurde.

III.

52

Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen der Beschwerde des Angeklagten folgt aus § 467 StPO analog, wobei der Senat dem geringen Teilunterliegen dieses Beschwerdeführers keine zu einer Quotelung zwingende Bedeutung zumisst.

53

Hinsichtlich der Beschwerde der „A&E“ folgt die Kostenentscheidung aus § 473 Abs. 1 StPO.

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(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren. (2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er1.personenbezogene Daten eines anderen, die ihma)in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen

Strafprozeßordnung - StPO | § 243 Gang der Hauptverhandlung


(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. (

Strafprozeßordnung - StPO | § 147 Akteneinsichtsrecht, Besichtigungsrecht; Auskunftsrecht des Beschuldigten


(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. (2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 43a Grundpflichten


(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. (2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworde

Strafprozeßordnung - StPO | § 306 Einlegung; Abhilfeverfahren


(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt. (2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheid

Strafprozeßordnung - StPO | § 33 Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer Entscheidung


(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen. (2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erk

Strafprozeßordnung - StPO | § 406e Akteneinsicht


(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes

Strafprozeßordnung - StPO | § 305 Nicht der Beschwerde unterliegende Entscheidungen


Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaub

Strafprozeßordnung - StPO | § 475 Auskünfte und Akteneinsicht für Privatpersonen und sonstige Stellen


(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wä

Strafprozeßordnung - StPO | § 477 Datenübermittlung von Amts wegen


(1) Von Amts wegen dürfen personenbezogene Daten aus Strafverfahren Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für Zwecke der Strafverfolgung sowie den zuständigen Behörden und Gerichten für Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übermittelt

Strafprozeßordnung - StPO | § 474 Auskünfte und Akteneinsicht für Justizbehörden und andere öffentliche Stellen


(1) Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden erhalten Akteneinsicht, wenn dies für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist. (2) Im Übrigen sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit 1. die Auskünfte zur Fest

Strafprozeßordnung - StPO | § 478 Form der Datenübermittlung


Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 können auch durch Überlassung von Kopien aus den Akten erfolgen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 58 Vernehmung; Gegenüberstellung


(1) Die Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen. (2) Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen oder mit dem Beschuldigten im Vorverfahren ist zulässig, wenn es für das weitere Verfahren geboten erscheint.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 15


Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschä

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 1 1 4 / 1 4
vom
8. Oktober 2014
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________
1. § 265b StGB umfasst auch Straftaten zu Lasten ausländischer Kreditgeber.
2. Genussrechtekapital kann die Voraussetzungen eines Kredits i.S.v. § 265b Abs. 1
StGB erfüllen.
BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 114/14 - LG Schwerin
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Kreditbetruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. September 2014, in der Sitzung am 8. Oktober 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung vom 2. September 2014 - und
Richterin am Landgericht
- bei der Verkündung am 8. Oktober 2014 -
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte M. persönlich
- in der Verhandlung vom 2. September 2014 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten O. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 16. April 2013 werden verworfen.
2. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
3. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich aller Angeklagten mit den Feststellungen aufgehoben, soweit sie von den Vorwürfen Ziffer 1. bis 3. der Anklage vom 19. Mai 2008 (= Komplex III. 1. der Urteilsgründe) freigesprochen worden sind.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten M. , O. und N. des gemeinschaftlichen Kreditbetruges schuldig gesprochen und den Angeklagten M. deswegen zur Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten, den Angeklagten O. zur Freiheitsstrafe von neun Monaten und den Angeklagten N. zu einer solchen von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
2
Von Vorwürfen der Steuerhinterziehung und des Subventionsbetruges hat das Landgericht die Angeklagten freigesprochen. Außerdem hat es die Entschädigungspflicht der Staatskasse für den dem Angeklagten M. aus einer am 30. März 2006 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung entstandenen Schaden festgestellt.
3
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil bleiben erfolglos. Die auf die Teilfreisprüche der Angeklagten (soweit sie von den Vorwürfen Ziffer 1. bis 3. der Anklage vom 19. Mai 2008 = Komplexe III. 1. der Urteilsgründe freigesprochen worden sind) beschränkten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.

A.


4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
Die Angeklagten M. , O. und N. waren seit Januar 2000 (M. ), September 2001 (O. ) bzw. April 2005 (N. ) als Geschäftsführer der OD. GmbH (im Folgenden: OD. ) tätig. Hauptgesellschafterin dieser als Herstellerin handelsüblicher CDs und DVDs am Markt auftretenden Gesellschaft war ab April 2003 die K. , eine Gesellschaft spanischen Rechts, hinter der der Angeklagte M. bzw. dessen Familienangehörige standen. Deutlich kleinere Anteile hielten daneben die I. GmbH (im Folgenden: I. ) und – als Privatperson – L. .
6
Bereits seit Sommer 2004 bemühte sich die H. , der OD. das Finanzprodukt „PREPS“ zu vermitteln. Dieses über die schweizerische C. Group (im Folgenden: C. ) vertriebene sogenannte Mezzanine -Produkt der PREPS 2005-2 plc (in Dublin/Irland) fungierte „als eine Plattform , über die Investoren nachrangiges Kapital in Form von verbrieften Genussrechten bereitstellen“ (UA S. 41).
7
Am 21. Oktober 2005 unterzeichneten die Angeklagten M. und N. für die OD. zunächst eine Mandatsvereinbarung mit der C. , aufgrund derer diese als Beraterin der OD. bei deren Einstieg in „PREPS“ tätig werden sollte. Am 9. November 2005 unterzeichneten M. und N. sodann ein Angebot der „PREPS 2005-2 plc in Dublin/Irland“ (UA S. 45) für ei- ne Genussrechtevereinbarung.
8
Beide Vertragswerke enthielten zahlreiche Informationspflichten der OD. gegenüber der C. als Beraterin einerseits, der PREPS 2005-2 plc als Genussrechtsgläubigerin andererseits. Der Mandatsvertrag mit der C. verpflichtete die OD. zur Vorlage durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierter Jahresabschlüsse sowie dazu, unmittelbar vor Valutierung schriftlich zu bestätigen, dass sich die Wirtschafts- und Geschäftslage gegenüber dem letzten testierten Jahresabschluss nicht verschlechtert habe. Das Vertragsangebot der PREPS 2005-2 plc enthielt entsprechende Selbstverpflichtungen der OD. und verpflichtete diese zusätzlich, die Autorisierung zur Begründung des Genussrechts durch die zuständigen Gesellschaftsorgane schriftlich nachzuweisen. Gemäß den Bestimmungen der Genussrechtsvereinbarung bildete das Fehlen dieser Autorisierung einen Kündigungsgrund; nach den Bestimmungen beider Vertragswerke sollte zudem jegliche Verschlechterung der Bonität der OD. deren Teilnahme am Produkt „PREPS“ ausschließen; für falsche oder unvollständige Informationen der OD. über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse waren in den Vertragswerken Haftungsklauseln vorgesehen.
9
Bereits seit 2003 stand die OD. wegen vermeintlicher Patentverletzungen in außergerichtlichen Auseinandersetzungen mit der US-amerikanischen Gesellschaft MP. . Zur Deckung etwaiger gerichtlicher Schadensersatzforderungen hatte sie im Geschäftsjahr 2003 zwar vorsorglich Rücklagen im Umfang von ca. 1,15 Millionen Euro gebildet, diese jedoch in 2004 wieder aufgelöst. Im Juli 2005 wurden der OD. mehrere Patentklagen der MP. zugestellt.
10
Innerhalb der OD. war dieser Vorgang umstritten. Die Minderheitsgesellschafterin I. hielt die Auflösung der Rücklagen und infolge dessen auch den testierten Jahresabschluss 2004, in dem die Patentstreitigkeiten keine Erwähnung fanden, für fehlerhaft. Aus diesem Grunde verweigerte sie gegenüber dem Angeklagten M. zunächst die Autorisierung der Genussrechtevereinbarung. Der Gesellschafter L. stimmte der Vereinbarung am 18. November 2005 zu, nachdem ihm der Angeklagte M. bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt hatte, die I. habe die Vereinbarung bereits autorisiert. Erst am 29. November 2005 stimmte die I. schließlich unter der Bedin- gung zu, dass „die Genussrechtsgläubiger trotz fehlender Rückstellungsbildung im Jahresabschluss 2004 über den Themenkomplex ‚MP. ‘ informiert worden sind bzw. informiert werden“ (UA S. 48). Der Angeklagte M. übersand- te daraufhin eine bereits am 18. November 2005 vorbereitete Bestätigung über die Autorisierung durch alle Gesellschafter an die C. .
11
Die von der I. ausbedungene Vorabinformation der Genussrechtsgläubigerin über die anhängigen Patentstreitigkeiten nahmen die Angeklagten in der Folge jedoch nicht vor. Vielmehr bestätigten M. und O. nach Rücksprache mit dem Angeklagten N. noch am 29. November 2005 schriftlich gegenüber der C. , dass sich seit dem testierten Jahresabschluss 2004 keine wesentlich nachteiligen Geschäftsveränderungen ergeben hätten und verschwiegen in diesem Zusammenhang auch die Zustellung der Patentklagen im Juli 2005.
12
In zwei Tranchen wurde daraufhin am 8. und 9. Dezember 2005 das Genussrechtskapital von insgesamt rund 12 Millionen Euro an die OD. überwiesen.
13
Erst im Anschluss veranlassten die Angeklagten die Aufnahme kurzer Passagen in den Konzernlagebericht 2004 und den Jahresabschluss 2004, die auf die Zustellung der Patentklagen – bei gleichzeitiger geringer Risikobewertung – hinwiesen.
14
Nachdem die OD. bis Juli 2007 sechs Zinszahlungen im Umfang von ca. 1,242 Millionen Euro geleistet hatte, stellte sie alle Zahlungen ein. Nach dem Ausscheiden der Angeklagten M. und O. als Geschäftsführer der OD. im Jahr 2007 beantragte der Angeklagte N. am 5. Oktober 2007 beim Amtsgericht Schwerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der OD. .

B.

I.

15
Aufgrund einer weiteren Anklage lagen den Angeklagten darüber hinaus folgende Taten zur Last:
16
1. Die Angeklagten sollen aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses am 1. Oktober 2004 eine von dem Angeklagten O. unterzeichnete unvollständige Umsatzsteuerjahreserklärung der OD. für das Jahr 2003 beim Finanzamt W. eingereicht haben. Aus dieser Erklärung habe sich nicht ergeben , dass sich die Erwerbskosten der OD. für 35 im Jahr 2002 von der Firma S. AG (im Folgenden: S. ) gekaufte Produktionsanlagen zur Herstellung von CDs und DVDs infolge eines nachträglichen Vergleichsabschlusses vermindert hatten. Durch diesen Vergleich habe sich – wie die Angeklagten wussten – die Bemessungsgrundlage für im Jahr 2002 antragsgemäß unter Anrechnung der ursprünglichen vollen Erwerbskosten ausbezahlte Vorsteuern geändert; dadurch sei eine zusätzliche, in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2003 erklärungspflichtige Umsatzsteuerlast der OD. von 1.540.397,82 Euro angefallen, die zu verschweigen die Angeklagten beabsichtigten, um sich entsprechende Rückforderungen des Finanzamts zu ersparen. In Unkenntnis dieses Umstandes habe das Finanzamt W. dem in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2003 ausgewiesenen Erstattungsanspruch über 8.773,40 Euro zugestimmt und diesen an die OD. ausgezahlt.
17
2. Am 28. Juni 2002 und am 8. Januar 2003 soll der Angeklagte O. in Absprache mit den Angeklagten M. und N. für das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr 2001/2002 und für das Wirtschaftsjahr 2002 Anträge auf Investitionszulage für betriebliche Investitionen nach § 2 Investitionszulagengesetz 1999 für die von der S. erworbenen 35 Produktionsanla- gen gestellt haben, auf die das Finanzamt W. Investitionszulagen in Höhe von 7.350.000 Euro bewilligt und an die OD. ausgezahlt habe.
18
Entgegen der ihnen bekannten Pflicht, Änderungen der Anschaffungsoder Herstellungskosten für die Produktionsanlagen unverzüglich zu melden, sollen es die Angeklagten nach dem unter 1.) bezeichneten Vergleichsschluss mit der S. unterlassen haben, die hierdurch geminderten Erwerbskosten dem Finanzamt anzuzeigen, um sich damit eine Rückerstattung zu viel geleisteter Investitionszulagen in Höhe von 2.791.971,04 Euro zu ersparen.
19
3. Die entsprechende Mitteilung sollen die Angeklagten entgegen der ihnen insoweit bekannten Verpflichtung auch gegenüber dem Landesförderinstitut Me. unterlassen haben. Das Landesförderinstitut habe der OD. im Rahmen zweier getrennter Fördervorgänge Februar 2002 bzw. Oktober 2002 antragsgemäß Investitionszuschüsse aus Mitteln der Ge- meinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (sog. GA-Mittel) i. H. von insgesamt 7.091.700 Euro bewilligt, die die OD. bis zum 4. Dezember 2002 vollständig abgerufen habe. Auch hier sollen die Angeklagten die Mitteilung unterlassen haben, um sich eine anteilige Rückforderung der Investitionszulagen zu ersparen.

II.


