Finanzgericht Hamburg Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 V 251/16

bei uns veröffentlicht am07.06.2017

Tatbestand

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I.

Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Abgabenbescheids über Einfuhrumsatzsteuer.

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Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen die gesondert verfolgten A und B wurden am 16.02.2016 aufgrund richterlicher Anordnung die Kellerräume des vom Antragsteller betriebenen Hotels "C" in der X-Straße in ... D durchsucht. Hierbei wurden in einem Kellerraum insgesamt 275.560 Stück Zigaretten ohne deutsche Steuerzeichen aufgefunden und sichergestellt. Davon trugen 22.860 Zigaretten keine, 800 Zigaretten tschechische und 60 Zigaretten polnische Steuerzeichen. Die übrigen Zigaretten trugen ukrainische Steuerzeichen.

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Im Hinblick auf diese Zigaretten setzte der Antragsgegner mit Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom 14.09.2016 (XXX) Tabaksteuer in Höhe von 43.019,87 € fest. Da sie keine deutschen Steuerzeichen trügen, sei die Tabaksteuer nicht entrichtet. Die Tabaksteuer sei entweder durch Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz entstanden. Schuldner der Steuer sei der unbekannte Dritte, der den Steuerentstehungstatbestand verwirklicht habe. Der Antragsteller habe durch den Schlüssel, den er bei der Durchsuchung bei sich getragen habe, Zugang zu dem Kellerraum gehabt, in dem die Zigaretten aufgefunden worden seien. Außerdem seien dort Gegenstände, die für einen Hotelbetrieb nötig seien, sowie weitere geschäftliche und persönliche Unterlagen des Antragstellers gelagert gewesen. Der Antragsteller habe daher die Zigaretten zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten. Außerdem habe er hierdurch Steuerhehlerei begangen oder an einer solchen Tat teilgenommen, so dass er für die von einem unbekannten Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer hafte. Sofern weitere Steuer- oder Haftungsschuldner bekannt würden, werde der Antragsgegner das Auswahlermessen auch gegenüber diesen Personen ausüben.

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Für 274.700 Zigaretten - die sichergestellte Menge abzüglich der 860 Zigaretten mit tschechischen und polnischen Steuerzeichen - setzte der Antragsgegner auf derselben tatsächlichen Grundlage mit Abgabenbescheid über Einfuhrumsatzsteuer vom 14.09.2016 (YYY) Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 11.026,94 € fest. Der Antragsteller sei - neben der Person, die die Waren ins Steuergebiet verbracht habe - gemäß § 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich Zollkodex Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, weil er die Zigaretten erworben oder im Besitz gehabt habe, obwohl er zumindest hätte wissen müssen, dass sie vorschriftswidrig verbracht worden seien. Fremdbesitz reiche insoweit aus.

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Mit zwei im Übrigen gleichlautenden Schreiben vom 28.09.2016 legte der Antragsteller Einspruch gegen die Bescheide ein und beantragte jeweils die Aussetzung der Vollziehung. Er habe den Tatbestand des § 374 Abs. 1 AO nicht verwirklicht, weil er weder Einführer noch Verbringer oder Lieferant der Zigaretten sei. Er habe die Zigaretten nicht zum Weiterverkauf erworben oder zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten.

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Er sei Inhaber eines Hotels, das unter der Woche hauptsächlich von Monteuren besucht werde. Erst ab 18:00 Uhr kümmere er sich um seinen Hotelbetrieb. Tagsüber gehe er einer anderen Tätigkeit nach. Er habe an den vermutlichen Steuerschuldner, einen serbischen Staatsbürger, ein Zimmer vermietet und ihm auf seine Bitte eine kurzzeitige Unterstellmöglichkeit für seine Waren zur Verfügung gestellt. Dies habe er getan, weil dieser ihm aus einem finanziellen Engpass geholfen habe. Den Kellerraum nutze er - der Kläger - nicht täglich. Zwar habe er beim Betreten des Kellerraums gesehen, was der Serbe dort untergestellt habe, und ihm seien Bedenken gekommen. Er habe jedoch Angst vor dieser Person gehabt und darauf gehofft, dass er die Ware entfernen würde. Verfügungsgewalt über die Zigaretten habe er keine gehabt.

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Die Telefonüberwachung habe keinen revisionssicheren Beweis dafür erbracht, dass er - der Antragsteller - den gesondert verfolgten A nach der Hausdurchsuchung angerufen habe. Er sei auch bei der vorangegangenen Observation nicht in Erscheinung getreten.

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Mit Bescheid vom 10.11.2016 (RBL-1) lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer ab, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids auf der Grundlage der Feststellungen des Steuerstrafverfahrens, die sich der Antragsgegner zu eigen mache, nicht bestünden. Aufgrund der Menge, der verschiedenen Marken und der Auffindesituation der Zigaretten sei davon auszugehen, dass der Antragsteller sie zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten habe. Die hehlerische Handlung könne im Verschaffen, Absetzen oder der Absatzhilfe liegen. Hierzu gehöre auch das Zur-Verfügung-Stellen eines Zwischenlagers. Aufgrund der Gesamtumstände sei nicht feststellbar, ob der Antragsteller an der Einfuhr beteiligt gewesen sei bzw. auf welchem Transportweg die Zigaretten ins Steuergebiet gelangt seien. Gründe für eine Aussetzung der Vollziehung wegen einer unbilligen Härte seien nicht ersichtlich.

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Mit Bescheid vom 10.11.2016 (RBL-2) lehnte der Antragsgegner gemäß Art. 45 UZK auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abgabenbescheids über Einfuhrumsatzsteuer ab, weil begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids auf der Grundlage der Feststellungen des Steuerstrafverfahrens, die sich der Antragsgegner zu eigen mache, nicht bestünden. Weil er über die Schlüsselgewalt und die tatsächliche Sachherrschaft über den Inhalt des Kellerraums verfügt habe, sei er Besitzer der Zigaretten, die zuvor von Unbekannten in das EU-Zollgebiet verbracht worden seien. Als solcher sei er Steuerschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich ZK. Anhaltspunkte für einen unersetzbaren Schaden im Falle der Vollziehung des Bescheids seien nicht ersichtlich.

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Am 08.11.2016 hat der Antragsteller beim Finanzgericht E, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 08.12.2016 (...) an den erkennenden Senat verwiesen hat, die gerichtliche Aussetzung der beiden Bescheide beantragt. Er beruft sich auf seinen vorgerichtlichen Vortrag sowie den Vortrag vom 15.06.2016 gegenüber der Staatsanwaltschaft F im Verfahren .... In dem Wandsafe, der sich in dem Raum befinde, in dem die Zigaretten sichergestellt worden seien, bewahre er die an jedem Freitag vereinnahmten Übernachtungsentgelte auf. Die Menge der Zigaretten, für die Steuern gefordert würden, weiche von der Menge ab, die im Durchsuchungsprotokoll vermerkt sei.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer vom 14.09.2016 und des Steuerbescheids über Einfuhrumsatzsteuer vom 14.09.2016 auszusetzen.

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Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.

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Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag. Es treffe zu, dass die Anzahl der Zigaretten, die in den Bescheiden genannt seien, nicht identisch sei mit der im Sicherstellungsverzeichnis genannten Menge. In den Bescheiden habe man die Zigarettenmenge zugrunde gelegt, die ausweislich des Vermerks zum Mehr- bzw. Fehlmengen vom 01.03.2016 bei Einlieferung in der Nebenzollzahlstelle des HZA F festgestellt worden sei.

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Bei der Entscheidung haben die Einspruchshefte des Antragsgegners (RBL-Nr.-1 und -2) sowie die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft F vom 17.10.2016 (...) vorgelegen. Auf sie wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II.

Der gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer hat in der Sache keinen Erfolg. Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

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Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, Beschl. v. 26.08.2004, V B 243/03, juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschl. v. 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.04.2004, VI B 43/04, juris Rn. 11; Beschl. v. 20.05.1997, VIII B 108/96, juris Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.2004, IV S 7/04, juris Rn. 21). Gemäß § 69 Abs. 2 S. 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL, Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

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1. Gemessen an diesen Maßstäben ist der Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom 14.09.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen von § 71 AO sind voraussichtlich erfüllt. Danach haftet Derjenige, der eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern sowie für die Zinsen (§ 235 AO). Der Antragsteller hat überwiegend wahrscheinlich jedenfalls an einer Steuerhehlerei teilgenommen (dazu 1.1). Dass er im Hinblick auf manche der Zigaretten, für die Tabaksteuer geltend gemacht wird, auch voraussichtlich Steuerschuldner ist, steht seiner Inhaftungnahme nicht entgegen (dazu 1.2). Der Höhe nach ist der Bescheid nicht zu beanstanden (dazu 1.3). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (dazu 1.4).

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1.1 Der Antragsteller hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die am 16.02.2016 sichergestellten Zigaretten jedenfalls eine Beihilfe zur Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1 AO i. V. m. § 27 Abs. 1 StGB geleistet. Nach § 374 Abs. 1 AO wird als Steuerhehler bestraft, wer Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern hinterzogen worden sind, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Nach § 27 Abs. 1 StGB wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Diese Voraussetzungen sind voraussichtlich erfüllt.

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Eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat liegt überwiegend wahrscheinlich vor. Da die sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerbanderolen trugen, steht fest, dass diesbezüglich Tabaksteuern hinterzogen worden sind. Der als Haupttäter gesondert verfolgte A hat sich diese Zigaretten mit Bereicherungsabsicht verschafft. Ansonsten hätte er sie nicht beim Antragsteller einlagern können. Es kann dahinstehen, ob der A zugleich auch an diesen Zigaretten eine Steuerhinterziehung begangen hat. In diesem Fall würde die Steuerhehlerei lediglich auf Konkurrenzebene als mitbestrafte Nachtat hinter der Steuerhinterziehung zurücktreten (Beckemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 225. EL Nov. 2013, § 374 AO Rn. 71). Als rechtswidrige Haupttat, zu der Beihilfe geleistet werden kann, bliebe sie bestehen.

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Zu dieser Haupttat hat der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Beihilfe geleistet. Der Senat geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Antragsteller jedenfalls Lagermöglichkeiten zur Verfügung gestellt hat. Eine derartige Handlung kann zwar keine Tathandlung im Sinne von § 374 AO sein, kommt jedoch als Beihilfehandlung in Betracht (Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 51. EL Nov. 2014, § 374 AO Rn. 51, 73 m. w. N.). Eine physische Beihilfe liegt bei jeder Bewirkungshandlung vor, die der Verwirklichung der Haupttat dient (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 27 Rn. 10). Der Senat hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller dem mutmaßlichen Haupttäter A den Kellerraum leih- oder mietweise überlassen hat. Dies hat der Antragsteller selbst eingeräumt. Er habe sich hierzu überreden lassen, weil er dem A Geld schulde. Durch das Zurverfügungstellen eines auf den ersten Blick unverdächtigen Verstecks hat der Antragsteller die Steuerhehlerei des A unterstützt.

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Der Senat hält es auch für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller Vorsatz im Hinblick auf die Haupttat sowie seine Beihilfehandlung hatte. Während der Antragsteller bei der Staatsanwaltschaft F mit Schreiben vom 15.06.2016 (S. 4) noch angab, keine Kenntnis vom Inhalt der Kartons und der Müllsäcke, die der A in seinem Hotel eingelagert hatte, zu haben, räumt er in der Einspruchsbegründung vom 28.09.2016 (S. 2) ein, dass er beim Betreten des Kellerraums mitbekommen habe, was der serbische Gast dort abgestellt habe. Damit gibt er zu, Kenntnis von den unversteuerten und unverzollten Zigaretten erhalten zu haben. In Anbetracht der Menge der Zigaretten und ihres Lagerorts muss bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen werden, dass er somit wusste, dass der A mit unversteuerten und unverzollten Zigaretten Handel trieb und er durch das Bereitstellen eines Lagers diese Tätigkeit unterstützte.

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Da es für das Erfüllen des Tatbestands von § 71 AO ausreicht, dass der Antragsteller den Kellerraum in Kenntnis vom Inhalt der Ware zur Verfügung gestellt hat, kann dahinstehen, ob es der Antragsteller war, der den A über die Durchsuchung in seinem Hotel telefonisch informierte, und unter welchen Umständen er dem gesondert verfolgten B beim Abtransport der Kartons geholfen hat.

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1.2 Der Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner nach § 71 AO steht nicht entgegen, dass er jedenfalls für Tabaksteuer in Höhe von 135,78 €, die auf 800 Zigaretten "M-1" mit tschechischen Steuerbanderolen (126,05 €) und 60 Zigaretten "M-2" mit polnischen Steuerbanderolen (9,73 €) entfallen, zugleich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Steuerschuldner ist.

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1.2.1 Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller - neben den unbekannt gebliebenen Personen, die die Ware verbracht oder eingeführt haben - im Hinblick auf diese Zigaretten Steuerschuldner gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG ist. Danach ist - anders als bei der Einfuhr über einen Drittstaat, bei dem gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TabStG nur derjenige die Steuer schuldet, der an der Einfuhr beteiligt ist - im Falle der Verbringung der Schmuggelware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat Steuerschuldner auch derjenige, der die Tabakwaren in Besitz hält, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat.

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1.2.1.1 § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG ist vorliegend anwendbar, weil die Tabak-steuer gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 TabStG durch Verbringen der Ware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat und dem erstmaligen Inbesitzhalten zu gewerblichen Zwecken entstanden ist. Der Senat hält es nach Aktenlage nämlich für überwiegend wahrscheinlich, dass jedenfalls die 60 Zigaretten "M-2" mit polnischen Steuerbanderolen und die 800 Zigaretten "M-1" mit tschechischen Steuerbanderolen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, nämlich Polen bzw. Tschechien, ins Steuergebiet verbracht wurden. Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass diese Zigaretten die Steuerbanderolen dieser Länder tragen.

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1.2.1.2 Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller Besitzer bzw. Empfänger im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG ist.

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Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 11.11.2014 (VII R 44/11, ZfZ 2015, 108) zu § 19 S. 2 TabStG 1993 - der Vorgängervorschrift von § 23 Abs. 1 TabStG - entschieden, dass Empfänger der Tabakwaren auch derjenige sein kann, der sie vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt (Rn. 13 des Urteils). Zwar sei der Wortlaut von § 19 S. 2 TabStG 1993 insoweit mehrdeutig. Er müsse jedoch im Lichte von Art. 7 und 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass Empfänger auch diejenige Person sein könne, die nach dem eigentlichen Verbringungsvorgang Besitz an den Waren erlange.

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Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG an (siehe bereits FG Hamburg, Beschl. v. 18.11.2016, 4 V 142/16, EFG 2017, 182 = juris Rn. 23), weil zwischen dem Wortlaut dieser Norm und § 19 S. 2 TabStG 1993 keine wesentlichen Unterschiede bestehen (BR-Drs. 169/09 v. 20.02.2009, S. 144: "[§ 23] Absatz 1 entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung"; so auch Weidemann, ZfZ 2015, 111).

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Ein Besitzer im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG war auch der Antragsteller. Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, die von einem Besitzwillen getragen ist (BFH, Urt. v. 20.01.1998, VII R 57/97, juris, Rn. 12; Urt. v. 02.12.2003, VII R 17/03, juris Rn. 14 m. w. N.). Ausreichend ist der Mitbesitz (BFH, Urt. v. 06.10.1988, VII R 20/98, juris Rn. 16; FG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2003, 4 K 1963/02, juris Rn. 52; FG Bremen, Urt. v. 29.02.2016, 4 K 51/14, juris Rn. 38). Dieser setzt voraus, dass mehrere Personen eine bewegliche Sache in der Weise besitzen, dass jeder die ganze Sache besitzt und dabei durch den gleichen Besitz der anderen beschränkt ist (Palandt/Bassenge, 74. Aufl. 2015, § 866 BGB, Rn. 1). Zwar ist typischerweise der Hotelinhaber bei vermieteten Hotelzimmern nur mittelbare Besitzer (Zeising, ZMR 2009, 578, 580 [re. Sp.]). Vorliegend liegt jedoch eine atypische Situation vor. Der Antragsteller hat dem A nämlich kein Hotelzimmer vermietet, sondern einen Lagerraum lediglich zur Mitbenutzung überlassen. Nach seinem eigenen Vortrag hatte der A noch nicht einmal einen eigenen Schlüssel bei sich, sondern dieser wurde in einer Schublade im Hotel gelagert. Ferner hatte der Antragsteller einen Schlüssel zu diesem Lagerraum an seinem Schlüsselbund. Er benötigte auch unabhängig von dem A Zugang zu dem Raum, weil er dort Gegenstände gelagert hatte, die er zumindest wöchentlich benötigte. Außerdem befand sich dort ein Wandsafe, in dem er seine Einnahmen verwahrte. In einer solchen Situation, in der offen ein Schlüssel zurückgehalten und der Raum lediglich zur gleichberechtigten Mitbenutzung überlassenen wird, haben beide Zugangsberechtigte Mitbesitz an den dort lagernden Gegenständen (Zeising, ZMR 2009, 578, 580 [li. Sp.] unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 10.01.1979, VIII ZR 302/77, NJW 1979, 715 = juris Rn. 11).

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1.2.2 Der Umstand, dass der Antragsteller im Hinblick auf die genannten 860 Zigaretten auch Steuerschuldner ist, steht seiner Inhaftungnahme nach § 71 AO nicht entgegen. § 71 AO enthält nämlich kein negatives Tatbestandsmerkmal, nachdem der In Haftung Genommene kein Steuerschuldner sein darf. Der Senat hat hierzu im Beschluss vom 18.11.2016 (4 V 142/16, EFG 2017, 182, 183) ausgeführt:

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"Zwar bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des VII. Senats des Bundesfinanzhofs "haften" im Sinne der Abgabenordnung das Einstehen für eine fremde Schuld. Daher sei es ausgeschlossen, dass jemand für eine eigene Schuld hafte (BFH, Urt. v. 12.05.1970, VII R 34/68, BStBl II 1970, 606, BFHE 99, 178, 180 = juris Rn. 10, zu § 111 RAO; Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, BFHE 120, 329, 332 f. = juris Rn. 13 f., zu § 111 RAO; Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, BFHE 149, 505, 506 = juris Rn. 6; Urt. v. 14.12.1988, VII R 107/86, BFH/NV 1989, 549, 550 = juris Rn. 10; BFH, Beschl. v. 11.07.2001, VII R 29/99, HFR 2002, 277, juris Rn. 11; im Anschluss hieran BFH, Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, BFHE 212, 398, 404 = juris Rn. 27; a. A. noch BFH, Urt. v. 30.11.1951, II z 148/51 U, BFHE 56, 39, 42 = juris Rn. 11, zu § 111 AO). Zur Begründung der Exklusivität von Schuld und Haftung in der Abgabenordnung wird neben dem Postulat einer begrifflichen Unvereinbarkeit von Schuld und Haftung (BFH, Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, juris Rn. 6; Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, juris Rn. 27) darauf abgestellt, dass in § 97 Abs. 2 RAO die Vorschriften für die Steuerpflichtigen, die nach § 97 Abs. 1 RAO nur die Steuerschuldner waren, nur sinngemäß auf die Haftenden für anwendbar erklärt wurden und nach § 149 RAO ein Haftungsbescheid grundsätzlich nicht mehr ergehen durfte, wenn die Steuerschuld verjährt war. Hierin komme nicht nur zum Ausdruck, dass primär der Steuerschuldner herangezogen werden solle und dass die Haftung nur eine Hilfsfunktion ausübe, sondern auch, dass nur derjenige haften könne, der nicht selbst Steuerschuldner sei (BFH, Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13).

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Die überwiegende Literatur hat sich dieser Ansicht auch im Hinblick auf § 71 AO angeschlossen (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 233. EL Juni 2015, § 71 AO Rn. 4; Jatzke in Beermann/Gosch, AO/FGO, 124. EL, § 71 AO, Rn. 7; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7 vor § 69 AO Rn. 11; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 142. EL Okt. 2015, § 33 AO Rn. 5; Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 46 f.; a. A. Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 1990, S. 9, 96 m. w. N.). Für § 71 AO würde das Dogma der Exklusivität von Schuld und Haftung bedeuten, dass die Vorschrift um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal (so ausdrücklich Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) "und der Haftende kein Steuerschuldner ist" ergänzt werden müsse.

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Der Senat teilt diese Auffassung im Hinblick auf § 71 AO nicht. Die vom Bundesfinanzhof erstmals zu § 111 Abs. 1 RAO entwickelte Begründung für die Exklusivität von Schuld und Haftung ist unter der Geltung der heutigen Abgabenordnung nicht auf § 71 AO übertragbar. § 71 AO ist folglich nicht um ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal zu ergänzen. Weder begriffliche noch gesetzessystematische oder historische Argumente machen eine derartige Ergänzung des Wortlauts erforderlich. Die Genese von § 71 AO sowie ihrer Vorgängervorschriften sprechen vielmehr eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber bewusst auf dieses zusätzliche Merkmal verzichtet hat. Im Einzelnen:

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Zunächst ist es begrifflich keineswegs zwingend, dass sich Schuld und Haftung gegenseitig ausschließen. Die Wörter "Schuld" und "Haftung" allein legen dies gerade nicht nahe. Begrifflich schließen sie sich nur dann aus, wenn Schuld und Haftung als exklusive Rechtsinstitute definiert werden. Ebenso gut lässt sich Haftung auch als Eigenhaftung definieren (so ausdrücklich Mösbauer, a. a. O., S. 9 und S. 96; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 17). Die Abgabenordnung definiert den ihr zugrundeliegenden Haftungsbegriff nicht. § 191 Abs. 1 AO bestimmt lediglich den Begriff "Haftungsschuldner" als diejenige Person, die "kraft Gesetzes für eine Steuer haftet". Die Vorschrift verweist damit auf den Inhalt der Haftungstatbestände (§§ 69-76 AO), ohne diese inhaltlich näher zu konkretisieren. Im Übrigen verwendet die Abgabenordnung die Begriffe Schuld und Haftung nicht konsistent. Neben der genannten Legaldefinition des Haftungsschuldners als Haftender i. S. d. §§ 69 ff. AO spricht § 45 Abs. 2 S. 1 AO von der "Haftung" der Erben, meint aber deren bürgerlich-rechtliche Schuld. § 45 Abs. 2 S. 2 AO wiederum verweist mit den Vorschriften über eine "steuerrechtliche Haftung der Erben" wiederum auf die §§ 69 ff. AO.

