Landgericht Fulda Urteil, 30. Apr. 2009 - 16 Js 1/08
Gericht
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LANDGERICHT FULDA
Urteil vom 30.04.2009
Az.: 16 Js 1/08 - 1 Ks
Tenor
Der Angeklagte ... ist schuldig des versuchten Totschlags.
Er wird zu einer Freiheitsstrafe von
9 Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Angeklagte ... wird freigesprochen.
Soweit der Angeklagte ... verurteilt wird, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Angeklagte ... freigesprochen wird, fallen die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Der jetzt 59 Jahre alte Angeklagte ..., dessen Eltern aus Südtirol stammen, wuchs in M. auf, wo er auch seine schulische Laufbahn mit dem Abitur abschloss. Hierauf folgte zunächst ein journalistisches Volontariat, ehe er mit dem Studium der Rechtswissenschaft in M. begann. Da er sich darüber hinaus neben der Theologie insbesondere auch für medizinische Fragen interessierte, nahm er nach Beendigung seines Studiums während des Rechtsreferendariats zusätzlich noch ein Medizinstudium auf, das er aus zeitlichen Gründen jedoch nicht abschließen konnte. Nachdem er das Zweite Juristische Staatsexamen erfolgreich absolviert hatte, eröffnete er eine Rechtsanwaltskanzlei in M., in der er auch heute noch als Rechtsanwalt arbeitet. Aufgrund seiner nach wie vor bestehenden Leidenschaft für die Medizin spezialisierte er sich auf dem Gebiet des Medizinrechts. Seit 1994 ist er insbesondere im Bereich der Palliativmedizin rechtsberatend tätig. Neben zahlreichen Mandaten auf diesem Gebiet arbeitet er als Sachverständiger und beriet unter anderem den ... zum Thema Sterbehilfe oder fungierte als ... einer Broschüre mit dem Titel „Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter durch Vollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung“, die vom ... Staatsministerium der Justiz herausgegeben wurde.
In familiärer Hinsicht heiratete er im Jahre 1977. Aus der Ehe sind drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen. Seit dem Jahre 2008 ist er jedoch geschieden.
Strafrechtlich ist der Angeklagte noch nicht in Erscheinung getreten.
II.
1. Vorgeschichte:
Im Oktober 2002 erlitt die damals 71-jährige Mutter der Angeklagten ..., Frau ..., geboren am ... in T., eine linksseitige Hirnblutung, aus der ein Apallisches Syndrom (Wachkoma) resultierte. Seitdem war sie nicht mehr ansprechbar, bettlägerig, insgesamt schwerst pflegebedürftig und wurde zur weiteren Behandlung vom Klinikum F. über das Kreiskrankenhaus B. H. am 13.02.2003 ins Alten- und Pflegeheim Residenz A. in B. H. verlegt. Behandelnder Arzt war seit der Unterbringung im Pflegeheim der Zeuge Dr. med. ... Seit November 2002 erfolgte die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr bei der Patientin ... über eine PEG-Sonde, welche durch die Bauchdecke in den Körper eingeführt wurde. Hierbei erhielt sie täglich regelmäßig 1.000 ml Flüssignahrung (Fresobin) und 1.000 ml Tee oder Wasser. Sowohl die Nahrungs- als auch die Flüssigkeitsgabe erfolgte in zwei Rationen zu jeweils 500 ml, mit denen sie im Wechsel versorgt wurde. Weiterhin bekam sie regelmäßig Morphinpflaster. Eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes war aus medizinischer Sicht spätestens seit den Jahren 2006/2007 nicht mehr zu erwarten.
Zum vorläufigen Betreuer der ... wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Fulda vom 01.11.2002 zunächst deren inzwischen verstorbener Ehemann bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 01.04.2003 erhielt der Ehemann die endgültige Betreuung, und es wurde zu seiner Unterstützung zusätzlich eine Berufsbetreuung eingerichtet, welche die Zeugin H2. übernahm. Nach dem Tod des Ehemanns Ende November 2005 nahm Frau ... die Berufsbetreuung nunmehr alleine wahr.
Im März 2006 trat die Angeklagte ... schriftlich an die Berufsbetreuerin ... heran und teilte dieser mit, sie und ihr Bruder, der Beschuldigte ..., der inzwischen verstorben ist, hätten den Wunsch, dass die Magensonde entfernt werden solle, damit ihre Mutter in Würde sterben könne. In dem Schreiben wies die Angeklagte ... auf ein Gespräch hin, das sie Ende September 2002 anlässlich einer von ihrem Vater im Frühjahr 2002 erlitten Hirnblutung mit ihrer Mutter geführt hatte:
Im Rahmen dieses Gespräches hatte die Angeklagte ihre Mutter, Frau ..., gefragt, ob sie denn Vorkehrungen für den Fall getroffen habe, dass auch ihr - ähnlich wie zuvor dem Vater - etwas zustoße. Dabei hatte die Angeklagte ... ihre Mutter darauf hingewiesen, dass die Hirnblutung ihres Vaters, die glücklicherweise ohne schwerwiegende Folgen geblieben war, auch weitaus schlimmer hätte verlaufen können. Konkret hatte die Angeklagte ... von Ihrer Mutter wissen wollen, wie sie und ihr Bruder sich verhalten sollten, falls ihr, Frau ..., etwas zustoße. Frau ... hatte hierauf geantwortet, sie wolle am liebsten vor ihrem Mann und zu Hause sterben. Sie wolle nicht auf fremde Hilfe angewiesen sein und in ein Pflegeheim kommen. Falls sie bewusstlos werde und sich nicht mehr äußern könne, wolle sie keine lebensverlängernden Maßnahmen in Form von künstlicher Ernährung und künstlicher Beatmung. Sie wolle nicht an irgendwelche „Schläuche“ angeschlossen werden. Da Frau ... diesen Willen - wie eine Nachfrage der Angeklagten ... ergab - nicht schriftlich fixiert hatte, hatte die Angeklagte ... ihre Mutter gebeten, diese Dinge mit ihrem, Frau ..., Ehemann zu besprechen und schriftlich niederzulegen. Eine solche schriftliche Patientenverfügung wurde von Frau ... jedoch nicht mehr verfasst.
Bezug nehmend auf dieses Gespräch zwischen der Angeklagten ... und ihrer Mutter, Frau ..., vom September 2002, bat die Angeklagte ... die Berufsbetreuerin ..., diesen Willen ihrer Mutter anzuerkennen. Da Frau H2. hierauf jedoch nicht reagierte, wandte sich die Angeklagte mit ihrem Anliegen im Juni 2006 an den angeklagten Rechtsanwalt ..., auf dessen Kanzlei sie im Rahmen einer Recherche im Internet gestoßen war. Mit Schreiben vom 25.07.2006 versuchte die Angeklagte die Berufsbetreuerin dazu zu bewegen, die Kanzlei des Angeklagten ... zu mandatieren, um mit Hilfe des Rechtsanwalts eine Einstellung der künstlichen Ernährung ihrer Mutter zu erreichen. Dies lehnte die Betreuerin ... mit Schreiben vom 28.07.2006 unter Hinweis darauf ab, dass sie den mutmaßlichen Willen der ..., die sie nur im Zustande des Wachkomas kenne, nicht beurteilen könne.
Nachdem Frau ... im Dezember 2006 eine Fraktur des linken Oberarmes erlitt, die schließlich zur Folge hatte, dass der linke Oberarm amputiert werden musste, trat auch der Angeklagte ... mit der Berufsbetreuerin ... in weiteren Schriftwechsel. Frau ... blieb jedoch bei ihrer Auffassung und sah sich nach wie vor nicht in der Lage, eine Entscheidung bezüglich des Abbruchs der künstlichen Ernährung bei Frau ... zu treffen. Gleichzeitig stellte sie der Angeklagten ... und ihrem Bruder jedoch anheim, dass doch diese die Betreuung übernehmen könnten. Nach weiterem Schriftverkehr des Angeklagten ... - nunmehr auch mit dem Vormundschaftsgericht Bad Hersfeld - wurde Frau ... auf seinen Antrag vom 17.04.2007 mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 17.08.2007 (Az.: 92 XVII 79/03) aus dem Betreueramt entlassen und statt ihrer die Angeklagte ... und ihr Bruder, der Beschuldigte ..., zu neuen Betreuern der ... bestellt. Dabei war der zuständigen Vormundschaftsrichterin des Amtsgerichts Bad Hersfeld, der Zeugin Richterin am Amtsgericht ..., das Vorhaben der Angeklagten, die Ernährungstherapie zu beenden, von Anfang an bekannt.
Noch im August 2007 trat der Angeklagte ... mit dem behandelnden Arzt der Frau ..., dem Zeugen Dr. ..., in Kontakt, und informierte ihn über den neuen Sachstand aufgrund des durchgeführten Betreuerwechsels.
Am 02.11.2007 fand auf Initiative des Angeklagten ... in der Residenz A. in B. H. ein Gespräch zwischen Mitarbeiterinnen der Pflegeeinrichtung, nämlich der Heimleiterin, Frau ..., sowie der Pflegedienstleiterin, Frau ..., dem behandelnden Arzt Dr. ..., der Angeklagten ... und dem Beschuldigten ... sowie deren Rechtsanwalt, dem Angeklagten ..., bezüglich des von den Betreuern angestrebten Behandlungsabbruchs statt. Im Rahmen dieses Gesprächs tätigte der Angeklagte ... rechtliche Ausführungen, während der Zeuge Dr. ... darauf hinwies, dass eine ärztliche Indikation für eine weitere Ernährungstherapie bei Frau ... nicht mehr gegeben war, da eine Besserung ihres Gesundheitszustandes aus medizinischer Sicht nicht mehr zu erwarten war.
In den folgenden Tagen teilte der Angeklagte ... dem Zeugen Dr. ... zur Vorbereitung auf die angestrebte Einstellung der künstlichen Ernährung bei Frau ... noch die Anschriften von auf diesem Gebiet erfahrenen Palliativmedizinern sowie die Adresse eines Pflegeheims in M. mit, welches mit palliativmedizinischen Maßnahmen vertraut war.
Mit Schreiben vom 20.11.2007 forderte der Angeklagte ... den Zeugen Dr. ... auf, in der Krankenakte der ... und in der Dokumentation im Pflegeheim Residenz A. schriftlich niederzulegen, dass ab sofort die Ernährung ganz abzusetzen und die Hydration auf 250 ml pro Tag herabzusetzen und in den nächsten drei Tagen auf Null zu reduzieren sei. Ferner forderte er den Zeugen eindringlich dazu auf, palliativärztliche und palliativpflegerische Anordnungen zur Ausführung im Pflegeheim zu treffen.
Da die geforderte Eintragung nicht erfolgte, widerrief der Angeklagte ... im Namen und im Auftrag der ..., vertreten durch die Angeklagte ... und ihren Bruder ... als Betreuer, mit Schreiben vom 29.11.2007 an Dr. ... die Zustimmung zur künstlichen Ernährung. Daraufhin versandte der Zeuge Dr. ... am 10.12.2007 an das Pflegeheim Residenz A. ein Telefax mit dem Inhalt, dass die Angeklagte als Betreuerin der ... die Zustimmung zur Ernährungstherapie widerrufen habe und aus seiner hausärztlich internistischen Sicht keine Indikation für eine weitere Ernährungstherapie mehr bestehe, so dass dem Wunsch der Angeklagten entsprochen werden könne. Mit Schreiben gleichen Datums forderte der Angeklagte ... das Pflegeheim auf, nach der Anweisung des Dr. ... zu verfahren. Nach den vom Angeklagten ... beigefügten Vorgaben des Interdisziplinären Palliativzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München/Großhadern sollte in drei Tagen die Substitution über die Magensonde auf Null reduziert werden. Da sich das Pflegeheim weigerte, den Anweisungen nachzukommen, forderte der Angeklagte ... die Hausleitung mit Schreiben vom 12.12.2007 auf, die Ernährung nunmehr sofort einzustellen und die Flüssigkeitszufuhr bis zum 16.12.2007 kontinuierlich auf Null zu reduzieren.