20
1. Das Landgericht hat zu den Vorwürfen der Umsatzsteuerhinterziehung und den beiden Fällen des Subventionsbetruges (s.o. I. 1. bis 3.) im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
21
Im Jahr 2002 schloss die OD. mit der S. drei Verträge über die Lieferung von insgesamt 35 Maschinen zur Herstellung von CDs und DVDs zum Preis von zunächst 34.104.000 Euro. Für das Auftreten von Mängeln der gelieferten Maschinen wurde vorrangig Nachbesserung, ersatzweise ein Rücktrittsrecht vereinbart. Ein Anspruch auf Minderung wurde ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang meldete der Angeklagte O. im Juli 2002 beim zuständigen Finanzamt in W. unter Ansatz der Erwerbkosten einen Vorsteuererstattungsbetrag zugunsten der OD. für das zweite Quartal 2002 in Höhe von 5.496.745,35 Euro an. Nach Bewilligung des Finanzamtes wurden am 30. Juli 2002 zunächst 5.299.854,35 Euro, nach einer Berichtigung am 15. August 2002 weitere 79.189,46 Euro an die OD. ausbezahlt.
22
Am 1. Oktober 2001 beantragte der Angeklagte M. beim Landesförderinstitut Me. die Gewährung eines Investitionszu- schusses aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Regiona- len Wirtschaftsstruktur“, auf den hin am 14. Februar 2002 Zuwendungen i. H. von 8.644.200 Euro bewilligt wurden. Ein präzisierter Förderantrag des Angeklagten M. vom 21. Januar 2002 führte zu einer weiteren Ausschüttung von Fördermitteln des Landesförderinstituts im Umfang von 16.287.200 Euro. Die Zuwendungsbescheide enthielten den Hinweis darauf, dass Änderungen subventionserheblicher Tatsachen unverzüglich mitzuteilen sind. Bis zum 4. Dezember 2002 riefen die Angeklagten M. und O. in mehreren Stufen die Mittel beider Fördervorgänge bis zur vollen Höhe ab.
23
Am 28. Juni 2002 beantragte der Angeklagte O. zudem beim Finanzamt in W. die Gewährung einer Investitionszulage für das Wirtschaftsjahr 2001/2002. Am 8. Januar 2003 stellte er einen „weiteren Antrag auf Investi- tionszulage für denselben Zeitraum“ (UA S. 13). Die Zulagen wurden hinsicht- lich der verfahrensgegenständlichen Produktionsanlagen antragsgemäß festgesetzt.
24
Nicht alle der gelieferten Anlagen waren neuwertig. Wann dies den Angeklagten bekannt war, hat die Strafkammer wegen nach ihrer Rechtsauffassung fehlender Relevanz nicht festgestellt (UA S. 15). Nach Lieferung der ersten Anlagen im August 2002 bemängelte der Angeklagte M. „viele kleine Unzulänglichkeiten“ der gelieferten Anlagen. Teilweise wiesen die Maschinen nicht die von der OD. erwarteten Spezifikationen auf; insbesondere waren einige der Anlagen nicht zur Produktion von DVDs vom Typ „DVD 9“ in der Lage (UA S. 15 f.). In der Folge wurden bei einer Besprechung von Vertretern der S. und der OD. am 10. Februar 2003 „Konsequenzen durch verspätete In- stallation“, namentlich der Ersatz hierdurch bedingter Schäden, erörtert. Ange- strebt wurde zunächst vorzugsweise eine Verbesserung der Konditionen, unter denen die OD. die ausstehenden Kaufpreisforderungen vorzeitig ablösen konnte (sog. „Break-Regelung“). In der Folge traten weitere Probleme auf, die z.T. auf Verzögerungen bei der Installation (UA S. 17), z.T. auf „einen Umzug der Anlagen, fehlende Aufträge und weiterhin auch durch Verschulden von OD. -Mitarbeitern“ (UA S. 17) zurückzuführen waren. Aber auch „die Auseinandersetzung mit der S. wegen unterschiedlicher Anlagen-Mängel dauerte un- vermindert fort“ und bildeten Anlass für neue Regulierungsvorschläge hinsicht- lich der vereinbarten Break-Regelung, die jedenfalls bis zum 8. Dezember 2003 diskutiert wurden (UA S. 17).
25
Den Angeklagten war „spätestens zu diesem Zeitpunkt aber auch be- wusst, dass alle Vereinbarungen, die in der Sache eine Minderung der Anschaffungskosten für die Fertigungsanlagen darstellten, die Rückerstattung eines Teils der vereinnahmten Umsatzsteuer für dieses Geschäft sowie von Teilen der Investitionszulage sowie des Investitionszuschusses zwingend zur Fol- ge haben würde“. Nachdem die Angeklagten aufgrund der Beratung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erkannt hatten, dass eine Veränderung der Break-Regelung eine Anschaffungskostenminderung darstellen würde, entwarf der Angeklagte O. zunächst eilig eine Schadensaufstellung im Umfang von ca. 6,3 Millionen Euro. In der Folge rangen die Angeklagten – erneut unter Hinzuziehung von Wirtschaftsberatern – um die Verifizierung weiterer potenzieller Schadensersatzkomponenten. In diesem Zusammenhang vermerkte der für die S. verhandelnde Zeuge V. am 18. Dezember 2003 im Protokoll über ein mit der OD. geführtes Gespräch: „Kein Preisnachlass wegen Finanzbehör- den und Rückzahlung der Förderung“, während im Gesprächsvermerk der OD. ausgeführt wurde: „Es geht nicht um Discontierung, sondern um Schaden!“
26
Den Entwurf der schließlich ausgehandelten Ausgleichsvereinbarung ließen die Angeklagten noch vor der Unterzeichnung von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft überprüfen. Die Präambel der Vereinbarung verwies auf „Meinungsverschiedenheiten“ bezüglich „im Zusammenhang mit der Inbetrieb- nahme und dem ersten Jahr der Nutzung der Anlagen bei OD. “ aufgetretener „Mehraufwendungen und Mindereinnahmen durch S. “ (UA S. 22 f.) und gab vor, unter Bezugnahme auf einen seitens der S. nicht anerkannten „Ausgleichsanspruch“ der OD. eine „endgültige Auseinandersetzung mit wechsel- seitiger Generalquittung“ umzusetzen. Die Restschuld der OD. wurde nach Verrechnung der ausstehenden Kaufpreisforderung mit dem bezeichneten „Ausgleichsanspruch“ auf elf Millionen Euro beziffert und der OD. eine weitere, vollständige Verifizierung des entstandenen Schadens auferlegt.
27
In der Folge gelang es den Angeklagten jedoch nicht, die von ihnen behaupteten und der Ausgleichsvereinbarung zugrunde liegenden Schadenspositionen hinreichend belastbar zu beziffern. Im Frühjahr 2004 erholte die OD. ein Gutachten der von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, das die steuerliche Behandlung des Ausgleichsanspruchs als Schadensersatz bestätigte. Daraufhin stellten die Angeklagten, ohne die Schadenspositionen abschließend verifiziert zu haben, der S. eine auf den 30. Dezember 2003 zurückda- tierte Schlussrechnung mit dem Betreff „Schadensersatz gemäß Vereinbarung vom 23.12.03 – 11.276.546,51 Euro“.
28
2. Das Landgericht hat zur Begründung der Freisprüche im Wesentlichen ausgeführt:
29
Im Hinblick auf die gegen alle drei Angeklagten gerichteten Vorwürfe der Steuerhinterziehung sowie des Subventionsbetruges durch Verschweigen der Vereinbarung vom 23. Dezember 2003 sei eine Erklärungspflicht der Angeklagten nicht zu erkennen.
30
Seitens der OD. sei „jedenfalls der Ausgleich eines Schadens“ gewollt und „gegenüber der S. auch klar kommuniziert“ worden. Die Vertragsparteien seien „von einem Ausgleich für eine Minderleistung“ letztlich „nicht (mehr) ausgegangen“. In der Präambel gehe es ausschließlich um „‚bei OD. aufgetretene Mehraufwendungen und Mindereinnahmen durch S. ‘ im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme und Nutzung der Anlagen im ersten Jahr. Es sei „fernliegend , dass die Manager der S. darin eine bereits verbindlich getroffene Break-Vereinbarung im Sinne einer Preisminderung gesehen haben könnten“. Selbst eine darauf gestützte Berechnung könne den überwiegenden Teil des Ausgleichsanspruchs nicht erklären. Feststellungen für ein kollusives Zusammenwirken der Angeklagten mit den Vertretern der S. habe die Beweisaufnahme nicht erbracht (UA S. 33 f.).
Auch wenn die Angeklagten die Relevanz der juristischen Zuordnung der
31
von ihnen erwirkten Regelung als erklärungspflichtige Erwerbskostenminderung einerseits, nicht erklärungspflichtiger Schadensersatz andererseits, erkannt hätten , sei es ihnen unbenommen gewesen, die für die OD. steuerlich günstigste Variante der Vertragsgestaltung zu wählen. Zudem hätten sich die Angeklagten von einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beraten lassen; die rechtliche Einordnung der Vereinbarung sei auch unter Fachleuten umstritten gewesen. Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken der Angeklagten mit den Vertretern der S. zum Nachteil der Finanzbehörden und Subventionsgeber bestünden nicht.

C.

Revisionen der Angeklagten
32
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.

I.


33
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer tragen den Schuldspruch wegen Kreditbetruges (§ 265b StGB) gegen alle Angeklagten.
34
1. Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen zur Unternehmenseigenschaft der Genussrechtsgläubigerin PREPS 2005-2 plc sind – auch unter Berücksichtigung des vom Angeklagten M. hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens – ausreichend.
35
a) Das Urteil differenziert erkennbar zwischen „PREPS“ und „PREPS 2005-2 plc in Dublin/Irland“.
36
Die Bezeichnung „PREPS“ wird hierbei synonym mit „Mezzanine- Produkt“ (UA S. 40), „Produkt“ oder „kapitalmarktnahe Finanzierung“, mit „Platt- form, über die Investoren nachrangiges Kapital in Form von verbrieften Ge- nussrechten am Markt bereitstellen“ (jeweils UA S. 41) oder mit „PREPSProgramm“ (UA S. 42) verwendet.
37
Demgegenüber ist zur Genussrechtsgläubigerin festgestellt, dass die von den Angeklagten M. und O. am 9. November 2005 unterzeichnete Erklärung ein „Angebot zum Abschluss einer Genussrechtevereinbarung zwi- schen OD. und PREPS 2005-2 plc in Dublin/Irland“ beinhaltete (UA S. 45). Darüber hinaus waren ausweislich der Urteilsfeststellungen auch die vertragsmäßig vorgesehenen Mitteilungen und Bestätigungen der OD. an die „PREPS 2005-2 plc“ (UA S. 47) bzw. an die „PREPS 2005-2 plc in Dublin/Irland“ (UA S. 50) gerichtet. Schließlich führt das Urteil aus, dass die infolge der Genuss- rechtevereinbarung anfallenden Zinsschulden gegenüber der „PREPS“ geleis- tet wurden, und dass im Rahmen der späteren Insolvenz der OD. die „Gläubi- gerin PREPS Dublin“ umfangreiche Forderungen angemeldet hat (beides UA S. 50).
38
Die Strafkammer hat im Ergebnis zwar, worauf bereits der Generalbundesanwalt in seinem Antrag vom 7. Mai 2014 zutreffend hingewiesen hat, die Bezeichnung des kreditierten Produkts („PREPS“) mehrfach zugleich als Kurz- bezeichnung für die Genussrechtsgläubigerin verwendet, was allein zur Feststellung von deren Unternehmenseigenschaft nicht ausreichend wäre. Indes ist der korporative Charakter der Genussrechtsgläubigerin durch die zitierten Fest- stellungen, aus denen sich klar ergibt, dass es sich um eine unter „PREPS 2005-2“ firmierende Gesellschaft in der Rechtsform einer „public limited com- pany“ (plc) handelt, ausreichend belegt.
39
b) Auch die in diesem Zusammenhang – Verfahrensrügen sind nicht erhoben – von der Revision des Angeklagten M. hinzugefügte Beanstan- dung, die vollständige Namenswiedergabe von „PREPS“ sei im Urteil nur unter dem englischsprachigen Terminus „Preferred Pooled Shares“ erfolgt, jedoch nicht übersetzt worden, bleibt ohne Erfolg.
40
Es begründet keinen revisiblen Darstellungsmangel des Urteils, wenn die Strafkammer – wie auch bei natürlichen Personen – den Namen einer ausländischen Gesellschaft nicht in die deutsche Sprache übersetzt hat (vgl. zu fremdsprachigen Namensbezeichnungen Senat, Urteil vom 9. November 2011 – 1 StR 302/11, NStZ 2012, 523, 525). Gleiches gilt, worauf bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat, für die Verwendung gebräuchlicher gesellschaftsrechtlicher Kurzbezeichnungen, na- mentlich der „plc“.

41
2. Entgegen der Auffassung der Revision umfasst das abstrakte Gefährdungsdelikt § 265b StGB auch Straftaten, die unter den Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB zu Lasten ausländischer Kreditgeber begangen werden.
42
a) Der Tatbestand des Kreditbetruges schützt sowohl das individuelle Vermögen des Kreditgebers als auch das überindividuelle Rechtsgut der Kreditund Volkswirtschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2014 – 1 StR 649/13; im Ergebnis noch offen gelassen im Senatsbeschluss vom 7. Februar 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2002, 433, 435, und bei BGH, Beschluss vom 21. Febru- ar 1989 – 4 StR 643/88, BGHSt 36, 130 ff.; wie hier auch OLG Celle wistra 1991, 359; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 265b Rn. 10 ff. mwN; Lackner in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 265b Rn. 1; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 265b Rn. 3; Krack NStZ 2001, 505, 506; Kießner, Kreditbetrug , 1985, S. 55 f.; Lampe, Der Kreditbetrug, 1980, S. 33 ff.; a. A. offenbar Fischer , StGB, 61. Aufl., § 265b Rn. 3 mwN; Hoyer in SK-StGB, 112. Lfg., § 265b Rn. 6 ff.; von Rintelen, Überindividuelle Rechtsgüter im Vorfeld des Betruges?, Diss. 1993, S. 121 ff.; Schubarth ZStW 92 (1980), 80, 91 f.; s.a. RefE zum 1. WiKG 1974, S. 36 ff. und Bericht Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. 7/5291, S. 14, 16).
43
b) Vor diesem Hintergrund scheidet eine Beschränkung auf Taten gegen inländische Kreditgeber aus.
44
aa) Für im Inland auch gegenüber ausländischen Kreditgebern begangene Taten (§ 9 Abs. 1 StGB) gelten die allgemeinen Regeln.
45
Die Anwendbarkeit einer Strafnorm auf ausländische Rechtsgüter ist durch Auslegung ihres Tatbestandes zu ermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1979 – 1 StR 21/79, BGHSt 29, 85, 88). Tatbestände, die ausschließlich dem Schutz kollektiver Rechtsgüter dienen, erfassen grundsätzlich nur inländische Interessen, was eine transnationale Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes allerdings nicht von vorneherein ausschließt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 24. April 1963 – 2 StR 81/63, BGHSt 18, 333, 334).Für Tatbestände, die – wie hier – transnational anerkannte Individualrechtsgüter schützen, kommt es jedoch auf die Staatsangehörigkeit des Rechtsgutsträgers oder die Belegenheit des geschützten Rechtsgutes nicht an (BGH, Beschluss vom 26. Juli 1967 – 4 StR 38/67, BGHSt 21, 277, 280 und Urteil vom 15. Dezember 1955 – 4 StR 342/55, BGHSt 8, 349, 355; s.a. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1979 – 1 StR 21/79, BGHSt 29, 85, 88; vgl. auch OLG Köln NJW 1982, 2740).
46
bb) § 265b StGB umfasst auch Taten zum Nachteil ausländischer Kreditgeber. Die transnationale Wirkung ergibt sich bereits aus der Betroffenheit des Individualvermögens der betroffenen Kreditgeber. Dass der Norm daneben auch noch eine kollektivschützende Komponente zukommt, ändert hieran nichts.
47
cc) Soweit die Revision dem Gesetz verschiedene Anhaltspunkte für einen dem Auslandsbezug entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers entnehmen will, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
48
(1) Eine Begrenzung des Tatbestandes auf Taten gegen inländische Kreditgeber kann – entgegen auch in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum vertretener Auffassung (OLG Stuttgart NStZ 1993, 545; Heger in Lackner /Kühl, StGB, § 265b Rn. 1; Saliger in SSW-StGB, 2. Aufl., § 265b Rn. 2) – nicht aus einem inneren Bezug der Norm zum Gesetz über das Kreditwesen (KWG) abgeleitet werden.
49
Zwar hat § 265b StGB seine kriminalpolitischen Wurzeln in dem früheren Tatbestand der Krediterschleichung (§ 50 KWG aF, vgl. RGBl. 1934 I, S. 1203 ff.; zur Streichung der Norm vgl. die Neufassung des KWG mit Wirkung ab 1. Januar 1962, BGBl. 1961 I, S. 881; dazu näher Kießner, Kreditbetrug, 1985, S. 25 ff.). Weder im Rahmen der der Schaffung des § 265b StGB vorausgegangenen rechtspolitischen Diskussion um eine erneute Pönalisierung betrügerischer Verhaltensweisen im Vorfeld des Betruges noch im Gesetzgebungsverfahren zu § 265b StGB stand jedoch eine erneute dogmatische Verortung im KWG im Raum (vgl. hierzu Kießner aaO S. 29 ff.).
50
Auch inhaltlich hat der Gesetzgeber bei der Einführung des § 265b StGB die Möglichkeit einer akzessorischen Ausgestaltung gerade nicht aufgegriffen: Einerseits hat er aus dessen Begriffsbestimmungen nur bestimmte Elemente übernommen (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 KWG aF i.d. bis zum 30. Juni 1993 geltenden Fassung). Andererseits geht § 265b StGB deutlich über die Grenzen des KWG hinaus, indem er auch den wirtschaftlich bedeutsamen Kreis der Betriebs- und Unternehmenskredite erfasst (BR-Drucks. 5/75, S. 4 ff.; BT-Drucks. 7/3441, S. 4 f., 32).
51
(2) Auch dass § 265b StGB – anders als § 264 StGB – keinen Eingang in den Katalog der von § 6 StGB erfassten internationalen Rechtsgüter gefunden hat, schließt eine Anwendung des § 265b StGB auf Inlandstaten zum Nachteil ausländischer Kreditgeber nicht aus. § 6 StGB begründet eine vom Tatortprinzip unabhängige Verfolgungszuständigkeit; die Regelung erfasst universell anerkannte Rechtsgüter, die die (internationale oder – im Fall des § 6 Nr. 8 StGB – europäische) Staatengemeinschaft als solche betreffen, und deren Verletzung eine Bedrohung der gemeinsamen Sicherheitsinteressen der Staaten bedeutet (vgl. Safferling, Internationales Strafrecht, 2011, S. 28; vgl. auch Werle/Jeßberger in LK-StGB, 12. Aufl., § 6 Rn. 2 a.E.).
(3) Entgegen der Auffassung der Revision begründet das Fehlen einer
52
ausdrücklichen Erweiterung des Tatbestandes auf transnationale Rechtsgüter – auch im Vergleich zu anderen Tatbeständen, die solche Erweiterungen aufweisen – keinen Umkehrschluss auf eine rein innerstaatliche Schutzrichtung des Tatbestandes.
53
(a) Ein solcher Umkehrschluss lässt sich insbesondere nicht der Regelung des Subventionsbegriffes in § 264 Abs. 7 Nr. 2 StGB (Subventionsbetrug) entnehmen. Anders als beim Tatbestand des Kreditbetruges sind beim Subventionsbetrug fiskalische Interessen unmittelbar berührt; der mit einer Erweiterung auf ausländische Rechtsgutsträger verbundene Eingriff in fremde Hoheitsrechte verstand sich deshalb nicht von selbst (vgl. die aus diesem Grunde rein inländische Wirkung von Straftatbeständen bei Eingriffen in Steuersysteme,Schmitz/ Wulf in MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 9 § 370 abs. 6 ao>; oder in staatliche Versorgungssysteme, vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 1979 – 1 StR 21/79, BGHSt 29, 85, 88 ), weshalb es insoweit der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vom Sonderausschuss eingefügten Klarstellung (vgl. BT-Drucks. 7/5291, S. 10) bedurfte.
54
(b) Nichts anderes ergibt sich aus der ausdrücklichen Erweiterung der geschützten Rechtsgüter des § 299 Abs. 3 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) auf Handlungen im ausländischen Wettbewerb. Auch der Gesetzgeber hielt die Erstreckung der beiden Tatbestände auf „Handlungen im ausländischen Verkehr“ schon nach dem Wortlaut der seiner- zeit bestehenden Regelung für möglich (vgl. BT-Drucks. 14/8998, S. 7 f.). Zu der gleichwohl (klarstellenden) ausdrücklichen Erweiterung des Tatbestandes sah er sich durch die aus Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 2 der vom Rat der Europäischen Union beschlossenen Gemeinsamen Maßnahme vom 22. Dezember 1998 betreffend die Bestechung im privaten Sektor (98/742/JI, Abl. EG 1998 Nr. L 358, S. 2 ff.) begründete Pflicht der Mitgliedstaaten, die Bestrafung von Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr „sicherzustellen“, veranlasst (BT-Drucks. 14/8998, S. 7 f.).
55
3. Das gewährte Genussrechtekapital erfüllt die Voraussetzungen eines Kredits i. S. von § 265b Abs. 1 StGB.
56
a) Der Kreditbegriff wird durch § 265b Abs. 3 Nr. 2 StGB legal definiert; danach sind Gelddarlehen aller Art, Akzeptkredite, der entgeltliche Erwerb und die Stundung von Geldforderungen, die Diskontierung von Wechseln und Schecks und die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen erfasst. Unter dem Begriff des Gelddarlehens ist jedes rechtsgeschäftliche Zurverfügungstellen von Geld für einen begrenzten Zeitraum zu verstehen (in diesem Sinne Saliger in SSW-StGB, 2. Aufl., § 265b Rn. 5 mwN; ähnlich bereits OLG Hamm wistra 2008, 195; dem folgend Tiedemann in LKStGB , 12. Aufl., § 265b Rn. 35).
57
Nach dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers sind allerdings insbesondere gesellschaftsrechtliche Beteiligungen an Unternehmen vom Kreditbegriff des § 265b Abs. 3 Nr. 2 StGB ausgenommen (BTDrucks. 7/3441, S. 32).
58
b) Die Qualifizierung von Genussrechten als „Gelddarlehen“ i. S. von § 265b Abs. 3 Nr. 2 StGB ist umstritten.
59
Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums gehen von einer allgemeinen Zuordnung der Genussrechte zum Kreditbegriff des § 265b Abs. 3 Nr. 2 StGB aus (OLG Hamm wistra 2008, 195, 197; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 265b Rn. 12; Saliger aaO).
Demgegenüber lehnt ein Teil des Schrifttums eine generelle Subsumtion
60
der Genussrechte unter den Kreditbegriff wegen der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten dieses Finanzierungsinstruments ab und fordert eine einzelfallbezogene Überprüfung, die jedenfalls solche Genussrechte ausnimmt, die gesellschafterähnliche Beteiligungsrechte gewähren (vgl. Wohlers/Mühlbauer in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 265b Rn. 14).
61
c) Genussrechte sind – unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelnen – „Gelddarlehen“ und damit „Kredite“ i. S. des § 265b Abs. 3 Nr. 2 StGB.
62
aa) Das Genussrecht findet zwar im Gesetz vielfach Erwähnung, ist jedoch gesetzlich nicht definiert (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 309;Überblick bei Schrecker, Mezzanine-Kapital im Handelsund Steuerrecht, 2012, S. 27 mwN). Es begründet keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Unternehmen, sondern lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 – II ZR 172/91, BGHZ 199, 305, 309 f.; BFH, Urteil vom 19. Januar 1994 – I R 67/92, GmbHR 1994, 410, 411 mwN; Krieger in MünchHdbGesR, Band 4, 3. Aufl., § 63 Rn. 62 mwN; Golland/Gehlhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB-Beilage 2005 Nr. 14, 1, 17). Der Genussrechtsvertrag wird zivilrechtlich als Dauerschuldverhältnis eigener Art bewertet (BGH, Urteile vom 21. Juli 2003 – II ZR 109/02, BGHZ 156, 38, 43; und vom 5. Oktober 1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 330 mwN; näher Dangelmayer, Der Schutz von Genussrechtsinhabern im Anwendungsbereich des Kreditwesengesetzes, 2013, S. 55 ff.).
63
In ihrer grundsätzlichen Struktur weisen Genussrechte klassische Elemente von Darlehensgeschäften auf: Sie sind auf die Überlassung von Kapital zur Rückzahlung nach Ablauf einer (zumeist langfristigen) Laufzeit ausgerichtet. Für die Überlassung wird eine Vergütung geleistet, die je nach Vereinbarung als Festvergütung oder als Zinsschuld ausgestaltet sein kann. Kapitalüberlassung und Leistung der vereinbarten Gewinnbeteiligung sind Hauptpflichten des Vertrages (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305,