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Darüber hinaus ist das vom Bundesfinanzhof zur Begründung für sein Postulat angeführte Verhältnis zwischen Steuerschuld und Haftung, das in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 RAO zum Ausdruck kam (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13), mittlerweile dogmatisch umgestaltet worden. In § 33 Abs. 1 AO werden Steuerschuldner und Haftende gleichberechtigt und -verpflichtet als Steuerpflichtige benannt. Sie werden damit abgabenrechtlich gleichgestellt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, vor § 69 AO Rn. 12; Olgemöller, Haftung für Zollschulden, ZfZ 2006, 74, 77 m. w. N.) und konsequenterweise in § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt.

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Selbst wenn mit dem Bundesfinanzhof (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13) die Akzessorietät und Subsidiarität der Haftung gegenüber der Steuerschuldnerschaft (§§ 191 Abs. 5 S. 1, § 219 S. 1 AO) Anhaltspunkte für eine vom Gesetzgeber gewollte Exklusivität von Schuld und Haftung wären, könnten sie - anders als bei § 111 RAO, auf den sich das genannte Urteil des Bundesfinanzhofs bezog - für die hier in Rede stehende Haftung nach § 71 AO nicht fruchtbar gemacht werden. Die Haftung des Steuerhehlers ist nämlich weder akzessorisch (§ 191 Abs. 5 S. 2 AO) noch subsidiär (§ 219 S. 2 AO).

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Weiter belegt die Entwicklung der Wortlaute der Vorgängervorschriften von § 71 AO, dass der Abgabenordnung für den hier in Rede stehenden Bereich der Steuerhaftung des deliktisch Handelnden nicht die ungeschriebene Vorstellung zugrunde lag, dass eine Person nicht auch für eine eigene Schuld haften könne. Im Einzelnen: Unmittelbarer Vorläufer von § 71 AO war der im Jahre 1929 in die RAO 1919 eingefügte § 92a AO (Art. VII Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes v. 22.12.1929, RGBl. 1929 I 234, 238), der unverändert als § 112 in die Reichsabgabenordnung 1931 RAO (RGBl. 1931 I 161, 177) übernommen wurde. Die Vorschrift enthielt in ihrer ursprünglichen Fassung die Voraussetzung, dass der Steuerhinterzieher oder Steuerhehler nur haftet, "soweit er nicht Steuerschuldner ist". Sie geht auf die Studie von Goetzeler (Die Steuerhinterziehung als Rechtsgrundlage für die steuerliche Pflicht des Hinterziehers, VJSchrStuFR 1928, 197) zurück, der die Steuerdeliktsobligation nicht als Steuerschuld-, sondern als Haftungstatbestand begriff (a. a. O., insbes. S. 241 ff., 259 ff.). Zweck der Vorschrift war es, den Steuerhinterzieher, der nicht bereits Steuerschuldner ist, neben dem Steuerschuldner in Anspruch nehmen zu können (Reinhardt, Haftung bei Steuerhinterziehung (§ 112 AO), DStZ 1936, 597, 597). Die Vorschrift des § 112 RAO ging also nach ihrem klaren Wortlaut von einer Exklusivität von Schuld und Haftung aus. Konsequenterweise verlangte der Reichsfinanzhof, dass für die Geltendmachung des Haftungsanspruchs aus § 112 RAO grundsätzlich die Feststellung erforderlich sei, dass der in Anspruch Genommene nicht Steuerschuldner sei (Urt. v. 25.01.1933, IV A 70/32, RFHE 32, 276).

38

In Reaktion auf dieses Urteil wurde § 112 RAO jedoch im Jahre 1934 dahingehend geändert, dass der in Anspruch Genommene haftet, "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" (Abschnitt II Nr. 10 des Steueranpassungsgesetzes v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925, 932). Der Gesetzgeber wollte die Finanzbehörden hierdurch von der Notwendigkeit entbinden, die Feststellung treffen zu müssen, dass der in Haftung Genommene nicht Steuerschuldner ist. Dieser Arbeitsaufwand sei fachlich nicht gerechtfertigt, weil es für den in Anspruch Genommenen unerheblich sei, ob er als Steuerschuldner oder Haftender verpflichtet werde (Reinhardt, a. a. O., 598). Für die Inhaftungnahme einer Person war es nach dieser Gesetzesänderung damit unschädlich, dass sie auch Steuerschuldnerin war. Die hierin zum Ausdruck kommende Koexistenz von Schuld und Haftung bei der Heranziehung des Steuerhinterziehers entsprach der seit 1931 vertretenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Reichsgerichts zu einer Vorgängervorschrift von § 92a bzw. 112 RAO, dem § 135 Vereins-Zollgesetz (VZG, Text bei Bax, Die Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 43). Nach § 135 S. 2 VZG musste der Steuerhehler die hinterzogenen Abgaben entrichten, und zwar unabhängig davon, ob er Steuerschuldner i. S. v. § 13 VZG war (RFH, Urt. v. 02.03.1931, IV A 217/31, RFHE 30, 227, 229 f.).

39

Aus der Änderung des Wortlauts von § 112 RAO im Jahr 1934 wurde in der Literatur zurecht gefolgert, dass damit das Postulat des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei, überholt sei (von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, RAO/FGO, 77. EL Juni 1974, Rn. 1; so i. E. auch noch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 1961, § 112 RAO; die Gesetzesänderung ignorierend dagegen: Kühn, Reichsabgabenordnung, 2. Aufl. 1950, § 112 Rn. 2). Auch der Bundesfinanzhof erwähnt die durch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs ausgelöste Änderung des § 112 RAO, erläutert jedoch nicht, warum die eindeutig gegen eine Exklusivität von Schuld und Haftung sprechende Formulierung ("auch wenn er nicht Steuerschuldner ist") "nur dem Scheine" nach auf der Vorstellung der Koexistenz von Schuld und Haftung beruhen solle (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 14).

40

Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte der heutigen Fassung von § 71 AO gegen die Exklusivität von Schuld und Haftung bei dieser Norm. § 112 RAO i. d. F. von 1934 blieb bis zur Ablösung durch § 71 AO unverändert. In den gleichlautenden Entwürfen der Abgabenordnung 1974 wurde - unter Erweiterung auf die Teilnehmer an der Steuerstraftat - dessen Inhalt in § 71 AO übernommen (BT-Drs. VI/1982, S. 29; 7/79, S. 30), wobei der Zusatz "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" weggelassen wurde. In der Begründung der Abgabenordnung 1974 heißt es lediglich: "Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 112 AO" (BT-Drs. VI/1982, S. 120). Die Auslassung des genannten Zusatzes wird in der Begründung nicht erwähnt. Dass der Entwurf von § 71 AO einerseits betont, dass die Vorschrift dem bisherigen § 112 RAO entspreche, die Auslassung des hier in Rede stehenden Einschubs dagegen nicht erwähnt, kann nur so verstanden werden, dass es sich hierbei um eine Änderung handeln sollte, die den materiellen Gehalt der Norm nicht verändert. Damit sollte das Verhältnis von Schuld und Haftung bei § 71 AO so beibehalten werden, wie es bereits in § 112 AO ausgestaltet war. Der Wortlaut von § 112 RAO i. d. F. von 1934, wonach der in Anspruch Genommene haftet, auch wenn er nicht Steuerschuldner ist, kann jedoch nur so verstanden werden, dass gerade keine Exklusivität von Schuld und Haftung besteht. Die Umformulierung des hier in Rede stehenden Einschubs war - wie dargelegt - gerade eine Reaktion auf die Forderung des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei.

41

Hätte man das Exklusivitätsdogma in § 71 AO positivieren und damit zur ursprünglichen Fassung von § 112 RAO zurückkehren wollen, hätte dies in der Gesetzesbegründung zur Abgabenordnung 1974 Anklang finden müssen. Dass dies gerade nicht gewollt war, ergibt sich aus einem Vergleich mit der Gesetzesbegründung zu § 70 AO. Dort wurde nämlich - in Ergänzung der Vorgängervorschrift des § 111 Abs. 1 RAO - aufgenommen, dass nur diejenigen Vertretenen haften könnten, "soweit sie nicht Steuerschuldner sind". Zur Begründung (BT-Drs. VI/1982, S. 119) wird ausdrücklich Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.05.1970 (VII R 34/68, BStBl. II 1970, 606), in der er für § 111 RAO - in Abkehr von einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 1951 (siehe oben) - gestützt auf § 97 Abs. 2 AO die Exklusivitätsthese von Schuld und Haftung aufgestellt hatte. Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber auf die dargelegte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reagiert hat. Dies erfolgte allerdings in Bezug auf die Vorschrift, zu der sich auch die Entscheidungen verhalten, nämlich § 111 RAO bzw. § 70 AO, nicht jedoch zu § 71 AO. "Kurios" (so Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7) ist der Umstand, dass § 70 AO sich - anders als § 111 RAO - mit dem Verhältnis von Schuld und Haftung auseinandersetzt, während § 71 AO dies - anders als § 112 RAO - nicht tut, nur dann, wenn man von einem ungeschriebenen Exklusivitätsdogma von Schuld und Haftung ausgeht. Löst man sich jedoch von diesem Vorverständnis, stellt sich die Neufassung von §§ 70 f. AO als planvolle Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.

42

Auch wenn der Befund zutreffen mag, dass sich nach der "Systematik der Abgabenordnung" (so Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) oder "dem Steuerrecht" (so Koch in AO 1977, 2. Aufl. 1979, § 71 Rn. 3; ähnlich Bax, a. a. O., S. 28 m. w. N.; siehe schon Arens, Zum Begriff der Haftung im geltenden Steuerrecht, VJSchrStuFR 1927, 567, 574 u. 647; Goetzeler, a. a. O., 236) Schuld und Haftung ausschließen, man also nur für eine fremde Schuld haften kann, handelt es sich hierbei nicht um ein Dogma, sondern einen Grundsatz, der sich aus der Analyse des einfachen Rechts ergeben hat. Dies impliziert, dass Durchbrechungen möglich sind (siehe bereits Goetzeler, a. a. O., 236). Die vorigen Ausführungen zeigen, dass im Falle von § 71 AO eine solche Ausnahme gemacht wurde. Sähe man dies anders, könnte der Zweck der Haftung - die Sicherung der Zahlung der Steuerschuld - nur noch schwer erreicht werden, wenn die Steuerbehörde - wie im vorliegenden Fall - bei Erlass des Bescheids nicht genau wissen kann, ob die Besitzerin der Zigaretten, die statt der unbekannten Schmuggler herangezogen werden soll, Steuerschuldnerin oder Haftende ist.

43

Die nach der hier vertretenen Lesart von § 71 AO gegenüber anderen Haftungsvorschriften vereinfachte Inanspruchnahme des Haftenden fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Vorschriften, die die Inanspruchnahme des Steuerhinterziehers gegenüber anderen Steuerpflichtigen erleichtern. Neben den bereits erwähnten §§ 191 Abs. 5 S. 2 und 219 S. 2 AO wird durch § 169 Abs. 1 S. 2 AO die Festsetzungsfrist für die hinterzogene Steuer auf zehn Jahre ausgedehnt. Die Sperrwirkung für die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden, die auf eine Außenprüfung zurückgehen, gilt nicht im Falle einer Steuerhinterziehung (§ 173 Abs. 2 AO). Außerdem ist mit § 235 AO eine Verzinsungspflicht für hinterzogene Steuern niedergelegt.

44

Schließlich findet sich auch an anderer Stelle im Steuerrecht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Exklusivität von Schuld und Haftung. In § 7 Abs. 8 S. 3 Versicherungsteuergesetz (BGBl. 1996 I 22) wird die Grenze zwischen Schuld und Haftung vollständig aufgehoben, indem der Haftende sowohl durch Steuer- als auch durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann. Die Frage, ob der Steuerschuldner auch als Haftender (durch Haftungsbescheid) in Anspruch genommen werden darf, kann vor diesem Hintergrund nicht kategorial beantwortet werden. Es ist vielmehr eine Frage der steuerpolitischen Wertung, wie weit die Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung reichen sollen und welcher begründungsmäßige Aufwand hierfür erforderlich ist. Die Antwort hierauf hat der Gesetzgeber über die Zeit unterschiedlich und nuanciert für verschiedene Haftungstatbestände gegeben."

45

An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.

46

1.3 Die Höhe der festgesetzten Tabaksteuer ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt, warum die Mengenangaben der einzelnen Zigarettensorten im Haftungsbescheid von denen im Sicherstellungsverzeichnis abweichen. Sie stimmen vielmehr mit denen überein, die beim Nachzählen der sichergestellten Zigaretten bei der Nebenzollzahlstelle des HZA F festgestellt wurden. Der Antragsteller ist dieser nachvollziehbaren Begründung nicht weiter entgegengetreten.

47

Für die Berechnung der Höhe der Tabaksteuer wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Anlage zum Haftungsbescheid (Bl. 23 der Akte) verwiesen.

48

1.4 Das dem Antragsgegner gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO eröffnete Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Entschließungs- und Auswahlermessen der Finanzbehörde im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat in der Weise vorgeprägt ist, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf. Nach dieser ständigen Rechtsprechung gilt die Vorprägung des Ermessens uneingeschränkt und ausnahmslos, so dass auch die Höhe des Haftungsanspruchs erfasst wird (BFH, Beschl. v. 14.02.2006, VII B 119/05, juris Rn. 8 m. w. N.). Vorliegend hat der Antragsgegner erkannt, dass ihm Ermessen zusteht und er dies entsprechend den genannten Grundsätzen ausüben darf.

49

2. Dafür, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung des Bescheids eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte droht, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

50

III.

Der gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids über Einfuhrumsatzsteuer hat in der Sache keinen Erfolg.

51

Die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrumsatzsteuerbescheids, auf den gemäß § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten, folgen auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK (hinsichtlich der Festsetzung von Zoll bereits FG Hamburg, Beschl. v. 12.04.2017, 4 V 16/17, S. 8 BA). Nach Art. 45 Abs. 2 UZK setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden. Sie ist jedoch auch von den Gerichten als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 FGO auf § 69 Abs. 2 S. 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse nämlich auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelungen überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zu Art. 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), vgl. Urt. v. 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 8. EL Sept. 2016, Art. 45 UZK Rn. 34).

52

Art. 45 UZK ist zeitlich anwendbar. Verfahrensrechtliche Vorschriften, zu denen auch Art. 45 UZK gehört, sind nämlich auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts anhängigen Rechtsstreitigkeiten anzuwenden (EuG, Urt. v. 10.05.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 35; EuG, Urt. v. 09.06.1998, T-10, 11/97, Rn. 18 f. [bestätigt durch EuGH, Urt. v. 09.12.1999, C-299/98]). Damit ist nach dem 01.05.2016 über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art. 45 UZK zu entscheiden, auch wenn bei Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer am 16.02.2016 - dem Tag der Sicherstellung - der UZK noch nicht in Kraft war (so bereits zur Anwendbarkeit von Art. 244 ZK: BFH, Beschl. v. 11.07.2000, VII B 41/00, BFH/NV 2000, 1512 = juris Rn. 9; s. a. FG Hamburg, Beschl. v. 12.04.2017, 4 V 16/17, S. 8 BA).

53

1. Gemessen an diesem Maßstab bestehen keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids über Einfuhrumsatzsteuer vom 14.09.2016.

54

1.1 Ermächtigungsgrundlage für die Geltendmachung der Einfuhrumsatzsteuer ist § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG i. V. m. Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a), 214 Abs. 2 und 215 Abs. 1 ZK. Nach § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß. Art. 202 ZK ist zeitlich anwendbar, weil es sich - genau wie bei Art. 79 UZK - um eine materiellrechtliche Vorschrift handelt. Derartige Normen sind grundsätzlich nur auf Sachverhalte anzuwenden, die sich während ihrer Gültigkeit zugetragen haben (EuGH, Urt. v. 12.11.1981 verb. Rs. 212-217/80, Rn. 9 f. - Salumi). Bei Entstehung der Steuer am 16.02.2016 galt noch der Zollkodex. Da die Art. 214 und 215 ZK den Art. 202 ZK ergänzen, teilen sie hinsichtlich der Anwendbarkeit dessen Schicksal.

55

1.2 Die Einfuhrumsatzsteuer ist gemäß Art. 202, 214 Abs. 2, 215 Abs. 1 ZK am 16.02.2016 in der Bundesrepublik Deutschland entstanden.

56

Nach Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a) ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das EU-Zollgebiet verbracht wird. Vorschriftswidrig ist jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Art. 38-41 ZK (Art. 202 Abs. 1 S. 2 ZK); Zu diesen Verpflichtungen gehört insbesondere die Gestellungspflicht (Art. 40 ZK). Die sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften ergibt, dass die Einfuhrumsatzsteuer mit der vorschriftswidrigen Verbringung ins Steuergebiet entsteht.

57

Da die sichergestellten Zigaretten überwiegend ukrainische Steuerbanderolen trugen, müssen sie sich vor der Sicherstellung außerhalb der Europäischen Union befunden haben und von dort ins Steuergebiet verbracht worden sein, ohne dass die Ware gestellt worden wäre. Dabei ist es für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer unerheblich, ob sie direkt aus einem Drittland oder über das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaats ins deutsche Steuergebiet gelangt sind. Durch den illegalen Transport durch einen anderen EU-Mitgliedstaat wären die Zigaretten nämlich nicht zu Waren des freien Verkehrs geworden.

58

Auch die insgesamt 22.860 Zigaretten ohne Steuerbanderolen wurden überwiegend wahrscheinlich nicht innerhalb der EU hergestellt. Bei den 10.600 Stück Zigaretten der Marke "M-3" weist der Markenname auf die weißrussische Herkunft. Vor diesem Hintergrund hält der Senat es auch für überwiegend wahrscheinlich dass die übrigen 12.260 Zigaretten der Marken "M-4", "M-5" und "M-6" ohne Steuerbanderole nicht in der Europäischen Union hergestellt worden, zumal "M-5" im Internet unter http://... (aufgerufen am 07.06.2017) als "Made in Belarus" angeboten werden.

59

Da der Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld nicht ermittelbar ist, ist der Zeitpunkt der Sicherstellung - hier der 16.02.2016 - für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage maßgeblich (Art. 214 Abs. 2 ZK).

60

Entstanden ist die Einfuhrumsatzsteuerschuld - mangels Bestimmbarkeit des Ortes der Zollschuldentstehung nach Art. 215 Abs. 1, 1. Anstrich ZK - an dem Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass eine Zollschuld entstanden ist (Art. 215 Abs. 1, 2. Anstrich ZK). Dies ist hier das vom Antragsteller betriebene Hotel.

61

1.3 Der Antragsteller ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Schuldner sind gemäß Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich ZK die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.

62

Wie oben (II.1.2.1.2) dargestellt, war der Antragsteller bei Sicherstellung Mitbesitzer der Zigaretten. Er hätte außerdem zumindest vernünftigerweise wissen müssen, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Steuergebiet verbracht worden sind. Es ist allgemein bekannt, dass ein Großteil des Kaufpreises für legal gehandelte Zigaretten auf die hierauf im Steuergebiet erhobenen Abgaben entfallen. Der Antragsteller hatte auch Kenntnis davon, dass die Zigaretten keine deutschen Steuerzeichen trugen. Selbst wenn er sie sich bei seinen Besuchen in dem Kellerraum nicht näher angeschaut haben sollte, muss ihm klar gewesen sein, dass die Lagerung von ca. 1.300 Stangen Zigaretten dort nur dann Sinn ergibt, wenn es sich um unversteuerte Zigaretten handelt.

63

1.4 Die Einfuhrumsatzsteuer ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Für die Bemessungsgrundlage wird zunächst auf den Zollwert zurückgegriffen (§ 11 Abs. 1 UStG). Hier hat der Antragsgegner einen Stückpreis von 3,50 ct gemäß Art. 31 Abs. 1 ZK zu Grunde gelegt. Hinzuzurechnen sind gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG die bei Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer entstandenen Zölle und Verbrauchsteuern, soweit Letztere unbedingt entstanden sind. Zu Recht hat der Antragsgegner für die Zwecke der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer die mit Bescheid vom 14.09.2016 festgesetzte Tabaksteuer um die Tabaksteuer ermäßigt, die auf die 860 Zigaretten mit polnischen oder tschechischen Steuerzeichen entfallen, da für diese Zigaretten keine Einfuhrumsatzsteuer geltend gemacht wird. Für die Einzelheiten wird auf die insoweit zutreffende Berechnung im Bescheid verwiesen.

64

2. Dafür, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung des Bescheids ein unersetzbarer Schaden droht, ist nichts vorgetragen oder aus der Akte ersichtlich.

65

IV.

Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsteller zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO).

