Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 23. September 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rechtswidrigkeit einer nachträglich erteilten und auf die Zeit vom 7.6.2010 bis 26.5.2011 befristeten Auflage zur Erlaubnis der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.

2

Die Klägerin ist eine nicht tarifgebundene GmbH, deren Unternehmensgegenstand auch die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung umfasst. Sie betreibt eine Eventagentur im Bereich der Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, eine Vermittlung von Künstlern und Hostessen, Catering, Gebäudemanagement sowie einen Wach- und Sicherheitsservice. Seit dem 27.5.2003 ist sie im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (Bescheid der Beklagten vom 19.5.2003), die jeweils befristet für ein Jahr verlängert wurde. Die Arbeitnehmerüberlassung betrieb die Klägerin im streitigen Zeitraum in geringem zeitlichen und zahlenmäßigen Umfang mit der temporären Überlassung von in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern. Eine organisatorisch eigenständige Betriebseinheit oder -abteilung zur Durchführung der Arbeitnehmerüberlassung bestand nicht.

3

Das von der Klägerin verwendete Arbeitsvertragsmuster sieht in dessen § 22 die Anwendung der Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche in ihrer jeweils gültigen Fassung vor, soweit im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist. Die in Bezug genommenen Tarifverträge waren der Manteltarifvertrag Zeitarbeit, der Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit, der Entgelttarifvertrag Zeitarbeit der Tarifgemeinschaft der Mitgliedsgewerkschaften des DGB (IG BCE, NGG, IG Metall, GEW, ver.di, IG Bau, TRANSNET und GdP) und dem BZA (Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V.; im Folgenden als MTV Zeitarbeit BZA/DGB; ERTV Zeitarbeit BZA/DGB und ETV Zeitarbeit BZA/DGB bezeichnet).

4

§ 1 MTV ZeitarbeitBZA/DGB, auf den ERTV Zeitarbeit BZA/DGB und ETV Zeitarbeit BZA/DGB für deren Geltungsbereich verweisen (jeweils idF vom 22.7.2003, geändert durch Änderungstarifverträge vom 22.12.2004, 30.5.2006 und 9.3.2010 mit Wirkung vom 1.7.2010) bestimmt seinen Geltungsbereich wir folgt:

5

"Dieser Tarifvertrag gilt
§ 1.1 räumlich:
für die Bundesrepublik Deutschland;
§ 1.2 fachlich:
für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe).

§ 1.3 persönlich:
für die Arbeitnehmer (Mitarbeiter), die von dem Zeitarbeitsunternehmen (Arbeitgeber) einem Entleiher (Kundenbetrieb) im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) überlassen werden und Mitglieder einer der vertragsschließenden Gewerkschaften sind.
Einzelvertraglich können von den Regelungen dieses Tarifvertrages abweichende Vereinbarungen getroffen werden mit Mitarbeitern, die außertariflich beschäftigt sind, wenn ihr Jahresverdienst den tariflichen Jahresverdienst der höchsten tariflichen Entgeltgruppe übersteigt."

6

Auf Antrag verlängerte die Beklagte die bis zum 26.5.2010 befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bis 26.5.2011 (Bescheid vom 10.5.2010). Nachträglich erließ sie dazu Auflagen, die sie bis 26.5.2011 befristete (Auflagenbescheid 7.6.2010). Die maßgebliche Auflage 2 lautete:

7

"Ab sofort wird Ihnen untersagt, mit den Arbeitnehmern für die Dauer der Überlassung an einen Drittbetrieb (Entleiher) eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass sie für diesen Zeitraum vom Gleichstellungsgrundsatz gemäß § 3 Abs 1 Nr 3 AÜG durch Anwendung eines Tarifvertrages in der Zeitarbeit freigestellt werden.
Eine arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages in der Zeitarbeit wird Ihnen nur auf besonderen Antrag gestattet. Hierzu sind der Erlaubnisbehörde geeignete Nachweise dafür vorzulegen, dass Sie vom räumlichen und fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages in der Zeitarbeit erfasst werden. Diese Nachweise können zB dadurch erbracht werden, dass die Gründung einer eigenen Betriebsabteilung für Mitarbeiter, die arbeitszeitlich überwiegend verliehen werden sollen, nachgewiesen wird."

8

Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin befinde sich nicht im Geltungsbereich eines Tarifvertrages der Zeitarbeitsbranche, da sie neben den 96 Beschäftigten keine Leiharbeitnehmer beschäftige und seit der letzten Antragstellung lediglich eine Leiharbeitnehmerin verliehen habe. Bei solchen Mischbetrieben gelte das Überwiegensprinzip, wonach es für die anwendbaren Tarifregelungen auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit im Betrieb ankomme. Im Betrieb der Klägerin überwögen andere Tätigkeiten die Arbeitnehmerüberlassung deutlich. Die Beklagte sehe sich gehalten, durch die Auflage dafür Sorge zu tragen, dass keine Verhältnisse einträten, die einen Widerruf der Erlaubnis erforderlich machten. In der Folgezeit hat die Beklagte die Erlaubnis weiter verlängert (zB Bescheid vom 10.5.2011) und dies wiederum jeweils mit einer entsprechenden Auflage verbunden. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13.12.2010).

9

Die Klägerin hat Klage vor dem SG erhoben, wo sie zuletzt noch die Aufhebung der Auflage 2 sowie Feststellung der Rechtswidrigkeit einer weiteren Auflage beantragt hat. Das SG hat die Rechtswidrigkeit der Auflage 2 festgestellt. Der Geltungsbereich der Tarifverträge Zeitarbeit BZA/DGB knüpfe allein an die (mögliche) Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an. Für das von der Beklagten geforderte Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung im Unternehmen der Klägerin sei kein Raum (Urteil vom 15.10.2013).

10

Die Berufung der Beklagten, die sich zuletzt nur noch gegen die Aufhebung der Auflage 2 gerichtet hat, ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des LSG vom 23.9.2015). Die Klägerin unterfalle dem Geltungsbereich der in Bezug genommenen Tarifverträge, weil der BZA die Zulässigkeit einer Mitgliedschaft der Klägerin bestätigt habe und dessen Satzung dem nicht entgegenstehe; es bestehe auch die für die Tarifgeltung vorausgesetzte Branchenzugehörigkeit. Weder Sinn und Zweck noch der Gesetzeshistorie des AÜG, das mehr Flexibilität bei der Arbeitnehmerüberlassung bezwecke, sei der Ausschluss von Mischbetrieben mit nicht überwiegender Arbeitnehmerüberlassung zu entnehmen. Im Umkehrschluss zum AEntG, das ausdrücklich auf ein "Überwiegen" abstelle, sei eine Geltung für Mischbetriebe im AÜG nicht ausgeschlossen. Die Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen verlange nicht die Anwendung des Überwiegensprinzips, ebenso wenig wie der Grundsatz der Tarifeinheit. Ein Wille der Tarifvertragsparteien zur Anwendung des Überwiegensprinzips habe auch keinen Niederschlag in den Tarifverträgen gefunden.

11

Mit ihrer Revision hält die Beklagte an ihrer Ansicht fest, dass Mischbetriebe ohne ein Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung nicht in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages im Sinne des AÜG fielen. Das Überwiegensprinzip, das auch im AEntG Anwendung finde, schütze vor der Anwendung von Tarifverträgen, die nicht der Eigenart und den besonderen Bedürfnissen des Betriebs entsprechen. Zweck des AÜG sei neben einer Flexibilisierung für die Arbeitgeber gerade auch der Schutz der Leiharbeitnehmer.

12

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 23. September 2015 und des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

14

Die Klägerin rügt, die Revisionsbegründung genüge schon nicht den gesetzlichen Anforderungen. In der Sache macht sie geltend, zur Auslegung des Begriffs "Geltungsbereich" in § 3 AÜG könne nicht auf das TVG zurückgegriffen werden. Die Möglichkeit, auf einen Tarifvertrag Bezug zu nehmen, könne nicht auf die Tarifvertragsparteien begrenzt werden, weil dies gegen die Koalitionsfreiheit verstieße.

15

Das LSG hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die streitige Auflage 2 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens angeordnet und der Klägerin aufgegeben, die überlassenen Arbeitnehmer schriftlich auf den anhängigen Rechtsstreit und auf möglicherweise gegen die Klägerin bestehende arbeitsrechtliche Ansprüche hinzuweisen (Beschluss vom 18.5.2011).

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 162 SGG). Das LSG hat zu Recht festgestellt, dass die angefochtene Auflage rechtswidrig gewesen ist.

17

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Berufungsurteil des LSG vom 23.9.2015, das das Urteil des SG bestätigt und damit die Rechtswidrigkeit der Auflage 2 im Bescheid vom 7.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2010 festgestellt hat.

18

1. Die Revision der Beklagten, die form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden ist, ist zulässig (§ 160 Abs 1, § 164 Abs 1, Abs 2 SGG).

19

Die Revisionsbegründung muss zumindest kurz auf die Gründe der Vorinstanz eingehen sowie erkennen lassen, inwieweit eine andere Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften vertreten wird. Es bedarf der Darlegung, in welchen Punkten und aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird (vgl BSG vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - juris).

20

Entgegen der Ansicht der Klägerin wahrt die Revisionsbegründung die gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG. Ihr Vorwurf, die Beklagte setze sich nicht mit der Entscheidung des LSG auseinander, trifft nicht zu. Die Revisionsbegründung hat sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt. Sie nimmt Bezug auf die wesentlichen Ausführungen des LSG und tritt dessen Rechtsansicht entgegen, der Geltungsbereich der fraglichen Tarifverträge sei für die Klägerin als Mischbetrieb eröffnet, weil das LSG das Überwiegensprinzip als allgemeine Auslegungsregel nicht beachtet habe.

21

2. Die Revision der Beklagten ist jedoch unbegründet, denn das LSG hat zu Recht festgestellt, dass die noch umstrittene Auflage rechtswidrig gewesen ist.

22

a) Die Klägerin kann ihr Begehren mit der statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage verfolgen (§ 131 Abs 1 S 3 SGG). Durch Befristung sowohl der Auflage als auch der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat sich die Auflage am 27.5.2011, also nach Klageerhebung, erledigt (§ 43 Abs 2, § 36 Abs 2 Nr 1 VwVfG). Seitdem ist nicht mehr die Anfechtungs-, sondern die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft.

23

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Auflage rechtswidrig gewesen ist, dh ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur (zu den Anforderungen: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10a mwN), denn es besteht konkrete Wiederholungsgefahr. Eine solche ist gegeben, wenn die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage zwischen den Beteiligten besteht, etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann (BSG vom 25.10.2012 - B 9 SB 1/12 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 4 RdNr 22; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 131 RdNr 10b mwN). Die Gefahr der wiederholten Auflagenerteilung ist vorliegend schon im Hinblick auf die in späteren Zeiträumen erfolgte erneute Auflagenerteilung gegeben.

24

b) Die Auflage ist rechtswidrig gewesen, denn die Voraussetzungen für deren Erteilung (§ 2 Abs 2 AÜG iVm § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG)haben nicht vorgelegen.

25

Gemäß § 1 Abs 1 S 1 AÜG(idF des Art 63 Nr 3 Buchst a des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594 mWv 1.4.1997) bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis, die auf ein Jahr zu befristen ist (§ 2 Abs 4 S 1 AÜG). Die Erlaubnis kann - auch nachträglich - mit Auflagen verbunden werden, um sicherzustellen, dass keine Tatsachen eintreten, die nach § 3 AÜG die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen(§ 2 Abs 2 S 1, 2 AÜG). Gemäß § 3 Abs 1 Nr 3 AÜG(idF des Art 6 Nr 3 Buchst a des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 BGBl I 4607 mWv 1.1.2003) ist die Erlaubnis oder ihre Verlängerung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt (…). Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. § 9 Nr 2 AÜG aF regelt ergänzend die zivilrechtliche Unwirksamkeit der dem Gleichstellungsgebot widersprechenden Vereinbarungen.

26

Zwar bedurfte die Klägerin einer Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG durch die Beklagte (§ 17 AÜG), jedoch ist die erteilte Auflage nicht notwendig gewesen, um sicherzustellen, dass keine Tatsachen eintreten, die eine Versagung oder den Widerruf der Erlaubnis rechtfertigen. Durch die in ihren Musterarbeitsverträgen vorgesehene Bezugnahme auf die Tarifverträge Zeitarbeit BZA/DGB hat die Klägerin den Versagungsgrund nach § 3 Abs 1 Nr 3 S 1 AÜG nicht verwirklicht.

27

aa) Die Klägerin ist als Mischunternehmen ohne überwiegende Arbeitnehmerüberlassung von der Möglichkeit der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge gemäß § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG nicht ausgeschlossen.

28

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG für die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag der Zeitarbeit zur Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz kein Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung in einem Unternehmen voraus. Auch Mischunternehmen ohne überwiegende Arbeitnehmerüberlassung ist eine Bezugnahme auf Tarifverträge der Zeitarbeit nicht verwehrt. Vielmehr können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer "im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages" die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Dies folgt aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte und systematischen Erwägungen orientierten Auslegung des § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG.

29

Gegen die Annahme, dass im Rahmen des § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG das Überwiegensprinzip gilt, spricht zunächst der Wortlaut der Norm, der eine solche Voraussetzung - anders als § 6 AEntG - nicht enthält. Dafür, dass es für die Bezugnahme (allein) auf den Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrages ankommt, spricht die in § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG gewählte Formulierung "im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages". Die Regelung verweist damit auf § 3 Abs 1 Nr 3 S 2 AÜG, wonach ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulassen kann. Weil die Wirkung solcher abweichender tariflicher Regelungen nach § 4 Abs 1 S 1 TVG für die Tarifgebundenen das Unterfallen unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages voraussetzt, den die Tarifvertragsparteien selbst festlegen, dh dem fachlichen, räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages, gilt Gleiches für die arbeitsvertragliche Übernahme eines Tarifvertrages nach § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG(vgl Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 4. Aufl 2010, § 9 RdNr 151; Lembke in Boemke/Lembke, AÜG, 3. Aufl 2013, § 9 RdNr 416 mwN).

30

Dies wird durch eine an Sinn und Zweck und der Gesetzeshistorie orientierten Auslegung der Vorschrift bestätigt. Das AÜG macht für die nicht tarifgebundenen Mischunternehmen die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht zusätzlich von einem Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung abhängig, sondern stellt auf den Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrages ab. Weder der Zweck der Tariföffnungs- und Bezugnahmeklausel noch der Zweck eines verbesserten Leiharbeitnehmerschutzes gebieten die Anwendung des Überwiegensprinzips für Mischunternehmen, die nicht tarifgebunden sind (ebenso Lembke/Distel, NZA 2006, 952, 955; aA Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, § 3 AÜG RdNr 23b). Die auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses eingefügte Bezugnahmeklausel soll gerade die Gleichstellung der nicht tarifgebundenen mit den tarifgebundenen Zeitarbeitsfirmen ermöglichen. Die einem Tarifvertrag zukommende Richtigkeitsgewähr rechtfertigt eine Abweichung vom gesetzlichen Gleichbehandlungsgebot für tarifgebundene wie für nicht tarifgebundene Unternehmen in gleicher Weise. Die Bezugnahme soll auch ermöglichen, die Arbeitsbedingungen flexibel zu gestalten und zu regeln (BT-Drucks 15/25 S 38 zu § 3 Buchst a AÜG; zur Richtigkeitsgewähr der Tarifverträge vgl BT-Drucks 17/4804, S 9 zu Nr 5; Thüsing in Thüsing/Braun, Tarifrecht, 2. Aufl 2016, Kap 1 RdNr 56 f; BAG vom 24.9.2008 - 6 AZR 76/07 - BAGE 128, 73 RdNr 49).

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Entgegen der Revisionsbegründung der Beklagten kann in systematischer Hinsicht nicht das AEntG herangezogen werden, um eine Geltung eines Überwiegensprinzips im AÜG zu begründen. Anders als das AÜG knüpft das AEntG ausdrücklich an das Überwiegen der branchenbezogenen Tätigkeit in einem Betrieb oder selbständigen Betriebsteil an, um den gesamten Betrieb bzw Betriebsteil und nicht nur die Bereiche, in denen die überwiegende Tätigkeit erbracht wird, von einem Tarifvertrag zu erfassen (§ 6 AEntG; vgl zur Geltung des Überwiegensprinzips nach Sinn und Zweck der MindestlohnVO: BAG vom 13.5.2015 - 10 AZR 495/14 - BAGE 151, 331 - juris RdNr 21; Sittard in Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifvertrag, 2. Aufl 2016, Teil 7 RdNr 143; vgl zur Unterscheidung des Geltungsbereichs des AEntG vom fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl 2012, § 4 RdNr 184). Anders als das AEntG bezweckt das AÜG die Erstreckung auf den gesamten Betrieb gerade nicht. Das AÜG will bezogen auf einen Verleiher/Arbeitgeber nur den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung regeln.

32

Auch andere gesetzliche Regelungen stellen für die Zulässigkeit von Bezugnahme- und Tariföffnungsklauseln auf einen in dem Tarifvertrag bestimmten sachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereich ab, ohne dass gesetzliche Bezugnahmeklauseln ein Überwiegen der branchenbezogenen Tätigkeit verlangen (§ 622 Abs 4 S 2 BGB; § 21a Abs 2 JArbSchG; § 4 Abs 4 EFZG; § 13 Abs 1 S 2 BUrlG; § 7 Abs 3 ArbZG; § 12 Abs 3, 13 Abs 4, 14 Abs 2 S 3 TzBfG; hierzu Weth in jurisPK BGB, 8. Aufl 2017, § 622 BGB RdNr 24; vgl zu § 4 EFZG Reinhard in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl 2017, § 4 EFZG RdNr 28; vgl zu § 7 Abs 3 ArbZG Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016 § 7 ArbZG, RdNr 19; Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl 2017, § 13 TzBfG RdNr 14; vgl allgemein zum tarifdispositiven Gesetzesrecht Thüsing in Thüsing/Braun, Tarifrecht, 2. Aufl 2016, Kap 1 RdNr 52 ff).

33

bb) Auch der Geltungsbereich der Tarifverträge Zeitarbeit BZA/DGB ist für die Klägerin eröffnet.

34

Dies ergibt sich aus einer Auslegung des Geltungsbereichs der Tarifverträge, mit dem Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer autonomen Zwecksetzung selbst festlegen, für welchen räumlichen, branchenmäßigen, zeitlichen und persönlichen Geltungsbereich die Tarifnormen gelten sollen, dh auf welche Betriebe bzw Unternehmen oder Arbeitnehmergruppe ein Tarifvertrag Anwendung finden soll (vgl Wißmann in Thüsing/Braun, Tarifrecht, 2. Aufl 2016, Kap 4 RdNr 171, 173; vgl zur uneinheitlichen terminologischen Bezeichnung Stamer in Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifvertrag, 2. Aufl 2016, Teil 8 RdNr 7 ff). Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Wortlaut des Tarifvertrages auszugehen. Lässt sich ein zweifelsfreies Auslegungsergebnis nicht erzielen, können die Gerichte weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (stRspr des BAG, vgl nur BAG vom 14.7.2015 - 3 AZR 903/13 - juris RdNr 17).

35

Der Anwendung des Tarifvertrages auf die Klägerin steht § 1.2 MTV Zeitarbeit BZA/DGB nicht entgegen. Zwar gilt der Tarifvertrag danach für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des BZA (einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe), während die Klägerin nicht dessen Mitglied ist. § 3 Abs 1 Nr 3 S 3 AÜG bewirkt insoweit die Überwindung sowohl einer fehlenden Tarifbindung als auch einer mitgliedschaftlichen Voraussetzung(vgl Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl 2012, § 4 RdNr 244; Klebeck, Organisatorischer Geltungsbereich, SAE 2007, 271, 283; Mengel in Thüsing, AÜG, 3. Aufl 2012, § 9 RdNr 37; Wank in Wiedemann, TVG, 7. Aufl 2007, § 4 TVG RdNr 149a; zur Auslegung eines mitgliedschaftlich bestimmten Geltungsbereichs: BAG vom 21.1.2015 - 4 AZR 802/13 - juris RdNr 65; BAG vom 22.3.2005 - 1 ABR 64/03 - BAGE 114, 162, 172 ff - juris RdNr 51 ff; BAG vom 23.3.2005 - 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186, 191 - juris RdNr 20; zur Unwirksamkeit der Beschränkung des Geltungsbereichs auf Verbandsmitglieder: Ulber, AÜG, 4. Aufl 2011, § 9 RdNr 310; Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 4. Aufl 2010, § 9 RdNr 152). Deshalb ist hier ausreichend, dass die Klägerin als Mischunternehmen, welches nicht überwiegend Arbeitnehmerüberlassung betreibt, Mitglied der BZA werden könnte.

36

Die Voraussetzungen des "persönlichen" Geltungsbereichs (§ 1.3 MTV Zeitarbeit BZA/DGB) sind vorliegend ebenfalls erfüllt. Danach gilt der Tarifvertrag "für die Arbeitnehmer (Mitarbeiter), die von dem Zeitarbeitsunternehmen (Arbeitgeber) einem Entleiher (Kundenbetrieb) im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) überlassen werden und Mitglieder einer der vertragsschließenden Gewerkschaften sind".

37

Dem in § 1.3 MTV Zeitarbeit BZA/DGB verwendeten Begriff "Zeitarbeitsunternehmen" kann kein Anknüpfungspunkt für eine betriebliche Geltungsbereichsbestimmung entnommen werden. Gegen die Annahme eines betrieblichen Geltungsbereichs spricht schon, dass der Wortlaut des § 1.3 MTV Zeitarbeit BZA/DGB nicht ausdrücklich auf die Zeitarbeitsbranche abstellt, sondern an die Arbeitnehmerüberlassung anknüpft. Welcher fachlichen Ausrichtung ein Betrieb oder Unternehmen entsprechen muss, um unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zu fallen, bestimmen die Tarifvertragsparteien frei durch Anknüpfung etwa an den Betrieb oder selbständige Betriebsabteilung, Unternehmen etc, oder aber auch durch Anknüpfung nur an bestimmte Tätigkeiten in einem Unternehmen; in letzterem Fall sind dann auch Tätigkeiten in branchenfremden Unternehmen erfasst (Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl 2012, § 4 RdNr 179). Überdies deutet das Abstellen auf die Mitgliedschaft im persönlichen und fachlichen Geltungsbereich darauf hin, dass zugleich auf anderweitige Beschränkungen des Geltungsbereichs verzichtet wird, um Schwierigkeiten bei Mischbetrieben und bei Herauswachsen eines Unternehmens aus einer Branche zu vermeiden (vgl Bissels/Khalil, BB 2013, 315, 318; Lembke/Distler, NZA 2006, 952, 955; Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl 2012, § 4 RdNr 173, 238; Stamer in Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifvertrag, 2. Aufl 2016, Teil 8 RdNr 50; zum Zweck des Kriteriums der Mitgliedschaft vgl auch BAG vom 22.3.2005 - 1 ABR 64/03 - BAGE 114, 162, 173 f - juris RdNr 54).

38

Dass die Tarifvertragsparteien das Überwiegensprinzip nicht vereinbart haben, ergibt sich auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Denn mit der Verweisung in § 1.3 MTV Zeitarbeit BZA/DGB auf die Arbeitnehmerüberlassung "iRd AÜG" knüpft der Geltungsbereich des Tarifvertrages an die Arbeitnehmerüberlassungstatbestände des AÜG an. Dessen Tatbestand der Arbeitnehmerüberlassung und der Begriff des Verleihers verlangen aber gerade kein Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung im Unternehmen (ebenso Reineke/Beck in Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, AR, 8. Aufl 2016, § 3 AÜG RdNr 34; Lembke in Boemke/Lembke, AÜG, 3. Aufl 2013, § 9 RdNr 422).

39

Auch aus dem Umstand, dass die DGB-Mitgliedsgewerkschaften Tarifvertragspartei sind, kann ein Wille der Tarifvertragsparteien zur Geltung des Überwiegensprinzips für Mischunternehmen nicht entnommen werden (Sandmann/Marschall/Schneider, AÜG, Stand Oktober 2016, Art 1 § 3 RdNr 21v; Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 4. Aufl 2010, § 9 RdNr 153; aA Ulber, AÜG, 4. Aufl 2011, § 9 RdNr 121, 310; Koch in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 120 RdNr 57; Pelzner/Kock in Thüsing, AÜG, 3. Aufl 2012, § 3 RdNr 98, 105). Nur vor dem Hintergrund der Organisation nach dem Industrieverbandsprinzip hat das BAG für die im Rahmen der Tarifgeltung zu bestimmende Branchenzuordnung von Mischbetrieben auf das sog Überwiegensprinzip abgestellt (vgl BAG vom 17.1.1996 - 10 AZR 138/95 - juris RdNr 22; Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl 2012, § 4 RdNr 204a; zum Überwiegensprinzip als Auslegungsgrundsatz und nicht als Rechtssatz Wißmann in Thüsing/Braun, Tarifrecht, 2. Aufl 2016, Kap 4 RdNr 189). Ob das Überwiegensprinzip als Auslegungsgrundsatz nach Aufgabe der Rechtsprechung zum Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität im Betrieb noch heranzuziehen ist, ist umstritten, kann hier jedoch dahinstehen (bejahend Stamer in Henssler/Moll/Bepler, Der Tarifvertrag, 2. Aufl 2016, Teil 8 RdNr 53; Boemke/Sachadae, BB 2011, 1973, 1975; LAG Baden-Württemberg vom 23.1.2013 - 4 Sa 58/12 - juris RdNr 83; ablehnend Popp in Böhm/Hennig/Popp, Zeitarbeit, 3. Aufl 2013, RdNr 1167; Bissels/Khalil, BB 2013, 315, 318; Sansone, Gleichstellung von Leiharbeitnehmern nach deutschem und Unionsrecht, 2011, 390, 391; Urban-Crell/Hurst in Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, 2. Aufl 2013, § 3 RdNr 140; Röller in Küttner, Personalbuch 2016, 23. Aufl, Equal Pay, RdNr 9; vgl zur Aufgabe des Prinzips der Tarifeinheit BAG vom 7.7.2010 - 4 AZR 549/08 - BAGE 135, 80 sowie BAG vom 23.6.2010 - 10 AS 3/10). Denn wenn einem Tarifvertrag das Industrieverbandsprinzip nicht zugrunde liegt, kann nicht angenommen werden, dass er auf den gesamten Betrieb Anwendung finden soll. Soll der Tarifvertrag lediglich für bestimmte Arbeitsverhältnisse gelten, ist für das Überwiegensprinzip kein Raum (Deinert in Däubler, TVG, 3. Aufl 2012, § 4 RdNr 282; Bissels/Khalil, BB 2013, 315, 318). So liegt der Fall hier.

40

Es ist nicht ersichtlich, dass den Tarifverträgen Zeitarbeit BZA/DGB das Industrieverbandsprinzip bzw das Prinzip "ein Betrieb - eine Gewerkschaft" zugrunde liegt. Vielmehr haben die DGB-Mitgliedsgewerkschaften als Tarifgemeinschaft die Tarifverträge "Zeitarbeit" geschlossen. Schon hieran wird deutlich, dass es sich nicht um Tarifverträge handelt, die nach Maßgabe des Industrieverbandsprinzips in einem Betrieb für alle Beschäftigten gelten sollen. Die Tarifvertragsparteien wollen in den Tarifverträgen nur die Leiharbeitsverhältnisse regeln, nicht dagegen die Arbeitsbedingungen der übrigen Stammbelegschaft des Verleihunternehmens (vgl § 1.3 des MTV Zeitarbeit BZA/DGB). Beanspruchen die Tarifverträge Zeitarbeit BZA/DGB aber keine Geltung für den gesamten Betrieb, kommt es auf den Hauptzweck des Unternehmens im Sinne des Überwiegensprinzips nicht an (ebenso Urban-Crell/Hurst in Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, 2. Aufl 2013, § 3 RdNr 140; Sansone, Gleichstellung von Leiharbeitnehmern nach deutschem und Unionsrecht, 2011, 389).

41

Gegen dieses Auslegungsergebnis kann auch nicht der von der Beklagten geltend gemachte Schutz der Leiharbeitnehmer und der Schutz vor Anwendung fremder Tarifverträge angeführt werden. Weder wird in Mischunternehmen mit nicht überwiegender Arbeitnehmerüberlassung der Schutz der Leiharbeitnehmer gegenüber Leiharbeitnehmern in Betrieben mit überwiegender Arbeitnehmerüberlassung reduziert noch greifen die weiteren in der Revisionsbegründung der Beklagten vorgebrachten Bedenken durch, dass die Leiharbeitnehmer vor Anwendung eines fremden Tarifvertrages, dem keine Richtigkeitsgewähr zukommt, geschützt werden müssten. Es handelt sich gerade nicht um einen "fremden" Tarifvertrag.

42

Nach alledem ist die Bezugnahme auf die Tarifverträge Zeitarbeit BZA/DGB in deren Geltungsbereich erfolgt und zulässig gewesen.

43

3. Da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, insbesondere die Klägerin als Adressat einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und Auflage im Bereich des AÜG nicht Leistungsempfängerin ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO analog.

44

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 52 Abs 2 GKG.

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(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

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(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. (2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die K

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 43 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

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(1) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeit

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(1) Unwirksam sind: 1. Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat; der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer wird nicht unwi

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Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezir

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(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das an

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(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die

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Tenor Der Zehnte Senat schließt sich der Auffassung des Vierten Senats an, dass die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsver

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(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die Verwaltungsstelle rechtlich dazu in der Lage und diese Frage ohne weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.

(3) Hält das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsakts für rechtswidrig, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(4) Hält das Gericht eine Wahl im Sinne des § 57b oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig, so spricht es dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben.

(5) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit

1.
einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung);
2.
einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung);
3.
einem Vorbehalt des Widerrufs
oder verbunden werden mit
4.
einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage);
5.
einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage.

(3) Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke für die Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ohne Entrichtung eines Betrages in Höhe von 60 Euro hatte.

2

Bei dem 1945 geborenen Kläger sind ein Grad der Behinderung von 90 sowie die Voraussetzungen der Merkzeichen G und B festgestellt (Bescheid des beklagten Landes vom 6.7.2005). Er bezieht seit dem 1.2.2005 eine Beschädigtenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz iVm Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 vH (seit dem 21.12.2007: Grad der Schädigungsfolgen von 70) und (vom Landeswohlfahrtsverband Hessen) eine fortlaufend gewährte Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV). Diese bestand für die Zeit vom 1.2.2010 bis 31.1.2011 aus einem pauschalen Betrag von 50 Euro und einem Zuschuss von 19,01 Euro für die Beiträge zur Kraftfahrzeugversicherung (Bescheid vom 19.1.2010). Vom 1.2.2011 bis 31.1.2012 betrugen die Pauschale 50 Euro und der Beitragszuschuss 24,45 Euro (Bescheid vom 3.11.2010).

3

Am 22.2.2010 beantragte der Kläger auf einem ihm vom beklagten Land übersandten Formular unter Hinweis auf seinen Leistungsbezug nach § 27d BVG die Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke für die Beförderung im öffentlichen Personenverkehr gemäß § 145 Abs 1 S 5 SGB IX. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.2.2010 ab. Er wies darauf hin, dass Anspruch auf eine unentgeltliche Wertmarke nur Personen hätten, die laufende Leistungen für den Lebensunterhalt erhielten. Die dem Kläger gewährte Kraftfahrzeughilfe zähle zu den Hilfen in besonderen Lebenslagen und nicht zu den laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt im Sinne sozialhilferechtlicher Vorschriften. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.4.2010 als unbegründet zurück.