330).

64
Im Unterschied zur Rechtsstellung „echter“ Gesellschafter von Kapital- gesellschaften gewähren Genussrechte ihren Inhabern allenfalls gesellschaftertypische Vermögensrechte, jedoch keine Mitverwaltungsrechte (BGH, Urteile vom 21. Juli 2003 – II ZR 109/02, BGHZ 156, 38, 43; vom 9. November1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 146 f.; und vom 5. Oktober 1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 310, 316 mwN; s.a. Golland/Gehlhaar/Grossmann/ Eickhoff-Kley/Jänisch aaO, S. 14, 18). Informations- und Teilnahmerechte (ohne Mitverwaltungsrechte) werden ihnen nur in eng begrenztem Rahmen zugestanden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 316 mwN; Krieger aaO Rn. 62 mwN; Dangelmayer aaO S. 38 f. mwN), eine aktive Beteiligung am Willensbildungsprozess innerhalb der Gesellschaft ist ihnen jedoch verwehrt (vgl. zum Ausschluss von Stimm- und Anfechtungsrechten BGH aaO S. 316 mwN; Krieger aaO Rn. 62 mwN; Dangelmayer aaO S. 38 f. mwN; Emde, Der Genussschein als Finanzierungsinstrument, Diss. 1987, S. 7 mwN).
65
Bereits die vom Gesetzgeber zur Abgrenzung des in § 265b StGB definierten Kreditbegriffs selbst gewählte Formulierung „gesellschaftsrechtliche Be- teiligungen“ (BT-Drucks. 7/3441, S. 32) deutet aber darauf hin, dass ausge- nommen nur die klassischen Unternehmensbeteiligungen, jedoch keine beteiligungsähnlichen schuldrechtlichen Verbindungen sein sollten. Die vom Gesetz- geber ausdrücklich in Bezug genommenen „Beteiligungen“ i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 5 KWG aF (§ 19 Abs. 1 Nr. 7 KWG nF), sind indes gerade durch die mitgliedschaftlichen Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten ihrer Inhaber ge- prägt (für § 19 Abs. 1 Nr. 7 KWG nF vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 19 Rn. 29; zur Anlehnung des § 19 Abs. 1 Nr. 7 KWG nF an den Be- griff der „Beteiligung“ in § 271 HGB und zur dort h.M., die Genussrechte eben- falls mangels mitgliedschaftlicher Rechte ausschließt, vgl. Hüttemann/Meyer in Staub, HGB, Band 5, 5. Aufl., § 271 Rn. 6 mwN; Böcking/Gros in Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn, HGB, Band 1, 3. Aufl., § 271 Rn. 2; einschr. Reiner in MüKo-HGB, Band 4, 3. Aufl., Rn. 8).
66
Danach ist der Schuldspruch rechtlich nicht zu beanstanden.

II.

67
Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils deckt auch im Strafausspruch keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
68
Die Strafkammer hat „die immense Dauer des Ermittlungs- und Hauptverfahrens ganz entscheidend zu ihren Gunsten“ berücksichtigt (UA S. 72).

D.

Revisionen der Staatsanwaltschaft

I.

69
1. Es kann dahinstehen, ob die Freisprüche schon deshalb rechtlich keinen Bestand haben, weil Bedenken dagegen bestehen, dass die Urteilsgründe den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil (§ 267 Abs. 5 StPO) gerecht werden. Danach muss grundsätzlich zunächst der Tatvorwurf im Einzelnen mitgeteilt , im Anschluss daran die getroffenen Feststellungen dargelegt und sodann begründet werden, weshalb keine anderen oder weitergehenden Feststellungen möglich waren. Im vorliegenden Fall weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die Anklagevorwürfe nur auszugsweise mitgeteilt und mit den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen vermischt werden. Das bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da die Freisprüche schon aus den nachfolgend aufgeführten Gründen aufzuheben waren.
70
2. Die Freisprüche der Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung halten aus sachlich-rechtlichen Gründen der Überprüfung nicht stand.
71
Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer eine steuerliche Erklärungspflicht bezüglich der verringerten Zahllast der OD. gegenüber der S. ablehnt, weisen Rechtsfehler auf. Die Strafkammer ist rechtsfehlerhaft von unzutreffenden Grundsätzen ausgegangen und hat daran ihre Beweiswürdigung sowohl zum objektiven als auch zum subjektiven Tatbestand orientiert.

a) Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer be72 reits die rechtlichen Maßstäbe für die umsatzsteuerrechtliche Relevanz nachträglicher Veränderungen der Zahllast verkannt hat.
73
Im Ansatz zutreffend hat die Strafkammer zwar zunächst ausgeführt, dass Änderungen, die sich als Minderung des Kaufpreises darstellen, das der Umsatzsteuer unterworfene „Entgelt“ i. S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG verrin- gern, weshalb die Kaufpreisminderung regelmäßig zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage i. S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG führt. Maßgebend für die Höhe des Entgelts ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. Dem entspricht, dass die zunächst maßgebende vereinbarte Bemessensgrundlage durch eine nachträgliche Vereinbarung mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden kann und dass die Leistung des Unternehmers letztendlich nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert wird, die sich aufgrund der von ihm vereinnahmten Gegenleistung ergibt. Entsprechendes gilt für die vom Leistungsempfänger zu entrichtende Umsatzsteuer.
74
Es macht umsatzsteuerrechtlich keinen Unterschied, ob der Besteller eines Werkes, das sich als mangelhaft erweist, den Werklohn mindert oder das Werk behält und statt der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 19. April 2007 - V R 44/05). Einer Minderung der Bemessungsgrundlage stünde auch nicht entgegen, wenn die Zahlung auf einem Vergleich beruht. Denn für die Frage, ob sich die Bemessungsgrundlage für einen Umsatz geändert hat, kommt es nicht auf die jeweils einschlägige zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, sondern auf das umsatzsteuerrechtliche Kriterium des unmittelbaren Zusammenhangs an (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 11. Februar 2010 - V R 2/09).
75
Bei bloßer Verrechnung mit Schadensersatzansprüchen bleibt demgegenüber das Entgelt unberührt, da eine Änderung der Bemessungsgrundlage insoweit nicht eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2007 – VIII ZR 68/06, WM 2007, 990 ff. mwN; BFH, Urteil vom 10. Dezember 1998 – V R 58/97, BFH/NV 1999, 987 ff.; Stadle in Rau/Dürrwächter, UStG, 152. Lfg., § 17 Rn. 194). Anderes gilt jedoch bei Schadensersatzansprüchen wegen Sachmängeln der Lieferung ; diese sind umsatzsteuerrechtlich einer Minderung der Gegenleistung gleichzustellen (vgl. BFH, Urteil vom 16. Januar 2003 – V R 72/01, BStBl II 2003, 620 ff.; vgl. Korn in Bunjes, UStG, 13. Aufl., § 17 Rn. 45 mwN; Stadle in Rau/Dürrwächter, UStG, 152. Lfg., § 17 Rn. 197 mwN). Die Entscheidung darüber , ob es sich steuerrechtlich um nicht umsatzsteuerpflichtigen echten Schadensersatz oder um eine steuerbare sonstige Leistung handelt, hängt davon ab, ob die Zahlung mit einer Leistung des Steuerpflichtigen in Wechselbeziehung steht, ob also ein Leistungsaustausch stattgefunden hat; maßgebend ist der tatsächliche Geschehensablauf (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 14. März 2007 - VIII ZR 68/06, WM 2007, 990 ff.).
76
Die Strafkammer misst rechtsfehlerhaft den Inhalt der Vereinbarung ausschließlich daran, ob es sich um „echten Schadensersatz“ handelte (UA S. 34), und hält hierfür allein für maßgebend, dass es – im Sinne eines Gegenanspruchs – den Beteiligten darauf ankam, „mit einer Zahlung etwas auszugleichen“ (UA S. 33). Auch der Verweis auf die in der Präambel der Vereinbarung vom 23. Dezember 2003 enthaltene Formulierung „Mehraufwendungen und Mindereinnahmen durch S. ‚im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme und Nutzung der Anlagen im ersten Jahr‘“ (UA S. 33) lässt nicht erkennen, dass sich die Strafkammer der Relevanz von Schadensersatzansprüchen wegen Mangelschäden bewusst war.
77

b) Bei Anwendung des richtigen Maßstabs ergaben die Urteilsausführungen eine Vielzahl von Anhaltspunkten dafür, dass der Ausgleichsvereinbarung in nicht unerheblichem Umfang zumindest auch Schäden wegen Sachmängeln zugrunde lagen.
78
Mit Blick auf die von der Strafkammer getroffene Feststellung, dass nicht alle Maschinen neuwertig waren (UA S. 14 f.), hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, ob Neuwertigkeit ausdrücklich vereinbart oder dem nach dem vertraglich vereinbarten oder gewöhnlichen Gebrauch zu erwarten war (§ 434 BGB). Darüber hinaus drängten die Urteilsausführungen zur Annahme des Vorliegens von Sachmängeln, etwa in Form der nicht näher verifizierten, bereits nach Lieferung der ersten Anlagen im August 2002 beanstandeten „vielen kleinen Unzulänglichkeiten“ (UA S. 15) und der fehlenden Spezifikationen, auf- grund derer die Anlagen zum Teil für die von der OD. geplanten Fertigungen nicht einsetzbar waren (UA S. 16). Neben anderem dauerte die Auseinandersetzung mit der S. „wegen unterschiedlicher Anlagen-Mängel“ bis gegen Ende 2003 an (UA S. 18).
79
c) Ausgehend von ihrem rechtlich unzutreffenden Ansatz beruht auch die Annahme der Strafkammer, nach dem Willen der Beteiligten sei die Vereinbarung insgesamt als nicht zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führende Schadensersatzvereinbarung und nicht als Kaufpreisminderung auszulegen, auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
80
aa) Für die Beurteilung, ob eine umsatzsteuerrechtlich erhebliche Entgeltminderung vorliegt, kommt es, wie bereits aufgezeigt, nicht darauf an, wie die Beteiligten die Ausgleichsvereinbarung deklarieren oder rechtlich gewertet wissen wollten, sondern allein auf den tatsächlichen Geschehensablauf (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2007 – VIII ZR 68/06, WM 2007, 990 ff.; und vom 3. November 2005 – IX ZR 140/04, NJW-RR 2006, 189 ff.; zur Unerheblichkeit von den Parteien gewählter Bezeichnungen vgl. auch BFH, Urteil vom 17. Dezember 2009 – V R 1/09).
81
bb) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer zwar zunächst ausgeführt, dass sich eine Anpassung der ursprünglich vereinbarten Break-Regelung als Entgeltminderung , mithin als eine Teilrückzahlungspflichten begründende Änderung der Bemessungsgrundlagen i. S. von § 17 UStG, dargestellt hätte. Nachdem die Parteien aber ab Dezember 2003 die Diskussion um einen Ausgleich nur noch unter dem Begriff „Schadensersatz“ führten, hätte sich die Strafkam- mer damit auseinandersetzen müssen, ob die bereits den ursprünglichen Ausgleichsverhandlungen zugrunde liegenden Sachverhalte auch Grundlage der weiteren Gespräche und der späteren Vereinbarung blieben und insoweit lediglich umdeklariert wurden.
82
Diese zweite Möglichkeit lag nahe, weil die Angeklagten ausweislich der Urteilsfeststellungen auf eine veränderte Begründung des Ausgleichs erst drängten, nachdem ihnen bekannt war, dass eine Bewertung als Entgeltminderung erhebliche Teilrückzahlungen der erstatteten Vorsteuer nach sich ziehen würde. Nicht erörtert hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang ferner, dass – ihren eigenen Feststellungen zufolge – eine belastbare Verifizierung entstandener Schäden seitens der OD. zu keinem Zeitpunkt vorgelegt werden konnte.
83
cc) Auch die – nicht näher begründete – Annahme der Strafkammer, die Beweisaufnahme habe keine Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken der Angeklagten mit den Vertretern der S. erbracht, lässt einen durchgreifenden Erörterungsmangel erkennen. So hätte die Strafkammer in ihre Beweiswürdigung einfließen lassen müssen, dass der Zeuge V. von der S.
am 18. Dezember 2003 im Protokoll über ein mit der OD. geführtes Gespräch „Kein Preisnachlass wegen Finanzbehörden und Rückzahlung der Förderung“ vermerkt hatte.
84
3. Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass die rechtsfehlerhafte Verkennung der rechtlichen Maßstäbe die Verneinung des Vorsatzes der Angeklagten (UA S. 34) beeinflusst hat.
85
Denn die Urteilsausführungen lassen erkennen, dass die Angeklagten von der steuerrechtlichen Problematik und der fragwürdigen rechtlichen Zuord- nung des Anspruchs komplett als „echter Schadensersatz“ durchaus Kenntnis hatten.
86
Der neue Tatrichter wird allerdings sowohl die Frage des Vorsatzes als auch die eines etwaigen Verbotsirrtums kritisch zu würdigen haben, da die entsprechende Rechtsmaterie zu dem damaligen Zeitpunkt nicht allgemein bekannt war und die Angeklagten sich von verschiedenen Fachleuten hatten beraten lassen.