66

Die Beschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 71 AO zuzulassen (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 V 251/16

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Abgabenordnung - AO 1977 | § 191 Haftungsbescheide, Duldungsbescheide


(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 128


(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu

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(1) Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldn

Abgabenordnung - AO 1977 | § 69 Haftung der Vertreter


Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt

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(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheide

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 97 Vorlage von Urkunden


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(1) Wenn die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftend

Abgabenordnung - AO 1977 | § 111 Amtshilfepflicht


(1) Alle Gerichte und Behörden haben die zur Durchführung der Besteuerung erforderliche Amtshilfe zu leisten. § 102 bleibt unberührt. (2) Amtshilfe liegt nicht vor, wenn 1. Behörden einander innerhalb eines bestehenden Weisungsverhältnisses Hilfe

Abgabenordnung - AO 1977 | § 112 Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe


(1) Eine Finanzbehörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie 1. aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann,2. aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienst

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Finanzgericht Hamburg Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 V 251/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 V 251/16 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 12. Apr. 2017 - 4 V 16/17

bei uns veröffentlicht am 12.04.2017

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung. 2 Die Antragstellerin importierte in den Jahren 2013 bis 2016 in 25 Fällen in Asien hergestellte Planen und me

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 18. Nov. 2016 - 4 V 142/16

bei uns veröffentlicht am 18.11.2016

Tatbestand I. 1 Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen. 2 Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den gesond

Bundesfinanzhof Urteil, 11. Nov. 2014 - VII R 44/11

bei uns veröffentlicht am 11.11.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 24. Mai 2011  4 K 30/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesfinanzhof Beschluss, 19. Apr. 2011 - VII B 234/10

bei uns veröffentlicht am 19.04.2011

Tatbestand 1 I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Dezember 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht Hamburg Beschluss, 07. Juni 2017 - 4 V 251/16.

Finanzgericht Hamburg Urteil, 13. Sept. 2018 - 4 K 121/17

bei uns veröffentlicht am 13.09.2018

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die Inhaftungnahme für Tabaksteuer. 2 Nach den polizeilichen Ermittlungen hätten am 26.05.2014 zwei Zeugen beobachtet, wie der gesondert verfolgte A auf einem näher bezeichneten Parkplatz an der Autobahna

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Juni 2018 - 4 V 280/17

bei uns veröffentlicht am 08.06.2018

Tatbestand I. 1 Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer. 2 Polizeibeamte fanden am 18.11.2016 bei der Durchsuchung eines vom Eigentümer nicht genutzten Wohnhauses in ... A (OT B

Bundesfinanzhof Beschluss, 24. Okt. 2017 - VII B 99/17

bei uns veröffentlicht am 24.10.2017

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 7. Juni 2017 4 V 251/16 insoweit aufgehoben, als die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich Tabaksteue

Referenzen

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.

(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.

(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.

(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.

(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Die Steuer entsteht vorbehaltlich des Satzes 2 zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr oder durch den unrechtmäßigen Eingang. Die Steuer entsteht nicht, wenn

1.
die Tabakwaren unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt werden,
2.
sich eine Steuerbefreiung anschließt oder
3.
die Einfuhrzollschuld nach Artikel 124 Absatz 1 Buchstabe e, f, g oder Buchstabe k des Unionszollkodex erlischt.

(2) Steuerschuldner ist

1.
jede Person nach Artikel 77 Absatz 3 des Unionszollkodex,
2.
jede andere Person, die an einem unrechtmäßigen Eingang beteiligt ist.
§ 15 Absatz 7 gilt entsprechend.

(3) Für das Erlöschen, in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 3, das Steuerverfahren und, wenn die Steuer nicht durch Verwendung von Steuerzeichen entrichtet wird, für die Fälligkeit, den Zahlungsaufschub sowie die Nacherhebung, den Erlass und die Erstattung, in anderen Fällen als nach den Artikeln 119 und 120 des Unionszollkodex gelten die Zollvorschriften sinngemäß. Abweichend von Satz 1 bleiben die §§ 163 und 227 der Abgabenordnung unberührt.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 finden für Tabakwaren in der Truppenverwendung, die zweckwidrig verwendet werden, die Vorschriften des Truppenzollgesetzes Anwendung.

(5) Für den Eingang von Tabakwaren aus einem der in Artikel 4 Absatz 2 der Systemrichtlinie aufgeführten Gebiete in das Steuergebiet sind die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union vorgesehenen Formalitäten für den Eingang von Waren in das Zollgebiet der Union entsprechend anzuwenden.

(6) Für den unrechtmäßigen Eingang gilt Artikel 87 des Unionszollkodex sinngemäß.

(7) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, in Bezug auf Absatz 3 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen und die Besteuerung abweichend von Absatz 3 zu regeln, soweit dies zur Sicherung des Steueraufkommens oder zur Anpassung an die Behandlung im Steuergebiet hergestellter Tabakwaren oder wegen der besonderen Verhältnisse bei der Einfuhr erforderlich ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 24. Mai 2011  4 K 30/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde mit rechtskräftigem Urteil wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In den Urteilsgründen führte das Strafgericht aus, der Kläger habe von einer Organisation, die unverzollte und unversteuerte Zigaretten geschmuggelt habe, mehrfach solche Zigaretten abgenommen, um sie weiterzuverkaufen. Mit Bescheid vom 28. Juli 2010 nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) den Kläger gesamtschuldnerisch mit drei weiteren Schuldnern wegen Tabaksteuer nebst Zinsen in Anspruch.

2

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Steueranspruch ergebe sich aus § 19 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) in der zur Tatzeit (Oktober 2008) geltenden Fassung. Im Streitfall seien Zigaretten ohne deutsche Steuerzeichen außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens zu gewerblichen Zwecken aus einem anderen Mitgliedstaat in das deutsche Steuergebiet verbracht worden. Nach den im Strafurteil getroffenen Feststellungen, die sich das Gericht zu eigen mache, habe der Kläger wiederholt unverzollte und unversteuerte Zigaretten von einer Gruppe Schmuggler in der Absicht bezogen, diese weiterzuverkaufen und davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Nachdem die Zigaretten in das Steuergebiet verbracht worden seien, habe der Kläger sie als Empfänger in Besitz genommen, so dass er nach § 19 Satz 2 TabStG Steuerschuldner geworden sei.

3

Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG (RL 92/12/EWG) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 76/1) seien als Steuerschuldner beim Verbringen oder Versenden einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware in das inländische Steuergebiet alle Personen anzusehen, die Herrschaft über die Ware erlangten. Somit komme auch ein weiterer Empfänger im Steuergebiet, z.B. ein Zwischenhändler oder ein Abnehmer, als Steuerschuldner in Betracht. Diese Auslegung stehe im Einklang mit der Festlegung der Zollschuldner in Art. 202 und 203 des Zollkodex. Empfänger i.S. des § 19 Satz 2 TabStG könne somit auch eine Person sein, die den Besitz an den Tabakwaren erst nach der Beendigung des Vorgangs des Verbringens bzw. Versendens erlange. Auf die Richtigkeit eines solchen Normverständnisses deute die Nachfolgevorschrift des § 19 TabStG, nämlich § 23 TabStG hin, nach der in Versandhandelsfällen neben dem Lieferer auch der Empfänger Steuerschuldner sei, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt habe. Der Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH), nach der Empfänger nicht mehr sein könne, wer den Besitz an den Tabakwaren erst nach Beendigung der genannten Vorgänge erlange (Urteil vom 2. Februar 2010  1 StR 635/09, Neue Zeitschrift für Strafrecht --NStZ-- 2010, 644), könne nicht gefolgt werden.

4

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, er habe die Zigaretten erst nach Beendigung des Verbringens über die Grenze erhalten. Die in § 19 Satz 2 TabStG festgelegte Steuerschuldnerschaft könne sich nicht auf Personen beziehen, die mit dem eigentlichen Einfuhrvorgang keinerlei Verbindung gehabt hätten. Nach der Rechtsprechung des BGH sei eine Beendigung anzunehmen, wenn die Tabakwaren in Sicherheit und "zur Ruhe gekommen" seien. Daher könne eine nachfolgende Besitzerlangung eine Steuerschuldnerschaft nach § 19 Satz 2 TabStG nicht mehr begründen. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c RL 92/12/EWG beziehe sich auf Fälle, in denen die Waren in einem anderen Mitgliedstaat bereits in Besitz genommen und danach in verschiedene Mitgliedstaaten "durchgereicht" worden seien.

5

Das HZA schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des FG an. Zwar habe der Kläger die Zigaretten erst nach Beendigung des Vorgangs des Verbringens in das Steuergebiet erlangt, doch hindere dies seine tabaksteuerrechtliche Inanspruchnahme nach § 19 TabStG nicht. Die richtlinienkonform auszulegende Vorschrift diene der Umsetzung des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 92/12/EWG. Nach der Änderung des TabStG werde der Tatbestand nunmehr von § 23 TabStG erfasst. Danach werde Steuerschuldner aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbrachter oder versandter Zigaretten, wer die Tabakwaren in Besitz halte, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt habe. Die Argumentation des BGH werde durch die Neufassung widerlegt. § 19 TabStG müsse dahingehend verstanden werden, dass jeder Besitzer der Tabakwaren nach deren Verbringung in das Steuergebiet Steuerschuldner der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) entstandenen Tabaksteuer werde.

6

Der erkennende Senat hat das Revisionsverfahren in analoger Anwendung des § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 92/12/EWG unbeschadet seines systematischen Zusammenhangs mit Art. 7 Abs. 3 RL 92/12/EWG einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführte verbrauchsteuerpflichtige Waren zu gewerblichen Zwecken in Besitz hält, nicht Steuerschuldner wird, wenn sie die Waren erst nach Beendigung des Vorgangs des Verbringens von einer anderen Person erworben hat (BFHE 240, 458, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2013, 138).

7

Auf diese Frage hat der EuGH mit Urteil vom 3. Juli 2014 C-165/13, ZfZ 2014, 253 Folgendes geantwortet:

8

"Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG... in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie 92/12 ist dahin auszulegen, dass diese Vorschrift es einem Mitgliedstaat erlaubt, eine Person, die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens im Steuergebiet dieses Staates zu gewerblichen Zwecken verbrauchsteuerpflichtige Waren in Besitz hält, die in einem anderen Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, als Schuldner der Verbrauchsteuer zu bestimmen, selbst wenn diese Person nicht die erste Besitzerin der Waren im Bestimmungsland gewesen ist."

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass der Kläger durch Inbesitznahme der entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbrachten Zigaretten nach § 19 Satz 2 TabStG Schuldner der Tabaksteuer geworden ist.

10

1. Werden Tabakwaren unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht oder versandt, entsteht die Steuer mit dem Verbringen oder Versenden in das Steuergebiet (§ 19 Satz 1 TabStG). Steuerschuldner ist, wer verbringt oder versendet, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat (§ 19 Satz 2 TabStG). Nach den Feststellungen des FG, gegen die die Revision keine Verfahrensrügen erhoben hat und die daher für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, sind die vom Kläger bezogenen Zigaretten außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens aus einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet verbracht worden. Zudem waren im Zeitpunkt des Überschreitens der Grenze an den Kleinverkaufspackungen keine deutschen Steuerzeichen angebracht, wie dies nach § 12 Abs. 1 TabStG erforderlich gewesen wäre. Außer Frage steht, dass die Zigaretten nicht dem ausschließlich privaten Konsum der an ihrem Verbringen Beteiligten dienen sollten. Vielmehr waren sie für den Weiterverkauf im Steuergebiet bestimmt. Für die zu gewerblichen Zwecken aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbrachten Zigaretten ist somit gemäß § 19 Satz 1 TabStG im Zeitpunkt ihres Grenzübertritts die Tabaksteuer entstanden.

11

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger --neben den am eigentlichen Vorgang des Verbringens beteiligten Personen-- nach § 19 Satz 2 TabStG Schuldner der im Steuergebiet entstandenen Tabaksteuer geworden, denn er ist als Empfänger der Zigaretten anzusehen, an denen er im Steuergebiet Besitz erlangt hat.

12

a) Eine Definition des Empfängerbegriffs ist den tabaksteuerrechtlichen Vorschriften nicht zu entnehmen. In seiner Entscheidung in NStZ 2010, 644 hat der BGH den Begriff des Empfängers dahingehend ausgelegt, dass eine Person nicht Empfänger sein kann, die den Besitz an den Tabakwaren erst erlangt hat, wenn der Verbringungs- bzw. Versendungsvorgang durch das "zur Ruhe kommen" der Zigaretten bereits beendet ist.

13

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der Begriff des Empfängers in einem weiteren Wortverständnis dahin zu deuten, dass Empfänger auch derjenige sein kann, der in das Steuergebiet geschmuggelte Tabakwaren, die nach der Beendigung des Vorgangs des Verbringens bzw. Versendens nach Deutschland in hierfür bestimmten Verstecken gelagert worden sind, vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt, d.h. von diesem in Empfang nimmt, um sie im Steuergebiet an andere Personen zu veräußern. Denn als Empfänger kann nach allgemeinem Sprachgebrauch jede Person verstanden werden, an die etwas Bestimmtes (Warensendung, Nachrichten, Signale etc.) gerichtet ist bzw. der etwas Bestimmtes übermittelt wird. Nach dem Verständnis des BGH wäre selbst der Adressat einer Postsendung nicht als Empfänger anzusehen, dem aus einem im Steuergebiet angelegten Lager unversteuerte Zigaretten zum Weiterverkauf oder zur Verteilung an Zwischenhändler geliefert werden. Für eine solche einschränkende Deutung lässt sich dem Begriff des Empfängers nichts entnehmen. Zudem ist bei der Auslegung des in § 19 Satz 2 TabStG verwendeten Empfängerbegriffs zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit den in § 19 TabStG getroffenen Regelungen die Umsetzung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen --insbesondere der Art. 7 und Art. 9 Abs. 1 RL 92/12/EWG-- beabsichtigte, so dass eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift geboten ist. Dem kann nicht --wie in der Literatur vertreten wird (Sackreuther/Allgayer, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht 2014, 235)-- entgegengehalten werden, § 19 TabStG sei nach seinem vermeintlich eindeutigen Wortlaut und der Systematik einer solchen richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich. Wie bereits dargelegt, lässt sich der Begriff des Empfängers unterschiedlich deuten. Lässt der Gesetzestext mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu und ist nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar, so ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 15. Februar 2012 XI R 24/09, BFHE 236, 267, BStBl II 2013, 712; vom 8. September 2010 XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661, und vom 29. Juni 2011 XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839). Dabei ist eine richtlinienkonforme Auslegung auch zulasten des Steuerpflichtigen möglich (EuGH-Urteil vom 5. Juli 2007 C-321/05, Kofoed, Slg. 2007, I-5795, m.w.N.; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 4 Rz 31).

14

b) In seiner Entscheidung hat der EuGH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf den Streitfall Art. 7 RL 92/12/EWG Anwendung findet und dass nach Art. 7 Abs. 3 RL 92/12/EWG die Verbrauchsteuer in dem Mitgliedstaat, in dem sich die betreffenden Waren befinden, u.a. von der Person oder dem Wirtschaftbeteiligten geschuldet werden, bei der oder bei dem sie bereitgestellt werden, so dass jeder Besitzer der Waren Schuldner der Verbrauchsteuer ist. Daraus folgt, dass nach den unionsrechtlichen Vorgaben von einer Steuerschuldnerschaft des Klägers auszugehen ist, denn bei ihm sind nach Auffassung des EuGH die Zigaretten nach Art. 7 Abs. 2 RL 92/12/EWG mit der Folge bereitgestellt worden, dass er an ihnen zu gewerblichen Zwecken Besitz erlangt hat. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Zigaretten nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 RL 92/12/EWG zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten werden.

15

c) Für den Fall, dass unversteuerte verbrauchsteuerpflichtige Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung vorgefunden werden, hat der EuGH entschieden, dass der Besitz der betreffenden Ware eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr i.S. des Art. 6 Abs. 1 RL 92/12/EWG darstellt (EuGH-Urteil vom 5. April 2001 C-325/99, van de Water, Slg. 2001, I-2729). Nach Auffassung des EuGH ist diese Vorschrift dahin auszulegen, dass der bloße Besitz einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware die Steuerschuldnerschaft begründet, wenn feststeht, dass die Ware noch nicht nach den geltenden gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften versteuert worden ist. Dieser Rechtsgedanke lässt sich auf Art. 7 und Art. 9 Abs. 1 RL 92/12/EWG übertragen. Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass eine in ihrem Steuergebiet vorgefundene und aus einem anderen Mitgliedstaat stammende verbrauchsteuerpflichtige Ware, für die die Steuer zwar entstanden, jedoch noch nicht entrichtet worden ist, nicht unversteuert bleibt. Wie der Senat bereits entschieden hat, geht es dem Unionsrecht bei der Bestimmung des (verbrauchsteuerrechtlichen) Abgabenschuldners darum, denjenigen in Anspruch nehmen zu können, in dessen unmittelbarer Obhut eine Ware sich befindet und der deshalb anhand objektiver Umstände relativ leicht ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden kann (Senatsurteil vom 10. Oktober 2007 VII R 49/06, BFHE 218, 469, ZfZ 2008, 85).

16

d) In Bezug auf Art. 7 und Art. 9 RL 92/12/EWG hat der EuGH geurteilt, dass eine Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmungen, mit der die Eigenschaft als Schuldner der Verbrauchsteuer auf den ersten Besitzer der Waren begrenzt würde, im Widerspruch zum Zweck der RL 92/12/EWG stünde, denn sie würde die Erhebung der mit dem Überschreiten einer Grenze der Union verbundenen Verbrauchsteuern unsicherer machen. Diese Argumentation ist auf die Auslegung des § 19 Satz 2 TabStG übertragbar. Aus den Ausführungen des EuGH lässt sich schließen, dass die Mitgliedstaaten keine nationale Regelung treffen dürfen, die es ausschließt, Personen als Schuldner der Verbrauchsteuer in Anspruch zu nehmen, die nicht die ersten Besitzer der Waren im Bestimmungsland gewesen sind (im Ergebnis so auch Rüsken in ZfZ 2014, 255, nach dem das EuGH-Urteil so zu verstehen sei, dass es das Unionsrecht gebiete, auch einen Zwischenhändler als Steuerschuldner anzusehen).

17

Zwar ist der vom EuGH gebildete Leitsatz in Bezug auf die Steuerschuldnerschaft von Personen, die nicht die ersten Besitzer der in das Bestimmungsland verbrachten Waren sind, offener formuliert als die entsprechenden Ausführungen in der Begründung des Urteils, doch entnimmt der erkennende Senat der Begründung eine hinreichende Antwort auf die Vorlagefrage in dem Sinne, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 19 Satz 2 TabStG geboten ist. Damit ist die Entscheidung des BGH in NStZ 2010, 644 zumindest aus verbrauchsteuerrechtlicher Sicht als überholt anzusehen. Anlass zur Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes besteht nicht.

18

Empfänger i.S. des § 19 Satz 2 TabStG kann demnach --wie im Streitfall-- auch eine Person sein, die erst nach der Beendigung des Vorgangs des Verbringens aus einem anderen Mitgliedstaat im Steuergebiet Besitz an nicht mit deutschen Steuerzeichen versehenen Zigaretten erlangt hat. Da sich dieses Auslegungsergebnis lediglich auf die tabaksteuerrechtlichen Folgen der vom Kläger vorgenommenen Handlungen bezieht, ist mit einer solchen Deutung keine Entscheidung darüber getroffen, ob § 19 TabStG im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) bzw. § 374 AO aus strafrechtlicher Sicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes genügt.

19

3. Da der Kläger durch die Übernahme der unversteuerten Zigaretten im Steuergebiet Besitz an ihnen erlangt hat, ist er als Empfänger der Zigaretten anzusehen. Infolgedessen ist er gemäß § 19 Satz 2 TabStG Schuldner der zuvor entstandenen Tabaksteuer geworden. Das HZA hat ihn somit zu Recht als Steuerschuldner in Anspruch genommen, so dass die Revision keinen Erfolg haben kann.

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen.

2

Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den gesondert verfolgten A kam der Verdacht auf, die Antragstellerin habe von diesem unversteuerte Zigaretten angekauft, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung, die sie mit ihrem Lebenspartner allein bewohnt, wurden am 16.12.2015 in einem Abstellraum drei Stangen (600 Stück) Zigaretten der Marke "B", eine Stange Zigaretten der Marke "C", jeweils ohne Steuerbanderole, sowie vier Stangen (800 Stück) Zigaretten der Marke "D" mit ukrainischer Banderole sichergestellt. Weitere 16 Stangen und drei Schachteln (3.260 Stück) Zigaretten der Marke "E" mit Duty-Free-Kennzeichnung und englischem Warnhinweis wurden im Wohnzimmerschrank aufgefunden.

3

Mit Haftungsbescheid über Tabaksteuer (Registrierkennzeichen: XXX-1) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner Tabaksteuer in Höhe von ... € im Hinblick auf die bei der Durchsuchung am 16.12.2015 sichergestellten 4.860 unversteuerten Zigaretten fest. Da an den sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerzeichen angebracht gewesen seien, sei die Tabaksteuer entweder durch Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz entstanden. Diese Zigaretten habe die Antragstellerin mit Bereicherungsabsicht bei dem gesondert verfolgten F angekauft. Hierdurch habe sie die Steuerstraftat der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei begangen. Daher hafte sie für die von dem unbekannten Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer. Da der Tabaksteuerschuldner nicht zu ermitteln sei, werde sie als Haftungsschuldnerin in voller Höhe in Anspruch genommen. Eine Verschonung als Haftende komme wegen des hohen Verschuldensgrades nicht in Betracht. Hinsichtlich des Entschließungsvermessens liege eine Ermessensreduzierung auf null vor. Das Auswahlermessen werde gegen weitere Haftungsschuldner ausgeübt werden, sofern diese bekannt werden würden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage sei der 16.12.2015 als der Tag, an dem die Steuerschuld festgestellt worden sei. Davon ausgehend werde für die Zigaretten der Mindeststeuersatz in Höhe von ... Cent pro Stück bzw. ... Cent pro Stück berechnet.

4

Mit Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen (Registrierkennzeichen: XXX-2) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner für die mit dem Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom selben Tag festgesetzten Betrag Hinterziehungszinsen in Höhe von ... € fest.

5

Mit Telefax vom 24.04.2016 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die beiden Bescheide ein und beantragte "Vollstreckungsaussetzung". Es sei nicht nachgewiesen, dass die Zigaretten unter Umgehung der Zollvorschriften nach Deutschland verbracht worden seien. Die Zigaretten seien legal erworben worden.

