Finanzgericht Hamburg Beschluss, 08. Juni 2018 - 4 V 280/17

bei uns veröffentlicht am08.06.2018

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer.

2

Polizeibeamte fanden am 18.11.2016 bei der Durchsuchung eines vom Eigentümer nicht genutzten Wohnhauses in ... A (OT B) 973.160 Stück gefälschte Zigaretten. Erkenntnisse zum Herstellungsort oder zum Beförderungsweg der Zigaretten und den daran beteiligten Personen liegen nicht vor. Nachdem Zeugen erklärt hatten, dass das Haus vom gegenüber wohnenden Antragsteller regelmäßig genutzt worden sei und dieser auch die Schlüsselgewalt über das Objekt besitze, erließ der Antragsgegner am 15.08.2017 einen Haftungsbescheid über Tabaksteuer i. H. v. ... € (XXX). Für die sichergestellten Zigaretten sei die Tabaksteuer nicht über Steuerbanderolen entrichtet worden. Die Steuer sei im Fall der Einfuhr der Zigaretten durch ihre Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr und im Fall des Verbringens durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz der Tabakwaren entstanden. Steuerschuldner sei der unbekannte Dritte, der einen der Entstehungstatbestände verwirklicht habe. Der Antragsteller hafte als Steuerhehler für die vom Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer. Er sei zwar nicht Eigentümer, aber regelmäßiger Nutzer der Lagerstätte. Damit habe er auch die Sachherrschaft über die zum Weiterverkauf bestimmten Zigaretten besessen.

3

Gegen den Haftungsbescheid legte der Antragsteller am 15.09.2017 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er habe das Wohnhaus nicht genutzt und mit den sichergestellten Zigaretten nichts zu tun.

4

Mit Bescheid vom 13.11.2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids seien nicht gegeben. Die Zigaretten seien in unzulässiger Weise ohne Verwendung deutscher Steuerzeichen entweder aus einem anderen Mitgliedstaat der EU zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht oder aus einem Drittland eingeführt worden. Mit dem Verbringen bzw. der Einfuhr sei die Tabaksteuer entstanden. Steuerschuldner sei, wer nach den Zollvorschriften verpflichtet gewesen sei, die Tabakwaren anzumelden bzw. jede andere an der unrechtmäßigen Einfuhr beteiligte Person (§ 21 Abs. 2 Satz 1 TabStG) bzw. im Fall der Verbringung, wer die Lieferung vorgenommen oder die Tabakwaren in Besitz gehalten habe und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt habe (§ 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG). Es lasse sich nicht ermitteln und erscheine auch unwahrscheinlich, dass der Antragsteller an der unrechtmäßigen Einfuhr oder der Verbringung beteiligt gewesen sei. Die Gesamtumstände deuteten darauf hin, dass er die Zigaretten in Deutschland in Besitz genommen habe. Daher scheide seine Inanspruchnahme als Tabaksteuerschuldner aus. Zwar könne eine Steuerschuldnerschaft nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG für den Fall der Verbringung nachgewiesen werden, nicht aber eine Steuerschuldnerschaft nach § 21 Abs. 2 Satz 1 TabStG für den Fall der Einfuhr. Die bislang nicht ermittelte Person des Einführers bzw. Verbringers habe sich jedoch der Steuerhinterziehung strafbar gemacht. Daher sei der Antragsteller als Steuerhehler gemäß § 71 AO als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Die Zigaretten hätten sich in seinem Besitz befunden. Seine Einlassung sei als Schutzbehauptung zu werten.

5

Der Antragsteller hat am 18.12.2017 einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Zur Begründung verweist er auf sein außergerichtliches Vorbringen.

6

Der Antragsteller beantragt,
die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids vom 15.08.2017 anzuordnen.

7

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

8

Zur Begründung seines Antrags verweist der Antragsgegner auf seine Ausführungen im Bescheid vom 13.11.2017.

9

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakte des Antragsgegners verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe

II.

10

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer vom 15.08.2017 hat Erfolg.

11

Der Antrag gem. § 69 Abs. 3 FGO ist zulässig und begründet. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg, es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; vielmehr genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, EL 141 Juli 2015, § 69 FGO, Rn. 89, 122, 123 mit Nachweisen zur st. Rspr. des BFH).

12

Daran gemessen liegen aus rechtlichen Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids vor. Es besteht in der Rechtsprechung aktuell eine Unsicherheit dahingehend, ob eine Person wie der Antragsteller, dessen Steuerschuldnerschaft nicht sicher ausgeschlossen ist, gemäß § 71 AO für die hinterzogenen Steuern haften kann.

13

Der Antragsgegner hat den Haftungsbescheid auf die §§ 191, 170, 374 AO gestützt. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Gemäß § 71 AO haftet, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile (...). Steuerhehlerei begeht nach § 374 Abs. 1 AO u. a., wer Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern hinterzogen worden sind, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern.

14

Dass der Antragsteller eine Steuerhehlerei begangen hat, ist nach summarischer Prüfung hinreichend wahrscheinlich. Hinsichtlich der sichergestellten Zigaretten wurde die Tabaksteuer nicht durch die Verwendung von Steuerzeichen entrichtet (§ 17 TabStG), sondern gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO hinterzogen. Mehrere Zeugen haben übereinstimmend angegeben, dass der Antragsteller das leer stehende Wohnhaus, in dem die Zigaretten gefunden wurden, genutzt und die Schlüsselgewalt über das Objekt ausgeübt habe. Dem hat der gegenüber der Lagerstätte wohnende Antragsteller nicht substantiiert widersprochen, sondern die Angaben der Zeugen lediglich pauschal als unwahr bezeichnet. Auch die Polizeibehörden gehen nach dem Vermerk vom 16.10.2017 davon aus, dass er "Depothalter" des Objekts gewesen sei. Es ist auch hinreichend wahrscheinlich, dass er die sichergestellten Zigaretten besaß, um sie mit Bereicherungsabsicht weiterzuverkaufen.

15

Nach der Rechtsprechung des Senats steht der Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner nach § 71 AO nicht entgegen, dass seine Steuerschuldnerschaft gemäß § 23 Abs. 1 TabStG nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Sofern die Zigaretten aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats stammen sollten, wäre der Antragsteller aufgrund der hinreichend wahrscheinlichen Inbesitznahme der Zigaretten gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG Tabaksteuerschuldner. Der Senat hat im Beschluss vom 18.11.2016 (4 V 142/16, juris) entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs und der überwiegenden Literatur entschieden, dass Haftungsschuldner nach § 71 AO auch der Steuerschuldner sein kann, mithin insoweit keine Exklusivität von Schuld und Haftung besteht. § 71 AO ist nicht um ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal zu ergänzen, "dass der Haftende kein Steuerschuldner ist". Nach dieser Rechtsprechung steht auch die vorliegend bestehende Möglichkeit, dass der Antragsteller Steuerschuldner sein könnte, seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nicht entgegen. Wenn sogar eine nachgewiesene Steuerschuldnerschaft keine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 71 AO hindert, gilt dies erst recht für den Fall, dass eine Steuerschuldnerschaft lediglich nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

16

Trotz dieser Rechtsauffassung des Senats, an der festgehalten wird, ist aufgrund des vom Bundesfinanzhof im Beschluss vom 24.10.2017 (VII B 99/17; n. v.) angelegten Maßstabs zur Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung dem Aussetzungsantrag auch vorliegend stattzugeben. Dem Beschluss des Bundesfinanzhofs lag das Verfahren des Finanzgerichts Hamburg 4 V 251/16 (juris) zugrunde, in dem eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der Haftungsschuldner auch Steuerschuldner war. Der Bundesfinanzhof hat unterstrichen, dass die Durchbrechung der Exklusivität von Schuld und Haftung im Fall des § 71 AO im Beschluss des Senats vom 07.06.2017 im Widerspruch seiner Rechtsprechung stehe, der sich die überwiegende Literatur angeschlossen habe. Mithin seien Unsicherheiten in der Beurteilung der Rechtsfrage gegeben, ob das Hauptzollamt eine Person mittels Haftungsbescheid nach § 71 AO als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen könne, obwohl sie nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Steuerschuldner angesehen werden könne. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien nicht im Eilrechtsschutzverfahren abschließend zu klären. Angesichts dieser Unsicherheit seien ernstliche Zweifel gegeben, die eine Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Bescheids rechtfertigten.

17

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist auch vorliegend die Aussetzung der Vollziehung aus rechtlichen Gründen anzuordnen. Die o. g. Rechtsfragen hinsichtlich der Exklusivität von Schuld und Haftung im Fall des § 71 AO stellen sich auch vorliegend. Streitentscheidend ist ebenfalls, ob - so jedenfalls Teile der Literatur - § 71 AO um das ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmal, dass "der Haftende kein Steuerschuldner ist", ergänzt werden muss. Sofern dies der Fall sein sollte, könnte der wohl insoweit beweisbelastete Antragsgegner den Beweis für den Ausschluss einer Steuerschuldnerschaft des Antragstellers nicht erbringen und der Haftungsbescheid wäre rechtswidrig.

18

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Abgabenordnung - AO 1977 | § 191 Haftungsbescheide, Duldungsbescheide


(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 71 Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers


Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese n

Abgabenordnung - AO 1977 | § 374 Steuerhehlerei


(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst s

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 23 Lieferung zu gewerblichen Zwecken


(1) Im Sinn dieses Abschnitts werden Tabakwaren zu gewerblichen Zwecken geliefert, wenn sie1.aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden und2.an eine Person geliefert werden, die keine P

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 21 Steuerentstehung, Steuerschuldner


(1) Die Steuer entsteht vorbehaltlich des Satzes 2 zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr oder durch den unrechtmäßigen Eingang. Die Steuer entsteht nicht, wenn1.die Tabakwaren unmittelbar

Tabaksteuergesetz - TabStG 2009 | § 17 Verwendung von Steuerzeichen, Steueranmeldung, Steuererklärung


(1) Für Tabakwaren ist die Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen zu entrichten. Die Verwendung umfasst das Entwerten und das Anbringen der Steuerzeichen an den Kleinverkaufspackungen. Die Steuerzeichen müssen verwendet sein, wenn die Steuer entst

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Tatbestand I. 1 Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen. 2 Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den gesond

Referenzen

(1) Die Steuer entsteht vorbehaltlich des Satzes 2 zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr oder durch den unrechtmäßigen Eingang. Die Steuer entsteht nicht, wenn

1.
die Tabakwaren unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt werden,
2.
sich eine Steuerbefreiung anschließt oder
3.
die Einfuhrzollschuld nach Artikel 124 Absatz 1 Buchstabe e, f, g oder Buchstabe k des Unionszollkodex erlischt.

(2) Steuerschuldner ist

1.
jede Person nach Artikel 77 Absatz 3 des Unionszollkodex,
2.
jede andere Person, die an einem unrechtmäßigen Eingang beteiligt ist.
§ 15 Absatz 7 gilt entsprechend.

(3) Für das Erlöschen, in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 3, das Steuerverfahren und, wenn die Steuer nicht durch Verwendung von Steuerzeichen entrichtet wird, für die Fälligkeit, den Zahlungsaufschub sowie die Nacherhebung, den Erlass und die Erstattung, in anderen Fällen als nach den Artikeln 119 und 120 des Unionszollkodex gelten die Zollvorschriften sinngemäß. Abweichend von Satz 1 bleiben die §§ 163 und 227 der Abgabenordnung unberührt.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 finden für Tabakwaren in der Truppenverwendung, die zweckwidrig verwendet werden, die Vorschriften des Truppenzollgesetzes Anwendung.

(5) Für den Eingang von Tabakwaren aus einem der in Artikel 4 Absatz 2 der Systemrichtlinie aufgeführten Gebiete in das Steuergebiet sind die in den zollrechtlichen Vorschriften der Union vorgesehenen Formalitäten für den Eingang von Waren in das Zollgebiet der Union entsprechend anzuwenden.

(6) Für den unrechtmäßigen Eingang gilt Artikel 87 des Unionszollkodex sinngemäß.

(7) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, in Bezug auf Absatz 3 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen und die Besteuerung abweichend von Absatz 3 zu regeln, soweit dies zur Sicherung des Steueraufkommens oder zur Anpassung an die Behandlung im Steuergebiet hergestellter Tabakwaren oder wegen der besonderen Verhältnisse bei der Einfuhr erforderlich ist.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.

(1) Für Tabakwaren ist die Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen zu entrichten. Die Verwendung umfasst das Entwerten und das Anbringen der Steuerzeichen an den Kleinverkaufspackungen. Die Steuerzeichen müssen verwendet sein, wenn die Steuer entsteht.

(2) Der Hersteller oder der Einführer hat die Steuerzeichen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu bestellen und darin die Steuerzeichenschuld selbst zu berechnen (Steueranmeldung). Dem Hersteller ist die Person gleichgestellt, die nach § 3 Absatz 2 zur Bestimmung des Kleinverkaufspreises berechtigt ist. Bei Substituten für Tabakwaren ist dem Hersteller auch die Person gleichgestellt, welche Substitute für Tabakwaren aus einem anderen Mitgliedstaat zu gewerblichen Zwecken bezieht. Die Steuerzeichenschuld entsteht mit dem Bezug der Steuerzeichen in Höhe ihres Steuerwerts. Werden die Steuerzeichen übersandt, gilt als Tag des Bezugs der zweite Werktag nach der Absendung. Steuerzeichenschuldner ist der Bezieher. Auf die Steuerzeichenschuld sind die für Verbrauchsteuern geltenden Vorschriften der Abgabenordnung sinngemäß anzuwenden. Für noch nicht an Kleinverkaufspackungen angebrachte Steuerzeichen gilt § 76 der Abgabenordnung sinngemäß.

(3) Steuerschuldner nach § 15 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zweite Alternative, Nummer 2 und 4 sowie Satz 3 haben unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben. Dies gilt auch, wenn im Fall des § 15 Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 Tabakwaren ohne gültige Steuerzeichen empfangen werden und auch, wenn im Fall des Bezugs zu gewerblichen Zwecken aus anderen Mitgliedstaaten Substitute für Tabakwaren ohne gültige Steuerzeichen empfangen werden.