II.


87
Auch der Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf des Subventionsbetruges in Bezug auf die durch das Finanzamt W. gewährte Investitionszulage weist Rechtsfehler auf. Denn die Strafkammer ist auch hier von dem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen.
88
Die Strafkammer hat eine (durch Unterlassen bewirkte) Täuschung über das Vorliegen subventionserheblicher Tatsachen mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt. Denn subventionserheblich waren nach § 2 Abs. 5 Investi- tionszulagengesetz 1999 jedenfalls die Anschaffungskosten für die gelieferten Anlagen. Der Begriff der Anschaffungskosten, der nach allgemeiner Auffassung § 255 Abs. 1 HGB zu entnehmen ist (vgl. BFH, Urteil vom 26. März 1992 – IV R 74/90, BB 1992, 2471 f.; für den parallelen Begriff der Herstellungskosten auch BFH, Urteile vom 20. August 2013 – IX R 5/13, BFH/NV 2014, 312 ff.; vom 4. Juli 1990 – GrS 1/89, BB 1990, 1886 ff.), umfasst die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Abzuziehen sind Anschaffungspreisminderungen (§ 255 Abs. 1 Satz 3 HGB). Darunter sind nicht nur Kaufpreisnachlässe , sondern ganz allgemein Ermäßigungen der Anschaffungskosten und damit auch Rückflüsse von im Zusammenhang mit dem Erwerb geleisteten Aufwendungen zu verstehen, die nicht sofort abziehbar, sondern auf die Zeit der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zu verteilen gewesen wären (BFH, Urteil vom 20. August 2013 – IX R 5/13, BFH/NV 2014, 312 ff.). Der Tatrichter hätte auch hier darlegen und erörtern müssen, inwieweit es sich nicht in Wirklichkeit um eine Ermäßigung der Anschaffungskosten gehandelt hat.

III.


89
Die sachlich-rechtliche Überprüfung führt auch hinsichtlich des Vorwurfs eines weiteren Subventionsbetruges gegenüber dem Landesförderinstitut Me. zur Aufhebung und Zurückverweisung.
90
1. Allerdings kommt eine Bestrafung der Angeklagten wegen Subventionsbetruges (§ 264 StGB) aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Denn die Anschaffungskosten für die von der OD. erworbenen Produktionsanlagen stel- len in Bezug auf die betroffene Fördermaßnahme (Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“) keine subventionserhebli- chen Tatsachen i. S. von § 264 Abs. 8 StGB dar.
91
Subventionserheblich sind nur solche Tatsachen, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind (§ 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB) oder von denen die Bewilligung, Gewährung , Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich abhängig ist (§ 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB). Die Subventionserheblichkeit muss sich folgerichtig aus einem Gesetz (im formellen oder materiellen Sinne), d.h. einem Bundes- oder Landesgesetz oder einer Rechtsverordnung, ergeben; die Bezeichnung als „subventionserheblich“ in Verwaltungsvorschriften, Richtlinien etc. genügt jedoch nicht (vgl. bereits BGH, Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233,

237).

92
An einer solchen gesetzlichen Anknüpfung fehlt es aber bei Subventi- onsvergaben im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Weder das Subventionsgesetz noch das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschafts- struktur“ vom 6. Oktober 1969 (BGBl. I, S. 1861) enthalten konkrete Hinweise auf die Anknüpfung derartiger Fördermittel im Allgemeinen bzw. des Investitionszuschusses im Besonderen an die Anschaffungskosten. Subventionserhebliche Tatsachen ergeben sich allenfalls aus dem nach § 4 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (in der bis zum 13. September 2007 geltenden Fassung) aufgestellten Rahmenplan des nach § 6 dieses Gesetzes zusammen tretenden Planungsausschusses aus Mitgliedern der Bundes- und Landesregierungen oder weiteren, im Zusammenhang mit der Förderung stehenden konkreten Verwaltungsbestimmungen (vgl. bereits OLG Thüringen, Beschluss vom 1. November 2006 – 1 Ws 290/06, StV 2007, 417 (nur Ls.); näher Kaligin, BB 2009, 524 ff.). Dies genügt jedoch ebenso wenig wie der ausweislich der Urteilsfeststellungen in den Zuwendungsbescheiden enthaltene Hinweis „auf die Subventionserheb- lichkeit der Angaben“ (vgl. bereits BGH aaO; OLG Thüringen aaO).
93
Eine Verurteilung wegen Subventionsbetruges scheidet danach im vorliegenden Fall aus.
94
2. Soweit – was naheliegt – auch die Anschaffungskosten zu den ausweislich der Förderungsbescheide subventionserheblichen „Angaben“ zählten, ist jedoch eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) zu prüfen. Kommt die für sich genommen abschließende Sonderregelung des § 264 StGB nicht in Betracht, liegen aber die Voraussetzungen des (versuchten) Betruges vor, lebt die Strafbarkeit nach § 263 StGB wieder auf (BGH, Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233).
95
Auch insoweit hatte daher eine Aufhebung und Zurückverweisung zu erfolgen.

IV.

96
Durch die Aufhebung des freisprechenden Urteils werden die damit verknüpfte Entschädigungsentscheidung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG) und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos (BGH, Urteile vom 25. April 2013 – 4 StR 551/12 und vom 25. März 2010 – 1 St1 StR 601/09, Rn. 20). Raum Rothfuß Jäger Radtke Mosbacher

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.

(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er

1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm
a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
bekannt geworden sind, oder
2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
(geschützte Daten) unbefugt offenbart oder verwertet oder
3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.

(3) Den Amtsträgern stehen gleich

1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs),
1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen,
2.
amtlich zugezogene Sachverständige,
3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit

1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient,
1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient,
1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient,
2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist,
2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist,
2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient,
2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen,
2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist,
3.
die betroffene Person zustimmt,
4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse
a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder
b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn
a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen,
b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder
c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.

(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.

(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.

(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.

(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.

(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.

(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.

(11) Wurden geschützte Daten

1.
einer Person, die nicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet ist,
2.
einer öffentlichen Stelle, die keine Finanzbehörde ist, oder
3.
einer nicht-öffentlichen Stelle
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.

(1) Von Amts wegen dürfen personenbezogene Daten aus Strafverfahren Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für Zwecke der Strafverfolgung sowie den zuständigen Behörden und Gerichten für Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, soweit diese Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle hierfür erforderlich sind.

(2) Eine von Amts wegen erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren ist auch zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist für

1.
die Vollstreckung von Strafen oder von Maßnahmen im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 8 des Strafgesetzbuches oder für die Vollstreckung oder Durchführung von Erziehungsmaßregeln oder von Zuchtmitteln im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen oder
3.
Entscheidungen in Strafsachen, insbesondere über die Strafaussetzung zur Bewährung oder deren Widerruf, oder in Bußgeld- oder Gnadensachen.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 können auch durch Überlassung von Kopien aus den Akten erfolgen.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

Tenor

1. Der Beschluss des Kammergerichts vom 28. Juni 2012 - 4 Ws 61/12 - 141 AR 305/12 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Das Verfahren wird an das Kammergericht zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Gewährung von Akteneinsicht an ein Presseunternehmen im Strafverfahren.

2

1. Mit Urteil vom 19. September 2011 verurteilte das Landgericht Berlin den Beschwerdeführer wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Die Revision des Beschwerdeführers verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 28. März 2012 als unbegründet.

3

2. Der Fall erregte in der Öffentlichkeit erhebliche Aufmerksamkeit und wurde zum Gegenstand ausführlicher medialer Berichterstattung. Unter anderem veröffentlichte die B. in ihrer Druckausgabe vom 24. August 2011 einen Bericht über den ersten Verhandlungstag. Neben dem Text wurde ein Bild des Beschwerdeführers abgedruckt, das diesen auf der Anklagebank mit unkenntlich gemachter Augenpartie zeigte. In diese Abbildung war eine Porträtaufnahme des Beschwerdeführers eingefügt worden.

4

3. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 beantragte ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter der B. GmbH Akteneinsicht in die Strafakte. Zur Begründung führte er aus, der Beschwerdeführer habe gegen die B. GmbH eine zivilrechtliche Klage erhoben. Gegenstand sei die Berichterstattung über das Strafverfahren.

5

Mit Verfügung vom 14. Dezember 2011 gewährte der Vorsitzende der 39. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Berlin ohne weitere Begründung und vorbehaltlich des Nachweises einer Vollmacht die begehrte Akteneinsicht. Nach Vorlage einer Vollmacht erfolgte am 4. Januar 2012 die Übersendung eines Aktendoppels. Die Akteneinsicht umfasste die vollständige Verfahrensakte, nicht jedoch den Bundeszentralregisterauszug des Beschwerdeführers und das diesen betreffende forensisch-psychiatrische Gutachten.

6

4. Von der Gewährung der Akteneinsicht erfuhr der Beschwerdeführer erst durch die Klageerwiderung der B. GmbH im Zivilprozess. Daraufhin legte der Verteidiger des Beschwerdeführers am 5. März 2012 Beschwerde gegen die Verfügung vom 14. Dezember 2011 ein und beantragte die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Er rügte insbesondere, die Entscheidung des Vorsitzenden verletze den Beschwerdeführer in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die B. GmbH habe kein berechtigtes Interesse im Sinne des § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO an der Akteneinsicht dargelegt. Außerdem habe der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung der Akteneinsicht. Der Vorsitzende der Jugendkammer half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Kammergericht zur Entscheidung vor.

7

5. Mit Beschluss vom 28. Juni 2012 verwarf das Kammergericht die Beschwerde als unzulässig, weil sie nicht statthaft sei. Das Kammergericht führte aus, "gemäß § 478 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StPO" seien "ausschließlich Entscheidungen der Staatsanwaltschaft über die Gewährung von Auskünften und Akteneinsicht für Privatpersonen und andere Stellen (§ 475 StPO) anfechtbar". Zudem könne das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe zwar zur Annahme eines berechtigten Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme führen. Jedoch setze die Zulässigkeit des Feststellungsantrages die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels vor Eintritt der Erledigung voraus. Diese sei hier nicht gegeben.

8

6. Parallel zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde wandte sich der Verteidiger des Beschwerdeführers gegen diesen Beschluss mit einem als "Gegenvorstellung" bezeichneten Schreiben vom 9. August 2012 an das Kammergericht Berlin. In dem Schreiben rügte er eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG, da das Kammergericht die Beschwerde fehlerhaft als unstatthaft verworfen habe. Das Gericht sei offensichtlich von einer unzutreffenden, seit dem Jahr 2009 überholten Gesetzeslage ausgegangen. Seit der Novellierung des § 478 StPO im Zuge des 2. Opferrechtsreformgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2280) sei die Beschwerde gegen die Entscheidung des Vorsitzenden statthaft.

9

7. Das Kammergericht verwarf die Gegenvorstellung mit Beschluss vom 29. August 2012 als unzulässig. Eine Änderung unanfechtbarer Entscheidungen sei gesetzlich nur zugelassen, wenn das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden sei (§§ 33a, 356a StPO). Dies sei aber nicht der Fall, weil der Senat keine Umstände berücksichtigt habe, zu denen der Beschwerdeführer nicht angehört worden wäre. Seine Ausführungen enthielten lediglich eine eigene tatsächliche und rechtliche Bewertung des beanstandeten Geschehens. Die Unanfechtbarkeit der beanstandeten Entscheidung (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO) dürfe nicht durch Anerkennung eines außergesetzlichen Rechtsbehelfs umgangen werden. Im Übrigen habe die Entscheidung des Senats vom 28. Juni 2012 "auf der Anwendung der im Zeitpunkt dieser Entscheidung geltenden Gesetzesfassung, konkret der Sätze 1 und 2 des § 478 Abs. 3 StPO", beruht.

10

8. Absatz 3 des § 478 StPO hatte in der bis zum 30. September 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) folgenden Wortlaut:

In den Fällen des § 475 kann gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Absatz 1 gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a Abs. 3 Satz 2 bis 4 beantragt werden. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist unanfechtbar. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

11

Die in dem entscheidungserheblichen Zeitraum geltende Fassung des § 478 Absatz 3 StPO (im Folgenden: n. F.) lautete:

In den Fällen des § 475 kann gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Absatz 1 gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

II.

12

Mit seiner fristgemäß erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.

13

1. Die Entscheidung des Vorsitzenden der Jugendkammer ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers verletze ihn in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Bei Anwendung des § 475 StPO habe die Auskunft erteilende oder Akteneinsicht gewährende Stelle die schutzwürdigen Interessen derjenigen Personen, deren Daten auf diese Weise zugänglich gemacht werden, gegen das Informationsinteresse des Antragstellers abzuwägen. Dies sei nicht geschehen. Weder habe die B. GmbH ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht dargelegt, noch sei das schutzwürdige Interesse des Beschwerdeführers an der Verweigerung der Akteneinsicht ausreichend berücksichtigt worden. Zudem sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Betroffenen vor Erteilung der Auskünfte und erst recht vor Gewährung von Akteneinsicht rechtliches Gehör zu gewähren, um eine effektive Wahrnehmung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu ermöglichen.

14

2. Der Beschluss des Kammergerichts vom 28. Juni 2012 verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Verwerfung der Beschwerde als unstatthaft durch das Kammergericht basiere auf einer seit der Gesetzesänderung im Jahre 2009 unvertretbaren, objektiv willkürlichen Rechtsanwendung und stelle daher einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Hierdurch habe das Kammergericht zugleich die Beschreitung des Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert und damit gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen. Schließlich liege auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vor, weil das Kammergericht die Beschwerde aus nicht mehr vertretbaren Gründen als unzulässig verworfen und sich deshalb mit dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht befasst habe.

III.

15

1. Zu der Verfassungsbeschwerde haben der Generalbundesanwalt, die B. GmbH und der Vorsitzende der 39. Strafkammer des Landgerichts Berlin Stellung genommen. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts hat die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Entscheidung des Kammergerichts Aussicht auf Erfolg. Die B. GmbH hält die Verfassungsbeschwerde teilweise bereits für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Der Vorsitzende der 39. Strafkammer des Landgerichts Berlin hat klarstellende Ausführungen zu Umfang sowie Art und Weise der Akteneinsichtsgewährung gemacht. Der Beschwerdeführer hat auf die Stellungnahmen erwidert.

16

2. Dem Bundesverfassungsgericht hat die Strafakte zu dem Aktenzeichen 234 Js 2053/11 vorgelegen.

IV.

17

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen den Beschluss des Kammergerichts richtet, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine der Verfassungs-beschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Danach ist die insoweit zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinn offensichtlich begründet (§ 93b i.V.m. § 93c Abs. 1 BVerfGG). Der Beschluss des Kammergerichts verstößt gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG).

18

1. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Willkürlich ist ein Richterspruch nicht bereits dann, wenn die Rechtsanwendung oder das eingeschlagene Verfahren Fehler aufweisen. Hinzukommen muss vielmehr, dass Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dabei enthält die Feststellung von Willkür keinen subjektiven Schuldvorwurf. Willkür ist vielmehr in einem objektiven Sinne zu verstehen (vgl. BVerfGE 62, 189 <192>; 80, 48 <51>; 86, 59 <62 f.>; stRspr). Es muss sich um eine krasse Fehlentscheidung (vgl. BVerfGE 89, 1 <14>) oder um einen besonders schweren Rechtsanwendungsfehler - wie die Nichtbe-rücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder die krasse Missdeutung des Inhalts einer Norm (vgl. BVerfGE 87, 273 <279>) - handeln.

19

2. Nach diesen Maßstäben beruht der Beschluss des Kammergerichts auf einer objektiv willkürlichen Gesetzesauslegung.

20

a) Dies gilt jedenfalls dann, falls das Kammergericht die Entscheidung auf Grundlage des § 478 Abs. 3 StPO a. F. getroffen hat. Denn die Anwendung einer außer Kraft getretenen Norm ist mit der Nichtanwendung einer offensichtlich einschlägigen Norm vergleichbar. Trotz der anders lautenden, ausdrücklichen Erklärung des Kammergerichts im die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers verwerfenden Beschluss vom 29. August 2012 spricht vieles für eine irrtümliche Anwendung des veralteten Gesetzestextes.