6

Mit Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides über Tabaksteuer ab. Es bestünden bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 361 Abs. 2 AO an der Haftung der Antragstellerin. Sie hafte nach § 71 AO für die verkürzte Tabaksteuer in festgesetzter Höhe, weil sie eine Steuerhehlerei nach § 374 AO begangen habe, indem sie sich die im Einzelnen bezeichneten Zigaretten verschafft habe, hinsichtlich derer Steuern hinterzogen worden seien. Die Tabaksteuer sei zuvor durch das Verbringen der unversteuerten Zigaretten bzw. durch deren Einfuhr entstanden. Es stehe fest, dass sich die Antragstellerin die bei ihr aufgefundenen Zigaretten verschafft habe. Sie habe auch spontan eingeräumt, die Zigaretten von Herrn F erworben zu haben. Nach den Ergebnissen der Telefonüberwachung sei die Antragstellerin auch als Kundin des illegalen Zigarettenhändlers A identifiziert worden. Einwände, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides weckten, habe die Antragstellerin nicht vorgebracht.

7

Mit gleichlautendem Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner auch die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids zu den Hinterziehungszinsen ab.

8

Mit Telefax vom 07.06.2016 hat die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie des Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen beantragt. Ihr werde rechtswidrig unterstellt, dass sie eingeräumt habe, die Zigaretten bei Herrn F gekauft zu haben. Sie habe sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen. Tatsächlich stammten die Zigaretten aus mehrfachen Besuchen ihrer Familie in Polen. Mit Herrn F habe sie schon lange keinen Kontakt mehr.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer vom 06.04.2016 und des Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen vom 06.04.2016 auszusetzen.

10

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

11

Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag.

12

Mit Urteil vom ... 2016 (.../...) hat das Amtsgericht G die Antragstellerin wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt; das Urteil ist nicht rechtskräftig.

13

Bei der Entscheidung haben die Einspruchshefte des Antragsgegners (RBL-Nr. ... und ...), die Ermittlungsakte des Zollfahndungsamtes H (StRL ...) sowie die Akte der Staatsanwaltschaft G (.../...) vorgelegen. Auf sie wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

14

Die gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässigen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.

15

Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

16

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, siehe nur Beschl. v. 26.08.2004, V B 243/03, juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschl. v. 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.04.2004, VI B 43/04, juris, Rn. 11; Beschl. v. 20.05.1997, VIII B 108/96, juris, Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.2004, IV S 7/04, juris, Rn. 21). Gemäß § 69 Abs. 2 S. 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; siehe Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL, Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

17

1. Gemessen an diesen Maßstäben ist der Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom 06.04.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen von § 71 AO sind voraussichtlich erfüllt. Danach haftet derjenige, der eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern sowie für die Zinsen (§ 235 AO). Die Antragstellerin dürfte den Tatbestand des § 374 AO erfüllt haben (dazu 1.1). Dass sie im Hinblick auf manche der Zigaretten, für die Tabaksteuer geltend gemacht wird, auch voraussichtlich Steuerschuldnerin ist, steht ihrer Inhaftungnahme nicht entgegen (dazu 1.2). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (dazu 1.3).

18

1.1 Die Antragstellerin hat sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die am 16.12.2015 in ihrem Wohnhaus sichergestellten 4.860 unversteuerten Zigaretten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1, Abs. 2 AO strafbar gemacht. Danach wird bestraft, wer Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern hinterzogen worden sind, gewerbsmäßig ankauft. Da die sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerbanderolen trugen, steht fest, dass diesbezüglich Tabaksteuer hinterzogen worden ist. Die Antragstellerin hat diese Zigaretten gewerbsmäßig angekauft. Dies hat das Amtsgericht G in seinem Urteil vom ... 2016 (.../...) festgestellt. Die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils macht sich der Senat zu Eigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urt. v. 10.01.1978, VII R 106/74, BFHE 124, 305, juris Rn. 12; Urt. v. 26.04.1988, VII R 124/85, BFHE 153, 463, juris Rn. 13; Beschl. v. 25.02.1992, VII B 125/91, BFH/NV 1993, 4, juris Rn. 14; Urt. v. 02.12.2003, VII R 17/03, juris Rn. 18; Beschl. v. 13.01.2005, VII B 261/04, BFH/NV 2005, 936, juris Rn. 8; Beschl. v. 29.01.2007, V B 160/06, V B 161V B 161/06, juris Rn. 10; Beschl. v. 02.07.2008, VII B 242/07, juris Rn. 8; Beschl. v. 30.07.2009, VIII B 214/07, juris Rn. 7; Beschl. vom 24.05.2013, VII B 155/12, juris Rn. 7; Beschl. v. 24.09.2013, XI B 75/12, juris Rn. 13) ist dies den Finanzgerichten erlaubt, wenn und soweit sie zu der Überzeugung gelangen, dass die strafgerichtlichen Feststellungen zutreffen, sie nicht substantiiert bestritten und keine entsprechenden Beweisanträge gestellt werden, die nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet bleiben können. Dies gilt auch für nicht rechtskräftige Urteile (Seer in Tipke/Kruse, 138. EL Okt. 2014, § 81 FGO Rn. 28 m. w. N.).

19

Nach Aktenlage ist der Senat davon überzeugt, dass das Urteil des AG G hinsichtlich des Ausspruchs, dass sich die Antragstellerin der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2, Abs. 1 AO) strafbar gemacht hat, zutreffend ist. Das Amtsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der Auswertung der vorliegenden TÜ-Protokolle die Antragstellerin bei dem gesondert verfolgten A in sieben näher bezeichneten Fällen unversteuerte und unverzollte Zigaretten der Marken "C", "B", "D" und "E" bestellt und erhalten habe. Die Überprüfung des Mobiltelefons, das die Antragstellerin bei der Hausdurchsuchung bei sich geführt habe, habe ergeben, dass die dort gespeicherten Telefonnummern diejenigen der gesondert verfolgten A und F gewesen seien. Auch wenn dieses Telefon auf ihre Tochter J registriert sei, sei es ausschließlich von der Antragstellerin genutzt worden. Hinsichtlich des Falles Nr. 8 stehe aufgrund der Anzahl der aufgefundenen Zigaretten fest, dass die Antragstellerin gewerbsmäßig gehandelt habe. Diese lebensnahen Feststellungen hat das Amtsgericht unter Einbeziehung der aussagekräftigen TÜ-Protokolle und der Vernehmung der für die Telefonüberwachung und die Hausdurchsuchung zuständigen Ermittlungsbeamten getroffen. In Anbetracht der insgesamt zwischen dem 03.03.2015 und dem 11.05.2015 angekauften 46.400 Zigaretten ist die Behauptung der Antragstellerin, dass die bei ihr sichergestellten Zigaretten für den Eigenbedarf erworben worden seien, auch dann nicht glaubhaft, wenn man davon ausgeht, dass sie und ihr Lebenspartner starke Raucher sind.

20

Die Antragstellerin hat diese Feststellungen nicht substantiiert bestritten und auch keine Beweisanträge gestellt. Ihr Vortrag beschränkt sich vielmehr auf die Behauptung, dass sie die sichergestellten Zigaretten bei mehreren, im Einzelnen nicht näher bezeichneten Familienbesuchen in Polen erworben und im Rahmen der zulässigen Freimengen ins Steuergebiet verbracht habe. Dieser Vortrag ist schon nicht hinreichend substantiiert, weil im Einzelnen nicht dargelegt ist, wann, wo und durch wen welche Zigaretten in Polen erworben wurden. Gegen die Glaubhaftigkeit dieses Vortrags spricht darüber hinaus, dass es sich bei den 16 Stangen und drei Schachteln Zigaretten der Marke E nach Auskunft des Herstellers um Fälschungen handelt und Zigaretten derselben Marke und derselben Chargennummer bei dem Lieferanten der Antragstellerin, dem gesondert verfolgten A, gefunden wurden (Bl. ... der Strafakte).

21

1.2 Der Inanspruchnahme der Antragstellerin als Haftungsschuldnerin nach § 71 AO steht nicht entgegen, dass sie im Hinblick auf die 16 Stangen und drei Schachteln (3.260 Stück) Zigaretten der Marke "E" mit Duty-Free-Kennzeichnung (im Folgenden: Duty-Free-Zigaretten), für die ... € Tabaksteuer angefallen sind, zugleich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Steuerschuldnerin ist.

22

1.2.1 Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin - neben den unbekannt gebliebenen Personen, die die Ware verbracht oder eingeführt haben - im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten Steuerschuldnerin gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG ist. Danach ist - anders als bei der Einfuhr über einen Drittstaat, bei dem gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TabakStG nur derjenige die Steuer schuldet, der an der Einfuhr beteiligt ist - im Falle der Verbringung der Schmuggelware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat Steuerschuldner auch derjenige, der die Tabakwaren in Besitz hält, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 11.11.2014 (VII R 44/11, ZfZ 2015, 108) zu § 19 S. 2 TabakStG 1993 - der Vorgängervorschrift von § 23 Abs. 1 TabakStG - entschieden, dass Empfänger der Tabakwaren auch derjenige sein kann, der sie vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt (Rn. 13 des Urteils). Zwar sei der Wortlaut von § 19 S. 2 TabakStG 1993 insoweit mehrdeutig. Er müsse jedoch im Lichte von Art. 7 und 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass Empfänger auch diejenige Person sein könne, die nach dem eigentlichen Verbringungsvorgang Besitz an den Waren erlange.

23

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG an, weil die Fassungen keine wesentlichen Unterschiede enthalten (BR-Drs. 169/09 v. 20.02.2009, S. 144: "[§ 23] Absatz 1 entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung"; so auch Weidemann, ZfZ 2015, 111, 111). Eine solche Besitzerin im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG war auch die Antragstellerin, weil die Zigaretten in ihrem Herrschaftsbereich aufgefunden wurden.

24

§ 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG ist vorliegend auch anwendbar. Der Senat hält es nach Aktenlage nämlich für überwiegend wahrscheinlich, dass die Duty-Free-Zigaretten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, nämlich Polen oder Tschechien, ins Steuergebiet verbracht wurden. Zwar ergibt sich aus der im Senatsurteil vom 15.07.2015 (4 K 43/15, juris Rn. 29 f.) zitierten Studie, dass unverzollte und unversteuerte Zigaretten auf verschiedenen Wegen ins Bundesgebiet geschmuggelt werden. Vorliegend verdichten sich jedoch im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten die Indizien, die ihre Verbringung überwiegend wahrscheinlich machen. So wurden nach dem Vermerk des ZFA H bei dem mutmaßlichen Lieferanten der Antragstellerin, dem A, polnische Lieferanten von Schmuggelware beobachtet (Bl. ... der Strafakte). Für die Verbringung der (gefälschten) Duty-Free-Ware spricht auch die abgehörte Aussage des A in dem Telefonat mit der Antragstellerin vom 28.04.2015 (Bl. ... der Strafakte), nach dem Duty-Free-Ware "einzeln rüber geschafft" werde. Weiter führt der A aus: "Da ist einer, die sammeln für den und dann bringen die das Einzeln am Körper rüber. Der hat da 20 Mann laufen die jeden Tag über die Grenze machen und ihm stangenweise das Zeug bringen". Der Senat hält diese Aussage für glaubhaft. Es ist auch nachvollziehbar, dass im Rahmen der Strukturen organisierter Kriminalität versucht wird, auf diesem Wege das Entdeckungsrisiko zu streuen. Wenn Personen einzelne Stangen am Körper über die Grenze tragen, kann es sich nur um eine Landgrenze der Bundesrepublik handeln, so dass die Zigaretten über die deutsch-polnische oder deutsch-tschechische Grenze verbracht worden sein müssen. Dass es sich nach Aussage des A in demselben Telefonat um Waren der "englische[n] Schiene" handele, steht hierzu nicht im Widerspruch. Damit nimmt er nämlich Bezug auf die englische Beschriftung der Ware. Im Übrigen hat die Herstellerfirma festgestellt, dass die Zigaretten mit Duty-Free-Kennzeichnung gefälscht wurden und daher in einem beliebigen anderen Land als Großbritannien hergestellt worden sein können.

25

1.2.2 Der Umstand, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten auch Steuerschuldnerin ist, steht ihrer Inhaftungnahme nach § 71 AO nicht entgegen.

26

Zwar bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des VII. Senats des Bundesfinanzhofs "haften" im Sinne der Abgabenordnung das Einstehen für eine fremde Schuld. Daher sei es ausgeschlossen, dass jemand für eine eigene Schuld hafte (BFH, Urt. v. 12.05.1970, VII R 34/68, BStBl II 1970, 606, BFHE 99, 178, 180 = juris Rn. 10, zu § 111 RAO; Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, BFHE 120, 329, 332 f. = juris Rn. 13 f., zu § 111 RAO; Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, BFHE 149, 505, 506 = juris Rn. 6; Urt. v. 14.12.1988, VII R 107/86, BFH/NV 1989, 549, 550 = juris Rn. 10; BFH, Beschl. v. 11.07.2001, VII R 29/99, HFR 2002, 277, juris Rn. 11; im Anschluss hieran BFH, Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, BFHE 212, 398, 404 = juris Rn. 27; a. A. noch BFH, Urt. v. 30.11.1951, II z 148/51 U, BFHE 56, 39, 42 = juris Rn. 11, zu § 111 AO). Zur Begründung der Exklusivität von Schuld und Haftung in der Abgabenordnung wird neben dem Postulat einer begrifflichen Unvereinbarkeit von Schuld und Haftung (BFH, Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, juris Rn. 6; Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, juris Rn. 27) darauf abgestellt, dass in § 97 Abs. 2 RAO die Vorschriften für die Steuerpflichtigen, die nach § 97 Abs. 1 RAO nur die Steuerschuldner waren, nur sinngemäß auf die Haftenden für anwendbar erklärt wurden und nach § 149 RAO ein Haftungsbescheid grundsätzlich nicht mehr ergehen durfte, wenn die Steuerschuld verjährt war. Hierin komme nicht nur zum Ausdruck, dass primär der Steuerschuldner herangezogen werden solle und dass die Haftung nur eine Hilfsfunktion ausübe, sondern auch, dass nur derjenige haften könne, der nicht selbst Steuerschuldner sei (BFH, Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13). Die überwiegende Literatur hat sich dieser Ansicht auch im Hinblick auf § 71 AO angeschlossen (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 233. EL Juni 2015, § 71 AO Rn. 4; Jatzke in Beermann/Gosch, AO/FGO, 124. EL, § 71 AO, Rn. 7; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7 vor § 69 AO Rn. 11; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 142. EL Okt. 2015, § 33 AO Rn. 5; Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 46 f.; a. A. Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 1990, S. 9, 96 m. w. N.). Für § 71 AO würde das Dogma der Exklusivität von Schuld und Haftung bedeuten, dass die Vorschrift um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal (so ausdrücklich Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) "und der Haftende kein Steuerschuldner ist" ergänzt werden müsse.

27

Der Senat teilt diese Auffassung im Hinblick auf § 71 AO nicht. Die vom Bundesfinanzhof erstmals zu § 111 Abs. 1 RAO entwickelte Begründung für die Exklusivität von Schuld und Haftung ist unter der Geltung der heutigen Abgabenordnung nicht auf § 71 AO übertragbar. § 71 AO ist folglich nicht um ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal zu ergänzen. Weder begriffliche noch gesetzessystematische oder historische Argumente machen eine derartige Ergänzung des Wortlauts erforderlich. Die Genese von § 71 AO sowie ihrer Vorgängervorschriften sprechen vielmehr eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber bewusst auf dieses zusätzliche Merkmal verzichtet hat. Im Einzelnen:

28

Zunächst ist es begrifflich keineswegs zwingend, dass sich Schuld und Haftung gegenseitig ausschließen. Die Wörter "Schuld" und "Haftung" allein legen dies gerade nicht nahe. Begrifflich schließen sie sich nur dann aus, wenn Schuld und Haftung als exklusive Rechtsinstitute definiert werden. Ebenso gut lässt sich Haftung auch als Eigenhaftung definieren (so ausdrücklich Mösbauer, a. a. O., S. 9 und S. 96; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 17). Die Abgabenordnung definiert den ihr zugrundeliegenden Haftungsbegriff nicht. § 191 Abs. 1 AO bestimmt lediglich den Begriff "Haftungsschuldner" als diejenige Person, die "kraft Gesetzes für eine Steuer haftet". Die Vorschrift verweist damit auf den Inhalt der Haftungstatbestände (§§ 69-76 AO), ohne diese inhaltlich näher zu konkretisieren. Im Übrigen verwendet die Abgabenordnung die Begriffe Schuld und Haftung nicht konsistent. Neben der genannten Legaldefinition des Haftungsschuldners als Haftender i. S. d. §§ 69 ff. AO spricht § 45 Abs. 2 S. 1 AO von der "Haftung" der Erben, meint aber deren bürgerlich-rechtliche Schuld. § 45 Abs. 2 S. 2 AO wiederum verweist mit den Vorschriften über eine "steuerrechtliche Haftung der Erben" wiederum auf die §§ 69 ff. AO. Darüber hinaus ist das vom Bundesfinanzhof zur Begründung für sein Postulat angeführte Verhältnis zwischen Steuerschuld und Haftung, das in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 RAO zum Ausdruck kam (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13), mittlerweile dogmatisch umgestaltet worden. In § 33 Abs. 1 AO werden Steuerschuldner und Haftende gleichberechtigt und -verpflichtet als Steuerpflichtige benannt. Sie werden damit abgabenrechtlich gleichgestellt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, vor § 69 AO Rn. 12; Olgemöller, Haftung für Zollschulden, ZfZ 2006, 74, 77 m. w. N.) und konsequenterweise in § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt. Selbst wenn mit dem Bundesfinanzhof (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13) die Akzessorietät und Subsidiarität der Haftung gegenüber der Steuerschuldnerschaft (§§ 191 Abs. 5 S. 1, § 219 S. 1 AO) Anhaltspunkte für eine vom Gesetzgeber gewollte Exklusivität von Schuld und Haftung wären, könnten sie - anders als bei § 111 RAO, auf den sich das genannte Urteil des Bundesfinanzhofs bezog - für die hier in Rede stehende Haftung nach § 71 AO nicht fruchtbar gemacht werden. Die Haftung des Steuerhehlers ist nämlich weder akzessorisch (§ 191 Abs. 5 S. 2 AO) noch subsidiär (§ 219 S. 2 AO). Weiter belegt die Entwicklung der Wortlaute der Vorgängervorschriften von § 71 AO, dass der Abgabenordnung für den hier in Rede stehenden Bereich der Steuerhaftung des deliktisch Handelnden nicht die ungeschriebene Vorstellung zugrunde lag, dass eine Person nicht auch für eine eigene Schuld haften könne. Im Einzelnen: Unmittelbarer Vorläufer von § 71 AO war der im Jahre 1929 in die RAO 1919 eingefügte § 92a AO (Art. VII Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes v. 22.12.1929, RGBl. 1929 I 234, 238), der unverändert als § 112 in die Reichsabgabenordnung 1931 RAO (RGBl. 1931 I 161, 177) übernommen wurde. Die Vorschrift enthielt in ihrer ursprünglichen Fassung die Voraussetzung, dass der Steuerhinterzieher oder Steuerhehler nur haftet, "soweit er nicht Steuerschuldner ist". Sie geht auf die Studie von Goetzeler (Die Steuerhinterziehung als Rechtsgrundlage für die steuerliche Pflicht des Hinterziehers, VJSchrStuFR 1928, 197) zurück, der die Steuerdeliktsobligation nicht als Steuerschuld-, sondern als Haftungstatbestand begriff (a. a. O., insbes. S. 241 ff., 259 ff.). Zweck der Vorschrift war es, den Steuerhinterzieher, der nicht bereits Steuerschuldner ist, neben dem Steuerschuldner in Anspruch nehmen zu können (Reinhardt, Haftung bei Steuerhinterziehung (§ 112 AO), DStZ 1936, 597, 597). Die Vorschrift des § 112 RAO ging also nach ihrem klaren Wortlaut von einer Exklusivität von Schuld und Haftung aus. Konsequenterweise verlangte der Reichsfinanzhof, dass für die Geltendmachung des Haftungsanspruchs aus § 112 RAO grundsätzlich die Feststellung erforderlich sei, dass der in Anspruch Genommene nicht Steuerschuldner sei (Urt. v. 25.01.1933, IV A 70/32, RFHE 32, 276). In Reaktion auf dieses Urteil wurde § 112 RAO jedoch im Jahre 1934 dahingehend geändert, dass der in Anspruch Genommene haftet, "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" (Abschnitt II Nr. 10 des Steueranpassungsgesetzes v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925, 932). Der Gesetzgeber wollte die Finanzbehörden hierdurch von der Notwendigkeit entbinden, die Feststellung treffen zu müssen, dass der in Haftung Genommene nicht Steuerschuldner ist. Dieser Arbeitsaufwand sei fachlich nicht gerechtfertigt, weil es für den in Anspruch Genommenen unerheblich sei, ob er als Steuerschuldner oder Haftender verpflichtet werde (Reinhardt, a. a. O., 598). Für die Inhaftungnahme einer Person war es nach dieser Gesetzesänderung damit unschädlich, dass sie auch Steuerschuldnerin war. Die hierin zum Ausdruck kommende Koexistenz von Schuld und Haftung bei der Heranziehung des Steuerhinterziehers entsprach der seit 1931 vertretenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Reichsgerichts zu einer Vorgängervorschrift von § 92a bzw. 112 RAO, dem § 135 Vereins-Zollgesetz (VZG, Text bei Bax, Die Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 43). Nach § 135 S. 2 VZG musste der Steuerhehler die hinterzogenen Abgaben entrichten, und zwar unabhängig davon, ob er Steuerschuldner i. S. v. § 13 VZG war (RFH, Urt. v. 02.03.1931, IV A 217/31, RFHE 30, 227, 229 f.). Aus der Änderung des Wortlauts von § 112 RAO im Jahr 1934 wurde in der Literatur zurecht gefolgert, dass damit das Postulat des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei, überholt sei (von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, RAO/FGO, 77. EL Juni 1974, Rn. 1; so i. E. auch noch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 1961, § 112 RAO; die Gesetzesänderung ignorierend dagegen: Kühn, Reichsabgabenordnung, 2. Aufl. 1950, § 112 Rn. 2). Auch der Bundesfinanzhof erwähnt die durch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs ausgelöste Änderung des § 112 RAO, erläutert jedoch nicht, warum die eindeutig gegen eine Exklusivität von Schuld und Haftung sprechende Formulierung ("auch wenn er nicht Steuerschuldner ist") "nur dem Scheine" nach auf der Vorstellung der Koexistenz von Schuld und Haftung beruhen solle (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 14). Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte der heutigen Fassung von § 71 AO gegen die Exklusivität von Schuld und Haftung bei dieser Norm. § 112 RAO i. d. F. von 1934 blieb bis zur Ablösung durch § 71 AO unverändert. In den gleichlautenden Entwürfen der Abgabenordnung 1974 wurde - unter Erweiterung auf die Teilnehmer an der Steuerstraftat - dessen Inhalt in § 71 AO übernommen (BT-Drs. VI/1982, S. 29; 7/79, S. 30), wobei der Zusatz "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" weggelassen wurde. In der Begründung der Abgabenordnung 1974 heißt es lediglich: "Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 112 AO" (BT-Drs. VI/1982, S. 120). Die Auslassung des genannten Zusatzes wird in der Begründung nicht erwähnt. Dass der Entwurf von § 71 AO einerseits betont, dass die Vorschrift dem bisherigen § 112 RAO entspreche, die Auslassung des hier in Rede stehenden Einschubs dagegen nicht erwähnt, kann nur so verstanden werden, dass es sich hierbei um eine Änderung handeln sollte, die den materiellen Gehalt der Norm nicht verändert. Damit sollte das Verhältnis von Schuld und Haftung bei § 71 AO so beibehalten werden, wie es bereits in § 112 AO ausgestaltet war. Der Wortlaut von § 112 RAO i. d. F. von 1934, wonach der in Anspruch Genommene haftet, auch wenn er nicht Steuerschuldner ist, kann jedoch nur so verstanden werden, dass gerade keine Exklusivität von Schuld und Haftung besteht. Die Umformulierung des hier in Rede stehenden Einschubs war - wie dargelegt - gerade eine Reaktion auf die Forderung des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei. Hätte man das Exklusivitätsdogma in § 71 AO positivieren und damit zur ursprünglichen Fassung von § 112 RAO zurückkehren wollen, hätte dies in der Gesetzesbegründung zur Abgabenordnung 1974 Anklang finden müssen. Dass dies gerade nicht gewollt war, ergibt sich aus einem Vergleich mit der Gesetzesbegründung zu § 70 AO. Dort wurde nämlich - in Ergänzung der Vorgängervorschrift des § 111 Abs. 1 RAO - aufgenommen, dass nur diejenigen Vertretenen haften könnten, "soweit sie nicht Steuerschuldner sind". Zur Begründung (BT-Drs. VI/1982, S. 119) wird ausdrücklich Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.05.1970 (VII R 34/68, BStBl. II 1970, 606), in der er für § 111 RAO - in Abkehr von einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 1951 (siehe oben) - gestützt auf § 97 Abs. 2 AO die Exklusivitätsthese von Schuld und Haftung aufgestellt hatte. Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber auf die dargelegte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reagiert hat. Dies erfolgte allerdings in Bezug auf die Vorschrift, zu der sich auch die Entscheidungen verhalten, nämlich § 111 RAO bzw. § 70 AO, nicht jedoch zu § 71 AO. "Kurios" (so Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7) ist der Umstand, dass § 70 AO sich - anders als § 111 RAO - mit dem Verhältnis von Schuld und Haftung auseinandersetzt, während § 71 AO dies - anders als § 112 RAO - nicht tut, nur dann, wenn man von einem ungeschriebenen Exklusivitätsdogma von Schuld und Haftung ausgeht. Löst man sich jedoch von diesem Vorverständnis, stellt sich die Neufassung von §§ 70 f. AO als planvolle Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.