4

Mit seiner beim Sozialgericht Marburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Ausstellung einer unentgeltlichen Wertmarke begehrt. Nachdem ihm gegen Zahlung von 60 Euro eine für den Zeitraum vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 gültige Wertmarke ausgegeben worden war, hat er seinen Antrag auf die Erstattung des für die Wertmarke für diesen Zeitraum aufgewandten Betrages umgestellt. Durch Urteil vom 8.6.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom SG zugelassene Berufung ist vom Hessischen Landessozialgericht (LSG) nach Anhörung des Klägers mit Beschluss vom 28.9.2011 mit folgender Begründung zurückgewiesen worden:

5

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung des Betrages, den er für die vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 gültige Wertmarke entrichtet habe. Er gehöre nicht zu den Personen, die eine Ausgabe der Wertmarke ohne Eigenbeteiligung beanspruchen könnten. Zwar sei ihm iS von § 145 Abs 1 S 1 SGB IX das Merkzeichen G zuerkannt worden. Jedoch erfülle er die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 145 Abs 1 S 5 SGB IX nicht. Insbesondere stelle die vom Kläger bezogene Kraftfahrzeughilfe keine laufende Leistung für den Lebensunterhalt iS von § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX dar, sondern diene allein zur Eingliederung behinderter Menschen in die Gesellschaft. Entsprechendes gelte für den Betrag zur Kraftfahrzeugversicherung, auch wenn dieser von einer vorhergehenden Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse abhängig sei.

6

Entgegen der klägerischen Auffassung verweise § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX nicht ohne Einschränkungen auf die in §§ 27a und 27d BVG aufgeführten Leistungen. Vielmehr müsse es sich nach dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung bei den Leistungen außerhalb des SGB II um "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen" handeln. § 145 SGB IX diene der Förderung der Mobilität schwerbehinderter Menschen durch Teilnahme am öffentlichen Personenverkehr. Dieses Ziel werde bereits durch die Unentgeltlichkeit der Beförderung erreicht. Die Kostenbeteiligung vermindere lediglich die aufgrund der Zahlungsausfälle eintretenden finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand. Nur ein begrenzter Personenkreis solle seit der Einführung der Kostenbeteiligung das Privileg der unentgeltlichen Beförderung ohne Eigenbeteiligung erhalten. Der Kläger unterscheide sich jedoch von diesem privilegierten Personenkreis dadurch, dass er seinen Lebensunterhalt aufgrund eigenen Einkommens in Form der Beschädigtenrente nach dem BVG decken könne.

7

Hiergegen hat der Kläger die vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassene Revision eingelegt. Nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte (Schreiben vom 2.10.2012), bei für den Kläger günstigem Ausgang des Verfahrens würden die Kosten der Wertmarken mit Gültigkeitsdauer von Mai 2010 bis April 2011 und von Mai 2011 bis April 2012 erstattet, hat der Kläger erklärt, ein Erstattungsanspruch werde in diesem Verfahren nicht mehr geltend gemacht. Zur Begründung der Revision nimmt der Kläger auf seine Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Mit dieser hatte er ua vorgetragen:

8

Er könne eine Befreiung von der Eigenbeteiligung bei der Ausgabe der Wertmarke gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX verlangen. Soweit diese Vorschrift auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 27d BVG abstelle, handele es sich um ein Redaktionsversehen. Denn § 27d BVG regele lediglich Hilfen in besonderen Lebenslagen, aber keine laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt. Bereits das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) habe zwischen diesen Leistungsarten unterschieden. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dienten der Sicherung des Existenzminimums, Leistungen in besonderen Lebenslagen hingegen der Deckung einer spezifischen Bedarfssituation. Aufgrund der Ähnlichkeit von § 27d BVG und § 27 BSHG sei auf diese Begriffsunterscheidung zurückzugreifen. Alle Hilfen, die nach § 27d BVG zur Verfügung gestellt würden, unterfielen demnach § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX, jedenfalls solange sie nicht einmalig gewährt würden. Dies entspreche auch der gesetzgeberischen Intention, Kriegs- bzw Wehrdienstbeschädigte besserzustellen, als "normale" Sozialhilfeempfänger.

9

Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Hessen vom 28. September 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 8. Juni 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der erledigte Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2010 rechtswidrig war.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug und trägt vor: Vom Befreiungstatbestand des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX würden nur lebensunterhaltssichernde Leistungen erfasst. Der Kläger verfüge über Einkommen, mit dem er seinen individuellen sozialhilferechtlichen Bedarf decke; er habe keinen Anspruch auf lebensunterhaltssichernde Leistungen. Bei der bezogenen Kraftfahrzeughilfe und den Beiträgen zur Kraftfahrzeugversicherung handele es sich nicht um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, sodass der Kläger die Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke nicht beanspruchen könne.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie in hinreichender Form begründet worden.

13

Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ausnahmsweise die Bezugnahme auf die Ausführungen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unbedenklich, wenn der Revisionsführende sich bereits dort mit den Fragen des materiellen Rechts auseinandergesetzt hat, die sich auch im Revisionsverfahren stellen. In diesem Fall würde eine erneute eigenständige Begründung auf eine bloße Wiederholung des bereits Vorgetragenen hinauslaufen (vgl BSG Urteil vom 9.8.1995 - 9 RVs 3/95 - Juris OS 1, RdNr 7 mwN; so auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 200/10 R - Juris RdNr 9; Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9g mwN).

14

Da der Kläger sich bereits zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde materiell-rechtlich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt und eine Verletzung in seinen Rechten dargelegt hat, konnte er sich im Revisionsverfahren ausnahmsweise mit der Bezugnahme auf diese Ausführungen begnügen, zumal er lediglich eine Verletzung materiellen Bundesrechts geltend macht.

15

Die Revision ist nicht begründet.

16

Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, seinen Erstattungsanspruch in diesem Verfahren nicht mehr geltend zu machen, ist Gegenstand des Verfahrens nur noch die Fortsetzungsfeststellungsklage, in die der Kläger seine ursprüngliche Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl dazu BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 7/10 R - BSGE 109, 154 = SozR 4-3250 § 145 Nr 2, RdNr 19 ff) umgestellt hat. Ein derartiger Wechsel ist auch im Revisionsverfahren zulässig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 168 RdNr 2b mwN).

17

Die Voraussetzungen für eine Fortsetzungsfeststellungsklage liegen hier vor.

18

Nach § 131 Abs 1 S 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich der Verwaltungsakt nach Klageerhebung vor der gerichtlichen Entscheidung durch Zurücknahme oder anders erledigt, sofern der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Regelung des SGG gilt zwar ausdrücklich nur für Anfechtungsklagen, ist aber entsprechend auf kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen anzuwenden (BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 8 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 7c mwN).

19

Der Kläger hat mit seiner Klage ursprünglich die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke für die Zeit vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 begehrt. Auf diesen Zeitraum bezieht sich nach den Umständen des vorliegenden Falles der streitgegenständliche Bescheid vom 24.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010.Die Entscheidung über den Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr sowie darüber, ob die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Abgabe einer solchen Wertmarke im Einzelfall vorliegen, erfolgt bezogen auf einen bestimmten Gültigkeitszeitraum von einem halben bzw einem ganzen Jahr (vgl § 145 Abs 1 S 3 bis 5 SGB IX). Dem entspricht auch der vom Kläger verwandte Formularantrag vom 22.2.2010. In diesem ist zwar kein Zeitraum aufgeführt, jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass dieser Antrag auf die Ausgabe einer Wertmarke gerichtet ist, deren Gültigkeitsdauer sich an den Zeitraum anschließt, für den die zuletzt erteilte Wertmarke gilt. Dies legt bereits der vom Beklagten formulierte Text nahe. Darin heißt es:

        

"Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, die Gültigkeitsdauer Ihrer Wertmarke läuft in Kürze ab. Sofern Sie auch künftig die Freifahrt in Anspruch nehmen wollen (…)."

20

Zwar hat das LSG den Inhalt dieses Antrags vom 22.2.2010 nicht vollständig wiedergegeben, vielmehr im Urteil insoweit allein die Antragstellung und Begründung als solche geschildert sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten verwiesen. Diese Nennung und der Verweis sind jedoch ausreichend dafür, dass der Senat den vollen Inhalt des Antragsformulars als festgestellt iS von § 163 SGG ansehen kann(vgl BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 43; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 4).

21

Die vom LSG festgestellte Ausgabe einer (entgeltlichen) Wertmarke für die Zeit vom 1.5.2011 bis 30.4.2012 zeigt, dass die Gültigkeitsdauer der dem Kläger erteilten Wertmarken jeweils von Mai eines Jahres bis April des Folgejahres reicht. Im Hinblick auf diesen Zeitbezug des angefochtenen Verwaltungsaktes hat sich letzterer auf andere Weise - nämlich durch Zeitablauf - erledigt (§ 131 Abs 1 S 3 SGG iVm § 39 Abs 2 SGB X). Da die Ausgabe der Wertmarke für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum dem Kläger keine günstige Rechtsposition mehr verschaffen kann, ist mit Ablauf des begehrten Gültigkeitszeitraums das für die Fortführung der ursprünglich zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Der Kläger hat diesem Umstand durch eine entsprechende Umstellung des Klageantrags Rechnung getragen.

22

Das erforderliche Interesse des Klägers an der Feststellung, dass der zwischenzeitlich erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war, liegt ebenfalls vor. Denn der Kläger kann mit Erfolg eine bestehende Wiederholungsgefahr geltend machen. Eine solche ist gegeben, wenn die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage zwischen den Beteiligten besteht, etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, RdNr 9 mwN; BSG Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 7/10 R - BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 22 mwN). Da der Antrag auf Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke gemäß § 145 SGB IX wegen des gesetzlich vorgesehenen Gültigkeitszeitraums spätestens jährlich erneut zu stellen ist, liegt es nahe, dass ein gleichartiges Leistungsbegehren und damit die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage mit Beginn des jeweils folgenden Gültigkeitszeitraums erneut entstehen wird.

23

In der Sache ist die Revision nicht erfolgreich. Es kann nicht festgestellt werden, dass durch den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 24.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010 materielles Bundesrecht verletzt worden ist. Die Vorinstanzen haben die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hatte für den Gültigkeitszeitraum 1.5.2010 bis 30.4.2011 keinen Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr ohne Entrichtung des gesetzlich vorgesehenen Eigenanteils.

24

Rechtsgrundlage ist insoweit § 145 Abs 1 SGB IX in der ab 5.8.2009 - und damit für den streitigen Zeitraum - geltenden Fassung des Art 2 Nr 3 Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 (BGB l 2495). Diese Vorschrift lautet:

        

"(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Wird sie vor Ablauf der Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe ein Betrag von 5 Euro erstattet, sofern der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Satz 3 zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,

        

1.    

die blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder

        

2.    

die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches, dem Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder

        

3.    

die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S. 978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18. März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden ist, erfüllten, solange ein Grad der Schädigungsfolgen von mindestens 70 festgestellt ist oder von mindestens 50 festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind; das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten."

25

Der Kläger gehörte in der Zeit vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 zwar nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX zum Kreis der Personen, die eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen können, da ihm das Merkzeichen "G" zuerkannt worden war. Jedoch erfüllte er nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Entrichtung eines Betrages von 60 Euro bzw 30 Euro für die Ausgabe der insoweit erforderlichen Wertmarke. Auf die vorliegend einzig in Betracht kommende Ausnahmeregelung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX kann sich der Kläger auch im Hinblick darauf nicht berufen, dass ihm vom Landeswohlfahrtsverband Hessen Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 KFürsV gewährt wurde. Zwar wird diese laufend gezahlt, es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Leistung für den Lebensunterhalt iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

26

Zunächst bezieht sich die Formulierung "für den Lebensunterhalt" in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX nicht nur auf die dort aufgeführten Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII sowie nach dem SGB VIII, sondern auch auf Leistungen nach den §§ 27a und 27d BVG. Anders lässt sich der Wortlaut der Norm grammatikalisch nicht deuten. Es muss sich demnach auch bei den Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG um solche zum Lebensunterhalt handeln(vgl Masuch in Hauck/Noftz, SGB IX, Stand März 2012, K § 145 RdNr 26; Winkler in Müller-Wenner/Winkler, SGB IX Teil 2, 2. Aufl 2011, § 145 RdNr 14).

27

An sich könnte der Begriff "Lebensunterhalt" so weit verstanden werden, dass er auch die Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs umfasst (vgl BSG Urteil vom 11.3.1976 - 7 RAr 45/75 - SozSich 1976, 186, 187); im vorliegenden Zusammenhang verbietet sich jedoch nach Auffassung des Senats eine solche Auslegung.

28

Für ein enges Verständnis des Begriffes "Lebensunterhalt" spricht bereits die Gesetzesentwicklung.

29

§ 145 SGB IX wurde durch Art 1 des SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) mit Wirkung ab 1.7.2001 eingeführt. Nach der Begründung zum Entwurf des SGB IX handelt es sich um eine inhaltsgleiche Übernahme des bis dahin gültigen Rechts (vgl BT-Drucks 14/5074, S 115). Die zuvor maßgebliche Regelung befand sich zunächst in § 57 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) idF durch das Gesetz über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9.7.1979 (BGBl I 989) und nach der Bekanntmachung der Neufassung des SchwbG vom 26.8.1986 (BGBl I 1421) ab 1.8.1986 in § 59 SchwbG.

30

Ziel der Vergünstigung war und ist es, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am öffentlichen Personenverkehr durch erleichterten Zugang zu öffentlichen Transportmitteln zu fördern, da Mobilität als Grundbedürfnis der modernen Gesellschaft anerkannt wird (Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl 2012, § 145 RdNr 1). Diese Kompensationsfunktion wird bereits an den Anspruchsvoraussetzungen deutlich, wonach eine behinderungsbedingte erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegen muss.

31

Im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22.12.1983 (BGBl I 1532) wurde aus Einsparungsgründen (BR-Drucks 302/83, S 63) erstmals eine Eigenbeteiligung in Höhe von 120 DM jährlich für die Ausgabe der zur Beförderung berechtigenden Wertmarke eingeführt. Die gleichzeitige Regelung von Ausnahmen für Berechtigte, die die Wertmarke nach wie vor ohne Leistung dieser Eigenbeteiligung erhalten sollten, diente dem Zweck, "die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtberechtigter" zu berücksichtigen, "ohne daß die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im Einzelnen prüfen müssen" (BR-Drucks 302/83, S 89; vgl dazu bereits auch die Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 34 und vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 35).

32

Bald danach erkannte der Gesetzgeber, dass durch diese Regelungen des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 Härten aufgetreten waren (BT-Drucks 10/3218, S 1; BT-Drucks 10/3495, S 1), die durch das Gesetz zur Erweiterung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 18.7.1985 (BGBl I 1516) beseitigt werden sollten. Es wurde der damalige § 57 Abs 1 S 4 Nr 2 SchwbG, der Vorgängervorschrift zur Ausnahmeregelung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX, neu gefasst und dabei auch Behinderte mit aufgenommen, die "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach (…) den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten"(vgl BT-Drucks 10/3495, S 5; BR-Drucks 291/85, S 1).

33

Damit ergibt sich bereits aus der Gesetzeshistorie, dass die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke eine Ausnahme von der Regel einer Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung darstellt (vgl dazu Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29 sowie vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 18). Nur einem begrenzten Personenkreis sollte nach der Einführung der Eigenbeteiligung das Privileg unentgeltlicher Beförderung ohne Eigenbeteiligung zugutekommen. Alle übrigen Freifahrtberechtigten sollten sich an den Kosten der Vergünstigung beteiligen (vgl bereits zu § 57 Abs 1 S 4 SchwbG idF vom 22.12.1983, BGBl I 1532: BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 und zur Rechtslage nach Einführung von § 145 SGB IX: Senatsurteile vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 29 sowie vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 18, jeweils mwN). Insoweit ist die Befreiungsvorschrift grundsätzlich eng auszulegen (vgl Vogl in jurisPK SGB IX, Online-Ausgabe, § 145 RdNr 47, Stand Februar 2010).

34

Ferner lässt sich aus der durch den Wortlaut geprägten inneren Systematik des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX schließen, dass der Begriff "Lebensunterhalt" einheitlich zu verstehen ist, unabhängig davon, ob Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII, des SGB VIII oder den §§ 27a, 27d BVG angesprochen werden. Entsprechendes gilt für die an erster Stelle aufgeführten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Wenn sich die den Lebensunterhalt betreffenden Leistungen nach dem SGB II, SGB VIII und SGB XII grundsätzlich an dem menschenwürdigen Existenzminimum orientieren (vgl dazu § 1 Abs 1, § 20 SGB II, § 39 SGB VIII, § 1, §§ 27 ff SGB XII), hat dies auch für diejenigen Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG zu gelten, die gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX zu einer Befreiung von der Entrichtung des Eigenanteils führen. Einem so verstandenen notwendigen Lebensunterhalt dienen Leistungen zur Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich nicht (vgl dazu BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

35

Entgegen der Ansicht des Klägers läuft die Bezugnahme auf § 27d BVG in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX bei einem solchen Verständnis des Begriffs "Lebensunterhalt" nicht leer.

36

Während § 27a BVG selbst ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt regelt und damit die Befreiung von der Leistung eines Eigenanteils bereits dann eintreten lässt, wenn die entsprechende Hilfeleistung für den Lebensunterhalt laufend gewährt wird, stellt ein laufender Leistungsbezug nach § 27d BVG nicht automatisch eine "Hilfe für den Lebensunterhalt" in diesem Sinne dar. Vielmehr betrifft § 27d BVG ausdrücklich "Hilfen in besonderen Lebenslagen", die darüber hinaus auch teilweise einkommens- und vermögensunabhängig geleistet werden. Je nach konkreter Hilfe in besonderen Lebenslagen ist zu unterscheiden, ob diese Leistungen gerade (auch) die Sicherung des Lebensunterhalts bezwecken oder der Abdeckung einer sich vom allgemeinen Lebensunterhalt abzugrenzenden speziellen Bedarfslage dienen.

37

§ 27d BVG in der vorliegend maßgeblichen, vom 21.12.2007 bis 30.6.2011 geltenden Fassung des Art 1 Nr 16 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) lautet:

        

"(1)   

Als Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten Beschädigte und Hinterbliebene

        

 1.     

Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage,

        

 2.     

Hilfen zur Gesundheit,

        

 3.     

Eingliederungshilfe für behinderte Menschen,

        

 4.     

Blindenhilfe,

        

 5.     

Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

        

 (2)   

Leistungen können auch in anderen besonderen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung des Zweckes der Kriegsopferfürsorge rechtfertigen.

        

 (3)   

Für die Hilfen in besonderen Lebenslagen gelten das Fünfte, Sechste und Achte Kapitel sowie §§ 72, 74, 88 Abs. 2 und § 92 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung der besondern Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen entsprechend. Die §§ 10 bis 24a bleiben unberührt. Blindenhilfe kommt nur in Betracht, soweit nicht eine Pflegezulage nach § 35 wegen schädigungsbedingter Blindheit erbracht wird. Erhalten blinde Menschen eine Pflegezulage nach § 35 aus anderen Gründen, wird sie bis zu den in § 72 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Beträgen auf die Blindenhilfe angerechnet. Leistungen nach § 43a des Elften Buches Sozialgesetzbuch sowie gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften gehen den Leistungen der Kriegsopferfürsorge vor.

                 

(4) - (7) … "

38

Schon gemäß § 27d Abs 1 Nr 1 BVG iVm § 28a KFürsV (§ 28a mit Wirkung vom 1.1.2005 eingeführt durch Art 18 Nr 24 Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007, BGBl I 2904) können Hilfen zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage erbracht werden, wenn den Leistungsberechtigten sonst voraussichtlich ergänzende Hilfen zum Lebensunterhalt erbracht werden müssten. Diese Leistung soll gerade nicht nur in einer bestehenden Notlage Abhilfe schaffen, sondern dazu beitragen, nach Möglichkeit bereits vorbeugend, das Entstehen einer (Lebensunterhalts-)Notlage zu verhindern (vgl Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge, hrsg von Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Stand Januar 2012, 27d.2 S 7). Diese konkrete Hilfe in besonderen Lebenslagen knüpft folglich unmittelbar an das Fehlen einer ausreichenden wirtschaftlichen Lebensgrundlage des Betroffenen an und bezweckt, dem Berechtigten den Aufbau oder die Sicherung einer Lebensgrundlage durch eigene Tätigkeit zu erhalten (vgl § 28a Abs 1 KFürsV), um einen ergänzenden Bezug von Hilfen zum Lebensunterhalt zu vermeiden. Denn gemäß § 28a Abs 2 KFürsV sollen diese Leistungen in der Regel nur erbracht werden, wenn die Leistungsberechtigten sonst ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten müssten.

39

Auch im Rahmen der nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG zu erbringenden Eingliederungsleistungen gibt es solche, in denen Hilfen für den Lebensunterhalt enthalten sind. Dies kann insbesondere bei stationären Eingliederungshilfen, wie zB bei Leistungen in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe, der Fall sein, die neben dem Bedarf für die Wohnform behinderter Menschen auch den Bedarf für die Unterbringung berücksichtigen; dazu gehört auch eine Grundpauschale für Unterkunft und Verpflegung (vgl Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge, aaO, 27d.3 S 20/3, 35f).

40

Zum Sinn und Zweck der Vorgängerregelung des § 59 Abs 1 S 5 Nr 2 SchwbG hat das BSG bereits ausgeführt, dass die Privilegierung der Bezieher von Leistungen für den Lebensunterhalt ihre Begründung darin findet, dass bei diesen Personen bereits festgestellt wurde, dass der notwendige Lebensunterhalt ohne fremde Hilfe nicht gedeckt werden kann und eine Selbstbeteiligung dieser Personen an den Kosten für die Wertmarke im Ergebnis die sozialen Ausgleichssysteme belasten würde(vgl BSG Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 7/93 - Juris RdNr 10).

41

Entsprechend dieser Zielsetzung hat der Senat § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX innerhalb der Wortlautgrenze dahin ausgelegt, dass der Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buches" nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch Leistungen, die in entsprechender Anwendung des Dritten und Vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen(vgl dazu Senatsurteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 19). Denn aus den Gesetzesmaterialien zu den jeweiligen Änderungen der Befreiungstatbestände für einkommensschwache schwerbehinderte Menschen bei der unentgeltlichen Beförderung im Personenverkehr ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sein ursprüngliches Anliegen, "alle Personen zu erfassen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten" (BT-Drucks 10/3138 S 40), aufgegeben haben könnte (Senatsurteil, aaO, RdNr 28).

42

Etwas anderes gilt auch nicht für Leistungen nach §§ 27a und 27d BVG. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber, wie der Kläger meint, die Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge unabhängig von dem Bezug laufender Leistungen zum Lebensunterhalt begünstigen und damit besserstellen wollte als Bezieher lebensunterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II, SGB VIII oder SGB XII.

43

Der Kläger erhält die von ihm bezogene Kraftfahrzeughilfe nach § 27d Abs 1 Nr 3 BVG iVm § 28 Abs 1 Nr 2 KFürsV nicht für seinen so verstandenen Lebensunterhalt. § 28 KFürsV sieht vor:

        

"(1)   

Beschädigte erhalten als Hilfen in besonderen Lebenslagen nach § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes auch

        

 1.     

Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, sofern ihnen ohne diese Hilfen eine Teilhabe infolge der Schädigung nicht möglich oder nicht zumutbar ist,

        

 2.     

Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung, zum Unterstellen und zum Abstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zur Erlangung der Fahrerlaubnis, sofern sie infolge der Schädigung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am öffentlichen und kulturellen Geschehen, auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind.

        

 (2)   

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Leistungen nach Absatz 1 Nr. 2 gelten bei Beschädigten als erfüllt, die zum Personenkreis des § 23 Abs. 1 der Orthopädieverordnung in der jeweils geltenden Fassung gehören. Im Übrigen sind sie durch ärztliches Zeugnis nachzuweisen."

44

Da durch die Kraftfahrzeughilfe eine spezielle schädigungsbedingte Bedarfssituation abgedeckt und dem Betroffenen insoweit eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden soll (vgl BVerwG Urteil vom 23.11.1995 - 5 C 7/94 - Juris RdNr 15), ist diese konkrete Form der Eingliederungshilfe keine laufende Leistung für den Lebensunterhalt iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX. Dies wird auch dadurch deutlich, dass sie grundsätzlich unabhängig von den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen geleistet wird, sofern die gesundheitlichen Voraussetzungen zum Leistungsbezug erfüllt sind (vgl § 25c Abs 3 S 2 iVm § 25f Abs 1 S 6 BVG sowie Ernst, Die Entwicklung der Kriegsopferfürsorge, SuP 2000, 343, 352).

45

Dass der Kläger danach für den Zeitraum vom 1.5.2010 bis 30.4.2011 nach § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr ohne Verpflichtung zur Entrichtung des Eigenanteils hatte, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere wird Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt.

46

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürften Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

47

Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 418 mwN). Die aus Art 3 Abs 1 GG folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416).

48

Demnach ergibt sich aus Art 3 Abs 1 GG auch ein Verbot gleichheitswidriger Begünstigungsausschlüsse, bei denen also eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt und einem anderen ohne hinreichenden Grund vorenthalten wird. Werden bei der Gewährung bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen die Empfänger anderer Sozial- oder Entschädigungsleistungen in unterschiedlicher Weise der Einkommensanrechnung unterworfen, muss also die Berechtigung zur unterschiedlichen Behandlung genau geprüft werden (BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - SGb 2011, 702, 705 mwN).

49

Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ist Maßstab für die Rechtfertigung der Auswahl der von der sozialen Vergünstigung iS des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX betroffenen Personenkreise das Willkürverbot(vgl BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 9 SB 6/10 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 3 RdNr 46; vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 30 ff, 36). Dieses wird hier nicht verletzt.

50

Soweit die Befreiung von der Verpflichtung, für die Ausgabe der Wertmarke nach § 145 SGB IX einen Eigenanteil in Höhe von 60 Euro für ein Jahr bzw 30 Euro für ein halbes Jahr leisten zu müssen, gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX für Bezieher von Leistungen nach § 27d BVG davon abhängig ist, dass diese laufende Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten, ist dieses Differenzierungsmerkmal jedenfalls nicht willkürlich. Personen, deren nach § 27d BVG bezogene Leistungen nicht dem Lebensunterhalt dienen, werden dadurch nicht sachwidrig benachteiligt.

51

Der Gesetzgeber wollte im Jahre 1983 die Kosten eindämmen, die vor dem Inkrafttreten der Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 mit der Freifahrtberechtigung einhergingen. Zu diesem Zweck hat er den Grundsatz eingeführt, dass alle Schwerbehinderten, die Anspruch auf Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr haben, einen Eigenanteil in Höhe von monatlich umgerechnet 5 Euro zu leisten haben. Damit wird der gesetzliche Zweck der Mobilitätsförderung durch unentgeltliche Beförderung nur moderat relativiert, wobei gleichzeitig die durch Erstattung der Fahrgeldausfälle entstehenden finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand eingedämmt werden (vgl BSG vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R - SozR 4-3250 § 145 Nr 1 RdNr 28).

52

Lediglich für besonders schutzbedürftige Personengruppen hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von dieser Regel vorgesehen und ihnen die Wertmarke nach wie vor ohne Eigenanteilsleistung zugänglich gemacht. Insoweit hat das BSG bereits zur Vorgängerregelung in § 57 Abs 1 S 5 Ziff 1 bis 3 SchwbG entschieden, dass die Begünstigung der dort genannten Personenkreise gegenüber anderen Schwerbehinderten nicht willkürlich erfolgt ist(BSG Urteil vom 8.10.1987 - 9a RVs 6/87 - SozR 3870 § 57 Nr 1 S 4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eigenbeteiligung im Vergleich zum Nutzen der Wertmarke nur eine geringe finanzielle monatliche Belastung darstellt. Insoweit erscheint es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber eine Befreiungsmöglichkeit nur in engen Grenzen zugelassen hat. Diese werden - soweit es § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX betrifft - durch das Erfordernis eines Bezuges laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sachgerecht bestimmt, da die begünstigten Personen wirtschaftlich vom Existenzminimum leben. Dadurch wird den Belangen "typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtberechtigter" (vgl BT-Drucks 10/335 S 89) angemessen Rechnung getragen. Im Gesamtzusammenhang der Vergünstigung ist zudem bedeutsam, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Vergünstigung, die mit der Ausgabe einer Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr einhergeht, allen nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX Berechtigten zukommen zu lassen, ohne dass es auf die Ursache ihrer Behinderung oder auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankäme(vgl BT-Drucks 8/2453, S 8f).

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Erlaubnis wird auf schriftlichen Antrag erteilt.

(2) Die Erlaubnis kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, um sicherzustellen, daß keine Tatsachen eintreten, die nach § 3 die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Die Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen sind auch nach Erteilung der Erlaubnis zulässig.

(3) Die Erlaubnis kann unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden, wenn eine abschließende Beurteilung des Antrags noch nicht möglich ist.

(4) Die Erlaubnis ist auf ein Jahr zu befristen. Der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis ist spätestens drei Monate vor Ablauf des Jahres zu stellen. Die Erlaubnis verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt. Im Fall der Ablehnung gilt die Erlaubnis für die Abwicklung der nach § 1 erlaubt abgeschlossenen Verträge als fortbestehend, jedoch nicht länger als zwölf Monate.

(5) Die Erlaubnis kann unbefristet erteilt werden, wenn der Verleiher drei aufeinanderfolgende Jahre lang nach § 1 erlaubt tätig war. Sie erlischt, wenn der Verleiher von der Erlaubnis drei Jahre lang keinen Gebrauch gemacht hat.

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Die Überlassung und das Tätigwerdenlassen von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Überlassung von Arbeitnehmern ist vorübergehend bis zu einer Überlassungshöchstdauer nach Absatz 1b zulässig. Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.

(1a) Die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft ist keine Arbeitnehmerüberlassung, wenn der Arbeitgeber Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ist, für alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges gelten und alle Mitglieder auf Grund des Arbeitsgemeinschaftsvertrages zur selbständigen Erbringung von Vertragsleistungen verpflichtet sind. Für einen Arbeitgeber mit Geschäftssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes ist die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft auch dann keine Arbeitnehmerüberlassung, wenn für ihn deutsche Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges wie für die anderen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft nicht gelten, er aber die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt.

(1b) Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. In einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach Satz 3 können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Entleihers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung übernommen werden. In einer auf Grund eines Tarifvertrages von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche getroffenen Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Können auf Grund eines Tarifvertrages nach Satz 5 abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Entleihers bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 24 Monaten davon Gebrauch gemacht werden, soweit nicht durch diesen Tarifvertrag eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer für Betriebs- oder Dienstvereinbarungen festgelegt ist. Unterfällt der Betrieb des nicht tarifgebundenen Entleihers bei Abschluss einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung nach Satz 4 oder Satz 6 den Geltungsbereichen mehrerer Tarifverträge, ist auf den für die Branche des Entleihers repräsentativen Tarifvertrag abzustellen. Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauern in ihren Regelungen vorsehen.

(2) Werden Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen und übernimmt der Überlassende nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3), so wird vermutet, daß der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt.

(3) Dieses Gesetz ist mit Ausnahme des § 1b Satz 1, des § 16 Absatz 1 Nummer 1f und Absatz 2 bis 5 sowie der §§ 17 und 18 nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung

1.
zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen, wenn ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht,
2.
zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird,
2a.
zwischen Arbeitgebern, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird,
2b.
zwischen Arbeitgebern, wenn Aufgaben eines Arbeitnehmers von dem bisherigen zu dem anderen Arbeitgeber verlagert werden und auf Grund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes
a)
das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter besteht und
b)
die Arbeitsleistung zukünftig bei dem anderen Arbeitgeber erbracht wird,
2c.
zwischen Arbeitgebern, wenn diese juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder Regelungen der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften anwenden, oder
3.
in das Ausland, wenn der Leiharbeitnehmer in ein auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründetes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen verliehen wird, an dem der Verleiher beteiligt ist.

(1) Die Erlaubnis wird auf schriftlichen Antrag erteilt.

(2) Die Erlaubnis kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, um sicherzustellen, daß keine Tatsachen eintreten, die nach § 3 die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Die Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen sind auch nach Erteilung der Erlaubnis zulässig.

(3) Die Erlaubnis kann unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden, wenn eine abschließende Beurteilung des Antrags noch nicht möglich ist.