21

Das Kammergericht hat die den teilweisen Ausschluss der Beschwerde regelnde Vorschrift des § 478 Abs. 3 Satz 3 StPO n. F. weder im angegriffenen Beschluss vom 28. Juni 2012 noch in seinem Beschluss vom 29. August 2012 zur Begründung seiner Entscheidung angeführt, sondern allein auf die Sätze 1 und 2 des Absatzes 3 der Vorschrift Bezug genommen. Diese Sätze regeln aber nicht (mehr) den Ausschluss der Beschwerde. Auch die seitens des Kammergerichts angeführten Fundstellen sprechen für eine irrtümliche Anwendung des veralteten Gesetzestextes. Eine vom Kammergericht in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg führte zur Begründung den genauen Wortlaut des damaligen Beschwerdeausschlusses gemäß § 478 Abs. 3 Satz 2 StPO a. F. an (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Januar 2002 - 2 Ws 258/01 -, juris, Rn. 3 f.; vgl. auch Rübenstahl, StraFo 2013, S. 341). Die zusätzlich vom Kammergericht zitierte Literatur war teilweise veraltet - so war der von dem Kammergericht zitierte Karlsruher Kommentar auf dem Stand des Jahres 2008 - oder nahm ersichtlich irrtümlich die veraltete Gesetzeslage in Bezug (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 304 Rn. 5; siehe hierzu Rübenstahl, StraFo 2013, S. 341 <342 Fn. 6>).

22

b) Doch selbst wenn das Kammergericht - so wie von ihm angegeben - § 478 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StPO n. F. angewendet haben sollte, ist die Entscheidung objektiv willkürlich.

23

Nach § 304 Abs. 1 StPO ist die Beschwerde gegen Verfügungen des Vorsitzenden zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht. Ein derartiger Ausschluss der Beschwerde ist nach dem Wortlaut in § 478 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StPO n. F. nicht (mehr) angeordnet. Angesichts der klaren Regelung des § 304 Abs. 1 StPO ("… ausdrücklich einer Anfechtung entzieht") kann nicht etwa im Wege eines Umkehrschlusses, auf den sich das Kammergericht im Übrigen auch nicht beruft, aus der Anordnung des Rechtsbehelfs in § 478 Abs. 3 Satz 1 StPO n. F. gegen die Entscheidung des Staatsanwaltes nach § 478 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 StPO auf das Fehlen eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung des Vorsitzenden nach § 478 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StPO geschlossen werden.

24

Zudem spricht die Entstehungsgeschichte des § 478 Abs. 3 StPO n. F. gegen einen Ausschluss der Beschwerde (vgl. auch Rübenstahl, StraFo 2013, S. 341 <342>): Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Vorsitzenden wurde als "nicht mehr sachgerecht" angesehen, weshalb der Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit entfallen sollte (vgl. BTDrucks 16/12098, S. 36, 40). Auch wenn die Gesetzesbegründung dabei in erster Linie auf die Anfechtungsmöglichkeit bei Versagung der Akteneinsicht abgestellt hat, ist aus den Gesetzesmaterialien nicht ersichtlich, dass für die umgekehrte Situation - die Gewährung der Akteneinsicht - etwas anderes gelten sollte.

25

Soweit die - vom Kammergericht ohnehin nicht angeführte - Vorschrift des § 478 Abs. 3 Satz 3 StPO n. F. "die Entscheidung des Gerichts" für unanfechtbar erklärt, gilt dies aufgrund des nachfolgenden Nebensatzes "solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind" jedenfalls nicht für Entscheidungen des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 478 Rn. 4; Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 478 Rn. 5; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 478 Rn. 14; Rübenstahl, StraFo 2013, S. 341).

26

c) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die angegriffene Entscheidung des Kammergerichts auf der objektiv unvertretbaren Rechtsauffassung beruht, weil die Beschwerde nicht aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig oder unbegründet gewesen wäre.

27

3. Da die Entscheidung des Kammergerichts wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG aufzuheben ist, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob der Beschwerdeführer in weiteren von ihm geltend gemachten Rechten verletzt worden ist.

V.

28

Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die Verfügung des Strafkammervorsitzenden richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen. Das Kammergericht hat bislang noch keine Entscheidung in der Sache getroffen und wird - nach Klärung des Feststellungsinteresses - umfassend zu prüfen haben, ob die Gewährung der Akteneinsicht rechtswidrig war. Es besteht kein Anlass, der fachgerichtlichen Prüfung und Entscheidung durch das Kammergericht vorzugreifen. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

VI.

29

Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG war der Beschluss des Kammergerichts aufzuheben und die Sache an das Kammergericht zurückzuverweisen.

VII.

30

Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

31

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.

(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt.

(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.

(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Richters im Vorverfahren und des beauftragten oder ersuchten Richters.

(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.

(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint. Sie kann auch versagt werden, wenn durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft in den in § 395 genannten Fällen den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat.

(3) Der Verletzte, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 befugt, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke unter Aufsicht zu besichtigen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden. § 480 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die in § 403 Satz 2 Genannten.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

(1) Von Amts wegen dürfen personenbezogene Daten aus Strafverfahren Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für Zwecke der Strafverfolgung sowie den zuständigen Behörden und Gerichten für Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, soweit diese Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle hierfür erforderlich sind.

(2) Eine von Amts wegen erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren ist auch zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist für

1.
die Vollstreckung von Strafen oder von Maßnahmen im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 8 des Strafgesetzbuches oder für die Vollstreckung oder Durchführung von Erziehungsmaßregeln oder von Zuchtmitteln im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen oder
3.
Entscheidungen in Strafsachen, insbesondere über die Strafaussetzung zur Bewährung oder deren Widerruf, oder in Bußgeld- oder Gnadensachen.

(1) Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. In den in § 395 genannten Fällen bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht.

(2) Die Einsicht in die Akten ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, gefährdet erscheint. Sie kann auch versagt werden, wenn durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde, es sei denn, dass die Staatsanwaltschaft in den in § 395 genannten Fällen den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat.

(3) Der Verletzte, der nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 und 2 befugt, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke unter Aufsicht zu besichtigen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden. § 480 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die in § 403 Satz 2 Genannten.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befaßten Gerichts. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(1) Die Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen.

(2) Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen oder mit dem Beschuldigten im Vorverfahren ist zulässig, wenn es für das weitere Verfahren geboten erscheint. Bei einer Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten ist dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Von dem Termin ist der Verteidiger vorher zu benachrichtigen. Auf die Verlegung eines Termins wegen Verhinderung hat er keinen Anspruch. Hat der Beschuldigte keinen Verteidiger, so ist er darauf hinzuweisen, dass er in den Fällen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann.

(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.

(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.

(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.

(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.

(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er

1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm
a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
bekannt geworden sind, oder
2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
(geschützte Daten) unbefugt offenbart oder verwertet oder
3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.

(3) Den Amtsträgern stehen gleich

1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs),
1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen,
2.
amtlich zugezogene Sachverständige,
3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit

1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient,
1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient,
1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient,
2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist,
2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist,
2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient,
2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen,
2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist,
3.
die betroffene Person zustimmt,
4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse
a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder
b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn
a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen,
b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder
c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.

(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.

(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.

(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.

(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.

(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.

(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.

(11) Wurden geschützte Daten

1.
einer Person, die nicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet ist,
2.
einer öffentlichen Stelle, die keine Finanzbehörde ist, oder
3.
einer nicht-öffentlichen Stelle
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.

(1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

(2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

(3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

(5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

(6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

(7) (weggefallen)

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers vom 24.04.2015 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.03.2015 - * - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 Euro zu tragen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Angeklagter in einem Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Umsatzsteuerhinterziehung und des Subventionsbetruges, das derzeit nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof erneut erstinstanzlich beim Landgericht Schwerin anhängig ist (32 KLs 16/14). Ihm wird u.a. zur Last gelegt, als damaliger Geschäftsführer der O. GmbH (ODS) im Jahre 2002 von der S. H. AG (SHT) 35 Produktionsanlagen für die Herstellung von CD's und DVD's gekauft zu haben. Weil es nachfolgend zu Verzögerungen bei der Bezahlung des Kaufpreises kam, wurde ein Teil der Kaufpreisschuld mit gegenläufigen Zahlungsansprüchen verrechnet. Dies wurde von der SHT steuerrechtlich als Preisnachlass ausgewiesen, weshalb das Unternehmen im Jahr 2004 beim zuständigen Finanzamt Mühlacker entsprechende Ansprüche auf Umsatzsteuerrückzahlung geltend machte. Die vom Antragsteller vertretene ODS behandelte die zu ihren Gunsten verrechneten Zahlungsansprüche demgegenüber steuerrechtlich als Schadenersatzleistungen wegen angeblicher Mangelfolgeschäden und nahm deshalb in der Umsatzsteuerjahresanmeldung für das Jahr 2003 keine Korrektur der im Jahr 2002 beim Finanzamt Wismar auf die Anschaffungskosten angemeldeten und ausgezahlten Vorsteuern vor.

2

Infolge umsatzsteuerrechtlicher Kontrollmitteilungen des Finanzamts Mühlacker an das Finanzamt Wismar führte letzteres im Jahr 2004 bei der ODS eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Betriebsprüfung) durch (USt-SP *). Wegen des sich daraus ergebenden Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung leitete die Steuerstrafsachen- und Steuerfahndungsstelle Mecklenburg-Vorpommern beim Finanzamt Schwerin (SteuFa) im Jahre 2004 ein entsprechendes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der ODS ein, das im Jahr 2005 von der Staatsanwaltschaft Schwerin übernommen und am 19.05.2008 zum Gegenstand der Anklage gegen den Antragsteller u.a. zum Landgericht Schwerin gemacht wurde.

3

Im ersten Hauptverfahren wurden die Akten des Finanzamts Wismar über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung weder beigezogen noch sonst zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht. Sie sind auch seither von der Staatsanwaltschaft und vom Landgericht Schwerin nicht herangezogen worden.

4

In Vorbereitung auf die neuerliche Hauptverhandlung hat deshalb der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, der zugleich dessen Verteidiger ist, mit Schreiben vom 19.11.2014 beim Finanzamt Wismar für seinen Mandanten Einsicht in die vollständigen Akten der Umsatzsteuer-Sonderprüfung * beantragt. Dieses Schreiben wurde vom Finanzamt Wismar an die SteuFa beim Finanzamt Schwerin weitergeleitet, weil sich die Betriebsprüfungsakten vollständig dort als Beiakten zu den Vorgängen des steuerstrafrechtlichen Verfahrens befänden.

5

Auf das Anschreiben des Verfahrensbevollmächtigten hat die SteuFa des Finanzamts Schwerin ihm bislang nur Einsicht in die Bände I und III der Betriebsprüfungsakten gewährt und ihm - zunächst unter Hinweis auf § 30 AO - mit Bescheid vom 18.12.2014 eine weitergehende Akteneinsicht versagt.

6

Weil sich aus den ihm überlassenen Aktenteilen nach Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten Hinweise darauf ergeben, dass sich auch in den restlichen Bänden II und IV der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakten verfahrensrelevante Schriftstücke befinden könnten, die zur Entlastung seines Mandanten beitragen könnten, hat er mit Schreiben vom 12.02.2015 mit entsprechender Begründung und unter Hinweis auf § 147 StPO erneut bei der SteuFa des Finanzamts Schwerin die Einsicht in die vollständigen Vorgänge beantragt. Das wurde mit Bescheid vom 19.03.2015 abermals abgelehnt, diesmal jedoch mit der Begründung, weil die Akten der Betriebsprüfung bislang dem Gericht nicht vorlägen und ihm auch von der Staatsanwaltschaft mit Anklageerhebung nicht vorzulegen gewesen wären, seien die Voraussetzungen des § 147 Abs. 1 StPO für einen Anspruch des Angeklagten bzw. seines Verteidigers auf Einsicht in diese Vorgänge nicht gegeben. Entsprechendes folge auch aus Abschnitt 35 (2) der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (AStBV-St) für Steuerakten. Im Übrigen seien die Handakten der Steuerverwaltung sowie rein innerdienstliche Vorgänge ohnehin von der Akteneinsicht ausgenommen. Bei den Bänden II und IV der Betriebsprüfungsakten handele es sich nur um die Handakten des Betriebsprüfers bzw. um rein interne Unterlagen der Finanzbehörden. Alle für das Strafverfahren relevanten Dokumente aus den Betriebsprüfungsakten seien seinerzeit in Kopie zu den strafrechtlichen Ermittlungsakten gegeben worden und dort für die Verteidigung bzw. den Angeklagten zugänglich.

7

Der Antragsteller beantragt deshalb mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 23.04.2015, der am 27.04.2015 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, im Wege einer gerichtlichen Entscheidung nach § 23 EGGVG das Finanzamt Schwerin (gemeint: die dortige SteuFa) zu verpflichten, seinem Verteidiger vollständige Einsicht in die Betriebsprüfungsakten des Finanzamts Wismar zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung PAB-Nr. * zu gewähren.

8

Die Generalstaatsanwaltschaft hält den Antrag für statthaft und auch im Übrigen für zulässig und ist ihm in ihrer Zuschrift vom 12.05.2015 im Ergebnis überwiegend beigetreten. Indes habe der Antragsteller, wie vom Finanzamt Schwerin zutreffend ausgeführt, keinen Anspruch auf Einsichtnahme in reine Handakten und innerdienstliche Vorgänge der Finanzbehörden. Ob das jedoch auf die Bände II und IV der über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung angelegten Akten tatsächlich zutreffe, um die es hier letztlich gehe, erscheine zweifelhaft und sei bislang nicht abschließend geklärt. Das Finanzamt Schwerin werde deshalb unter Beachtung der diesbezüglichen Rechtsauffassung des Senats zunächst erneut zu prüfen und sodann nachvollziehbar darzulegen haben, ob es sich bei den betreffenden Aktenbänden tatsächlich nur um „Handakten“ des Betriebsprüfers bzw. um rein innerdienstliche Vorgänge der Finanzverwaltung handelt und sodann eine neue, inhaltlich ausreichend begründete und gerichtlich überprüfbare Entscheidung über das Akteneinsichtsersuchen treffen müssen.

9

Der Antragsgegner hat zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung und zur Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft mit Schreiben vom 02.06.2015 Stellung genommen. Er führt aus, Band II der Betriebsprüfungsakten enthalte „verwaltungsinterne Vermerke, die nach Art und Charakter Bestandteil der Handakte des Betriebsprüfers und insoweit nach Abschnitt 35 (2) AStBV-St grundsätzlich von der Akteneinsicht auszuschließen sind“. Ferner befänden sich darin Zeitungsartikel über die ODS, der Sachstandsvermerk der Steuerfahndungsstelle Schwerin vom 06.12.2006 betreffend das Ermittlungsverfahren gegen zwei weitere Beschuldigte und ein Bericht vom 19.07.2007 über steuerliche Feststellungen. Sowohl der Vermerk wie auch der Bericht fänden sich auch in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Schwerin. Band IV der Betriebsprüfungsakten enthalte „andere Vorgänge/Geschäftsvorfälle, die im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu prüfen waren, jedoch nicht Gegenstand des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden“. Die Betriebsprüfungsakten seien von der Staatsanwaltschaft nicht als Beiakten beigezogen und dem Gericht vorgelegt worden, weil alle relevanten Auszüge daraus (in Kopie) zu den Ermittlungsakten genommen worden seien.

10

Der Antragsteller hat zur Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigen vom 22.05.2015 und zur Äußerung der Finanzbehörde mit Schreiben vom 12.06.2015 Stellung genommen.

II.

11

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG in Fällen der vorliegenden Art nicht (mehr) eröffnet ist.

12

1. Der Senat folgt zunächst der grundlegenden Auffassung in der Rechtsprechung, dass es sich bei der Versagung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren nicht um eine nach § 23 EGGVG allein nachprüfbare Maßnahme einer Justizbehörde im Verwaltungsbereich (sog. Justizverwaltungsakt), sondern um eine strafprozessuale Entscheidung auf der Grundlage von § 147 Abs. 2 und 5 StPO handelt (vgl. dazu OLG Saarbrücken, Beschl. vom 20.09.2007 - VAs 5/07 -, Rdz. 3 in juris m.w.N.; SK-Wohlers, StPO, 4. Aufl., § 147 Rdz. 110 m.w.N.).

13

2. Nach Anklageerhebung und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens entscheidet über die Gewährung von Akteneinsicht der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts (§ 147 Abs. 5 Satz 1, letzter Halbsatz StPO).