29

Auch wenn der Befund zutreffen mag, dass sich nach der "Systematik der Abgabenordnung" (so Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) oder "dem Steuerrecht" (so Koch in AO 1977, 2. Aufl. 1979, § 71 Rn. 3; ähnlich Bax, a. a. O., S. 28 m. w. N.; siehe schon Arens, Zum Begriff der Haftung im geltenden Steuerrecht, VJSchrStuFR 1927, 567, 574 u. 647; Goetzeler, a. a. O., 236) Schuld und Haftung ausschließen, man also nur für eine fremde Schuld haften kann, handelt es sich hierbei nicht um ein Dogma, sondern einen Grundsatz, der sich aus der Analyse des einfachen Rechts ergeben hat. Dies impliziert, dass Durchbrechungen möglich sind (siehe bereits Goetzeler, a. a. O., 236). Die vorigen Ausführungen zeigen, dass im Falle von § 71 AO eine solche Ausnahme gemacht wurde. Sähe man dies anders, könnte der Zweck der Haftung - die Sicherung der Zahlung der Steuerschuld - nur noch schwer erreicht werden, wenn die Steuerbehörde - wie im vorliegenden Fall - bei Erlass des Bescheids nicht genau wissen kann, ob die Besitzerin der Zigaretten, die statt der unbekannten Schmuggler herangezogen werden soll, Steuerschuldnerin oder Haftende ist. Die nach der hier vertretenen Lesart von § 71 AO gegenüber anderen Haftungsvorschriften vereinfachte Inanspruchnahme des Haftenden fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Vorschriften, die die Inanspruchnahme des Steuerhinterziehers gegenüber anderen Steuerpflichtigen erleichtern. Neben den bereits erwähnten §§ 191 Abs. 5 S. 2 und 219 S. 2 AO wird durch § 169 Abs. 1 S. 2 AO die Festsetzungsfrist für die hinterzogene Steuer auf zehn Jahre ausgedehnt. Die Sperrwirkung für die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden, die auf eine Außenprüfung zurückgehen, gilt nicht im Falle einer Steuerhinterziehung (§ 173 Abs. 2 AO). Außerdem ist mit § 235 AO eine Verzinsungspflicht für hinterzogene Steuern niedergelegt. Schließlich findet sich auch an anderer Stelle im Steuerrecht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Exklusivität von Schuld und Haftung. In § 7 Abs. 8 S. 3 Versicherungsteuergesetz (BGBl. 1996 I 22) wird die Grenze zwischen Schuld und Haftung vollständig aufgehoben, indem der Haftende sowohl durch Steuer- als auch durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann. Die Frage, ob der Steuerschuldner auch als Haftender (durch Haftungsbescheid) in Anspruch genommen werden darf, kann vor diesem Hintergrund nicht kategorial beantwortet werden. Es ist vielmehr eine Frage der steuerpolitischen Wertung, wie weit die Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung reichen sollen und welcher begründungsmäßige Aufwand hierfür erforderlich ist. Die Antwort hierauf hat der Gesetzgeber über die Zeit unterschiedlich und nuanciert für verschiedene Haftungstatbestände gegeben.

30

1.3 Das dem Antragsgegner gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO eröffnete Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Entschließungs- und Auswahlermessen der Finanzbehörde im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat in der Weise vorgeprägt ist, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf. Nach dieser ständigen Rechtsprechung gilt die Vorprägung des Ermessens uneingeschränkt und ausnahmslos, so dass auch die Höhe des Haftungsanspruchs erfasst wird (BFH, Beschl. v. 14.02.2006, VII B 119/05, juris Rn. 8 m. w. N.). Vorliegend hat der Antragsgegner erkannt, dass ihm Ermessen zusteht und er dies entsprechend den genannten Grundsätzen ausüben darf.

31

2. Gemessen an den oben genannten Maßstäben ist auch der Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen vom 06.04.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Gemäß § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind (§ 235 Abs. 1 S. 2 AO). Nach dem oben Dargelegten hat die Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die hier geltend gemachten Tabaksteuern hinterzogen. Diese Hinterziehung erfolgte auch zu ihrem Vorteil, weil sie die Zigaretten nur deshalb gewinnbringend weiter verkaufen konnte, weil weder ihr Lieferant noch sie Tabaksteuer abgeführt haben. Die Zinsen wurden der Höhe nach gemäß § 238 Abs. 1, Abs. 2 AO zutreffend berechnet.

32

3. Die Vollziehung hätte für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Hierzu ist weder etwas vorgetragen noch sonst aus der Akte ersichtlich.

III.

33

Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragstellerin zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO).

34

Die Beschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 71 AO zuzulassen (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO).

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Tatbestand

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen.

2

Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den gesondert verfolgten A kam der Verdacht auf, die Antragstellerin habe von diesem unversteuerte Zigaretten angekauft, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung, die sie mit ihrem Lebenspartner allein bewohnt, wurden am 16.12.2015 in einem Abstellraum drei Stangen (600 Stück) Zigaretten der Marke "B", eine Stange Zigaretten der Marke "C", jeweils ohne Steuerbanderole, sowie vier Stangen (800 Stück) Zigaretten der Marke "D" mit ukrainischer Banderole sichergestellt. Weitere 16 Stangen und drei Schachteln (3.260 Stück) Zigaretten der Marke "E" mit Duty-Free-Kennzeichnung und englischem Warnhinweis wurden im Wohnzimmerschrank aufgefunden.

3

Mit Haftungsbescheid über Tabaksteuer (Registrierkennzeichen: XXX-1) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner Tabaksteuer in Höhe von ... € im Hinblick auf die bei der Durchsuchung am 16.12.2015 sichergestellten 4.860 unversteuerten Zigaretten fest. Da an den sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerzeichen angebracht gewesen seien, sei die Tabaksteuer entweder durch Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz entstanden. Diese Zigaretten habe die Antragstellerin mit Bereicherungsabsicht bei dem gesondert verfolgten F angekauft. Hierdurch habe sie die Steuerstraftat der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei begangen. Daher hafte sie für die von dem unbekannten Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer. Da der Tabaksteuerschuldner nicht zu ermitteln sei, werde sie als Haftungsschuldnerin in voller Höhe in Anspruch genommen. Eine Verschonung als Haftende komme wegen des hohen Verschuldensgrades nicht in Betracht. Hinsichtlich des Entschließungsvermessens liege eine Ermessensreduzierung auf null vor. Das Auswahlermessen werde gegen weitere Haftungsschuldner ausgeübt werden, sofern diese bekannt werden würden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage sei der 16.12.2015 als der Tag, an dem die Steuerschuld festgestellt worden sei. Davon ausgehend werde für die Zigaretten der Mindeststeuersatz in Höhe von ... Cent pro Stück bzw. ... Cent pro Stück berechnet.

4

Mit Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen (Registrierkennzeichen: XXX-2) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner für die mit dem Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom selben Tag festgesetzten Betrag Hinterziehungszinsen in Höhe von ... € fest.

5

Mit Telefax vom 24.04.2016 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die beiden Bescheide ein und beantragte "Vollstreckungsaussetzung". Es sei nicht nachgewiesen, dass die Zigaretten unter Umgehung der Zollvorschriften nach Deutschland verbracht worden seien. Die Zigaretten seien legal erworben worden.

6

Mit Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides über Tabaksteuer ab. Es bestünden bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 361 Abs. 2 AO an der Haftung der Antragstellerin. Sie hafte nach § 71 AO für die verkürzte Tabaksteuer in festgesetzter Höhe, weil sie eine Steuerhehlerei nach § 374 AO begangen habe, indem sie sich die im Einzelnen bezeichneten Zigaretten verschafft habe, hinsichtlich derer Steuern hinterzogen worden seien. Die Tabaksteuer sei zuvor durch das Verbringen der unversteuerten Zigaretten bzw. durch deren Einfuhr entstanden. Es stehe fest, dass sich die Antragstellerin die bei ihr aufgefundenen Zigaretten verschafft habe. Sie habe auch spontan eingeräumt, die Zigaretten von Herrn F erworben zu haben. Nach den Ergebnissen der Telefonüberwachung sei die Antragstellerin auch als Kundin des illegalen Zigarettenhändlers A identifiziert worden. Einwände, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides weckten, habe die Antragstellerin nicht vorgebracht.

7

Mit gleichlautendem Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner auch die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids zu den Hinterziehungszinsen ab.

8

Mit Telefax vom 07.06.2016 hat die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie des Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen beantragt. Ihr werde rechtswidrig unterstellt, dass sie eingeräumt habe, die Zigaretten bei Herrn F gekauft zu haben. Sie habe sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen. Tatsächlich stammten die Zigaretten aus mehrfachen Besuchen ihrer Familie in Polen. Mit Herrn F habe sie schon lange keinen Kontakt mehr.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer vom 06.04.2016 und des Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen vom 06.04.2016 auszusetzen.

10

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

11

Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag.

12

Mit Urteil vom ... 2016 (.../...) hat das Amtsgericht G die Antragstellerin wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt; das Urteil ist nicht rechtskräftig.

13

Bei der Entscheidung haben die Einspruchshefte des Antragsgegners (RBL-Nr. ... und ...), die Ermittlungsakte des Zollfahndungsamtes H (StRL ...) sowie die Akte der Staatsanwaltschaft G (.../...) vorgelegen. Auf sie wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

14

Die gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässigen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.

15

Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

16

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, siehe nur Beschl. v. 26.08.2004, V B 243/03, juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschl. v. 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.04.2004, VI B 43/04, juris, Rn. 11; Beschl. v. 20.05.1997, VIII B 108/96, juris, Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.2004, IV S 7/04, juris, Rn. 21). Gemäß § 69 Abs. 2 S. 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; siehe Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL, Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

17

1. Gemessen an diesen Maßstäben ist der Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom 06.04.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen von § 71 AO sind voraussichtlich erfüllt. Danach haftet derjenige, der eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern sowie für die Zinsen (§ 235 AO). Die Antragstellerin dürfte den Tatbestand des § 374 AO erfüllt haben (dazu 1.1). Dass sie im Hinblick auf manche der Zigaretten, für die Tabaksteuer geltend gemacht wird, auch voraussichtlich Steuerschuldnerin ist, steht ihrer Inhaftungnahme nicht entgegen (dazu 1.2). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (dazu 1.3).

18

1.1 Die Antragstellerin hat sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die am 16.12.2015 in ihrem Wohnhaus sichergestellten 4.860 unversteuerten Zigaretten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1, Abs. 2 AO strafbar gemacht. Danach wird bestraft, wer Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern hinterzogen worden sind, gewerbsmäßig ankauft. Da die sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerbanderolen trugen, steht fest, dass diesbezüglich Tabaksteuer hinterzogen worden ist. Die Antragstellerin hat diese Zigaretten gewerbsmäßig angekauft. Dies hat das Amtsgericht G in seinem Urteil vom ... 2016 (.../...) festgestellt. Die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils macht sich der Senat zu Eigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urt. v. 10.01.1978, VII R 106/74, BFHE 124, 305, juris Rn. 12; Urt. v. 26.04.1988, VII R 124/85, BFHE 153, 463, juris Rn. 13; Beschl. v. 25.02.1992, VII B 125/91, BFH/NV 1993, 4, juris Rn. 14; Urt. v. 02.12.2003, VII R 17/03, juris Rn. 18; Beschl. v. 13.01.2005, VII B 261/04, BFH/NV 2005, 936, juris Rn. 8; Beschl. v. 29.01.2007, V B 160/06, V B 161V B 161/06, juris Rn. 10; Beschl. v. 02.07.2008, VII B 242/07, juris Rn. 8; Beschl. v. 30.07.2009, VIII B 214/07, juris Rn. 7; Beschl. vom 24.05.2013, VII B 155/12, juris Rn. 7; Beschl. v. 24.09.2013, XI B 75/12, juris Rn. 13) ist dies den Finanzgerichten erlaubt, wenn und soweit sie zu der Überzeugung gelangen, dass die strafgerichtlichen Feststellungen zutreffen, sie nicht substantiiert bestritten und keine entsprechenden Beweisanträge gestellt werden, die nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet bleiben können. Dies gilt auch für nicht rechtskräftige Urteile (Seer in Tipke/Kruse, 138. EL Okt. 2014, § 81 FGO Rn. 28 m. w. N.).

19

Nach Aktenlage ist der Senat davon überzeugt, dass das Urteil des AG G hinsichtlich des Ausspruchs, dass sich die Antragstellerin der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2, Abs. 1 AO) strafbar gemacht hat, zutreffend ist. Das Amtsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der Auswertung der vorliegenden TÜ-Protokolle die Antragstellerin bei dem gesondert verfolgten A in sieben näher bezeichneten Fällen unversteuerte und unverzollte Zigaretten der Marken "C", "B", "D" und "E" bestellt und erhalten habe. Die Überprüfung des Mobiltelefons, das die Antragstellerin bei der Hausdurchsuchung bei sich geführt habe, habe ergeben, dass die dort gespeicherten Telefonnummern diejenigen der gesondert verfolgten A und F gewesen seien. Auch wenn dieses Telefon auf ihre Tochter J registriert sei, sei es ausschließlich von der Antragstellerin genutzt worden. Hinsichtlich des Falles Nr. 8 stehe aufgrund der Anzahl der aufgefundenen Zigaretten fest, dass die Antragstellerin gewerbsmäßig gehandelt habe. Diese lebensnahen Feststellungen hat das Amtsgericht unter Einbeziehung der aussagekräftigen TÜ-Protokolle und der Vernehmung der für die Telefonüberwachung und die Hausdurchsuchung zuständigen Ermittlungsbeamten getroffen. In Anbetracht der insgesamt zwischen dem 03.03.2015 und dem 11.05.2015 angekauften 46.400 Zigaretten ist die Behauptung der Antragstellerin, dass die bei ihr sichergestellten Zigaretten für den Eigenbedarf erworben worden seien, auch dann nicht glaubhaft, wenn man davon ausgeht, dass sie und ihr Lebenspartner starke Raucher sind.

20

Die Antragstellerin hat diese Feststellungen nicht substantiiert bestritten und auch keine Beweisanträge gestellt. Ihr Vortrag beschränkt sich vielmehr auf die Behauptung, dass sie die sichergestellten Zigaretten bei mehreren, im Einzelnen nicht näher bezeichneten Familienbesuchen in Polen erworben und im Rahmen der zulässigen Freimengen ins Steuergebiet verbracht habe. Dieser Vortrag ist schon nicht hinreichend substantiiert, weil im Einzelnen nicht dargelegt ist, wann, wo und durch wen welche Zigaretten in Polen erworben wurden. Gegen die Glaubhaftigkeit dieses Vortrags spricht darüber hinaus, dass es sich bei den 16 Stangen und drei Schachteln Zigaretten der Marke E nach Auskunft des Herstellers um Fälschungen handelt und Zigaretten derselben Marke und derselben Chargennummer bei dem Lieferanten der Antragstellerin, dem gesondert verfolgten A, gefunden wurden (Bl. ... der Strafakte).

21

1.2 Der Inanspruchnahme der Antragstellerin als Haftungsschuldnerin nach § 71 AO steht nicht entgegen, dass sie im Hinblick auf die 16 Stangen und drei Schachteln (3.260 Stück) Zigaretten der Marke "E" mit Duty-Free-Kennzeichnung (im Folgenden: Duty-Free-Zigaretten), für die ... € Tabaksteuer angefallen sind, zugleich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Steuerschuldnerin ist.

22

1.2.1 Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin - neben den unbekannt gebliebenen Personen, die die Ware verbracht oder eingeführt haben - im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten Steuerschuldnerin gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG ist. Danach ist - anders als bei der Einfuhr über einen Drittstaat, bei dem gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TabakStG nur derjenige die Steuer schuldet, der an der Einfuhr beteiligt ist - im Falle der Verbringung der Schmuggelware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat Steuerschuldner auch derjenige, der die Tabakwaren in Besitz hält, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 11.11.2014 (VII R 44/11, ZfZ 2015, 108) zu § 19 S. 2 TabakStG 1993 - der Vorgängervorschrift von § 23 Abs. 1 TabakStG - entschieden, dass Empfänger der Tabakwaren auch derjenige sein kann, der sie vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt (Rn. 13 des Urteils). Zwar sei der Wortlaut von § 19 S. 2 TabakStG 1993 insoweit mehrdeutig. Er müsse jedoch im Lichte von Art. 7 und 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass Empfänger auch diejenige Person sein könne, die nach dem eigentlichen Verbringungsvorgang Besitz an den Waren erlange.

23

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG an, weil die Fassungen keine wesentlichen Unterschiede enthalten (BR-Drs. 169/09 v. 20.02.2009, S. 144: "[§ 23] Absatz 1 entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung"; so auch Weidemann, ZfZ 2015, 111, 111). Eine solche Besitzerin im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG war auch die Antragstellerin, weil die Zigaretten in ihrem Herrschaftsbereich aufgefunden wurden.