(4) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates

1.
zur Sicherung des Steueraufkommens und zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Einzelheiten zur Steueranmeldung und Steuererklärung sowie über die Entrichtung der Steuerzeichenschuld zu bestimmen,
2.
Vorschriften über Berechnung des Steuerwerts, Bezug, Lieferung und Verwendung der Steuerzeichen sowie über das Besteuerungsverfahren zu erlassen,
3.
zur Vereinfachung der Verwaltung oder aus wirtschaftlichen Gründen Ausnahmen von der Entrichtung der Steuer durch Steuerzeichenverwendung zuzulassen, zu bestimmen, dass in einzelnen besonders gelagerten Fällen zur Vermeidung unbilliger Härten Ausnahmen im Verwaltungsweg gemacht werden dürfen, und die Besteuerung zu regeln.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Tatbestand

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen.

2

Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den gesondert verfolgten A kam der Verdacht auf, die Antragstellerin habe von diesem unversteuerte Zigaretten angekauft, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung, die sie mit ihrem Lebenspartner allein bewohnt, wurden am 16.12.2015 in einem Abstellraum drei Stangen (600 Stück) Zigaretten der Marke "B", eine Stange Zigaretten der Marke "C", jeweils ohne Steuerbanderole, sowie vier Stangen (800 Stück) Zigaretten der Marke "D" mit ukrainischer Banderole sichergestellt. Weitere 16 Stangen und drei Schachteln (3.260 Stück) Zigaretten der Marke "E" mit Duty-Free-Kennzeichnung und englischem Warnhinweis wurden im Wohnzimmerschrank aufgefunden.

3

Mit Haftungsbescheid über Tabaksteuer (Registrierkennzeichen: XXX-1) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner Tabaksteuer in Höhe von ... € im Hinblick auf die bei der Durchsuchung am 16.12.2015 sichergestellten 4.860 unversteuerten Zigaretten fest. Da an den sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerzeichen angebracht gewesen seien, sei die Tabaksteuer entweder durch Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz entstanden. Diese Zigaretten habe die Antragstellerin mit Bereicherungsabsicht bei dem gesondert verfolgten F angekauft. Hierdurch habe sie die Steuerstraftat der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei begangen. Daher hafte sie für die von dem unbekannten Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer. Da der Tabaksteuerschuldner nicht zu ermitteln sei, werde sie als Haftungsschuldnerin in voller Höhe in Anspruch genommen. Eine Verschonung als Haftende komme wegen des hohen Verschuldensgrades nicht in Betracht. Hinsichtlich des Entschließungsvermessens liege eine Ermessensreduzierung auf null vor. Das Auswahlermessen werde gegen weitere Haftungsschuldner ausgeübt werden, sofern diese bekannt werden würden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage sei der 16.12.2015 als der Tag, an dem die Steuerschuld festgestellt worden sei. Davon ausgehend werde für die Zigaretten der Mindeststeuersatz in Höhe von ... Cent pro Stück bzw. ... Cent pro Stück berechnet.

4

Mit Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen (Registrierkennzeichen: XXX-2) vom 06.04.2016 setzte der Antragsgegner für die mit dem Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom selben Tag festgesetzten Betrag Hinterziehungszinsen in Höhe von ... € fest.

5

Mit Telefax vom 24.04.2016 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die beiden Bescheide ein und beantragte "Vollstreckungsaussetzung". Es sei nicht nachgewiesen, dass die Zigaretten unter Umgehung der Zollvorschriften nach Deutschland verbracht worden seien. Die Zigaretten seien legal erworben worden.

6

Mit Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides über Tabaksteuer ab. Es bestünden bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 361 Abs. 2 AO an der Haftung der Antragstellerin. Sie hafte nach § 71 AO für die verkürzte Tabaksteuer in festgesetzter Höhe, weil sie eine Steuerhehlerei nach § 374 AO begangen habe, indem sie sich die im Einzelnen bezeichneten Zigaretten verschafft habe, hinsichtlich derer Steuern hinterzogen worden seien. Die Tabaksteuer sei zuvor durch das Verbringen der unversteuerten Zigaretten bzw. durch deren Einfuhr entstanden. Es stehe fest, dass sich die Antragstellerin die bei ihr aufgefundenen Zigaretten verschafft habe. Sie habe auch spontan eingeräumt, die Zigaretten von Herrn F erworben zu haben. Nach den Ergebnissen der Telefonüberwachung sei die Antragstellerin auch als Kundin des illegalen Zigarettenhändlers A identifiziert worden. Einwände, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides weckten, habe die Antragstellerin nicht vorgebracht.

7

Mit gleichlautendem Bescheid vom 11.05.2016 lehnte der Antragsgegner auch die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids zu den Hinterziehungszinsen ab.

8

Mit Telefax vom 07.06.2016 hat die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie des Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen beantragt. Ihr werde rechtswidrig unterstellt, dass sie eingeräumt habe, die Zigaretten bei Herrn F gekauft zu haben. Sie habe sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen. Tatsächlich stammten die Zigaretten aus mehrfachen Besuchen ihrer Familie in Polen. Mit Herrn F habe sie schon lange keinen Kontakt mehr.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer vom 06.04.2016 und des Haftungsbescheids über Hinterziehungszinsen vom 06.04.2016 auszusetzen.

10

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

11

Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag.

12

Mit Urteil vom ... 2016 (.../...) hat das Amtsgericht G die Antragstellerin wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt; das Urteil ist nicht rechtskräftig.

13

Bei der Entscheidung haben die Einspruchshefte des Antragsgegners (RBL-Nr. ... und ...), die Ermittlungsakte des Zollfahndungsamtes H (StRL ...) sowie die Akte der Staatsanwaltschaft G (.../...) vorgelegen. Auf sie wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

14

Die gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässigen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.

15

Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

16

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, siehe nur Beschl. v. 26.08.2004, V B 243/03, juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschl. v. 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.04.2004, VI B 43/04, juris, Rn. 11; Beschl. v. 20.05.1997, VIII B 108/96, juris, Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.2004, IV S 7/04, juris, Rn. 21). Gemäß § 69 Abs. 2 S. 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; siehe Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL, Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

17

1. Gemessen an diesen Maßstäben ist der Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom 06.04.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen von § 71 AO sind voraussichtlich erfüllt. Danach haftet derjenige, der eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern sowie für die Zinsen (§ 235 AO). Die Antragstellerin dürfte den Tatbestand des § 374 AO erfüllt haben (dazu 1.1). Dass sie im Hinblick auf manche der Zigaretten, für die Tabaksteuer geltend gemacht wird, auch voraussichtlich Steuerschuldnerin ist, steht ihrer Inhaftungnahme nicht entgegen (dazu 1.2). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (dazu 1.3).

18

1.1 Die Antragstellerin hat sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die am 16.12.2015 in ihrem Wohnhaus sichergestellten 4.860 unversteuerten Zigaretten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1, Abs. 2 AO strafbar gemacht. Danach wird bestraft, wer Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern hinterzogen worden sind, gewerbsmäßig ankauft. Da die sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerbanderolen trugen, steht fest, dass diesbezüglich Tabaksteuer hinterzogen worden ist. Die Antragstellerin hat diese Zigaretten gewerbsmäßig angekauft. Dies hat das Amtsgericht G in seinem Urteil vom ... 2016 (.../...) festgestellt. Die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils macht sich der Senat zu Eigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urt. v. 10.01.1978, VII R 106/74, BFHE 124, 305, juris Rn. 12; Urt. v. 26.04.1988, VII R 124/85, BFHE 153, 463, juris Rn. 13; Beschl. v. 25.02.1992, VII B 125/91, BFH/NV 1993, 4, juris Rn. 14; Urt. v. 02.12.2003, VII R 17/03, juris Rn. 18; Beschl. v. 13.01.2005, VII B 261/04, BFH/NV 2005, 936, juris Rn. 8; Beschl. v. 29.01.2007, V B 160/06, V B 161V B 161/06, juris Rn. 10; Beschl. v. 02.07.2008, VII B 242/07, juris Rn. 8; Beschl. v. 30.07.2009, VIII B 214/07, juris Rn. 7; Beschl. vom 24.05.2013, VII B 155/12, juris Rn. 7; Beschl. v. 24.09.2013, XI B 75/12, juris Rn. 13) ist dies den Finanzgerichten erlaubt, wenn und soweit sie zu der Überzeugung gelangen, dass die strafgerichtlichen Feststellungen zutreffen, sie nicht substantiiert bestritten und keine entsprechenden Beweisanträge gestellt werden, die nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet bleiben können. Dies gilt auch für nicht rechtskräftige Urteile (Seer in Tipke/Kruse, 138. EL Okt. 2014, § 81 FGO Rn. 28 m. w. N.).

19

Nach Aktenlage ist der Senat davon überzeugt, dass das Urteil des AG G hinsichtlich des Ausspruchs, dass sich die Antragstellerin der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2, Abs. 1 AO) strafbar gemacht hat, zutreffend ist. Das Amtsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund der Auswertung der vorliegenden TÜ-Protokolle die Antragstellerin bei dem gesondert verfolgten A in sieben näher bezeichneten Fällen unversteuerte und unverzollte Zigaretten der Marken "C", "B", "D" und "E" bestellt und erhalten habe. Die Überprüfung des Mobiltelefons, das die Antragstellerin bei der Hausdurchsuchung bei sich geführt habe, habe ergeben, dass die dort gespeicherten Telefonnummern diejenigen der gesondert verfolgten A und F gewesen seien. Auch wenn dieses Telefon auf ihre Tochter J registriert sei, sei es ausschließlich von der Antragstellerin genutzt worden. Hinsichtlich des Falles Nr. 8 stehe aufgrund der Anzahl der aufgefundenen Zigaretten fest, dass die Antragstellerin gewerbsmäßig gehandelt habe. Diese lebensnahen Feststellungen hat das Amtsgericht unter Einbeziehung der aussagekräftigen TÜ-Protokolle und der Vernehmung der für die Telefonüberwachung und die Hausdurchsuchung zuständigen Ermittlungsbeamten getroffen. In Anbetracht der insgesamt zwischen dem 03.03.2015 und dem 11.05.2015 angekauften 46.400 Zigaretten ist die Behauptung der Antragstellerin, dass die bei ihr sichergestellten Zigaretten für den Eigenbedarf erworben worden seien, auch dann nicht glaubhaft, wenn man davon ausgeht, dass sie und ihr Lebenspartner starke Raucher sind.

20

Die Antragstellerin hat diese Feststellungen nicht substantiiert bestritten und auch keine Beweisanträge gestellt. Ihr Vortrag beschränkt sich vielmehr auf die Behauptung, dass sie die sichergestellten Zigaretten bei mehreren, im Einzelnen nicht näher bezeichneten Familienbesuchen in Polen erworben und im Rahmen der zulässigen Freimengen ins Steuergebiet verbracht habe. Dieser Vortrag ist schon nicht hinreichend substantiiert, weil im Einzelnen nicht dargelegt ist, wann, wo und durch wen welche Zigaretten in Polen erworben wurden. Gegen die Glaubhaftigkeit dieses Vortrags spricht darüber hinaus, dass es sich bei den 16 Stangen und drei Schachteln Zigaretten der Marke E nach Auskunft des Herstellers um Fälschungen handelt und Zigaretten derselben Marke und derselben Chargennummer bei dem Lieferanten der Antragstellerin, dem gesondert verfolgten A, gefunden wurden (Bl. ... der Strafakte).

21

1.2 Der Inanspruchnahme der Antragstellerin als Haftungsschuldnerin nach § 71 AO steht nicht entgegen, dass sie im Hinblick auf die 16 Stangen und drei Schachteln (3.260 Stück) Zigaretten der Marke "E" mit Duty-Free-Kennzeichnung (im Folgenden: Duty-Free-Zigaretten), für die ... € Tabaksteuer angefallen sind, zugleich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Steuerschuldnerin ist.

22

1.2.1 Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin - neben den unbekannt gebliebenen Personen, die die Ware verbracht oder eingeführt haben - im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten Steuerschuldnerin gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG ist. Danach ist - anders als bei der Einfuhr über einen Drittstaat, bei dem gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TabakStG nur derjenige die Steuer schuldet, der an der Einfuhr beteiligt ist - im Falle der Verbringung der Schmuggelware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat Steuerschuldner auch derjenige, der die Tabakwaren in Besitz hält, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 11.11.2014 (VII R 44/11, ZfZ 2015, 108) zu § 19 S. 2 TabakStG 1993 - der Vorgängervorschrift von § 23 Abs. 1 TabakStG - entschieden, dass Empfänger der Tabakwaren auch derjenige sein kann, der sie vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt (Rn. 13 des Urteils). Zwar sei der Wortlaut von § 19 S. 2 TabakStG 1993 insoweit mehrdeutig. Er müsse jedoch im Lichte von Art. 7 und 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass Empfänger auch diejenige Person sein könne, die nach dem eigentlichen Verbringungsvorgang Besitz an den Waren erlange.

23

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG an, weil die Fassungen keine wesentlichen Unterschiede enthalten (BR-Drs. 169/09 v. 20.02.2009, S. 144: "[§ 23] Absatz 1 entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung"; so auch Weidemann, ZfZ 2015, 111, 111). Eine solche Besitzerin im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG war auch die Antragstellerin, weil die Zigaretten in ihrem Herrschaftsbereich aufgefunden wurden.