14

Das betrifft nicht nur die Akten, die dem Gericht tatsächlich vorliegen, sondern auch solche, die ihm mit Anklageerhebung - etwa als Beiakten - vorzulegen gewesen wären (§ 147 Abs. 1 StPO). Sind dem Gericht solche Akten von der Staatsanwaltschaft vorenthalten worden, ist es deshalb zunächst Sache des Vorsitzenden, schon im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) entweder von Amts wegen oder spätestens auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten zu prüfen, ob es sich um für das Verfahren möglicherweise relevante Vorgänge handelt und, wenn ja, für ihre Beiziehung Sorge zu tragen und sie dann auch der Verteidigung zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen (vgl. auch KK-Laufhütte/Willnow, StPO, 7. Aufl., § 147 Rdz. 7). Gelangt der Vorsitzende dagegen zu der Auffassung, die bislang nicht bei den dem Gericht vorliegenden Akten befindlichen weiteren Vorgänge seien nicht verfahrensbedeutsam und wären ihm deshalb auch nicht vorzulegen (gewesen), wird er ihre Beiziehung und den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht ablehnen.

15

Diese Entscheidung stellt ebenfalls keinen Justizverwaltungsakt dar und kann deshalb im Versagungsfall mit der Beschwerde nach § 304 StPO angefochten werden, die durch die Regelung in § 305 StPO nicht ausgeschlossen ist (vgl. Wohlers a.a.O. Rdz. 114 f. m.w.N.). Unabhängig davon kann die Versagung der Akteneinsicht durch das Gericht, sollte sie während laufender Hauptverhandlung erfolgen, vom Angeklagten auch mit der Revision gerügt werden (Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 8 StPO; vgl. zu den Einzelheiten Wohlers a.a.O. Rdz. 121 ff. m.w.N.). Gleiches gilt für die Weigerung des Gerichts bzw. des Vorsitzenden, (möglicherweise) relevante Akten überhaupt beizuziehen, weil dann die Aufklärungsrüge begründet sein kann (Wohlers a.a.O, Rdz. 124).

16

3. Wird - wie hier - im Rahmen eines bei Gericht anhängigen Strafverfahrens die Akteneinsicht für den Verteidiger nicht durch den Vorsitzenden oder die Staatsanwaltschaft verweigert, sondern durch eine andere am Verfahren beteiligte Ermittlungsbehörde, kann nichts anderes gelten.

17

Solange die nach § 386 Abs. 1 AO zuständige Finanzbehörde wegen des Verdachts einer Steuerstraftat nach Absatz 2 der Vorschrift selbständige Ermittlungen durchführt, nimmt sie gemäß § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten wahr, die sonst der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen. Sie ist dann Staatsanwaltschaft im funktionalen Sinne. Für die Akteneinsicht gelten dann und so lange auch für die ermittelnde Finanzbehörde nicht die Regelungen der Abgabenordnung, sondern diejenigen der Strafprozessordnung (§ 385 Abs. 1 AO).

18

Nach Abgabe eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft gemäß § 386 Abs. 4 Satz 1 AO oder nachdem die Staatsanwaltschaft von ihrem Evokationsrecht aus § 386 Abs. 4 Satz 2 AO Gebrauch gemacht hat, hat die sonst zuständige Finanzbehörde dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden des Polizeidienstes nach der Strafprozessordnung (§ 402 Abs. 1 AO). Die bislang für die Ermittlungen zuständige Finanzbehörde wird dann zu einem weisungsgebundenen Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft (§ 161 Abs. 1 StPO).

19

Das begründet zugleich die Verpflichtung der Finanzbehörde, „ihre Verhandlungen“, d.h. alle im Zuge ihrer Ermittlungen bereits angefallenen oder noch anfallenden Akten, hinzugezogene Beiakten anderer Behörden (vgl. dazu § 163 Abs. 1 Satz 2 StPO), Beweismittel und etwaige Verfalls- oder Einziehungsgegenstände (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 163 Rdz. 23) ohne Verzug der Staatsanwaltschaft zu übersenden (§ 163 Abs. 2 Satz 1 StPO). Dazu gehören auch etwaige Spurenakten (vgl. zum Begriff Wieczorek, Kriminalistik 1984, 598), soweit sie auch nur möglicherweise (“bei großzügigster Auslegung“ BGH NStZ 1983, 228) irgendeinen Bezug zu der zu untersuchenden Tat oder zum möglichen Täter haben (vgl. Schmitt a.a.O. § 147 Rdz. 18 m.w.N.). Nur wenn gänzlich auszuschließen ist, dass derartige Spurenakten irgendeine Relevanz für das (weitere) Verfahren haben, können sie als „verfahrensfremder Vorgang“ bei der Polizei bzw. hier bei der ermittelnden Finanzbehörde verbleiben, sind dann aber gleichwohl auf entsprechende Anforderung - etwa zur Klärung aufkommender Zweifel, ob sich daraus nicht doch verfahrensrelevante Erkenntnisse ergeben - der Staatsanwaltschaft vorzulegen (Schmitt a.a.O.).

20

4. Für das vorliegende Verfahren folgt daraus:

21

a) Bei den Akten des Finanzamts Wismar über die bei der ODS durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Betriebsprüfung), in die der Verfahrensbevollmächtigte/Verteidiger des Antragstellers vollständige Einsicht begehrt, handelt es sich bereits um keine „Spurenakten“ im oben genannten Sinne. Sie sind nicht erst aus Anlass bereits laufender steuerstrafrechtlicher Ermittlungen zur Verfolgung eines bestimmten Ermittlungsansatzes angelegt worden, sondern sie waren wegen der darin enthaltenen verdachtsbegründenden Feststellungen des Betriebsprüfers gerade der Ausgangspunkt für die Aufnahme der Ermittlungen gegen den Angeklagten und weitere Verantwortliche der ODS. Dementsprechend sind die vollständigen (!) Betriebsprüfungsakten vom Finanzamt Wismar an die für die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zuständige SteuFa des Finanzamts Schwerin übersandt bzw. von dieser angefordert und dann als Beiakten zu den steuerstrafrechtlichen Ermittlungsvorgängen genommen worden und bis heute dort verblieben. Sie waren und sind damit Teil der zunächst von der Steuerfahndungsstelle nach § 163 Abs. 1 Satz 2 StPO an die Staatsanwaltschaft zu übersendenden „Verhandlungen“ geworden und wären von dieser mit Anklageerhebung nach § 199 Abs. 2 Satz 2 StPO dem Gericht vorzulegen gewesen.

22

b) Daran ändert nichts, dass nach Mitteilung der SteuFa alle ihrer Meinung nach für das weitere Verfahren wesentlichen Dokumente aus den Betriebsprüfungsakten in Kopie zu den Ermittlungsakten genommen wurden. Denn dabei handelt es sich nur um eine zur besseren Übersichtlichkeit getroffene Auswahlentscheidung mit dem Ziel der Arbeitserleichterung. Nach der Übernahme des Ermittlungsverfahrens oblag es jedoch der Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung dem mit der Sache befassten Gericht, anhand der Originalvorgänge des Finanzamts Wismar jeweils in eigener Verantwortung zu prüfen, ob tatsächlich alle darin befindlichen (potenziell) verfahrensbedeutsamen Unterlagen (auch) zu den steuerstrafrechtlichen Ermittlungsakten genommen wurden. Hinzu kommt, dass im Falle einer Beweisaufnahme durch Verlesung von Urkunden oder anderen Schriftstücken (§ 249 StPO) für die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit bestehen muss, sich anhand der jeweiligen Originale zu versichern, dass die davon für die Akten gefertigte Vervielfältigungen authentisch sind, was gegebenenfalls im Strengbeweisverfahren festgestellt werden muss (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., § 249 Rdz. 6 m.w.N.). Dasselbe gilt im Falle der Inaugenscheinnahme von Schriftstücken (ders. Rdz. 7).

23

Aus ebendiesen Gründen müssen auch die übrigen Verfahrensbeteiligten, in Sonderheit der Angeklagte und die Verteidigung die Möglichkeit erhalten, sich während des gesamten Verfahrens jederzeit selbst davon zu überzeugen, dass alle auch nur möglicherweise relevanten Dokumente aus den Betriebsprüfungsakten tatsächlich zu den Strafakten gelangt sind.

24

c) Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der ODS angelegten Akten des Finanzamts Wismar um Steuerakten handelt. Mit ihrer Übersendung an oder ihrer Hinzuziehung durch die SteuFa und ihrer Führung als Beiakten zu den Vorgängen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erstreckt sich nach erfolgter Anklageerhebung das uneingeschränkte Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 385 Abs. 1 AO, § 147 Abs. 1 StPO auch auf diese (vgl. OLG Celle, NdsRpfl 1977, 252; Rand in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 392, Rdz. 46 m.w.N.). Das wäre sogar dann der Fall, wenn sie (noch) nicht förmlich als Beiakten geführt würden. Das Steuergeheimnis aus § 30 AO steht dem nicht entgegen, wie sich schon aus Absatz 4 Nr. 1 der Vorschrift ergibt. Das auch dann nicht, wenn sich darin zugleich Hinweise auf die steuerlichen Verhältnisse Dritter befinden sollten (vgl. Burkhard DStR 2002, 1794, 1795; a.A. Burhoff PStR 2000, 58; einschränkend OLG Frankfurt NStZ 2003, 566).

25

d) Handelt es sich nach dem Vorgesagten bei den beigezogenen Steuerakten des Finanzamts Wismar um Bestandteile der Sachakten, die dem Gericht vorzulegen wären, kann die auf § 147 Abs. 1 StPO (!) gestützte Versagung der Akteneinsicht durch die SteuFa, die insoweit dem Verantwortungsbereich der Staatsanwaltschaft zuzurechnen ist, allein im Wege gerichtlicher Entscheidung nach § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO (analog) durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht zur Überprüfung gestellt werden (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O). Diese Regelung ist in Fällen der vorliegenden Art abschließend; ein anderer Rechtsbehelf ist nicht gegeben (OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 376; OLG Hamm wistra 2003, 317; Meyer-Goßner a.a.O. § 147 Rdz. 40; MK-Thomas/Kämpfer, StPO, § 147 Rdz. 59; einschränkend SK-Wohlers a.a.O. § 147 Rdz. 110 f.; nicht ganz eindeutig die Gesetzesbegründung BT-Drs.14/1484, S. 22). Das nach früherer Rechtsprechung alternativ mögliche Antragsverfahren nach §§ 23 ff. EGGVG (vgl. z.B. BVerfGE 63, 45) wird durch die mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts vom 2. August 2000 (BGBl. I, S. 1253) mit Wirkung vom 1. November 2000 neu gefasste Vorschrift des § 147 Abs. 5 StPO als subsidiär verdrängt (§ 23 Abs. 3 EGGVG), jedenfalls soweit es - wie hier - um die verweigerte Einsichtnahme in Verfahrensakten geht.

26

Verfassungsmäßige Rechte des Angeklagten aus Art. 19 Abs. 4 oder Art. 103 Abs. 1 GG werden hierdurch nicht berührt. Er hat nach dem Vorgesagten nicht nur die Möglichkeit, die Entscheidung der SteuFa durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 147 Abs. 5 StPO beim Landgericht Schwerin zur Überprüfung zu stellen, sondern er kann dort auch unmittelbar die Beiziehung der Steuerakten und die Einsichtnahme darin beantragen. Sollte das auch vom Gericht abgelehnt werden, stünde ihm dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Weiterhin könnte der Angeklagte während der Hauptverhandlung einen auf Beiziehung der Steuerakten oder einzelner darin enthaltener Dokumente abzielenden Beweis- oder Beweisermittlungsantrag stellen. Schließlich könnte die Ablehnung der Aktenbeiziehung oder darauf abzielender Beweis(ermittlung)anträge durch verschiedene Verfahrensrügen mit der Revision beanstandet werden.

III.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19, § 3 i.V.m. Nr. 15301 GNotKG; die Festsetzung des Geschäftswertes aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.

(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er

1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm
a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
bekannt geworden sind, oder
2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
(geschützte Daten) unbefugt offenbart oder verwertet oder
3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.

(3) Den Amtsträgern stehen gleich

1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs),
1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen,
2.
amtlich zugezogene Sachverständige,
3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit

1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient,
1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient,
1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient,
2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist,
2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist,
2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient,
2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen,
2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist,
3.
die betroffene Person zustimmt,
4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse
a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder
b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn
a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen,
b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder
c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.

(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.

(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.

(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.

(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.

(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.

(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.

(11) Wurden geschützte Daten

1.
einer Person, die nicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet ist,
2.
einer öffentlichen Stelle, die keine Finanzbehörde ist, oder
3.
einer nicht-öffentlichen Stelle
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Heinsberg vom 6. März 2008 - 11 XVII 84/08 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1, Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse des Landgerichts Aachen vom 29. Mai 2008 - 3 T 88/08 - und des Oberlandesgerichts Köln vom 22. August 2008 - 16 Wx 149/08 - verletzen die Beschwerdeführerin außerdem in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 22. August 2008 - 16 Wx 149/08 - wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heinsberg vom 10. März 2008 - 11 XVII 84/08 - wendet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

2. ...

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Einrichtung einer Betreuung und die Ablehnung des Land- und Oberlandesgerichts, nach Aufhebung der Betreuung deren Rechtswidrigkeit festzustellen.

2

1. a) Die Beschwerdeführerin war als Rechtsanwältin tätig und wurde vom Amtsgericht Heinsberg in vielen Betreuungsangelegenheiten als Betreuerin eingesetzt. Weil sie erkrankte, bat sie, in einigen Betreuungsverfahren entpflichtet zu werden. Der für Betreuungssachen zuständige Richter (Richter Dr. M.) antwortete ihr mit Schreiben vom 24. Januar 2008, er beabsichtige, auch wegen verschiedener Nachlässigkeiten der Beschwerdeführerin, diese in allen Fällen zu entpflichten und gebe ihr Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Woche. Unter dem 6. Februar 2008 erklärte sich die Beschwerdeführerin mit einer vollständigen Entpflichtung einverstanden. Entpflichtet wurde sie dann jedoch nur in einigen Fällen.

3

Die Berufsbetreuerin N. führte mit der Beschwerdeführerin ein Telefongespräch und vereinbarte für den 9. März 2008 einen Termin mit deren Tochter, die über eine umfassende Generalvollmacht und eine bei der Bundesnotarkammer im Vorsorgeregister registrierte Vorsorgevollmacht der Beschwerdeführerin verfügte. Die Betreuungsakten der Personen, die die Beschwerdeführerin bis dahin betreut hatte, sollten übergeben werden. Frau N. gab gegenüber Richter Dr. M. jedoch zu bedenken, dass sie keinen Zugriff auf die von der Beschwerdeführerin verwalteten Fremdgelder habe. Vom 6. März bis mindestens zum 14. März 2008 befand sich die Beschwerdeführerin in stationärer Behandlung.

4

b) aa) Am 6. März 2008 fasste das Amtsgericht Heinsberg einen Beschluss (11 XVII 84/08), in dem Frau N. im Wege der einstweiligen Anordnung zur Betreuerin der Beschwerdeführerin mit dem Aufgabenkreis "Abwicklung der Betreuertätigkeit einschließlich Verfügungsgewalt über Fremdgelder" bestellt wurde. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Beschwerdeführerin könne in ihrem "derzeitigen Zustand" weder die von neuen Betreuern dringend benötigten Betreuungsunterlagen noch die für Betreute verwalteten Gelder herausgeben. Daher bestehe dringend Handlungsbedarf zur Einrichtung einer Betreuung.

5

Nachforschungen zu ihrem Zustand, beispielsweise im Rahmen einer Begutachtung oder über Versuche einer Kontaktaufnahme mit der Beschwerdeführerin unternahm das Amtsgericht nicht.

6

Am 6. März 2008 wurde der Rechtsanwaltskammer Köln die Einrichtung der Betreuung mitgeteilt.

7

bb) Am 9. März 2008 teilte Frau N. dem Amtsgericht nach dem Termin zur Aktenübergabe mit, die Abwicklung der Betreuungsverfahren wäre durch die Tochter der Beschwerdeführerin gewährleistet; Fremdgeldkonten seien bereits aufgelöst worden. Frau N. würde sich um die noch nicht neu vergebenen Betreuungen kümmern, bis ein Nachfolger gefunden sei. Daher sei die Betreuung sofort aufzuheben. In einem Fax vom gleichen Tag teilte Frau N. mit, die Beschwerdeführerin verzichte auf ihre Hilfe, weil die Betreuung rechtswidrig sei.

8

Am 9. März 2008 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Beschluss vom 6. März 2008.

9

In einem Vermerk vom 14. März 2008 hielt der Richter Dr. M. als Reaktion auf die Beschwerde fest, seit seiner Übernahme des Betreuungsdezernats sei deutlich geworden, dass die Beschwerdeführerin ihrer Betreuertätigkeit nicht mit der nötigen Gründlichkeit nachkomme. Frau N. habe persönlich mit der Beschwerdeführerin Kontakt aufgenommen. Die Beschwerdeführerin habe ihr mitgeteilt, dass sie an einem inoperablen Lungenkarzinom leide und daher schwer depressiv sei. Sie habe weiter berichtet, die Beschwerdeführerin sei periodisch nicht aufnahmefähig gewesen. Richter Dr. M. schloss sich dieser Einschätzung an und vermerkte, es sei "unstreitig", dass die Beschwerdeführerin an einer schweren Depression leide. Dies habe ihr "Abtauchen", die Beobachtungen von Frau N., aber auch der "realitätsfremde" Antrag gezeigt, kurzfristig von ihren Aufgaben als Betreuerin entbunden zu werden. Eine ärztliche Untersuchung vor Einrichtung der Betreuung sei nicht möglich gewesen, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführerin bis zum 14. März nicht bekannt gewesen sei. Außerdem habe dringender Handlungsbedarf bestanden.