Die Geschäftsführung der Residenz A. mit Sitz in U. bei M. lehnte mit Schreiben ihrer Geschäftsführerin, der Zeugin ..., vom 14.12.2007 die Einstellung der Ernährung mit Hinweis auf das Fehlen einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung ab. Per Telefax vom selben Tag wandte sich die Zeugin ... zugleich an das Amtsgericht Bad Hersfeld - Vormundschaftsgericht -, informierte dieses über die Ereignisse und bat um Überprüfung des Betreuerhandelns. Daraufhin setzte sich die zuständige Vormundschaftsrichterin, die Zeugin Richterin am Amtsgericht ..., noch am 14.12.2007 telefonisch mit Dr. med. ... sowie mit der Leiterin des Pflegeheims in B. H., der Zeugin ... in Verbindung. Dabei erläuterte sie der Zeugin ... die rechtliche Situation auf Grundlage der Entscheidung des 12. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 08.06.2005 (BGH NJW 2005, 2385 ff.), wonach eine Kontrollzuständigkeit des Vormundschaftsgerichts nur in einer Konfliktsituation zwischen Arzt und Betreuer begründet sei, die hier gerade nicht vorliege.
Am 17.12.2007 ordnete der Zeuge Dr. ... auf nochmalige vorherige Bitte des Angeklagten ... nunmehr in der Krankendokumentation der Frau ... schriftlich an, die Substitution mittels PEG-Sonde in drei Tagen auf Null zu reduzieren. Hiermit waren die Bediensteten der Residenz A. in B. H. jedoch nicht einverstanden. So wurde eine Unterschriftenliste verfasst, ausweislich derer sich die Mitarbeiter weigerten, Frau ... nicht mehr mit Flüssignahrung und Flüssigkeit zu versorgen. Die Angeklagten erwogen daher zunächst, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, um gerichtlich die Einstellung der künstlichen Ernährung durchzusetzen. Am 19.12.2007 schlug jedoch die Heimleiterin, die Zeugin ..., zur Lösung des Konflikts, der also darin bestand, dass sich die Mitarbeiter des Pflegeheims weigerten, die weitere Ernährung von Frau ... einzustellen, während die Angeklagte ... ihrer Mutter ein Sterben in Würde ermöglichen wollte, der Angeklagten ... im Rahmen eines Telefongesprächs einen Kompromiss vor. Danach sollten die Pflegekräfte des Heims ausschließlich die pflegerischen Tätigkeiten bei Frau ... ausführen, während die Angeklagte und ihr Bruder selbstständig die Substitution über die PEG-Sonde beenden, Schmerzpflaster aufkleben und Mundpflege betreiben sollten. Zu diesem Zwecke könne die Angeklagte ... auch alleine mit ihrer Mutter in deren Zimmer in der Residenz A. bleiben, dort übernachten und sie bei ihrem Ableben begleiten. Nach Rücksprache mit ihrem Anwalt, dem Angeklagten ..., erklärten sich die Angeklagte und ihr Bruder damit einverstanden, da man hierin einen vernünftigen Kompromiss sah, der den moralischen Vorstellungen sämtlicher Beteiligter gerecht werde.
Nachdem Frau ... am 20.12.2007 bis in die Mittagsstunden noch die bis dahin übliche hälftige Tagesration an künstlicher Ernährung (Fresobin) und Flüssigkeit von jeweils 500 ml erhalten hatte, entfernte die Angeklagte ... gegen 14.30 Uhr die letzte Flasche Fresobin, als diese durchgelaufen war. Weitere Flüssignahrung sollte Frau ... nach der beabsichtigten Vorgehensweise der Angeklagten ... nicht mehr erhalten. Zugleich versorgte die Angeklagte ihrer Mutter mit einer reduzierten Menge von 100 ml Wasser, die sie ihr über die PEG-Sonde verabreichte. Am nächsten Tag, dem 21.12.2007, wollte sie die Menge Flüssigkeit auf 50 ml Wasser und ab dem 22.12.2007, dem dritten Tag, die Flüssigkeitszufuhr auf Null reduzieren. Dabei war sowohl ihr als auch dem Angeklagten ... bewusst, dass der unmittelbare Sterbevorgang bei Frau ... noch nicht eingesetzt hatte, sie vielmehr bei Aufrechterhaltung der künstlichen Ernährung unter Umständen noch Monate weiterleben konnte. Den weiteren Nachmittag verbrachte die Angeklagte ... bei ihrer Mutter, hielt ihren Arm und las ihr vor. Gegen 17.00 Uhr verließ die Angeklagte das Pflegeheim und tätigte weitere Vorbereitungen für die kommenden Tage, an denen sie je nach dem Zustand ihrer Mutter im Pflegeheim übernachten wollte. Unter anderem stellte sie gereinigtes Butterfett her, mit dem sie die Mundhöhle ihrer Mutter auspinseln wollte gegen eventuell aufkommende Durstgefühle. Zudem bat sie ihren Bruder, am Vormittag des 21.12.2007 in die Residenz A. zu fahren und ihrer gemeinsamen Mutter die nochmals reduzierte Flüssigkeitsmenge von 50 ml über die PEG-Sonde zu verabreichen.
2. Zur Tat:
Am Vormittag des 21.12.2007, einem Freitag, kam es jedoch gegen 10.00 Uhr zu einem Telefongespräch zwischen der Heimleiterin, Frau ..., und Frau ... von der Geschäftsleitung in U., im Rahmen dessen die Zeugin ... die Zeugin ... über den Kompromissvorschlag bgl. Frau ... informierte. Die Zeugin ... untersagte daraufhin, in der Residenz A. „Sterbehilfe“ durchzuführen. Hierauf veranlasste die weisungsgebundene Heimleiterin der Residenz A. in B. H., Frau ..., bei Frau ... die Versorgung mit künstlicher Ernährung wieder aufzunehmen. Entsprechend dieser Anweisung erhielt Frau ... gegen 10.50 Uhr von Pflegekräften zunächst wieder die übliche Teilmenge von 500 ml Flüssigkeit, wobei sich nicht mehr sicher aufklären ließ, ob es sich hierbei um Tee oder Wasser handelte. Im Anschluss hieran sollte Frau ... unmittelbar wieder mit der üblichen Menge Flüssignahrung versorgt werden.
Gegen 12.00 Uhr erfuhren zunächst der Bruder der Angeklagten, der Beschuldigte ..., und sodann gegen 13.00 Uhr die Angeklagte selbst, die kurz zuvor noch mit dem Angeklagten ... telefoniert und diesem vom Verlauf des 20.12.2007 und der beabsichtigten weiteren Vorgehensweise bei ihrer Mutter unterrichtet hatte und inzwischen auf dem Weg ins Pflegeheim war, von der Zeugin ... im Pflegeheim, dass aufgrund einer Entscheidung der Hauptgeschäftsleitung in U. entgegen der Vereinbarung zwischen der Zeugin ... und der Angeklagten ... vom 19.12.2007 die künstliche Ernährung wieder aufgenommen werden sollte. Die Zeugin ... schlug der Angeklagten ... in diesem Zusammenhang vor, ihre Mutter doch zu sich bzw. mit zu ihrem Bruder zu nehmen oder sie aber in ein Hospiz zu verlegen. Hiermit erklärte sich die Angeklagte jedoch nicht einverstanden und bestand darauf, dass man sich Seitens des Pflegeheims an die Vereinbarung halte, damit dort ihre Mutter in Würde sterben könne.
Etwa zeitgleich zwischen 13.00 und 14.00 Uhr teilte die Geschäftsleitung der Residenz A. mit Sitz in U. durch ihre Juristin, Frau ..., auch der Kanzlei des Angeklagten ... telefonisch mit, dass die Ernährung der Frau ... wegen strafrechtlicher Risiken nun doch weiter geführt werde. Der Angeklagte ... wies darauf hin, dass die eigenmächtige Weiterernährung eine Straftat sei und stellte straf- und zivilrechtliche Konsequenzen in Aussicht. Frau ... ging hierauf jedoch nicht ein und verlangte im Gegenteil, dass die Betreuer der Frau ..., die Angeklagte ... und ihr Bruder ..., innerhalb der nächsten 10 Minuten ihr Einverständnis mit der Fortsetzung der künstlichen Ernährung erteilen sollten und dass andernfalls der Angeklagten und Herrn ... Hausverbot erteilt würde.
Daraufhin hielt der Angeklagte ... mit seiner Kollegin, der Zeugin ..., die als Rechtsanwältin in der selben Kanzlei beschäftigt und mit dem Mandat ... vertraut war, Rücksprache und beriet sich, wie man aufgrund des von der Geschäftsleitung des Pflegeheims gesetzten Ultimatums nunmehr am besten vorzugehen habe. Nach den gemeinsamen Überlegungen kam die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung nicht in Betracht, da diese aufgrund einer Vorwegnahme der Hauptsache ihrer Ansicht nach keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die Durchführung eines Zivilverfahrens hingegen hätte - nach Einschätzung des Angeklagten und der Zeugin ... - mehrere Monate gedauert, was beiden für die Angeklagte und ihren Bruder als Betreuer sowie für Frau ... selbst nicht zumutbar erschien. Eine Verbringung der Frau ... in die Wohnung der Angeklagten ... bzw. ihres Bruders ... scheitere aus Platzgründen. Eine Verlegung in ein Hospiz sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Auch eine Verlegung in ein anderes Pflegeheim kam ihren Überlegungen nach nicht in Betracht. Im Ergebnis kamen der Angeklagte ... und die Zeugin ... überein, dass man nur die Möglichkeit habe, den Schlauch der PEG-Sonde zu durchtrennen, um so eine weitere Ernährung der Frau ... unmöglich zu machen.
Nachdem nunmehr die Beteiligten über den neuen Sachstand hinsichtlich der Ernährungssituation der Frau ... in Kenntnis gesetzt worden waren, fand kurz nach 14.00 Uhr ein Telefonat zwischen der Angeklagten ... und ihrem Bruder ... einerseits und dem Angeklagten ... andererseits statt, im Rahmen dessen der Angeklagte ... die Angeklagte ... und den Beschuldigten ... auch über das von der Geschäftsleitung des Pflegeheims gestellte Ultimatum informierte. Auf die Frage der Angeklagten ..., wie nun weiter zu verfahren sei, entgegnete der Angeklagte ..., sie solle den Versorgungsschlauch unmittelbar über der Bauchdecke ihrer Mutter durchtrennen, um so eine weitere, aus seiner Sicht rechtswidrige, Ernährung der Patientin ... zu unterbinden. Auf die vom Beschuldigten ... geäußerten Bedenken hin teilte der Angeklagte ... der Angeklagten ... und dem Beschuldigten ... mit, dass das Durchtrennen des Versorgungsschlauchs strafrechtlich nicht relevant sei, da es durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Hilfe zum Sterben“ gedeckt sei. Auch sei ein effektiver sofortiger Rechtsschutz gegen das rechtswidrige Handeln der Verantwortlichen der Residenz A. anders nicht zu erreichen; die Rechtslage sei gerade auch in strafrechtlicher Hinsicht sicher. Nicht die Beendigung der Sondenernährung sei eine Straftat, sondern die Weiterbehandlung. Keine Klinik würde in Eigenmacht diese Sonde neu setzen, keine Behörde es bei dieser Sachlage anordnen.