(4) Die Erlaubnis ist auf ein Jahr zu befristen. Der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis ist spätestens drei Monate vor Ablauf des Jahres zu stellen. Die Erlaubnis verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt. Im Fall der Ablehnung gilt die Erlaubnis für die Abwicklung der nach § 1 erlaubt abgeschlossenen Verträge als fortbestehend, jedoch nicht länger als zwölf Monate.

(5) Die Erlaubnis kann unbefristet erteilt werden, wenn der Verleiher drei aufeinanderfolgende Jahre lang nach § 1 erlaubt tätig war. Sie erlischt, wenn der Verleiher von der Erlaubnis drei Jahre lang keinen Gebrauch gemacht hat.

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Die Erlaubnis wird auf schriftlichen Antrag erteilt.

(2) Die Erlaubnis kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, um sicherzustellen, daß keine Tatsachen eintreten, die nach § 3 die Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Die Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen sind auch nach Erteilung der Erlaubnis zulässig.

(3) Die Erlaubnis kann unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden, wenn eine abschließende Beurteilung des Antrags noch nicht möglich ist.

(4) Die Erlaubnis ist auf ein Jahr zu befristen. Der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis ist spätestens drei Monate vor Ablauf des Jahres zu stellen. Die Erlaubnis verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt. Im Fall der Ablehnung gilt die Erlaubnis für die Abwicklung der nach § 1 erlaubt abgeschlossenen Verträge als fortbestehend, jedoch nicht länger als zwölf Monate.

(5) Die Erlaubnis kann unbefristet erteilt werden, wenn der Verleiher drei aufeinanderfolgende Jahre lang nach § 1 erlaubt tätig war. Sie erlischt, wenn der Verleiher von der Erlaubnis drei Jahre lang keinen Gebrauch gemacht hat.

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Unwirksam sind:

1.
Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat; der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer wird nicht unwirksam, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so beginnt die Frist mit Eintritt der Unwirksamkeit,
1a.
Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn entgegen § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6 die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält,
1b.
Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält,
2.
Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer schlechtere als die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen,
2a.
Vereinbarungen, die den Zugang des Leiharbeitnehmers zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten im Unternehmen des Entleihers entgegen § 13b beschränken,
3.
Vereinbarungen, die dem Entleiher untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht; dies schließt die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht aus,
4.
Vereinbarungen, die dem Leiharbeitnehmer untersagen, mit dem Entleiher zu einem Zeitpunkt, in dem das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nicht mehr besteht, ein Arbeitsverhältnis einzugehen,
5.
Vereinbarungen, nach denen der Leiharbeitnehmer eine Vermittlungsvergütung an den Verleiher zu zahlen hat.

(2) Die Erklärung nach Absatz 1 Nummer 1, 1a oder 1b (Festhaltenserklärung) ist nur wirksam, wenn

1.
der Leiharbeitnehmer diese vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt,
2.
die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat, und
3.
die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Ver- oder Entleiher zugeht.

(3) Eine vor Beginn einer Frist nach Absatz 1 Nummer 1 bis 1b abgegebene Festhaltenserklärung ist unwirksam. Wird die Überlassung nach der Festhaltenserklärung fortgeführt, gilt Absatz 1 Nummer 1 bis 1b. Eine erneute Festhaltenserklärung ist unwirksam. § 28e Absatz 2 Satz 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gilt unbeschadet der Festhaltenserklärung.

(1) Die Bundesagentur für Arbeit führt dieses Gesetz nach fachlichen Weisungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch. Verwaltungskosten werden nicht erstattet.

(2) Die Prüfung der Arbeitsbedingungen nach § 8 Absatz 5 obliegt zudem den Behörden der Zollverwaltung nach Maßgabe der §§ 17a bis 18a.

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 1 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Bauleistungen gemäß § 101 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erbringt.

(2) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 2 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Gebäudereinigungsleistungen erbringt.

(3) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 3 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert.

(4) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 4 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Dienstleistungen des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes oder Kontroll- und Ordnungsdienste erbringt, die dem Schutz von Rechtsgütern aller Art, insbesondere von Leben, Gesundheit oder Eigentum dienen.

(5) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 5 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung im Auftrag eines Dritten überwiegend auf inländischen Steinkohlebergwerken Grubenräume erstellt oder sonstige untertägige bergbauliche Spezialarbeiten ausführt.

(6) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 6 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung gewerbsmäßig überwiegend Textilien für gewerbliche Kunden sowie öffentlich-rechtliche oder kirchliche Einrichtungen wäscht, unabhängig davon, ob die Wäsche im Eigentum der Wäscherei oder des Kunden steht. Dieser Abschnitt findet keine Anwendung auf Wäschereidienstleistungen, die von Werkstätten für behinderte Menschen im Sinne des § 219 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbracht werden.

(7) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 7 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sammelt, befördert, lagert, behandelt, beseitigt oder verwertet oder Dienstleistungen des Kehrens und Reinigens öffentlicher Verkehrsflächen und Schnee- und Eisbeseitigung von öffentlichen Verkehrsflächen einschließlich Streudienste erbringt.

(8) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 8 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch durchführt. Ausgenommen sind Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 51 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch.

(9) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nummer 9 findet dieser Abschnitt Anwendung in Betrieben und selbstständigen Betriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird (Betriebe der Fleischwirtschaft) sowie in Betrieben und selbstständigen Betriebsabteilungen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betrieben der Fleischwirtschaft einsetzen. Das Schlachten umfasst dabei alle Tätigkeiten des Schlachtens und Zerlegens von Tieren mit Ausnahme von Fischen. Die Verarbeitung umfasst alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie deren Portionierung und Verpackung. Nicht erfasst ist die Verarbeitung, wenn die Behandlung, die Portionierung oder die Verpackung beim Schlachten gewonnener Fleischprodukte direkt auf Anforderung des Endverbrauchers erfolgt.

(10) Bestimmt ein Tarifvertrag nach den Absätzen 1 bis 9 den Begriff des Betriebs oder der selbstständigen Betriebsabteilung, ist diese Begriffsbestimmung maßgeblich.

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 1 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Bauleistungen gemäß § 101 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erbringt.

(2) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 2 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Gebäudereinigungsleistungen erbringt.

(3) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 3 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert.

(4) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 4 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Dienstleistungen des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes oder Kontroll- und Ordnungsdienste erbringt, die dem Schutz von Rechtsgütern aller Art, insbesondere von Leben, Gesundheit oder Eigentum dienen.

(5) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 5 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung im Auftrag eines Dritten überwiegend auf inländischen Steinkohlebergwerken Grubenräume erstellt oder sonstige untertägige bergbauliche Spezialarbeiten ausführt.

(6) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 6 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung gewerbsmäßig überwiegend Textilien für gewerbliche Kunden sowie öffentlich-rechtliche oder kirchliche Einrichtungen wäscht, unabhängig davon, ob die Wäsche im Eigentum der Wäscherei oder des Kunden steht. Dieser Abschnitt findet keine Anwendung auf Wäschereidienstleistungen, die von Werkstätten für behinderte Menschen im Sinne des § 219 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbracht werden.

(7) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 7 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Abfälle im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sammelt, befördert, lagert, behandelt, beseitigt oder verwertet oder Dienstleistungen des Kehrens und Reinigens öffentlicher Verkehrsflächen und Schnee- und Eisbeseitigung von öffentlichen Verkehrsflächen einschließlich Streudienste erbringt.

(8) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nr. 8 findet dieser Abschnitt Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch durchführt. Ausgenommen sind Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 51 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch.

(9) Im Falle eines Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nummer 9 findet dieser Abschnitt Anwendung in Betrieben und selbstständigen Betriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird (Betriebe der Fleischwirtschaft) sowie in Betrieben und selbstständigen Betriebsabteilungen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Betrieben der Fleischwirtschaft einsetzen. Das Schlachten umfasst dabei alle Tätigkeiten des Schlachtens und Zerlegens von Tieren mit Ausnahme von Fischen. Die Verarbeitung umfasst alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie deren Portionierung und Verpackung. Nicht erfasst ist die Verarbeitung, wenn die Behandlung, die Portionierung oder die Verpackung beim Schlachten gewonnener Fleischprodukte direkt auf Anforderung des Endverbrauchers erfolgt.

(10) Bestimmt ein Tarifvertrag nach den Absätzen 1 bis 9 den Begriff des Betriebs oder der selbstständigen Betriebsabteilung, ist diese Begriffsbestimmung maßgeblich.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 4. Juni 2014 - 16 Sa 20/14 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass ein Zinsanspruch der Klägerin in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 720,70 Euro brutto erst seit dem 6. September 2013 besteht.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen.

2

Die Klägerin war vom 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2013 bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 33,5 Stunden beschäftigt. Das vertraglich vereinbarte Bruttomonatsgehalt betrug 1.546,15 Euro. Auf das Arbeitsverhältnis fanden weder kraft beiderseitiger Tarifbindung noch aufgrund vertraglicher Bezugnahme Tarifverträge Anwendung.

3

Die Beklagte beschäftigt ca. 50 Mitarbeiter und erbringt in ihrem Betrieb in H im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Nach einem mit der Bundesagentur für Arbeit geschlossenen „Vertrag über die Durchführung von Maßnahmen nach § 102 Abs. 1 Nr. 1a Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) in vergleichbaren Einrichtungen nach § 35 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX)“ vom 6./8. Juli 2011 erfüllt sie die Kriterien als vergleichbare Einrichtung der beruflichen Rehabilitation iSv. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Jedenfalls bis März 2014 führte sie eine Maßnahme zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB III(bis 31. März 2012: § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB III) in ihren barrierefreien Räumlichkeiten in der M in H unter Einsatz von 2 bis 3 Mitarbeitern durch. Sonstige Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Sozialgesetzbuch wurden von den übrigen Mitarbeitern im etwa 500 m entfernten Hauptgebäude der Beklagten erbracht.

4

Mit der am 1. August 2012 in Kraft getretenen „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch“ vom 17. Juli 2012 (MindestlohnVO) erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemäß § 7 AEntG in der im Zeitraum vom 20. April 2009 bis zum 15. August 2014 geltenden Fassung die Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 für allgemein anwendbar. In der MindestlohnVO heißt es auszugsweise:

        

§ 1   

        

Zwingende Arbeitsbedingungen

        

Die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 (…) finden auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung, wenn der Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch durchführt; ausgenommen sind Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation im Sinne des § 35 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags gelten auch für Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und seinen im Geltungsbereich der Verordnung beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.“

5

Der TV Mindestlohn enthält ua. folgende Regelungen:

        

§ 1   

        

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt

        

…       

        
                          
        

2.    

sachlich für Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen von Trägern der beruflichen Bildung, soweit diese Betriebe oder selbständigen Betriebsabteilungen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch des Sozialgesetzbuches erbringen. Ausgenommen sind die Träger der beruflichen Rehabilitation behinderter Menschen;

        

…       

        
        

§ 2     

        

Regelungsgegenstände

        

1.    

Dieser Tarifvertrag regelt ausschließlich die Mindeststundenvergütung und den jährlichen Urlaubsanspruch. Für andere Regelungsgegenstände ist die Vereinbarung eines tariflichen Anspruchs aus diesem Tarifvertrag ausdrücklich nicht gewollt.

        

2.    

Für die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer günstigere Regelungen bleiben unberührt.

        

§ 3     

        

Entgelt

        

1.    

Die Mindeststundenvergütung (brutto) beträgt - abhängig vom Einsatzort - mindestens

                 

12,60 €

(Berlin, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg, Bayern)

                 

11,25 €

(Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen).

        

…       

                 
        

§ 4     

        

Urlaub

        

Die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer haben unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes Anspruch auf Jahresurlaub; Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche beträgt der Urlaubsanspruch 26 Arbeitstage; der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von sechs Monaten.“

6

Die Beklagte nahm eine Nachberechnung des Entgelts der Klägerin für die Monate August 2012 bis März 2013 auf Basis der Mindeststundenvergütung von 12,60 Euro brutto vor und erbrachte Nachzahlungen für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und Urlaubsstunden in Höhe von insgesamt 993,25 Euro brutto. Aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder von Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit berücksichtigte sie dabei nicht.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, gemäß §§ 2, 3 EFZG stehe ihr die Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn auch für Arbeitsstunden zu, die wegen Krankheit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallen sind. Der TV Mindestlohn finde auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung, da die Beklagte in ihrem Betrieb in H überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch erbringe. Die Durchführung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen für behinderte Menschen sei im Betrieb der Beklagten von weit untergeordneter Bedeutung. Ausgehend von einer Gesamtzahl von 1.174,94 Arbeits- oder Urlaubsstunden oder wegen Arbeitsunfähigkeit oder Feiertagen ausgefallener Stunden ergebe sich für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 unter Anrechnung erhaltener Zahlungen ein Differenzanspruch in Höhe von 1.129,94 Euro brutto.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.129,94 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. September 2013 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der TV Mindestlohn finde keine Anwendung, da es sich bei dem Betrieb in H um eine Einrichtung iSv. § 35 Abs. 1 SGB IX handele. Im Übrigen sei die Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu zahlen, nicht aber im Krankheitsfall oder an Feiertagen.

10

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der wegen Arbeitsunfähigkeit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden in Höhe von 720,70 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin eine vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf eine weitere Entgeltzahlung für die infolge Arbeitsunfähigkeit oder aufgrund von Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden in der vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Höhe.

12

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, verlangt sie im Weg der abschließenden Gesamtklage (vgl. zu den Anforderungen BAG 19. März 2014 - 7 AZR 480/12 - Rn. 11 f.) Differenzvergütungsansprüche für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013. Über den Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe der hieraus für diesen Zeitraum resultierenden Vergütungsansprüche hat das Landesarbeitsgericht bereits rechtskräftig entschieden. Die Anzahl der im Streitzeitraum angefallenen vergütungspflichtigen Krankheits- und Feiertagsstunden ist ebenso wie die Höhe und Berechnung des monatlich gezahlten und anrechenbaren Entgelts festgestellt und steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Entscheidung des Senats hängt damit allein von der Frage ab, ob diese wegen Arbeitsunfähigkeit oder Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden in Höhe der Mindeststundenvergütung nach § 3 TV Mindestlohn zu vergüten sind oder ob die Beklagte nur die geringere vertraglich vereinbarte Vergütung zu zahlen hat. Mit der Entscheidung des Senats ist abschließend geklärt, welche Vergütung die Klägerin für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 noch zu beanspruchen hat.

13

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gemäß § 2 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG auch für die wegen eines Feiertags und Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Arbeitsstunden Anspruch auf eine Vergütung in Höhe der in § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn bestimmten Mindeststundenvergütung.

14

1. Es besteht kein Anlass, den Rechtsstreit nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung auszusetzen (vgl. zu den Voraussetzungen: BAG 7. Januar 2015 - 10 AZB 109/14 -; 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 17 ff.). Vorliegend kommt es zwar entscheidungserheblich auf die Wirksamkeit der nach § 7 AEntG aF ergangenen MindestlohnVO an, da sich ein Anspruch auf die Mindeststundenvergütung nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn mangels Tarifbindung der Parteien und fehlender arbeitsvertraglicher Grundlage nur aus § 1 MindestlohnVO ergeben kann und der Klageantrag unter diesen Voraussetzungen begründet ist(vgl. unten II. 3.). Doch haben weder die Parteien Sachvortrag gehalten, der ernsthafte Zweifel (vgl. zu diesem Maßstab BAG 7. Januar 2015 - 10 AZB 109/14 - Rn. 17 ff. mwN) an der Wirksamkeit der MindestlohnVO wecken könnte, noch sind dem Senat von Amts wegen solche Zweifel bekannt.

15

2. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin für die aufgrund von Arbeitsunfähigkeit oder wegen Feiertagen ausgefallenen Arbeitsstunden ergibt sich nicht unmittelbar aus § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn iVm. § 1 MindestlohnVO, § 8 Abs. 1 AEntG aF.

16

a) Entgegen der Auffassung der Revision unterfielen die Parteien allerdings dem Geltungsbereich der MindestlohnVO und des TV Mindestlohn.

17

aa) Gemäß § 1 Nr. 2 TV Mindestlohn gilt dieser Tarifvertrag sachlich für Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen von Trägern beruflicher Bildung, soweit diese Betriebe oder selbständigen Betriebsabteilungen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder dem SGB III erbringen. Ausgenommen sind Träger der beruflichen Rehabilitation. § 1 MindestlohnVO knüpft hieran an und nimmt - orientiert am Wortlaut von § 6 Abs. 9 Satz 2 AEntG aF - Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX von der Anwendungserstreckung aus.

18

bb) Die Beklagte erbringt als Träger beruflicher Bildung in ihrem Betrieb in H überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und SGB III. Dies ist vom Landesarbeitsgericht festgestellt und steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Betrieb nicht als Einrichtung der beruflichen Rehabilitation iSv. § 35 Abs. 1 SGB IX von der Erstreckung des TV Mindestlohn ausgenommen. Zwar handelt es sich um eine vergleichbare Einrichtung iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX. Die bloße Anerkennung als solche Einrichtung genügt jedoch nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob dort überwiegend Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Behinderung durchgeführt werden. Dies ergibt eine Auslegung der Vorschrift (vgl. zu den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zB BAG 11. Juni 2013 - 1 ABR 32/12 - Rn. 31, BAGE 145, 211).

19

(1) Nach dem Wortlaut von § 1 Satz 1 Halbs. 1 MindestlohnVO, § 1 Nr. 2 Satz 1 TV Mindestlohn kommt es für die Eröffnung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags und der Verordnung zunächst darauf an, ob überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Tarifsinn durchgeführt werden. Die Normen knüpfen mit dieser Formulierung an das nach der Rechtsprechung zur Branchenzuordnung von Mischbetrieben maßgebliche Überwiegensprinzip an (vgl. zuletzt zB BAG 10. September 2014 - 10 AZR 959/13 - Rn. 37). § 1 Satz 1 Halbs. 2 MindestlohnVO stellt hingegen nach seinem Wortlaut zunächst allein darauf ab, ob es sich um eine Einrichtung iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX handelt. Gleiches gilt für § 1 Nr. 2 Satz 2 TV Mindestlohn, wonach „Träger“ der beruflichen Rehabilitation vom sachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags ausgenommen sind. Dies könnte für die Auffassung der Revision sprechen, dass die Anerkennung als entsprechende Einrichtung alleinige Tatbestandsvoraussetzung für die Ausnahme vom Anwendungsbereich bzw. der Erstreckung ist. Einer solchen Annahme stehen aber der Gesamtzusammenhang der Regelung und ihr Sinn und Zweck entgegen.

20

(2) § 1 Satz 1 Halbs. 2 MindestlohnVO steht in unmittelbarem grammatikalischen Zusammenhang zum vorangestellten Halbsatz 1 und kann deshalb nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr legt diese enge Verknüpfung das Verständnis nahe, dass der zweite Halbsatz das Überwiegensprinzip voraussetzt. Bestätigt wird dies durch die systematische Anknüpfung des § 1 MindestlohnVO an § 6 AEntG in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung. § 1 MindestlohnVO wiederholt wörtlich die Regelung des § 6 Abs. 9 AEntG aF. § 6 AEntG aF stellt für alle im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung in den Absätzen 2 bis 9 erfassten Branchen auf das Überwiegensprinzip ab. Mit der generellen Anwendung des Überwiegensprinzips auf Arbeitgeber mit Sitz im In- und Ausland wird dabei auch unionsrechtlichen Bedenken gegen die frühere Fassung von § 1 Abs. 4 AEntG Rechnung getragen(vgl. EuGH 25. Oktober 2001 - C-49/98 ua. - Rn. 82 f., Slg. 2001, I-7831). Dass vor diesem Hintergrund für die Herausnahme der Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation etwas anderes gelten sollte, lässt sich deshalb alleine aus dem Wortlaut nicht herleiten.

21

(3) Sinn und Zweck des § 1 Satz 1 MindestlohnVO und die Systematik der Verordnung und des TV Mindestlohn gebieten ein am Überwiegensprinzip orientiertes Verständnis. Durch das Überwiegensprinzip soll sichergestellt werden, dass auch branchenfremde Nebentätigkeiten und Mischbetriebe den Mindestlohnregelungen der §§ 3 - 9 AEntG aF unterliegen, wenn die von § 4 AEntG aF erfassten branchenbezogenen Dienstleistungen im jeweiligen Betrieb überwiegen. Die Arbeitnehmer eines Betriebs sollen dann in den Genuss der Mindestlohnregelungen kommen und deren Schutz unterfallen, wenn im Betrieb arbeitszeitlich überwiegend solche Arbeiten erbracht werden, bei denen das öffentliche Interesse eine Erstreckung der Rechtsnormen eines Tarifvertrags iSv. § 7 Abs. 1 AEntG aF gebietet. Mit dieser Zielsetzung wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn alleine die Anerkennung eines Betriebs als Einrichtung iSd. § 35 Abs. 1 SGB IX die Anwendung der Mindestlohnregelungen zu sperren vermag, obwohl arbeitszeitlich überwiegend durch die Arbeitnehmer allgemeine Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und dem SGB III erbracht werden. Eine am Zweck der Regelung orientierte Begründung für eine Ausnahme von diesem Prinzip ist weder dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz noch der MindestlohnVO zu entnehmen. Auch die Beklagte hat nicht begründen können, warum die Beschäftigten nicht dem Schutz der Verordnung unterfallen sollen, wenn im Betrieb nur in untergeordnetem Umfang Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation durchgeführt werden.

22

(4) Damit fallen Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, in denen überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und dem SGB III erbracht werden, zunächst nach § 1 Satz 1 Halbs. 1 MindestlohnVO grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Verordnung. Werden hingegen arbeitszeitlich überwiegend andere Tätigkeiten erbracht, ist deren Geltungsbereich bereits unabhängig von der Ausnahmeregelung nach Halbsatz 2 nicht eröffnet. Erbringen der Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung überwiegend Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und dem SGB III und ist die Einrichtung als eine der beruflichen Rehabilitation iSd. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX anerkannt, bedarf es der weiteren Prüfung, ob überwiegend Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die der beruflichen Rehabilitation iSd. SGB IX zuzuordnen sind, durchgeführt werden. Ist dies der Fall, scheidet eine Anwendung des TV Mindestlohn aus. Andernfalls findet dieser auf alle Arbeitnehmer des Betriebs oder der selbständigen Betriebsabteilung Anwendung.

23

(5) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Verordnung nach § 1 Satz 1 Halbs. 2 MindestlohnVO nicht vor. Im Betrieb in H wurden im Streitzeitraum nur in geringem, deutlich unterhälftigem Umfang Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Behinderung durchgeführt.

24

b) Aus § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn iVm. § 1 MindestlohnVO ergibt sich kein unmittelbarer tariflicher Mindestlohnanspruch für Arbeitszeit, die wegen eines Feiertags oder aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist. Hiervon geht das Landesarbeitsgericht zutreffend aus. Die Ansprüche der Klägerin auf Vergütung tatsächlich geleisteter Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs im Streitzeitraum hat die Beklagte nach Maßgabe des TV Mindestlohn erfüllt.

25

aa) § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn legt eine „Mindeststundenvergütung“ fest, § 4 die Höhe des Jahresurlaubsanspruchs „unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts“. Ausdrückliche Regelungen zur Entgeltfortzahlung an Feiertagen oder bei Arbeitsunfähigkeit enthält der TV Mindestlohn nicht. Zwar ließe sich unter den Begriff der „Mindeststundenvergütung“ auch die Vergütung solcher Stunden fassen, für die dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch besteht, unabhängig davon, ob die Vergütung eine Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ist oder ausnahmsweise aufgrund anderer Rechtsgrundlagen auch für Zeiten ohne Arbeitsleistung zu erbringen ist. Gegen eine solche Auslegung des TV Mindestlohn spricht jedoch der Umstand, dass nach § 2 Nr. 1 Satz 1 TV Mindestlohn tariflich „ausschließlich“ die Mindeststundenvergütung und der jährliche Urlaubsanspruch geregelt werden sollen und für andere Regelungsgegenstände nach § 2 Nr. 1 Satz 2 TV Mindestlohn die „Vereinbarung eines tariflichen Anspruchs“ von den Tarifvertragsparteien ausdrücklich nicht gewollt ist. Dies schließt die Annahme eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für Feiertage oder Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit auf der Grundlage von § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn mangels Regelung der Anspruchsvoraussetzungen aus. Der TV Mindestlohn nimmt auch nicht im Sinne einer Rechtsgrundverweisung auf die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes Bezug.

26

bb) Dieses Verständnis wird bestätigt durch eine Betrachtung im Kontext der Normen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Die Vereinbarung des TV Mindestlohn erfolgte durch die Tarifvertragsparteien ersichtlich mit dem Ziel, diesen Tarifvertrag nach § 7 Abs. 1 AEntG aF durch Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland erstrecken zu lassen. Eine solche Erstreckung ist auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien erfolgt. Gegenstand einer erstreckungsfähigen tariflichen Regelung können nach § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG ua. Mindestentgeltsätze und nach § 5 Satz 1 Nr. 2 AEntG die Dauer des Erholungsurlaubs und das Urlaubsentgelt sein. Der Begriff der „Mindestentgeltsätze“ iSd. § 5 Satz 1 Nr. 1 und auch des § 2 Nr. 1 AEntG ist dabei einheitlich auszulegen, und zwar unabhängig davon, ob ein innerstaatlicher Sachverhalt oder ein Sachverhalt mit Auslandsbezug zu entscheiden ist(BAG 18. April 2012 - 4 AZR 168/10 (A) - Rn. 16, BAGE 141, 173). International zwingend sind im Rahmen von Bestimmungen über Branchenmindestlöhne aber zunächst nur Regelungen über die Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden (vgl. zu Art. 34 EGBGB BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 617/01 - zu VIII der Gründe, BAGE 113, 149). Nicht zu den international zwingenden Rechtsnormen iSv. Art. 34 EGBGB gehören demgegenüber § 2 EFZG und § 615 BGB(BAG 18. April 2012 - 10 AZR 200/11 - Rn. 13, BAGE 141, 129; 12. Januar 2005 - 5 AZR 279/01 - zu IX 1 der Gründe). § 3 EFZG ist nur dann eine Eingriffsnorm, wenn der Arbeitnehmer deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegt(BAG 18. April 2012 - 10 AZR 200/11 - Rn. 18, aaO). Vor diesem Hintergrund hätte es deutlicher Anhaltspunkte im Tarifvertrag bedurft, um anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien weiter gehende Regelungen schaffen wollten, obwohl diese nur teilweise auf tarifliche Außenseiter und Arbeitgeber mit Sitz im Ausland hätten erstreckt werden können. Derartige Hinweise sind dem TV Mindestlohn jedoch nicht zu entnehmen.

27

3. Der Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit in Höhe der Mindeststundenvergütung des § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn ergibt sich aus § 2 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG und dem diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Entgeltausfallprinzip.

28

a) Die Klägerin hat dem Grunde nach gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 148,25 Arbeitsstunden, die durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit im Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 ausgefallen sind. Gemäß § 2 Abs. 1 EFZG hat sie im selben Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 42 Arbeitsstunden, die feiertagsbedingt ausgefallen sind. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

29

b) Die Höhe der Entgeltfortzahlungsansprüche ergibt sich für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit aus § 4 Abs. 1 EFZG und für Feiertage aus § 2 Abs. 1 EFZG. Das hiernach grundsätzlich maßgebliche Entgeltausfallprinzip verlangt, den Mindestlohn nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen(im Ergebnis ebenso zur PflegeArbbV vom 15. Juli 2010 BAG 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 15; vgl. auch zum MiLoG zuletzt zB Greiner/Strippelmann BB 2015, 949, 950 f.). Weder legt der TV Mindestlohn eine abweichende Bemessungsgrundlage iSv. § 4 Abs. 4 EFZG fest noch ist der Anwendungsbereich des Entgeltfortzahlungsgesetzes durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder unionsrechtliche Vorschriften eingeschränkt.

30

aa) Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte(vgl. dazu zuletzt zB BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 139/12 -). Hiervon darf gemäß § 12 EFZG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden.

31

bb) Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt nach § 4 Abs. 1 EFZG ein modifiziertes Entgeltausfallprinzip(BAG 16. Juli 2014 - 10 AZR 242/13 - Rn. 16). Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich diejenige Vergütung erhalten, die er nach der für ihn maßgeblichen Arbeitszeit erzielt hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig krank geworden wäre, sondern gearbeitet hätte. § 4 Abs. 1a EFZG schränkt dies - hier nicht relevant - hinsichtlich des Entgelts für Überstunden und für Aufwendungsersatzleistungen ein. § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG erlaubt, durch Tarifvertrag eine von § 4 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 3 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festzulegen. Im Übrigen sind auch die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zwingend (§ 12 EFZG).

32

cc) Der TV Mindestlohn regelt keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Bemessungsgrundlage für die Höhe des im Krankheitsfall fortzuzahlenden Arbeitsentgelts iSv. § 4 Abs. 4 EFZG. Vielmehr enthält der Tarifvertrag - wie oben dargelegt - weder dem Grunde noch der Höhe nach Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Aus der bloßen Nichtregelung kann auch nicht darauf geschlossen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine abweichende Bemessungsgrundlage iSv. § 4 Abs. 4 EFZG schaffen wollten. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob eine Tarifregelung wirksam ist, die ausdrücklich bestimmt, dass der Tariflohn nicht für Ausfallzeiten nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 EFZG zu leisten ist.

33

dd) Ebenso wenig modifiziert das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für seinen Anwendungsbereich die national und teilweise auch international zwingenden (vgl. dazu BAG 18. April 2012 - 10 AZR 200/11 - BAGE 141, 129) Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Ausdrückliche Regelungen fehlen und ein solcher Regelungswille lässt sich auch weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Anhaltspunkte dafür benennt auch die Revision nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt sich der Senat damit nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen des Fünften Senats vom 12. Januar 2005 (- 5 AZR 279/01 - zu IX der Gründe und - 5 AZR 617/01 - zu VIII und IX der Gründe, BAGE 113, 149). Beide haben sich - soweit hier von Interesse - ausschließlich mit der Frage befasst, welche Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber von der Bürgenhaftung nach § 1a AEntG aF(jetzt § 14 AEntG)erfasst werden. Für Ansprüche aus Annahmeverzug nach § 615 BGB und für Verzugszinsen wegen verspäteter Lohnzahlung durch den Arbeitgeber wurde eine solche Haftung verneint. Die Frage, in welcher Höhe der Arbeitgeber selbst Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG zu leisten hat, behandeln diese Entscheidungen nicht.

34

ee) Eine andere Sichtweise ist auch unionsrechtlich nicht geboten. Die Bestimmungen der „Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“ (Entsende-RL) dienen der Koordination der Gesetze der Mitgliedstaaten, um einen Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz festzulegen, das im Aufnahmemitgliedstaat von Arbeitgebern zu gewährleisten ist, die Arbeitnehmer dorthin entsenden. Die Richtlinie hat jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht den materiell-rechtlichen Inhalt dieser zwingenden Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz harmonisiert. Ihr Inhalt kann daher von den Mitgliedstaaten unter Beachtung der Verträge und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts frei bestimmt werden (EuGH 7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 33 mwN). Damit scheidet die Annahme aus, dass durch die Entsende-RL außerhalb des Gegenstands der Richtlinie bestehende nationale Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen harmonisiert oder begrenzt werden sollten. Selbst wenn daher nach zwingendem nationalem Recht in Teilbereichen der Entgeltfortzahlung eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitgebern mit Sitz im Inland gegenüber Arbeitgebern mit Sitz im Ausland bestehen sollte und dies - was im Hinblick auf die verschiedenen Entgeltfortzahlungssysteme in anderen Mitgliedsländern keineswegs zwingend ist - zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte, hätte dies nicht die Unanwendbarkeit der zwingenden Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes zur Folge.