10

c) Am 10. März 2008 fasste das Amtsgericht Heinsberg einen Beschluss, in dem Frau N. aus ihrem Amt entlassen und Rechtsanwalt K. als neuer Betreuer bestellt wurde (11 XVII 84/08). Der Aufgabenkreis der Betreuung blieb unverändert. Zur Begründung führte das Gericht aus, Frau N. sei antragsgemäß aus ihrem Amt zu entlassen. Die Beschwerdeführerin habe zum Betreuerwechsel nicht Stellung genommen. Ihr derzeitiger Aufenthalt sei unbekannt. In seinem Vermerk vom 14. März 2008 erklärte Richter Dr. M., der Termin zur Aktenübergabe am 9. März 2008 sei "eskaliert", so dass Frau N. die Betreuung für die Zukunft abgelehnt habe. Unter dem 10. März 2008 wurde ein Anhörungstermin mit der Beschwerdeführerin auf den 14. März 2008 festgesetzt. Die Beschwerdeführerin ließ sich durch ärztliches Attest entschuldigen.

11

d) Durch Beschluss vom 19. März 2008 wurde die Betreuung ersatzlos aufgehoben. Eine Betreuung sei nicht mehr erforderlich, weil die Rechtsanwaltskammer Köln am 14. März 2008 die Rechtsanwältin K. gemäß § 53 BRAO zur Vertreterin der Beschwerdeführerin bestellt habe. Damit sei die Herausgabe der Akten und Auszahlung der Fremdgelder gewährleistet.

12

Unter dem 20. März 2008 beantragte die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht erfolglos, die Rechtswidrigkeit der Betreuung festzustellen.

13

e) Mit Schreiben vom 14. April 2008 wurde der Beschwerdeführerin von der Rechtsanwaltskammer Köln mitgeteilt, dass die Vertreterbestellung aufgehoben wurde, da eine weitere Vertretung nicht erforderlich erscheine. Die Beschwerdeführerin antwortete unter dem 29. April, die Voraussetzungen für eine Vertreterbestellung hätten von Anfang an nicht vorgelegen. Da sie aufgrund ihrer rechtswidrigen Betreuerbestellung eine weitere Tätigkeit in H. nicht für möglich hielt, verzichtete sie auf ihre Rechtsanwaltszulassung.

14

f) Mit Beschluss vom 29. Mai 2008 verwarf das Landgericht Aachen (3 T 88/08) die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss vom 6. März 2008 als unzulässig. Die gemäß §§ 19, 20 FGG grundsätzlich statthafte Beschwerde gegen die Betreuerbestellung sei unzulässig geworden, weil sich das Verfahren wegen der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der Betreuung durch den Beschluss des Amtsgericht vom 19. März 2008 erledigt habe.

15

Zur Begründung führte das Gericht aus, in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sei eine Fortsetzung des in der Hauptsache erledigten Verfahrens allein zum Zweck der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung grundsätzlich nicht möglich. Zwar gebe es Ausnahmen für erhebliche Grundrechtseingriffe, die, etwa aufgrund einer knappen Befristung, typischerweise nicht vor ihrer Erledigung überprüfbar seien. Vorliegend gebe es jedoch keine Anhaltspunkte für eine tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung. Ebenso wenig sei erkennbar, dass die angegriffene Betreuerbestellung so kurzfristig angelegt war, dass eine Überprüfung typischerweise nicht hätte erfolgen können. Vielmehr sei die Beendigung der Betreuung im Rahmen des Abhilfeverfahrens nach Einlegung der Beschwerde erfolgt, was dafür spräche, dass ein regulärer Rechtsbehelf zum beabsichtigten Erfolg geführt habe.

16

g) Mit Beschluss vom 22. August 2008, zugestellt am 29. August 2008, wies das Oberlandesgericht Köln die weitere Beschwerde (16 Wx 149/08) der Beschwerdeführerin zurück. Der Beschwerde fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Grundsätzlich führe die Erledigung einer Maßnahme zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Anders sei es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn durch die Maßnahme ein tiefgreifender Grundrechtseingriff erfolgt sei und die direkte Belastung durch den Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen könne.

17

Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Zwar könne nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. August 2001 (1 BvR 618/93, NJW 2002, S. 206 <206>) auch die gerichtliche Bestellung eines Betreuers einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellen, was vorliegend jedoch offen bleiben könne. Die weiteren Voraussetzungen lägen jedenfalls nicht vor. Es liege keine Verkürzung des vorgegebenen Rechtsmittels wegen der zeitlichen Befristung der Maßnahme vor. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin das Ziel ihres Rechtmittels, die Aufhebung der Betreuung, bereits durch den Beschluss des Amtsgerichts erreicht und somit im Beschwerdeverfahren effektiven Rechtsschutz erlangt. Dass das Vormundschaftsgericht die Betreuung allein wegen fehlender Erforderlichkeit aufgehoben und sich nicht mit den Gründen der Beschwerde auseinandergesetzt habe, ändere daran nichts. Es bestehe kein Anspruch des Rechtsmittelführers darauf, dass das Gericht, das in seinem Sinne entschieden habe, sich zugleich zu sämtlichen rechtlichen Fragen äußere. Die Frage, ob nicht bei einer Betreuungsanordnung, die sich üblicherweise über einen längeren Zeitraum erstrecke, der "typische Verfahrensablauf" die Durchführung eines Rechtsmittels durch alle Instanzen zuließe, könne offen bleiben.

18

2. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 26. September 2008, eingegangen am 28. September 2008, Verfassungsbeschwerde erhoben und rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 sowie aus Art. 12 Abs. 1 GG durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Heinsberg vom 6. und 10. März 2008 sowie die Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Beschlüsse des Landgerichts Aachen und des Oberlandesgerichts Köln.

19

a) Sie führt aus, die Einrichtung der Betreuung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Sie sei entgegen § 69 Abs. 1 Ziffer 2, 4 FGG nicht angehört und auch ein ärztliches Attest sei nicht eingeholt worden. Wie das Gericht zu dem Ergebnis gelangt sei, sie könne in ihrem "derzeitigen Zustand" Betreuungsakten und Gelder nicht herausgeben, sei unerklärlich. Das Gericht habe keine Nachforschungen angestellt, lediglich Frau N. habe mit ihr telefoniert. Frau N. sei jedoch keine Ärztin, so dass unerfindlich bliebe, wie sie zu der Diagnose gelangt sein solle, die Beschwerdeführerin litte an einer schweren Depression. Den "realitätsfremden" Antrag auf kurzfristige Entpflichtung in allen Betreuungssachen habe Richter Dr. M. selbst angeregt. Warum darin, dass sie dieser Anregung nachgekommen sei, ein Beweis für eine schwere Depression zu sehen sei, sei nicht nachvollziehbar. Soweit Richter Dr. M. in seinem Vermerk erkläre, es hätten sich Beschwerden über ihre Arbeit als Betreuerin gehäuft, wäre es seine Pflicht gewesen, diese zu überprüfen. Es könne ihr in keinem einzigen Fall eine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden.

20

Zwar sei sie erkrankt, aber durchaus in der Lage, alle Angelegenheiten selbst zu regeln. Auch sei nicht ersichtlich, wie das Gericht zu dem Ergebnis gelangt sei, sie sei bis zum 14. März 2008 nicht zu erreichen gewesen. Frau N. sei schließlich mit ihr in Kontakt getreten. Auch im Krankenhaus hätte man sie erreichen können. Im Übrigen sei eine Betreuung auch praktisch nicht nötig gewesen. Frau N. habe bereits vor dem 6. März 2008 mit der Tochter der Beschwerdeführerin einen Termin vereinbart, um Betreuungsakten abzuholen. Die Bevollmächtigung ihrer Tochter hätte unschwer durch eine Nachfrage und im Internet bei der Bundesnotarkammer festgestellt werden können. Sie hätte auf diesen Umstand auch hingewiesen, wenn ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre. Damit habe das Amtsgericht Heinsberg ihr Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

21

b) Auch mit dem Beschluss vom 10. März 2008 sei ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden. Zum Betreuerwechsel habe sie nur deswegen nicht Stellung genommen, weil sie nicht informiert worden sei.

22

c) Die Einrichtung einer Betreuung für eine psychisch gesunde Frau, die vollständig in der Lage sei, ihre Angelegenheiten zu regeln, verletze sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie in ihrem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. Bis die Rechtswidrigkeit der Betreuung festgestellt worden sei, bestehe für sie in einer kleinen Stadt wie H. keine Chance mehr, ihren Beruf ausüben zu können. Darum habe sie auf ihre Zulassung verzichtet. Selbst wenn sie wieder als Rechtsanwältin arbeiten wolle, sei zweifelhaft, ob sie eine Wiederzulassung erreichen könne. Damit verstießen die angegriffenen Entscheidungen auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

23

d) Die Entscheidungen des Landgerichts Aachen und des Oberlandesgerichts Köln verletzten sie in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Das Oberlandesgericht habe die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verkürzt angewandt. Die Fortwirkung des Eingriffs gebe ihr ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit auch nach der Aufhebung der Betreuung. Bei einer derart diskriminierenden Maßnahme sei ein Rehabilitierungsinteresse anzuerkennen.

24

Die Rechtswidrigkeit der Betreuung sei durch den Beschluss vom 19. März 2008 nicht festgestellt worden. Vielmehr sei die Betreuung aufgehoben worden, weil sie durch Bestellung einer Vertreterin nicht mehr erforderlich sei. Dies sei "abwegig". Einerseits seien zu diesem Zeitpunkt alle Fremdgeldkonten bereits aufgelöst worden. Andererseits könne der Vertreter eines Rechtsanwalts nicht über die Konten des Vertretenen verfügen, so dass die Bestellung einer Vertreterin die Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis "Abwicklung der Betreuertätigkeit einschließlich Verfügungsgewalt über Fremdgelder" nicht hätte unnötig machen können, so eine solche Betreuung jemals erforderlich gewesen wäre. Tatsächlich folge aus dem Beschluss vom 19. März 2008, dass die Betreuung zu Recht eingerichtet worden sei. Dies habe sie mit einem Makel belegt, der sogar nach einem Umzug fortwirke. Es hafte ihr immer noch an, betreuungsbedürftig gewesen zu sein.

25

3. Der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

II.

26

Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin geboten ist (§ 93a Abs. 2 b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

27

1. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise zulässig.

28

a) Soweit die Beschwerdeführerin den Beschluss vom 10. März 2008 mit der Verfassungsbeschwerde vom 28. September 2008 angreift, ist diese jedoch unzulässig. Die Beschwerdefrist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1, 2 BVerfGG ist nicht eingehalten.

29

b) Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG erschöpft und die Beschwerde innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1, 2 BVerfGG erhoben.

30

Die Verfassungsbeschwerde ist im Wesentlichen auch hinreichend substantiiert (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Nicht hinreichend substantiiert hat die Beschwerdeführerin jedoch eine Verletzung des Rechts auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.

31

c) Trotz der Aufhebung der Betreuung durch den Beschluss vom 19. März 2008 ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Beschlusses des Amtsgerichts Heinsberg vom 6. März 2008 zu bejahen.

32

aa) Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsakts oder die Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben ist. Im Fall der Erledigung des angegriffenen Hoheitsakts vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde besteht ein Rechtsschutzbedürfnis fort, wenn eine Wiederholung der vergangenen Maßnahme zu befürchten ist, die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt üblicherweise auf eine kurze Zeitspanne beschränkt ist, in welcher eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig nicht zu erlangen ist (BVerfGE 81, 138 <140 f.>; 107, 299 <311>), oder wenn die Maßnahme den Beschwerdeführer auch nach ihrer Erledigung beeinträchtigt (BVerfGE 33, 247 <257 f.>; 69, 161 <168>; 81, 138 <140>). Kann insofern ein Rehabilitationsinteresse bejaht werden, steht die Erledigung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde nicht entgegen (vgl. BVerfGE 15, 226 <230>).

33

bb) Dies ist vorliegend der Fall. Der Beschluss vom 6. März 2008 wirkt sich auch weiterhin noch negativ auf das Ansehen der Beschwerdeführerin aus und beeinträchtigt ihr künftiges berufliches und privates Leben. Denn die Einrichtung einer Betreuung stellt für den Betroffenen nicht nur einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. August 2001 - 1 BvR 618/93 -, NJW 2002, S. 206 <206>). Sie entfaltet auch stigmatisierende Wirkung, zumal wenn die Voraussetzungen für eine Betreuung beim Betroffenen nicht vorliegen.

34

Zwar wollte der Gesetzgeber mit der Abschaffung der Entmündigung und der Einführung der Betreuung durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und der Pflegschaft für Volljährige die Stigmatisierung und Diskriminierung Betroffener begrenzen (BTDrucks 11/4528, S. 49, 52). Gleichwohl hat auch die Anordnung der Betreuung für den Betroffenen stigmatisierende Wirkung im sozialen und beruflichen Umfeld. Denn mit der Einrichtung einer Betreuung ist notwendigerweise die Einschätzung verbunden, dass der Betroffene zumindest in einem bestimmten Rahmen nicht in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten selbstständig zu besorgen. Gerade bei der Beschwerdeführerin, die als Rechtsanwältin auf das Vertrauen von Mandanten in ihren Sachverstand angewiesen ist, ist eine gerichtliche Entscheidung, sie könne ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln, mit einem Ansehensverlust und einer Abwertung der Person verbunden. Die stigmatisierende Wirkung der Betreuung besteht auch nach deren Aufhebung fort. Im Beschluss vom 19. März 2008 ist nicht die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Betreuung festgestellt, sondern diese wegen der Bestellung eines Vertreters als nicht mehr erforderlich eingeschätzt worden.

35

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet.

36

a) Die Beschwerdeführerin wurde durch den Beschluss vom 6. März 2008 in ihrem Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

37

aa) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, vor dem Erlass einer Entscheidung den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Die Anhörung der Beteiligten ist Voraussetzung einer richtigen Entscheidung. Über einen konkreten Lebenssachverhalt ein abschließendes rechtliches Urteil zu fällen, ist in aller Regel ohne Anhörung der Beteiligten nicht zu lösen (BVerfGE 9, 89 <95>). Zudem sichert die Anhörung, dass der Verfahrensbeteiligte Gelegenheit hat, die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (BVerfGE 22, 114 <119>; 49, 212 <215>; 94, 166 <207>).

38

bb) Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt der Beschluss des Amtsgerichts Heinsberg vom 6. März 2008 nicht. Die Beschwerdeführerin wurde von Seiten des Gerichts weder schriftlich noch mündlich von der beabsichtigten Einrichtung einer Betreuung informiert. Sie konnte sich dementsprechend nicht äußern.

39

Nach Lage der Verfahrensakte hat das Amtsgericht keinen Versuch unternommen, die Beschwerdeführerin anzuhören. Auch bei Annahme, die Abwicklung der Betreuungsverfahren, in denen die Beschwerdeführerin als Betreuerin eingesetzt war, habe ein schnelles Handeln erfordert, gibt es keinen Anhaltspunkt, weshalb eine schriftliche oder mündliche Information der Beschwerdeführerin mit der Aufforderung zu einer zeitnahen Stellungnahme unmöglich gewesen wäre. Nichts spricht für die Notwendigkeit einer derart schnellen Übergabe der Betreuungsakten und der Gelder der Betreuten, dass für eine ärztliche Untersuchung oder eine persönliche Anhörung keine Zeit verblieben wäre. Da die Betreuerin Frau N. sich mit der Beschwerdeführerin in Verbindung setzen konnte, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin vor Erlass der Entscheidung durchaus zu erreichen war. Das zwischen Frau N. und der Beschwerdeführerin geführte Telefongespräch hat eine gerichtliche Anhörung nicht erübrigt. Auch die von der Beschwerdeführerin bestrittenen Pflichtverletzungen als Betreuerin haben keineswegs gerechtfertigt, die Beschwerdeführerin ohne vorherige Anhörung und ärztliche Untersuchung im Wege einer einstweiligen Anordnung unter Betreuung zu stellen.

40

Die unterbliebene Anhörung und Untersuchung wurde auch nicht im späteren Verfahren geheilt. An der für den 14. März 2008 vorgesehenen Anhörung hat die Beschwerdeführerin nicht teilnehmen können. Zwar hat die Beschwerdeführerin sich über ihren Rechtsanwalt zu dem Beschluss vom 6. März 2008 und insbesondere zur unterlassenen Anhörung bzw. ärztlichen Untersuchung geäußert. Jedoch wurde weder die Anhörung in der Folge nachgeholt noch haben sich das Amtsgericht sowie das Land- und Oberlandesgericht mit dem Vorbringen einer mangelnden Anhörung der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt.