24

§ 23 Abs. 1 S. 2 TabakStG ist vorliegend auch anwendbar. Der Senat hält es nach Aktenlage nämlich für überwiegend wahrscheinlich, dass die Duty-Free-Zigaretten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, nämlich Polen oder Tschechien, ins Steuergebiet verbracht wurden. Zwar ergibt sich aus der im Senatsurteil vom 15.07.2015 (4 K 43/15, juris Rn. 29 f.) zitierten Studie, dass unverzollte und unversteuerte Zigaretten auf verschiedenen Wegen ins Bundesgebiet geschmuggelt werden. Vorliegend verdichten sich jedoch im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten die Indizien, die ihre Verbringung überwiegend wahrscheinlich machen. So wurden nach dem Vermerk des ZFA H bei dem mutmaßlichen Lieferanten der Antragstellerin, dem A, polnische Lieferanten von Schmuggelware beobachtet (Bl. ... der Strafakte). Für die Verbringung der (gefälschten) Duty-Free-Ware spricht auch die abgehörte Aussage des A in dem Telefonat mit der Antragstellerin vom 28.04.2015 (Bl. ... der Strafakte), nach dem Duty-Free-Ware "einzeln rüber geschafft" werde. Weiter führt der A aus: "Da ist einer, die sammeln für den und dann bringen die das Einzeln am Körper rüber. Der hat da 20 Mann laufen die jeden Tag über die Grenze machen und ihm stangenweise das Zeug bringen". Der Senat hält diese Aussage für glaubhaft. Es ist auch nachvollziehbar, dass im Rahmen der Strukturen organisierter Kriminalität versucht wird, auf diesem Wege das Entdeckungsrisiko zu streuen. Wenn Personen einzelne Stangen am Körper über die Grenze tragen, kann es sich nur um eine Landgrenze der Bundesrepublik handeln, so dass die Zigaretten über die deutsch-polnische oder deutsch-tschechische Grenze verbracht worden sein müssen. Dass es sich nach Aussage des A in demselben Telefonat um Waren der "englische[n] Schiene" handele, steht hierzu nicht im Widerspruch. Damit nimmt er nämlich Bezug auf die englische Beschriftung der Ware. Im Übrigen hat die Herstellerfirma festgestellt, dass die Zigaretten mit Duty-Free-Kennzeichnung gefälscht wurden und daher in einem beliebigen anderen Land als Großbritannien hergestellt worden sein können.

25

1.2.2 Der Umstand, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Duty-Free-Zigaretten auch Steuerschuldnerin ist, steht ihrer Inhaftungnahme nach § 71 AO nicht entgegen.

26

Zwar bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des VII. Senats des Bundesfinanzhofs "haften" im Sinne der Abgabenordnung das Einstehen für eine fremde Schuld. Daher sei es ausgeschlossen, dass jemand für eine eigene Schuld hafte (BFH, Urt. v. 12.05.1970, VII R 34/68, BStBl II 1970, 606, BFHE 99, 178, 180 = juris Rn. 10, zu § 111 RAO; Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, BFHE 120, 329, 332 f. = juris Rn. 13 f., zu § 111 RAO; Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, BFHE 149, 505, 506 = juris Rn. 6; Urt. v. 14.12.1988, VII R 107/86, BFH/NV 1989, 549, 550 = juris Rn. 10; BFH, Beschl. v. 11.07.2001, VII R 29/99, HFR 2002, 277, juris Rn. 11; im Anschluss hieran BFH, Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, BFHE 212, 398, 404 = juris Rn. 27; a. A. noch BFH, Urt. v. 30.11.1951, II z 148/51 U, BFHE 56, 39, 42 = juris Rn. 11, zu § 111 AO). Zur Begründung der Exklusivität von Schuld und Haftung in der Abgabenordnung wird neben dem Postulat einer begrifflichen Unvereinbarkeit von Schuld und Haftung (BFH, Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, juris Rn. 6; Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, juris Rn. 27) darauf abgestellt, dass in § 97 Abs. 2 RAO die Vorschriften für die Steuerpflichtigen, die nach § 97 Abs. 1 RAO nur die Steuerschuldner waren, nur sinngemäß auf die Haftenden für anwendbar erklärt wurden und nach § 149 RAO ein Haftungsbescheid grundsätzlich nicht mehr ergehen durfte, wenn die Steuerschuld verjährt war. Hierin komme nicht nur zum Ausdruck, dass primär der Steuerschuldner herangezogen werden solle und dass die Haftung nur eine Hilfsfunktion ausübe, sondern auch, dass nur derjenige haften könne, der nicht selbst Steuerschuldner sei (BFH, Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13). Die überwiegende Literatur hat sich dieser Ansicht auch im Hinblick auf § 71 AO angeschlossen (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 233. EL Juni 2015, § 71 AO Rn. 4; Jatzke in Beermann/Gosch, AO/FGO, 124. EL, § 71 AO, Rn. 7; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7 vor § 69 AO Rn. 11; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 142. EL Okt. 2015, § 33 AO Rn. 5; Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 46 f.; a. A. Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 1990, S. 9, 96 m. w. N.). Für § 71 AO würde das Dogma der Exklusivität von Schuld und Haftung bedeuten, dass die Vorschrift um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal (so ausdrücklich Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) "und der Haftende kein Steuerschuldner ist" ergänzt werden müsse.

27

Der Senat teilt diese Auffassung im Hinblick auf § 71 AO nicht. Die vom Bundesfinanzhof erstmals zu § 111 Abs. 1 RAO entwickelte Begründung für die Exklusivität von Schuld und Haftung ist unter der Geltung der heutigen Abgabenordnung nicht auf § 71 AO übertragbar. § 71 AO ist folglich nicht um ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal zu ergänzen. Weder begriffliche noch gesetzessystematische oder historische Argumente machen eine derartige Ergänzung des Wortlauts erforderlich. Die Genese von § 71 AO sowie ihrer Vorgängervorschriften sprechen vielmehr eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber bewusst auf dieses zusätzliche Merkmal verzichtet hat. Im Einzelnen:

28

Zunächst ist es begrifflich keineswegs zwingend, dass sich Schuld und Haftung gegenseitig ausschließen. Die Wörter "Schuld" und "Haftung" allein legen dies gerade nicht nahe. Begrifflich schließen sie sich nur dann aus, wenn Schuld und Haftung als exklusive Rechtsinstitute definiert werden. Ebenso gut lässt sich Haftung auch als Eigenhaftung definieren (so ausdrücklich Mösbauer, a. a. O., S. 9 und S. 96; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 17). Die Abgabenordnung definiert den ihr zugrundeliegenden Haftungsbegriff nicht. § 191 Abs. 1 AO bestimmt lediglich den Begriff "Haftungsschuldner" als diejenige Person, die "kraft Gesetzes für eine Steuer haftet". Die Vorschrift verweist damit auf den Inhalt der Haftungstatbestände (§§ 69-76 AO), ohne diese inhaltlich näher zu konkretisieren. Im Übrigen verwendet die Abgabenordnung die Begriffe Schuld und Haftung nicht konsistent. Neben der genannten Legaldefinition des Haftungsschuldners als Haftender i. S. d. §§ 69 ff. AO spricht § 45 Abs. 2 S. 1 AO von der "Haftung" der Erben, meint aber deren bürgerlich-rechtliche Schuld. § 45 Abs. 2 S. 2 AO wiederum verweist mit den Vorschriften über eine "steuerrechtliche Haftung der Erben" wiederum auf die §§ 69 ff. AO. Darüber hinaus ist das vom Bundesfinanzhof zur Begründung für sein Postulat angeführte Verhältnis zwischen Steuerschuld und Haftung, das in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 RAO zum Ausdruck kam (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13), mittlerweile dogmatisch umgestaltet worden. In § 33 Abs. 1 AO werden Steuerschuldner und Haftende gleichberechtigt und -verpflichtet als Steuerpflichtige benannt. Sie werden damit abgabenrechtlich gleichgestellt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, vor § 69 AO Rn. 12; Olgemöller, Haftung für Zollschulden, ZfZ 2006, 74, 77 m. w. N.) und konsequenterweise in § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt. Selbst wenn mit dem Bundesfinanzhof (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13) die Akzessorietät und Subsidiarität der Haftung gegenüber der Steuerschuldnerschaft (§§ 191 Abs. 5 S. 1, § 219 S. 1 AO) Anhaltspunkte für eine vom Gesetzgeber gewollte Exklusivität von Schuld und Haftung wären, könnten sie - anders als bei § 111 RAO, auf den sich das genannte Urteil des Bundesfinanzhofs bezog - für die hier in Rede stehende Haftung nach § 71 AO nicht fruchtbar gemacht werden. Die Haftung des Steuerhehlers ist nämlich weder akzessorisch (§ 191 Abs. 5 S. 2 AO) noch subsidiär (§ 219 S. 2 AO). Weiter belegt die Entwicklung der Wortlaute der Vorgängervorschriften von § 71 AO, dass der Abgabenordnung für den hier in Rede stehenden Bereich der Steuerhaftung des deliktisch Handelnden nicht die ungeschriebene Vorstellung zugrunde lag, dass eine Person nicht auch für eine eigene Schuld haften könne. Im Einzelnen: Unmittelbarer Vorläufer von § 71 AO war der im Jahre 1929 in die RAO 1919 eingefügte § 92a AO (Art. VII Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes v. 22.12.1929, RGBl. 1929 I 234, 238), der unverändert als § 112 in die Reichsabgabenordnung 1931 RAO (RGBl. 1931 I 161, 177) übernommen wurde. Die Vorschrift enthielt in ihrer ursprünglichen Fassung die Voraussetzung, dass der Steuerhinterzieher oder Steuerhehler nur haftet, "soweit er nicht Steuerschuldner ist". Sie geht auf die Studie von Goetzeler (Die Steuerhinterziehung als Rechtsgrundlage für die steuerliche Pflicht des Hinterziehers, VJSchrStuFR 1928, 197) zurück, der die Steuerdeliktsobligation nicht als Steuerschuld-, sondern als Haftungstatbestand begriff (a. a. O., insbes. S. 241 ff., 259 ff.). Zweck der Vorschrift war es, den Steuerhinterzieher, der nicht bereits Steuerschuldner ist, neben dem Steuerschuldner in Anspruch nehmen zu können (Reinhardt, Haftung bei Steuerhinterziehung (§ 112 AO), DStZ 1936, 597, 597). Die Vorschrift des § 112 RAO ging also nach ihrem klaren Wortlaut von einer Exklusivität von Schuld und Haftung aus. Konsequenterweise verlangte der Reichsfinanzhof, dass für die Geltendmachung des Haftungsanspruchs aus § 112 RAO grundsätzlich die Feststellung erforderlich sei, dass der in Anspruch Genommene nicht Steuerschuldner sei (Urt. v. 25.01.1933, IV A 70/32, RFHE 32, 276). In Reaktion auf dieses Urteil wurde § 112 RAO jedoch im Jahre 1934 dahingehend geändert, dass der in Anspruch Genommene haftet, "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" (Abschnitt II Nr. 10 des Steueranpassungsgesetzes v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925, 932). Der Gesetzgeber wollte die Finanzbehörden hierdurch von der Notwendigkeit entbinden, die Feststellung treffen zu müssen, dass der in Haftung Genommene nicht Steuerschuldner ist. Dieser Arbeitsaufwand sei fachlich nicht gerechtfertigt, weil es für den in Anspruch Genommenen unerheblich sei, ob er als Steuerschuldner oder Haftender verpflichtet werde (Reinhardt, a. a. O., 598). Für die Inhaftungnahme einer Person war es nach dieser Gesetzesänderung damit unschädlich, dass sie auch Steuerschuldnerin war. Die hierin zum Ausdruck kommende Koexistenz von Schuld und Haftung bei der Heranziehung des Steuerhinterziehers entsprach der seit 1931 vertretenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Reichsgerichts zu einer Vorgängervorschrift von § 92a bzw. 112 RAO, dem § 135 Vereins-Zollgesetz (VZG, Text bei Bax, Die Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 43). Nach § 135 S. 2 VZG musste der Steuerhehler die hinterzogenen Abgaben entrichten, und zwar unabhängig davon, ob er Steuerschuldner i. S. v. § 13 VZG war (RFH, Urt. v. 02.03.1931, IV A 217/31, RFHE 30, 227, 229 f.). Aus der Änderung des Wortlauts von § 112 RAO im Jahr 1934 wurde in der Literatur zurecht gefolgert, dass damit das Postulat des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei, überholt sei (von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, RAO/FGO, 77. EL Juni 1974, Rn. 1; so i. E. auch noch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 1961, § 112 RAO; die Gesetzesänderung ignorierend dagegen: Kühn, Reichsabgabenordnung, 2. Aufl. 1950, § 112 Rn. 2). Auch der Bundesfinanzhof erwähnt die durch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs ausgelöste Änderung des § 112 RAO, erläutert jedoch nicht, warum die eindeutig gegen eine Exklusivität von Schuld und Haftung sprechende Formulierung ("auch wenn er nicht Steuerschuldner ist") "nur dem Scheine" nach auf der Vorstellung der Koexistenz von Schuld und Haftung beruhen solle (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 14). Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte der heutigen Fassung von § 71 AO gegen die Exklusivität von Schuld und Haftung bei dieser Norm. § 112 RAO i. d. F. von 1934 blieb bis zur Ablösung durch § 71 AO unverändert. In den gleichlautenden Entwürfen der Abgabenordnung 1974 wurde - unter Erweiterung auf die Teilnehmer an der Steuerstraftat - dessen Inhalt in § 71 AO übernommen (BT-Drs. VI/1982, S. 29; 7/79, S. 30), wobei der Zusatz "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" weggelassen wurde. In der Begründung der Abgabenordnung 1974 heißt es lediglich: "Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 112 AO" (BT-Drs. VI/1982, S. 120). Die Auslassung des genannten Zusatzes wird in der Begründung nicht erwähnt. Dass der Entwurf von § 71 AO einerseits betont, dass die Vorschrift dem bisherigen § 112 RAO entspreche, die Auslassung des hier in Rede stehenden Einschubs dagegen nicht erwähnt, kann nur so verstanden werden, dass es sich hierbei um eine Änderung handeln sollte, die den materiellen Gehalt der Norm nicht verändert. Damit sollte das Verhältnis von Schuld und Haftung bei § 71 AO so beibehalten werden, wie es bereits in § 112 AO ausgestaltet war. Der Wortlaut von § 112 RAO i. d. F. von 1934, wonach der in Anspruch Genommene haftet, auch wenn er nicht Steuerschuldner ist, kann jedoch nur so verstanden werden, dass gerade keine Exklusivität von Schuld und Haftung besteht. Die Umformulierung des hier in Rede stehenden Einschubs war - wie dargelegt - gerade eine Reaktion auf die Forderung des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei. Hätte man das Exklusivitätsdogma in § 71 AO positivieren und damit zur ursprünglichen Fassung von § 112 RAO zurückkehren wollen, hätte dies in der Gesetzesbegründung zur Abgabenordnung 1974 Anklang finden müssen. Dass dies gerade nicht gewollt war, ergibt sich aus einem Vergleich mit der Gesetzesbegründung zu § 70 AO. Dort wurde nämlich - in Ergänzung der Vorgängervorschrift des § 111 Abs. 1 RAO - aufgenommen, dass nur diejenigen Vertretenen haften könnten, "soweit sie nicht Steuerschuldner sind". Zur Begründung (BT-Drs. VI/1982, S. 119) wird ausdrücklich Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.05.1970 (VII R 34/68, BStBl. II 1970, 606), in der er für § 111 RAO - in Abkehr von einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 1951 (siehe oben) - gestützt auf § 97 Abs. 2 AO die Exklusivitätsthese von Schuld und Haftung aufgestellt hatte. Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber auf die dargelegte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reagiert hat. Dies erfolgte allerdings in Bezug auf die Vorschrift, zu der sich auch die Entscheidungen verhalten, nämlich § 111 RAO bzw. § 70 AO, nicht jedoch zu § 71 AO. "Kurios" (so Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7) ist der Umstand, dass § 70 AO sich - anders als § 111 RAO - mit dem Verhältnis von Schuld und Haftung auseinandersetzt, während § 71 AO dies - anders als § 112 RAO - nicht tut, nur dann, wenn man von einem ungeschriebenen Exklusivitätsdogma von Schuld und Haftung ausgeht. Löst man sich jedoch von diesem Vorverständnis, stellt sich die Neufassung von §§ 70 f. AO als planvolle Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.