35

c) Hätte die Klägerin in den noch streitgegenständlichen 148,25 Krankheits- und 42 Feiertagsstunden gearbeitet, wäre ihr nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn ein Stundensatz von 12,60 Euro brutto gezahlt worden. Dieser ist der Höhe nach dem Entgeltfortzahlungsanspruch zugrunde zu legen. Ein Rückgriff auf die niedrigere vertragliche Vergütung scheidet nach § 12 EFZG aus. Danach ergibt sich für den Zeitraum 1. August 2012 bis 31. März 2013 ein weiterer Vergütungsanspruch der Klägerin in unstreitiger Höhe von 720,70 Euro brutto.

36

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Er besteht - anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen - allerdings erst ab dem Tag nach Zustellung der Klage (BAG 15. November 2000 - 5 AZR 365/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 228) und damit ab dem 6. September 2013.

37

III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    D. Schumann    

        

    W. Guthier    

                 

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung kann zugelassen werden

1.
abweichend von den §§ 8, 15, 16 Abs. 3 und 4, § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 die Arbeitszeit bis zu neun Stunden täglich, 44 Stunden wöchentlich und bis zu fünfeinhalb Tagen in der Woche anders zu verteilen, jedoch nur unter Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden in einem Ausgleichszeitraum von zwei Monaten,
2.
abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Abs. 2 die Ruhepausen bis zu 15 Minuten zu kürzen und die Lage der Pausen anders zu bestimmen,
3.
abweichend von § 12 die Schichtzeit mit Ausnahme des Bergbaus unter Tage bis zu einer Stunde täglich zu verlängern,
4.
abweichend von § 16 Abs. 1 und 2 Jugendliche an 26 Samstagen im Jahr oder an jedem Samstag zu beschäftigen, wenn statt dessen der Jugendliche an einem anderen Werktag derselben Woche von der Beschäftigung freigestellt wird,
5.
abweichend von den §§ 15, 16 Abs. 3 und 4, § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 3 Jugendliche bei einer Beschäftigung an einem Samstag oder an einem Sonn- oder Feiertag unter vier Stunden an einem anderen Arbeitstag derselben oder der folgenden Woche vor- oder nachmittags von der Beschäftigung freizustellen,
6.
abweichend von § 17 Abs. 2 Satz 2 Jugendliche im Gaststätten- und Schaustellergewerbe sowie in der Landwirtschaft während der Saison oder der Erntezeit an drei Sonntagen im Monat zu beschäftigen.

(2) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach Absatz 1 kann die abweichende tarifvertragliche Regelung im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch Betriebsvereinbarung oder, wenn ein Betriebsrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Jugendlichen übernommen werden.

(3) Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können die in Absatz 1 genannten Abweichungen in ihren Regelungen vorsehen.

(1) Von den vorstehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 kann in Tarifverträgen abgewichen werden. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Urlaubsregelung vereinbart ist. Im übrigen kann, abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2, von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

(2) Für das Baugewerbe oder sonstige Wirtschaftszweige, in denen als Folge häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfange üblich sind, kann durch Tarifvertrag von den vorstehenden Vorschriften über die in Absatz 1 Satz 1 vorgesehene Grenze hinaus abgewichen werden, soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist. Absatz 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.

(3) Für den Bereich der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft sowie einer gemäß § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 des Deutsche Bahn Gründungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2386) ausgegliederten Gesellschaft und für den Bereich der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost kann von der Vorschrift über das Kalenderjahr als Urlaubsjahr (§ 1) in Tarifverträgen abgewichen werden.

(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,

1.
abweichend von § 3
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
c)
(weggefallen)
2.
abweichend von § 4 Satz 2 die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufzuteilen,
3.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu kürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung der Ruhezeit innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird,
4.
abweichend von § 6 Abs. 2
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich hinaus zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
5.
den Beginn des siebenstündigen Nachtzeitraums des § 2 Abs. 3 auf die Zeit zwischen 22 und 24 Uhr festzulegen.

(2) Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden,

1.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeiten bei Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen,
2.
die Regelungen der §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 in der Landwirtschaft der Bestellungs- und Erntezeit sowie den Witterungseinflüssen anzupassen,
3.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei der Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen der Eigenart dieser Tätigkeit und dem Wohl dieser Personen entsprechend anzupassen,
4.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen.

(2a) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(3) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Absatz 1, 2 oder 2a können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden. Können auf Grund eines solchen Tarifvertrags abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch gemacht werden. Eine nach Absatz 2 Nr. 4 getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung hat zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.

(4) Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können die in Absatz 1, 2 oder 2a genannten Abweichungen in ihren Regelungen vorsehen.

(5) In einem Bereich, in dem Regelungen durch Tarifvertrag üblicherweise nicht getroffen werden, können Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1, 2 oder 2a durch die Aufsichtsbehörde bewilligt werden, wenn dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(6) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1 oder 2 zulassen, sofern dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(7) Auf Grund einer Regelung nach Absatz 2a oder den Absätzen 3 bis 5 jeweils in Verbindung mit Absatz 2a darf die Arbeitszeit nur verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat. Der Arbeitnehmer kann die Einwilligung mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich widerrufen. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat.

(8) Werden Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 4, Absatz 2 Nr. 2 bis 4 oder solche Regelungen auf Grund der Absätze 3 und 4 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten. Erfolgt die Zulassung auf Grund des Absatzes 5, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

(9) Wird die werktägliche Arbeitszeit über zwölf Stunden hinaus verlängert, muss im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden.

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.

(4) Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.

(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungsfrist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen

1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,

1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,

1.
abweichend von § 3
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
c)
(weggefallen)
2.
abweichend von § 4 Satz 2 die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufzuteilen,
3.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu kürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung der Ruhezeit innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird,
4.
abweichend von § 6 Abs. 2
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich hinaus zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
5.
den Beginn des siebenstündigen Nachtzeitraums des § 2 Abs. 3 auf die Zeit zwischen 22 und 24 Uhr festzulegen.

(2) Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden,

1.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeiten bei Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen,
2.
die Regelungen der §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 in der Landwirtschaft der Bestellungs- und Erntezeit sowie den Witterungseinflüssen anzupassen,
3.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei der Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen der Eigenart dieser Tätigkeit und dem Wohl dieser Personen entsprechend anzupassen,
4.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen.

(2a) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(3) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Absatz 1, 2 oder 2a können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden. Können auf Grund eines solchen Tarifvertrags abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch gemacht werden. Eine nach Absatz 2 Nr. 4 getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung hat zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.

(4) Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können die in Absatz 1, 2 oder 2a genannten Abweichungen in ihren Regelungen vorsehen.

(5) In einem Bereich, in dem Regelungen durch Tarifvertrag üblicherweise nicht getroffen werden, können Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1, 2 oder 2a durch die Aufsichtsbehörde bewilligt werden, wenn dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(6) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1 oder 2 zulassen, sofern dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(7) Auf Grund einer Regelung nach Absatz 2a oder den Absätzen 3 bis 5 jeweils in Verbindung mit Absatz 2a darf die Arbeitszeit nur verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat. Der Arbeitnehmer kann die Einwilligung mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich widerrufen. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat.

(8) Werden Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 4, Absatz 2 Nr. 2 bis 4 oder solche Regelungen auf Grund der Absätze 3 und 4 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten. Erfolgt die Zulassung auf Grund des Absatzes 5, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

(9) Wird die werktägliche Arbeitszeit über zwölf Stunden hinaus verlängert, muss im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden.

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass mehrere Arbeitnehmer sich die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen (Arbeitsplatzteilung). Ist einer dieser Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung verhindert, sind die anderen Arbeitnehmer zur Vertretung verpflichtet, wenn sie der Vertretung im Einzelfall zugestimmt haben. Eine Pflicht zur Vertretung besteht auch, wenn der Arbeitsvertrag bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe eine Vertretung vorsieht und diese im Einzelfall zumutbar ist.

(2) Scheidet ein Arbeitnehmer aus der Arbeitsplatzteilung aus, so ist die darauf gestützte Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines anderen in die Arbeitsplatzteilung einbezogenen Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber unwirksam. Das Recht zur Änderungskündigung aus diesem Anlass und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, wenn sich Gruppen von Arbeitnehmern auf bestimmten Arbeitsplätzen in festgelegten Zeitabschnitten abwechseln, ohne dass eine Arbeitsplatzteilung im Sinne des Absatzes 1 vorliegt.

(4) Durch Tarifvertrag kann von den Absätzen 1 und 3 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die Vertretung der Arbeitnehmer enthält. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeitsplatzteilung vereinbaren.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. August 2013 - 6 Sa 70/13 - aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2012 - 7 Ca 3880/12 - wird  zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger als Teil seiner betrieblichen Altersversorgung einen pauschalierten Steuerausgleich zu zahlen.

2

Der 1934 geborene Kläger war vom 1. Juni 1959 bis zum 31. Juli 1994 als Pilot - zuletzt als Flugkapitän - bei der Beklagten beschäftigt. Er bezieht seit dem 1. August 1999 von der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die Beklagte war bis zum 31. Dezember 1994 Beteiligte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Mit ihrem Ausscheiden aus der VBL übernahm sie zum 1. Januar 1995 die Betriebsrentenanwartschaften der zu diesem Zeitpunkt bei der VBL pflichtversicherten Arbeitnehmer als unmittelbare Versorgungszusage (VBL-gleiche Versorgung).

3

Unter dem 10. Mai 1994 schlossen die Tarifvertragsparteien den „Ergänzungstarifvertrag zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3“ (im Folgenden Ergänzungstarifvertrag). Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

L/S/C sind verpflichtet, nach Beendigung der VBL-Beteiligung alle am 31.12.1994 bei der VBL pflichtversicherten Mitarbeiter/-innen so zu stellen, als würde ihre spätere Zusatzversorgung von der VBL nach deren jeweils geltender Satzung fortgeführt.

                 

…       

        

2.    

Die Fortführung der Zusatzversorgung gemäß Ziffer 1 erfolgt in entsprechender Anwendung des geltenden L-/S-/C-Versorgungstarifvertrages mit der Maßgabe, daß L/S/C anstelle der VBL deren Verpflichtungen nach Maßgabe der jeweils geltenden Satzung übernehmen.

                 

…       

        

3.    

Wegen der unterschiedlichen Besteuerung von VBL-Renten und unmittelbar von L/S/C gezahlter Betriebsrenten wird ein pauschalierter Steuerausgleich gewährt.

                 

Die Steuerausgleichsrechnung erfolgt nach Maßgabe einer fiktiven Steuerklasse entsprechend § 41 Abs. 2c der VBL-Satzung durch einen Vergleich des Gesamtrenteneinkommens von L/S/C, VBL und gesetzlicher Rentenversicherung einerseits und des fiktiven Gesamtrenteneinkommens bei unterstellter Fortsetzung der Pflichtversicherung bei der VBL andererseits. ...

                 

Die Steuerausgleichszahlung vermindert sich für die Mitarbeiter/-innen, die wegen der Beendigung der Pflichtversicherung Steuern auf die VBL-Umlagebeträge eingespart haben.

                 

Näheres wird in einem gesonderten Tarifvertrag geregelt. …“

4

Zum 1. Januar 1995 schlossen die Tarifvertragsparteien den „Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs“ (im Folgenden TV Steuerausgleich). Der TV Steuerausgleich bestimmt auszugsweise:

        

Präambel

        

Vor dem Hintergrund der lohnsteuerrechtlichen Konsequenzen aus der Beendigung der VBL-Beteiligung der L/S/C per 31.12.1994 haben die Tarifpartner vereinbart, einen gesonderten Tarifvertrag abzuschließen, der, als Voraussetzung für den ab 01.01.1995 vereinbarten pauschalierten Steuerausgleich auf Zusatzversorgungsleistungen, den hierfür erforderlichen Nachteils-/Vorteilsausgleich im einzelnen regelt.

        

…       

                 
        

A.    

Steuerausgleich

        

Für den Fall, daß wegen der unterschiedlichen Besteuerung der VBL-Zusatzrente und der von L zu zahlenden Betriebsrente der Versorgungsberechtigte im Versorgungsfall eine niedrigere Netto-Gesamtversorgung erhält, als er bei fortbestehender VBL-Beteiligung erhalten hätte, ist L verpflichtet, diesen Unterschiedsbetrag nach Maßgabe der nachstehenden Regelungen auszugleichen.

        

(1) Der Unterschiedsbetrag ergibt sich durch einen Netto-Vergleich des vom Versorgungsberechtigten tatsächlich bezogenen Gesamtrenteneinkommens - gesetzliche Rente, Versicherungsrente der VBL und L-Betriebsrente - einerseits, mit derjenigen Rentenleistung andererseits, die dem Versorgungsberechtigten bei unterstellter Fortführung der Pflichtversicherung bei der VBL als Gesamtversorgung zugestanden hätte; ...

        

…       

        

B.    

Vorteilsausgleich

        

Die von L im Versorgungsfall vorzunehmende Steuerausgleichsleistung vermindert sich um die Beträge, die der Versorgungsberechtigte wegen der Beendigung der VBL-Beteiligung bis zum Versorgungsfall an Steuern zurückerhalten und/oder eingespart hat.

        

(1)     

Dabei werden folgende Beträge berücksichtigt:

        

a)    

Die Lohn-/Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag, die dem Versorgungsberechtigten wegen der Beendigung der VBL-Beteiligung individuell gutgeschrieben werden. …

        

b)    

Individuelle Steuerersparnisse, die der Versorgungsberechtigte nach individuellen Steuermerkmalen wegen Wegfalls der Steuern auf die ab 01.01.1995 nicht mehr abzuführende VBL-Umlage erzielt hat.

                 

Die Steuerersparnis errechnet sich durch Gegenüberstellung der Steuerbeträge mit und ohne eine fiktive VBL-Umlage/-Zusatzumlage - entsprechend der jeweils gültigen VBL-Satzung - bezogen auf das steuerpflichtige Jahreseinkommen. Dabei werden die individuellen Steuermerkmale des jeweiligen  Monats Dezember einschließlich der in diesem Monat auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibeträge und Merkmale berücksichtigt.

                          
                          
        

(2)     

Die dem Versorgungsberechtigten gemäß Abs. (1) entstandenen bzw. zugeflossenen Beträge werden bei L auf einem Konto - Ausgleichskonto - erfaßt. …

        

C.    

Vorteilsgegenrechnung

        

Hat der Versorgungsberechtigte L gegenüber einen Anspruch auf Steuerausgleichszahlung gemäß A., unterbleibt die Auszahlung des dementsprechenden Betrags durch L, so lange das Ausgleichskonto des Versorgungsberechtigten im Rahmen des Vorteilsausgleichs gemäß B. noch einen Betrag ausweist. Zur Kontrolle dieser Vorteilsgegenrechnung erhält der Versorgungsberechtigte einmal jährlich von L eine Abrechnung.

        

D.    

Durchführung des Steuerausgleichs

        

(1)     

Kommt eine Vorteilsgegenrechnung i.S.v. C. nicht in Betracht oder ist sie beendet, wird der Steuerausgleich von L berechnet. Der errechnete Betrag ist dem Versorgungsberechtigten monatlich als Teil der L-Betriebsrente zusammen mit dieser auszuzahlen. …

        

…       

        
        

(4)     

Ab 1.4.1995 werden die L-Betriebsrente, ebenso wie die Steuerausgleichsleistung, jeweils für den laufenden Monat so gezahlt, daß sie am 1. eines Monats auf einem Inlandskonto der Versorgungsberechtigten gutgeschrieben werden können.

        

…       

        
        

E.    

Obliegenheiten des Versorgungsberechtigten

        

(1)     

Voraussetzung für den Steuerausgleich ist, daß der Versorgungsberechtigte L jährlich eine Steuerkarte vorlegt und im übrigen die für die Berechnung des Steuerausgleichs erforderlichen Angaben macht.

        

…       

        
        

I.    

Inkrafttreten

        

Dieser Tarifvertrag tritt am 01.01.1995 in Kraft. Er löst Ziff. 3 des Ergänzungstarifvertrages zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3 vom 10.5.1994 ab.“

5

Im Jahr 1995 erhielt der Kläger vom Finanzamt eine einmalige Steuererstattung in Höhe eines mindestens 112.000,00 Euro entsprechenden DM-Betrags. In der Folge wurde von der Beklagten nach den Bestimmungen des TV Steuerausgleich für den Kläger ein Ausgleichskonto eingerichtet. Von den auf diesem Ausgleichskonto erfassten Beträgen wurde die nach dem TV Steuerausgleich zu berechnende Steuerdifferenz in Abzug gebracht. Die Beklagte teilte dem Kläger bis ins Jahr 2004 regelmäßig den monatlichen, derzeit nicht gezahlten Steuerausgleich mit. Die auf dem Ausgleichskonto des Klägers gebuchten, noch anzurechnenden Steuervorteile beliefen sich am 30. Juni 2003 auf 55.100,49 Euro. Mit Schreiben vom 9. Juni 2004 informierte die Beklagte den Kläger, dass der sich zu diesem Zeitpunkt auf monatlich 426,34 Euro belaufende Steuerausgleichsbetrag nicht gezahlt werde, da noch Steuervorteile gegenzurechnen seien.

6

Am 16. November 2004 schlossen die Tarifvertragsparteien mit Wirkung zum 30. Juni 2003 den „Ablösungs-Tarifvertrag zum Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs vom 01.01.1995“ (im Folgenden TV Ablösung). Dessen Art. 1 lautet:

        

„Der Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs vom 01.01.1995 und Ziffer 3 des Ergänzungstarifvertrages zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3 vom 10.05.1994 treten im Zusammenhang mit dem Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das L-Cockpitpersonal mit Ablauf des 30.06.2003 außer Kraft.

        

Ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene, die am 30.06.2003 neben ihrer VBL-gleichen Betriebsrente Anspruch auf eine monatliche Steuerausgleichsleistung hatten, behalten die an diesem Tag maßgebliche Steuerausgleichsleistung dauerhaft. Sie gilt als Bestandteil ihrer garantierten Betriebsrente gemäß den Regelungen des Tarifvertrages L-Betriebsrente für das Cockpitpersonal (§§ 13 bis 15 des Tarifvertrages zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das L-Cockpitpersonal).

        

Unabhängig von Satz 1 sagt L zu, in Ausnahmefällen (z.B. wenn aufgrund einer Auslandsentsendung 1994/1995 eine Steuerrückzahlung nicht erfolgen konnte) die Ermittlung und Gewährung einer Steuerausgleichsleistung in sinngemäßer Anwendung des in Satz 1 genannten Tarifvertrages Steuerausgleichs vorzunehmen. Hierbei sind ausschließlich die am 30.06.2003 geltenden Steuervorschriften sowie die zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen sonstigen Bemessungsgrößen zu berücksichtigen.“

7

Der in Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 TV Ablösung genannte „Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal“ vom 4. Dezember 2004 (im Folgenden TV Vereinheitlichung) regelt die Ablösung des bis dahin geltenden VBL-gleichen Versorgungssystems für das Cockpitpersonal  Er sieht die Bildung von Startbausteinen anhand der Regelungen der VBL-Satzung vor, die entsprechend der Gehaltsentwicklung bis zum Eintritt des Versorgungsfalls dynamisch fortgeschrieben werden und im Rahmen einer Garantierente bei der Festsetzung der L-Betriebsrente berücksichtigt werden.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Steuerausgleich nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung zu. Am 30. Juni 2003 habe er Anspruch auf den Steuerausgleich gehabt. Der Anspruch auf Beibehaltung desselben nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung hänge nicht davon ab, ob am 30. Juni 2003 bereits tatsächlich Ausgleichsleistungen gewährt wurden oder ob - wie in seinem Fall - noch eine Vorteilsgegenrechnung nach dem TV Steuerausgleich durchgeführt wurde. Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung stelle allein auf den Bestand des Ausgleichsanspruchs ab. Eine zeitliche Begrenzung des Steuerausgleichs sei nicht vorgesehen. Dies widerspräche auch Sinn und Zweck des TV Steuerausgleich.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Januar 2013 dauerhaft die monatliche Steuerausgleichsleistung gem. Art. 1 Abs. 2 des Ablösungstarifvertrages vom 30. Juni 2003 zum Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs vom 1. Januar 1995 zu gewähren.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung zu.

13

I. Die Klage ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - zulässig.

14

Der Kläger will - entgegen des in diese Richtung weisenden Wortlauts seines Klageantrags - nicht die Feststellung einer ab dem 1. Januar 2013 beginnenden Zahlungspflicht der Beklagten aufgrund von Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung erreichen. Vielmehr will er geklärt wissen, dass ihm dem Grunde nach ein Anspruch auf Gewährung von künftigen Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung zusteht. Das Datum 1. Januar 2013 dient lediglich dazu, den erforderlichen Gegenwartsbezug seines Klageantrags sicherzustellen, denn bei Einreichung der Klage im Jahr 2012 wies das von der Beklagten für den Kläger geführte Ausgleichskonto noch einen Saldo zu seinen Gunsten aus.

15

In dieser Auslegung ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Bei einer positiven Entscheidung über den Antrag stünde zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass der Kläger von der Beklagten dem Grunde nach Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung verlangen kann. Der Antrag richtet sich auch auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, namentlich die Verpflichtung der Beklagten den Steuerausgleich des Klägers nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung iVm. dem TV Steuerausgleich vorzunehmen. Da die Beklagte eine entsprechende Verpflichtung in Abrede stellt, verfügt der Kläger auch über das erforderliche Feststellungsinteresse.

16

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung künftiger Steuerausgleichsleistungen. Er erfüllt die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung nicht. Dies ergibt die Auslegung des TV Ablösung.

17

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. Februar 2015 - 3 AZR 904/13 - Rn. 27 mwN; 15. April 2014 - 3 AZR 83/12 - Rn. 12 mwN). Bei der Auslegung eines ablösenden Tarifvertrags kann neben dem ablösenden Tarifvertrag selbst auch der abgelöste Tarifvertrag mit herangezogen werden. Dies folgt schon aus dem insoweit unmittelbar ersichtlichen tariflichen Regelungszusammenhang.

18

2. Danach steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung künftiger Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung zu. Denn er hat am Stichtag 30. Juni 2003 noch keine monatliche Steuerausgleichsleistung iSv. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung bezogen.

19

a) Vor dem Hintergrund der Regelungen im TV Steuerausgleich sprechen sowohl der Wortlaut als auch die Systematik von Art. 1 TV Ablösung dafür, dass Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung nur dann einen Anspruch auf Zahlung eines Steuerausgleichs gewährt, wenn der ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene bereits am 30. Juni 2003 einen monatlichen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund der Regelungen des TV Steuerausgleich hatte. Ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene, denen aufgrund der zu diesem Stichtag noch erfolgenden Vorteilsgegenrechnung (noch) kein Anspruch auf Zahlung von Steuerausgleichsleistungen zustand, sollten einen solchen Anspruch auch dann nicht mehr erhalten, wenn das Ausgleichskonto künftig ausgeglichen sein sollte.

20

Nach Art. 1 Abs. 1 TV Ablösung traten der TV Steuerausgleich sowie Ziff. 3 des Ergänzungstarifvertrags mit Ablauf des 30. Juni 2003 außer Kraft. Damit fehlte es für die Zeit ab dem 1. Juli 2003 an einer Rechtsgrundlage für die weitere Durchführung des im TV Steuerausgleich geregelten Steuerausgleichsverfahren. Durch den TV Ablösung sollten - wie auch seine Bezeichnung als „Ablösungs-Tarifvertrag zum Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs“ zeigt - der TV Steuerausgleich und das darin geregelte Steuerausgleichsverfahren insgesamt abgeschafft werden. Lediglich ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene, die zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des TV Steuerausgleich am 30. Juni 2003 neben ihrer VBL-gleichen Betriebsrente bereits eine monatliche Steuerausgleichsleistung ausgezahlt bekamen, sollten nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung die an diesem Tag maßgebliche Steuerausgleichsleistung dauerhaft behalten. Zwar lässt sich dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Steuerausgleich nicht unmittelbar entnehmen, ob ein „Anspruch auf eine monatliche Steuerausgleichsleistung“ im Sinne dieser Bestimmung nur dann vorliegt, wenn Ausgleichszahlungen tatsächlich gezahlt wurden. Die Formulierung knüpft sprachlich aber an die Bestimmungen im TV Steuerausgleich an. So ist nach D Abs. 1 TV Steuerausgleich ua. nach der Beendigung der Vorteilsanrechnung iSv. C TV Steuerausgleich der Steuerausgleich von L zu berechnen (Satz 1) und der errechnete Betrag dem Versorgungsberechtigten „monatlich“ als Teil der L-Betriebsrente zusammen mit dieser auszuzahlen (Satz 2).

21

Auch der systematische Zusammenhang zeigt, dass sich Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung auf die monatliche Zahlung des Steuerausgleichs in D Abs. 1 TV Steuerausgleich bezieht. Lediglich die Bestimmungen in D Abs. 1 TV Steuerausgleich betreffen eine monatliche Leistung. Demgegenüber verhalten sich die Regelungen in B TV Steuerausgleich nur zur Ermittlung der Höhe des jährlichen Steuerausgleichs. Auch die Bestimmungen in A, C und E TV Steuerausgleich knüpfen nur an das jeweilige Steuerjahr an. Allein D TV Steuerausgleich ordnet eine monatliche Leistung, nämlich die Zahlung an. Auch Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung stellt auf eine monatliche Steuerausgleichsleistung ab, die er zum Bestandteil der Betriebsrente erklärt. Eine monatliche Leistung sieht der TV Steuerausgleich aber nur ab dem Zeitpunkt der Auszahlung des Steuerausgleichs vor. Dass die Beklagte in ihren regelmäßigen Mitteilungen auch bereits vor der Auszahlung einen Monatsbetrag ausgewiesen hat, ist im TV Steuerausgleich dagegen nicht angelegt. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung gewährleistet eine Aufrechterhaltung des Besitzstands damit nur für die ehemaligen Mitarbeiter oder Hinterbliebenen, die bereits am 30. Juni 2003 Zahlungen von der Beklagten erhielten.

22

b) Für dieses Verständnis spricht auch, dass Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung den begünstigten Personenkreis auf die ehemaligen Mitarbeiter oder Hinterbliebenen begrenzt, die bereits Bezieher von Betriebsrenten sind. Nur bei diesen konnte die nach C TV Steuerausgleich vorzunehmende Vorteilsgegenrechnung überhaupt zum maßgeblichen Stichtag bereits zu einem Leistungsanspruch geführt haben. Noch aktivbeschäftigten Arbeitnehmern oder mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Arbeitnehmern konnte dagegen ein solcher Zahlungsanspruch zum 30. Juni 2003 nicht zustehen. Auch dieser Personenkreis hat jedoch entsprechende Nachteile. Zudem haben die Tarifvertragsparteien auch diesen Mitarbeitern die Vorteile des VBL-Systems zu weiten Teilen durch den TV Vereinheitlichung erhalten. Diese Personen vom Steuerausgleich auszunehmen, hätte wenig innere Rechtfertigung.

23

c) Auch Sinn und Zweck, namentlich die Einsparung von Kosten und die Vereinfachung der Berechnung der Betriebsrente, sprechen für dieses Verständnis. Legt man die Auslegung des Klägers zugrunde, würde der TV Ablösung für die Beklagte kaum Vereinfachung bringen. Die Tarifvertragsparteien hätten dann für diesen Personenkreis - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - lediglich die Höhe der Steuerausgleichsleistungen aus dem Jahr 2003 auch für die folgenden Jahre festgeschrieben. Durch ein solches Vorgehen hätte sich der Verwaltungsaufwand nur unwesentlich verringert, da die Berechnungen zur Höhe des Saldos auf dem Ausgleichskonto und dessen Verrechnung hierauf auch weiterhin erfolgen müssten. Zudem wäre auch der künftige Beginn der tatsächlichen Zahlung zu überwachen gewesen.

24

d) Die vorgenommene Auslegung führt im Übrigen zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung. Der erhebliche Aufwand für die Ermittlung und die Berechnung der Ausgleichsleistungen und die Führung der Ausgleichskonten entfällt. Gleichzeitig bleibt den ehemaligen Mitarbeitern oder Hinterbliebenen, die am 30. Juni 2003 bereits monatliche Zahlungen erhalten haben, der durch diese gewährten Leistungen begründete Besitzstand zur Gewährleistung ihres erreichten Lebensstandards dauerhaft erhalten.

25

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

Zwanziger

        

Spinner

        

Ahrendt

        
                 

Schmalz

        

Schultz

                 

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 6. August 2013 - 7 Sa 667/12 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 25. September 2012 - 4 Ca 535/12 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 837,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2012 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine tarifliche Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2011.

2

Der Kläger, seit dem 1. August 1996 Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ötv) und später der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Abfall- und Entsorgungswirtschaft, vorwiegend in deren Niederlassung in C seit 1992 als Müllwerker beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist ein Arbeitsvertrag vom 12. August 1992, der danach mehrfach geändert wurde. Im Folgenden erhielt der Kläger ua. ab Januar 1997 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe (VergGr.) 5, Stufe 1 des Bundesentgeltrahmentarifvertrags für die private Entsorgungswirtschaft (BERT).

3

Die Beklagte war bereits seit dem 1. Mai 1991 Vollmitglied im Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE), einem „Wirtschafts- und Arbeitgeberverband“. Der BDE hatte durch Satzungsänderungen im Jahre 1995 und 1999 in § 5 Abs. 2 Satz 2 der Verbandssatzung die Möglichkeit geschaffen, auf besonderen Antrag „nur die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband“ zu erwerben.

4

Mit Schreiben vom 22. April 2002 teilte die Beklagte dem BDE Folgendes mit:

        

„Kündigung Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

        

...     

        

hiermit kündige ich mit sofortiger Wirkung die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband.

        

Die aktuelle Situation in der Entsorgungsbranche und auch die Entwicklung im BDE haben mich zu dieser Entscheidung geführt.

        

Von dieser Kündigung ist selbstverständlich die Mitgliedschaft im BDE nicht betroffen.“

5

Nach mehreren Telefonaten mit der Geschäftsführerin der Beklagten und verbandsinterner Beratung bestätigte der BDE dieser in einem Schreiben vom 10. Juni 2002:

        

„… Nach wiederholter Diskussion im Präsidium und nach Rücksprache mit Ihnen hat das Präsidium letztlich auf seiner Sitzung am 5. Juni 2002 die Austritte aus dem Arbeitgeberverband bei Fortführung der Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband formell wie beantragt bestätigt.“

6

Am 21. Juni 2002 übersandte der BDE unter Bezugnahme auf den entsprechenden Präsidiumsbeschluss und verbunden mit einem Hinweis auf § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5 TVG einen neuen Mitgliedsausweis mit dem Vermerk „Mitglied nur im Wirtschaftsverband ab 1.5.2002“. Nachdem der BDE dies auch der Gewerkschaft ver.di mitgeteilt hatte, bestätigte diese mit Schreiben vom 12. Juli 2002 gegenüber der Beklagten diese Mitteilung und forderte sie zu Verhandlungen über einen Haustarifvertrag auf.

7

In der Folgezeit wurde das Bruttomonatsgehalt des Klägers nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mehrfach aufgrund von Vereinbarungen zwischen den Parteien erhöht. Zuletzt erhielt er ab August 2008 ein monatliches Entgelt von 1.970,00 Euro brutto. Ab dem Jahr 2007 zahlte die Beklagte dem Kläger eine stets mit dem Novembergehalt geleistete Jahressonderzahlung in unterschiedlicher Höhe, zuletzt für die Jahre 2009 und 2010 jeweils iHv. 1.477,50 Euro brutto. Im Jahr 2011 erhielt der Kläger mit dem Entgelt für den Monat November 2011 eine Jahressonderzahlung iHv. 640,00 Euro brutto.