41

Der Beschluss beruht auch auf der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführerin trägt vor, bei einer Anhörung und einer ärztlichen Untersuchung hätte sich erwiesen, dass sie trotz ihrer Krankheit keinesfalls in der Regelung ihrer Angelegenheiten beeinträchtigt gewesen sei. Sie hätte über die ihrer Tochter erteilten General- und Vorsorgevollmacht informieren oder in anderer Weise für eine Vertretung sorgen können. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht angesichts dieser Informationen von der Einrichtung der Betreuung im Beschluss vom 6. März 2008 Abstand genommen hätte.

42

b) Die Beschwerdeführerin ist auch in ihrem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt worden.

43

aa) Durch die Einrichtung einer Betreuung wird der Betreute in seiner Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ganz oder teilweise in den vom Gericht bestimmten Angelegenheiten eingeschränkt. An seiner Stelle entscheidet innerhalb des vom Gericht angeordneten Aufgabenkreises der Betreuer. Je nach Aufgabenkreis kann es deshalb auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten zu Entscheidungen gegen den ausdrücklichen Willen des Betreuten kommen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. August 2001 - 1 BvR 618/93 -, NJW 2002, S. 206 <206>).Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen gegen den Willen des zu Betreuenden setzt deshalb voraus, dass der Betreute tatsächlich seinen Willen nicht frei bestimmen kann.Der Staat hat von Verfassung wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger in ihrer Freiheit zu beschränken, ohne dass sie sich selbst oder andere gefährden (vgl. BVerfGE 22, 180 <219 f.>). Die Bestellung eines Betreuers, ohne dass hinreichende Tatsachen für eine Beeinträchtigung des freien Willens vorliegen, verletzt deshalb das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG.

44

bb) Eine solche Grundrechtsverletzung ist vorliegend geschehen. Die Einrichtung einer Betreuung für die Beschwerdeführerin verstieß bereits gegen die Regelungen des FGG. Die vorläufige Bestellung eines Betreuers im Wege der einstweiligen Anordnung ist gemäß § 69f Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 FGG nur zulässig, wenn dringende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers gegeben sind und mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Es ist bereits nicht ersichtlich, worauf sich eine solche Annahme bei der Beschwerdeführerin stützen konnte. Jedenfalls wurde die erforderliche persönliche Anhörung nicht vorgenommen und kein ärztliches Zeugnis über den Zustand der Beschwerdeführerin eingeholt. Zwar kann gemäß § 69f Abs. 1 Satz 2 FGG eine einstweilige Anordnung bei Gefahr im Verzug auch vor der Anhörung ergehen. Es muss aber gemäß § 69f Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 FGG ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen vorliegen, aus dem die gemäß § 69f Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 FGG erforderlichen Voraussetzungen ersichtlich werden (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 178). Ein solches ärztliches Zeugnis hat dem Gericht nicht vorgelegen. Die Betreuung wurde ohne qualifizierte Tatsachengrundlage eingerichtet, die einen verlässlichen Schluss auf eine Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit der Beschwerdeführerin erlaubt hätte. Die Einrichtung einer Betreuung ist kein Instrument zur reibungslosen Abwicklung von Betreuungsverfahren, für die der unter Betreuung Gestellte als Betreuer tätig ist.

45

c) Die Beschwerdeführerin wurde durch den Beschluss vom 6. März 2008 auch in ihrem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.

46

Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen des eigenen Persönlichkeitsbildes (BVerfGE 97, 125 <149>). Die Einrichtung einer Betreuung hat für den Betroffenen stigmatisierende Wirkung. Mit ihr ist die Einschätzung verbunden, der Betreute könne einen freien Willen nicht bilden. Hierdurch wird das Persönlichkeitsbild des Betroffenen negativ geprägt und beeinträchtigt. Ein solcher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur gerechtfertigt, wenn das zuständige Betreuungsgericht nach angemessener Untersuchung des Sachverhalts davon ausgehen darf, dass die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung tatsächlich gegeben sind. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Betreuung im Wege der einstweiligen Anordnung eingerichtet wird.

47

Diese Vorgaben hat das Amtsgericht vorliegend nicht beachtet, sondern die Beschwerdeführerin ohne Anhörung und ärztliches Attest zur Vereinfachung der Abwicklung der von ihr geführten Betreuungsverfahren unter Betreuung gestellt. Damit hat es die Beschwerdeführerin ungerechtfertigter Weise in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.

48

d) Die Beschwerdeführerin ist schließlich durch die Entscheidungen des Landgerichts Aachen und des Oberlandesgerichts Köln in ihrem Grundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verletzt worden.

49

aa) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substanziellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 104, 220 <231 ff.>; stRspr).

50

Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist prinzipiell vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Insofern ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses annehmen (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>). Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist (vgl. BVerfGE 104, 220 <232 ff.>; BVerfGK 6, 344 <347>). Dies ist unter anderem der Fall, wenn ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vorliegt und die grundrechtsverletzende Maßnahme diskriminierenden Charakter hat, der fortwirkt (BVerfGE 104, 220 <234>).

51

bb) Die Anordnung einer Betreuung, ohne dass hierfür die Voraussetzungen vorliegen, stellt einen solchen tiefgreifenden und fortwirkenden Grundrechtseingriff dar.

52

Sie erweckt den Eindruck, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Ein solcher Eindruck wirkt nach, zumal wenn die Aufhebung der Betreuung wie bei der Beschwerdeführerin nicht mit der Begründung erfolgt, dass die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht vorgelegen haben, sondern weil eine anderweitige Vertretung des Betreuten eingerichtet worden ist. Insofern hat ein Feststellungsinteresse der Beschwerdeführerin trotz Aufhebung der Betreuung fortbestanden.

53

Dies haben das Landgericht und das Oberlandesgericht bei ihren Entscheidungen verkannt.

54

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.

(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.

(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.

(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.

(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.

Auskünfte nach den §§ 474 bis 476 und Datenübermittlungen von Amts wegen nach § 477 können auch durch Überlassung von Kopien aus den Akten erfolgen.

(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.

(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.

(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.

(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer und Beschuldigte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die einem Dritten gemäß § 406e Abs. 1 StPO gewährte Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft, ohne ihn hierzu vorher anzuhören. Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf richterliche Feststellung, dass die bewilligte Akteneinsicht ohne vorheriges rechtliches Gehör rechtswidrig war, bestätigte das Amtsgericht die staatsanwaltschaftliche Verfügung zur Bewilligung von Akteneinsicht. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

II.

2

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie ist aus Gründen der materiellen Subsidiarität unzulässig, weil der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Amtsgerichts keine Beschwerde gemäß § 406e Abs. 4 Satz 4 in Verbindung mit § 304 Abs. 1 StPO eingelegt hat.

3

1. Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleitete Grundsatz der materiellen Subsidiarität fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne (formelle Subsidiarität) hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in den unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>; 129, 78 <92>; 134, 106 <115 Rn. 27>; stRspr). Es entspricht der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren und etwaige im Instanzenzug auftretende Fehler durch Selbstkontrolle beheben (BVerfGE 68, 376 <380>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2015 - 1 BvR 3276/08 -, NJW 2015, S. 2175). Hat sich der Eingriff erledigt bevor der Betroffene Abhilfe im fachgerichtlichen Verfahren erlangen konnte, gebietet der von den Fachgerichten zu gewährende Grundrechtsschutz, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung eines schwer wiegenden - wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden - Grundrechtseingriffs nachträglich gerichtlich klären zu lassen (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <232 f.>; 117, 244 <268 f.>; stRspr).

4

2. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung in entsprechender Anwendung von § 406e Abs. 4 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1993 - 5 AR (VS) 44/92 -, NJW 1993, S. 1341 <1342>; Schmitt/Meyer-Goßner, StPO, 58. Auflage 2015, § 406e Rn. 11 m.w.N.) hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg zwar formell erschöpft, da die Entscheidung des Amtsgerichts als Ermittlungsgericht gemäß § 406e Abs. 4 Satz 4 StPO unanfechtbar ist, solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind. Nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens ist gegen die Entscheidung des nach § 406e Abs. 4 Satz 2 StPO angerufenen Ermittlungsgerichts jedoch die Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft (vgl. BTDrucks 16/12098, S. 36). Diese Möglichkeit des Rechtsschutzes vor den Fachgerichten mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Akteneinsicht wegen der unterlassenen vorherigen Anhörung hat der Beschwerdeführer nicht ausgeschöpft. Er trägt auch nicht vor, weshalb ihm die Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs nicht zumutbar ist. Dass in der Zeit bis zur Entscheidung die Akten von der Staatsanwaltschaft erneut ohne Anhörung des Beschwerdeführers herausgegeben würden, ist nicht zu erwarten, da sie nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft, sondern nunmehr bei Gericht sind. Über die Gewährung der Akteneinsicht nach Anklageerhebung entscheidet gemäß § 406e Abs. 4 Satz 1 StPO der Vorsitzende; seine Entscheidung kann mit der Beschwerde angefochten werden.

5

3. Bei der Entscheidung über die Beschwerde wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass die Gewährung von Akteneinsicht regelmäßig mit einem Eingriff in Grundrechtspositionen des Beschuldigten, namentlich in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, verbunden ist und die Staatsanwaltschaft vor Gewährung der Akteneinsicht deshalb zu einer Anhörung des von dem Einsichtsersuchen betroffenen Beschuldigten verpflichtet ist (vgl. Zabeck, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage 2013, § 406e, 8.; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. April 2005 - 2 BvR 465/05 -, NStZ-RR 2005, S. 242; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2006 - 2 BvR 67/06 -, NJW 2007, S. 1052). Die unterlassene Anhörung stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, der durch die Durchführung des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nicht geheilt werden kann (vgl. AG Zwickau, Beschluss vom 12. April 2013 - 13 Gs 263/13 -, juris; entgegen LG Stralsund, Beschluss vom 10. Januar 2005 - 22 Qs 475/04 -, juris; KG, Beschluss vom 2. Oktober 2015 - 4 Ws 83/15 - 141 Ar 417/15, NStZ 2016, S. 438 zur Nachholung im Beschwerdeverfahren).

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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.

(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er

1.
personenbezogene Daten eines anderen, die ihm
a)
in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
b)
in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
c)
im Rahmen einer Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, 5 oder 6 oder aus anderem dienstlichen Anlass, insbesondere durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen,
bekannt geworden sind, oder
2.
ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
(geschützte Daten) unbefugt offenbart oder verwertet oder
3.
geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind.

(3) Den Amtsträgern stehen gleich

1.
die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs),
1a.
die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen,
2.
amtlich zugezogene Sachverständige,
3.
die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

(4) Die Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten ist zulässig, soweit

1.
sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient,
1a.
sie einer Verarbeitung durch Finanzbehörden nach Maßgabe des § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 oder 6 dient,
1b.
sie der Durchführung eines Bußgeldverfahrens nach Artikel 83 der Verordnung (EU) 2016/679 im Anwendungsbereich dieses Gesetzes dient,
2.
sie durch Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist,
2a.
sie durch Recht der Europäischen Union vorgeschrieben oder zugelassen ist,
2b.
sie der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Statistischen Bundesamtes oder für die Erfüllung von Bundesgesetzen durch die Statistischen Landesämter dient,
2c.
sie der Gesetzesfolgenabschätzung dient und die Voraussetzungen für eine Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 vorliegen,
2d.
sie der Sicherung, Nutzung und wissenschaftlichen Verwertung von Archivgut der Finanzbehörden durch das Bundesarchiv nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes oder durch das zuständige Landes- oder Kommunalarchiv nach Maßgabe des einschlägigen Landesgesetzes oder der einschlägigen kommunalen Satzung dient, sofern die Beachtung der Vorgaben der §§ 6 und 10 bis 14 des Bundesarchivgesetzes im Landesrecht oder in der kommunalen Satzung sichergestellt ist,
3.
die betroffene Person zustimmt,
4.
sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse
a)
in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder
b)
ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind,
5.
für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn
a)
die Offenbarung erforderlich ist zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung oder die nationale Sicherheit oder zur Verhütung oder Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen,
b)
Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder
c)
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden.

(5) Vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden.

(6) Der Abruf geschützter Daten, die für eines der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Verfahren in einem automationsgestützten Dateisystem gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 Buchstabe a und b oder der zulässigen Übermittlung geschützter Daten durch eine Finanzbehörde an die betroffene Person oder Dritte dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betrifft.

(7) Werden dem Steuergeheimnis unterliegende Daten durch einen Amtsträger oder diesem nach Absatz 3 gleichgestellte Personen nach Maßgabe des § 87a Absatz 4 oder 7 über De-Mail-Dienste im Sinne des § 1 des De-Mail-Gesetzes versendet, liegt keine unbefugte Offenbarung, Verwertung und kein unbefugter Abruf von dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten vor, wenn beim Versenden eine kurzzeitige automatisierte Entschlüsselung durch den akkreditierten Diensteanbieter zum Zweck der Überprüfung auf Schadsoftware und zum Zweck der Weiterleitung an den Adressaten der De-Mail-Nachricht stattfindet.

(8) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abgleich geschützter Daten innerhalb einer Finanzbehörde oder zwischen verschiedenen Finanzbehörden ermöglicht, ist zulässig, soweit die Weiterverarbeitung oder Offenbarung dieser Daten zulässig und dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person und der Aufgaben der beteiligten Finanzbehörden angemessen ist.

(9) Die Finanzbehörden dürfen sich bei der Verarbeitung geschützter Daten nur dann eines Auftragsverarbeiters im Sinne von Artikel 4 Nummer 8 der Verordnung (EU) 2016/679 bedienen, wenn diese Daten ausschließlich durch Personen verarbeitet werden, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.

(10) Die Offenbarung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 durch Finanzbehörden an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 und ein Ausnahmetatbestand nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/679 oder nach § 31c vorliegen.

(11) Wurden geschützte Daten

1.
einer Person, die nicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet ist,
2.
einer öffentlichen Stelle, die keine Finanzbehörde ist, oder
3.
einer nicht-öffentlichen Stelle
nach den Absätzen 4 oder 5 offenbart, darf der Empfänger diese Daten nur zu dem Zweck speichern, verändern, nutzen oder übermitteln, zu dem sie ihm offenbart worden sind. Die Pflicht eines Amtsträgers oder einer ihm nach Absatz 3 gleichgestellten Person, dem oder der die geschützten Daten durch die Offenbarung bekannt geworden sind, zur Wahrung des Steuergeheimnisses bleibt unberührt.

(1) Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden erhalten Akteneinsicht, wenn dies für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist.

(2) Im Übrigen sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit

1.
die Auskünfte zur Feststellung, Durchsetzung oder zur Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich sind,
2.
diesen Stellen in sonstigen Fällen auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen oder soweit nach einer Übermittlung von Amts wegen die Übermittlung weiterer personenbezogener Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist oder
3.
die Auskünfte zur Vorbereitung von Maßnahmen erforderlich sind, nach deren Erlass auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren an diese Stellen übermittelt werden dürfen.
Die Erteilung von Auskünften an die Nachrichtendienste richtet sich nach § 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, § 12 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, § 10 des MAD-Gesetzes und § 10 des BND-Gesetzes sowie den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde oder die Akteneinsicht begehrende Stelle unter Angabe von Gründen erklärt, dass die Erteilung einer Auskunft zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht ausreichen würde.

(4) Unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 3 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(5) Akten, die noch in Papierform vorliegen, können in den Fällen der Absätze 1 und 3 zur Einsichtnahme übersandt werden.

(6) Landesgesetzliche Regelungen, die parlamentarischen Ausschüssen ein Recht auf Akteneinsicht einräumen, bleiben unberührt.

(1) Von Amts wegen dürfen personenbezogene Daten aus Strafverfahren Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten für Zwecke der Strafverfolgung sowie den zuständigen Behörden und Gerichten für Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übermittelt werden, soweit diese Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle hierfür erforderlich sind.

(2) Eine von Amts wegen erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren ist auch zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist für

1.
die Vollstreckung von Strafen oder von Maßnahmen im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 8 des Strafgesetzbuches oder für die Vollstreckung oder Durchführung von Erziehungsmaßregeln oder von Zuchtmitteln im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
den Vollzug von freiheitsentziehenden Maßnahmen oder
3.
Entscheidungen in Strafsachen, insbesondere über die Strafaussetzung zur Bewährung oder deren Widerruf, oder in Bußgeld- oder Gnadensachen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Für eine Privatperson und für sonstige Stellen kann unbeschadet des § 57 des Bundesdatenschutzgesetzes ein Rechtsanwalt Auskünfte aus Akten erhalten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt. Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 können auch Privatpersonen und sonstigen Stellen Auskünfte aus den Akten erteilt werden.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.