Daraufhin durchtrennte die Angeklagte ..., die dem Angeklagten ... als sachkundigem Anwalt für Medizinrecht vertraute, zwischen 14.20 Uhr und 14.40 Uhr den Versorgungsschlauch der PEG-Sonde mit einer Schere, die sie im Nachttischschrank ihrer Mutter fand, unmittelbar über der Bauchdecke. Der Beschuldigte ... half ihr hierbei, indem er den Schlauch festhielt. Hierdurch wurde - wie den Angeklagten bewusst war - eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung über die gesetzte PEG-Sonde vereitelt, da in Folge der Durchtrennung des Versorgungsschlauchs unmittelbar über der Bauchdecke insbesondere keine Reparatur nur des Schlauchs mehr möglich war. Zum Zeitpunkt des Kappens des Versorgungsschlauchs befand sich in dem Vorratsbehälter der PEG-Sonde noch ein Rest Flüssigkeit von ca. 50 ml, wie die Angeklagte erkannte. Sowohl der Angeklagte ... als auch die Angeklagte ... - der Angeklagte ... aus eigener Einschätzung und die Angeklagte ... aufgrund der Angaben des Angeklagten ... - gingen davon aus, dass aufgrund der ihrer Ansicht nach eindeutigen Rechtslage keine neue PEG-Sonde angelegt werden würde, so dass Frau ... durch das Schaffen von Fakten schließlich doch würde sterben können.
Gegen 14.40 Uhr betraten zwei Pflegekräfte der Residenz A., die Zeuginnen ... und ..., das Bewohnerzimmer der Frau ..., um diese zu lagern und wieder einen Beutel Flüssignahrung (Fresobin) anzuschließen, nachdem am Vormittag von der Heimleiterin, der Zeugin ..., angeordnet worden war, dass Frau ... wieder vollumfänglich künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt werden sollte. Dabei fiel den beiden Zeuginnen auf, dass der Versorgungsschlauch der PEG-Sonde durchtrennt war. Sie informierten umgehend die Heimleiterin, Frau ..., die wiederum die Kriminalpolizei B. H. einschaltete. Diese nahm Rücksprache mit dem zuständigen Bereitschaftsstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Fulda, Herrn ..., der anordnete, dass Frau ... in ein Krankenhaus zu verbringen sei. In Anwesenheit der herbeigerufenen Kriminalpolizisten äußerte der Angeklagte ... nach nochmaliger telefonischer Rücksprache mit dem Angeklagten ... auf dessen Anraten hin, dass sie nicht damit einverstanden sei, dass ihre Mutter ins Krankenhaus verbracht und eine neue PEG-Sonde gelegt werde. Gleichwohl wurde Frau ... aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Anweisung von Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes mit einem Rettungswagen in das Klinikum B. H. eingeliefert, wo eine neue PEG-Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder aufgenommen wurde.
Am ... 2008 verstarb Frau ... im Klinikum B. H.. Laut Sektionsprotokoll des Instituts für Rechtsmedizin der J.-L.-Universität G. vom 24.01.2008 ergab die am 10.01.2008 durchgeführte Obduktion der verelbststäenen ..., die bei einer Körpergröße von 1,59 m zuletzt 40 kg wog, dass nach dem makroskopischen Obduktionsergebnis eine dekompensierte Herzinsuffizienz, dass heißt ein Herzversagen bei schwerer Herzvorschädigung, als Todesursache angesehen werden muss. Das Herz war vorgeschädigt gewesen aufgrund einer schweren Bluthochdruckerkrankung sowie aufgrund eines mehrfachen Herzinfarktes. Zudem war es in den letzten Stunden vor dem Tod zu Magenschleimhautblutungen gekommen, so dass durch den Blutverlust in den Magen-Darm-Trakt die Blut- und somit Sauerstoffversorgung des Herzens zusätzlich eingeschränkt worden war. Zusammenfassend handelte es sich um einen natürlichen Tod aufgrund mehrfacher organischer Vorerkrankungen. Ein Zusammenhang mit der am 21.12.2007 erfolgten Durchtrennung des Versorgungsschlauchs der PEG-Sonde und dem am 05.01.2008 eingetretenen Tod ließ sich aus rechtsmedizinischer Sicht nicht erkennen. Es konnte weder eine Kausalität, noch eine Mitursächlichkeit belegt werden. Auch hatte die Nahrungs- und Flüssigkeitsreduktion bei Frau ... am 20. und 21.12.2007 noch nicht in ein Einsetzen des unmittelbaren Sterbevorgangs gemündet.
III.
Die zuvor getroffenen Feststellungen zur Person des Angeklagten ... sowie zum Sachverhalt beruhen auf dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme.
Beide Angeklagte haben sich in der Hauptverhandlung zur Person und insbesondere auch zum Sachverhalt umfassend - sowohl im Hinblick auf das objektive Tatgeschehen, als auch auf ihre jeweiligen Vorstellungen und Motivationen, die im Zusammenhang mit der Tatbegehung eine Rolle spielen - eingelassen. Sämtliche Angaben stehen im Einklang mit den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen sowie den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. ...
Im Rahmen der Hauptverhandlung konnte auch geklärt werden, dass sich zum Zeitpunkt der Durchtrennung des Versorgungsschlauchs durch die Angeklagte ... nicht die Flüssignahrung Fresobin, wohl aber noch ein kleiner Rest Tee oder Wasser in dem Versorgungsbehälter der PEG-Sonde befand, wobei nicht mehr ermittelt werden konnte, um welche der beiden zuletzt genannten Flüssigkeiten es sich handelte. Entsprechend ihrer glaubhaften Einlassung war der Angeklagten ... auch bewusst, dass sich zum Zeitpunkt der Durchtrennung des Versorgungsschlauchs noch eine kleine Restmenge an Flüssigkeit im Vorratsbehälter befand, die noch in die PEG-Sonde lief. Auch der Angeklagte ... war nach dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme zum Zeitpunkt seiner Anweisung an die Angeklagte ... hinsichtlich der Ernährungssituation bei Frau ... zumindest dahingehend informiert, dass die Verabreichung von künstlicher Ernährung durch die zu diesem Zeitpunkt noch funktionsfähige PEG-Sonde unmittelbar bevorstand.
Letzten Endes sind die Angaben des Angeklagten ... zu seinen persönlichen Verhältnissen sowie der von der Kammer festgestellte Sachverhalt von keinem der Prozessbeteiligten in Zweifel gezogen worden, was sich daraus ergibt, dass sowohl Anklage als auch Verteidigung in ihren Plädoyers hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen von einem identischen Sachverhalt ausgegangen sind, während vorliegend (ausnahmsweise) allein die rechtliche Bewertung des festgestellten Sachverhalts zwischen Anklage und Verteidigung im Streit steht.
Damit waren auch die (verbliebenen) Hilfsbeweisanträge des Verteidigers des Angeklagten ... gemäß § 244 Abs. 3 S. 2 StPO wegen Erwiesenheit bzw. Wahrunterstellung der vorgetragenen Behauptungen abzulehnen.
Während sich der Hilfsbeweisantrag zu Ziffer 1. aus der Anlage 1 zum Protokoll des Hauptverhandlungstermins vom 28.04.2009 durch Rücknahme Seitens des Verteidigers des Angeklagten ... erledigt hat, hat die Kammer hinsichtlich des Hilfsbeweisantrags zu Ziffer 2 a. als wahr unterstellt, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung - auch der stufenweise Abbruch der Flüssigkeitszufuhr - bei Frau ... als einer Patientin, die seit über fünf Jahren definitiv irreversibel im Wachkoma lag, unter der Voraussetzung korrekter palliativer Behandlung, insbesondere durch Befeuchtung des Mundraums und der Lippen, weder zu Hunger noch zu Durstempfindungen geführt, sondern innerhalb einiger Tage ein gänzlich schmerzfreies Sterben bewirkt hätte.
Der Beweisantrag zu Ziffer 2 b. war hingegen wegen Erwiesenheit der Beweistatsache abzulehnen, da die Kammer von der Richtigkeit der Beweistatsache aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme schon so überzeugt war, dass sie es dem Urteil ohne weitere Beweisaufnahme zugrunde legen konnte. Wie bereits aus den Feststellungen zum Sachverhalt zusammenfassend zu entnehmen ist, ging die Kammer in concreto davon aus, dass die weitere mittels einer PEG-Sonde durchgeführte künstliche Ernährung der Frau ..., die sich seit Oktober 2002 infolge einer schweren Hirnblutung im Wachkoma befand, seit Jahren und jedenfalls in den Jahren 2006 - nach dem Bericht der Betreuerin Frau H2. war der Gesundheitszustand von Frau ... schon in der ersten Jahreshälfte 2006 so schlecht, dass das Sitzen in einem Rollstuhl, wie von der Angeklagten ... gewünscht, weil sie ihre Mutter gelegentlich im Park spazieren fahren wollte, nicht mehr möglich war und Frau ... das Bett nicht mehr verlassen konnte - und vor allem 2007 nicht mehr ärztlich indiziert war - weil bei diesem Verlauf eine wie auch immer geartete Verbesserung des Gesundheitszustandes von Frau ... ausgeschlossen war und nach aller ärztlicher Erkenntnis als sicher feststand, dass der gegebene Zustand bis zum Tode von Frau ... fortbestehen würde.
Hinsichtlich des Hilfsbeweisantrags zu Ziffer 3. hat die Kammer wiederum als wahr unterstellt, dass die Seitens der Verteidigung als Zeugin benannte Justiziarin in der Unternehmenszentrale des Konzerns „Residenz A.“ in U., Frau ..., während eines Telefongesprächs mit dem Angeklagten ..., der sie angerufen hatte, am 21.12.2007 kurz vor 14:00 Uhr ankündigte, dass „das hier nicht so weitergehe“ und dass die künstliche Ernährung von Frau ... in jedem Fall an diesem Nachmittag wieder aufgenommen werde und dass sie verlangte, dass die beiden Betreuer von Frau ..., die Angeklagte ... und ihr Bruder, der Beschuldigte Peter ..., innerhalb der nächsten 10 Minuten ihr Einverständnis hiermit erteilen und dass anderenfalls der Angeklagten ... und ihrem Bruder sofort Hausverbot erteilt werde.
IV.
Nach den zuvor getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte ... eines versuchten Totschlags zum Nachteil der ... in Mittäterschaft mit der Angeklagten ... gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.