8

Mit der Beklagten am 23. Dezember 2011 zugegangenem Schreiben, das mit „Geltendmachung der tariflichen Jahressonderzahlung 2011“ überschrieben ist, machte der Kläger unter Fristsetzung bis zum 5. Januar 2012 erfolglos

        

„… für sich im eigenen Namen gemäß des noch nachwirkenden § 13 Bundesmanteltarifvertrag zwischen BDE und ver.di die Jahressonderzahlung für das Jahr 2011 geltend, da diese mit dem zu zahlenden Novemberlohn nicht in voller Höhe (75 %) ausgezahlt wurde.“

9

Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren gerichtlich weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm weitere 837,00 Euro brutto aus den für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden manteltariflichen Regelungen. Der von der Beklagten im Jahre 2002 vorgenommene Wechsel in die Mitgliedschaft im „Wirtschaftsverband“ des BDE sei tarifrechtlich ohne Bedeutung. Die Vereinssatzung des BDE stelle nicht sicher, dass Mitglieder des „Wirtschaftsverbands“ keinen Einfluss und keine Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Tarifpolitik hätten.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 837,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2012 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, sie sei als ausschließliches Mitglied des „Wirtschaftsverbandes“ im BDE an den Manteltarifvertrag nicht gebunden. Zumindest sei sie einvernehmlich zum 30. April 2002 aus dem „Arbeitgeberverband“ im BDE ausgetreten. Durch den Austritt falle sie zudem nicht mehr unter den fachlichen Geltungsbereich der vom BDE später geschlossenen Tarifverträge. Weiterhin habe der Kläger im maßgebenden Zeitraum kein „aufgrund der tariflichen Regelungen gezahltes Entgelt“ erhalten. Dies aber setze der Manteltarifvertrag für einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung voraus.

12

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist nach dem für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Bundes-Manteltarifvertrag, gültig ab 1. Januar 2009 (BMTV 2009), verpflichtet, an den Kläger auf der Grundlage von § 13 BMTV 2009 weitere 837,00 Euro brutto zu zahlen. Die auf eine Beendigung der Mitgliedschaft im „Arbeitgeberverband“ des BDE gerichteten Erklärungen der Beklagten führten nicht zu einem Wegfall der Tarifgebundenheit.

14

I. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt im Jahr 2011 der BMTV 2009 kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Der Kläger war seit 1996 Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft. Die Beklagte war im Jahr 2011 tarifgebundenes Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes BDE.

15

1. Die Beklagte war jedenfalls bis zum April 2002 tarifgebundenes Mitglied des BDE; hierüber streiten die Parteien nicht. Daran hat sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts durch die von der Beklagten am 22. April 2002 ausgesprochene „Kündigung“ der Mitgliedschaft im „Arbeitgeberverband“ des BDE bei gleichzeitig weiterbestehender Mitgliedschaft im BDE nichts geändert. Die Beklagte ist dadurch nicht in einen Mitgliedsstatus gewechselt, der einen Wegfall der Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1 TVG)zur Folge gehabt hätte.

16

a) Grundsätzlich begründet die Mitgliedschaft in einem tarifschließenden Arbeitgeberverband die Gebundenheit an die von dem Verband abgeschlossenen Tarifverträge (§ 3 Abs. 1 TVG). Ein Arbeitgeberverband kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch in seiner Satzung einen gesondert geregelten Status der Mitgliedschaft vorsehen, der eine Gebundenheit an die vom Verband abgeschlossenen Tarifverträge ausschließt (sog. OT-Mitgliedschaft). Das setzt jedoch voraus, dass die Satzung jeden Einfluss von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbandes ausschließt.

17

aa) Nicht jedes vereinsrechtliche Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist notwendig tarifgebunden iSv. § 3 Abs. 1 TVG. Arbeitgeberverbände sind aufgrund der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG verliehenen Satzungsautonomie(BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290) grundsätzlich befugt, in ihren Satzungen eine Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit vorzusehen (BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 16, BAGE 142, 98; 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 27, BAGE 130, 264; 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 25 ff., BAGE 127, 27; 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - BAGE 119, 103). Eine solche Regelung widerspricht regelmäßig weder einfachem Recht noch Verfassungsrecht (dazu ausf. BAG 4. Juni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 26 ff., 33 ff., aaO). Die Begründung einer OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband setzt voraus, dass es für diese Mitgliedschaftsform zu dem Zeitpunkt, in dem ein bisheriges „Vollmitglied“ eine reine OT-Mitgliedschaft begründen will, eine wirksame satzungsmäßige Grundlage gibt (BAG 26. August 2009 - 4 AZR 294/08 - Rn. 32).

18

bb) Die Satzung des Verbandes kann selbst definieren, auf welche Weise eine Mitgliedschaft iSv. § 3 Abs. 1 TVG begründet und beendet werden kann(BAG 15. Dezember 2010 - 4 AZR 256/09 - Rn. 25). Dabei kann jedoch nicht lediglich die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG abbedungen werden. Wegen des im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie erforderlichen Gleichlaufs von Verantwortlichkeit und Betroffenheit hinsichtlich tarifpolitischer Entscheidungen muss die Satzung eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne Tarifgebundenheit vorsehen (vgl. nur BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 27 f., BAGE 130, 264; bestätigt durch BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 2593/09 -).

19

(1) Eine nach der Satzung auch nur mögliche unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbandes ist nicht zulässig. So dürfen OT-Mitglieder nicht in Tarifkommissionen entsandt werden und den Verband im Außenverhältnis tarifpolitisch vertreten. Sie sind von der Verfügungsgewalt über einen Streik- oder Aussperrungsfonds auszuschließen. Ein Stimmrecht bei Abstimmungen über die Festlegung von tarifpolitischen Zielen oder die Annahme oder Ablehnung von Tarifverhandlungsergebnissen ist auszuschließen. Die Mitwirkung von OT-Mitgliedern bei tarifpolitischen Fragen mit nur beratender Stimme ist hingegen unbedenklich (vgl. BAG 21. November 2012 - 4 AZR 27/11 - Rn. 14 mwN; BAG 19. Juni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 17, BAGE 142, 98).

20

(2) Für die Satzungsregeln über die Besetzung der tarifpolitischen Gremien reicht es danach nicht aus, festzulegen, dass in diesen Gremien nur tarifgebundene Mitgliedsunternehmen vertreten sind. Wird die konkrete Besetzung tarifpolitischer Gremien (zB Tarifkommissionen) durch ein anderes Vereinsorgan (zB Mitgliederversammlung oder Vorstand) vorgenommen, dürfen die nicht tarifgebundenen Verbandsmitglieder auf die Auswahlentscheidung keinen Einfluss haben. Nicht nur die Wählbarkeit (passives Wahlrecht), sondern auch das aktive Wahlrecht ist insoweit allein den tarifgebundenen Mitgliedern des Verbandes vorbehalten, weil nur sie von den zu verhandelnden und abzuschließenden Tarifverträgen betroffen sind. Deshalb müssen sie die Tarifverträge allein verantworten.

21

cc) Dabei kann es - je nach Regelungsdichte der Satzung - ausreichen, einen allgemein formulierten Grundsatz des generellen Ausschlusses von OT-Mitgliedern von jeglichen tarifpolitischen Entscheidungen des Verbandes zu formulieren (vgl. zB BAG 12. Februar 2014 - 4 AZR 450/12 - Rn. 15; 21. November 2012 - 4 AZR 27/11 - Rn. 18; 15. Dezember 2010 - 4 AZR 256/09 - Rn. 31), so dass es nicht zwingend erforderlich ist, die Einschränkung der Mitwirkungsbefugnisse in den jeweiligen, den Einzelfall besonderer tarifpolitischer Tätigkeiten des Verbandes regelnden Satzungsvorschriften erneut festzuschreiben. Aber gerade dann müssen derartige allgemeine Bestimmungen hinreichend klar und zweifelsfrei jede Mitwirkungsmöglichkeit von OT-Mitgliedern an tarifpolitischen Entscheidungen des Verbandes ausschließen.

22

b) Diesen Anforderungen wird die Satzung des BDE (in Kraft ab 18. Januar 2000 - Satzung 2000) nicht gerecht.

23

aa) Die Satzung 2000 enthält ua. folgende für die Entscheidung erhebliche Regelungen:

        

§ 1   

        

Name, Sitz, Geschäftsjahr

        

(1)     

Die Betriebe der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland bilden einen Bundesverband. Er hat die Aufgaben eines Wirtschafts- und Arbeitgeberverbandes.

        

...     

        
        

§ 2     

        

Verbandszweck

        

(1)     

Der Zweck des Bundesverbandes ist

                 

1.    

Förderung der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft,

                 

2.    

Betreuung der Mitglieder im Rahmen gemeinsam interessierender, einschließlich arbeitsrechtlicher, Fragen,

                 

3.    

Wahrung und Vertretung gemeinsamer Interessen der Mitglieder gegenüber politischen, staatlichen und sonstigen Organisationen,

                 

...     

        
                 

6.    

Abschluss von Tarifverträgen.

        

(2)     

Der Bundesverband ist im Rahmen des Verbandszwecks berechtigt, nationalen und internationalen Organisationen oder juristischen Personen beizutreten oder solche zu gründen.

        

...     

        
        

§ 3     

        

Mitgliedschaften

        

(1)     

Die Mitgliedschaft ist freiwillig.

        

(2)     

Die Mitgliedschaft unterscheidet zwischen ordentlichen, korporativen, fördernden sowie ausländischen Mitgliedern:

                 

a)    

Ordentliches Mitglied

                 

können alle Unternehmen und Betriebe der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft … werden …; ist ihr Sitz im Freistaat Bayern gelegen, gehören diese Mitglieder in der Regel dem korporativen Mitglied des Bundesverbandes, nämlich dem ‚VBS - Verband Bayerischer Entsorgungsunternehmen e. V. - Kreislaufwirtschaft und Städtereinigung -‚ an.

                 

b)    

Korporatives Mitglied

                 

können Verbände und Vereinigungen werden, die für ihre eigenen Mitglieder entweder einen vergleichbaren Verbandszweck verfolgen wie der Bundesverband oder die ein Interesse an der Förderung des Zweckes des Bundesverbandes haben.

                 

c)    

Förderndes Mitglied

                 

können alle juristischen oder natürlichen Personen werden, die die Voraussetzungen nach Ziffer a) nicht erfüllen, die jedoch ein Interesse an der Förderung des Zweckes des Bundesverbandes im Sinne des § 2 der Satzung haben.

                 

d)    

Ausländische Mitglieder

                 

...     

        
        

(3)     

Die ordentlichen Mitglieder sind verpflichtet, für sämtliche mit ihnen verbundenen Unternehmen und Betriebe im Sinne von Ziffer 2 a) die Mitgliedschaft zu erwerben.

        

§ 4     

        

Rechte und Pflichten

        

(1)     

...     

        

(2)     

Nur ordentliche Mitglieder haben ein aktives und passives Wahlrecht. In die Organe (§ 9 Abs. 1) können nur gesetzliche Vertreter der ordentlichen Mitglieder gewählt werden; fallweise kann der Präsident aus dem Bereich der übrigen Mitglieder Gäste ohne Stimmrecht in die Organe des Bundesverbandes berufen.

        

...     

        
        

§ 5     

        

Aufnahme und Beendigung der Mitgliedschaft

        

(1)     

...     

        

(2)     

Ordentliche und diesen gleichgestellte Mitglieder erwerben in der Regel mit der Mitgliedschaft im Bundesverband sowohl die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband als auch im Arbeitgeberverband (§ 1 Abs. 1). Auf besonderen Antrag, der dem Präsidium zur gesonderten Entscheidung vorgelegt werden muß, kann auch nur die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband erworben werden, insbesondere, wenn eine tarifliche Bindung aufgrund eines anderen Tarifvertrages nachgewiesen wird.

        

(3)     

Die Kündigung der Mitgliedschaft muss schriftlich erfolgen. Sie kann nur mit sechsmonatiger Frist zum Schluss eines Geschäftsjahres (Eingang in der Bundesgeschäftsstelle) erfolgen.

        

(4)     

Die Mitgliedschaft endet außer durch Kündigung (Abs. 3) durch Ausschluss, durch Streichung aus der Mitgliederliste oder aus wichtigem Grunde.

        

(5)     

...     

        

(6)     

Die Aufnahme, der Ausschluss sowie die Regelung der Fälle des Absatzes 2 erfolgen entsprechend der dieser Satzung beigefügten ‚Verfahrensordnung über Aufnahme, Ausschluss und Kündigung von Mitgliedern‘.

        

...     

        
        

§ 7     

        

Wahlzeiten und Amtsdauer

        

...     

        
        

(5)     

Alle durch Wahl übertragenen Ämter sind höchstpersönlich wahrzunehmen; eine Stellvertretung ist nur möglich, wenn dies durch die Satzung ausdrücklich für zulässig erklärt wird. …

        

§ 9     

        

Organe und Einrichtungen

        

(1)     

Organe des Bundesverbandes sind:

                 

1.    

die Mitgliederversammlung (§ 10)

                 

2.    

der Präsident und seine Stellvertreter (Präsidium § 11)

                 

3.    

der Vorstand (§ 12)

                 

4.    

der Hauptgeschäftsführer (§ 13)

        

…       

                 
        

§ 10   

        

Mitgliederversammlung

        

(1)     

Die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes ist ihr oberstes Organ. Sie hat alle Angelegenheiten zu regeln, die nicht ausdrücklich von ihr oder in der Satzung anderen Verbandsorganen zugewiesen sind. Insbesondere:

                 

1.    

Wahl des Präsidenten und seiner Stellvertreter,

                 

2.    

Wahl der (gekorenen) Vorstandsmitglieder,

                 

...     

        
        

§ 11   

        

Der Präsident und seine Stellvertreter (Präsidium)

        

(1)     

Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten und zwei Stellvertretern. Er ist mit dem Hauptgeschäftsführer gesetzlicher Vorstand im Sinne des § 26 BGB. …

        

(2)     

Der Präsident und seine Stellvertreter leiten den Bundesverband nach den gemeinsam mit dem Vorstand festgelegten Richtlinien für die Verbandsarbeit und die -politik. …

        

(3)     

Der Präsident vertritt den Verband in allen Angelegenheiten allein. In seiner Verhinderung wird er durch einen Stellvertreter gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer vertreten. …

        

...     

                 
        

§ 12   

        

Vorstand

        

(1)     

Der Vorstand besteht aus

                 

a)    

dem gesetzlichen Vorstand (§ 11 Abs. 1 Satz 2), den kooptierten Mitgliedern des Präsidiums sowie aus dem jeweiligen Vorgänger im Amt des Präsidenten (Altpräsident) (geborene Mitglieder)

                          

und     

                 

(b)     

aus mindestens zwölf weiteren, von der Mitgliederversammlung durch Blockwahl (Vorstandsliste) zu wählenden Personen (gekorene Mitglieder); sie sollen die Fachbereiche und möglichst die Größenstruktur des Verbandes sowie die regionale Bedeutung berücksichtigen.

                 

…       

        
        

…       

                 
        

(3)     

Der Vorstand hat die Aufgaben,

                 

1.    

...     

                 

2.    

auf Vorschlag des Präsidiums Fachbereiche und Tarifkommissionen einzusetzen; die Vorsitzenden sollen in der Regel aus der Mitte des Vorstandes berufen werden,

                 

...     

        
        

…       

                 
        

§ 17   

        

Große und Kleine Tarifkommission

        

(1)     

Für die Wahrnehmung der Aufgaben des Arbeitgeberverbandes bildet der Bundesverband eine Kleine und eine Große Tarifkommission, deren Mitglieder sich ausschließlich aus den Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes zusammensetzen.

                 

Der Vorstand legt in einer Geschäftsordnung für Große und Kleine Tarifkommission die Aufgabenbereiche sowie die Größe und Zusammensetzung der Kommission fest.

        

(2)     

Die Kleine Tarifkommission wird von einem Vorsitzenden geführt, der vom Vorstand berufen wird.

        

(3)     

Die Große Tarifkommission wird vom Präsidenten geführt.“

24

bb) Diese Satzungsregelungen genügen nicht den vorstehend genannten Anforderungen an die erforderliche Klarheit und Eindeutigkeit der Trennung zwischen den beiden Mitgliederbereichen. Dabei kann der Senat zugunsten der Beklagten unterstellen, dass der BDE mit den Regelungen in § 5 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 2 Satzung 2000 die Möglichkeit einer gesonderten Form der Mitgliedschaft im Verband ohne Tarifgebundenheit eröffnen wollte. Die Satzungsbestimmungen zu den Rechten und Pflichten der Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes“ schließen jedoch eine Einflussnahme auf tarifpolitische Entscheidungen des Verbandes auch dann nicht hinreichend aus.

25

(1) Die Satzung 2000 regelt in § 3 die unterschiedlichen Formen der Mitgliedschaften. Dabei ist eine differenzierende Bestimmung zwischen OT- und Vollmitgliedern gerade nicht vorgesehen. Beide unterfallen dem dort verwandten Begriff der „ordentlichen Mitglieder“.

26

(2) § 5 Abs. 2 Satz 2 Satzung 2000 lässt, anders als die in § 3 Abs. 2 Satzung 2000 aufgeführten unterschiedlichen Formen einer Mitgliedschaft, die Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft erkennen. Zwar ist für den nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Satzung 2000 vorgesehenen begrenzten Erwerb einer „Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband“ (wobei zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden kann, dass diese Form der Mitgliedschaft nicht nur beim erstmaligen „Erwerb“ erfolgen kann, sondern auch ein späterer Wechsel aus einer Vollmitgliedschaft zulässig ist) keine ausdrückliche Regelung enthalten, dass für diese Mitglieder keine Tarifgebundenheit besteht. Diese gewollte Rechtsfolge ergibt sich aber mittelbar aus § 17 Abs. 1 Satzung 2000. Die Mitgliedschaft in den Tarifkommissionen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben des „Arbeitgeberverbandes“ gebildet werden, ist ausschließlich „Mitgliedern des Arbeitgeberverbandes“ vorbehalten. Zudem soll bei der Entscheidung über einen entsprechenden beschränkten Aufnahmeantrag in den „Wirtschaftsverband“ eine „tarifliche Bindung aufgrund eines anderen Tarifvertrags“ berücksichtigt werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Satzung 2000).

27

(3) Diese Satzungsregelungen sehen eine hinreichende Trennung der beiden Bereiche „Wirtschaftsverband“ und „Arbeitgeberverband“ nicht vor.

28

(a) Eine allgemeine, alle Einzelkonstellationen abdeckende Formulierung des Ausschlusses der Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes“ von tarifpolitischen Entscheidungen des BDE (vgl. dazu oben I 1 a cc) enthält die Satzung 2000 nicht.

29

(b) Eine gleichwertig geregelte Trennung ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus § 17 Abs. 1 Satzung 2000. Dies wäre nur dann der Fall, wenn einerseits die tarifpolitischen Entscheidungen des BDE ausschließlich und vollständig den beiden dort genannten Kommissionen übertragen worden wären und andererseits bei der Zusammensetzung und den Entscheidungen dieser Kommissionen nur solche Mitglieder des BDE mitwirken können, die nicht nur dem „Wirtschaftsverband“ angehören. Zumindest die letztgenannten Voraussetzungen erfüllt die Satzung 2000 nicht.

30

(aa) Dabei kann zu Gunsten der Beklagten weiterhin unterstellt werden, dass sich nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung 2000 jedenfalls die Bildung einer Kleinen und einer Großen Tarifkommission als solche dem Bundesvorstand des BDE nicht freigestellt ist, sondern die Erfüllung einer satzungsmäßig festgelegten Pflicht darstellt. Dasselbe gilt für die grundsätzliche Übertragung der Aufgaben eines „Arbeitgeberverbandes“ durch den Vorstand, unter der hier die Vorbereitung und Durchführung tarifpolitischer Entscheidungen zu verstehen sein mögen, auch wenn die Zuweisung der entsprechenden „Aufgabenbereiche“ durch den Vorstand ohne weitere Vorgaben durch die Satzung 2000 erfolgt.

31

(bb) Die Auswahl der Mitglieder der Tarifkommissionen aus den Vertretern tarifgebundener Unternehmen erfolgt nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Satzung 2000 durch den Vorstand(zu dessen Zusammensetzung vgl. § 12 Abs. 1 Satzung 2000) und damit durch ein Gremium, für das seinerseits die Beschränkung des § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung 2000 gerade nicht gilt. Dessen Mitglieder müssen nicht zwingend tarifgebundenen Unternehmen angehören. Ebenso wenig ist eine Beschränkung der Mitgliedsrechte dieser Vorstandsmitglieder bei dem Erlass einer Geschäftsordnung für die Tarifkommissionen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung 2000 ersichtlich.

32

(c) Der Bestimmung in § 17 Abs. 3 Satzung 2000, wonach die Große Tarifkommission vom Präsidenten des BDE geführt wird, fehlt es an einer Ausnahmeregelung für den Fall, dass dieser ein Unternehmen repräsentiert, das nur Mitglied im „Wirtschaftsverband“ ist. Eine solche folgt nicht aus § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung 2000. Dort ist ausschließlich von den Mitgliedern der Kommissionen, nicht aber vom Vorsitzenden die Rede. Zudem stellt § 17 Abs. 3 Satzung 2000 eine Spezialregelung dar, die § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung 2000 vorgeht. Darüber hinaus sieht § 7 Abs. 5 Satzung 2000 vor, dass alle Wahlämter und damit auch das des Präsidenten(§ 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satzung 2000) höchstpersönlich wahrzunehmen sind, sofern nicht in der Satzung ausdrücklich eine Ausnahme für zulässig erklärt wird. Eine solche ausdrückliche Vertretungsregelung besteht für die „Führung“ der Großen Tarifkommission nicht.

33

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf mindestens zwei Fälle hingewiesen hat, in denen in der Vergangenheit der jeweilige Präsident des BDE aus einem „tariffreien Mitgliedsunternehmen“ kam und deshalb „nicht Vorsitzender der Großen Tarifkommission (war), sondern ein einem tarifgebundenen Unternehmen angehöriges Mitglied des BDE“, im andern Fall „ein Vizepräsident“ des BDE, ist dies unerheblich. Es kommt regelmäßig nicht auf die praktizierte Übung, sondern auf die Rechtslage nach der Satzung an (BAG 22. April 2009 - 4 AZR 111/08 - Rn. 45, BAGE 130, 264). Zudem wird der Präsident beim Vorliegen eines - satzungsmäßig geregelten - Vertretungsfalles, der hier nicht vorgesehen ist, bei „seiner Verhinderung … durch einen Stellvertreter gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer vertreten“ (§ 11 Abs. 3 Satz 2 Satzung 2000). Gerade dies ist hier aber weder vorgesehen noch in den von der Beklagten geschilderten Fällen - die überdies ausweisen, dass es sich keineswegs um ein rechtlich zu vernachlässigendes, rein theoretisches Problem handelt - tatsächlich geschehen.

34

(4) Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus dem Umstand, dass die Gewerkschaft ver.di selbst von einer fehlenden Tarifgebundenheit der Beklagten ausgegangen sei. Die Wirksamkeit eines Wechsels in eine Mitgliedsform ohne Tarifgebundenheit ist allein von der satzungsrechtlichen Ausgestaltung und nicht von der Rechtsmeinung eines Dritten abhängig. Das gilt auch für die - dem Statuswechsel zustimmende oder ablehnende - Auffassung einer tarifzuständigen Gewerkschaft.

35

cc) Die Beklagte kann sich für ihre Annahme einer ausreichenden Trennung der beiden Mitgliederbereiche nicht auf Regelungen in der Geschäftsordnung für die Große und Kleine Tarifkommission des BDE berufen.

36

(1) Die Absicherung der erforderlichen Trennung der unterschiedlichen Mitgliederbereiche muss in der Verbandssatzung selbst erfolgen. „Unterrangiges Vereinsrecht“ - zB eine Geschäftsordnung - reicht dafür nicht aus.

37

(a) Nach ständiger Rechtsprechung sind die das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen als „Verfassung“ des Vereins in die Satzung aufzunehmen (arg. § 33 Abs. 1 BGB; vgl. BGH 24. Oktober 1988 - II ZR 311/87 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 105, 306). Nur die Satzung selbst ist - jeweils - vom demokratisch legitimierten Organ des Vereins, der Mitgliederversammlung, beschlossen. Das betrifft im Falle eines Arbeitgeberverbandes iSv. § 2 Abs. 1 TVG nicht nur die Kontrolle der Mitglieder über solch grundlegende Fragen wie die wirksame Begründung der Möglichkeit einer Verbandsmitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit(vgl. dazu Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 2 Rn. 95), sondern auch die Bestandsfestigkeit und Kontinuität und damit das Ausmaß der Verbindlichkeit einer solchen Ordnung. Deshalb können in „Geschäftsordnungen“ einzelner Gremien grundsätzlich nicht das Vereinsleben bestimmende Grundentscheidungen geregelt werden, die als „Verfassung“ des Vereins kraft zwingender Vorschrift in die Satzung aufgenommen werden müssen (so schon BGH 6. März 1967 - II ZR 231/64 - zu II 3 c der Gründe, BGHZ 47, 172; Sauter/Schweyer/Waldner Der eingetragene Verein 19. Aufl. Rn. 151). Geschäftsordnungen werden regelmäßig von den Gremien selbst aufgestellt und können von ihnen verändert werden, ohne dass Verbandsmitglieder außerhalb des Gremiums hierauf unmittelbaren Einfluss haben.

38

(b) Ferner ist nur die Satzung selbst im Vereinsregister veröffentlicht und jedermann zugänglich. Auf diese vom Gesetz verlangte Publikation kann nicht nach den Umständen des Einzelfalls verzichtet werden (BGH 24. Oktober 1988 - II ZR 311/87 - zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 105, 306). Die erforderliche Transparenz ist insbesondere für die Mitglieder selbst, für aufnahmeinteressierte Unternehmen, aber auch für die gegnerische Koalition von Bedeutung. Sie ist bei dem „unterrangigen“ Verbandsrecht in der Regel nicht gegeben. Geschäftsordnungen einzelner Vereinsgremien sind nicht ohne weiteres öffentlich einsehbar. Dass die Satzung selbst allein in der öffentlich zugänglichen Form der im Vereinsregister eingetragenen Fassung Grundlage für die rechtliche Überprüfung sein kann, hat der Senat bereits entschieden; erst ab dem Zeitpunkt der Eintragung einer zuvor vereinsrechtlich beschlossenen Satzungsänderung gilt sie als maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob die Mitgliederbereiche hinreichend getrennt sind (BAG 26. August 2009 - 4 AZR 295/08 - Rn. 32 ff.).

39

(2) Schon deshalb kann sich die Beklagte nicht auf die „Geschäftsordnung für die Große und Kleine Tarifkommission“ stützen. Diese ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Satzung 2000 allein vom Vorstand zu beschließen. Die Befugnis des Vorstands erstreckt sich neben der Festlegung von Größe und Zusammensetzung ausdrücklich auf die „Aufgabenbereiche“ der beiden Kommissionen. Damit sind nach der Satzungslage wesentliche Regelungen, die für die rechtliche Überprüfung der Abgrenzung der dem „Wirtschaftsverband“ und dem „Arbeitgeberverband“ zustehenden Kompetenzen zentrale Bedeutung haben, dem Vorstand überlassen, der damit unabhängig von der Mitgliederversammlung und ohne Veröffentlichungszwang über den Status und den Einfluss der Mitgliederbereiche auf die tarifpolitischen Entscheidungen des Verbandes entscheiden kann.

40

(3) Selbst bei Berücksichtigung dieser Bestimmungen kann nicht von einer hinreichenden Trennung der beiden Mitgliederbereiche ausgegangen werden.

41

(a) Dies betrifft insbesondere die nach § 17 Abs. 1 der Satzung 2000 erlassene „Geschäftsordnung für die Große und Kleine Tarifkommission“, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

        

1.0 Größe und Zusammensetzung der Großen Tarifkommission (GTK)

        

1.1     

dem Vorstand (§ 12),

        

1.2     

den Vorständen der Regionalverbände (§ 14 Abs. 5),

        

1.3     

den Vorsitzenden der Fachbereiche (§ 15 Abs. 4), - soweit sie Mitglieder repräsentieren, die dem Arbeitgeberverband angehören -

        

1.4     

dem Hauptgeschäftsführer (§ 13),

        

1.5     

einen vom Verband bestellten fachkundigen Berater, der auch Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle (§ 20) sein kann.

        

2.0 Vorsitz, Abstimmung

        

Den Vorsitz führt der Präsident, im Verhinderungsfall der jeweils älteste Vizepräsident. Abstimmungen erfolgen gemäß § 8 der Verbandssatzung. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

        

...     

        

3.0 Richtlinien für die Kleine Tarifkommission (KTK)

        

Die Große Tarifkommission beschließt die Richtlinien für die Kleine Tarifkommission und entscheidet endgültig über die Annahme oder Ablehnung von Verhandlungsergebnissen, die die KTK vorlegt.

        

...     

        

6.0 Größe und Zusammensetzung der Kleinen Tarifkommission (KTK)

        

Die KTK besteht aus

        

6.1     

einem vom Präsidenten des Bundesverbandes zu berufenden Vorsitzenden.

        

6.2     

mindestens vier vom Verband zu benennenden Mitglieder des Verbandes, von denen einer vom korporativ angeschlossenen Mitgliedsverband VBS zu delegieren ist,

        

6.3     

dem Hauptgeschäftsführer

        

6.4     

einem vom Verband bestellten fachkundigen Berater.

        

7.0 Vorsitz, Abstimmungen

        

7.1 Ist der Vorsitzende der KTK verhindert, wählt die KTK einen Vorsitzenden aus ihren Mitgliedern.

        

7.2 Bei Abstimmungen ist das nach 6.4 zu bestellende Mitglied nicht stimmberechtigt. …

        

Die KTK führt die Tarifverhandlungen mit der zuständigen Gewerkschaft im Rahmen der von der Großen Tarifkommission beschlossenen Richtlinien. Ist ein Verhandlungsergebnis erzielt, so ist dieses unverzüglich der GTK zur Beschlussfassung über Annahme oder Ablehnung vorzulegen. …“

42

(b) In dieser „Geschäftsordnung“ ist der Ausschluss der Mitgliedsunternehmen, die lediglich Mitglied im „Wirtschaftsverband“ des BDE sind, nicht gewährleistet.

43

(aa) Für die Große Tarifkommission, der mit den ihr nach der „Geschäftsordnung“ zugewiesenen Aufgaben der Kern der tarifpolitischen Entscheidungen des BDE übertragen ist, ist ein Ausschluss der Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes“ lediglich für die Vorsitzenden der Fachkommissionen ausdrücklich geregelt worden. Für die übrigen Kommissionsmitglieder, darunter den gesamten Vorstand (§ 12 Abs. 1 Satzung 2000), ist eine derartige Beschränkung gerade nicht geregelt. Dann gilt § 8 Abs. 5 der Satzung 2000. Danach sind bevollmächtigte Repräsentanten eines Mitgliedsunternehmens ohne Beschränkung auf Mitglieder des „Arbeitgeberverbandes“ stimmberechtigt.

44

(bb) Für die Kleine Tarifkommission fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Trennung der Mitgliedsbereiche. Sie hat nach der „Geschäftsordnung“ die Aufgabe, Tarifverhandlungen mit der zuständigen Gewerkschaft „im Rahmen der von der Großen Tarifkommission beschlossenen Richtlinien“ zu führen und sie ggf. der Großen Tarifkommission zur endgültigen Entscheidung vorzulegen. Durch § 17 Abs. 1 Satzung 2000 soll zwar sichergestellt werden, dass die „mindestens“ vier Mitglieder der Kleinen Tarifkommission Unternehmen repräsentieren, die dem „Arbeitgeberverband“ im BDE angehören. Die „Geschäftsordnung“ enthält jedoch insoweit keine Regelungen über das in die Kommission vom Verband Bayerischer Entsorgungsunternehmen e. V. (§ 3 Abs. 2 Satzung 2000) zu delegierende Kommissionsmitglied. In jedem Fall ist die Auswahl nicht allein den Mitgliedern des „Arbeitgeberverbandes“ im BDE vorbehalten, sondern „dem Verband“ als solchem. Auch die Zuordnung des Hauptgeschäftsführers, der gleichfalls der Kleinen Tarifkommission angehört, zu einem Unternehmen des „Arbeitgeberverbandes“ im BDE ist weder in der „Geschäftsordnung“ noch in der Satzung (§ 13 Satzung 2000) zwingend geregelt.