29

Auch wenn der Befund zutreffen mag, dass sich nach der "Systematik der Abgabenordnung" (so Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) oder "dem Steuerrecht" (so Koch in AO 1977, 2. Aufl. 1979, § 71 Rn. 3; ähnlich Bax, a. a. O., S. 28 m. w. N.; siehe schon Arens, Zum Begriff der Haftung im geltenden Steuerrecht, VJSchrStuFR 1927, 567, 574 u. 647; Goetzeler, a. a. O., 236) Schuld und Haftung ausschließen, man also nur für eine fremde Schuld haften kann, handelt es sich hierbei nicht um ein Dogma, sondern einen Grundsatz, der sich aus der Analyse des einfachen Rechts ergeben hat. Dies impliziert, dass Durchbrechungen möglich sind (siehe bereits Goetzeler, a. a. O., 236). Die vorigen Ausführungen zeigen, dass im Falle von § 71 AO eine solche Ausnahme gemacht wurde. Sähe man dies anders, könnte der Zweck der Haftung - die Sicherung der Zahlung der Steuerschuld - nur noch schwer erreicht werden, wenn die Steuerbehörde - wie im vorliegenden Fall - bei Erlass des Bescheids nicht genau wissen kann, ob die Besitzerin der Zigaretten, die statt der unbekannten Schmuggler herangezogen werden soll, Steuerschuldnerin oder Haftende ist. Die nach der hier vertretenen Lesart von § 71 AO gegenüber anderen Haftungsvorschriften vereinfachte Inanspruchnahme des Haftenden fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Vorschriften, die die Inanspruchnahme des Steuerhinterziehers gegenüber anderen Steuerpflichtigen erleichtern. Neben den bereits erwähnten §§ 191 Abs. 5 S. 2 und 219 S. 2 AO wird durch § 169 Abs. 1 S. 2 AO die Festsetzungsfrist für die hinterzogene Steuer auf zehn Jahre ausgedehnt. Die Sperrwirkung für die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden, die auf eine Außenprüfung zurückgehen, gilt nicht im Falle einer Steuerhinterziehung (§ 173 Abs. 2 AO). Außerdem ist mit § 235 AO eine Verzinsungspflicht für hinterzogene Steuern niedergelegt. Schließlich findet sich auch an anderer Stelle im Steuerrecht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Exklusivität von Schuld und Haftung. In § 7 Abs. 8 S. 3 Versicherungsteuergesetz (BGBl. 1996 I 22) wird die Grenze zwischen Schuld und Haftung vollständig aufgehoben, indem der Haftende sowohl durch Steuer- als auch durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann. Die Frage, ob der Steuerschuldner auch als Haftender (durch Haftungsbescheid) in Anspruch genommen werden darf, kann vor diesem Hintergrund nicht kategorial beantwortet werden. Es ist vielmehr eine Frage der steuerpolitischen Wertung, wie weit die Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung reichen sollen und welcher begründungsmäßige Aufwand hierfür erforderlich ist. Die Antwort hierauf hat der Gesetzgeber über die Zeit unterschiedlich und nuanciert für verschiedene Haftungstatbestände gegeben.

30

1.3 Das dem Antragsgegner gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO eröffnete Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Entschließungs- und Auswahlermessen der Finanzbehörde im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat in der Weise vorgeprägt ist, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf. Nach dieser ständigen Rechtsprechung gilt die Vorprägung des Ermessens uneingeschränkt und ausnahmslos, so dass auch die Höhe des Haftungsanspruchs erfasst wird (BFH, Beschl. v. 14.02.2006, VII B 119/05, juris Rn. 8 m. w. N.). Vorliegend hat der Antragsgegner erkannt, dass ihm Ermessen zusteht und er dies entsprechend den genannten Grundsätzen ausüben darf.

31

2. Gemessen an den oben genannten Maßstäben ist auch der Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen vom 06.04.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Gemäß § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind (§ 235 Abs. 1 S. 2 AO). Nach dem oben Dargelegten hat die Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die hier geltend gemachten Tabaksteuern hinterzogen. Diese Hinterziehung erfolgte auch zu ihrem Vorteil, weil sie die Zigaretten nur deshalb gewinnbringend weiter verkaufen konnte, weil weder ihr Lieferant noch sie Tabaksteuer abgeführt haben. Die Zinsen wurden der Höhe nach gemäß § 238 Abs. 1, Abs. 2 AO zutreffend berechnet.

32

3. Die Vollziehung hätte für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Hierzu ist weder etwas vorgetragen noch sonst aus der Akte ersichtlich.

III.

33

Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragstellerin zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO).

34

Die Beschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 71 AO zuzulassen (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO).

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 7. Juni 2017 4 V 251/16 insoweit aufgehoben, als die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich Tabaksteuer in Höhe von 135,78 € abgelehnt worden ist; zugleich wird in Höhe dieses Betrags die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 14. September 2016 ausgesetzt.

Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Im Zuge steuerstrafrechtlicher Ermittlungen gegen die gesondert verfolgten S und G wurden am 16. Februar 2016 aufgrund richterlicher Anordnung die Kellerräume des vom Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) betriebenen Hotels durchsucht. Hierbei wurden in einem Kellerraum insgesamt 275 560 Zigaretten ohne deutsche Steuerzeichen gefunden und sichergestellt. Davon trugen 22 860 Zigaretten keine, 800 Zigaretten tschechische und 60 Zigaretten polnische Steuerzeichen. Die übrigen Zigaretten trugen ukrainische oder keine Steuerzeichen. Für die sichergestellten Zigaretten setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit Haftungsbescheid vom 14. September 2016 Tabaksteuer in Höhe von 43.019,87 € fest. Mit Ausnahme der mit tschechischen und polnischen Steuerzeichen versehenen Zigaretten wurde mit Abgabenbescheid vom selben Tag Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 11.026,94 € festgesetzt. Gegen beide Bescheide legte der Antragsteller jeweils Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV), die das HZA mit Bescheiden vom 10. November 2016 ablehnte. Daraufhin hat der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) die gerichtliche AdV der Bescheide beantragt. Beide Anträge hat das FG abgelehnt.

2

Hinsichtlich des auf § 71 der Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheids führte das FG aus, der Antragsteller habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Beihilfe zur Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 1 AO i.V.m. § 27 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs geleistet. Der Haupttäter S habe sich die unversteuerten Zigaretten mit Bereicherungsabsicht verschafft. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller Lagermöglichkeiten zur Verfügung gestellt habe, worin eine Beihilfehandlung liege. Für überwiegend wahrscheinlich halte es der Senat, dass der Antragsteller S den Kellerraum leih- oder mietweise überlassen und im Hinblick auf die Haupttat sowie seine Beihilfehandlung mit Vorsatz gehandelt habe. In der Einspruchsbegründung habe er eingeräumt, dass er beim Betreten des Kellerraums mitbekommen habe, was dort abgestellt worden sei. Für die Tatbestandserfüllung des § 71 AO reiche es aus, dass der Antragsteller den Kellerraum in Kenntnis vom Inhalt der Ware zur Verfügung gestellt habe. In Bezug auf die mit tschechischen und polnischen Steuerzeichen versehenen Zigaretten sei der Antragsteller aufgrund seiner Besitzerlangung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit selbst Steuerschuldner geworden.

3

Der Umstand, dass der Antragsteller im Hinblick auf die mit Steuerzeichen versehenen 860 Zigaretten Schuldner der Tabaksteuer sei, stehe seiner haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nach § 71 AO nicht entgegen.

4

Auch in Bezug auf den Bescheid über Einfuhrumsatzsteuer könne eine AdV nach Art. 45 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK), der nach dem Inkrafttreten des UZK am 1. Mai 2016 als verfahrensrechtliche Vorschrift auf den Streitfall Anwendung finde, nicht gewährt werden. Für die Zigaretten sei eine Einfuhrabgabenschuld nach den Art. 202, 214 Abs. 2, Art. 215 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Zollkodex (ZK) am 16. Februar 2016, dem Tag der Durchsuchung der Hotelräume und der Sicherstellung der Zigaretten, entstanden. Da die sichergestellten Zigaretten überwiegend mit ukrainischen Steuerbanderolen versehen gewesen seien, müssten sie sich vor der Sicherstellung außerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union befunden haben und von dort ohne Gestellung in das Steuergebiet verbracht worden sein. Dies gelte auch für die ohne Steuerbanderolen vorgefundenen Zigaretten, bei denen der Markenname auf eine weißrussische Herkunft weise. Der Antragsteller sei bei Sicherstellung Mitbesitzer der Zigaretten gewesen. Er hätte zudem vernünftigerweise wissen müssen, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Steuergebiet verbracht worden seien. Selbst wenn er die Zigaretten bei seinen Besuchen im Kellerraum nicht näher angeschaut haben sollte, hätte ihm klar gewesen sein müssen, dass die Lagerung von ca. 1 300 Stangen Zigaretten dort nur einen Sinn gehabt haben konnte, wenn es sich um unversteuerte Zigaretten gehandelt habe. Die Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer sei nicht zu beanstanden.

5

Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller vor, S habe zu keiner Zeit im Hotel genächtigt und einen Schlüssel gehabt; auch hätten keinerlei geschäftliche Beziehungen zu S bestanden. Bei dem serbischen Staatsbürger, dem er den Kellerraum zur Verfügung gestellt habe, habe es sich um einen Herrn P gehandelt. Der Bitte um Überlassung einer Abstellmöglichkeit habe er, der Antragsteller, nur entsprochen, weil P ihm vor längerer Zeit aus einer finanziellen Verlegenheit geholfen habe. Erst am Tag der Sicherstellung der Zigaretten habe er zu Gesicht bekommen, was P im Keller untergestellt habe. Nach dem Verbringen der Ware in den Raum sei dieser verschlossen worden und P habe den Schlüssel mitgenommen. Es habe kein Anlass bestanden, den Raum vor dessen Rückkehr zu betreten. Aus den Ermittlungsakten ergäben sich keine Anhaltspunkte für seine Schuld. Er habe die sichergestellten Zigaretten, an denen er keinen Besitz bzw. keine Verfügungsgewalt erlangt habe, weder gekauft oder sich oder einem Dritten sonst verschafft noch geholfen, diese abzusetzen. Zudem habe er keine Bereicherungsabsicht gehabt. Entsprechende Nachweise habe das FG nicht erbracht, vielmehr sei es lediglich von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen. Den Akten sei zu entnehmen, dass die namentlich bekannten und gesondert als Steuerschuldner verfolgten S und P observiert worden seien. Somit seien die Personen bekannt, die als Steuerschuldner vorrangig in Anspruch genommen werden müssten.

6

Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es schließt sich im Wesentlichen der Begründung des FG an. Entgegen der Auffassung des FG, dass es überwiegend wahrscheinlich sei, dass die Zigaretten aus der Ukraine stammten, sei darauf abzustellen, dass der Antragsteller den Nachweis nicht geführt habe, dass die Zigaretten Unionswaren seien. Einer möglichen Argumentation, dass die Finanzbehörde nachzuweisen habe, dass es sich bei den zur Zigarettenherstellung verwendeten Vormaterialien um Nicht-Unionswaren gehandelt habe, könne nicht gefolgt werden. Eine solche Beweislast sei unbillig. Im Besteuerungsverfahren obliege der Nachweis in Bezug auf den zollrechtlichen Status einer Ware dem jeweiligen Abgabenschuldner. Dies werde durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet, im Übrigen ist sie zurückzuweisen.

8

Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt der beschließende Senat zu der Auffassung, dass an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 14. September 2016 in Bezug auf die vom HZA geltend gemachte Tabaksteuer in Höhe von 135,78 € ernstliche Zweifel bestehen, so dass insoweit die AdV gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO geboten ist. Eine darüber hinausgehende Aussetzung kommt nicht in Betracht, weil sich die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig erweisen.

9

1. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehen solche Zweifel, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheids neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschluss vom 15. Juli 1998 I B 134/97, BFH/NV 1999, 372; BFH-Urteil vom 10. November 1994 IV R 44/94, BFHE 176, 303, BStBl II 1995, 814, m.w.N.).