Zwar kam eine Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Totschlags nicht in Betracht, da es an einer Ursächlichkeit zwischen der Durchtrennung des Versorgungsschlauchs durch die Angeklagte ... am 21.12.2007 und dem Tod der Frau ... am 05.01.2008 mangelt, wie der Sachverständige Prof. Dr. ... überzeugend und für die Kammer gut nachvollziehbar dargelegt hat. Allerdings erweist sich das festgestellte Verhalten des Angeklagten ... als Totschlagsversuch:
1. Zunächst liegt ein Tatentschluss des Angeklagten ... zur Tötung der Frau ... vor. Er handelte nämlich mit Vorsatz, und zwar mit Absicht, im Hinblick auf alle Merkmale der Haupttat eines Totschlags gemäß § 212 Abs. 1 StGB.
a) Unzweifelhaft ist das voluntative Element gegeben, da es dem Angeklagten entsprechend dem Willen seiner Mandantin ..., gesetzlich vertreten durch ihre damalige Betreuerin, die Angeklagte ..., gerade darauf ankam, Frau ... ein würdevolles Sterben zu ermöglichen.
b) Auch das für die Geeignetheit der Tathandlung zur Zielerreichung erforderliche Wissenselement ist gegeben, da der Angeklagte davon ausging, dass das Durchtrennen des Versorgungsschlauchs letztlich zum Tod der Frau ... führen würde. Isoliert betrachtet führt jene Durchtrennung auch definitiv zum Tod, da folglich keine weitere künstliche Ernährung mehr stattfinden kann. Problematisch erschien hingegen, wie es sich auswirkt, dass auch Gegenmaßnahmen wie etwa das Anlegen einer neuen PEG-Sonde durch Ärzte - wie später auch tatsächlich geschehen - in Betracht kamen. Dieser Umstand kann möglicherweise das Wissenselement und damit den Vorsatz und eine Strafbarkeit entfallen lassen, wenn von Anfang an klar gewesen wäre, dass wieder eine neue PEG-Sonde angelegt und die Ernährung der Frau ... fortgesetzt würde, ein Eingreifen von dritter Seite also mit eingeplant gewesen wäre, was aus Sicht eines objektiven Betrachters ex ante nicht unwahrscheinlich erschien. Auf diese Streitfrage, ob das Wissenselement und damit der Vorsatz entfällt, wenn allein das in Betracht gezogene Handeln Dritter den Tod verhindert, kommt es jedoch hier aufgrund der in der Hauptverhandlung ermittelten besonderen Vorstellung des Angeklagten nicht an. Zwar war auch aus seiner Sicht klar, dass die Durchtrennung des Versorgungsschlauchs alsbald vom Pflegepersonal erkannt werden würde, da dieses weiterhin die Pflege der Frau ... übernahm. Allerdings führte die einkalkulierte Entdeckung der Schlauchdurchtrennung in der Vorstellung des Angeklagten gerade nicht zwingend zu lebenserhaltenden Gegenmaßnahmen von dritter Seite. Aufgrund der hiesigen besonderen Konstellation, die darin lag, dass die Verantwortlichen des Pflegeheims die künstliche Ernährung der Frau ... gegen den Willen der Betreuerin, der Angeklagten ..., und ohne ärztliche Indikation unmittelbar fortführen wollten, ging der Angeklagte davon aus, dass wegen des - seiner Auffassung nach - evident rechtswidrigen Verhaltens der Verantwortlichen des Pflegeheims keine Klinik in Eigenmacht eine PEG-Sonde neu setzen und auch keine Behörde es bei dieser Sachlage anordnen würde. Nach seinen Ausführungen in der Hauptverhandlung hatte der Angeklagte niemals gedacht, dass das Krankenhaus eine neue PEG-Sonde einsetzen würde. Im Ergebnis nahm er also an, dass trotz der erwarteten Entdeckung der Durchtrennung des Schlauchs keine Gegenmaßnahmen getätigt würden.
2. In dem Durchschneiden des Versorgungsschlauchs liegt ein mittäterschaftlich begangenes, dem Angeklagten ... zuzurechnendes, unmittelbares Ansetzen zur Tat durch aktives Tun.
a) Zwar erfolgte die Tathandlung eigenhändig durch die Angeklagte ..., während der Angeklagte ... nicht am Tatort in Person anwesend war.
1) Diese Handlung ist ihm aber im Wege der Mittäterschaft mit der Angeklagten ... gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen.
So hatte der Angeklagte ... zum einen maßgebliche Tatherrschaft inne, da die Angeklagte ... auf seine zeitnahe telefonische Anweisung hin den Versorgungsschlauch durchtrennte. Zudem zerstreute er während des Telefonats unmittelbar vor der Tat noch rechtliche Bedenken der Angeklagten ... und ihres Bruders. Beide vertrauten ihm, zumal er seit Monaten in die Angelegenheit involviert war und Gespräche und Schriftwechsel mit der Angeklagten ..., dem Pflegeheim, dem behandelnden Arzt Dr. ... sowie mit dem Vormundschaftsgericht in Bad Hersfeld geführt hatte.
Zum anderen handelte er mit Täterwillen. Auch er wollte die Durchführung der Tat. Er hatte als Anwalt von Frau ..., vertreten unter anderem durch die gesetzliche Betreuerin, die Angeklagte ..., ein Eigeninteresse, den Willen seiner Mandantin, in Würde sterben zu können, zum Erfolg zu verhelfen.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller dieser objektiven Umstände und der Motivation des Angeklagten erweist sich demnach sein Verhalten als mittäterschaftlich.
2) Aufgrund des oben unter 1) Gesagten liegt gerade keine bloße Anstiftung gemäß § 26 StGB zum Totschlagsversuch vor, da der Angeklagte... die Tat als eigene wollte und in erheblichem Maße Tatherrschaft ausübte.
3) Auch eine Zurechnung des Verhaltens der Angeklagten ... im Wege der - wie zunächst angeklagten - mittelbaren Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB scheidet aus. Zwar hat der Angeklagte ... bei der Angeklagten ... einen Irrtum über das Verbotensein ihrer Handlung ausgelöst und ihr weiteres Verhalten aufgrund seines Einflusses gesteuert. Allerdings hat der Angeklagte ... die Angeklagte ... nicht bewusst als menschliches Werkzeug missbraucht, da er sich ebenfalls in einem Irrtum über das Verbotensein seines Verhaltens befand, worauf unten unter 4.c) noch näher eingegangen wird. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Angeklagte ... wegen eines bei ihr vorliegenden unvermeidbaren Verbotsirrtums gem. § 17 S. 1 StGB freigesprochen wurde (vgl. dazu unten unter VI.), da gem. § 29 StGB jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft wird.
b) Das Ansetzen zur Tat erfolgte auch unmittelbar. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Abgrenzung zwischen Versuch und Vorbereitung kommt es darauf an, ob die Einzelhandlungen in ihrer Gesamtheit schon einen derartigen unmittelbaren Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, dass es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann. Eine solche Rechtsgutgefährdung liegt hier vor, weil ohne Gegenmaßnahmen wie das Anlegen einer neuen PEG-Sonde der Tod von Frau ... aufgrund fehlender Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zwingende Folge gewesen wäre. Soweit die Verteidigung hiergegen einwendet, beim Angeklagten ... liege allein ein rein zukunftsgerichtetes Bemühen vor, ändert dies nichts an der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes. Denn letztlich ist jedes Handeln zukunftsgerichtet. Nach der Vorstellung des Angeklagten steigerte sich die Rechtsgutgefährdung vielmehr kontinuierlich bis hin zum Tod. Dass die Handlung, nämlich das Kappen des Schlauches, und der beabsichtigte Tod von Frau ... zeitlich auseinander fallen, spielt keine Rolle, was sich auch aus der Vorschrift des § 8 StGB ergibt. In Konstellationen wie der vorliegenden ist es gerade typisch, dass der Tod erst im Verlaufe mehrerer Tage eintritt. In einer vergleichbaren Konstellation hat daher auch der Bundesgerichtshof in seiner „Kemptener Entscheidung“ vom 13.09.1994 (BGH NJW 1995, 204 ff. [206]) den Anfang des Versuchs zu dem Zeitpunkt angenommen, zu dem nach der Vorstellung der dort Angeklagten die Versorgung einer irreversibel schwerst cerebralgeschädigten Frau mit lebensnotwendiger Sondennahrung endgültig eingestellt werden sollte.
Da im Rahmen der bei der Mittäterschaft maßgeblichen Gesamtlösung alle Mittäter in das Versuchsstadium eintreten, sobald einer von ihnen zur Tat ansetzt (vgl. Fischer, StGB, 56. Auflage, § 22 Rdnr. 21), ist mit dem Durchtrennen des Versorgungsschlauchs durch die Angeklagte ... zeitgleich auch der Angeklagte ... in das Versuchstadium eingetreten.
c) Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei der Durchtrennung des Versorgungsschlauchs auch um eine versuchte Tatbegehung durch aktives Tun und nicht durch („unechtes“) Unterlassen in Garantenstellung gem. § 13 Abs. 1 StGB.
1) Unzweifelhaft ist dieses Ergebnis, wenn man zur diesbezüglichen Abgrenzung im Rahmen einer naturalistischen Betrachtungsweise die in der Literatur vertretene Lehre vom Energiesatz heranzieht, wonach ein aktives Tun immer dann anzunehmen ist, wenn durch den Einsatz von Energie bzw. durch körperliche Bewegung der Ablauf eines Geschehens dahingehend beeinflusst wird, dass - im Falle des Versuchs - eine Schädigungsmöglichkeit geschaffen wird (so etwa Leipziger Kommentar, StGB, (Weigend), 12. Auflage, § 13 Rdnr. 7 unter Hinweis auf den Vorrang der Strafbarkeit wegen Tuns; Münchener Kommentar, StGB, (Freund), § 13 Rdnr. 8 f.).
2) Aber auch nach der ständigen Rechtssprechung, die Tun und Unterlassen im Rahmen einer normativen Betrachtungsweise nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit voneinander abgrenzt (vgl. BGHSt 6, 46 ff. [59]; BGH NStZ 1999, 607), liegt hier eine Tatbegehung durch aktives Tun vor. Zwar war der Angeklagte ... vorliegend geleitet von dem grundsätzlichen Bestreben, die Weiterernährung der Frau ... zu unterlassen, indem die künstliche Ernährung abrupt und die Versorgung mit Flüssigkeit binnen 3 Tagen bis auf Null ausgeschlichen werden sollte. Dies umfasste allerdings nur das durch die Angeklagte ... in Person vorgenommene Verhalten vom Nachmittag des 20.12.2007 bis zum Zeitpunkt vor der Schlauchdurchtrennung am Nachmittag des 21.12.2007. Der Eingriff in die „Apparatur“ PEG-Sonde durch Kappen des Versorgungsschlauches unmittelbar oberhalb der Bauchdecke stellt aber bereits nach seinem sozialen Handlungssinn nicht ein bloßes Unterlassen der Weiterbehandlung dar. Es ging hier vielmehr um aktive Vereitelung weiterer Gegenmaßnahmen durch das Pflegeheim, die sich auch nach der Kenntnis des Angeklagten ... in Form des Anhängens einer neuen Ration Flüssignahrung an die PEG-Sonde der Frau ... unmittelbar anschließen sollten, also um ein Eingreifen in ein Handeln Dritter, das zwingend als aktives Tun zu bewerten ist (vgl. Leipziger Kommentar, StGB, (Weigend), 12. Auflage, § 13 Rdnr. 8 im Kontext mit Rettungsbemühungen Dritter). Nach allen zu dieser Frage vertretenen Theorien lag der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Handelns auf einem aktiven Tun und nicht einem Unterlassen.
3) Zwar handelt es sich vorliegend nicht um eine versuchte Tötung durch alternative lebensbeendigende Maßnahmen außerhalb der Unterbrechung der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr ähnlich der Fälle des - hier nicht einschlägigen - Anstoßens eines überholenden Kausalverlaufs. Allerdings liegt in dem Durchtrennen des Versorgungsschlauchs ein wesentlicher Eingriff in einen bestehenden, angelegten Kausalverlauf durch aktive Vereitelung unmittelbar bevorstehender lebenserhaltender Maßnahmen. Die Qualifizierung einer Tathandlung als Tun oder Unterlassen, mithin als aktiv oder passiv, kann also nicht danach differenziert werden, ob gänzlich neue Kausalverlaufe angestoßen oder in bestehende wesentlich eingegriffen wird.