45

dd) Die von der Beklagten angeführten Satzungsänderungen in den Jahren 2006/2007 und 2012/2013 sind für ihre Tarifgebundenheit ohne Bedeutung.

46

(1) Die Satzungsänderungen vom 26. Oktober 2006/6. Februar 2007 (Satzung 2006/2007) haben die vorstehend angeführten Bestimmungen über eine Einflussmöglichkeit der Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes“ auf tarifpolitische Entscheidungen des BDE nicht geändert. Soweit die Beklagte sich auf einen „neuen Satzungstext“ in § 3 Abs. 4 Satzung 2006/2007 stützt, führt dies zu keiner anderen Entscheidung.

47

(a) § 3 Abs. 4 Satzung 2006/2007 lautet nun:

        

„Ordentliche und ihnen gleichgestellte Mitglieder können die Mitgliedschaft in folgenden Formen erwerben:

        

•       

Mitgliedschaft mit Verbandstarifbindung (Mitglied T),

        

•       

Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT).

        

Für die Mitglieder mit Verbandstarifbindung ist der Verband berechtigt, Verbandstarifverträge abzuschließen. Die Mitglieder ohne Verbandstarifbindung werden von den Verbandstarifen nicht erfasst.“

48

(b) Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte als ordentliches Mitglied (§ 3 Abs. 2 Buchst. a Satzung 2000) von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die durch Satzung neu geschaffene Mitgliedschaftsform „Mitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT)“ nach deren Inkrafttreten (dazu oben I 1 a aa) zu begründen. Es ist anhand der Satzung auch nicht ersichtlich, dass Mitglieder des BDE, die zu diesem Zeitpunkt „nur die Mitgliedschaft im Wirtschaftsverband erworben“ hatten (§ 5 Abs. 2 Satzung 2000) -wie es die Beklagte meint - „automatisch“ in den „neuen“ Mitgliedschaftsstatus eines „Mitglied OT“ überführt worden sind. Vielmehr sieht § 5 Abs. 2 Satz 2 Satzung 2006/2007 für einen Wechsel der Mitgliedschaftsform eine Kündigung vor.

49

(c) Zudem führt auch § 3 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 Satzung 2006/2007 zu keinem anderen Ergebnis. Der BDE schließt als eingetragener Verein und damit - entgegen der Beklagten - als „einheitlicher Verband“ im Außenverhältnis mit Gewerkschaften Tarifverträge ab. Vertragspartner der geschlossenen Tarifverträge ist der BDE. Die sich daran anschließende Frage der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG aufgrund bestehender Mitgliedschaft(§ 3 Abs. 1 TVG)bestimmt sich allein danach, ob die Satzung des BDE ausreichende Vorkehrungen enthält, die vereinsrechtlich eine Einflussnahme von Mitgliedern ohne Tarifgebundenheit auf tarifpolitische Entscheidungen ausschließt. Dies ist bezogen auf die Satzung 2006/2007 nach wie vor nicht der Fall.

50

(d) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich in § 3 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 Satzung 2006/2007 nicht um eine Regelung der Tarifzuständigkeit des BDE. Eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervereinigung kann ihre Tarifzuständigkeit nicht wirksam auf ihre jeweiligen (T-)Mitglieder beschränken. Eine Satzungsbestimmung, welche den Umfang der Tarifzuständigkeit einer Vereinigung vom Ein- und Austritt einzelner Mitglieder abhängig macht, ist mit den Erfordernissen eines funktionierenden Tarifvertragssystems und der darauf bezogenen Ausgestaltung der Tarifautonomie durch die gesetzlichen Regelungen unvereinbar(ausf. BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 43 ff. mwN, BAGE 119, 103) .

51

(2) Die Satzungsänderung vom 9. Mai 2012, die am 23. Januar 2013 in Kraft getreten ist, ist für den Anspruch des Klägers auf eine Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2011 ohne Einfluss.

52

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann das Schreiben der Beklagten vom 22. April 2002 nicht dahingehend ausgelegt werden, in ihm sei für den Fall, dass der Wechsel in den „Wirtschaftsverband“ nicht zu einem Wegfall der Tarifgebundenheit führe, zumindest hilfsweise ein vollständiger Austritt aus dem Verband erklärt worden. Diese Auslegung ist auch nach Maßgabe einer nur eingeschränkten Überprüfung in der Revisionsinstanz (zum Überprüfungsmaßstab individueller atypischer Willenserklärungen vgl. etwa BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23 mwN; 27. Februar 2013 - 4 AZR 78/11 - Rn. 16) rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat Auslegungsregeln verletzt und dadurch eine gebotene Auslegung unterlassen.

53

a) Für die Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung sind der Zeitpunkt des Zugangs und die Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfängers maßgebend (st. Rspr., vgl. nur BAG 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 23 mwN). Später eingetretene Umstände können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Lediglich soweit sich aus der folgenden Praxis der Beteiligten Rückschlüsse auf ihren tatsächlichen Willen und ihr tatsächliches Verständnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Willenserklärung ergeben, können sie von Bedeutung sein (vgl. nur BGH 7. Dezember 2006 - VII ZR 166/05 - zu II 1 der Gründe mwN).

54

b) Die Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 22. April 2002 ist gestaltend auf die Beendigung eines bestimmten und auf die Begründung eines anderen Mitgliedsstatus innerhalb des BDE gerichtet. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Erklärung. Insbesondere sollte der Bestand der Mitgliedschaft im BDE - als Mitglied des „Wirtschaftsverbandes“ - ausdrücklich nicht betroffen sein. Das ist vom Erklärungsempfänger, dem BDE, auch so verstanden worden. Dementsprechend hat er in seinem die Beklagte betreffenden Beschluss vom 5. Juni 2002 deren Statuswechsel bestätigt. Dieser neu begründete Mitgliedsstatus wurde in den folgenden Jahren zudem tatsächlich umgesetzt, wie sich zB an der Aushändigung des neuen Mitgliedsausweises des BDE mit dem Zusatz „Mitglied nur im Wirtschaftsverband“ zeigt.

55

Selbst wenn die Beklagte in nachfolgend geführten Telefongesprächen mit Vertretern des BDE deutlich gemacht haben sollte, dass es ihr auf den mit dem beabsichtigten Statuswechsel angestrebten Rechtserfolg - den Wegfall der Tarifgebundenheit - ankomme, hat dessen fehlender Eintritt auf die gewollte und tatsächlich bewirkte Statusänderung keine Auswirkung. Der in seiner Begründung und Beendigung geregelte Status eines „ordentlichen Mitglieds“ des BDE iSv. § 3 Abs. 1 Buchst. a Satzung 2000 ist damit nicht durch eine - nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Satzung 2000 weiterhin an die Schriftform gebundene - Kündigungserklärung der Beklagten beendet worden.

56

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es dem Kläger nicht verwehrt, sich auf die weiterhin bestehende Tarifgebundenheit der Beklagten zu berufen.

57

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auch deshalb als unbegründet angesehen, weil ein Arbeitnehmer sich nach dem Ablauf von drei Jahren nicht mehr auf die Unwirksamkeit eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband berufen könne. Ein satzungsrechtlich nicht wirksamer Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit berühre keine Interessen von Dritten, sondern lediglich diejenigen des einzelnen Mitglieds und des Verbandes. Ein solcher Zeitraum erscheine „angemessen und notwendig“, um einerseits mögliches Vertrauen bezüglich der Tarifgebundenheit zu schützen und andererseits Missbrauch zu verhindern. Damit sei ausdrücklich keine Verwirkung gemeint, die für tarifliche Ansprüche nach § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG ohnehin ausgeschlossen sei. Das Vertrauen der Arbeitsvertragsparteien darauf, dass es bei einer vor mehr als drei Jahren erklärten Beendigung einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband bleibe, erscheine „auch im Hinblick auf denkbare Arbeitskampfmaßnahmen“ schützenswert.

58

b) Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Sie entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.

59

aa) Der Statuswechsel der Beklagten ist gerade nicht „satzungsrechtlich nicht wirksam“, sondern die Satzung selbst ist im Hinblick auf eine damit möglicherweise beabsichtigte OT-Mitgliedschaft „tarifrechtlich nicht wirksam“. Sie genügt nicht den Anforderungen, um durch eine Begründung der Mitgliedschaft allein im „Wirtschaftsverband“ des BDE die Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG zu beenden. Es geht daher bei der rechtlichen Beanstandung der Satzung nicht um eine bloße innerverbandliche Regelung, die lediglich die Interessen der Mitglieder mit den Verbandsinteressen zum Ausgleich bringt, wie das Landesarbeitsgericht meint. Es kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine Wertung des Senats im Urteil vom 4. Juni 2008 (- 4 AZR 419/07 - Rn. 56, BAGE 127, 27) stützen. Im damaligen Entscheidungsfall ging es um eine Satzungsbestimmung, die einen Übertritt in die OT-Mitgliedschaft davon abhängig machte, dass die Aufrechterhaltung der Tarifgebundenheit für das Mitgliedsunternehmen „unzumutbar“ ist; demgegenüber hatte der Kläger seinerzeit geltend gemacht, eine solche Unzumutbarkeit sei in Wirklichkeit nicht gegeben gewesen. Das ist eine gänzlich andere Konstellation, weil sie das Vorliegen einer nach der Satzung selbst bestimmten rechtlichen Voraussetzung für einen solchen Statuswechsel zum Gegenstand hatte, nicht aber - wie hier - dessen rechtliche Folgen.

60

bb) Zudem setzt ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten, von dem das Landesarbeitsgericht ohne Angabe einer Rechtsgrundlage ausgeht, die Kenntnis des Klägers über eine den Wegfall der Tarifgebundenheit auslösende Erklärung der Beklagten voraus. Da eine solche Erklärung objektiv nicht vorliegt, hätte zumindest der Wechsel der Beklagten in den „Wirtschaftsverband“ des BDE und die von der Beklagten diesem Übertritt subjektiv - fälschlicherweise - beigemessene rechtliche Folge vom Kläger zur Kenntnis genommen werden müssen. Hierzu und über deren Zeitpunkt fehlt es an jedweder tatsächlichen Feststellung des Landesarbeitsgerichts. Nähere Ausführungen über den vom Landesarbeitsgericht angenommenen Zusammenhang zwischen dem „Vertrauen der Arbeitsvertragsparteien“ mit eventuellen Arbeitskampfmaßnahmen enthält das Berufungsurteil nicht.

61

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien von der Geltungsbereichsbestimmung des BMTV 2009 erfasst. Soweit die Beklagte eingewandt hat, das Arbeitsverhältnis falle nicht unter den fachlich-persönlichen Geltungsbereich des BMTV 2009, da dieser sich nur auf „alle Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft sind“, erstrecke und sie selbst lediglich dem „Wirtschaftsverband“ angehöre, ist dies unzutreffend. Der BMTV 2009 gilt für alle tarifgebundenen Mitglieder des BDE, und damit auch für die Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes“ des BDE.

62

a) Bei der Auslegung von Geltungsbereichsbestimmungen eines Tarifvertrags ist nur beim Vorliegen besonderer Anhaltspunkte von einer mitgliederbezogenen Regelung auszugehen.

63

aa) Grundsätzlich ist die Beschränkung des (persönlichen) Geltungsbereichs eines Tarifvertrags auf einen bestimmten Teil der Mitglieder einer Tarifvertragspartei möglich. Den Koalitionen steht im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich verbürgten Tarifautonomie bei der Festlegung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der auch die Festlegung der vom Tarifvertrag erfassten Unternehmen beinhaltet (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 57 mwN, BAGE 122, 134).

64

bb) Ob sich der Geltungsbereich eines mitgliedschaftsbezogenen Tarifvertrags tatsächlich auf aktuelle Mitglieder - oder gar nur einen Teil derselben - beschränken soll oder ob mit einer dem Wortlaut nach mitgliederbezogenen Geltungsbereichsbestimmung lediglich ein Hinweis auf die ohnehin gesetzlich in § 3 Abs. 1 TVG geregelte Tarifgebundenheit der Verbands- und Gewerkschaftsmitglieder als Voraussetzung für eine Tarifgeltung und damit die bestehende Rechtslage erfolgen soll, ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln. Wenn von ihm nur ein bestimmter Teil der Mitglieder des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes erfasst sein soll, muss sich das aus dem Tarifvertrag selbst ergeben (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 235). Eine lediglich verbandsinterne Zuordnung kann dafür nicht ausreichen (Buchner NZA 1994, 2, 3).

65

cc) Bei der Auslegung einer solchen Geltungsbereichsbestimmung ist zunächst zu beachten, dass die Tarifvertragsparteien mit einer mitgliederbezogenen Bereichsbestimmung regelmäßig Abgrenzungsprobleme und Streitigkeiten vermeiden, die sich aus einer branchenbezogenen Festlegung insbesondere für Mischbetriebe und beim Herauswachsen eines Betriebs aus dem bisherigen Wirtschaftszweig ergeben (BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (3) (c) der Gründe mwN, BAGE 114, 162). Einzubeziehen sind jedoch weiterhin die weitreichenden Folgen, die bei einer konstitutiven Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs eintreten. Der Geltungsanspruch des Tarifvertrags hat Auswirkungen auf die Folgen eines Austritts aus dem Verband, weil damit der Geltungsbereich des Tarifvertrags verlassen wird und die ansonsten gesetzlich vorgesehene Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 TVG nicht eintritt. Eine solche Auslegung hinderte ferner eine Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags nach § 5 TVG, weil diese sich nur auf die nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse innerhalb seines Geltungsbereichs beziehen kann; gleiches gilt für eine mögliche Erstreckung auf die Arbeitsverhältnisse eines ausländischen Arbeitgebers nach § 3, § 4(zB Nr. 7: Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst), § 7 AEntG. Weiterhin wäre sein Geltungsanspruch gegenüber einem branchenbezogenen Tarifvertrag erheblich reduziert, weil die Sperrwirkung von § 77 Abs. 3 BetrVG insoweit auf die unmittelbaren aktuellen Mitglieder des Verbandes beschränkt würde. Würde ein solcher Tarifvertrag von anderen Branchenunternehmen oder nichttarifgebundenen Verbandsmitgliedern arbeitsvertraglich in Bezug genommen, unterlägen die tariflichen Bestimmungen in diesen Arbeitsverhältnissen unmittelbar der Angemessenheitskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, weil sie außerhalb ihres Geltungsbereichs angewandt würden und deshalb nicht einschlägig wären. Er wäre weiterhin nicht geeignet, die gesetzlich ermöglichte Unterschreitung von Mindestschutzbestimmungen (zB in § 622 Abs. 4 BGB, § 5 Abs. 3 ArbZG, § 4 Abs. 4 EFZG, § 13 Abs. 1 BUrlG)durch Inbezugnahme „einschlägiger“ Tarifverträge zu bewirken. Selbst die in § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB vorgesehene Möglichkeit einer Abkürzung der einjährigen Sperrfrist für die Abänderung transformierter Tarifregelungen nach einem Betriebsübergang setzt die Verweisung auf einen Tarifvertrag voraus, von dessen Geltungsbereich der - tarifungebundene - Erwerber erfasst ist. Diese Gestaltungsmöglichkeiten entfallen bei einer konstitutiven mitgliedschaftsbezogenen Geltungsbereichsbestimmung.

66

dd) Aufgrund dieser Einschränkungen kann ohne deutliche Anhaltspunkte im Tarifvertrag nicht angenommen werden, dass dessen Geltungsbereich auf die - jeweils aktuellen - Mitglieder des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes beschränkt werden soll. Fehlt es daran, geht die übereinstimmende Interessenlage der Tarifvertragsparteien typischerweise dahin, den Geltungsbereich des Tarifvertrags auf diejenigen branchenangehörigen Unternehmen zu erstrecken, die durch den Beitritt zum tarifschließenden Arbeitgeberverband eine Tarifgebundenheit herbeiführen können (BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (3) (c) der Gründe, BAGE 114, 162). Im vorliegenden Entscheidungsfall kommt hinzu, dass die Geltungsbereichsbestimmung nicht nur die aktuellen tarifgebundenen Mitglieder des Verbandes, sondern nur einen nach innerverbandlichen Regelungen umgrenzten Teil von ihnen erfasst.

67

b) Danach nimmt die Geltungsbereichsbestimmung des BMTV 2009 nicht diejenigen Mitgliedsunternehmen des tarifschließenden Verbandes BDE aus, die nur dem „Wirtschaftsverband“ angehören.

68

aa) Die nach dem Wortlaut des BMTV 2009 erfolgte Beschränkung des Geltungsbereichs auf die Verbandsmitglieder hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Sie weist - wie es in Tarifverträgen häufig geschieht - auf die tarifexternen Geltungsvoraussetzungen der Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 1 TVG hin. Ebenfalls wird bei der Bezeichnung des „persönlichen“ Geltungsbereichs auf die „tarifgebundenen Arbeitnehmer“ Bezug genommen, was lediglich auf die an anderer Stelle, nämlich in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geregelte Tarifgebundenheit verweist. Für die hiervon abweichende Annahme einer konstitutiven Regelung fehlt es an einem, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlichen „deutlichen Anhaltspunkt“. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die tarifschließende Partei auf Arbeitgeberseite im „Rubrum“ des Tarifvertrags ohne die Bezeichnung Arbeitgeberverband genannt ist, ist dies ohne Bedeutung; die den Tarifvertrag schließenden juristischen Personen werden dort konkret bezeichnet. Ebenso wird die dort genannte Gewerkschaft ver.di in der Geltungsbereichsbestimmung nicht erneut ausdrücklich benannt.

69

bb) Darüber hinaus ist eine Auslegung, die nicht nur eine Beschränkung auf die tarifgebundenen Mitglieder des Verbandes BDE vorsieht, zu denen im Streitzeitraum die Beklagte als Teil des „Wirtschaftsverbandes“ gehörte (vgl. oben I 1), sondern darüber hinaus aus dem Tarifvertrag selbst den Ausschluss der - grundsätzlich tarifgebundenen - Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes“ aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags schlussfolgerte, nicht möglich. Bereits der Wortlaut der Bestimmung lässt einen solchen Schluss nicht zu. Die Bezeichnung der an den BMTV 2009 gebundenen Arbeitgeber als „alle Unternehmen, die Mitglied des Arbeitgeberverbandes BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft sind“, begründet aus sich heraus keine Zweifel an der Erstreckung auf alle tarifgebundenen BDE-Mitgliedsunternehmen. Der tarifschließende Verband BDE ist ein Arbeitgeberverband. Dass hier mit der entsprechenden Bezeichnung gerade nicht der Arbeitgeberverband BDE als solcher, sondern ein institutionell abgegrenzter Teil des Arbeitgeberverbandes BDE, der (ebenfalls) „Arbeitgeberverband“ heißt, aber nur einen Teil des Arbeitgeberverbandes BDE umfasst, gemeint sein könnte, erschließt sich aus dem Wortlaut nicht.

70

Insoweit beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats vom 24. Februar 1999 (- 4 AZR 62/98 -). Dort war lediglich bestätigt worden, dass eine ausdrückliche Beschränkung des Geltungsbereichs auf die „ordentlichen Mitglieder“ des Arbeitgeberverbandes möglich und wirksam ist. Gerade eine solche ausdrückliche Beschränkung ist vorliegend aber, wie dargelegt, nicht gegeben.

71

5. Die Beklagte kann sich schließlich nicht darauf stützen, der BMTV 2009 sei wegen fehlender Tarifzuständigkeit unwirksam, wenn er sich auf die Mitglieder des „Wirtschaftsverbandes“ im BDE erstrecke.

72

a) Die Tarifzuständigkeit eines Verbandes richtet sich nach dem in der Verbandssatzung festgelegten Organisationsbereich (BAG 27. September 2005 - 1 ABR 41/04 - zu B II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 116, 45). Eine satzungsmäßige Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf die jeweiligen Mitglieder ist unwirksam, weil sich dadurch die Tarifzuständigkeit nicht, wie es den Erfordernissen eines funktionierenden Tarifvertragssystems entspricht, aus der Satzung zuverlässig entnehmen lässt, sondern vom jeweils aktuellen Mitgliederbestand abhängig ist und sich deshalb mit jedem Aus- und Eintritt ändert. Die bloße Bereitstellung der Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft oder ein solcher Versuch stellt keine eigenständige Regelung der Tarifzuständigkeit, sondern allein der Tarifgebundenheit dar (grdl. BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - zu B II 2 a ee und b der Gründe, BAGE 119, 103).

73

b) Danach ist der BDE grundsätzlich für Unternehmen und Betriebe der Kreislauf- und Entsorgungswirtschaft sowie der Wasser- und Abwasserwirtschaft einschließlich der mit diesen verbundenen Servicebetriebe tarifzuständig. Das folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 2 Buchst. a Satzung 2000. Ordentliche Mitglieder des BDE sind auch die des „Wirtschaftsverbandes“.

74

II. Die Klage ist auch der Höhe nach begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine weitere Jahressonderzahlung für das Jahr 2011 in Höhe von 837,00 Euro brutto.

75

1. Die Höhe des tariflichen Sonderzahlungsanspruchs beträgt nach § 13 BMTV 2009 75 vH des „sich aus dem Durchschnitt des aufgrund der tariflichen Regelungen gezahlten Entgelts der letzten vorausgegangenen 13 Wochen“, wobei die Fälligkeit betrieblich geregelt werden soll.

76

2. Daraus ergibt sich der Anspruch des Klägers in der geltend gemachten Höhe.

77

a) Maßgebend für die Bemessung der Jahressonderzahlung ist das „aufgrund der tariflichen Regelung gezahlte Entgelt“. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich die Kausalität zwischen der tariflichen Regelung und dem gezahlten Entgelt nicht auf die subjektive Willensrichtung des Arbeitgebers, sondern lediglich auf den objektiven Zusammenhang zwischen für das Arbeitsverhältnis geltenden tariflichen Entgeltregelung und einer Entgeltzahlung. Ein tarifgebundener Arbeitgeber kann einer entsprechenden Berechnung der Jahressonderzahlung - und somit dem Anspruch selbst - nicht dadurch ausweichen, dass er den Arbeitnehmer nicht nach der tariflichen Entgelttabelle vergütet, sondern untertariflich oder ohne jeden Bezug zum Tarifvertrag. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich für die Berechnung lediglich auf die Heranziehung des ihm tatsächlich gezahlten Entgelts beruft und dies nicht höher ist als das ihm tariflich zustehende, kann der Arbeitgeber sich nicht erfolgreich darauf berufen, der Arbeitnehmer werde nicht nach den tariflichen Regelungen vergütet.

78

b) Danach kann der Kläger jedenfalls auf Grundlage des ihm monatlich gezahlten Entgelts iHv. 1.970,00 Euro brutto, welches geringer ist als die ihm tariflich zustehende Vergütung, einen weiteren Betrag iHv. 837,00 Euro brutto verlangen.

79

aa) Der Kläger hat von der Beklagten im Jahr 2011 monatlich 1.970,- Euro brutto erhalten. Diese Vergütung hat er für seine Berechnung der ihm nach § 13 BMTV 2009 zustehenden Jahressonderzahlung als Grundlage herangezogen.

80

bb) Das vom Kläger in Rechnung gestellte Monatsentgelt von 1.970,00 Euro brutto ist niedriger als das ihm tariflich zustehende Entgelt.

81

(1) Der Kläger ist nach der VergGr. 5 BERT (idF vom 1. Mai 2008) zu vergüten. Er erfüllt das im BERT zu dieser VergGr. ausdrücklich genannte Richtbeispiel („Lader/Müllwerker“). Er ist für die Beklagte als Müllwerker tätig. Das ergibt sich aus seinem Arbeitsvertrag, der diese Tätigkeitsbezeichnung ausdrücklich aufweist. Es entspricht ferner dem zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrag vom 21. Januar 1997. In den Tatsacheninstanzen hat der Kläger unwidersprochen dargelegt, er sei als Müllwerker tätig, weshalb das Arbeitsgericht diese Tatsache im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ausgeführt hat. Die Beklagte hat dies ausdrücklich bestätigt und selbst mehrfach vorgetragen, der Kläger sei als Müllwerker eingesetzt. Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung, der Kläger habe die Erfüllung der tariflichen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. 5 BERT nicht schlüssig dargelegt, erstmals in der Revision abweichenden Sachvortrag zur konkreten Tätigkeit des Klägers erbracht hat, handelt es sich um unzulässiges neues Vorbringen, das nicht zu berücksichtigen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO).

82

(2) In dem ab dem 1. Januar 2011 gültigen Bundes-Entgelttarifvertrag (BETV) derselben Tarifvertragsparteien ist in § 2 die Monatsvergütung für die VergGr. 5 (100,0 %) in der für den Klager für eine Betriebszugehörigkeit ab dem 7. Jahr zutreffenden Stufe 5 auf 2.198,63 Euro festgelegt.

83

cc) Danach kann der Kläger jedenfalls 75 vH des ihm geleisteten Monatsentgelts von 1.970,00 Euro brutto, mithin 1.477,50 Euro brutto verlangen. Da die Beklagte ihm für das Jahr 2011 - anders als in den Vorjahren - nicht 1.477,50 Euro, sondern lediglich 640,00 Euro geleistet hat, verbleibt ein restlicher Anspruch auf die eingeklagten 837,00 Euro brutto.

84

3. Der Kläger hat die für die Geltendmachung in § 19 BMTV 2009 tariflich geregelten Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit eingehalten.

85

a) Für die Fälligkeit des Anspruchs auf die Jahressonderzahlung sieht der BMTV 2009 eine betriebliche Regelung vor. In Ermangelung einer solchen ist - mit den Parteien - davon auszugehen, dass die Jahressonderzahlung bei der Beklagten jeweils mit dem November-Entgelt gezahlt werden soll. Die tarifliche Verfallfrist ist daher mit Zugang des klägerischen Geltendmachungsschreibens am 23. Dezember 2011 eingehalten.

86

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Forderung des Klägers hinreichend präzise bezeichnet worden.

87

aa) Der Zweck tariflicher Ausschlussfristen besteht darin, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen. Dabei soll dem Schuldner der gegen ihn gerichtete Anspruch deutlich gemacht werden. Diese Funktion kann eine Geltendmachung nur erfüllen, wenn der Anspruch seinem Grunde nach - auch bezüglich des Streitzeitraums - hinreichend deutlich bezeichnet und dessen Höhe wenigstens ungefähr ersichtlich gemacht wird. Deshalb müssen die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Der Schuldner soll anhand der Geltendmachung erkennen können, welche Forderung gegen ihn erhoben wird, damit er in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob er der Forderung entsprechen will oder welche Einwände ihm dagegen zur Verfügung stehen (BAG 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 b der Gründe; 20. April 2011 - 4 AZR 467/09 - Rn. 33 mwN, BAGE 138, 1).

88

bb) Diesen Anforderungen wird das Schreiben des Klägers gerecht. Er macht darin geltend, die ihm mit dem November-Lohn 2011 gezahlte Jahressonderzahlung sei zu gering ausgefallen, weil ihm ein Anspruch in Höhe von 75 vH eines Monatsentgelts zustehe. Soweit er sich - zutreffend - auf § 13 BMTV 2009 stützt, diesen jedoch - fehlerhafterweise - als „noch nachwirkend“ bezeichnet, macht dies die Forderung für die Beklagte nicht „unidentifizierbar“. Für sie war hinreichend erkennbar, dass es um die manteltarifliche Regelung der Jahressonderzahlung für das Jahr 2011 ging, hinsichtlich derer sie eine Teilzahlung bereits geleistet und die sie in den Vorjahren in dem vollen Umfang des klägerischen Begehrens gezahlt hatte.

89

Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht auf die Senatsentscheidung vom 20. April 2011 (- 4 AZR 467/09 -) stützen. Der dort entschiedene Fall der Geltendmachung einer Forderung aus dem Tarifvertrag über den Mindestlohn im Abbruch- und Abwrackgewerbe, die der Kläger als Geltendmachung einer Forderung aus dem Tarifvertrag über den Mindestlohn einer anderen Branche, nämlich des Baugewerbes gelten lassen wollte, ist mit der vorliegenden Konstellation, in der sich der Kläger möglicherweise auf einen unmittelbaren Vorgängertarifvertrag des aktuellen Tarifvertrags zwischen denselben Tarifvertragsparteien und nahezu identischem Wortlaut der Anspruchsnorm bezieht, nicht zu vergleichen.

90

4. Aus demselben Grund geht der Einwand der Beklagten fehl, der Kläger habe die ihm nach § 13 BMTV 2009 zustehende Forderung nicht zum Streitgegenstand der Klage gemacht. Die genaue Bezeichnung der Anspruchsgrundlage gehört - jedenfalls im hier maßgebenden Bereich einer manteltariflich geregelten Jahressonderzahlung - weder zur Kennzeichnung der Forderung in einem Geltendmachungsschreiben noch zur Abgrenzung des Streitgegenstandes.

91

5. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich angesichts der im Geltendmachungsschreiben gesetzten Zahlungsfrist bis zum 5. Januar 2012 aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB.

92

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie in ihm unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO).

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Steding    

        

    Fritz    

                 

(1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller

1.
die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, die Vorschriften des Arbeitsschutzrechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält;
2.
nach der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen;
3.
dem Leiharbeitnehmer die ihm nach § 8 zustehenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt.

(2) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist ferner zu versagen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

(3) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder wenn eine Gesellschaft oder juristische Person den Antrag stellt, die entweder nicht nach deutschem Recht gegründet ist oder die weder ihren satzungsmäßigen Sitz noch ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(4) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen dieser Staaten stehen gleich Gesellschaften und juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten gegründet sind und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben. Soweit diese Gesellschaften oder juristische Personen zwar ihren satzungsmäßigen Sitz, jedoch weder ihre Hauptverwaltung noch ihre Hauptniederlassung innerhalb dieser Staaten haben, gilt Satz 2 nur, wenn ihre Tätigkeit in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum steht.

(5) Staatsangehörige anderer als der in Absatz 4 genannten Staaten, die sich aufgrund eines internationalen Abkommens im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederlassen und hierbei sowie bei ihrer Geschäftstätigkeit nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als deutsche Staatsangehörige, erhalten die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige. Den Staatsangehörigen nach Satz 1 stehen gleich Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates gegründet sind.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2008 - 14 Sa 87/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen tariflichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines Aufschlags zur Urlaubsvergütung.

2

Der Kläger, Mitglied des Marburger Bundes, war vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2007 als Arzt in der Weiterbildung bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Dem Arbeitsverhältnis liegt der am 12. März 2004 geschlossene Arbeitsvertrag zugrunde, in dessen § 2 es heißt:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für die Arbeitgeberin jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und bezirklichen Regelungen Anwendung. …“

3

Der Marburger Bund hatte 1994 mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft(DAG) eine Vereinbarung über eine tarifliche Zusammenarbeit geschlossen, in der diese ua. zum Abschluss von Tarifverträgen bevollmächtigt wurde. Auf dieser Grundlage erfolgten auch Tarifabschlüsse durch die Rechtsnachfolgerin der DAG, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Im Verlauf der Tarifvertragsverhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Jahre 2005 widerrief der Marburger Bund gegenüber der Gewerkschaft ver.di die zum Abschluss von Tarifverträgen erteilte Vollmacht und forderte zugleich die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zu Tarifvertragsverhandlungen über einen Tarifvertrag für Ärzte auf. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA) wurde ua. von der Gewerkschaft ver.di und der VKA nach Zugang des Widerrufs der Vollmacht am 13. September 2005 unterzeichnet und trat am 1. Oktober 2005 in Kraft. Der Marburger Bund kündigte den BAT zum 31. Dezember 2005. Der später zwischen dem Marburger Bund und der VKA geschlossene Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) trat nach § 40 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA am 1. August 2006 in Kraft.