10

2. Im Streitfall begegnet es nach Auffassung des beschließenden Senats rechtlichen Bedenken, dass das FG eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Antragstellers nach § 71 AO für möglich hält, obwohl nach den Ermittlungsergebnissen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser in Hinblick auf 860 Zigaretten nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG Tabaksteuer schuldet, weil er Besitz an den unversteuerten Zigaretten erlangt hat. Dies ist anzunehmen, weil der Antragsteller den Kellerraum nur zur Mitbenutzung überlassen hat und es nach den Gesamtumständen, insbesondere aufgrund der in dem Kellerraum gelagerten anderen Gegenstände, naheliegt, dass er nicht nur seltenen Zugang zu dem Raum gehabt hat (vgl. die Ausführungen unter 4.). Hinsichtlich der Erfüllung des Tatbestands des § 23 Abs. 1 TabStG teilt der Senat die Auffassung des FG.

11

a) Wie der beschließende Senat zu § 111 der Reichsabgabenordnung (RAO) entschieden hat, kann ein Steuerpflichtiger, der eine Abgabe als Steuerschuldner zu entrichten hat, für diese Abgabe nicht zugleich aufgrund des § 111 Abs. 1 RAO haften (Senatsurteil vom 19. Oktober 1976 VII R 63/73, BFHE 120, 329, BStBl II 1977, 255). In späteren Entscheidungen hat der BFH diese Ansicht bestätigt (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2001 VII R 29/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2002, 277; Senatsurteile vom 14. Dezember 1988 VII R 107/86, BFH/NV 1989, 549; vom 15. April 1987 VII R 160/83, BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167). Wie das FG zu Recht ausführt, hat sich die überwiegende Literatur dieser Ansicht angeschlossen (Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 71 Rz 7; Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 71 AO Rz 7; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 71 AO Rz 7; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 71 Rz 1; Schwarz in Schwarz/ Pahlke, AO/FGO, § 71 AO Rz 4). Dabei wird vertreten, dass der Ausschluss der Steuerschuldnerschaft als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 71 AO anzusehen sei, denn niemand könne nach der Systematik der AO für eigene Steuerschulden haften (Klein/Rüsken, a.a.O., § 71 Rz 1).

12

b) Dieser Ansicht ist das FG unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Haftungsnorm und der in § 33 Abs. 1 AO angeordneten Gleichberechtigung und abgabenrechtlichen Gleichstellung von Steuerschuldner und Haftendem ausdrücklich entgegengetreten. Sofern es aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift den Schluss zieht, dass die Änderung des § 112 RAO im Jahr 1934, mit der die Einschränkung "soweit er nicht Steuerschuldner ist" durch den Zusatz "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" ersetzt wurde, darauf hinweist, dass es der Gesetzgeber für die haftungsrechtliche Inanspruchnahme einer Person fortan für unschädlich gehalten habe, dass diese auch Steuerschuldnerin war, setzt es sich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats. Dieser hatte in seinem Urteil in BFHE 120, 329, BStBl II 1977, 255 ausgeführt, die in § 112 RAO gewählte Ausdrucksweise beruhe nur dem Schein nach auf der Vorstellung, der Steuerschuldner könne zugleich auch Haftender sein. In Wirklichkeit sei die Ausdrucksweise lediglich eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs --RFH-- (Urteil vom 25. Januar 1933 IV A 70/32, RFHE 32, 276), der in Bezug auf die Fassung des § 112 RAO 1931 die Feststellung gefordert habe, dass der in Anspruch Genommene nicht Steuerschuldner sei. Den Sinn und Zweck der 1934 herbeigeführten Rechtsänderung hat der Senat somit lediglich darin erblickt, die Finanzverwaltung von der vom RFH auferlegten Feststellungspflicht zu befreien. Im Übrigen hat der Senat darauf hingewiesen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die erst nachträglich eingefügte Vorschrift des § 112 RAO die bereits durch die §§ 97 und 111 RAO geschaffene Rechtslage (d.h. die Exklusivität von Steuer- und Haftungsschuld) hat ändern wollen.

13

c) In Bezug auf die Entstehungsgeschichte des § 71 AO ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber den Zusatz "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" nicht in die Haftungsvorschrift übernommen und zugleich darauf hingewiesen hat, die Vorschrift entspreche dem bisherigen § 112 RAO (BTDrucks VI/1982, S. 120). Geht man davon aus, dass der Gesetzgeber § 112 RAO 1934 so verstanden hat wie der Senat, wäre die Unterlassung folgerichtig. Ein Widerspruch ergibt sich dann aus der Formulierung des in § 70 AO normierten Haftungstatbestands, der den genannten Zusatz enthält. Nach den dargestellten Grundwertungen der AO und der darauf beruhenden Exklusivität von Steuerschuld und Haftung könnte sich der in § 70 AO normierte Zusatz nach dieser Betrachtung lediglich als überflüssige Klarstellung erweisen, ohne jedoch zwingend einen Umkehrschluss auf den in § 71 AO normierten Haftungstatbestand zuzulassen.

14

3. Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass im Streitfall nach summarischer Prüfung Unsicherheiten in der Beurteilung der Rechtsfrage bestehen, ob das HZA den Antragsteller mit entsprechendem Haftungsbescheid nach § 71 AO als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen konnte, obwohl er nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Steuerschuldner angesehen werden kann. Im Rahmen der im AdV-Verfahren ausreichenden summarischen Überprüfung der Entscheidung des FG hält es der beschließende Senat nicht für geboten, über die aufgeworfenen Rechtsfragen abschließend zu entscheiden. Jedenfalls begründet die von der Rechtsansicht des FG abweichende Rechtsauffassung des Senats und des überwiegenden Schrifttums erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids, so dass dessen Vollziehung in dem bereits genannten Umfang auszusetzen ist.

15

4. Soweit der Antragsteller nach § 71 AO wegen Beihilfe zur Steuerhehlerei als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, begegnet der Haftungsbescheid nach summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist ein Nachweis der Tatbestandserfüllung im summarischen AdV-Verfahren nicht erforderlich, vielmehr ist es als ausreichend zu erachten, wenn das Gericht von Tatsachen ausgeht, die nach seiner Ansicht überwiegend wahrscheinlich sind (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juli 1974  2 BvR 32/74, BVerfGE 38, 35, und Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz 823, m.w.N.). Dem Schlussbericht des Zollfahndungsamts (ZFA) A vom 6. Juli 2016 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller einer von ihm als Serben bezeichneten Person einen neben dem Heizungskeller des Hotels liegenden Abstellraum zur Verfügung gestellt hat, für den er auch einen Schlüssel an seinem Schlüsselbund trug. Darüber hinaus ergab die Auswertung der Ergebnisse einer Telefonüberwachungsmaßnahme, dass zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Antragsteller mit S in Verbindung stand und diesen von der Durchsuchungsmaßnahme und der Sicherstellung der Zigaretten in Kenntnis setzte. Aufgrund der Gespräche und Textnachrichten sowie der Art und Weise der Gesprächsführung und der Stimme kam das ZFA zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller gemeinsam mit S an der Beschaffung, Lagerung und dem Verkauf unversteuerter Zigaretten beteiligt gewesen ist. Durch die bloße Behauptung des Antragstellers, S nicht zu kennen und mit ihm in keiner geschäftlichen Beziehung gestanden zu haben, wird das Ergebnis der Überwachungsmaßnahmen nicht schlüssig widerlegt. Auch die Behauptung, der Kellerraum sei zusammen mit dem Schlüssel einem serbischen Staatsbürger überlassen und im Zeitraum vom 14. bis zum 17. Februar 2016 nicht betreten worden, spricht nicht gegen die Annahme, der Antragsteller habe von den eingelagerten Zigaretten Kenntnis gehabt. Vielmehr besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller im Rahmen des Hotelbetriebs den Raum auch selbst benutzt und hierzu betreten hat, zumal in ihm auch Getränke, Kochgeschirr, Gaststättenutensilien und persönliche Sachen des Antragstellers sowie in einem Tresor persönliche Unterlagen und eine Kellnerbörse mit Geld lagerten. In der Beschwerdebegründung gibt der Antragsteller selbst zu, den Raum genutzt zu haben. In Anbetracht dieses Befundes scheint es nicht wahrscheinlich, dass der Antragsteller erst anlässlich der Durchsuchung von den eingelagerten Zigaretten Kenntnis erlangt hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er ausweislich seiner Stellungnahme im Ermittlungsverfahren vom 15. Juni 2016 es als zutreffend bezeichnet hat, geholfen zu haben, verschlossene und unhandliche Kartons aus dem überlassenen Kellerraum zu einem Fahrzeug zu tragen. Bei lebensnaher Betrachtung ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller wusste, dass S oder eine andere Person mit unversteuerten und unverzollten Zigaretten handelte. Hierzu hat der Antragsteller durch die Überlassung und Mitbenutzung eines zum Hotel gehörenden Lagerraums Beihilfe geleistet und damit den Tatbestand des § 71 AO erfüllt.

16

5. Hinsichtlich des Abgabenbescheids über Einfuhrumsatzsteuer vom 14. September 2016 bestehen ebenfalls keine begründeten Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit. Die sichergestellten Zigaretten trugen überwiegend ukrainische Steuerbanderolen, so dass von der Herkunft aus einem Drittland auszugehen ist. Dies trifft mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf die übrigen Zigaretten zu, bei denen die Markennamen auf eine weißrussische Herkunft hindeuten. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 202, 214 Abs. 2, Art. 215 Abs. 1 ZK am Tag der Sicherstellung der illegal eingeführten Zigaretten im Steuergebiet entstanden ist. Wie bereits dargelegt, hätte der Antragsteller zumindest wissen müssen, dass es sich bei den in großen Mengen --nämlich in 25 bis 30 Müllsäcken-- eingelagerten Zigaretten um unversteuerte Zigaretten gehandelt hat. Jedenfalls deuten die dem Antragsteller zugeordneten Telefongespräche mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass er dies wusste. Im Rahmen der summarischen Überprüfung des Eingangsabgabenbescheids begegnen die Schlussfolgerungen des FG jedenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

17

6. In Hinblick auf Tabaksteuer, die für die mit tschechischen und polnischen Steuerbanderolen versehenen Zigaretten entstanden ist, ist der angefochtene Beschluss des FG aufzuheben und die beantragte AdV zu gewähren. Zwar kann die AdV nach § 69 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 FGO von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, doch scheint eine solche im Streitfall aufgrund der verhältnismäßig geringen Abgabenschuld in Höhe von 135,78 € nicht angebracht, weshalb von einer solchen abgesehen werden kann. Eine mögliche Zurückverweisung an das FG (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, und Birkenfeld in HHSp, § 69 AO Rz 995) kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht.

18

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Tatbestand

1

I.

Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer sowie eines Abgabenbescheids über Einfuhrumsatzsteuer.

2

Im Zuge von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen die gesondert verfolgten A und B wurden am 16.02.2016 aufgrund richterlicher Anordnung die Kellerräume des vom Antragsteller betriebenen Hotels "C" in der X-Straße in ... D durchsucht. Hierbei wurden in einem Kellerraum insgesamt 275.560 Stück Zigaretten ohne deutsche Steuerzeichen aufgefunden und sichergestellt. Davon trugen 22.860 Zigaretten keine, 800 Zigaretten tschechische und 60 Zigaretten polnische Steuerzeichen. Die übrigen Zigaretten trugen ukrainische Steuerzeichen.

3

Im Hinblick auf diese Zigaretten setzte der Antragsgegner mit Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom 14.09.2016 (XXX) Tabaksteuer in Höhe von 43.019,87 € fest. Da sie keine deutschen Steuerzeichen trügen, sei die Tabaksteuer nicht entrichtet. Die Tabaksteuer sei entweder durch Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz entstanden. Schuldner der Steuer sei der unbekannte Dritte, der den Steuerentstehungstatbestand verwirklicht habe. Der Antragsteller habe durch den Schlüssel, den er bei der Durchsuchung bei sich getragen habe, Zugang zu dem Kellerraum gehabt, in dem die Zigaretten aufgefunden worden seien. Außerdem seien dort Gegenstände, die für einen Hotelbetrieb nötig seien, sowie weitere geschäftliche und persönliche Unterlagen des Antragstellers gelagert gewesen. Der Antragsteller habe daher die Zigaretten zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten. Außerdem habe er hierdurch Steuerhehlerei begangen oder an einer solchen Tat teilgenommen, so dass er für die von einem unbekannten Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer hafte. Sofern weitere Steuer- oder Haftungsschuldner bekannt würden, werde der Antragsgegner das Auswahlermessen auch gegenüber diesen Personen ausüben.

4

Für 274.700 Zigaretten - die sichergestellte Menge abzüglich der 860 Zigaretten mit tschechischen und polnischen Steuerzeichen - setzte der Antragsgegner auf derselben tatsächlichen Grundlage mit Abgabenbescheid über Einfuhrumsatzsteuer vom 14.09.2016 (YYY) Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 11.026,94 € fest. Der Antragsteller sei - neben der Person, die die Waren ins Steuergebiet verbracht habe - gemäß § 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich Zollkodex Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, weil er die Zigaretten erworben oder im Besitz gehabt habe, obwohl er zumindest hätte wissen müssen, dass sie vorschriftswidrig verbracht worden seien. Fremdbesitz reiche insoweit aus.

5

Mit zwei im Übrigen gleichlautenden Schreiben vom 28.09.2016 legte der Antragsteller Einspruch gegen die Bescheide ein und beantragte jeweils die Aussetzung der Vollziehung. Er habe den Tatbestand des § 374 Abs. 1 AO nicht verwirklicht, weil er weder Einführer noch Verbringer oder Lieferant der Zigaretten sei. Er habe die Zigaretten nicht zum Weiterverkauf erworben oder zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten.