4) Der hiesige Sachverhalt lässt sich auch nicht mit den Konstellationen vergleichen, in denen bei einem nicht mehr zu rettenden sterbenden Patienten im Einvernehmen aller Beteiligter durch den Arzt ein Beatmungsgerät abgeschaltet wird. Soweit dort in der Sache nach ein Unterlassen der Weiterbehandlung angenommen wird, handelt es sich letztlich um einen (notwendigen) Kunstgriff, um eine nicht hinnehmbare Strafbarkeit nach §§ 212 Abs. 1 bzw. 216 StGB auszuschließen (vgl. Fischer, StGB, 56. Auflage, Vor § 211 Rdnr. 20). Vorliegend bedarf es dieser Konstruktion aber gerade nicht, da tragbare Ergebnisse im Rahmen der zulässigen passiven Sterbehilfe bzw. Hilfe zum Sterben zu erzielen sind. Soweit diese passive Hilfe zum Sterben von Dritten - wie hier den Verantwortlichen des Pflegeheims - vereitelt wird, ändert dies nichts an der Begehungsform, sondern gibt vielmehr Anlass zu einer genauen Prüfung der Frage, ob das Verhalten möglicherweise gerechtfertigt oder entschuldigt ist. Darüber hinaus ist der Sachverhalt hier auch deshalb anders gelagert, weil zum einen bei Frau ... der Sterbeprozess am 21.12.2007 noch nicht eingesetzt hatte und sich zum anderen die Leitung des Pflegeheims, in dem sich Frau ... befand, mit der Einstellung der Ernährung und Flüssigkeitszufuhr letztlich doch nicht einverstanden erklärte.
5) Schließlich ist auch unerheblich, ob während des Durchschneidens des Versorgungsschlauchs noch geringe Mengen an Wasser bzw. Tee durchliefen oder nicht. Denn dem Angeklagten ... war jedenfalls aufgrund der geführten Telefonate klar, dass weitere Flüssignahrung zeitnah verabreicht werden sollte. Soweit die Verteidigung auch in diesem Zusammenhang betont, es sei die Intention des Angeklagten gewesen, die angekündigte und unmittelbar bevorstehende erneute Zuführung von Flüssignahrung zu verhindern, ist dies zwar zutreffend, ändert aber nichts an der Begehungsweise, sondern untermauert gerade die Qualifikation des Handelns als aktives Tun und nicht als Unterlassen.
3. Der Angeklagte ... handelte auch rechtswidrig, weil alle denkbaren Rechtfertigungsgründe letztlich ausscheiden.
a) Zunächst kommt eine rechtfertigende mutmaßliche Einwilligung nicht in Betracht.
1) Eine solche rechtfertigende mutmaßliche Einwilligung der Frau ... in ihre eigene aktive Tötung ist nämlich unbeachtlich, da es insoweit an der Dispositionsbefugnis von Frau ... bezüglich des Rechtsguts Leben fehlt (BGHSt 4, 88 ff. [93]), was sich auch aus der Existenz des § 216 StGB ergibt. Das Leben stellt ein Rechtsgut von überragendem Range dar und bedarf daher besonders strengen Schutzes durch die Rechtsordnung. Dieser Schutz wird nur ganz ausnahmsweise gelockert, etwa im Rahmen der indirekten oder passiven Sterbehilfe.
2) Es liegt hier aber weder eine derartige (erlaubte) indirekte Sterbehilfe noch eine (erlaubte) passive Sterbehilfe vor. Beide Varianten der Sterbehilfe scheitern aus zwei Gründen: Zum einen ist das dem Angeklagten ... zurechenbare Handeln der Angeklagten ... weder passiv, wie im Rahmen der passiven Sterbehilfe erforderlich, noch geht es vorliegend - wie bei indirekter Sterbehilfe notwendig - um eine unbeabsichtigte, aber unvermeidbare bloße Nebenfolge des Tuns wie etwa bei schmerzlindernder, aber lebensverkürzender Medikation. Zum anderen hatte der Sterbevorgang bei Frau ... noch nicht eingesetzt. Sie hätte unter Umständen bei Fortsetzung der künstlichen Ernährung noch Monate weiterleben können, woran auch die Tatsache nichts ändert, dass Frau ... zum Zeitpunkt der Durchtrennung des Schlauchs seit etwa 24 Stunden keine Flüssignahrung mehr erhalten hatte.
3) Aber auch eine Hilfe zum Sterben, ein Behandlungsabbruch, wenn wie hier der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat, der Todesseintritt also nicht nahe bevorstand, scheitert daran, das es nicht um einen Behandlungsabbruch im Sinne eines passiven Geschehenlassens, sondern eben um aktives Tun ging. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Frau ... wirksam in eine Einstellung ihrer Ernährung einwilligen konnte. Soweit davon mittelbar auch ein aktives Tun, das Durchtrennen des Schlauchs, mit umfasst sein könnte als Zwischenziel zur Erreichung der dauerhaften endgültigen Einstellung der Ernährung, scheitert diese rechtliche Konstruktion wiederum an dem Verbot der Einwilligung des Betroffenen in seine Tötung durch aktives Handeln Dritter, das anderenfalls umgangen würde. Eine andere Beurteilung führte im Übrigen auch zu erheblicher Rechtsunsicherheit und damit zu einer gefährlichen Relativierung des Lebensschutzes und könnte als Einfallstor für bedenkliche Tendenzen im Sinne noch drastischerer Eingriffe im Rahmen lebensbeendigender Maßnahmen dienen.
b) Die Tat ist auch nicht durch Nothilfe gem. § 32 StGB gerechtfertigt.
1) So ist bereits fraglich, ob überhaupt eine Notwehrlage gegeben ist.
(a) Zwar liegt ein Angriff Seitens der Verantwortlichen des Pflegeheims vor. Bei der Beibehaltung der PEG-Sonde und der mit ihrer Hilfe ermöglichten und unmittelbar bevorstehenden künstlichen Ernährung handelt es sich nämlich um einen fortdauernden Eingriff in die körperliche Integrität der Patientin (vgl. BGH NJW 2003, 1588 ff. [1589]; Hufen, NJW 2001, 849 ff, [853]) und damit nach Auffassung der Kammer auch um eine vorsätzliche Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB, woran auch die Tatsache nichts ändert, dass ein Einstellen der künstlichen Ernährung zwangsläufig zum Tode der Patientin führen würde (vgl. BGH NJW 2005, 2385). Zwar war bei Frau ... eine PEG-Sonde bereits gelegt worden, über die seit langer Zeit Flüssignahrung sowie Tee und Wasser verabreicht wurden. Gleichwohl sieht die Kammer in der Fortdauer der künstlichen Ernährung eine für die Annahme des objektiven Tatbestands des § 223 Abs. 1 StGB erforderliche nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung. Die Erheblichkeitsschwelle war vorliegend deshalb überschritten, weil der bedauernswerte Gesundheitszustand der Frau ... durch die Fortsetzung der künstlichen Ernährung dauerhaft aufrechterhalten worden wäre. Darüber hinaus erfüllt die Fortsetzung der künstlichen Ernährung durch die Verantwortlichen des Pflegeheims auch den objektiven Tatbestand der Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB.
(b) Bei der Fortführung der künstlichen Ernährung handelte es sich auch um einen gegenwärtigen Angriff. So wurde bereits am Vormittag des 21.12.2007 wieder die übliche hälftige Tagesration an Flüssigkeit durch die PEG-Sonde zugeführt, und zum Zeitpunkt der Durchtrennung des Versorgungsschlauchs am Nachmittag des 21.12.2007 stand die Anbringung von Flüssignahrung unmittelbar bevor.
(c) Problematisch erscheint hingegen, ob die Fortsetzung der künstlichen Ernährung am 21.12.2007 auch einen rechtswidrigen Angriff darstellte. In diesem Zusammenhang kam nämlich eine Reihe von Rechtfertigungsgründen in Betracht, welche das Verhalten der Verantwortlichen des Pflegeheims rechtfertigen konnten.
(1) Zunächst berechtigte der mit Frau ... geschlossene Heimvertrag die Verantwortlichen des Pflegeheims nicht, die künstliche Ernährung gegen den Willen von Frau ... bei fehlender ärztlicher Indikation (vgl. dazu unten unter (3)) fortzusetzen. Eine eigene Prüfungskompetenz stand ihnen nicht zu. Vielmehr waren sie darauf beschränkt, beim Vormundschaftsgericht eine Überprüfung des Betreuerhandelns mit dem Ziel aufsichtsrechtlicher Maßnahmen nach § 1908 i Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 1837 Abs. 1 bis 3 BGB anzuregen (vgl. BGH NJW 2005, 2385).
(2) Auch aus den Art. 1, 2 und 4 Grundgesetz lässt sich kein Rechtfertigungsgrund der Verantwortlichen des Heims bzw. ihrer Pflegekräfte ableiten, wonach die künstliche Ernährung fortgesetzt werden konnte. Zwar ist der Lebensschutz von grundsätzlicher Bedeutung, darf aber nicht gegen die Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht ausgespielt werden (vgl. BGH NJW 2005, 2385 f. [2386]; Hufen, NJW 2001, 849 [857]).
(3) Eine Rechtfertigung der Fortsetzung der künstlichen Ernährung kam vorliegend aber deshalb in Betracht, weil zumindest fraglich erschien, ob die Einwilligung in die Fortdauer der künstlichen Ernährung wirksam widerrufen wurde.
(aa) Zwar war vorliegend keine ärztliche Indikation für eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung mehr gegeben, was auch vom Hausarzt der Frau ..., dem Zeugen Dr. ..., am 17.12.2007 in der Pflegeakte dahingehend dokumentiert wurde, dass die Ernährung und Versorgung der Frau ... mit Flüssigkeit eingestellt werden sollte.