4

Die Beklagte leitete den Kläger zum 1. Oktober 2005 gemäß dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(vom 13. September 2005, TVÜ-VKA) in das Tarifrecht des TVöD über. Der Kläger widersprach bereits mit Schreiben vom 26. September 2005 der ihm mitgeteilten Überleitung. Im Zeitraum vom 15. bis zum 31. Oktober 2005 nahm der Kläger Erholungsurlaub in Anspruch. Die Beklagte zahlte ihm für diese Zeit keinen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT. Bis zum Monat September 2005 hatte sie auf Grundlage dieser Tarifregelung dem Kläger einen Aufschlag von 57,16 Euro je Urlaubstag gezahlt. Mit Schreiben vom 5. Mai 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch nicht bestehe, weil sein Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen des TVöD noch keine drei volle Monate bestanden habe. Mit Schreiben vom 6. Februar 2007 macht der Marburger Bund für den Kläger die Zulage iHv. insgesamt 628,76 Euro brutto erfolglos geltend.

5

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Der Anspruch ergebe sich aufgrund seiner Mitgliedschaft im Marburger Bund kraft unmittelbarer beiderseitiger Tarifbindung an den BAT nach dessen § 47 Abs. 2. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Klägers von einer rechtmäßigen Überleitung in den TVöD ausgehen würde, sei sein Anspruch nach § 21 TVöD in Höhe von 552,40 Euro begründet, so wie es die Beklagte hilfsweise berechnet habe.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 628,76 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13. April 2007 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit sei allein der speziellere TVöD anwendbar. Die Voraussetzungen der Nachfolgeregelung des § 47 Abs. 2 BAT in § 21 TVöD seien nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe im Oktober 2005 noch keinen vollen Kalendermonat bestanden. Arbeitsverhältnisse iSd. § 21 TVöD seien nur solche unter der Geltung des betreffenden Tarifvertrages. Beschäftigungszeiträume vor dem 1. Oktober 2005 blieben daher unberücksichtigt.

8

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Kläger hat nach gerichtlichem Hinweis des Senats weiter vorgetragen, er habe neben dem Schreiben des Marburger Bundes vom 6. Februar 2007 bereits mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 und mit einer weiteren E-Mail vom 31. Januar 2006 seine Ansprüche schriftlich geltend gemacht. Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Januar 2010 an den Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gerichtet. Der Zehnte Senat hat mit Beschluss vom 23. Juni 2010 (- 10 AS 3/10 -) über die Anfrage des erkennenden Senats entschieden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Kläger den Aufschlag zum Urlaubsentgelt nach § 47 Abs. 2 BAT zu Recht zugesprochen. Der zwischen den Parteien im Streitzeitraum unmittelbar und zwingend geltende BAT wird nicht durch den TVöD nach dem Grundsatz der Tarifeinheit aufgrund einer bei der Beklagten bestehenden Tarifpluralität verdrängt.

10

I. Der Kläger kann kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien an den BAT gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für den in Anspruch genommenen Erholungsurlaub einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT in der geforderten und zwischen den Parteien für den Fall der Geltung des BAT nicht umstrittenen Höhe von insgesamt 628,76 Euro brutto verlangen.

11

Für das Arbeitsverhältnis galt der BAT unmittelbar und zwingend nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, da der Kläger im Streitzeitraum Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte Mitglied im KAV war. Für die elf in Anspruch genommenen Urlaubstage ergibt dies nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT den eingeklagten Betrag. Nach den durch das Landesarbeitsgericht gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG in Bezug genommenen Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte dem Kläger im Kalenderjahr 2005 bis einschließlich des Monats September einen Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 Unterabschnitt 1 BAT auf Grundlage des Kalenderjahres 2004(vgl. BAG 13. Februar 1996 - 9 AZR 798/93 - AP BAT § 47 Nr. 19) in Höhe von 57,16 Euro brutto je Urlaubstag gezahlt.

12

II. Der für die Mitglieder des Marburger Bundes bis zum 31. Dezember 2005 nach wie vor geltende BAT wird nicht nach dem sogenannten Grundsatz der Tarifeinheit durch den am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen TVöD und aufgrund der damit bei der Beklagten eingetretenen Tarifpluralität als speziellerer Tarifvertrag verdrängt.

13

1. Im streitgegenständlichen Zeitraum bestand bei der Beklagten eine Tarifpluralität.

14

a) Tarifpluralität liegt vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge für Arbeitsverhältnisse derselben Art erfasst wird, an die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeitnehmer je nach Tarifgebundenheit nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet(etwa BAG 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330; s. auch BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4).

15

In einem solchen Fall ist nach der genannten Rechtsprechung die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und die „potentielle Möglichkeit“ ausreichend, dass ein der vertragsschließenden Gewerkschaft angehörender Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist(BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 24. Januar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; s. auch BAG 24. September 1975 - 4 AZR 471/74 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; 29. November 1978 - 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

16

b) Danach bestand bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Tarifpluralität. Die Beklagte war aufgrund ihrer Mitgliedschaft im KAV nach § 3 Abs. 1 TVG sowohl unmittelbar an den zwischen der VKA und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen TVöD/VKA gebunden als auch an den zwischen der VKA und dem Marburger Bund geschlossenen, im Streitzeitraum zwischen Oktober und Dezember 2005 im Verhältnis zwischen den Prozessparteien noch vollwirksamen BAT. Dass der persönliche Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA nicht alle Arbeitnehmer bei der Beklagten erfasst, ist für das Vorliegen einer Tarifpluralität unerheblich(vgl. etwa BAG 26. Januar 1994 - 10 AZR 611/92 - zu II 4 d der Gründe, BAGE 75, 298). Ob bei der Beklagten ein beschäftigter Arbeitnehmer aufgrund einer Mitgliedschaft in den Gewerkschaften, die den TVöD/VKA geschlossen haben, unmittelbar tarifgebunden ist, ist nach der dargestellten Rechtsprechung (unter a) ohne Bedeutung.

17

2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats steht einer Tarifpluralität entgegen, dass nach dem Grundsatz der Tarifeinheit in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag Anwendung finden soll. Deshalb sei eine Tarifpluralität im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an verschiedene Tarifverträge - sei es aufgrund Allgemeinverbindlichkeit, sei es kraft Organisationszugehörigkeit - in aller Regel dahin aufzulösen, dass nach dem Grundsatz der Spezialität der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehende und deshalb den Eigenarten und Erfordernissen des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten Rechnung tragende Tarifvertrag den anderen Tarifvertrag verdrängt(ausf. BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330, 337; weiterhin BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5). Der Grundsatz der Tarifeinheit besage, „dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist“ (so erstmals BAG 29. März 1957 - 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 40, allerdings im Hinblick auf die Auflösung einer Tarifkonkurrenz; nachfolgend BAG 19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6; den Grundsatz der Tarifeinheit im Hinblick auf die Situation einer Tarifkonkurrenz erwähnt auch BAG 22. Februar 1957 - 1 AZR 536/55 - BAGE 3, 351; s. weiterhin BAG 29. November 1978 4 AZR 304/77 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 2).

18

Der Vierte Senat(s. dazu BAG 14. Juni 1989 - 4 AZR 200/89 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 4; 5. September 1990 - 4 AZR 59/90 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 19 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 5; 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hat den Grundsatz der Tarifeinheit im Wesentlichen - wenn auch mit Nuancen in den einzelnen Entscheidungen - damit begründet, dass dieses letztlich auf dem Ordnungsgedanken beruhende Prinzip zwar im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden habe; der Grundsatz folge aber aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Das Tarifvertragsgesetz enthalte keine Regelungen für diesen Fall, weshalb eine Regelungslücke bestehe. Bei dem Grundsatz der Tarifeinheit handele es sich um ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip. Die Gewerkschaft des spezielleren Tarifvertrages könne wegen der größeren Sachnähe das stärkere Recht für sich in Anspruch nehmen. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge nebeneinander führe zu rechtlichen und tatsächlichen Unzuträglichkeiten, die durch den Grundsatz der Tarifeinheit vermieden würden. Der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages ermögliche „eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung“. Zudem werde die problematische, rein tatsächlich auch nicht immer durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages (§ 3 Abs. 1 und 2 TVG) vermieden.

19

Die Folgen der Verdrängung eines allgemeineren Tarifvertrages mit dem vollständigen Verlust des Tarifschutzes der hieran gebundenen Arbeitnehmer sei im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinzunehmen. Die betroffenen Arbeitnehmer könnten durch den Beitritt zu der anderen Gewerkschaft tariflichen Schutz erlangen. Die Situation unterscheide sich nicht von der nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG, der bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausschließe und insoweit auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erfasse. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schütze nur den Kernbereich des Tarifvertragssystems. Die Verdrängung eines Tarifvertrages berühre diesen nicht. Schließlich könne die betroffene Koalition einen noch spezielleren Tarifvertrag abschließen, für ihn werben und sich entsprechend betätigen.

20

3. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur überwiegend auf Ablehnung gestoßen(aus der Kommentarliteratur ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 85; ErfK/Franzen § 4 TVG Rn. 71; DFL/Krebber 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 55 ff.; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 132 ff.; Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 271 ff.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 156 ff.; Däubler/Zwanziger TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 940 ff.; weiterhin Wiedemann Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11; ders. Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12; Konzen RdA 1978, 146 ff.; Müller NZA 1989, 449, 451 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Kraft RdA 1992, 161 ff.; Vogg Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 7; Hohenstatt DB 1992, 1678 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reuter JuS 1992, 105 ff.; Salje SAE 1993, 79 ff.; Loritz ZTR 1993, 91, 98; Merten BB 1993, 572 ff.; Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 399, 402 ff.; Fenn FS Kissel 1994 S. 213 ff.; Reichold SAE 1995, 21 ff.; Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9; Kohte SAE 1996, 14 ff.; Däubler NZA 1996, 225, 230; B. Gaul NZA 1998, 9, 15; Hanau RdA 1998, 65, 69 f.; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 334 ff.; ders. in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 7 Rn. 228 ff.; ders. NZA 2008, 325 ff.; ders. FS Buchner 2009 S. 343, 343 f.; Waas Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität 1999 S. 123 ff., 133 ff.; Wendeling-Schröder Anm. zu LAG Niedersachsen 12. November 1999 - 3 Sa 780/99 - LAGE TVG § 4 Tarifpluralität Nr. 3; Franzen RdA 2001, 1, 7 f.; Band Tarifkonkurrenz, Tarifpluralität und der Grundsatz der Tarifeinheit 2003 S. 84 ff., 119 ff.; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 370 ff.; ders. BB 2005, 2633, 2639 f.; s. auch ders. NZA 2006, 642, 644 f.; Lindemann/Simon BB 2006, 1852, 1855 ff.; Harwart Tarifkollision S. 318 ff.; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; ders. in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 146 ff.; Lautenschläger Der Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität nach dem Employment Relations Act 1999, 2009 S. 32 ff.; Zachert Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66; Franzen ZfA 2009, 297, 305 ff.; Niebeling/Gründel NZA 2009, 1003 ff.; Deinert NZA 2009, 1176 ff.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 535 ff.; Brecht-Heitzmann Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 503, 505 ff.; Braun ArbRB 2010, 115 ff.; kritisch auch Schaub BB 1995, 2003, 2005; Friedrich FS Schaub 1998 S. 183, 203; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Greiner Rechtsfragen der Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfpluralität 2010 S. 302 ff., 337 ff.; jedenfalls bei sogenannter gewillkürter Tarifpluralität kritisch Bayreuther in Lehmann Tarifverträge der Zukunft 2008 S. 130, 140 f.; ders. NZA 2007, 187 ff.; Schubert FS Wendeling-Schröder 2009 S. 59, 76 f.; Schliemann Beil. zu NZA 24/2000 S. 24, 32; ders. FS Hromadka 2008 S. 359, 369 ff.; für Tarifverträge zwischen Gewerkschaften, die nicht sämtlich dem Deutschen Gewerkschaftsbund angehören abl. auch HWK/Henssler 4. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.; den Grundsatz der Tarifeinheit bei Tarifpluralität dagegen befürwortend Säcker/Oetker ZfA 1993, 1 ff.; Heinze/Ricken ZfA 2001, 159 ff.; Buchner BB 2003, 2121, 2122 ff.; kritisch noch ders. RdA 1997, 259, 267; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383 ff.; weiterhin Meyer DB 2006, 1271 ff.; Wallisch FS Löwisch 2007 S. 429 ff., Feudner RdA 2008, 104 ff. ; Kempen FS Hromadka 2008 S. 177, 182 ff.; anders noch ders. NZA 2003, 415, 417; Giesen NZA 2009, 11 ff.; Koch Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes 1994 Rn. 203 ff.; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 ff.; Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687 ff.; wohl auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1 S. 13, 26; für eine Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Mehrheitsprinzip statt nach dem Spezialitätsprinzip Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58 ff.).

21

4. Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu Gunsten des spezielleren Tarifvertrages im Falle einer unmittelbaren Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG auf. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG),gelten nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar und zwingend. Diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene, auf das einzelne Arbeitsverhältnis bezogene Bindung wird nicht dadurch verdrängt, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag für Arbeitsverhältnisse derselben Art gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse im Falle einer Tarifgebundenheit eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag. Eine solche aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG eingetretene Tarifpluralität kann für die genannten Rechtsnormen nicht nach dem Grundsatz der Tarifeinheit dahingehend aufgelöst werden, dass hinsichtlich dieser Normen nur ein Tarifvertrag „für den Betrieb“ gilt. Ein solcher Rechtsgrundsatz besteht nicht. Eine Verdrängung der nach § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen geltenden tariflichen Normen ist weder aufgrund praktischer Schwierigkeiten noch wegen einer sonst erforderlichen Abgrenzung von Inhalts- und Betriebsnormen geboten. Die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung tariflicher Normen führt, sind vorliegend nicht gegeben. Die Verdrängung eines Tarifvertrages ist auch mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Ob es sich bei dem TVöD um einen gegenüber dem BAT spezielleren Tarifvertrag handelt, wie die Beklagte meint, kann deshalb dahinstehen.

22

a) Das Tarifvertragsgesetz ordnet in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG die unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen eines Tarifvertrages im Arbeitsverhältnis beiderseits Tarifgebundener an. Sofern der Tarifvertrag von tariffähigen Koalitionen im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit geschlossen wurde, entfalten die Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen(§ 1 Abs. 1 TVG), unmittelbare und zwingende Wirkung zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Die Bindung eines Arbeitsverhältnisses an einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG beruht dabei auf privatautonomen Entscheidungen. Der Inhalt und die gesetzlich angeordnete Wirkungsweise des Tarifvertrages erlangen Legitimation durch die freie Entscheidung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Mitglied einer Koalition zu werden (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 140/01 - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 102, 65). Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist kollektiv ausgeübte Privatautonomie (BAG 18. Juli 2006 - 1 ABR 36/05 - Rn. 55, BAGE 119, 103; 27. November 2002 - 7 AZR 414/01 - zu B I 3 a der Gründe mwN, AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 1; 30. August 2000 - 4 AZR 563/99 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 95, 277; weiterhin BAG 26. August 2009 - 4 AZR 294/08 - Rn. 30). Die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder haben dadurch ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen und Regelungen zu bestimmten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geschaffen. Wer Mitglied in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist, will insbesondere an den von dieser in Tarifverträgen vereinbarten Mindestbedingungen teilhaben.

23

Der Umstand, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG an verschiedene Tarifverträge gebunden sein können, hindert die unmittelbare und zwingende Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG nicht. Damit ist es nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertragsgesetzes möglich, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379). Tarifpluralität ist im System des Tarifvertragsgesetzes angelegt (s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 375 f.; Konzen RdA 1978, 146, 150; Kraft RdA 1992, 161, 166).

24

b) Eine Rechtsgrundlage, die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge einer Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien auszuschließen, obwohl deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen, besteht nicht.

25

aa) Der Grundsatz der Tarifeinheit, für den weder eine ausdrückliche noch eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsgrundlage besteht(anders nur Heinze/Ricken ZfA 2001, 159, 174  ff.), kann nicht auf übergeordnete Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gestützt werden (so schon Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; s. auch Kraft RdA 1992, 162, 166; Konzen RdA 1978, 146, 150 ff.; Reuter JuS 1992, 105 ff.). Rechtsprinzipien sind leitende Gedanken einer möglichen oder bestehenden rechtlichen Regelung, jedoch nicht die positive Regelung selbst. Ihnen fehlt die der Anwendung auf den Einzelfall fähige Norm mit bestimmtem Tatbestand und bestimmter Rechtsfolge (Bydlinski Juristische Methodenlehre 1982 S. 132; Esser Grundsatz und Norm in der richterlichen Rechtsfortbildung des Privatrechts Neuauflage 1970 S. 20, 259 ff.; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 ff.; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Kraft RdA 1991, 161, 166; alle mwN). Sie können deshalb eine rechtliche Regelung nicht unmittelbar außer Kraft setzen.

26

bb) Darüber hinaus handelt der dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zuzuordnende Grundsatz der Rechtssicherheit von der Klarheit und Bestimmtheit der Normen, und das Prinzip der Rechtsklarheit davon, dass den Normunterworfenen die auf sie und ihr Verhalten anzuwendenden Regeln so klar, bestimmt und eindeutig vor Augen geführt werden, dass sie disponieren können(BVerfG 12. Januar 1967 - 1 BvR 169/63 - zu C III 1 a der Gründe, BVerfGE 21, 73; weiterhin BVerfG 19. Februar 1962 - 2 BvR 650/60 - zu II 2 a der Gründe, BVerfGE 14, 13; 14. Februar 1978 - 2 BvR 406/77 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 47, 239). Es geht bei beiden Prinzipien nicht um die praktischen Auswirkungen der Anwendung von Normen, wie sie die Befürworter des Grundsatzes der Tarifeinheit vor Augen haben.

27

cc) Hinzu kommt, dass Rechtsklarheit und Rechtssicherheit durch die Auflösung einer Tarifpluralität häufig nicht erreicht werden können. Bis zur rechtskräftigen Klärung, welcher „speziellere“ Tarifvertrag im Betrieb gilt(zu den unterschiedlichen Maßstäben anlässlich der Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Bahn AG im Jahre 2007 s. nur die Nw. bei Franzen ZfA 2009, 297, 306, Fn. 53), bestehen Unsicherheiten über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 230 f.; Reuter JuS 1992, 105, 106 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 164; ebenso Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 390 f.; Franzen ZfA 2009, 297, 306).

28

c) Die Verdrängung bestehender Tarifverträge im Falle einer Tarifpluralität, an die die Arbeitsvertragsparteien nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar gebunden sind, kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch einen Grundsatz der Tarifeinheit begründet werden. Es besteht nicht die hierfür notwendige planwidrige Lücke im Gesetz. Die durch den Grundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen(dazu BVerfG 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485/80 und 486/80 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 65, 182) stehen einer solchen Rechtsfortbildung entgegen.

29

aa) Eine planwidrige Gesetzeslücke liegt nicht schon dann vor, wenn ein Sachverhalt nicht geregelt ist. Vielmehr ist erforderlich, dass für den mit dem Gesetz verfolgten Zweck - den „gesetzgeberischen Plan“ - eine Regelung erforderlich wäre, diese aber nicht getroffen wurde(s. nur Fenn FS Kissel 1994 S. 213, 229). Ein eventuelles rechtspolitisches Versäumnis des Gesetzgebers begründet keine der Rechtsfortbildung zugängliche Regelungslücke. Maßgebend ist dabei, ob das Gesetz nach seiner eigenen Regelungsabsicht tatsächlich unvollständig ist oder ob die in ihm getroffene Entscheidung nur rechtspolitisch kritisiert werden kann (s. nur Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft S. 192 ff., 195).

30

bb) Nach diesen Maßstäben weist das Tarifvertragsgesetz keine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Anwendbarkeit mehrerer in einem Betrieb nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifverträge auf, soweit die einzelnen Arbeitsverhältnisse jeweils nur einem Tarifvertrag unterliegen.

31

(1) Eine Lücke im Tarifvertragsgesetz lässt sich nicht anhand der Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes begründen(statt vieler Franzen ZfA 2009, 297, 305; Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 736; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; sowie ausf. Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 64 ff.) . Die Annahme, der Gesetzgeber habe eine Tarifpluralität wegen der Entwicklung der Gewerkschaften zu Einheitsgewerkschaften als nicht regelungsbedürftig angesehen und eine abweichende Entwicklung nicht gesehen (so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff.; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 386; s. auch Oetker NZA 2010 Beil. Nr. 1, S. 13, 26), weshalb man nicht davon ausgehen könne, er habe eine Tarifpluralität durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG „abgesegnet“(Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8), lässt sich auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertragsgesetzes nicht stützen.

32

Der „Stuttgarter Entwurf“ des Arbeitsrechtsausschusses des Länderrates vom Juli 1948 kann entgegen der früheren Senatsrechtsprechung(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) hierzu nicht herangezogen werden. Soweit dieser in § 8 eine Kollisionsregel für den Fall vorgeschlagen hatte, dass „ein Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge fällt“(Materialien zur Entstehung des TVG abgedruckt in ZfA 1973, 129 ff.), behandelt er eine Tarifkonkurrenz. Die im Verlauf der Gesetzgebung getroffene Erwägung, eine nähere Ausgestaltung der Konkurrenzproblematik der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen, bezieht sich auf diese Tarifkonkurrenz und gerade nicht auf die der Rechtsprechung und Wissenschaft schon damals bekannte (dazu ausf. etwa Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 376 f.; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 159) Frage der Tarifpluralität (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 378 f.; Franzen ZfA 2009, 296, 305; Jacobs aaO S. 374 ff. mwN in Fn. 250; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20).

33

Der historische Gesetzgeber ist auch nicht davon ausgegangen, dass eine Tarifpluralität im Betrieb ohnehin nicht eintreten werde, weil sie durch das „Ordnungsprinzip der Gewerkschaften“ ausgeschlossen sei(so Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 7 ff., 9). Dem steht schon entgegen, dass die DAG bereits im Jahre 1945 gegründet worden war, der Deutsche Gewerkschaftsbund aber erst am 13. Oktober 1949, mithin mehr als ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des TVG. Damit war das angeführte Ordnungsprinzip der Gewerkschaften bereits auf die Möglichkeit von Tarifpluralität angelegt (vgl. zB Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371).

34

(2) Auch die gesetzliche Systematik spricht gegen die Annahme einer Gesetzeslücke. Das folgt auch aus § 3 Abs. 2 TVG, selbst wenn man der Regelung einen „(sehr verhaltenen) Hinweis auf eine Tarifeinheit im Betrieb“(so Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379) entnehmen wollte. § 3 Abs. 2 TVG spricht gerade dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, Individualnormen aus unterschiedlichen Tarifverträgen fänden in einem Betrieb nebeneinander Anwendung. Denn nur dann ist es erforderlich, für die Betriebsnormen, bei denen es eine fortbestehende Tarifpluralität nicht geben kann, eine notwendig betriebseinheitliche Regelung vorzusehen (s. nur Franzen ZfA 2009, 297, 305). Gleiches gilt für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen nach § 3 Abs. 2 TVG(Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 379; Kraft FS Zöllner 1998 S. 831, 836; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 538; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 688 ).

35

(3) Schließlich hat der Gesetzgeber an dieser Unterscheidung zwischen Individualnormen iSd. § 1, § 3 Abs. 1 TVG und Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen nach § 3 Abs. 2 TVG bei den zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Tarifvertragsgesetzes(idF der Bekanntmachung vom 25. August 1969 [BGBl. I S. 1323], zuletzt geändert Artikel 223 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2407]) festgehalten, weshalb auch nicht von einer sekundären oder nachträglichen Gesetzeslücke ausgegangen werden kann (s. nur Franzen ZfA 2009, 279, 306; aA Hromadka NZA 2008, 384, 385 f., 389; Oetker NZA 2010 Beil. 1, S. 13, 26; Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 8 f.).

36

(4) Der Gesetzgeber geht zudem, wie § 613a Abs. 1 BGB zeigt, davon aus, dass zwei verschiedene Tarifverträge im Betrieb Anwendung finden können. Die Ablösung der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierten Regelungen(dazu BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 61 ff., EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110)erfordert die kongruente Tarifgebundenheit beider Arbeitsvertragsparteien. Danach kann es durch einen Betriebsübergang zu verschiedenen im Betrieb anwendbaren Tarifverträgen kommen. Ein Ordnungsprinzip der betrieblichen Tarifeinheit steht dem nicht entgegen (BAG 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - zu B I 2 b ee [5] der Gründe, BAGE 97, 107). Die Existenz parallel anwendbarer tarifvertraglicher Regelungswerke in einem Betrieb wird dadurch anerkannt (s. dazu auch Kohte SAE 1996, 14, 17: Koexistenz als „gesetzliches Leitbild“; ähnlich Kania DB 1996, 1921, 1923).

37

d) Die Auflösung einer Tarifpluralität durch den Grundsatz der Tarifeinheit ist nicht im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung möglich. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor.

38

aa) Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Umstände zu den Aufgaben der Dritten Gewalt(BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, BVerfGE 96, 375), die nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO dem Bundesarbeitsgericht zugewiesen ist. Die Befugnis zur Rechtsfortbildung besteht jedoch nicht schrankenlos, sondern wird durch Art. 20 Abs. 2 und 3 GG begrenzt. Mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und Gesetzesbindung wäre es nicht vereinbar, wenn sich die Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begäben, also objektiv betrachtet sich der Bindung an Gesetz und Recht entzögen (BVerfG 3. November 1992 - 1 BvR 1243/88 - zu B II 2 b der Gründe, BVerfGE 87, 273, 279 ff.). Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung setzt deshalb voraus, dass das Gesetz lückenhaft ist, wobei sich die Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung nicht wie bei der Analogie am Plan des Gesetzes selbst, sondern an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung misst (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, BVerfGE 34, 269). Diese kann sich aus der Verfassung, insbesondere den Grundrechten (BVerfG 12. November 1997 - 1 BvR 479/92, 307/94 - zu B I 2 a der Gründe, aaO) oder einem unabweisbaren Bedürfnis des Rechtsverkehrs ergeben (etwa BGH 14. Dezember 2006 - IX ZR 92/05 - zu II 2 c bb [1] der Gründe, BGHZ 170, 187). Es muss einsichtig gemacht werden können, dass das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem zu lösen, nicht mehr erfüllt (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe mwN, aaO). Fragen der Zweckmäßigkeit, insbesondere der Praktikabilität, können eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung grundsätzlich nicht begründen (BAG 12. November 1992 - 8 AZR 157/92 - zu I 2 der Gründe, BAGE 71, 355).

39

bb) Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht vor.

40

(1) Die für den Grundsatz der Tarifeinheit angeführten „unüberwindlichen praktischen Probleme“(Zusammenstellung der verschiedenen verwendeten Begrifflichkeiten etwa bei Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 393 f. mwN in Fn. 364 ff.) bei der Anwendung verschiedener Tarifverträge im Betrieb können die Verdrängung geltender Tarifnormen nicht begründen. Sie bestehen teilweise nicht oder sind - ggfl. durch die Rechtsprechung - zu lösen.

41

(a) Dabei ist schon fraglich, ob die Anwendung von verschiedenen Tarifverträgen in einem Betrieb auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts wie etwa der elektronischen Datenverarbeitung bei der Anwendbarkeit der unterschiedlichen Rechtsnormen zu größeren Problemen bei der betrieblichen Durchführung der Bestimmungen führt(s. nur Bayreuther NZA 2007, 187, 188 ff.; Meyer DB 2006, 1271, 1272; Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 283, 287; Reichold RdA 2007, 321, 325; anders Buchner BB 2003, 2121, 2122). Solche werden auch vorliegend von der Beklagten weder angeführt noch sind sie sonst ersichtlich.

42

(b) Selbst wenn man bei Aufrechterhaltung einer Tarifpluralität generell von Anwendungs- und Durchführungsproblemen für den Arbeitgeber ausgehen wollte, können diese keine Grundlage für eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung sein. Schwierigkeiten bei der Anwendung einer Norm rechtfertigen nicht deren Derogation(BAG 10. März 1987 - 8 AZR 146/84 - zu I 7 a der Gründe, BAGE 54, 232, 240; 26. Januar 1993 - 1 AZR 303/92 - zu II 2 b ee der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 102 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 109). Auch reichen Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein nicht aus (Kraft RdA 1992, 161, 166; Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277 ). Eine zweckmäßigere Handhabung vermag auch kein unabweisbares Verkehrsbedürfnis zu begründen.

43

(c) Ebenso kann die angeführte „tatsächlich auch nicht durchzuführende Abgrenzung zwischen Inhalts- und Betriebsnormen eines Tarifvertrages“(BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 67, 330) nicht zur Verdrängung tariflicher Regelungen herangezogen werden.

44

Die Trennung der beiden Normbereiche ist in § 3 TVG gesetzlich vorgesehen. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, diese differenzierende gesetzliche Vorschrift anzuwenden(Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 160; Merten BB 1993, 572, 574). Diese wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch wahrgenommen (vgl. etwa 27. April 1988 - 7 AZR 593/87 - zu I 3 b der Gründe, BAGE 58, 183; 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V der Gründe, BAGE 64, 368). Ein Tarifvertrag kann stets Inhaltsnormen, betriebliche Normen und betriebsverfassungsrechtliche Normen enthalten. Aufgrund der unterschiedlichen Bindungswirkung nach § 3 Abs. 1 TVG und § 3 Abs. 2 TVG(dazu BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V 2 a der Gründe, aaO) ist für jede Tarifnorm getrennt zu prüfen, um welche Art von Norm es sich handelt (BAG 21. Januar 1987 - 4 AZR 486/86 - AP GG Art. 9 Nr. 46). Das gilt schon für Betriebe, in denen der Arbeitgeber nur an einen Tarifvertrag gebunden ist. Auch dann muss aufgrund der unterschiedlichen Gebundenheit nach § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 TVG festgestellt werden, welche Art von tariflicher Regelung vorliegt. Das Erfordernis würde in gleicher Weise im Falle eines nach dem Grundsatz der Tarifeinheit verdrängten Tarifvertrages bestehen, weil für die an ihn gebundenen Arbeitnehmer festgestellt werden müsste, welche Betriebs- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen des anderen Tarifvertrages im Verhältnis zu ihnen normativ gelten und welche Normen dieses Tarifvertrages, weil es sich um Inhaltsnormen handelt, nicht ohne Weiteres.

45

(2) Die unzulässige Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Einstellung(dazu BAG 2. Juni 1987 - 1 AZR 651/85 - BAGE 54, 353; 28. März 2000 - 1 ABR 16/99 - BAGE 94, 169) führt im Falle einer Tarifpluralität nicht zu „tatsächlichen Unzuträglichkeiten“.

46

Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ist stets von Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer tarifliche Leistungspflichten des Arbeitgebers kraft unmittelbarer Tarifgeltung beansprucht(s. nur Wank Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 9). Auch im Falle der Auflösung der Tarifpluralität durch Verdrängung eines Tarifvertrages wäre zu ermitteln, wer an den spezielleren Tarifvertrag gebunden ist (Wiedemann/Arnold ZTR 1994, 443, 445). Selbst wenn man trotz des Schutzes durch § 612a BGB(dazu Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20)eine Offenbarungspflicht im laufenden Arbeitsverhältnis nicht anerkennt, bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, zunächst nur diejenigen Leistungen zu erbringen, die den Nicht- oder Andersorganisierten zustehen (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277; Wendeling-Schröder in Kempen/Zachert TVG § 4 Rn. 162; Danne SAE 1998, 111, 115; Bayreuther BB 2005, 2633, 2640 m. Fn. 68). Im Streitfalle ist der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen gehalten, seine Tarifgebundenheit darzulegen und ggf. zu beweisen, wenn er tarifvertragliche Rechte geltend macht (s. nur jüngst Nebeling/Gründel NZA 2009, 1003, 1004). Nichts anderes gilt im Übrigen im Recht der schwerbehinderten Menschen. Soweit dort einschlägige Rechte oder Ansprüche geltend gemacht werden, sind auch in diesem Rechtsbereich keine Unzuträglichkeiten angemahnt worden ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 407).