6

Er sei Inhaber eines Hotels, das unter der Woche hauptsächlich von Monteuren besucht werde. Erst ab 18:00 Uhr kümmere er sich um seinen Hotelbetrieb. Tagsüber gehe er einer anderen Tätigkeit nach. Er habe an den vermutlichen Steuerschuldner, einen serbischen Staatsbürger, ein Zimmer vermietet und ihm auf seine Bitte eine kurzzeitige Unterstellmöglichkeit für seine Waren zur Verfügung gestellt. Dies habe er getan, weil dieser ihm aus einem finanziellen Engpass geholfen habe. Den Kellerraum nutze er - der Kläger - nicht täglich. Zwar habe er beim Betreten des Kellerraums gesehen, was der Serbe dort untergestellt habe, und ihm seien Bedenken gekommen. Er habe jedoch Angst vor dieser Person gehabt und darauf gehofft, dass er die Ware entfernen würde. Verfügungsgewalt über die Zigaretten habe er keine gehabt.

7

Die Telefonüberwachung habe keinen revisionssicheren Beweis dafür erbracht, dass er - der Antragsteller - den gesondert verfolgten A nach der Hausdurchsuchung angerufen habe. Er sei auch bei der vorangegangenen Observation nicht in Erscheinung getreten.

8

Mit Bescheid vom 10.11.2016 (RBL-1) lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer ab, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids auf der Grundlage der Feststellungen des Steuerstrafverfahrens, die sich der Antragsgegner zu eigen mache, nicht bestünden. Aufgrund der Menge, der verschiedenen Marken und der Auffindesituation der Zigaretten sei davon auszugehen, dass der Antragsteller sie zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten habe. Die hehlerische Handlung könne im Verschaffen, Absetzen oder der Absatzhilfe liegen. Hierzu gehöre auch das Zur-Verfügung-Stellen eines Zwischenlagers. Aufgrund der Gesamtumstände sei nicht feststellbar, ob der Antragsteller an der Einfuhr beteiligt gewesen sei bzw. auf welchem Transportweg die Zigaretten ins Steuergebiet gelangt seien. Gründe für eine Aussetzung der Vollziehung wegen einer unbilligen Härte seien nicht ersichtlich.

9

Mit Bescheid vom 10.11.2016 (RBL-2) lehnte der Antragsgegner gemäß Art. 45 UZK auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abgabenbescheids über Einfuhrumsatzsteuer ab, weil begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids auf der Grundlage der Feststellungen des Steuerstrafverfahrens, die sich der Antragsgegner zu eigen mache, nicht bestünden. Weil er über die Schlüsselgewalt und die tatsächliche Sachherrschaft über den Inhalt des Kellerraums verfügt habe, sei er Besitzer der Zigaretten, die zuvor von Unbekannten in das EU-Zollgebiet verbracht worden seien. Als solcher sei er Steuerschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich ZK. Anhaltspunkte für einen unersetzbaren Schaden im Falle der Vollziehung des Bescheids seien nicht ersichtlich.

10

Am 08.11.2016 hat der Antragsteller beim Finanzgericht E, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 08.12.2016 (...) an den erkennenden Senat verwiesen hat, die gerichtliche Aussetzung der beiden Bescheide beantragt. Er beruft sich auf seinen vorgerichtlichen Vortrag sowie den Vortrag vom 15.06.2016 gegenüber der Staatsanwaltschaft F im Verfahren .... In dem Wandsafe, der sich in dem Raum befinde, in dem die Zigaretten sichergestellt worden seien, bewahre er die an jedem Freitag vereinnahmten Übernachtungsentgelte auf. Die Menge der Zigaretten, für die Steuern gefordert würden, weiche von der Menge ab, die im Durchsuchungsprotokoll vermerkt sei.

11

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer vom 14.09.2016 und des Steuerbescheids über Einfuhrumsatzsteuer vom 14.09.2016 auszusetzen.

12

Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.

13

Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag. Es treffe zu, dass die Anzahl der Zigaretten, die in den Bescheiden genannt seien, nicht identisch sei mit der im Sicherstellungsverzeichnis genannten Menge. In den Bescheiden habe man die Zigarettenmenge zugrunde gelegt, die ausweislich des Vermerks zum Mehr- bzw. Fehlmengen vom 01.03.2016 bei Einlieferung in der Nebenzollzahlstelle des HZA F festgestellt worden sei.

14

Bei der Entscheidung haben die Einspruchshefte des Antragsgegners (RBL-Nr.-1 und -2) sowie die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft F vom 17.10.2016 (...) vorgelegen. Auf sie wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

II.

Der gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer hat in der Sache keinen Erfolg. Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen. Nach § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

16

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st. Rspr. des BFH, Beschl. v. 26.08.2004, V B 243/03, juris, Rn. 14 unter Bezugnahme auf Beschl. v. 10.02.1967, III B 9/66, BFHE 87, 447). Die Aussetzung der Vollziehung setzt dabei nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH, Beschl. v. 26.04.2004, VI B 43/04, juris Rn. 11; Beschl. v. 20.05.1997, VIII B 108/96, juris Rn. 41). Sie kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (vgl. BFH, Beschl. v. 23.08.2004, IV S 7/04, juris Rn. 21). Gemäß § 69 Abs. 2 S. 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Die Umstände, die die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 155 S. 1 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 123. EL, Mai 2010, § 69 FGO Rn. 94, 123).

17

1. Gemessen an diesen Maßstäben ist der Haftungsbescheid über Tabaksteuer vom 14.09.2016 voraussichtlich rechtmäßig. Die Voraussetzungen von § 71 AO sind voraussichtlich erfüllt. Danach haftet Derjenige, der eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern sowie für die Zinsen (§ 235 AO). Der Antragsteller hat überwiegend wahrscheinlich jedenfalls an einer Steuerhehlerei teilgenommen (dazu 1.1). Dass er im Hinblick auf manche der Zigaretten, für die Tabaksteuer geltend gemacht wird, auch voraussichtlich Steuerschuldner ist, steht seiner Inhaftungnahme nicht entgegen (dazu 1.2). Der Höhe nach ist der Bescheid nicht zu beanstanden (dazu 1.3). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (dazu 1.4).

18

1.1 Der Antragsteller hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die am 16.02.2016 sichergestellten Zigaretten jedenfalls eine Beihilfe zur Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1 AO i. V. m. § 27 Abs. 1 StGB geleistet. Nach § 374 Abs. 1 AO wird als Steuerhehler bestraft, wer Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern hinterzogen worden sind, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Nach § 27 Abs. 1 StGB wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Diese Voraussetzungen sind voraussichtlich erfüllt.

19

Eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat liegt überwiegend wahrscheinlich vor. Da die sichergestellten Zigaretten keine deutschen Steuerbanderolen trugen, steht fest, dass diesbezüglich Tabaksteuern hinterzogen worden sind. Der als Haupttäter gesondert verfolgte A hat sich diese Zigaretten mit Bereicherungsabsicht verschafft. Ansonsten hätte er sie nicht beim Antragsteller einlagern können. Es kann dahinstehen, ob der A zugleich auch an diesen Zigaretten eine Steuerhinterziehung begangen hat. In diesem Fall würde die Steuerhehlerei lediglich auf Konkurrenzebene als mitbestrafte Nachtat hinter der Steuerhinterziehung zurücktreten (Beckemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 225. EL Nov. 2013, § 374 AO Rn. 71). Als rechtswidrige Haupttat, zu der Beihilfe geleistet werden kann, bliebe sie bestehen.

20

Zu dieser Haupttat hat der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Beihilfe geleistet. Der Senat geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Antragsteller jedenfalls Lagermöglichkeiten zur Verfügung gestellt hat. Eine derartige Handlung kann zwar keine Tathandlung im Sinne von § 374 AO sein, kommt jedoch als Beihilfehandlung in Betracht (Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 51. EL Nov. 2014, § 374 AO Rn. 51, 73 m. w. N.). Eine physische Beihilfe liegt bei jeder Bewirkungshandlung vor, die der Verwirklichung der Haupttat dient (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 27 Rn. 10). Der Senat hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller dem mutmaßlichen Haupttäter A den Kellerraum leih- oder mietweise überlassen hat. Dies hat der Antragsteller selbst eingeräumt. Er habe sich hierzu überreden lassen, weil er dem A Geld schulde. Durch das Zurverfügungstellen eines auf den ersten Blick unverdächtigen Verstecks hat der Antragsteller die Steuerhehlerei des A unterstützt.

21

Der Senat hält es auch für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller Vorsatz im Hinblick auf die Haupttat sowie seine Beihilfehandlung hatte. Während der Antragsteller bei der Staatsanwaltschaft F mit Schreiben vom 15.06.2016 (S. 4) noch angab, keine Kenntnis vom Inhalt der Kartons und der Müllsäcke, die der A in seinem Hotel eingelagert hatte, zu haben, räumt er in der Einspruchsbegründung vom 28.09.2016 (S. 2) ein, dass er beim Betreten des Kellerraums mitbekommen habe, was der serbische Gast dort abgestellt habe. Damit gibt er zu, Kenntnis von den unversteuerten und unverzollten Zigaretten erhalten zu haben. In Anbetracht der Menge der Zigaretten und ihres Lagerorts muss bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen werden, dass er somit wusste, dass der A mit unversteuerten und unverzollten Zigaretten Handel trieb und er durch das Bereitstellen eines Lagers diese Tätigkeit unterstützte.

22

Da es für das Erfüllen des Tatbestands von § 71 AO ausreicht, dass der Antragsteller den Kellerraum in Kenntnis vom Inhalt der Ware zur Verfügung gestellt hat, kann dahinstehen, ob es der Antragsteller war, der den A über die Durchsuchung in seinem Hotel telefonisch informierte, und unter welchen Umständen er dem gesondert verfolgten B beim Abtransport der Kartons geholfen hat.

23

1.2 Der Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner nach § 71 AO steht nicht entgegen, dass er jedenfalls für Tabaksteuer in Höhe von 135,78 €, die auf 800 Zigaretten "M-1" mit tschechischen Steuerbanderolen (126,05 €) und 60 Zigaretten "M-2" mit polnischen Steuerbanderolen (9,73 €) entfallen, zugleich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Steuerschuldner ist.

24

1.2.1 Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller - neben den unbekannt gebliebenen Personen, die die Ware verbracht oder eingeführt haben - im Hinblick auf diese Zigaretten Steuerschuldner gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG ist. Danach ist - anders als bei der Einfuhr über einen Drittstaat, bei dem gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TabStG nur derjenige die Steuer schuldet, der an der Einfuhr beteiligt ist - im Falle der Verbringung der Schmuggelware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat Steuerschuldner auch derjenige, der die Tabakwaren in Besitz hält, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat.

25

1.2.1.1 § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG ist vorliegend anwendbar, weil die Tabak-steuer gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 TabStG durch Verbringen der Ware aus einem anderen EU-Mitgliedstaat und dem erstmaligen Inbesitzhalten zu gewerblichen Zwecken entstanden ist. Der Senat hält es nach Aktenlage nämlich für überwiegend wahrscheinlich, dass jedenfalls die 60 Zigaretten "M-2" mit polnischen Steuerbanderolen und die 800 Zigaretten "M-1" mit tschechischen Steuerbanderolen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, nämlich Polen bzw. Tschechien, ins Steuergebiet verbracht wurden. Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass diese Zigaretten die Steuerbanderolen dieser Länder tragen.

26

1.2.1.2 Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller Besitzer bzw. Empfänger im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG ist.

27

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 11.11.2014 (VII R 44/11, ZfZ 2015, 108) zu § 19 S. 2 TabStG 1993 - der Vorgängervorschrift von § 23 Abs. 1 TabStG - entschieden, dass Empfänger der Tabakwaren auch derjenige sein kann, der sie vom eigentlichen Verbringer oder Versender übernimmt (Rn. 13 des Urteils). Zwar sei der Wortlaut von § 19 S. 2 TabStG 1993 insoweit mehrdeutig. Er müsse jedoch im Lichte von Art. 7 und 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass Empfänger auch diejenige Person sein könne, die nach dem eigentlichen Verbringungsvorgang Besitz an den Waren erlange.

28

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat für § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG an (siehe bereits FG Hamburg, Beschl. v. 18.11.2016, 4 V 142/16, EFG 2017, 182 = juris Rn. 23), weil zwischen dem Wortlaut dieser Norm und § 19 S. 2 TabStG 1993 keine wesentlichen Unterschiede bestehen (BR-Drs. 169/09 v. 20.02.2009, S. 144: "[§ 23] Absatz 1 entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung"; so auch Weidemann, ZfZ 2015, 111).

29

Ein Besitzer im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG war auch der Antragsteller. Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, die von einem Besitzwillen getragen ist (BFH, Urt. v. 20.01.1998, VII R 57/97, juris, Rn. 12; Urt. v. 02.12.2003, VII R 17/03, juris Rn. 14 m. w. N.). Ausreichend ist der Mitbesitz (BFH, Urt. v. 06.10.1988, VII R 20/98, juris Rn. 16; FG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2003, 4 K 1963/02, juris Rn. 52; FG Bremen, Urt. v. 29.02.2016, 4 K 51/14, juris Rn. 38). Dieser setzt voraus, dass mehrere Personen eine bewegliche Sache in der Weise besitzen, dass jeder die ganze Sache besitzt und dabei durch den gleichen Besitz der anderen beschränkt ist (Palandt/Bassenge, 74. Aufl. 2015, § 866 BGB, Rn. 1). Zwar ist typischerweise der Hotelinhaber bei vermieteten Hotelzimmern nur mittelbare Besitzer (Zeising, ZMR 2009, 578, 580 [re. Sp.]). Vorliegend liegt jedoch eine atypische Situation vor. Der Antragsteller hat dem A nämlich kein Hotelzimmer vermietet, sondern einen Lagerraum lediglich zur Mitbenutzung überlassen. Nach seinem eigenen Vortrag hatte der A noch nicht einmal einen eigenen Schlüssel bei sich, sondern dieser wurde in einer Schublade im Hotel gelagert. Ferner hatte der Antragsteller einen Schlüssel zu diesem Lagerraum an seinem Schlüsselbund. Er benötigte auch unabhängig von dem A Zugang zu dem Raum, weil er dort Gegenstände gelagert hatte, die er zumindest wöchentlich benötigte. Außerdem befand sich dort ein Wandsafe, in dem er seine Einnahmen verwahrte. In einer solchen Situation, in der offen ein Schlüssel zurückgehalten und der Raum lediglich zur gleichberechtigten Mitbenutzung überlassenen wird, haben beide Zugangsberechtigte Mitbesitz an den dort lagernden Gegenständen (Zeising, ZMR 2009, 578, 580 [li. Sp.] unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 10.01.1979, VIII ZR 302/77, NJW 1979, 715 = juris Rn. 11).