(bb) Seitens der Frau ... lag auch eine wirksame unmittelbare Einwilligung in den Behandlungsabbruch durch ihre mündliche Patientenverfügung vom September 2002 vor, so dass es auf eine mutmaßliche Einwilligung nicht ankam. Zunächst ergeben sich keine Bedenken daraus, dass die Einwilligung im September 2002 nicht schriftlich, sondern nur mündlich erfolgte. Zwar erweist sich eine verlässliche Dokumentation, beispielsweise in Schriftform, als nützlich; für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung ist sie nach geltender Rechtslage jedoch nicht zwingende Voraussetzung (vgl. Fischer, StGB, 56. Auflage, Vor § 211 Rdnr. 26). Darüber hinaus basiert die mündliche Patientenverfügung der Frau ... auf einer tragfähigen Grundlage. Es bestehen keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Aussage der Frau ... im September 2002. Diese stand im unmittelbaren Kontext zu einer schweren Erkrankung ihres Ehemannes. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie sich zu dieser Zeit mit der Situation ihres Mannes intensiv auseinandergesetzt hat und bei ihrer Äußerung - insbesondere aufgrund des Hinweises ihrer Tochter, der Angeklagten ... -, dessen Lage vor Augen hatte, die der ihren im Jahre 2007 ähnelte. Die Äußerung kann damit nicht als bloßer Ausdruck einer momentanen Stimmungslage angesehen werden. Der Sachverhalt war hier gerade anders gelagert als in der dem Urteil des Bundesgerichtshofs in seiner „Kemptener Entscheidung“ (BGH NJW 1995, 204 ff.) zugrunde liegenden Konstellation, in der die später nicht mehr ansprechbare Patientin lediglich eine Spontanäußerung anlässlich einer Fernsehdokumentation mehrere Jahre vor der dramatischen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes getätigt hatte. Diese tragfähige mündliche Patientenverfügung der ... steht im Übrigen auch im Einklang mit allgemeinen Kriterien, die zur Ermittlung eines individuellen hypothetischen Willens herangezogen werden: So war Frau ... im Dezember 2007 bei einer Körpergröße von 1,59 m bis auf 40 kg abgemagert und hatte eine Armamputation hinnehmen müssen. Darüber hinaus war die Wiederherstellung allgemeiner Vorstellung nach menschenwürdiger Lebensumstände aufgrund des zum damaligen Zeitpunkt im Dezember 2007 seit mehr als 5 Jahren bestehenden Wachkomas und ihres inzwischen leicht fortgeschrittenen Alters von 76 Jahren nicht mehr zu erwarten, auch wenn dies nicht zwingend heißt, dass die Ernährung allein aus diesem Grunde sofort einzustellen war. Diese tragfähige unmittelbare Einwilligung in den Behandlungsabbruch wurde den Verantwortlichen des Pflegeheims am 29.11.2007 auch mitgeteilt, indem die Zustimmung zur künstlichen Ernährung durch den Angeklagten ... im Namen der Angeklagten ... und ihres Bruders als Betreuer der Frau ... widerrufen wurde.
(cc) In der höchstrichterlichen Rechtssprechung ist allerdings umstritten, ob eine wirksame Einwilligung in einen Behandlungsabbruch der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung gemäß § 1904 BGB analog bedarf. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hält in der bereits zitierten „Kemptener Entscheidung“ eine solche Genehmigung aufgrund eines Erst-recht-Schlusses für erforderlich. Dies ergebe sich daraus, dass, wenn schon eine Einwilligung des Betreuers in für den Betroffenen besonders gefährliche Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen, so müsse dies um so mehr für Maßnahmen gelten, die eine ärztliche Behandlung beenden sollen und mit Sicherheit binnen kurzem zum Tode des Betroffenen führen. Der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hingegen geht in seinen im Vergleich zum Urteils des Strafsenats neueren Entscheidungen aus den Jahren 2003 und 2005 (BGH NJW 2003, 1588 ff.; 2005, 2385 ff.) nur dann von dem Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung aus, wenn kein Konsens zwischen Betreuer und behandelndem Arzt des Betroffenen vorliegt. Allein in einem solchen Konfliktfall sei die Kontrollzuständigkeit des Vormundschaftsgerichts eröffnet, was sich nicht aus einer analogen Anwendung des § 1904 BGB, sondern aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts ergebe. Wenn hingegen - wie hier - ein Konsens zwischen Betreuer und behandelndem Arzt bestehe, bedürfe es einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht.
Auf die Entscheidung dieses Streits kommt es vorliegend aber nicht an. Denn auch wenn man die neuere Zivilrechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde legt und davon ausgeht, dass eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung wegen eines Konsensfalls nicht erforderlich und damit die Fortsetzung der künstlichen Ernährung durch die Verantwortlichen des Pflegeheims rechtswidrig war, scheitert eine Rechtfertigung des Angeklagten ... durch Nothilfe aus anderen Gründen (dazu sogleich unter 2)).
In diesem Zusammenhang erlaubt sich die Kammer zunächst noch zwei Bemerkungen:
Zum einen scheint auf dem Gebiet des Behandlungsabbruchs de lege lata noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit zu herrschen, was sich insbesondere aufgrund der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme ergeben hat. Nach Auffassung der Kammer könnte, auch zur Vermeidung eines - hier nicht einschlägigen - Missbrauchs durch den Betreuer, ein Gericht als von Verfassungs wegen berufene Kontrollinstanz, namentlich das Vormundschaftsgericht, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiften, wenn es auf Antrag eines der Beteiligten, zu denen auch die Pflegeeinrichtung, in der sich der Betroffene befindet, gehören könnte, zu einer Entscheidung berufen wäre. Dies gilt um so mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass beispielsweise bei weniger schwerwiegenden Eingriffen wie etwa bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen durch Anbringung von Bettgittern eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich ist, wenn der Betroffene seinen Willen nicht mehr frei verantwortlich äußern kann, während vorliegend immerhin der elementare Grenzbereich zwischen Leben und Tod betroffen ist. Für eine obligatorische Kontrollzuständigkeit des Vormundschaftsgerichts in dem von der Kammer in Erwägung gezogenen Sinne bedürfte es allerdings entweder eines Tätigwerdens des Gesetzgebers oder aber zumindest einer einheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Im Ergebnis neigt die Kammer damit eher der Rechtsauffassung des Strafsenats des Bundsgerichtshofs zu, musste diese Streitfrage aber vorliegend mangels fehlender Erheblichkeit nicht entscheiden.
Zum anderen bemerkt die Kammer noch, dass im Ergebnis eine Strafbarkeit der von den Angeklagten kritisierten Verantwortlichen des Pflegeheims wegen der Fortsetzung der künstlichen Ernährung ausscheiden dürfte. Denn auch wenn man in Übereinstimmung mit der Zivilrechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgeht, dass der Behandlungsabbruch vorliegend keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte, mithin die Verantwortlichen des Pflegeheimes objektiv rechtswidrig handelten, hielten sie eine solche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gleichwohl für erforderlich, was die Vorsatzschuld ausschließt bzw. zumindest zu einem unvermeidbaren Verbotsirrtum führt, zumal auch der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seiner neuesten Entscheidung vom 08.06.2005 darauf hingewiesen hat, dass die strafrechtlichen Grenzen einer „Hilfe zum Sterben“ dem Senat selbst bislang nicht hinreichend geklärt erschienen (BGH NJW; 2005, 2385 ff. [2386]).
2) Jedenfalls scheitert eine Rechtfertigung des Angeklagten ... durch Nothilfe im Sinne des § 32 StGB aber aus folgendem Grund: Eine nach § 32 StGB gerechtfertigte Nothilfehandlung beschränkt sich auf die Beeinträchtigung von Rechtsgütern des Angreifers; eine Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter durch die Verteidigungshandlung ist hingegen nicht gerechtfertigt. Da § 32 StGB nämlich nur den Konflikt zwischen Verteidiger und rechtswidrig handelndem Angreifer regelt und dabei gerade mit Rücksicht auf diese spezifische Interessenlage besonders weitreichende Eingriffsbefugnisse schafft, verbietet es sich, die gleichzeitige Verletzung von Rechtsgütern Dritter oder der Allgemeinheit automatisch als mitgerechtfertigt zu behandeln (vgl. Münchener Kommentar, StGB, (Erb), § 32 Rdnr. 114). Vorliegend richtete sich aber die durch den Angeklagten ... inszenierte und von der Angeklagten ... durchgeführte Verteidigungshandlung nur mittelbar gegen die Bediensteten des Pflegeheims als Angreifer im Sinne des § 32 StGB, unmittelbar aber gegen Frau... als unbeteiligte Dritte, die gerade vor dem Angriff, nämlich der Fortsetzung der künstlichen Ernährung wider ihren Willen, geschützt werden sollte. Das dem Angeklagten ... zuzurechnende Kappen des Schlauchs durch die Angeklagte ... richtete sich also - jedenfalls im Rahmen des § 32 StGB - gegen den „falschen“ Beteiligten.
c) Auch eine Rechtfertigung des Angeklagten ... über den rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB scheidet aus.
1) Zwar ist insoweit zunächst unschädlich, dass sich die hier erforderliche Interessenkollision faktisch auf ein und dasselbe Gut, nämlich einerseits das Leben und andererseits die körperliche Integrität der Frau ... bezieht. An die Stelle der sonst üblichen Güterabwägung tritt in dieser Konstellation eine Chancen- und Risikoabwägung für das betroffene Rechtsgut. In dieser Konstellation kommt eine Rechtfertigung allerdings nur in Betracht, wenn nach einer Abwägung die mit der Rettungshandlung verbundenen Risiken geringer anzusiedeln sind als diejenigen Gefahren, denen das bedrohte Rechtsgut bei Unterlassen der Rettungshandlung ausgesetzt wäre (vgl. Leipziger Kommentar, StGB, (Zieschang), 12. Auflage, § 34 Rdnr. 59). Vorliegend hätte aber ein Unterlassen von weiteren Maßnahmen durch die Angeklagten lediglich zur Fortsetzung der künstlichen Ernährung der Frau ... und damit zu einer tatbestandsmäßigen Fortdauer einer vorsätzlichen Körperverletzung durch die Verantwortlichen des Pflegeheims geführt, während ein Kappen des Versorgungsschlauchs letztlich zur - wenn auch von Frau ... gewünschten - Tötung geführt hätte. Es fehlt damit ersichtlich am wesentlichen Überwiegen des geschützten Interesses, der körperlichen Integrität und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau ... vor dem beeinträchtigten, nämlich dem Leben. Es gilt vielmehr der Grundsatz der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens (vgl. Münchener Kommentar, StGB, (Erb) § 34 Rdnr. 114). Darüber hinaus ist in den Fällen, in denen sich die erforderliche Interessenkollision faktisch auf ein und dieselbe Person bezieht, wegen der Autonomie des betroffenen Rechtsgutsträgers dessen mutmaßliche Einwilligungshandlung erforderlich. Diese wäre hier aber unbeachtlich, da eine Einwilligung in eine aktive Tötung nicht möglich ist, was sich auch aus der Vorschrift des § 216 StGB ergibt. Ferner ist die Tötung im Rahmen des § 34 StGB keine erlaubte „Rettungshandlung“. Es verbietet sich in diesem rechtlichen Kontext, einen Menschen zu töten, um ihn zu „retten“.
2) Im Übrigen ist auch der Grad der den Rechtsgütern drohenden Gefahren im Rahmen des § 34 StGB abzuwägen (vgl. Leipziger Kommentar, StGB, (Zieschang), 12. Auflage, § 34 Rdnr. 60). Während die Beeinträchtigung des Lebens, also der Tod, ein Absolutum darstellt, wenn man das Kappen des Schlauches auf der einen Seite in die Waagschale wirft, so führt die Fortsetzung der künstlichen Ernährung auf der anderen Seite zwar zu einer tatbestandsmäßigen Körperverletzung und zu einer Fortdauer des bedauerlichen Gesundheitszustands der Frau ... Andererseits ist, worauf auch der Zeuge Dr. ... hingewiesen hatte, nicht ersichtlich, dass Frau ... unter starken Schmerzen litt, zumal sie eine schmerzlindernde Medikation in Form von Morphinpflastern erhielt.
d) Schließlich scheidet auch eine analoge Anwendung der Rechtfertigungsgründe aus §§ 228, 229, 904 BGB, die sich im Wesentlichen auf die Beeinträchtigung von Sachen beziehen, aus, da insoweit aufgrund des Regelwerks der §§ 32 ff. StGB keine Regelungslücke besteht und im Übrigen eine Analogie zu einer Relativierung des Lebensschutzes führte, was sich aus Gründen der überragenden Stellung des Rechtsguts Leben und der Rechtssicherheit verbietet.
Im Ergebnis greifen Rechtfertigungsgründe zugunsten des Angeklagten ... nicht durch.