24

§ 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG ist vorliegend auch anwendbar. Der Senat hält es nach Aktenlage nämlich für überwiegend wahrscheinlich, dass die Duty-Free-Zigaretten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, nämlich Polen oder Tschechien, ins Steuergebiet verbracht wurden. Zwar ergibt sich aus der im Senatsurteil vom 15.07.2015 (4 K 43/15, juris Rn. 29 f.) zitierten Studie, dass unverzollte und unversteuerte Zigaretten auf verschiedenen Wegen ins Bundesgebiet geschmuggelt werden. Vorliegend verdichten sich jedoch im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten die Indizien, die ihre Verbringung überwiegend wahrscheinlich machen. So wurden nach dem Vermerk des ZFA H bei dem mutmaßlichen Lieferanten der Antragstellerin, dem A, polnische Lieferanten von Schmuggelware beobachtet (Bl. ... der Strafakte). Für die Verbringung der (gefälschten) Duty-Free-Ware spricht auch die abgehörte Aussage des A in dem Telefonat mit der Antragstellerin vom 28.04.2015 (Bl. ... der Strafakte), nach dem Duty-Free-Ware "einzeln rüber geschafft" werde. Weiter führt der A aus: "Da ist einer, die sammeln für den und dann bringen die das Einzeln am Körper rüber. Der hat da 20 Mann laufen die jeden Tag über die Grenze machen und ihm stangenweise das Zeug bringen". Der Senat hält diese Aussage für glaubhaft. Es ist auch nachvollziehbar, dass im Rahmen der Strukturen organisierter Kriminalität versucht wird, auf diesem Wege das Entdeckungsrisiko zu streuen. Wenn Personen einzelne Stangen am Körper über die Grenze tragen, kann es sich nur um eine Landgrenze der Bundesrepublik handeln, so dass die Zigaretten über die deutsch-polnische oder deutsch-tschechische Grenze verbracht worden sein müssen. Dass es sich nach Aussage des A in demselben Telefonat um Waren der "englische[n] Schiene" handele, steht hierzu nicht im Widerspruch. Damit nimmt er nämlich Bezug auf die englische Beschriftung der Ware. Im Übrigen hat die Herstellerfirma festgestellt, dass die Zigaretten mit Duty-Free-Kennzeichnung gefälscht wurden und daher in einem beliebigen anderen Land als Großbritannien hergestellt worden sein können.

25

1.2.2 Der Umstand, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten auch Steuerschuldnerin ist, steht ihrer Inhaftungnahme nach § 71 AO nicht entgegen.

26

Zwar bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des VII. Senats des Bundesfinanzhofs "haften" im Sinne der Abgabenordnung das Einstehen für eine fremde Schuld. Daher sei es ausgeschlossen, dass jemand für eine eigene Schuld hafte (BFH, Urt. v. 12.05.1970, VII R 34/68, BStBl II 1970, 606, BFHE 99, 178, 180 = juris Rn. 10, zu § 111 RAO; Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, BFHE 120, 329, 332 f. = juris Rn. 13 f., zu § 111 RAO; Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, BFHE 149, 505, 506 = juris Rn. 6; Urt. v. 14.12.1988, VII R 107/86, BFH/NV 1989, 549, 550 = juris Rn. 10; BFH, Beschl. v. 11.07.2001, VII R 29/99, HFR 2002, 277, juris Rn. 11; im Anschluss hieran BFH, Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, BFHE 212, 398, 404 = juris Rn. 27; a. A. noch BFH, Urt. v. 30.11.1951, II z 148/51 U, BFHE 56, 39, 42 = juris Rn. 11, zu § 111 AO). Zur Begründung der Exklusivität von Schuld und Haftung in der Abgabenordnung wird neben dem Postulat einer begrifflichen Unvereinbarkeit von Schuld und Haftung (BFH, Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, juris Rn. 6; Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, juris Rn. 27) darauf abgestellt, dass in § 97 Abs. 2 RAO die Vorschriften für die Steuerpflichtigen, die nach § 97 Abs. 1 RAO nur die Steuerschuldner waren, nur sinngemäß auf die Haftenden für anwendbar erklärt wurden und nach § 149 RAO ein Haftungsbescheid grundsätzlich nicht mehr ergehen durfte, wenn die Steuerschuld verjährt war. Hierin komme nicht nur zum Ausdruck, dass primär der Steuerschuldner herangezogen werden solle und dass die Haftung nur eine Hilfsfunktion ausübe, sondern auch, dass nur derjenige haften könne, der nicht selbst Steuerschuldner sei (BFH, Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13). Die überwiegende Literatur hat sich dieser Ansicht auch im Hinblick auf § 71 AO angeschlossen (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 233. EL Juni 2015, § 71 AO Rn. 4; Jatzke in Beermann/Gosch, AO/FGO, 124. EL, § 71 AO, Rn. 7; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7 vor § 69 AO Rn. 11; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 142. EL Okt. 2015, § 33 AO Rn. 5; Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 46 f.; a. A. Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 1990, S. 9, 96 m. w. N.). Für § 71 AO würde das Dogma der Exklusivität von Schuld und Haftung bedeuten, dass die Vorschrift um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal (so ausdrücklich Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) "und der Haftende kein Steuerschuldner ist" ergänzt werden müsse.

27

Der Senat teilt diese Auffassung im Hinblick auf § 71 AO nicht. Die vom Bundesfinanzhof erstmals zu § 111 Abs. 1 RAO entwickelte Begründung für die Exklusivität von Schuld und Haftung ist unter der Geltung der heutigen Abgabenordnung nicht auf § 71 AO übertragbar. § 71 AO ist folglich nicht um ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal zu ergänzen. Weder begriffliche noch gesetzessystematische oder historische Argumente machen eine derartige Ergänzung des Wortlauts erforderlich. Die Genese von § 71 AO sowie ihrer Vorgängervorschriften sprechen vielmehr eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber bewusst auf dieses zusätzliche Merkmal verzichtet hat. Im Einzelnen:

28

Zunächst ist es begrifflich keineswegs zwingend, dass sich Schuld und Haftung gegenseitig ausschließen. Die Wörter "Schuld" und "Haftung" allein legen dies gerade nicht nahe. Begrifflich schließen sie sich nur dann aus, wenn Schuld und Haftung als exklusive Rechtsinstitute definiert werden. Ebenso gut lässt sich Haftung auch als Eigenhaftung definieren (so ausdrücklich Mösbauer, a. a. O., S. 9 und S. 96; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 17). Die Abgabenordnung definiert den ihr zugrundeliegenden Haftungsbegriff nicht. § 191 Abs. 1 AO bestimmt lediglich den Begriff "Haftungsschuldner" als diejenige Person, die "kraft Gesetzes für eine Steuer haftet". Die Vorschrift verweist damit auf den Inhalt der Haftungstatbestände (§§ 69-76 AO), ohne diese inhaltlich näher zu konkretisieren. Im Übrigen verwendet die Abgabenordnung die Begriffe Schuld und Haftung nicht konsistent. Neben der genannten Legaldefinition des Haftungsschuldners als Haftender i. S. d. §§ 69 ff. AO spricht § 45 Abs. 2 S. 1 AO von der "Haftung" der Erben, meint aber deren bürgerlich-rechtliche Schuld. § 45 Abs. 2 S. 2 AO wiederum verweist mit den Vorschriften über eine "steuerrechtliche Haftung der Erben" wiederum auf die §§ 69 ff. AO. Darüber hinaus ist das vom Bundesfinanzhof zur Begründung für sein Postulat angeführte Verhältnis zwischen Steuerschuld und Haftung, das in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 RAO zum Ausdruck kam (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13), mittlerweile dogmatisch umgestaltet worden. In § 33 Abs. 1 AO werden Steuerschuldner und Haftende gleichberechtigt und -verpflichtet als Steuerpflichtige benannt. Sie werden damit abgabenrechtlich gleichgestellt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, vor § 69 AO Rn. 12; Olgemöller, Haftung für Zollschulden, ZfZ 2006, 74, 77 m. w. N.) und konsequenterweise in § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt. Selbst wenn mit dem Bundesfinanzhof (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13) die Akzessorietät und Subsidiarität der Haftung gegenüber der Steuerschuldnerschaft (§§ 191 Abs. 5 S. 1, § 219 S. 1 AO) Anhaltspunkte für eine vom Gesetzgeber gewollte Exklusivität von Schuld und Haftung wären, könnten sie - anders als bei § 111 RAO, auf den sich das genannte Urteil des Bundesfinanzhofs bezog - für die hier in Rede stehende Haftung nach § 71 AO nicht fruchtbar gemacht werden. Die Haftung des Steuerhehlers ist nämlich weder akzessorisch (§ 191 Abs. 5 S. 2 AO) noch subsidiär (§ 219 S. 2 AO). Weiter belegt die Entwicklung der Wortlaute der Vorgängervorschriften von § 71 AO, dass der Abgabenordnung für den hier in Rede stehenden Bereich der Steuerhaftung des deliktisch Handelnden nicht die ungeschriebene Vorstellung zugrunde lag, dass eine Person nicht auch für eine eigene Schuld haften könne. Im Einzelnen: Unmittelbarer Vorläufer von § 71 AO war der im Jahre 1929 in die RAO 1919 eingefügte § 92a AO (Art. VII Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes v. 22.12.1929, RGBl. 1929 I 234, 238), der unverändert als § 112 in die Reichsabgabenordnung 1931 RAO (RGBl. 1931 I 161, 177) übernommen wurde. Die Vorschrift enthielt in ihrer ursprünglichen Fassung die Voraussetzung, dass der Steuerhinterzieher oder Steuerhehler nur haftet, "soweit er nicht Steuerschuldner ist". Sie geht auf die Studie von Goetzeler (Die Steuerhinterziehung als Rechtsgrundlage für die steuerliche Pflicht des Hinterziehers, VJSchrStuFR 1928, 197) zurück, der die Steuerdeliktsobligation nicht als Steuerschuld-, sondern als Haftungstatbestand begriff (a. a. O., insbes. S. 241 ff., 259 ff.). Zweck der Vorschrift war es, den Steuerhinterzieher, der nicht bereits Steuerschuldner ist, neben dem Steuerschuldner in Anspruch nehmen zu können (Reinhardt, Haftung bei Steuerhinterziehung (§ 112 AO), DStZ 1936, 597, 597). Die Vorschrift des § 112 RAO ging also nach ihrem klaren Wortlaut von einer Exklusivität von Schuld und Haftung aus. Konsequenterweise verlangte der Reichsfinanzhof, dass für die Geltendmachung des Haftungsanspruchs aus § 112 RAO grundsätzlich die Feststellung erforderlich sei, dass der in Anspruch Genommene nicht Steuerschuldner sei (Urt. v. 25.01.1933, IV A 70/32, RFHE 32, 276). In Reaktion auf dieses Urteil wurde § 112 RAO jedoch im Jahre 1934 dahingehend geändert, dass der in Anspruch Genommene haftet, "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" (Abschnitt II Nr. 10 des Steueranpassungsgesetzes v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925, 932). Der Gesetzgeber wollte die Finanzbehörden hierdurch von der Notwendigkeit entbinden, die Feststellung treffen zu müssen, dass der in Haftung Genommene nicht Steuerschuldner ist. Dieser Arbeitsaufwand sei fachlich nicht gerechtfertigt, weil es für den in Anspruch Genommenen unerheblich sei, ob er als Steuerschuldner oder Haftender verpflichtet werde (Reinhardt, a. a. O., 598). Für die Inhaftungnahme einer Person war es nach dieser Gesetzesänderung damit unschädlich, dass sie auch Steuerschuldnerin war. Die hierin zum Ausdruck kommende Koexistenz von Schuld und Haftung bei der Heranziehung des Steuerhinterziehers entsprach der seit 1931 vertretenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Reichsgerichts zu einer Vorgängervorschrift von § 92a bzw. 112 RAO, dem § 135 Vereins-Zollgesetz (VZG, Text bei Bax, Die Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 43). Nach § 135 S. 2 VZG musste der Steuerhehler die hinterzogenen Abgaben entrichten, und zwar unabhängig davon, ob er Steuerschuldner i. S. v. § 13 VZG war (RFH, Urt. v. 02.03.1931, IV A 217/31, RFHE 30, 227, 229 f.). Aus der Änderung des Wortlauts von § 112 RAO im Jahr 1934 wurde in der Literatur zurecht gefolgert, dass damit das Postulat des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei, überholt sei (von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, RAO/FGO, 77. EL Juni 1974, Rn. 1; so i. E. auch noch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 1961, § 112 RAO; die Gesetzesänderung ignorierend dagegen: Kühn, Reichsabgabenordnung, 2. Aufl. 1950, § 112 Rn. 2). Auch der Bundesfinanzhof erwähnt die durch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs ausgelöste Änderung des § 112 RAO, erläutert jedoch nicht, warum die eindeutig gegen eine Exklusivität von Schuld und Haftung sprechende Formulierung ("auch wenn er nicht Steuerschuldner ist") "nur dem Scheine" nach auf der Vorstellung der Koexistenz von Schuld und Haftung beruhen solle (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 14). Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte der heutigen Fassung von § 71 AO gegen die Exklusivität von Schuld und Haftung bei dieser Norm. § 112 RAO i. d. F. von 1934 blieb bis zur Ablösung durch § 71 AO unverändert. In den gleichlautenden Entwürfen der Abgabenordnung 1974 wurde - unter Erweiterung auf die Teilnehmer an der Steuerstraftat - dessen Inhalt in § 71 AO übernommen (BT-Drs. VI/1982, S. 29; 7/79, S. 30), wobei der Zusatz "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" weggelassen wurde. In der Begründung der Abgabenordnung 1974 heißt es lediglich: "Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 112 AO" (BT-Drs. VI/1982, S. 120). Die Auslassung des genannten Zusatzes wird in der Begründung nicht erwähnt. Dass der Entwurf von § 71 AO einerseits betont, dass die Vorschrift dem bisherigen § 112 RAO entspreche, die Auslassung des hier in Rede stehenden Einschubs dagegen nicht erwähnt, kann nur so verstanden werden, dass es sich hierbei um eine Änderung handeln sollte, die den materiellen Gehalt der Norm nicht verändert. Damit sollte das Verhältnis von Schuld und Haftung bei § 71 AO so beibehalten werden, wie es bereits in § 112 AO ausgestaltet war. Der Wortlaut von § 112 RAO i. d. F. von 1934, wonach der in Anspruch Genommene haftet, auch wenn er nicht Steuerschuldner ist, kann jedoch nur so verstanden werden, dass gerade keine Exklusivität von Schuld und Haftung besteht. Die Umformulierung des hier in Rede stehenden Einschubs war - wie dargelegt - gerade eine Reaktion auf die Forderung des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei. Hätte man das Exklusivitätsdogma in § 71 AO positivieren und damit zur ursprünglichen Fassung von § 112 RAO zurückkehren wollen, hätte dies in der Gesetzesbegründung zur Abgabenordnung 1974 Anklang finden müssen. Dass dies gerade nicht gewollt war, ergibt sich aus einem Vergleich mit der Gesetzesbegründung zu § 70 AO. Dort wurde nämlich - in Ergänzung der Vorgängervorschrift des § 111 Abs. 1 RAO - aufgenommen, dass nur diejenigen Vertretenen haften könnten, "soweit sie nicht Steuerschuldner sind". Zur Begründung (BT-Drs. VI/1982, S. 119) wird ausdrücklich Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.05.1970 (VII R 34/68, BStBl. II 1970, 606), in der er für § 111 RAO - in Abkehr von einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 1951 (siehe oben) - gestützt auf § 97 Abs. 2 AO die Exklusivitätsthese von Schuld und Haftung aufgestellt hatte. Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber auf die dargelegte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reagiert hat. Dies erfolgte allerdings in Bezug auf die Vorschrift, zu der sich auch die Entscheidungen verhalten, nämlich § 111 RAO bzw. § 70 AO, nicht jedoch zu § 71 AO. "Kurios" (so Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7) ist der Umstand, dass § 70 AO sich - anders als § 111 RAO - mit dem Verhältnis von Schuld und Haftung auseinandersetzt, während § 71 AO dies - anders als § 112 RAO - nicht tut, nur dann, wenn man von einem ungeschriebenen Exklusivitätsdogma von Schuld und Haftung ausgeht. Löst man sich jedoch von diesem Vorverständnis, stellt sich die Neufassung von §§ 70 f. AO als planvolle Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.

29

Auch wenn der Befund zutreffen mag, dass sich nach der "Systematik der Abgabenordnung" (so Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) oder "dem Steuerrecht" (so Koch in AO 1977, 2. Aufl. 1979, § 71 Rn. 3; ähnlich Bax, a. a. O., S. 28 m. w. N.; siehe schon Arens, Zum Begriff der Haftung im geltenden Steuerrecht, VJSchrStuFR 1927, 567, 574 u. 647; Goetzeler, a. a. O., 236) Schuld und Haftung ausschließen, man also nur für eine fremde Schuld haften kann, handelt es sich hierbei nicht um ein Dogma, sondern einen Grundsatz, der sich aus der Analyse des einfachen Rechts ergeben hat. Dies impliziert, dass Durchbrechungen möglich sind (siehe bereits Goetzeler, a. a. O., 236). Die vorigen Ausführungen zeigen, dass im Falle von § 71 AO eine solche Ausnahme gemacht wurde. Sähe man dies anders, könnte der Zweck der Haftung - die Sicherung der Zahlung der Steuerschuld - nur noch schwer erreicht werden, wenn die Steuerbehörde - wie im vorliegenden Fall - bei Erlass des Bescheids nicht genau wissen kann, ob die Besitzerin der Zigaretten, die statt der unbekannten Schmuggler herangezogen werden soll, Steuerschuldnerin oder Haftende ist. Die nach der hier vertretenen Lesart von § 71 AO gegenüber anderen Haftungsvorschriften vereinfachte Inanspruchnahme des Haftenden fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Vorschriften, die die Inanspruchnahme des Steuerhinterziehers gegenüber anderen Steuerpflichtigen erleichtern. Neben den bereits erwähnten §§ 191 Abs. 5 S. 2 und 219 S. 2 AO wird durch § 169 Abs. 1 S. 2 AO die Festsetzungsfrist für die hinterzogene Steuer auf zehn Jahre ausgedehnt. Die Sperrwirkung für die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden, die auf eine Außenprüfung zurückgehen, gilt nicht im Falle einer Steuerhinterziehung (§ 173 Abs. 2 AO). Außerdem ist mit § 235 AO eine Verzinsungspflicht für hinterzogene Steuern niedergelegt. Schließlich findet sich auch an anderer Stelle im Steuerrecht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Exklusivität von Schuld und Haftung. In § 7 Abs. 8 S. 3 Versicherungsteuergesetz (BGBl. 1996 I 22) wird die Grenze zwischen Schuld und Haftung vollständig aufgehoben, indem der Haftende sowohl durch Steuer- als auch durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann. Die Frage, ob der Steuerschuldner auch als Haftender (durch Haftungsbescheid) in Anspruch genommen werden darf, kann vor diesem Hintergrund nicht kategorial beantwortet werden. Es ist vielmehr eine Frage der steuerpolitischen Wertung, wie weit die Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung reichen sollen und welcher begründungsmäßige Aufwand hierfür erforderlich ist. Die Antwort hierauf hat der Gesetzgeber über die Zeit unterschiedlich und nuanciert für verschiedene Haftungstatbestände gegeben.

30

1.3 Das dem Antragsgegner gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO eröffnete Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Entschließungs- und Auswahlermessen der Finanzbehörde im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat in der Weise vorgeprägt ist, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf. Nach dieser ständigen Rechtsprechung gilt die Vorprägung des Ermessens uneingeschränkt und ausnahmslos, so dass auch die Höhe des Haftungsanspruchs erfasst wird (BFH, Beschl. v. 14.02.2006, VII B 119/05, juris Rn. 8 m. w. N.). Vorliegend hat der Antragsgegner erkannt, dass ihm Ermessen zusteht und er dies entsprechend den genannten Grundsätzen ausüben darf.

31

2. Gemessen an den oben genannten Maßstäben ist auch der Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen vom 06.04.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Gemäß § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind (§ 235 Abs. 1 S. 2 AO). Nach dem oben Dargelegten hat die Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die hier geltend gemachten Tabaksteuern hinterzogen. Diese Hinterziehung erfolgte auch zu ihrem Vorteil, weil sie die Zigaretten nur deshalb gewinnbringend weiter verkaufen konnte, weil weder ihr Lieferant noch sie Tabaksteuer abgeführt haben. Die Zinsen wurden der Höhe nach gemäß § 238 Abs. 1, Abs. 2 AO zutreffend berechnet.

32

3. Die Vollziehung hätte für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Hierzu ist weder etwas vorgetragen noch sonst aus der Akte ersichtlich.

III.

33

Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragstellerin zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO).

34

Die Beschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 71 AO zuzulassen (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO).

(1) Alle Gerichte und Behörden haben die zur Durchführung der Besteuerung erforderliche Amtshilfe zu leisten. § 102 bleibt unberührt.

(2) Amtshilfe liegt nicht vor, wenn

1.
Behörden einander innerhalb eines bestehenden Weisungsverhältnisses Hilfe leisten,
2.
die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen.

(3) Schuldenverwaltungen, Kreditinstitute sowie Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts fallen nicht unter diese Vorschrift.

(4) Auf dem Gebiet der Zollverwaltung erstreckt sich die Amtshilfepflicht auch auf diejenigen dem öffentlichen Verkehr oder dem öffentlichen Warenumschlag dienenden Unternehmen, die das Bundesministerium der Finanzen als Zollhilfsorgane besonders bestellt hat, und auf die Bediensteten dieser Unternehmen.

(5) Die §§ 105 und 106 sind entsprechend anzuwenden.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Steuerpflichtiger ist, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat.

(2) Steuerpflichtiger ist nicht, wer in einer fremden Steuersache Auskunft zu erteilen, Urkunden vorzulegen, ein Sachverständigengutachten zu erstatten oder das Betreten von Grundstücken, Geschäfts- und Betriebsräumen zu gestatten hat.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.

(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.

(1) Steuerpflichtiger ist, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat.

(2) Steuerpflichtiger ist nicht, wer in einer fremden Steuersache Auskunft zu erteilen, Urkunden vorzulegen, ein Sachverständigengutachten zu erstatten oder das Betreten von Grundstücken, Geschäfts- und Betriebsräumen zu gestatten hat.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.

(2) Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner. Das Gleiche gilt für die Aufrechnung und für eine geleistete Sicherheit. Andere Tatsachen wirken nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Die Vorschriften der §§ 268 bis 280 über die Beschränkung der Vollstreckung in den Fällen der Zusammenveranlagung bleiben unberührt.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Eine Finanzbehörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie

1.
aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann,
2.
aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann,
3.
zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbekannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann,
4.
zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden,
5.
die Amtshandlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Behörde.

(2) Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist.

(3) Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, wenn

1.
eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann,
2.
sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte,
3.
sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Finanzbehörde durch den Umfang der Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde.