30

1.2.2 Der Umstand, dass der Antragsteller im Hinblick auf die genannten 860 Zigaretten auch Steuerschuldner ist, steht seiner Inhaftungnahme nach § 71 AO nicht entgegen. § 71 AO enthält nämlich kein negatives Tatbestandsmerkmal, nachdem der In Haftung Genommene kein Steuerschuldner sein darf. Der Senat hat hierzu im Beschluss vom 18.11.2016 (4 V 142/16, EFG 2017, 182, 183) ausgeführt:

31

"Zwar bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des VII. Senats des Bundesfinanzhofs "haften" im Sinne der Abgabenordnung das Einstehen für eine fremde Schuld. Daher sei es ausgeschlossen, dass jemand für eine eigene Schuld hafte (BFH, Urt. v. 12.05.1970, VII R 34/68, BStBl II 1970, 606, BFHE 99, 178, 180 = juris Rn. 10, zu § 111 RAO; Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, BFHE 120, 329, 332 f. = juris Rn. 13 f., zu § 111 RAO; Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, BFHE 149, 505, 506 = juris Rn. 6; Urt. v. 14.12.1988, VII R 107/86, BFH/NV 1989, 549, 550 = juris Rn. 10; BFH, Beschl. v. 11.07.2001, VII R 29/99, HFR 2002, 277, juris Rn. 11; im Anschluss hieran BFH, Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, BFHE 212, 398, 404 = juris Rn. 27; a. A. noch BFH, Urt. v. 30.11.1951, II z 148/51 U, BFHE 56, 39, 42 = juris Rn. 11, zu § 111 AO). Zur Begründung der Exklusivität von Schuld und Haftung in der Abgabenordnung wird neben dem Postulat einer begrifflichen Unvereinbarkeit von Schuld und Haftung (BFH, Urt. v. 15.04.1987, VII R 160/83, juris Rn. 6; Urt. v. 07.03.2006, X R 8/05, juris Rn. 27) darauf abgestellt, dass in § 97 Abs. 2 RAO die Vorschriften für die Steuerpflichtigen, die nach § 97 Abs. 1 RAO nur die Steuerschuldner waren, nur sinngemäß auf die Haftenden für anwendbar erklärt wurden und nach § 149 RAO ein Haftungsbescheid grundsätzlich nicht mehr ergehen durfte, wenn die Steuerschuld verjährt war. Hierin komme nicht nur zum Ausdruck, dass primär der Steuerschuldner herangezogen werden solle und dass die Haftung nur eine Hilfsfunktion ausübe, sondern auch, dass nur derjenige haften könne, der nicht selbst Steuerschuldner sei (BFH, Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13).

32

Die überwiegende Literatur hat sich dieser Ansicht auch im Hinblick auf § 71 AO angeschlossen (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 233. EL Juni 2015, § 71 AO Rn. 4; Jatzke in Beermann/Gosch, AO/FGO, 124. EL, § 71 AO, Rn. 7; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7 vor § 69 AO Rn. 11; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 142. EL Okt. 2015, § 33 AO Rn. 5; Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 46 f.; a. A. Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 1990, S. 9, 96 m. w. N.). Für § 71 AO würde das Dogma der Exklusivität von Schuld und Haftung bedeuten, dass die Vorschrift um das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal (so ausdrücklich Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) "und der Haftende kein Steuerschuldner ist" ergänzt werden müsse.

33

Der Senat teilt diese Auffassung im Hinblick auf § 71 AO nicht. Die vom Bundesfinanzhof erstmals zu § 111 Abs. 1 RAO entwickelte Begründung für die Exklusivität von Schuld und Haftung ist unter der Geltung der heutigen Abgabenordnung nicht auf § 71 AO übertragbar. § 71 AO ist folglich nicht um ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal zu ergänzen. Weder begriffliche noch gesetzessystematische oder historische Argumente machen eine derartige Ergänzung des Wortlauts erforderlich. Die Genese von § 71 AO sowie ihrer Vorgängervorschriften sprechen vielmehr eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber bewusst auf dieses zusätzliche Merkmal verzichtet hat. Im Einzelnen:

34

Zunächst ist es begrifflich keineswegs zwingend, dass sich Schuld und Haftung gegenseitig ausschließen. Die Wörter "Schuld" und "Haftung" allein legen dies gerade nicht nahe. Begrifflich schließen sie sich nur dann aus, wenn Schuld und Haftung als exklusive Rechtsinstitute definiert werden. Ebenso gut lässt sich Haftung auch als Eigenhaftung definieren (so ausdrücklich Mösbauer, a. a. O., S. 9 und S. 96; Goutier, Die Haftung im Steuerrecht, 1978, S. 17). Die Abgabenordnung definiert den ihr zugrundeliegenden Haftungsbegriff nicht. § 191 Abs. 1 AO bestimmt lediglich den Begriff "Haftungsschuldner" als diejenige Person, die "kraft Gesetzes für eine Steuer haftet". Die Vorschrift verweist damit auf den Inhalt der Haftungstatbestände (§§ 69-76 AO), ohne diese inhaltlich näher zu konkretisieren. Im Übrigen verwendet die Abgabenordnung die Begriffe Schuld und Haftung nicht konsistent. Neben der genannten Legaldefinition des Haftungsschuldners als Haftender i. S. d. §§ 69 ff. AO spricht § 45 Abs. 2 S. 1 AO von der "Haftung" der Erben, meint aber deren bürgerlich-rechtliche Schuld. § 45 Abs. 2 S. 2 AO wiederum verweist mit den Vorschriften über eine "steuerrechtliche Haftung der Erben" wiederum auf die §§ 69 ff. AO.

35

Darüber hinaus ist das vom Bundesfinanzhof zur Begründung für sein Postulat angeführte Verhältnis zwischen Steuerschuld und Haftung, das in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 RAO zum Ausdruck kam (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13), mittlerweile dogmatisch umgestaltet worden. In § 33 Abs. 1 AO werden Steuerschuldner und Haftende gleichberechtigt und -verpflichtet als Steuerpflichtige benannt. Sie werden damit abgabenrechtlich gleichgestellt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, vor § 69 AO Rn. 12; Olgemöller, Haftung für Zollschulden, ZfZ 2006, 74, 77 m. w. N.) und konsequenterweise in § 44 Abs. 1 AO als Gesamtschuldner behandelt.

36

Selbst wenn mit dem Bundesfinanzhof (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 13) die Akzessorietät und Subsidiarität der Haftung gegenüber der Steuerschuldnerschaft (§§ 191 Abs. 5 S. 1, § 219 S. 1 AO) Anhaltspunkte für eine vom Gesetzgeber gewollte Exklusivität von Schuld und Haftung wären, könnten sie - anders als bei § 111 RAO, auf den sich das genannte Urteil des Bundesfinanzhofs bezog - für die hier in Rede stehende Haftung nach § 71 AO nicht fruchtbar gemacht werden. Die Haftung des Steuerhehlers ist nämlich weder akzessorisch (§ 191 Abs. 5 S. 2 AO) noch subsidiär (§ 219 S. 2 AO).

37

Weiter belegt die Entwicklung der Wortlaute der Vorgängervorschriften von § 71 AO, dass der Abgabenordnung für den hier in Rede stehenden Bereich der Steuerhaftung des deliktisch Handelnden nicht die ungeschriebene Vorstellung zugrunde lag, dass eine Person nicht auch für eine eigene Schuld haften könne. Im Einzelnen: Unmittelbarer Vorläufer von § 71 AO war der im Jahre 1929 in die RAO 1919 eingefügte § 92a AO (Art. VII Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes v. 22.12.1929, RGBl. 1929 I 234, 238), der unverändert als § 112 in die Reichsabgabenordnung 1931 RAO (RGBl. 1931 I 161, 177) übernommen wurde. Die Vorschrift enthielt in ihrer ursprünglichen Fassung die Voraussetzung, dass der Steuerhinterzieher oder Steuerhehler nur haftet, "soweit er nicht Steuerschuldner ist". Sie geht auf die Studie von Goetzeler (Die Steuerhinterziehung als Rechtsgrundlage für die steuerliche Pflicht des Hinterziehers, VJSchrStuFR 1928, 197) zurück, der die Steuerdeliktsobligation nicht als Steuerschuld-, sondern als Haftungstatbestand begriff (a. a. O., insbes. S. 241 ff., 259 ff.). Zweck der Vorschrift war es, den Steuerhinterzieher, der nicht bereits Steuerschuldner ist, neben dem Steuerschuldner in Anspruch nehmen zu können (Reinhardt, Haftung bei Steuerhinterziehung (§ 112 AO), DStZ 1936, 597, 597). Die Vorschrift des § 112 RAO ging also nach ihrem klaren Wortlaut von einer Exklusivität von Schuld und Haftung aus. Konsequenterweise verlangte der Reichsfinanzhof, dass für die Geltendmachung des Haftungsanspruchs aus § 112 RAO grundsätzlich die Feststellung erforderlich sei, dass der in Anspruch Genommene nicht Steuerschuldner sei (Urt. v. 25.01.1933, IV A 70/32, RFHE 32, 276).

38

In Reaktion auf dieses Urteil wurde § 112 RAO jedoch im Jahre 1934 dahingehend geändert, dass der in Anspruch Genommene haftet, "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" (Abschnitt II Nr. 10 des Steueranpassungsgesetzes v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925, 932). Der Gesetzgeber wollte die Finanzbehörden hierdurch von der Notwendigkeit entbinden, die Feststellung treffen zu müssen, dass der in Haftung Genommene nicht Steuerschuldner ist. Dieser Arbeitsaufwand sei fachlich nicht gerechtfertigt, weil es für den in Anspruch Genommenen unerheblich sei, ob er als Steuerschuldner oder Haftender verpflichtet werde (Reinhardt, a. a. O., 598). Für die Inhaftungnahme einer Person war es nach dieser Gesetzesänderung damit unschädlich, dass sie auch Steuerschuldnerin war. Die hierin zum Ausdruck kommende Koexistenz von Schuld und Haftung bei der Heranziehung des Steuerhinterziehers entsprach der seit 1931 vertretenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Reichsgerichts zu einer Vorgängervorschrift von § 92a bzw. 112 RAO, dem § 135 Vereins-Zollgesetz (VZG, Text bei Bax, Die Haftung nach allgemeinem Abgabenrecht aus steuer- und verfassungsrechtlicher Sicht, 1991, S. 43). Nach § 135 S. 2 VZG musste der Steuerhehler die hinterzogenen Abgaben entrichten, und zwar unabhängig davon, ob er Steuerschuldner i. S. v. § 13 VZG war (RFH, Urt. v. 02.03.1931, IV A 217/31, RFHE 30, 227, 229 f.).

39

Aus der Änderung des Wortlauts von § 112 RAO im Jahr 1934 wurde in der Literatur zurecht gefolgert, dass damit das Postulat des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei, überholt sei (von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, RAO/FGO, 77. EL Juni 1974, Rn. 1; so i. E. auch noch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 1961, § 112 RAO; die Gesetzesänderung ignorierend dagegen: Kühn, Reichsabgabenordnung, 2. Aufl. 1950, § 112 Rn. 2). Auch der Bundesfinanzhof erwähnt die durch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs ausgelöste Änderung des § 112 RAO, erläutert jedoch nicht, warum die eindeutig gegen eine Exklusivität von Schuld und Haftung sprechende Formulierung ("auch wenn er nicht Steuerschuldner ist") "nur dem Scheine" nach auf der Vorstellung der Koexistenz von Schuld und Haftung beruhen solle (Urt. v. 19.10.1976, VII R 63/73, juris Rn. 14).

40

Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte der heutigen Fassung von § 71 AO gegen die Exklusivität von Schuld und Haftung bei dieser Norm. § 112 RAO i. d. F. von 1934 blieb bis zur Ablösung durch § 71 AO unverändert. In den gleichlautenden Entwürfen der Abgabenordnung 1974 wurde - unter Erweiterung auf die Teilnehmer an der Steuerstraftat - dessen Inhalt in § 71 AO übernommen (BT-Drs. VI/1982, S. 29; 7/79, S. 30), wobei der Zusatz "auch wenn er nicht Steuerschuldner ist" weggelassen wurde. In der Begründung der Abgabenordnung 1974 heißt es lediglich: "Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 112 AO" (BT-Drs. VI/1982, S. 120). Die Auslassung des genannten Zusatzes wird in der Begründung nicht erwähnt. Dass der Entwurf von § 71 AO einerseits betont, dass die Vorschrift dem bisherigen § 112 RAO entspreche, die Auslassung des hier in Rede stehenden Einschubs dagegen nicht erwähnt, kann nur so verstanden werden, dass es sich hierbei um eine Änderung handeln sollte, die den materiellen Gehalt der Norm nicht verändert. Damit sollte das Verhältnis von Schuld und Haftung bei § 71 AO so beibehalten werden, wie es bereits in § 112 AO ausgestaltet war. Der Wortlaut von § 112 RAO i. d. F. von 1934, wonach der in Anspruch Genommene haftet, auch wenn er nicht Steuerschuldner ist, kann jedoch nur so verstanden werden, dass gerade keine Exklusivität von Schuld und Haftung besteht. Die Umformulierung des hier in Rede stehenden Einschubs war - wie dargelegt - gerade eine Reaktion auf die Forderung des Reichsfinanzhofs, dass festgestellt werden müsse, dass der Haftende nicht Steuerschuldner sei.