5. Der Angeklagte ... handelte auch schuldhaft.
a) Zunächst kam ein entschuldigender Notstand gemäß § 35 StGB nicht in Betracht.
1) Zwar lag eine gegenwärtige Gefahr für die körperliche Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Frau ... durch die Fortsetzung der künstlichen Ernährung durch die Verantwortlichen des Pflegeheims vor.
2) Diese Gefahr war für den Angeklagten ... jedoch anders abwendbar. Unter dem vom Gesetzgeber verwendeten Terminus der nicht anders abwendbaren Gefahr ist die Erforderlichkeit der Tat gemeint, so dass die Tat also zum einen erfolgsgeeignet und zum anderen das relativ mildeste Mittel zur Erfolgserreichung darstellen muss.
(a) Zwar war die Durchtrennung des Schlauchs das relativ mildeste Mittel, weil gleichwirksame Alternativen nicht bestanden. Zwar wäre es möglich gewesen, Frau ... in ein anderes Heim zu verbringen, in welchem die Bediensteten mit einem Behandlungsabbruch einverstanden gewesen wären. Darüber hinaus hätte der Angeklagte eine einstweilige Verfügung auf dem Zivilrechtsweg erwirken und ein Zivilhauptsacheverfahren anstrengen können. Diese anderweitigen Möglichkeiten waren dem Angeklagten auch bewusst. Allerdings erweisen sich die dargestellten anderen Möglichkeiten nicht als gleich effektiv. Denn sowohl bei einer Verlegung in ein anderes Heim als auch bei der Beschreitung des Rechtsweges wäre es aller Voraussicht nach zu einer zeitlichen Verzögerung gekommen, zumal die Angeklagten die Nachricht, dass das Pflegeheim nun doch die künstliche Ernährung fortsetzen würde, an einem Freitagnachmittag kurz vor Weihnachten erhielten. Insbesondere im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wäre es durchaus in Betracht gekommen, dass eine einstweilige Verfügung zum Zwecke der Durchsetzung des Behandlungsabbruchs zunächst zurückgewiesen worden wäre, damit im einstweiligen Rechtsschutz keine irreversiblen Fakten geschaffen worden wären. Eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr, nämlich die Fortsetzung der künstlichen Ernährung der Frau ..., war demnach durch die Beschreitung des Rechtsweges oder die Verlegung der Frau ... in ein anderes Heim nicht möglich.
(b) Die Schlauchdurchtrennung war aber nicht geeignetes Mittel zur „Rettung“ von Frau ... Die Tötung des zu Schützenden kann nämlich kein Ziel einer Gefahrenabwehr im Sinne des § 35 StGB sein, auch wenn das Selbstbestimmungsrecht der Frau... und damit letztlich ihr würdevoller Tod durchgesetzt werden sollte.
3) Sieht man dies anders, scheitert § 35 StGB jedenfalls daran, dass die Gefahr, nämlich die Fortdauer der künstlichen Ernährung, nach den Umständen von der in Gefahr befindlichen Person, Frau..., gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 HS 1 StGB hinzunehmen war. Dies ergibt sich aus der Disproportionalität zwischen der drohenden Einbuße im Falle einer Fortdauer der künstlichen Ernährung, mithin einer vorsätzlichen Körperverletzung einerseits und den Folgen der Tat, nämlich dem durch das Abstellen der Nahrungszufuhr zu erwartenden Tod andererseits. Es handelt sich hierbei also um ein besonders krasses Missverhältnis zwischen drohender Einbuße und Folgen der Tat, das eine Entschuldigung ausschließt (vgl. Leipziger Kommentar, StGB, (Zieschang), 12. Auflage, § 35 Rdnr. 62). An diesem Grundsatz ändert sich auch nichts dadurch, dass Frau ... nach ihrem Willen gerade sterben wollte. Denn nach der Entscheidung des Gesetzgebers hat sie kein Recht, ihre eigene Tötung durch aktives Tun Dritter zu verlangen, was sich aus der Existenz des § 216 StGB ergibt. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Frau ... unter besonderen Schmerzen litt, konnte ihr zugemutet werden, dass statt verbotener Selbsthilfe durch das Durchtrennen des Versorgungsschlauchs hier etwa der Rechtsweg beschriften würde, um gerichtlich einen Behandlungsabbruch durchzusetzen. Diese Sach- und Rechtslage war auch dem Angeklagten ... vollumfänglich bekannt. Auch war eine besondere Eilbedürftigkeit am 21.12.2007 nicht gegeben, zumal Frau ... schon seit vielen Jahren im Wachkoma lag und hier die Besonderheit bestand, dass die von den Verantwortlichen des Pflegeheims durchgeführte tatbestandsmäßige Körperverletzung, die Fortsetzung der künstlichen Ernährung, eine lebenserhaltende Maßnahme darstellte. Der Angeklagte ... hat in diesem Zusammenhang in der Hauptverhandlung selbst ausgeführt, es komme bezüglich des Beginns des Behandlungsabbruchs nicht auf eine Woche mehr oder weniger an. Der gesamte Prozess werde langsam vorbereitet, wobei eine Einbindung und ein Einverständnis der Pflegekräfte gerade erstrebt sei. Als Argument hierfür hat der Angeklagte ... angeführt, dass es der Patientin sicherlich auch nicht recht gewesen wäre, wenn Pflegekräfte mit Gewissensbissen hätten agieren müssen. In diesem Zusammenhang ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Zwar handelte es sich bei dem bedrohten Rechtsgut vorliegend durchaus um die körperliche Integrität der Frau ...; im Wesentlichen ging es aber um die Durchsetzung ihres Selbstbestimmungsrechts mit dem Ziel, ein würdevolles Sterben zu erreichen. In seiner Anweisung, den Ernährungsschlauch durchzuschneiden, hat der Angeklagte ... nach Auffassung der Kammer - jedenfalls wenn man auf den Durchtrennungsakt als solchen isoliert abstellt - Frau ... aber gerade nicht zu einem würdevollen Sterben verholfen, sondern das Gegenteil bewirkt. In diesem Kontext ist auch die Äußerung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, Frau ... habe sich am 21.12.2007 bereits „mitten im Sterbeprozess“ befunden, so dass es ärztlich, moralisch und ethisch unvertretbar gewesen sei, in diesen Sterbeprozess einzugreifen, unzutreffend. Denn tatsächlich hatte der Behandlungsabbruch gerade erst am Nachmittag des 20.12.2007 begonnen, wobei Frau ... lediglich am Nachmittag des 20.12. und am Vormittag des 21.12.2007 keine Sondennahrung erhalten hatte, während am Nachmittag des 20.12.2007 eine zwar nur reduzierte Menge an Flüssigkeit zugeführt wurde, am Vormittag des 21.12.2007 aber bereits wieder die gewöhnliche hälftige Flüssigkeitszufuhr vorgenommen wurde. Wie der Sachverständige Prof. Dr. ... in der Hauptverhandlung überzeugend dargelegt hat, führte die Einstellung der Ernährung für etwa 24 Stunden keineswegs dazu, dass der Sterbeprozess begonnen hätte. In medizinischer Hinsicht ist dies vom Verteidiger des Angeklagten in seinem Plädoyer und vom Angeklagten selbst in seinem Schlusswort auch nicht bezweifelt worden.
4) Eine andere Beurteilung der Rechtslage ergibt sich auch nicht daraus, dass den Angeklagten die Fortführung der künstlichen Ernährung von Frau ... durch die Verantwortlichen des Pflegeheims gegen den Willen der Angeklagten aufgezwungen wurde. Zwar haben die Verantwortlichen des Pflegeheims durch ihr Handeln eine Konfliktsituation herbeigeführt, ohne die eine Durchtrennung des Versorgungsschlauchs nicht erfolgt wäre. Dieser vom Verteidiger des Angeklagten ... als durch das Heim herbeigeführte „Dramatik der Situation“ umschriebene Konflikt darf aber nicht durch eine rechtswidrige Tat gelöst werden, sondern ist aufgrund des bereits Gesagten mit den Mitteln, die die Rechtsordnung zur Verfügung stellt, nämlich der Verlegung der Frau ... in ein anderes Heim oder eben durch die Beschreitung des Rechtswegs, zu lösen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Angeklagte ... bei der vorherigen Sachlage bis zum Kappen des Versorgungsschlauchs als Unterlassungstäter in Garantenstellung im Falle des Nichteingreifens des Pflegeheims, also bei Fortdauer des Behandlungsabbruchs, sofern man vom Erfordernis der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung absieht, bzw. dieses als erfüllt ansieht, wegen der Einwilligung von Frau ... in den Behandlungsabbruch gerechtfertigt gehandelt hätte. Dieser Umstand ist nämlich gerade typisch für Fälle der Sterbehilfe bzw. der Hilfe zum Sterben. Während die Zulässigkeit dort eine eng begrenzte Ausnahme darstellt, darf sie hier nicht ausgeweitet werden auf aktive Handlungen, um den Schutz des überragend wichtigen Rechtsgutes Leben nicht zu relativieren und die Vorschrift des § 216 StGB nicht zu umgehen.
5) Im Übrigen scheitert eine Entschuldigung des Angeklagten gemäß § 35 StGB daran, dass der Angeklagte keine der Frau... nahestehende Person ist. Hierfür wäre nämlich erforderlich, dass die Beziehung zu der nahestehenden Person dem Verhältnis unter Angehörigen vergleichbar ist (vgl. Leipziger Kommentar, StGB, (Zieschang), 12. Auflage, § 35 Rdnr. 35). Eine solche enge Beziehung mit persönlichem Charakter lag hier gerade nicht vor, weil zwischen dem Angeklagten und Frau ... lediglich ein Mandatsverhältnis bestand.
b) Auch ein übergesetzlicher entschuldigender Notstand gemäß § 35 StGB analog scheidet aus. Ein solcher kommt zwar grundsätzlich in Betracht, wenn - wie hier - aus verschiedenen Gründen eine Rechtfertigung gemäß §§ 32 und 34 StGB und eine Entschuldigung gemäß § 35 StGB ausscheiden (vgl. Leipziger Kommentar, StGB, (Rönnau), 12. Aufl., Vor § 32 Rdnr. 345). Erforderlich hierfür wäre aber eine besondere Zwangslage, aufgrund derer der Angeklagte einem psychischen Motivationsdruck ausgesetzt wäre, der die individuelle Vorwerfbarkeit derart stark herabsetzt, dass bereits eine Entschuldigung, in Betracht kommt. In diesem Zusammenhang wird gelegentlich das Beispiel bemüht, in dem ein Soldat seinen Kameraden, der im Krieg nach einem Bombenangriff erheblich verletzt wurde und qualvolle Schmerzen erleidet, auf dessen Flehen hin erschießt, um ihn von seinem Leiden zu erlösen. In dieser Konstellation geht es letztlich um eine Abwägung des nicht mehr vorhandenen Lebensinteresses des Soldaten mit seinem Interesse an der Befreiung von qualvollen Schmerzen (vgl. Leipziger Kommentar, StGB, (Rönnau), 12. Aufl., Vor § 32 Rdnr. 354). Ein solcher für die Annahme eines übergesetzlichen entschuldigenden Notstands erforderliche Extremfall ist vorliegend aber nicht gegeben. Zwar befand sich Frau ... in einem durchaus bedauernswerten gesundheitlichen Allgemeinzustand. Allerdings ist nach den Ausführungen des Zeugen Dr. ... nicht ersichtlich, dass sie qualvolle Schmerzen erlitt.
c) Schließlich ist der Angeklagte ... auch nicht aufgrund eines unvermeidbaren Erlaubnisirrtums, eines indirekten Verbotsirrtums im Sinne des § 17 S. 1 StGB analog entschuldigt.