(4) Die ersuchte Behörde darf die Hilfe nicht deshalb verweigern, weil sie das Ersuchen aus anderen als den in Absatz 3 genannten Gründen oder weil sie die mit der Amtshilfe zu verwirklichende Maßnahme für unzweckmäßig hält.

(5) Hält die ersuchte Behörde sich zur Hilfe nicht für verpflichtet, so teilt sie der ersuchenden Finanzbehörde ihre Auffassung mit. Besteht diese auf der Amtshilfe, so entscheidet über die Verpflichtung zur Amtshilfe die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde oder, sofern eine solche nicht besteht, die für die ersuchte Behörde fachlich zuständige Aufsichtsbehörde.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Eine Finanzbehörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie

1.
aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann,
2.
aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann,
3.
zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbekannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann,
4.
zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden,
5.
die Amtshandlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Behörde.

(2) Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist.

(3) Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, wenn

1.
eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann,
2.
sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte,
3.
sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Finanzbehörde durch den Umfang der Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde.

(4) Die ersuchte Behörde darf die Hilfe nicht deshalb verweigern, weil sie das Ersuchen aus anderen als den in Absatz 3 genannten Gründen oder weil sie die mit der Amtshilfe zu verwirklichende Maßnahme für unzweckmäßig hält.

(5) Hält die ersuchte Behörde sich zur Hilfe nicht für verpflichtet, so teilt sie der ersuchenden Finanzbehörde ihre Auffassung mit. Besteht diese auf der Amtshilfe, so entscheidet über die Verpflichtung zur Amtshilfe die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde oder, sofern eine solche nicht besteht, die für die ersuchte Behörde fachlich zuständige Aufsichtsbehörde.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Eine Finanzbehörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie

1.
aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann,
2.
aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann,
3.
zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbekannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann,
4.
zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden,
5.
die Amtshandlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Behörde.

(2) Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist.

(3) Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, wenn

1.
eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann,
2.
sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte,
3.
sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Finanzbehörde durch den Umfang der Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde.

(4) Die ersuchte Behörde darf die Hilfe nicht deshalb verweigern, weil sie das Ersuchen aus anderen als den in Absatz 3 genannten Gründen oder weil sie die mit der Amtshilfe zu verwirklichende Maßnahme für unzweckmäßig hält.

(5) Hält die ersuchte Behörde sich zur Hilfe nicht für verpflichtet, so teilt sie der ersuchenden Finanzbehörde ihre Auffassung mit. Besteht diese auf der Amtshilfe, so entscheidet über die Verpflichtung zur Amtshilfe die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde oder, sofern eine solche nicht besteht, die für die ersuchte Behörde fachlich zuständige Aufsichtsbehörde.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wenn die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftende werden, so haften die Vertretenen, soweit sie nicht Steuerschuldner sind, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden bei Taten gesetzlicher Vertreter natürlicher Personen, wenn diese aus der Tat des Vertreters keinen Vermögensvorteil erlangt haben. Das Gleiche gilt, wenn die Vertretenen denjenigen, der die Steuerhinterziehung oder die leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat, sorgfältig ausgewählt und beaufsichtigt haben.

(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Im Vorlageverlangen ist anzugeben, ob die Urkunden für die Besteuerung des zur Vorlage Aufgeforderten oder für die Besteuerung anderer Personen benötigt werden. § 93 Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Die Finanzbehörde kann die Vorlage der in Absatz 1 genannten Urkunden an Amtsstelle verlangen oder sie bei dem Vorlagepflichtigen einsehen, wenn dieser einverstanden ist oder die Urkunden für eine Vorlage an Amtsstelle ungeeignet sind. § 147 Abs. 5 gilt entsprechend.

(1) Wenn die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftende werden, so haften die Vertretenen, soweit sie nicht Steuerschuldner sind, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden bei Taten gesetzlicher Vertreter natürlicher Personen, wenn diese aus der Tat des Vertreters keinen Vermögensvorteil erlangt haben. Das Gleiche gilt, wenn die Vertretenen denjenigen, der die Steuerhinterziehung oder die leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat, sorgfältig ausgewählt und beaufsichtigt haben.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wenn die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftende werden, so haften die Vertretenen, soweit sie nicht Steuerschuldner sind, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile.

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden bei Taten gesetzlicher Vertreter natürlicher Personen, wenn diese aus der Tat des Vertreters keinen Vermögensvorteil erlangt haben. Das Gleiche gilt, wenn die Vertretenen denjenigen, der die Steuerhinterziehung oder die leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat, sorgfältig ausgewählt und beaufsichtigt haben.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung.

2

Die Antragstellerin importierte in den Jahren 2013 bis 2016 in 25 Fällen in Asien hergestellte Planen und meldete diese unter der Codenummer 3926 9092 90 0 zu einem Präferenzzollsatz von 0 % zur Überführung in den freien Verkehr an. Die Einfuhrzollstelle übernahm diese Angaben.

3

Aufgrund einer im Jahr 2016 durchgeführten Zollprüfung holte der Antragsgegner ein Einreihungsgutachten ein, nach dem die eingeführten Planen in die Codenummer 6306 1900 00 0 mit einem Präferenzzollsatz von 9,6 % einzureihen seien.

4

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 02.08.2016 erhob der Antragsgegner daraufhin Zoll i. H. v. ... € nach.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin am 19.08.2016 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist, und beantragte am 22.08.2016 die Aussetzung der Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Die streitgegenständlichen Planen seien nicht unter das Kapitel 39 KN einzureihen. Überdies könne die Einschätzung aus dem Einreihungsgutachten, das sich lediglich zu einer eingeführten und für die sonstigen Einfuhren nicht repräsentativen Planenart verhalte, nicht auf die anderen importierten Planen übertragen werden. Der Antragsgegner habe diese Planen gar nicht begutachtet. Daher sei der Einfuhrabgabenbescheid mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Die große Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit des Bescheides genüge für eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Die Zahlung der Einfuhrabgaben würde für sie, die Antragstellerin, außerdem eine unzumutbare Härte darstellen, da zurzeit die liquiden Mittel zur sofortigen Begleichung der vollständigen Einfuhrabgaben nicht als Kassenmittel zur Verfügung stünden. Die nötigen Barmittel könnten angesichts der wirtschaftlichen Gesamtumstände auch nicht zu zumutbaren Bedingungen, z. B. im Wege einer Kreditvereinbarung mit der Hausbank, beschafft werden. Die Hausbank habe zudem mit Schreiben vom 29.09.2016 mitgeteilt, dass sie nicht bereit sei, vorliegend eine Bürgschaft zur Verfügung zu stellen.

6

Der Antragsgegner erwiderte am 25.10.2016, dass auf eine Sicherheitsleistung gemäß Art. 45 Abs. 3 UZK nur verzichtet werden könne, wenn auf der Grundlage einer dokumentierten Bewertung festgestellt werde, dass durch die Leistung einer solchen Sicherheit dem Schuldner ernste wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten entstehen könnten. Bisher sei lediglich das Schreiben der Hausbank vorgelegt worden und keine sonstigen Unterlagen, anhand derer eine entsprechende Dokumentation möglich wäre.

7

Entsprechende Unterlagen legte die Antragstellerin im Folgenden nicht vor, auch nicht auf eine erneute Aufforderung des Antragsgegners vom 21.12.2016.

8

Mit Bescheid vom 16.01.2017 setzte der Antragsgegner gemäß Art. 45 Abs. 2 UZK die Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides ab Antragseingang bis auf Widerruf, längstens bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens aus. Aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Die Aussetzung der Vollziehung werde ab dem 22.08.2016 unter der Bedingung gewährt, dass bis zum 03.02.2017 eine Sicherheit i. H. v. ... € geleistet werde. Auf eine Sicherheitsleistung könne nicht verzichtet werden, weil entsprechende Nachweise nicht beigebracht worden seien. Werde die Sicherheit nicht fristgemäß geleistet, werde die Aussetzung der Vollziehung nicht wirksam und der Einfuhrabgabenbescheid ab Fälligkeit vollziehbar.

9

Zu einer Leistung der Sicherheit kam es im Folgenden nicht.

10

Die Antragstellerin hat am 01.02.2017 den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt vor, dass Art. 45 UZK nicht anwendbar sein dürfte. Die Vorschrift ziele nicht auf vor dem 01.05.2016 entstandene Einfuhrabgaben ab. Sie sei im gerichtlichen Verfahren zudem nicht maßgebend, da sie lediglich das behördliche Aussetzungsverfahren regele. Überdies verlange Art. 45 Abs. 3 UZK die Anforderung der Sicherheitsleistung vor der Entscheidung über die Aussetzung. Diese Reihenfolge sei vorliegend nicht eingehalten worden. Bereits deshalb könne die Vorschrift nicht als Rechtsgrundlage für die Anforderung der Sicherheitsleistung nach positiver Bescheidung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung herangezogen werden. Vielmehr sei auf § 361 Abs. 2 S. 5 AO abzustellen. Hieraus ergebe sich aber nur, dass die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden könne. Mithin sei das Verlangen einer Sicherheitsleistung regelmäßig der Ausnahmefall. Ein Ausschluss der Sicherheitsleistung komme jedenfalls dann in Betracht, soweit der Rechtsbehelf gegen den Bescheid mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde. Dies sei vorliegend der Fall. Die Nacherhebung der Einfuhrabgaben sei grob rechtsfehlerhaft. Zudem brächte die Sicherheitsleistung das Unternehmen in die Gefahr einer Insolvenz. Insoweit verweist die Antragstellerin auf eine schriftliche Stellungnahme ihres Steuerberaters vom 08.09.2016, in der es u. a. heißt, dass die Antragstellerin derzeit nicht über ausreichend freie Guthabenstände für die Erbringung der Sicherheitsleistung verfüge. Die Sicherheit müsste aus der bereits zum Teil in Anspruch genommenen Kontokorrentlinie verfügt werden. In diesem Fall könnte es zu Zahlungsstockungen im laufenden Betrieb kommen.

11

Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Nacherhebungsbescheides AT/S/00/... vom 02.08.2016 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung i. H. v. ... € ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

12

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

13

Auf die Erhebung einer Sicherheitsleistung könne nicht verzichtet werden. Dies könne nur auf Grundlage einer dokumentierten Bewertung erfolgen. Die bisher vorgelegten Unterlagen reichten für eine solche Feststellung nicht aus. Dem Schreiben der Hausbank sei nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin trotz zumutbarer Anstrengungen ohne Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage nicht imstande sei, Sicherheit zu leisten, oder dass ihr durch die Anforderung der Sicherheitsleistung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde, der über einen bloßen Geldschaden hinausginge. Weitere beweiskräftige Unterlagen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen habe sie auch auf wiederholte Anforderung nicht vorgelegt. Die nachgereichte Erklärung des Steuerberaters begründe keine andere Entscheidung. Danach stünde der Antragstellerin sogar eine zumindest teilweise offene Kontokorrentlinie zur Verfügung.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakten des Antragsgegners (2 Hefter) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

II. 1. Der gem. § 69 Abs. 3 FGO i. V. m. Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ist unbegründet.

16

Der Antrag ist zulässig. Das finanzgerichtliche Aussetzungsverfahren richtet sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch soweit Einfuhrabgaben betroffen sind nach einzelstaatlichem Recht, vorliegend nach § 69 Abs. 3 FGO. Die vorrangig anwendbare Norm des Art. 45 UZK regelt lediglich die materiellen Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung abschließend und geht nur insoweit nationalen Bestimmungen vor (vgl. Seer in Tipke/Kruse, EL 141 Juli 2015, § 69 FGO, Rn. 15). Nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen; Abs. 2 S. 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 S. 2 FGO gelten sinngemäß. Antragsgegenstand ist vorliegend nicht lediglich die sicherheitslose Aussetzung der Vollziehung (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, EL 141 Juli 2015, § 69 FGO, Rn. 73, 112), da die vom Antragsgegner im Bescheid vom 16.01.2017 gewährte Aussetzung der Vollziehung keinen Bestand (mehr) hat. Der Antragsgegner hatte die Aussetzung der Vollziehung darin nicht nur unter die aufschiebende Bedingung einer Sicherheitsleistung gestellt, sondern für diese Leistung auch eine Frist bis zum 03.02.2017 gesetzt, die mittlerweile abgelaufen ist. Damit liegt keine aufschiebend bedingte (aus Seite 2 des Bescheides vom 16.01.2017 offensichtlich versehentlich als "auflösende" Bedingung bezeichnete) Aussetzung der Vollziehung mehr vor, die durch eine spätere Sicherheitsleistung noch wirksam werden könnte. Sofern die Finanz- oder Zollbehörde bei beantragter Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes nur die Frage der Sicherheitsleistung zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens machen will, so muss es die Vollziehung ohne Fristsetzung für eine Sicherheitsleistung von einer solchen abhängig machen (vgl. BFH, Beschluss vom 30.08.1989, I B 39/89, Juris).

17

Der Antrag ist unbegründet. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung nicht vor.

18

Diese Voraussetzungen folgen auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK. Nach dessen Abs. 2 setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden, sie ist aber auch von den Gerichten auf dem Gebiet des Zollrechts als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 FGO auf § 69 Abs. 2 S. 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelung überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zur Vorgängernorm des Art. 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), vgl. Urteil vom 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/ Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, EL 8 September 2016, Art. 45 UZK, Rn. 34).

19

Art. 45 UZK ist im vorliegenden Fall auch anwendbar, obwohl die nachgeforderten Einfuhrabgaben vor dem Inkrafttreten des UZK am 01.05.2016 entstanden sind. Art. 45 UZK findet nicht nur auf Sachverhalte Anwendung, die sich nach dem Inkrafttreten des UZK verwirklichen. Hat sich der zur Entscheidung stehende Vorfall bereits vor dem 01.05.2016 ereignet, ist Art. 45 UZK ebenfalls anwendbar. Das Verfahren richtet sich nach dem jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Verfahrensrecht (so bereits zur Anwendbarkeit des ZK BFH, Beschluss vom 11.07.2000, VII B 41/00, BFH/NV 2000, 1512).

20

Der Senat hat ebenso wie die Beteiligten aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Nacherhebungsbescheides vom 02.08.2016 i. S. d. Art. 45 Abs. 2 UZK.

21

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung kommt dennoch nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des insoweit maßgeblichen Art. 45 Abs. 3 UZK liegen nicht vor. Danach wird in den in Art. 45 Abs. 2 UZK genannten Fällen, in denen aus der angefochtenen Entscheidung die Pflicht zur Entrichtung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erwächst, die Vollziehung der Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt, es sei denn, es wird auf der Grundlage einer dokumentierten Bewertung festgestellt, dass durch die Leistung einer solchen Sicherheit dem Schuldner ernste wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten entstehen könnten.

22

Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Ernste Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art sind anzunehmen, wenn der Schuldner trotz zumutbarer Anstrengungen ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage nicht imstande ist, Sicherheit zu leisten bzw. ihm durch die Anforderung der Sicherheitsleistung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde, der über einen reinen Geldschaden hinausgeht. Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast liegt insoweit beim Schuldner. Dies hat der Unionsgesetzgeber durch die Aufnahme der Formulierung "auf der Grundlage der dokumentierten Bewertung" in Art. 45 Abs. 3 UZK klargestellt (vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, EL 8 September 2016, Art. 45 UZK, Rn. 40).

23

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin nicht. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass eine Sicherheitsleistung mit einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage einhergehen oder einen irreparablen Schaden nach sich ziehen würde. Dem Schreiben der Hausbank vom 29.09.2016 ist lediglich zu entnehmen, dass diese nicht bereit ist, eine Bürgschaft für die streitgegenständliche Abgabenschuld zu erteilen. Nach der Auskunft des Steuerberaters vom 08.09.2016 stünden der Antragstellerin zwar nicht ausreichend freie Guthabenstände zur Erbringung der geforderten Sicherheit zur Verfügung. Allerdings könnte die Sicherheitsleistung aus der bereits zum Teil in Anspruch genommenen Kontokorrentlinie verfügt werden. In diesem Fall könnte es zu Zahlungsstockungen im laufenden Betrieb kommen. Insoweit steht fest, dass es der Antragstellerin grundsätzlich möglich wäre, die geforderte Sicherheit zu leisten. Dass hierdurch eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage entstehen könnte, hat sie weder schlüssig dargelegt noch durch Vorlage aussagekräftiger Unterlagen glaubhaft gemacht. Gleiches gilt für das Entstehen eines irreparablen Schadens. Zu ihrer (gesamt-) wirtschaftlichen Situation hat sie nichts Näheres vorgetragen. In der Auskunft des Steuerberaters ist von Zahlungsstockungen und nicht von einer Insolvenzgefahr die Rede. Die für möglich gehaltenen Zahlungsstockungen sind durch keine belastbaren Zahlen untermauert, mit denen ihre Wahrscheinlichkeit nachvollzogen werden könnte. Eine "dokumentierte Bewertung" im Sinne von Art. 45 Abs. 3 UZK, die die geforderte Feststellung ermöglichen würde, liegt damit nicht vor. Überdies hat die Antragstellerin auch nicht vorgetragen, warum es ihr unzumutbar sein sollte, zumindest bis zu einem gewissen Teilbetrag Sicherheit zu leisten.

24

Für das Absehen von der Anforderung einer Sicherheitsleistung ist auch nicht von Bedeutung, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der gegen den streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid eingelegte Einspruch voraussichtlich Erfolg haben wird bzw. welches Ausmaß an Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides besteht. Bereits der Wortlaut des Art. 45 Abs. 3 UZK spricht nicht für solch eine Auslegung der Norm. Vielmehr heißt es dort, dass in den in Absatz 2 genannten Fällen, also auch beim Vorliegen begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, die Vollziehung der Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt wird, sofern kein Ausnahmefall gegeben ist. Überdies hat der Europäische Gerichtshof zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängernorm des Art. 244 Abs. 3 ZK festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anforderung einer Sicherheitsleistung unabhängig vom jeweiligen Aussetzungsgrund, also den begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit oder der Gefahr eines unersetzbaren Schadens, sind (EuGH, Urteil vom 17.07.1997, C-130/95, Rz. 45, Juris). Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen des Art. 45 Abs. 3 UZK etwas anderes gelten sollte, sind nicht gegeben.

25

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.

(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Dezember 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X (Schuldnerin). Diese war Inhaber von Bewilligungen für aktive Veredelungsverkehre, in denen die Überführung der Hauptveredelungserzeugnisse und unveredelt gebliebener Einfuhrwaren in den freien Verkehr ohne Zollanmeldung global zugelassen war. Für die im vierten Quartal 2008 in den aktiven Veredelungsverkehr übergeführten Einfuhrwaren lief die Frist für die Beendigung des Verfahrens mit dem 31. Dezember 2009 ab. Soweit für diese Waren keine Zollanmeldungen zur Überführung in ein Zollverfahren abgegeben worden waren, setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit Bescheid vom 2. Februar 2010 unter Zugrundelegung einer für die Schuldnerin abgegebenen Abgabenberechnung Einfuhrabgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Ausgleichszinsen) fest. Über den hiergegen vom Antragsteller erhobenen Einspruch ist noch nicht entschieden. Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das HZA ab. Die festgesetzten Einfuhrabgaben wurden entrichtet.

2

Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag auf Aufhebung der Vollziehung hatte keinen Erfolg. Das FG entschied, dass die Einfuhrabgabenschuld durch Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr gemäß Art. 546 der Zollkodex-Durchführungsverordnung --ZKDVO-- (hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer i.V.m. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes) entstanden sei; die Festsetzung von Ausgleichszinsen beruhe auf Art. 519 ZKDVO. Diese Einfuhrabgabenschuld habe durch Bescheid festgesetzt werden dürfen, weil sie als Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) anzusehen sei. Eine Einfuhrabgabenforderung sei erst dann insolvenzrechtlich "begründet", wenn der Beteiligte die für die Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr erforderlichen Einfuhrförmlichkeiten erfüllt habe. Im Streitfall habe es einer Zollanmeldung allerdings nicht bedurft, weil die im aktiven Veredelungsverkehr befindlichen Veredelungserzeugnisse bzw. unveränderten Waren keine zollrechtliche Bestimmung erhalten hätten und somit gemäß Art. 546 Unterabs. 1 ZKDVO als mit dem Ablauf der Frist für die Beendigung des Verfahrens in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt gälten. Der Begriff der "Handlung des Insolvenzverwalters" i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei weit zu verstehen und umfasse auch Unterlassungen im Rahmen seines Amtes.

3

Mit seiner Beschwerde vertritt der Antragsteller weiterhin die Ansicht, dass die Einfuhrabgabenforderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nämlich mit der Überführung der betreffenden Ware in das Zollverfahren der aktiven Veredelung i.S. des § 38 InsO "begründet" worden sei, denn der Rechtsgrund für die Entstehung der Einfuhrabgabenschuld bei Beendigung des Verfahrens werde bereits mit der Überführung der Ware in das Verfahren gelegt. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten im Übrigen die in das aktive Veredelungsverfahren übergeführten Waren teilweise gar nicht mehr zu seiner (des Antragstellers) Verfügung gestanden, sondern seien bereits durch Verbrauch oder Veräußerung dem Vermögen der Schuldnerin entzogen gewesen.

4

Das HZA verweist darauf, dass der Antragsteller nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Fortführung des Unternehmens die Möglichkeit gehabt habe, dem Vermögen der Schuldnerin äquivalente Gemeinschaftswaren zuzuführen und die aktiven Veredelungsverkehre durch Wiederausfuhr der buchmäßig offenen Warenmengen ordnungsgemäß zu beenden.