41

Hätte man das Exklusivitätsdogma in § 71 AO positivieren und damit zur ursprünglichen Fassung von § 112 RAO zurückkehren wollen, hätte dies in der Gesetzesbegründung zur Abgabenordnung 1974 Anklang finden müssen. Dass dies gerade nicht gewollt war, ergibt sich aus einem Vergleich mit der Gesetzesbegründung zu § 70 AO. Dort wurde nämlich - in Ergänzung der Vorgängervorschrift des § 111 Abs. 1 RAO - aufgenommen, dass nur diejenigen Vertretenen haften könnten, "soweit sie nicht Steuerschuldner sind". Zur Begründung (BT-Drs. VI/1982, S. 119) wird ausdrücklich Bezug genommen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 12.05.1970 (VII R 34/68, BStBl. II 1970, 606), in der er für § 111 RAO - in Abkehr von einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 1951 (siehe oben) - gestützt auf § 97 Abs. 2 AO die Exklusivitätsthese von Schuld und Haftung aufgestellt hatte. Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber auf die dargelegte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reagiert hat. Dies erfolgte allerdings in Bezug auf die Vorschrift, zu der sich auch die Entscheidungen verhalten, nämlich § 111 RAO bzw. § 70 AO, nicht jedoch zu § 71 AO. "Kurios" (so Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 71 AO Rn. 7) ist der Umstand, dass § 70 AO sich - anders als § 111 RAO - mit dem Verhältnis von Schuld und Haftung auseinandersetzt, während § 71 AO dies - anders als § 112 RAO - nicht tut, nur dann, wenn man von einem ungeschriebenen Exklusivitätsdogma von Schuld und Haftung ausgeht. Löst man sich jedoch von diesem Vorverständnis, stellt sich die Neufassung von §§ 70 f. AO als planvolle Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.

42

Auch wenn der Befund zutreffen mag, dass sich nach der "Systematik der Abgabenordnung" (so Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 71 Rn. 1) oder "dem Steuerrecht" (so Koch in AO 1977, 2. Aufl. 1979, § 71 Rn. 3; ähnlich Bax, a. a. O., S. 28 m. w. N.; siehe schon Arens, Zum Begriff der Haftung im geltenden Steuerrecht, VJSchrStuFR 1927, 567, 574 u. 647; Goetzeler, a. a. O., 236) Schuld und Haftung ausschließen, man also nur für eine fremde Schuld haften kann, handelt es sich hierbei nicht um ein Dogma, sondern einen Grundsatz, der sich aus der Analyse des einfachen Rechts ergeben hat. Dies impliziert, dass Durchbrechungen möglich sind (siehe bereits Goetzeler, a. a. O., 236). Die vorigen Ausführungen zeigen, dass im Falle von § 71 AO eine solche Ausnahme gemacht wurde. Sähe man dies anders, könnte der Zweck der Haftung - die Sicherung der Zahlung der Steuerschuld - nur noch schwer erreicht werden, wenn die Steuerbehörde - wie im vorliegenden Fall - bei Erlass des Bescheids nicht genau wissen kann, ob die Besitzerin der Zigaretten, die statt der unbekannten Schmuggler herangezogen werden soll, Steuerschuldnerin oder Haftende ist.

43

Die nach der hier vertretenen Lesart von § 71 AO gegenüber anderen Haftungsvorschriften vereinfachte Inanspruchnahme des Haftenden fügt sich nahtlos ein in eine Reihe von Vorschriften, die die Inanspruchnahme des Steuerhinterziehers gegenüber anderen Steuerpflichtigen erleichtern. Neben den bereits erwähnten §§ 191 Abs. 5 S. 2 und 219 S. 2 AO wird durch § 169 Abs. 1 S. 2 AO die Festsetzungsfrist für die hinterzogene Steuer auf zehn Jahre ausgedehnt. Die Sperrwirkung für die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden, die auf eine Außenprüfung zurückgehen, gilt nicht im Falle einer Steuerhinterziehung (§ 173 Abs. 2 AO). Außerdem ist mit § 235 AO eine Verzinsungspflicht für hinterzogene Steuern niedergelegt.

44

Schließlich findet sich auch an anderer Stelle im Steuerrecht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Exklusivität von Schuld und Haftung. In § 7 Abs. 8 S. 3 Versicherungsteuergesetz (BGBl. 1996 I 22) wird die Grenze zwischen Schuld und Haftung vollständig aufgehoben, indem der Haftende sowohl durch Steuer- als auch durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann. Die Frage, ob der Steuerschuldner auch als Haftender (durch Haftungsbescheid) in Anspruch genommen werden darf, kann vor diesem Hintergrund nicht kategorial beantwortet werden. Es ist vielmehr eine Frage der steuerpolitischen Wertung, wie weit die Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung reichen sollen und welcher begründungsmäßige Aufwand hierfür erforderlich ist. Die Antwort hierauf hat der Gesetzgeber über die Zeit unterschiedlich und nuanciert für verschiedene Haftungstatbestände gegeben."

45

An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.

46

1.3 Die Höhe der festgesetzten Tabaksteuer ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt, warum die Mengenangaben der einzelnen Zigarettensorten im Haftungsbescheid von denen im Sicherstellungsverzeichnis abweichen. Sie stimmen vielmehr mit denen überein, die beim Nachzählen der sichergestellten Zigaretten bei der Nebenzollzahlstelle des HZA F festgestellt wurden. Der Antragsteller ist dieser nachvollziehbaren Begründung nicht weiter entgegengetreten.

47

Für die Berechnung der Höhe der Tabaksteuer wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Anlage zum Haftungsbescheid (Bl. 23 der Akte) verwiesen.

48

1.4 Das dem Antragsgegner gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO eröffnete Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Entschließungs- und Auswahlermessen der Finanzbehörde im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat in der Weise vorgeprägt ist, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf. Nach dieser ständigen Rechtsprechung gilt die Vorprägung des Ermessens uneingeschränkt und ausnahmslos, so dass auch die Höhe des Haftungsanspruchs erfasst wird (BFH, Beschl. v. 14.02.2006, VII B 119/05, juris Rn. 8 m. w. N.). Vorliegend hat der Antragsgegner erkannt, dass ihm Ermessen zusteht und er dies entsprechend den genannten Grundsätzen ausüben darf.

49

2. Dafür, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung des Bescheids eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte droht, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

50

III.

Der gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids über Einfuhrumsatzsteuer hat in der Sache keinen Erfolg.

51

Die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrumsatzsteuerbescheids, auf den gemäß § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten, folgen auch im finanzgerichtlichen Verfahren aus Art. 45 UZK (hinsichtlich der Festsetzung von Zoll bereits FG Hamburg, Beschl. v. 12.04.2017, 4 V 16/17, S. 8 BA). Nach Art. 45 Abs. 2 UZK setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt ist, ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Zwar benennt die Vorschrift als Adressaten lediglich die Zollbehörden. Sie ist jedoch auch von den Gerichten als materieller Entscheidungsmaßstab anzuwenden. Aufgrund der Verweisung in § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 FGO auf § 69 Abs. 2 S. 2 ff. FGO beschränken sich die gerichtlichen Befugnisse nämlich auf dasjenige, was die Zollbehörden selbst anordnen können. Werden die Befugnisse der Zollbehörden nach §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 FGO durch unionsrechtliche Regelungen überlagert, muss dies auch für das gerichtliche Verfahren gelten (st. Rspr. des BFH zu Art. 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), vgl. Urt. v. 19.04.2011, VII B 234/10, BFH/NV 2011, 1202; zu Art. 45 UZK vgl. Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 8. EL Sept. 2016, Art. 45 UZK Rn. 34).

52

Art. 45 UZK ist zeitlich anwendbar. Verfahrensrechtliche Vorschriften, zu denen auch Art. 45 UZK gehört, sind nämlich auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts anhängigen Rechtsstreitigkeiten anzuwenden (EuG, Urt. v. 10.05.2001, verb. Rs. T-186, 187, 190-192, 210, 211, 216-218, 279, 280, 293/97 und T-147/99, Rn. 35; EuG, Urt. v. 09.06.1998, T-10, 11/97, Rn. 18 f. [bestätigt durch EuGH, Urt. v. 09.12.1999, C-299/98]). Damit ist nach dem 01.05.2016 über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art. 45 UZK zu entscheiden, auch wenn bei Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer am 16.02.2016 - dem Tag der Sicherstellung - der UZK noch nicht in Kraft war (so bereits zur Anwendbarkeit von Art. 244 ZK: BFH, Beschl. v. 11.07.2000, VII B 41/00, BFH/NV 2000, 1512 = juris Rn. 9; s. a. FG Hamburg, Beschl. v. 12.04.2017, 4 V 16/17, S. 8 BA).

53

1. Gemessen an diesem Maßstab bestehen keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids über Einfuhrumsatzsteuer vom 14.09.2016.

54

1.1 Ermächtigungsgrundlage für die Geltendmachung der Einfuhrumsatzsteuer ist § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG i. V. m. Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a), 214 Abs. 2 und 215 Abs. 1 ZK. Nach § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß. Art. 202 ZK ist zeitlich anwendbar, weil es sich - genau wie bei Art. 79 UZK - um eine materiellrechtliche Vorschrift handelt. Derartige Normen sind grundsätzlich nur auf Sachverhalte anzuwenden, die sich während ihrer Gültigkeit zugetragen haben (EuGH, Urt. v. 12.11.1981 verb. Rs. 212-217/80, Rn. 9 f. - Salumi). Bei Entstehung der Steuer am 16.02.2016 galt noch der Zollkodex. Da die Art. 214 und 215 ZK den Art. 202 ZK ergänzen, teilen sie hinsichtlich der Anwendbarkeit dessen Schicksal.

55

1.2 Die Einfuhrumsatzsteuer ist gemäß Art. 202, 214 Abs. 2, 215 Abs. 1 ZK am 16.02.2016 in der Bundesrepublik Deutschland entstanden.

56

Nach Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a) ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das EU-Zollgebiet verbracht wird. Vorschriftswidrig ist jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Art. 38-41 ZK (Art. 202 Abs. 1 S. 2 ZK); Zu diesen Verpflichtungen gehört insbesondere die Gestellungspflicht (Art. 40 ZK). Die sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften ergibt, dass die Einfuhrumsatzsteuer mit der vorschriftswidrigen Verbringung ins Steuergebiet entsteht.

57

Da die sichergestellten Zigaretten überwiegend ukrainische Steuerbanderolen trugen, müssen sie sich vor der Sicherstellung außerhalb der Europäischen Union befunden haben und von dort ins Steuergebiet verbracht worden sein, ohne dass die Ware gestellt worden wäre. Dabei ist es für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer unerheblich, ob sie direkt aus einem Drittland oder über das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaats ins deutsche Steuergebiet gelangt sind. Durch den illegalen Transport durch einen anderen EU-Mitgliedstaat wären die Zigaretten nämlich nicht zu Waren des freien Verkehrs geworden.

58

Auch die insgesamt 22.860 Zigaretten ohne Steuerbanderolen wurden überwiegend wahrscheinlich nicht innerhalb der EU hergestellt. Bei den 10.600 Stück Zigaretten der Marke "M-3" weist der Markenname auf die weißrussische Herkunft. Vor diesem Hintergrund hält der Senat es auch für überwiegend wahrscheinlich dass die übrigen 12.260 Zigaretten der Marken "M-4", "M-5" und "M-6" ohne Steuerbanderole nicht in der Europäischen Union hergestellt worden, zumal "M-5" im Internet unter http://... (aufgerufen am 07.06.2017) als "Made in Belarus" angeboten werden.

59

Da der Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld nicht ermittelbar ist, ist der Zeitpunkt der Sicherstellung - hier der 16.02.2016 - für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage maßgeblich (Art. 214 Abs. 2 ZK).

60

Entstanden ist die Einfuhrumsatzsteuerschuld - mangels Bestimmbarkeit des Ortes der Zollschuldentstehung nach Art. 215 Abs. 1, 1. Anstrich ZK - an dem Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass eine Zollschuld entstanden ist (Art. 215 Abs. 1, 2. Anstrich ZK). Dies ist hier das vom Antragsteller betriebene Hotel.

61

1.3 Der Antragsteller ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Schuldner sind gemäß Art. 202 Abs. 3, 3. Anstrich ZK die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.

62

Wie oben (II.1.2.1.2) dargestellt, war der Antragsteller bei Sicherstellung Mitbesitzer der Zigaretten. Er hätte außerdem zumindest vernünftigerweise wissen müssen, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Steuergebiet verbracht worden sind. Es ist allgemein bekannt, dass ein Großteil des Kaufpreises für legal gehandelte Zigaretten auf die hierauf im Steuergebiet erhobenen Abgaben entfallen. Der Antragsteller hatte auch Kenntnis davon, dass die Zigaretten keine deutschen Steuerzeichen trugen. Selbst wenn er sie sich bei seinen Besuchen in dem Kellerraum nicht näher angeschaut haben sollte, muss ihm klar gewesen sein, dass die Lagerung von ca. 1.300 Stangen Zigaretten dort nur dann Sinn ergibt, wenn es sich um unversteuerte Zigaretten handelt.

63

1.4 Die Einfuhrumsatzsteuer ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Für die Bemessungsgrundlage wird zunächst auf den Zollwert zurückgegriffen (§ 11 Abs. 1 UStG). Hier hat der Antragsgegner einen Stückpreis von 3,50 ct gemäß Art. 31 Abs. 1 ZK zu Grunde gelegt. Hinzuzurechnen sind gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG die bei Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer entstandenen Zölle und Verbrauchsteuern, soweit Letztere unbedingt entstanden sind. Zu Recht hat der Antragsgegner für die Zwecke der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer die mit Bescheid vom 14.09.2016 festgesetzte Tabaksteuer um die Tabaksteuer ermäßigt, die auf die 860 Zigaretten mit polnischen oder tschechischen Steuerzeichen entfallen, da für diese Zigaretten keine Einfuhrumsatzsteuer geltend gemacht wird. Für die Einzelheiten wird auf die insoweit zutreffende Berechnung im Bescheid verwiesen.

64

2. Dafür, dass dem Antragsteller durch die Vollziehung des Bescheids ein unersetzbarer Schaden droht, ist nichts vorgetragen oder aus der Akte ersichtlich.

65

IV.

Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsteller zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO).

66

Die Beschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 71 AO zuzulassen (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO).

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.