1) Zunächst nahm der Angeklagte vorliegend nicht irrig die tatsächlichen Voraussetzungen von Notwehr bzw. rechtfertigendem Notstand an und unterlag damit keinem Erlaubnistatbestandsirrtum. Vielmehr verkannte er die Grenzen rechtlich anerkannter Rechtfertigungsgründe der Notwehr bzw. des rechtfertigenden Notstands. Er ging nämlich irrig davon aus, dass die eigenmächtige Weiterernährung der Frau ... durch die Verantwortlichen des Pflegeheims mittels aktiver Sterbehilfe verhindert werden durfte, dass man mithin einen Menschen töten dürfe, um einen Behandlungsabbruch durchzusetzen. Der Angeklagte ging letztlich davon aus, dass ein Fall strafloser, seiner Ansicht sogar gebotener, Selbsthilfe vorliege. Hierin ist ein Erlaubnisirrtum, ein indirekter Verbotsirrtum im Sinne des § 17 S. 1 StGB analog zu sehen.
2) Diesen Irrtum konnte der Angeklagte allerdings vermeiden. Denn er hätte das Unrecht der Tat bei der ihm zuzumutenden Anspannung seines Gewissens durch eigenes Nachdenken erkennen können. Die Erkennbarkeit richtet sich nach den individuellen Fähigkeiten des Täters, wobei besonders strenge Anforderungen bei einem Rechtskundigen zu stellen sind, da von ihm angenommen werden kann, dass er die Tragweite der gesetzlichen Vorschriften aufgrund seiner Berufsausbildung zu erkennen vermag (Münchener Kommentar, StGB, (Jöcks), § 17 Rdnr. 43). Vorliegend war der Angeklagte ... als Rechtsanwalt insbesondere auf dem Gebiet der Palliativmedizin rechtsberatend tätig, so dass er nach seinen intellektuellen Fähigkeiten auf jeden Fall in der Lage war, die Strafbarkeit seines Handelns, nämlich die Anweisung, den Versorgungsschlauch zu durchschneiden, zu erkennen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass er sich vor der Anweisung an die Angeklagte ... mit seiner Kollegin, der Zeugin Rechtsanwältin ..., die ihn in seinem Entschluss bekräftigte, beriet. Denn je gefahrenträchtiger der jeweilige Lebensbereich ist, desto zumutbarer wird der Einsatz aller Faktoren der Erkennbarkeit und desto strengere Maßstäbe sind an die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums zu stellen. Hier ging es gerade um einen besonders gefahrenträchtigen Lebensbereich, nämlich um das Leben der Frau ... Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang noch den besonderen Zeitdruck aufgrund des Ultimatums der Verantwortlichen des Pflegeheims betont hat, ändert dies nichts an der Vermeidbarkeit seines Irrtums. Im Gegenteil läuft seine Anweisung unter dem gegebenen Zeitdruck an die Angeklagte ..., den Versorgungsschlauch zu durchtrennen, dem Gebot anwaltlicher Vorsicht in eklatanter Weise zuwider.
V.
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer die Strafe dem Strafrahmen des minder schweren Falls des Totschlags gemäß § 213 Alt. 2 StGB entnommen und diesen gemäß §§ 22, 23 Abs. 1 und 2, 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB zweifach gemindert, weil kein vollendetes, sondern lediglich ein versuchtes Tötungsdelikt vorliegt und sich der Angeklagte darüber hinaus in einem vermeidbaren Verbotsirrtum befand. In concreto war damit ein - im Höchstmaß zugunsten des Angeklagten abgerundeter (vgl. Fischer, StGB, 56. Auflage, § 49 Rdnr. 4) - Strafrahmen von einem Monat bis fünf Jahre und sieben Monate Freiheitsstrafe eröffnet. Eine weitere fakultative Strafmilderung gemäß §§ 23 Abs. 3, 49 Abs. 2 StGB kam hingegen nicht in Betracht, da kein untauglicher Versuch vorliegt. Soweit die Verteidigung in ihrer Verteidigungsschrift von offenkundig fehlender Ursächlichkeit der Durchtrennung des Versorgungsschlauchs für den Tod von Frau ..., mithin von einem untauglichen Versuch ausgeht, wird verkannt, dass der Tod durch Beendigung der Ernährung zwar nicht sofort, aber doch in den nächsten Tagen eingetreten wäre, und dass der Angeklagte ... selbst davon ausging, dass von dritter Seite gerade keine neue PEG-Sonde angelegt werden würde.
Zunächst hat die Kammer einen sonst minder schweren Fall des Totschlags im Sinne des § 213 Alt. 2 StGB aus folgenden Erwägungen angenommen: So handelte der Angeklagte aus einer altruistischen Motivation heraus, da er Frau ... ein Sterben in Würde ermöglichen wollte, was im Ergebnis auch zulässig gewesen wäre, allerdings nur im Rahmen passiver Hilfe zum Sterben. Der Angeklagte wählte letztlich nur ein falsches, verbotenes Mittel, um den Tod bei der schwerstkranken Frau ... herbeizuführen. Ferner hat die Kammer auch gesehen, dass die Konfliktlage, die der Entscheidung des Angeklagten, den Versorgungsschlauch durch die Angeklagte ... durchtrennen zu lassen, zugrunde lag, nicht von ihm, sondern den Verantwortlichen des Pflegeheims herbeigeführt wurde, die gegen den Willen der Frau ... und entgegen ärztlicher Anweisung die künstliche Ernährung wieder aufnahmen. Letztlich handelte es sich vorliegend um einen Grenzfall zwischen erlaubter passiver Hilfe zum Sterben und verbotenem Totschlag, der freilich im Ergebnis gleichwohl als strafbar und strafwürdig zu bewerten war. Bereits aufgrund einer Gesamtschau dieser zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer vorliegend einen minder schweren Fall des Totschlags abgenommen. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer neben den bereits genannten Umständen noch zusätzlich zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist und den gesamten Sachverhalt von Anfang an eingeräumt hat. Nach Berücksichtigung all dieser mildernder Umstände hielt die Kammer die Verhängung einer im unteren Bereich des Strafrahmens anzusiedelnden moderaten Freiheitsstrafe von neun Monaten für tat- und schuldangemessen, insbesondere aber auch für ausreichend. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber - wie von der Staatsanwaltschaft in ihrem Antrag von zwei Jahren und sechs Monaten gefordert - kam nach Auffassung der Kammer sowohl in Ansehung der vorgenannten Umstände als auch unter Berücksichtigung des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB nicht in Betracht, da dem Angeklagten anderenfalls seine Zulassung als Rechtsanwalt entzogen worden wäre. Damit wäre aber seine berufliche Existenzgrundlage vernichtet worden, was aufgrund seines bislang rechtschaffenen Lebens eine unangemessene Härte dargestellt hätte.
Gemäß § 56 Abs. 1 StGB konnte die Vollstreckung der Freiheitsstrafe freilich zur Bewährung ausgesetzt werden. Es ist nämlich zu erwarten, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. In diesem Zusammenhang war nämlich zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bislang überhaupt noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.
VI.
Soweit der Angeklagten ... mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Fulda vom 31.07.2008 zur Last gelegt wird, aufgrund des bereits oben unter II. dargestellten Sachverhalts ebenfalls einen versuchten Totschlag zum Nachteil ihrer Mutter, der Frau ..., gem. §§ 212 Abs. 1, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB begangen zu haben, war sie aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
Zwar handelte auch die Angeklagte ... tatbestandsmäßig und rechtswidrig, wobei in vollem Umfang auf die bereits getätigten Ausführungen zur Strafbarkeit des Angeklagten ... verwiesen werden kann, da sich hierbei keinerlei Unterschiede in der rechtlichen Beurteilung ergeben. Eine Abweichung im Detail liegt lediglich im Rahmen des entschuldigenden Notstands gem. § 35 StGB vor, bei dem die Angeklagte... im Gegensatz zum Angeklagten ... als Tochter der Frau ... die Angehörigeneigenschaft im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziffer 1 a StGB erfüllt, aufgrund der bereits oben in diesem Zusammenhang getätigten weiteren Ausführungen, die wiederum vollumfänglich auch auf sie zutreffen, sie aber gleichwohl nicht im entschuldigenden Notstand handelte.
Im Gegensatz zum Angeklagten ... unterlag die Angeklagte ... allerdings einem unvermeidbaren Erlaubnisirrtum bzw. indirekten Verbotsirrtum gem. § 17 S. 1 StGB. Sie handelte damit ohne Schuld. Auch sie ging irrig davon aus, dass eine Weiterernährung ihrer Mutter durch aktive Sterbehilfe verhindert werden durfte, dass das Durchtrennen des Versorgungsschlauchs ein erlaubtes Mittel sei, um einen Behandlungsabbruch durch Schaffen von Fakten durchzusetzen. Diesen Irrtum konnte die Angeklagte ... im Gegensatz zum Angeklagten ... jedoch nicht vermeiden. Denn die Angeklagte ist ihrer Prüfungspflicht durch Nachdenken und Erkundigen als Mittel zur Erkenntnisgewinnung von der Rechtswidrigkeit ihres Handelns in ausreichendem Maße nachgekommen. Zwar gelten insbesondere dann strenge Maßstäbe, wenn ein besonders gefahrenträchtiger Lebensbereich, wie hier, wo es letztlich um Leben und Tod geht, tangiert ist. Allerdings hat die Angeklagte vorliegend den Rat eines Rechtskundigen, des Angeklagten ... eingeholt. Bei diesem handelte es sich auch um eine sachkundige Auskunftsperson, da er als Rechtsanwalt insbesondere auf dem Gebiet des Medizinrechts und dort wiederum im Bereich der Palliativmedizin ein erfahrener Jurist war. Der Angeklagte ... war bereits seit mehreren Monaten für die Angeklagte ... bzw. deren Mutter rechtsberatend tätig gewesen, so dass die Angeklagte zu ihm als Rechtsanwalt großes Vertrauen hatte. Vor allem ist auch zu berücksichtigen, dass die Angeklagte ... nicht von sich aus ein Durchschneiden des Versorgungsschlauchs ins Kalkül und den Angeklagten nach der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme gefragt hätte. Vielmehr gestaltete sich die Situation genau umgekehrt, da der Angeklagte ... als ihr Rechtsanwalt das Kappen des Schlauchs von sich aus anriet und dabei noch darauf hinwies, dass die Rechtslage gerade in strafrechtlicher Hinsicht sicher sei. Berücksichtigt man schließlich noch den Umstand, dass sich die Angeklagte zum einen wegen der beabsichtigten Begleitung ihrer Mutter beim Sterben und zum anderen aufgrund der Zuspitzung der Situation am Nachmittag des 21.12.2007, an dem die künstliche Ernährung der Frau ... absprachewidrig wieder aufgenommen werden sollte, und ihr zudem mit einem Hausverbot gedroht wurde, in einer besonderen seelischen Ausnahmesituation befand, so konnte die Angeklagte ... aufgrund einer Gesamtschau all der genannten Umstände ihren Irrtum nicht vermeiden.
Nach alledem war der Angeklagten ... ein Schuldvorwurf nicht zur Last zu legen, so dass sie aus rechtlichen Gründen freizusprechen war.
VII.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.
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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.
Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet.
Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.
Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Der Eigentümer kann Ersatz des ihm entstehenden Schadens verlangen.
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.
(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.