Entscheidungsgründe

5

II. Die nach § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist begründet; die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 FGO i.V.m. Art. 244 Unterabs. 2 des Zollkodex (ZK) für die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids liegen vor. Art. 244 ZK gibt zwar nur den Zollbehörden die Befugnis, den Vollzug einer angefochtenen Entscheidung auszusetzen; jedoch schränkt die Vorschrift nicht die Befugnis der mit einem Rechtsbehelf befassten Gerichte ein, eine solche Aussetzung anzuordnen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 11. Januar 2001 C-226/99 --Siples--, Slg. 2001, I-277, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2001, 119). Da § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO die sinngemäße Anwendung der im Verwaltungsverfahren geltenden Regeln vorschreibt, findet Art. 244 Unterabs. 2 ZK auch im gerichtlichen Aussetzungsverfahren Anwendung (Senatsbeschluss vom 22. November 1994 VII B 140/94, BFHE 176, 170, ZfZ 1995, 110). Danach setzen die Zollbehörden die Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.

6

1. Im Streitfall bestehen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids vom 2. Februar 2010. Zweifelhaft ist, ob es sich bei der festgesetzten Einfuhrabgabenforderung um eine Insolvenzforderung handelt. In diesem Fall wäre eine Abgabenfestsetzung durch Bescheid nicht zulässig; vielmehr müsste das HZA seine Abgabenforderung nach den Regeln der InsO geltend machen (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2004 VII R 45/03, BFHE 205, 409, BStBl II 2004, 815, m.w.N.). Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid wäre unwirksam und aus Gründen der Klarstellung im Einspruchsverfahren bzw. in einem gerichtlichen Verfahren aufzuheben.

7

Die Insolvenzmasse dient gemäß § 38 InsO zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Im Insolvenzverfahren des Abgabenpflichtigen kommt es danach hinsichtlich der Frage, ob eine gegen ihn bestehende Abgabenforderung eine Insolvenzforderung ist, nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im abgabenrechtlichen Sinn bereits entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war. Eine Abgabenforderung ist daher immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Weise "begründet" worden ist, dass der zugrunde liegende Sachverhalt, der zur Entstehung der Abgabenforderung führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (ständige Rechtsprechung: vgl. Senatsurteile vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, und vom 31. Mai 2005 VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745, jeweils m.w.N.). Entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem die Abgabenforderung "ihrem Kern nach" entstanden ist, weshalb sie auch schon dann als insolvenzrechtlich "begründet" anzusehen ist, wenn --wie z.B. bei einer aufschiebenden Bedingung-- im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zur abgabenrechtlichen Entstehung noch ein ungewisses künftiges Ereignis fehlt (Senatsurteil vom 21. September 1993 VII R 119/91, BFHE 172, 308, BStBl II 1994, 83).

8

2. Werden Nichtgemeinschaftswaren in das Zollgebiet der Union verbracht, führt dies zwar nicht in jedem Fall zur Festsetzung von Einfuhrabgaben. Kommt es jedoch zur Festsetzung von Einfuhrabgaben, sind immer zuvor die Waren, auf welche sich die Abgabenfestsetzung bezieht, in das Zollgebiet der Union verbracht worden. Die Einfuhrabgabenfestsetzung wird also stets durch das Verbringen von Nichtgemeinschaftswaren in das Zollgebiet ausgelöst.

9

Es kommt deshalb in Betracht, eine Einfuhrabgabenforderung bereits mit dem Verbringen der jeweiligen Ware in das Zollgebiet der Union als insolvenzrechtlich "begründet" anzusehen. Wird die vorschriftsgemäß verbrachte Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt, bedarf es zwar zur Entstehung der Zollschuld weiterer Realakte und Rechtshandlungen, wie der Gestellung, der Zollanmeldung und der Annahme der Zollanmeldung (Art. 201 Abs. 2 ZK); hierbei handelt es sich jedoch um rein abgabenrechtliche Voraussetzungen der Zollschuldentstehung, auf die es insolvenzrechtlich nicht unbedingt ankommen muss. Auch wenn die Ware nicht zum freien Verkehr, sondern zu einem Nichterhebungsverfahren wie z.B. der vorübergehenden Verwendung oder --wie im Streitfall-- der aktiven Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren, angemeldet wird, kommt es in Betracht, die Entstehung der Einfuhrabgabenschuld als --wegen beabsichtigter Wiederausfuhr-- nur vorläufig ausgesetzt oder aufgeschoben, jedoch bereits mit dem Verbringen der Ware oder ihrer Überführung in das Nichterhebungsverfahren als "ihrem Kern nach" entstanden anzusehen, lediglich unter der aufschiebenden Bedingung stehend, dass die Ware der zollamtlichen Überwachung nicht entzogen wird (Art. 203 ZK) bzw. es zur fristgerechten Wiederausfuhr der Ware nicht kommt oder andere Verfahrenspflichten verletzt werden (Art. 204 ZK). Für diese Betrachtungsweise spricht, dass im Fall einer durch den Eintritt der aufschiebenden Bedingung "verspäteten" Zollschuldentstehung im Verfahren der aktiven Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren oder der vorübergehenden Verwendung der Betrag der Zollschuld anhand der Bemessungsgrundlagen festgesetzt wird, die im Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung zur Überführung der Waren in die aktive Veredelung bzw. die vorübergehende Verwendung maßgebend waren (Art. 121, Art. 144 ZK), und dass gemäß Art. 214 Abs. 3 ZK i.V.m. Art. 519 ZKDVO Ausgleichszinsen erhoben werden (vgl. auch zur Ermittlung des Zollwerts bei Lagerwaren: Art. 112 ZK).

10

3. Nach § 69 Abs. 3 FGO i.V.m. Art. 244 Unterabs. 3 Satz 1 ZK ist die Aufhebung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Die Sicherheit ist in Höhe des Betrags der Einfuhrabgabenschuld festzusetzen (EuGH-Urteil vom 17. Juli 1997 C-130/95 --Giloy--, Slg. 1997, I-4291, ZfZ 1997, 335). Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Voraussetzungen des Art. 244 Unterabs. 3 Satz 2 ZK für ein Absehen von der Sicherheitsleistung oder für ihre Reduktion (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1997, I-4291, ZfZ 1997, 335) im Streitfall vorliegen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal die festgesetzten Einfuhrabgaben bereits entrichtet worden sind.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung.

2

Die Antragstellerin importierte in den Jahren 2013 bis 2016 in 25 Fällen in Asien hergestellte Planen und meldete diese unter der Codenummer 3926 9092 90 0 zu einem Präferenzzollsatz von 0 % zur Überführung in den freien Verkehr an. Die Einfuhrzollstelle übernahm diese Angaben.

3

Aufgrund einer im Jahr 2016 durchgeführten Zollprüfung holte der Antragsgegner ein Einreihungsgutachten ein, nach dem die eingeführten Planen in die Codenummer 6306 1900 00 0 mit einem Präferenzzollsatz von 9,6 % einzureihen seien.

4

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 02.08.2016 erhob der Antragsgegner daraufhin Zoll i. H. v. ... € nach.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin am 19.08.2016 Einspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist, und beantragte am 22.08.2016 die Aussetzung der Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides ohne Sicherheitsleistung. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Die streitgegenständlichen Planen seien nicht unter das Kapitel 39 KN einzureihen. Überdies könne die Einschätzung aus dem Einreihungsgutachten, das sich lediglich zu einer eingeführten und für die sonstigen Einfuhren nicht repräsentativen Planenart verhalte, nicht auf die anderen importierten Planen übertragen werden. Der Antragsgegner habe diese Planen gar nicht begutachtet. Daher sei der Einfuhrabgabenbescheid mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Die große Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit des Bescheides genüge für eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Die Zahlung der Einfuhrabgaben würde für sie, die Antragstellerin, außerdem eine unzumutbare Härte darstellen, da zurzeit die liquiden Mittel zur sofortigen Begleichung der vollständigen Einfuhrabgaben nicht als Kassenmittel zur Verfügung stünden. Die nötigen Barmittel könnten angesichts der wirtschaftlichen Gesamtumstände auch nicht zu zumutbaren Bedingungen, z. B. im Wege einer Kreditvereinbarung mit der Hausbank, beschafft werden. Die Hausbank habe zudem mit Schreiben vom 29.09.2016 mitgeteilt, dass sie nicht bereit sei, vorliegend eine Bürgschaft zur Verfügung zu stellen.

6

Der Antragsgegner erwiderte am 25.10.2016, dass auf eine Sicherheitsleistung gemäß Art. 45 Abs. 3 UZK nur verzichtet werden könne, wenn auf der Grundlage einer dokumentierten Bewertung festgestellt werde, dass durch die Leistung einer solchen Sicherheit dem Schuldner ernste wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten entstehen könnten. Bisher sei lediglich das Schreiben der Hausbank vorgelegt worden und keine sonstigen Unterlagen, anhand derer eine entsprechende Dokumentation möglich wäre.

7

Entsprechende Unterlagen legte die Antragstellerin im Folgenden nicht vor, auch nicht auf eine erneute Aufforderung des Antragsgegners vom 21.12.2016.

8

Mit Bescheid vom 16.01.2017 setzte der Antragsgegner gemäß Art. 45 Abs. 2 UZK die Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides ab Antragseingang bis auf Widerruf, längstens bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens aus. Aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Die Aussetzung der Vollziehung werde ab dem 22.08.2016 unter der Bedingung gewährt, dass bis zum 03.02.2017 eine Sicherheit i. H. v. ... € geleistet werde. Auf eine Sicherheitsleistung könne nicht verzichtet werden, weil entsprechende Nachweise nicht beigebracht worden seien. Werde die Sicherheit nicht fristgemäß geleistet, werde die Aussetzung der Vollziehung nicht wirksam und der Einfuhrabgabenbescheid ab Fälligkeit vollziehbar.

9

Zu einer Leistung der Sicherheit kam es im Folgenden nicht.

10

Die Antragstellerin hat am 01.02.2017 den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie trägt vor, dass Art. 45 UZK nicht anwendbar sein dürfte. Die Vorschrift ziele nicht auf vor dem 01.05.2016 entstandene Einfuhrabgaben ab. Sie sei im gerichtlichen Verfahren zudem nicht maßgebend, da sie lediglich das behördliche Aussetzungsverfahren regele. Überdies verlange Art. 45 Abs. 3 UZK die Anforderung der Sicherheitsleistung vor der Entscheidung über die Aussetzung. Diese Reihenfolge sei vorliegend nicht eingehalten worden. Bereits deshalb könne die Vorschrift nicht als Rechtsgrundlage für die Anforderung der Sicherheitsleistung nach positiver Bescheidung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung herangezogen werden. Vielmehr sei auf § 361 Abs. 2 S. 5 AO abzustellen. Hieraus ergebe sich aber nur, dass die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden könne. Mithin sei das Verlangen einer Sicherheitsleistung regelmäßig der Ausnahmefall. Ein Ausschluss der Sicherheitsleistung komme jedenfalls dann in Betracht, soweit der Rechtsbehelf gegen den Bescheid mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde. Dies sei vorliegend der Fall. Die Nacherhebung der Einfuhrabgaben sei grob rechtsfehlerhaft. Zudem brächte die Sicherheitsleistung das Unternehmen in die Gefahr einer Insolvenz. Insoweit verweist die Antragstellerin auf eine schriftliche Stellungnahme ihres Steuerberaters vom 08.09.2016, in der es u. a. heißt, dass die Antragstellerin derzeit nicht über ausreichend freie Guthabenstände für die Erbringung der Sicherheitsleistung verfüge. Die Sicherheit müsste aus der bereits zum Teil in Anspruch genommenen Kontokorrentlinie verfügt werden. In diesem Fall könnte es zu Zahlungsstockungen im laufenden Betrieb kommen.

11

Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Nacherhebungsbescheides AT/S/00/... vom 02.08.2016 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung i. H. v. ... € ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

12

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

13

Auf die Erhebung einer Sicherheitsleistung könne nicht verzichtet werden. Dies könne nur auf Grundlage einer dokumentierten Bewertung erfolgen. Die bisher vorgelegten Unterlagen reichten für eine solche Feststellung nicht aus. Dem Schreiben der Hausbank sei nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin trotz zumutbarer Anstrengungen ohne Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage nicht imstande sei, Sicherheit zu leisten, oder dass ihr durch die Anforderung der Sicherheitsleistung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde, der über einen bloßen Geldschaden hinausginge. Weitere beweiskräftige Unterlagen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen habe sie auch auf wiederholte Anforderung nicht vorgelegt. Die nachgereichte Erklärung des Steuerberaters begründe keine andere Entscheidung. Danach stünde der Antragstellerin sogar eine zumindest teilweise offene Kontokorrentlinie zur Verfügung.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakten des Antragsgegners (2 Hefter) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

II. 1. Der gem. § 69 Abs. 3 FGO i. V. m. Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ist unbegründet.

16

Der Antrag ist zulässig. Das finanzgerichtliche Aussetzungsverfahren richtet sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch soweit Einfuhrabgaben betroffen sind nach einzelstaatlichem Recht, vorliegend nach § 69 Abs. 3 FGO. Die vorrangig anwendbare Norm des Art. 45 UZK regelt lediglich die materiellen Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung abschließend und geht nur insoweit nationalen Bestimmungen vor (vgl. Seer in Tipke/Kruse, EL 141 Juli 2015, § 69 FGO, Rn. 15). Nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen; Abs. 2 S. 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 S. 2 FGO gelten sinngemäß. Antragsgegenstand ist vorliegend nicht lediglich die sicherheitslose Aussetzung der Vollziehung (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, EL 141 Juli 2015, § 69 FGO, Rn. 73, 112), da die vom Antragsgegner im Bescheid vom 16.01.2017 gewährte Aussetzung der Vollziehung keinen Bestand (mehr) hat. Der Antragsgegner hatte die Aussetzung der Vollziehung darin nicht nur unter die aufschiebende Bedingung einer Sicherheitsleistung gestellt, sondern für diese Leistung auch eine Frist bis zum 03.02.2017 gesetzt, die mittlerweile abgelaufen ist. Damit liegt keine aufschiebend bedingte (aus Seite 2 des Bescheides vom 16.01.2017 offensichtlich versehentlich als "auflösende" Bedingung bezeichnete) Aussetzung der Vollziehung mehr vor, die durch eine spätere Sicherheitsleistung noch wirksam werden könnte. Sofern die Finanz- oder Zollbehörde bei beantragter Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes nur die Frage der Sicherheitsleistung zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens machen will, so muss es die Vollziehung ohne Fristsetzung für eine Sicherheitsleistung von einer solchen abhängig machen (vgl. BFH, Beschluss vom 30.08.1989, I B 39/89, Juris).

17

Der Antrag ist unbegründet. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung nicht vor.

18

Diese Voraussetzungen folgen auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK. Nach dessen Abs. 2 setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden, sie ist aber auch von den Gerichten auf dem Gebiet des Zollrechts als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 FGO auf § 69 Abs. 2 S. 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelung überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zur Vorgängernorm des Art. 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), vgl. Urteil vom 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/ Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, EL 8 September 2016, Art. 45 UZK, Rn. 34).

19

Art. 45 UZK ist im vorliegenden Fall auch anwendbar, obwohl die nachgeforderten Einfuhrabgaben vor dem Inkrafttreten des UZK am 01.05.2016 entstanden sind. Art. 45 UZK findet nicht nur auf Sachverhalte Anwendung, die sich nach dem Inkrafttreten des UZK verwirklichen. Hat sich der zur Entscheidung stehende Vorfall bereits vor dem 01.05.2016 ereignet, ist Art. 45 UZK ebenfalls anwendbar. Das Verfahren richtet sich nach dem jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Verfahrensrecht (so bereits zur Anwendbarkeit des ZK BFH, Beschluss vom 11.07.2000, VII B 41/00, BFH/NV 2000, 1512).

20

Der Senat hat ebenso wie die Beteiligten aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Nacherhebungsbescheides vom 02.08.2016 i. S. d. Art. 45 Abs. 2 UZK.

21

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung kommt dennoch nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des insoweit maßgeblichen Art. 45 Abs. 3 UZK liegen nicht vor. Danach wird in den in Art. 45 Abs. 2 UZK genannten Fällen, in denen aus der angefochtenen Entscheidung die Pflicht zur Entrichtung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erwächst, die Vollziehung der Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt, es sei denn, es wird auf der Grundlage einer dokumentierten Bewertung festgestellt, dass durch die Leistung einer solchen Sicherheit dem Schuldner ernste wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten entstehen könnten.

22

Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Ernste Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art sind anzunehmen, wenn der Schuldner trotz zumutbarer Anstrengungen ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Lage nicht imstande ist, Sicherheit zu leisten bzw. ihm durch die Anforderung der Sicherheitsleistung ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde, der über einen reinen Geldschaden hinausgeht. Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast liegt insoweit beim Schuldner. Dies hat der Unionsgesetzgeber durch die Aufnahme der Formulierung "auf der Grundlage der dokumentierten Bewertung" in Art. 45 Abs. 3 UZK klargestellt (vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, EL 8 September 2016, Art. 45 UZK, Rn. 40).

23

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin nicht. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass eine Sicherheitsleistung mit einer Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage einhergehen oder einen irreparablen Schaden nach sich ziehen würde. Dem Schreiben der Hausbank vom 29.09.2016 ist lediglich zu entnehmen, dass diese nicht bereit ist, eine Bürgschaft für die streitgegenständliche Abgabenschuld zu erteilen. Nach der Auskunft des Steuerberaters vom 08.09.2016 stünden der Antragstellerin zwar nicht ausreichend freie Guthabenstände zur Erbringung der geforderten Sicherheit zur Verfügung. Allerdings könnte die Sicherheitsleistung aus der bereits zum Teil in Anspruch genommenen Kontokorrentlinie verfügt werden. In diesem Fall könnte es zu Zahlungsstockungen im laufenden Betrieb kommen. Insoweit steht fest, dass es der Antragstellerin grundsätzlich möglich wäre, die geforderte Sicherheit zu leisten. Dass hierdurch eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage entstehen könnte, hat sie weder schlüssig dargelegt noch durch Vorlage aussagekräftiger Unterlagen glaubhaft gemacht. Gleiches gilt für das Entstehen eines irreparablen Schadens. Zu ihrer (gesamt-) wirtschaftlichen Situation hat sie nichts Näheres vorgetragen. In der Auskunft des Steuerberaters ist von Zahlungsstockungen und nicht von einer Insolvenzgefahr die Rede. Die für möglich gehaltenen Zahlungsstockungen sind durch keine belastbaren Zahlen untermauert, mit denen ihre Wahrscheinlichkeit nachvollzogen werden könnte. Eine "dokumentierte Bewertung" im Sinne von Art. 45 Abs. 3 UZK, die die geforderte Feststellung ermöglichen würde, liegt damit nicht vor. Überdies hat die Antragstellerin auch nicht vorgetragen, warum es ihr unzumutbar sein sollte, zumindest bis zu einem gewissen Teilbetrag Sicherheit zu leisten.

24

Für das Absehen von der Anforderung einer Sicherheitsleistung ist auch nicht von Bedeutung, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der gegen den streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid eingelegte Einspruch voraussichtlich Erfolg haben wird bzw. welches Ausmaß an Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides besteht. Bereits der Wortlaut des Art. 45 Abs. 3 UZK spricht nicht für solch eine Auslegung der Norm. Vielmehr heißt es dort, dass in den in Absatz 2 genannten Fällen, also auch beim Vorliegen begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, die Vollziehung der Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt wird, sofern kein Ausnahmefall gegeben ist. Überdies hat der Europäische Gerichtshof zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängernorm des Art. 244 Abs. 3 ZK festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anforderung einer Sicherheitsleistung unabhängig vom jeweiligen Aussetzungsgrund, also den begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit oder der Gefahr eines unersetzbaren Schadens, sind (EuGH, Urteil vom 17.07.1997, C-130/95, Rz. 45, Juris). Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen des Art. 45 Abs. 3 UZK etwas anderes gelten sollte, sind nicht gegeben.

25

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

(1) Der Umsatz wird bei der Einfuhr (§ 1 Abs. 1 Nr. 4) nach dem Wert des eingeführten Gegenstands nach den jeweiligen Vorschriften über den Zollwert bemessen.

(2) Ist ein Gegenstand ausgeführt, in einem Drittlandsgebiet für Rechnung des Ausführers veredelt und von diesem oder für ihn wieder eingeführt worden, so wird abweichend von Absatz 1 der Umsatz bei der Einfuhr nach dem für die Veredelung zu zahlenden Entgelt oder, falls ein solches Entgelt nicht gezahlt wird, nach der durch die Veredelung eingetretenen Wertsteigerung bemessen. Das gilt auch, wenn die Veredelung in einer Ausbesserung besteht und an Stelle eines ausgebesserten Gegenstands ein Gegenstand eingeführt wird, der ihm nach Menge und Beschaffenheit nachweislich entspricht. Ist der eingeführte Gegenstand vor der Einfuhr geliefert worden und hat diese Lieferung nicht der Umsatzsteuer unterlegen, so gilt Absatz 1.

(3) Dem Betrag nach Absatz 1 oder 2 sind hinzuzurechnen, soweit sie darin nicht enthalten sind:

1.
die im Ausland für den eingeführten Gegenstand geschuldeten Beträge an Einfuhrabgaben, Steuern und sonstigen Abgaben;
2.
die auf Grund der Einfuhr im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer auf den Gegenstand entfallenden Beträge an Einfuhrabgaben und an Verbrauchsteuern außer der Einfuhrumsatzsteuer, soweit die Steuern unbedingt entstanden sind;
3.
die auf den Gegenstand entfallenden Kosten für die Vermittlung der Lieferung und die Kosten der Beförderung sowie für andere sonstige Leistungen bis zum ersten Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet;
4.
die in Nummer 3 bezeichneten Kosten bis zu einem weiteren Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet, sofern dieser im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer bereits feststeht.

(4) Zur Bemessungsgrundlage gehören nicht Preisermäßigungen und Vergütungen, die sich auf den eingeführten Gegenstand beziehen und die im Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer feststehen.

(5) Für die Umrechnung von Werten in fremder Währung gelten die entsprechenden Vorschriften über den Zollwert der Waren, die in Rechtsakten des Rates der Europäischen Union oder der Europäischen Kommission festgelegt sind.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.

(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.