47

(3) Der Grundsatz der Tarifeinheit in Fällen einer Tarifpluralität kann als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nicht deshalb gerechtfertigt werden, weil sonst durch drohende „ständige kaum sinnvoll handhabbare Tarifauseinandersetzungen und ständige Streiks mit verheerenden Auswirkungen“(Hromadka NZA 2008, 383, 387) eine Funktionsunfähigkeit des Tarifvertragssystems eintrete. Allein ein als möglich angesehener „Überbietungswettbewerb“ der Gewerkschaften oder Funktionsverlust der Friedenspflicht bei nicht abgestimmten Tarifverhandlungen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005, S. 384, 388; ähnlich Meyer DB 2006, 1271, 1272 f.; ders. NZA 2006, 1387, 1390; Otto FS Konzen 2006 S. 663 ff.; s. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Jahresgutachten 2007/2008 [2007] S. 36 ff.) oder eine befürchtete Vervielfachung von Arbeitskämpfen (Giesen NZA 2009, 11, 15 f., 17; s. auch Feudner RdA 2008, 104, 105) sind keine hinreichenden Gesichtspunkte, die die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung legitimieren könnten.

48

(a) Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich Anhaltspunkte für einen Funktionsverlust des Tarifvertragssystems aus den vorgebrachten Besorgnissen gefolgert werden können, handelt es sich hierbei um Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts, nicht aber um solche des Tarifrechts zur Auflösung einer möglichen Tarifpluralität.

49

Der Arbeitskampf gehört zu den verfassungsrechtlich geschützten Mitteln, weil von ihm die Verfolgung eines wesentlichen Koalitionszwecks, der Abschluss von Tarifverträgen, abhängt. Arbeitskampfmaßnahmen werden jedenfalls insoweit vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit geschützt, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Schon aufgrund dieser Funktionsbezogenheit des Arbeitskampfrechts folgt nicht das Tarifrecht dem Arbeitskampfrecht, sondern vielmehr das Arbeitskampfrecht dem Tarifrecht (ebenso Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540; Deinert NZA 2009, 1176, 1182 mwN in Fn. 101; Franzen ZfA 2009, 297, 311; wohl auch Bayreuther NZA 2008, 12, 15 ff.). Etwaige Rechtsfragen des Arbeitskampfrechts infolge einer bestehenden Tarifpluralität sind in diesem Rechtsbereich zu lösen (s. im hiesigen Zusammenhang etwa die Beiträge von Bayreuther NZA 2008, 12 ff.; Giesen NZA 2009, 11, 14 ff.; Hirdina NZA 2009, 997 ff.; Jacobs FS Buchner 2009 S. 342 ff.; Meyer FS Adomeit 2008 S. 459 ff.; von Steinau-Steinrück/Glanz NZA 2009, 113 ff.). Sie sind nicht geeignet, die Auflösung einer Tarifpluralität durch Verdrängung der Regelungen eines vollwirksamen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu rechtfertigen.

50

Deshalb muss der Senat vorliegend auch nicht darüber befinden, ob die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit überhaupt geeignet wäre, die angeführten Szenarien zu verhindern oder ob er nicht vielmehr zunächst einmal Tarifpluralität, also den Abschluss mehrerer Tarifverträge über denselben Regelungsgegenstand, gerade voraussetzt(so BAG 14. Dezember 2004 - 1 ABR 51/03 - Rn. 63, BAGE 113, 82; s. auch BAG 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 67, 330, wonach es der Koalition unbenommen ist, sich um den Abschluss eines spezielleren, den konkurrierenden Tarifvertrag verdrängenden Tarifvertrages zu bemühen). Es kann weiterhin dahinstehen, ob einer konkurrierenden Koalition im Hinblick auf das nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Grundrecht der kollektiven Koalitionsfreiheit die Befugnis zur im Zweifel kampfweisen Durchsetzung eines Tarifvertrages tatsächlich abgesprochen werden kann(ablehnend Bayreuther NZA 2006, 642, 646 f.; Deinert NZA 2009, 1176, 1180 f., 1182; Franzen ZfA 2009, 297, 311 mwN in Fn. 78; Jacobs NZA 2008, 325, 329; deutlich Reichold RdA 2007, 321, 327: „waghalsige, dogmatisch mehrfach unschlüssige Konstruktion“; s. auch die Fallgestaltung in BAG 26. Oktober 1971 - 1 AZR 113/68 - zu A II 3 b der Gründe, BAGE 23, 484).

51

(b) Es ist derzeit auch nicht ersichtlich, dass das geltende Tarifvertragssystem seine Funktion im Falle von Tarifpluralitäten, zu denen es tatsächlich schon gekommen ist und die auch tatsächlich praktiziert werden, nicht mehr wahrnehmen kann, so dass eine Rechtsfortbildung nach den genannten Grundsätzen vorliegend auch deshalb ausscheidet.

52

e) Ungeachtet der fehlenden Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung, die zur Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit führen könnte, wäre eine solche mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG auch nicht zu vereinbaren.

53

aa) Die in den Entscheidungen des Senats zur Begründung des Grundsatzes der Tarifeinheit vertretene Auffassung einer Beschränkung des Grundrechtsschutzes der Koalition durch Art. 9 Abs. 3 GG auf einen „Kernbereich des Tarifvertragssystems“(oben unter 2 mwN) kann nicht mehr herangezogen werden. Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich solcher koalitionsgemäßer Betätigungen beschränkt, die für die Erreichung des Koalitionszwecks unerlässlich sind. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (grdl. BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe, BVerfGE 93, 352; weiterhin BVerfG 24. Februar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b aa der Gründe, BVerfGE 100, 214; 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ; 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 39, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96; 18. März 2009 -  4 AZR 64/08 - Rn. 117, AP TVG § 3 Nr. 41 = EzA GG Art. 9 Nr. 98; 28. Februar 2006 - 1 AZR 460/04 - Rn. 40, BAGE 117, 137) . Soweit die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhängt, werden auch diese vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) . Die Koalitionen müssen ihren verfassungsrechtlich anerkannten Zweck, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern, insbesondere durch den Abschluss von Tarifverträgen erfüllen können (s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; ebenso BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 26).

54

bb) Die Verdrängung eines von einer Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt sowohl einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der tarifschließenden Gewerkschaft als auch in die individuelle Koalitionsfreiheit des an diesen gebundenen Gewerkschaftsmitglieds dar.

55

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts schützt das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG zum einen den Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Geschützt ist zum anderen auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen(s. nur BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; BAG 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 123, 134). Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365; 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03 ua. - zu C II 3 a der Gründe, AP AEntG § 3 Nr. 2; 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe mwN, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136; BAG 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 33, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 143 ). Beim Abschluss von Tarifverträgen sollen die Gewerkschaften frei sein ( BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ). Sie können daher selbst bestimmen, mit wem, für welchen Arbeitnehmerkreis und für welche Unternehmen oder welchen Betrieb sie im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit einen Tarifvertrag abschließen möchten. Sie sind nicht auf einen Kernbereich unerlässlicher koalitionsspezifischer Maßnahmen und damit möglicherweise auf den Abschluss speziellerer Tarifverträge beschränkt.

56

In diese Grundrechtsposition der Gewerkschaften greift die Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit ein, da sie die unmittelbare und zwingende Wirkung des weniger speziellen Tarifvertrages außer Kraft setzt. Die Verdrängung eines nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltenden Tarifvertrages zur Auflösung einer Tarifpluralität nach dem Grundsatz der Tarifeinheit stellt einen Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit dar(so auch BVerfG 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 94, 268, im Falle des § 57a HRG, der die Nr. 1 und 2 SR 2y BAT außer Kraft setzte; weiterhin BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293, zur Regelung in § 10 BUrlG aF; sowie BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c aa der Gründe, BVerfGE 92, 26, zu § 21 Abs. 4 Satz 3 FlRG; BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 91, 210). Durch die Verdrängung eines geltenden Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit wird in das durch das Tarifvertragsgesetz bereits ausgestaltete Grundrecht der Koalitionsfreiheit (zur Ausgestaltung von Art. 9 Abs. 3 GG durch das TVG s. nur BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96, 106 ), von dem die Tarifvertragsparteien durch den Abschluss eines Tarifvertrages bereits Gebrauch gemacht haben, dergestalt eingegriffen, dass die konkrete Rechtsposition - die Geltung des Tarifvertrages - nur aufgrund der Koalitionsrechtsausübung einer anderen konkurrierenden Gewerkschaft wieder entzogen wird (Engels RdA 2008, 331, 334 f. mwN in Fn. 75; Burkiczak Grundgesetz und Deregulierung des Tarifvertragsrechts 2006 S. 171, 253 ff.; Franzen ZfA 2009, 297, 304, 309; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439; aA Hromadka/Schmitt-Rolfes NZA 2010, 687, 689; Hromadka NZA 2008, 384, 387; Buchner BB 2003, 2121, 2128; die lediglich eine Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit annehmen).

57

Damit wird ein von den Tarifvertragsparteien erstrittenes Verhandlungsergebnis zulasten der Gewerkschaft abgeändert und ihr Erfolg nachträglich bei einem Firmentarifvertrag ganz oder bei einem Flächentarifvertrag zumindest teilweise entwertet. Der Abschluss von Tarifverträgen für alle bei einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer ist aber zentraler Bestandteil ihrer Koalitionsfreiheit(BVerfG 10. Januar 1995 - 1 BvF 1/90 ua. - zu B II 1 c bb der Gründe, BVerfGE 92, 26). Die Entwertung dieser ihrer Koalitionsrechtsausübung kann ihre Verhandlungsposition für die Zukunft ebenso schwächen wie ihre Attraktivität, Mitglieder zu werben oder zu erhalten. Durch solche Folgen wird die Tarifautonomie beeinträchtigt (BVerfG 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - zu B 2 der Gründe, BVerfGE 103, 293). Durch die Verdrängung derjenigen tariflichen Regelungen, die gegenüber einem bereits für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag nicht spezieller sind, kann der Zugang zu einem bestimmten Betrieb, Unternehmen, uU zu einem ganzen Wirtschaftszweig versperrt werden (Wiedemann/Wank TVG § 4 Rn. 277), wodurch auch die Koalitionsbestandsgarantie betroffen werden kann. Denn die Erhaltung und der Ausbau des Mitgliederbestandes sind als bestandssichernde Maßnahmen vom Grundrecht der Koalitionsfreiheit erfasst ( BVerfG 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 93, 352 ) .

58

(2) Die Auflösung einer Tarifpluralität greift zudem in die individuelle positive Koalitionsfreiheit der Mitglieder derjenigen Gewerkschaft ein, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 442 mwN in Fn. 646; so schon Konzen RdA 1978, 145, 148: „Verkürzung des Tarifschutzes“) . Die individuelle Koalitionsfreiheit umfasst nicht nur das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen und sich für sie zu betätigen, sondern - als Hauptzweck der Mitgliedschaft - den Schutz der von der ausgewählten Koalition geschlossenen Tarifverträge in Anspruch nehmen zu können.

59

cc) Allenfalls zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen könnte die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit, obwohl ohne Gesetzesvorbehalt verbürgt, eingeschränkt werden(BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe mwN, NZA 2007, 394; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212) . Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - aaO; 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - zu B I 3 b der Gründe mwN, BVerfGE 93, 352). Die dazu erforderliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsordnung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber ( BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe mwN, BVerfGE 44, 322; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Dort, wo die gesetzlichen Vorgaben - wie etwa auf dem Gebiet des Arbeitskampfrechts - unzureichend sind oder fehlen, haben anstelle des Gesetzgebers die Gerichte für eine sachgerechte Ausgestaltung der Betätigungsfreiheit zu sorgen (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 84, 212) .

60

Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass Einschränkungen der verfassungsrechtlich garantierten Betätigungsfreiheit der Koalitionen nur dann mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar sind, wenn sie entweder dem Schutz des jeweiligen Koalitionspartners und damit gerade der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie oder dem Schutz der Grundrechte Dritter dienen oder sie durch die Rücksicht auf andere Rechte mit Verfassungsrang gerechtfertigt sind(BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 a der Gründe, aaO; 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 94, 368) .

61

dd) Der durch eine Verdrängung tariflicher Regelungen erfolgte Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit ist nach den vorgenannten Maßstäben nicht gerechtfertigt.

62

(1) Die Notwendigkeit der Auflösung einer Tarifpluralität kann nicht damit begründet werden, es handele sich bei dem Grundsatz der Tarifeinheit um einen „richtungweisenden Maßstab rechtlicher Normierung“, der vor Art. 9 Abs. 3 GG bestehen könne(Hromadka Gedächtnisschrift Heinze 2005 S. 383, 393; anders bereits Hanau/Kania Anm. AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20 ). Weiterhin kann auch nicht eine „verfassungsrechtlich anerkannte Ordnungsfunktion des Tarifwesens“ als mögliche Grundlage herangezogen werden (so aber Hanau RdA 2008, 98, 99). Weder dem Tarifvertragsgesetz noch dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG kann eine rechtlich verbindliche Vorgabe der betriebseinheitlichen Geltung von denjenigen Tarifnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, entnommen werden. Die mit dem Koalitionsgrundrecht verbundene Zielvorstellung der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ beinhaltet keine rechtlich vorgegebene Ordnung, wonach tarifliche Normen betriebseinheitlich gelten müssten, die vorliegend eine Einschränkung der grundrechtlichen Freiheiten rechtfertigen könnte. Die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen ist entsprechend der von Verfassungs wegen vorgegebenen mitgliedschaftlichen Struktur der Koalitionen nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die unmittelbar Tarifgebundenen beschränkt.

63

(a) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dem von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im einzelnen durch Tarifverträge autonom zu regeln(BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b bb der Gründe, BVerfGE 44, 322; grdl. BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96; weiterhin etwa BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 18, 18; 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1, 2 b cc der Gründe, BVerfGE 50, 290; 20. Oktober 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I der Gründe, BVerfGE 58, 233; 2. März 1993 - 1 BvR 1213/85 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 88, 103; 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365). Bei dieser Zweckverfolgung durch den Abschluss von Tarifverträgen sollen die Vereinigungen nach dem Willen des Grundgesetzes frei sein (BVerfG 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 84, 212 ).

64

Mit dem Tarifvertragsgesetz hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein gesetzlich gesichertes tarifvertragliches Regelungsverfahren in Ausgestaltung der verfassungsrechtlich abgesicherten Tarifautonomie geschaffen(so schon BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b aa der Gründe, BVerfGE 4, 96). Die Tarifvertragsparteien regeln auf dessen Grundlage (privat-)autonom, mit welchen tarifpolitischen Forderungen (dazu BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 99, BAGE 122, 134) sie für ihre Mitglieder tarifvertragliche Regelungen mit welchem Tarifvertragspartner setzen wollen und letztlich vereinbaren.

65

Dabei regelt das Tarifvertragsgesetz das Zustandekommen und die Wirkung von Tarifverträgen. Es enthält dafür - gerade anders als § 3 Abs. 2 und 3 TVG für betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Rechtsnormen eines Tarifvertrages - keine gesetzlichen Vorgaben, die auf eine bestimmte inhaltliche Ordnung des Tarifvertragssystems iSe. tarifeinheitlichen Regelung der Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen im jeweiligen Betrieb ausgerichtet sind oder eine solche gar rechtlich vorschreiben. Es kann deshalb offenbleiben, ob der einfache Gesetzgeber eine Regelung überhaupt schaffen könnte, die in einer derart weit reichenden Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit eingreift.

66

Die Ordnungsfunktion eines Tarifvertrages ist durch die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG auf die Mitglieder beschränkte Rechtssetzungsmacht der Tarifvertragsparteien begrenzt. Insoweit wird der Tarifvertrag im Hinblick auf die von ihm gesetzten Rechtsnormen - wie jeder Vertrag - seiner Ordnungsfunktion gerecht(Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 374, 393 f.; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 277 ff., 281). Eine über die Ordnung der Vertragsbeziehungen seiner Mitglieder hinausgehende Ordnungsfunktion des Tarifvertrages, namentlich in Richtung auf eine „sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens“ dergestalt, die Arbeitsverhältnisse im Betrieb einheitlich zu regeln, ist durch das Tarifvertragsgesetz rechtlich nicht vorgegeben (Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 153; Däubler in ders. [Hrsg.] TVG 2. Aufl. Rn. 81; Dieterich AuR 2001, 390, 391; ders. Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539 ff.; Jacobs aaO; Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG 4. Aufl., Einl. Rn. 99; Konzen RdA 1978, 146, 153; Koop Das Tarifvertragssystem zwischen Koalitionsmonopolismus und Koalitionspluralismus 2009 S. 283; Schliemann FS Hromadka 2008 S. 359, 371, 377 f.: „korrespondiert kein rechtlich fundierter Grundsatz“; ähnlich Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740).

67

(b) Der Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit ist auch kein verfassungsrechtliches Element der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie, welches die Verdrängung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, begründen könnte.

68

Der Annahme einer von Verfassungs wegen vorgesehenen notwendigen tarifeinheitlichen Regelung für den jeweiligen Betrieb steht bereits entgegen, dass die Koalitionsfreiheit in erster Linie als Freiheitsgrundrecht strukturiert(s. nur BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 - zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) und auf einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Koalitionen angelegt ist. Art. 9 Abs. 3 GG überlässt es den tariffähigen Koalitionen, in Ausübung ihrer kollektiven Privatautonomie im Rahmen der Verfahrensregelungen des Tarifvertragsrechts autonom durch Tarifverträge die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln. Dieses Zurücktreten des Staates zugunsten der Tarifparteien gewinnt seinen Sinn ebenso sehr aus dem Gesichtspunkt, dass die unmittelbar Betroffenen besser wissen und besser aushandeln können, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspricht, als der demokratische Gesetzgeber, wie aus dem Zusammenhang mit dem für die Gestaltung nicht öffentlich-rechtlicher Beziehungen charakteristischen Prinzip der Privatautonomie, im Grunde also der Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats (BVerfG 27. Februar 1973 - 2 BvL 27/69 - zu B II 4 a der Gründe, BVerfGE 34, 307). Dabei hat der Gesetzgeber den Koalitionen im Tarifvertragsgesetz das Mittel des Tarifvertrages an die Hand gegeben, damit sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b aa der Gründe, BVerfGE 44, 322).

69

Dies erfolgt auch im Wettbewerb mit anderen Koalitionen(BVerfG 6. Mai 1964 - 1 BvR 79/62 - zu B III 2 c der Gründe, BVerfGE 18, 18; 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 ua. - zu B II 2 c der Gründe, BVerfGE 55, 7). Zu dem durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionspluralismus gehört, dass die Koalitionen in Konkurrenz treten(BAG 31. Mai 2005 - 1 AZR 141/04 - Rn. 31, BAGE 115, 58). Dieser Wettbewerb wird auch im Rahmen der durch das Tarifvertragsgesetz ausgestalteten kollektiven Privatautonomie ausgetragen. Tarifpluralität ist deshalb Folge des verfassungsrechtlich vorgesehenen und geschützten Koalitionspluralismus (s. dazu nur Franzen ZfA 2009, 297, 307 f.; Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 539; Kraft RdA 1992, 159, 168; Konzen RdA 1978, 146, 154).

70

Der in frühen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verwendete Begriff der „sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“ steht diesem Verständnis nicht entgegen. Die sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist „einer der Zwecke des Tarifvertragssystems“(BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), nicht aber eine verfassungsrechtlich verbindliche Vorgabe, die den Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit rechtfertigen könnte. Die in Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, den von der staatlichen Rechtssetzung ausgesparten Raum des Arbeitslebens im Einzelnen durch Tarifverträge „autonom“ zu regeln(oben unter [aa] mwN). Nur insoweit dient die Koalitionsfreiheit der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens (BVerfG 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 ua. - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290; zu dieser Rechtsprechung des BVerfG s. auch Richardi FS Buchner 2008 S. 731, 739 f.). Auf welchem Wege die Koalitionen die verfassungsrechtliche Erwartung der sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen, ist im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung des Tarifvertragswesens ihnen überlassen und fordert von Verfassungs wegen keine betriebseinheitlichen Tarifregelungen.

71

(2) Soweit weiterhin angenommen wird, die „Kartellfunktion“ des Tarifvertrages und das Ziel einer „regelmäßigen Ordnung“ der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erforderten funktionell, dass am Ende des Koalitionswettbewerbs eine tarifeinheitliche Regelung für das konkrete betriebliche Arbeitsfeld bestehe(Kempen FS Hromadka 2008 S.  177, 185  ff.; s. auch ders. FS 50 Jahre BAG 2005 S. 729 f., 733; ebenso Scholz FS Buchner 2009 S.  827, 828  ff.; ähnlich Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht 2. Aufl. § 4 TVG Rn. 58b ), ist dies in dem Art. 9 Abs. 3 GG konkretisierenden Tarifvertragsgesetz für die hier ausschließlich infrage stehenden Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht geregelt. Die sogenannte Kartellfunktion, die in der Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen liegt, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, beruht als solche nicht auf einer normativen Festlegung durch das geltende Tarifvertragsrecht (Däubler in ders. [Hrsg.] TVG Rn.  83, so auch Kempen in ders./Zachert [Hrsg.] TVG Einl. I Rn.  103; Bayreuther Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie 2005 S. 145; abl. auch Dieterich Gedächtnisschrift Zachert 2009 S. 532, 540 f. ). Ein solches funktionelles Erfordernis kann aus den bereits genannten Gründen (unter [a] [bb] ) dem Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG nicht entnommen werden. Eine mögliche Kartellwirkung ergibt sich lediglich über § 4 Abs. 1 TVG auf der Ebene der an den einzelnen Tarifvertrag Gebundenen und auch hier nur hinsichtlich der Geltung von Mindestarbeitsbedingungen(§ 4 Abs. 3 TVG).

72

(3) Die angeführten Zweckmäßigkeits- oder Praktikabilitätserwägungen stellen keine mit der Koalitionsfreiheit kollidierenden Rechtsgüter des Arbeitgebers von gleichermaßen verfassungsrechtlichem Rang(zu diesem Erfordernis BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394) dar, die nach den genannten Maßstäben einen Eingriff in die individuelle und die kollektive Koalitionsfreiheit rechtfertigen können (s. nur Reichold RdA 2007, 321, 324 f.; Engels RdA 2008, 331, 335; Jacobs NZA 2008, 325, 329). Ein Ordnungsziel der betriebseinheitlichen Tarifgeltung wäre allein auf den einzelnen Betrieb bezogen und betriebswirtschaftlich ausgerichtet ( Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz 1999 S. 439 ) . Ebenso wenig können etwaige „Effizienzgewinne tarifvertraglich installierter allgemeiner Arbeitsbedingungen“ (Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 12) eine Einschränkung des Koalitionsgrundrechts begründen; allein ordnungspolitische Vorstellungen, die nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen (oben unter [3]), können eine solche nicht rechtfertigen (in diese Richtung aber Buchner BB 2003, 2121, 2127; ebenso Hromadka NZA 2008, 384, 392: „Tarifeinheit … ist geeignet, eine sinnvolle Ordnung im Betrieb herzustellen“).

73

(4) Es sind auch derzeit keine Anzeichen dafür erkennbar, dass ein solcher Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie(zu diesem Kriterium als mögliche Rechtfertigung eines Eingriffs BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 92, 365) erforderlich wäre. Soweit angeführt wird, im Falle einer Tarifpluralität könne das Tarifvertragssystem seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen (Hromadka Gedächtnisschrift Heinze S. 383, 394, unter Hinweis auf die Gefahr „ständiger Tarifverhandlungen und Streiks“, dazu oben unter dd [2] [a] [cc]; Buchner BB 2003, 2121, 2128; Feudner BB 2007, 2459, 2462; Scholz FS Buchner 2009 S. 827, 828 f.; s. auch Säcker/Oetker ZfA 1993, 1, 11: „Gemeinwohlinteresse an einem funktionierenden Tarifsystem zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens“), ohne die Funktionsunfähigkeit der Tarifautonomie näher zu begründen, wird übersehen, dass Tarifeinheit keine Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist (ErfK/Dieterich 10. Aufl. Art. 9 GG Rn. 68a; Reichold RdA 2007, 321, 324; s. auch Richardi FS Buchner 2009 S. 731, 740 ). Eine Bedrohung des Bestandes der Tarifverträge der Mehrheitsgewerkschaften, die Scholz anlässlich des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn ausmachen und daraus einen „verfassungsunmittelbaren Konflikt“ auf der Ebene der Koalitionsrechtsgarantie folgern will (FS Buchner 2009 S. 827, 829), ist rechtstatsächlich nicht erkennbar. Auch sind keine schwer überwindbaren Schwierigkeiten für die Gestaltung des Tarifrechts in Richtung auf Tarifklarheit und Rechtssicherheit erkennbar oder absehbar (dazu BVerfG 18. November 1954 - 1 BvR 629/52 - zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 4, 96), die die Verdrängung eines Tarifvertrages nach dem Grundsatz der Tarifeinheit begründen könnten.

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(5) Für eine Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Gemeinwohlbelange(dazu BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C II 2 a der Gründe, BVerfGE 92, 365) durch eine Pluralität tariflicher Regelungen im Betrieb gibt es derzeit keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.

75

ee) Schließlich ist die in den Entscheidungen zum Grundsatz der Tarifeinheit herangezogene Parallele zu § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG nicht geeignet, den Eingriff in die Koalitionsfreiheit derjenigen Arbeitnehmer (mit) zu begründen, die der Gewerkschaft angehören, die den verdrängten Tarifvertrag geschlossen hat. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bezweckt den Schutz der Tarifautonomie und setzt dabei das Rangverhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung voraus. Demgegenüber hindert der Grundsatz der Tarifeinheit die Koalitionsbetätigung im Betrieb, indem er zumindest einen Tarifvertrag verdrängt und betrifft zudem ranggleiche Regelungen. Die Vorschrift kann nicht dazu herangezogen werden, Tarifgebundene von den sie schützenden Tarifnormen auszuschließen(zB Kraft RdA 1993, 161, 168; Hanau RdA 1998, 65, 69; Merten BB 1993, 572, 575). Bei den tariflichen Regelungen iSd. § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG handelt es sich zudem häufig um Betriebs- oder Betriebsverfassungsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Bei diesen ist die gleichzeitige Geltung verschiedener tarifvertraglicher Normen, die für dasselbe Arbeitsverhältnis denselben Regelungsgegenstand betreffen (Tarifkonkurrenz), ausgeschlossen. Arbeitnehmern, die an den bei der hier notwendigen Kollisionsauflösung verdrängten Tarifvertrag gebunden sind, bleibt aufgrund der hierfür allein erforderlichen Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zumindest der Schutz des verdrängenden Tarifvertrages, auch wenn sie nicht Mitglied der hieran beteiligten Gewerkschaft sind.

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5.Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die nach alledem auch weiterhin zu Grunde zu legende Geltung des BAT kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht aufgrund der individualvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien ausgeschlossen. Selbst wenn diese sich - wie die Revision meint - nach Inkrafttreten des TVöD auf diesen erstrecken sollte, bestünde bei dem Kläger keine Tarifkonkurrenz, die zur Verdrängung des BAT führen würde. Die individualvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages führt nicht zu dessen tarifrechtlicher Geltung mit der Folge, dass seine Bestimmungen infolge einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip verdrängt werden könnten. Es handelt sich vielmehr um eine einzelvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen. Deshalb kann es auch nicht zu einer Konkurrenz kommen, weil nicht zwei Tarifverträge gleichzeitig für das Arbeitsverhältnis des Klägers Geltung beanspruchen (BAG 29.  August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 20, BAGE 124, 34, unter Aufgabe von BAG 23. März 2005 - 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186). Ist der Arbeitnehmer an einen Tarifvertrag gebunden, gilt im Verhältnis zu den vertraglichen Regelungen, auch wenn sie tarifvertragliche Bestimmungen zum Gegenstand des Arbeitsvertrages machen, das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG(s. auch BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39), im anderen Fall bleibt es bei der unmittelbaren und zwingenden Wirkung kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.

77

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 23. März 2005(- 4 AZR 203/04 - BAGE 114, 186) geltend gemacht hat, das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei vorliegend nicht anwendbar und sie habe bei Verwendung der Bezugnahmeklausel auf diese Rechtsprechung vertraut, ist dies in mehrfacher Hinsicht ohne Bedeutung. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages am 12. März 2004 auf diese erst später ergangene Entscheidung vertraut haben will. Der Senat hat in der genannten Entscheidung eine Verdrängung des Günstigkeitsprinzips zudem nur für den Fall angenommen, dass beide konkurrierenden Tarifverträge - Verbandstarifvertrag zum einen und Firmentarifvertrag zum anderen - auch vertraglich in Bezug genommen waren und von derselben Gewerkschaft geschlossen wurden (23. März 20054 AZR 203/04 - zu I 1 b cc [2] der Gründe, aaO). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Abgesehen davon reicht eine einzelne höchstgerichtliche Entscheidung nicht aus, die Gewährung von Vertrauensschutz zu begründen (BAG 29. August 2007 - 4 AZR 765/06 - Rn. 32, SAE 2008, 365).

78

III. Der Kläger hat durch die E-Mail vom 31. Januar 2006 die tarifvertragliche Ausschlussfrist nach § 70 Satz 1 BAT gewahrt. Diese genügte dem Schriftformerfordernis iSd. § 70 BAT.

79

1. Das zwischen den Parteien unstreitige Vorbringen des Klägers zur Geltendmachung seines Anspruchs konnte vom Senat berücksichtigt werden.

80

a) Zwar unterliegt nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das Parteivorbringen in Schriftsätzen und Anlagen, auf die im Berufungsurteil Bezug genommen wird. Neues tatsächliches Vorbringen ist in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Es kann aber ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn das Revisionsgericht erstmals gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf eine bisher nicht beachtete, entscheidungserhebliche Rechtslage hingewiesen hat. Die Parteien können dann an der Rechtslage ausgerichtete Tatsachen vortragen, die auch eine Sachentscheidung rechtfertigen können(BAG 9. Oktober 1973 - 1 ABR 6/73 - zu III 2 der Gründe, BAGE 25, 325; GK-ArbGG/Mikosch Stand November 2009 § 73 Rn. 81; ebenso Müller-Glöge in Germelmann ua. ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 121, für den Fall eines unstreitigen Vorbringens).

81

b) Danach konnte der Kläger ergänzend zur rechtzeitigen Geltendmachung vortragen. Die Vorinstanzen haben weder den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger zur Wahrung der Ausschlussfrist nichts vorgetragen hatte, noch ihm einen dahingehenden rechtlichen Hinweis erteilt und der Klage gleichwohl stattgegeben. Insoweit war - wie durch den Senat geschehen - den Parteien nach § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Empfang der beiden E-Mails des Klägers bestätigt.

82

2. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Urlaubsaufschlag durch seine E-Mail vom 31. Januar 2006 und damit nach Fälligkeit des Anspruchs(dazu BAG 24. Oktober 1990 - 6 AZR 37/89 - zu B V 2 der Gründe, BAGE 66, 154) geltend gemacht.

83

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Dies braucht zwar nicht wörtlich, muss jedoch hinreichend klar geschehen. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung bestehen wird(BAG 5. April 1995 - 5 AZR 961/93 - zu 2 b der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 111). Die Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und dessen Höhe, dh. der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Klarheit ersichtlich gemacht wird. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, dem Schuldner den behaupteten Anspruch so zu kennzeichnen, dass er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann und dem Gläubiger die Erhebung einer formellen Klage zunächst erspart wird. Deshalb müssen für den Arbeitgeber die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist nicht erforderlich (BAG 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 b der Gründe mwN, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136).

84

b) Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger bereits mit seiner E-Mail vom 1. Januar 2006 einen Anspruch auf Urlaubsaufschlag entsprechend den genannten Anforderungen geltend gemacht hat. Jedenfalls mit der E-Mail vom 31. Januar 2006 hat er gegenüber der Beklagten mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass er nicht nur eine bloße Überprüfung der Urlaubsabrechnung erbittet, sondern auch die Zahlung der noch ausstehenden Urlaubsvergütung von ihr erwartet.

85

aa) Mit einer E-Mail vom 1. Januar 2006 wandte sich der Kläger an die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten. Darin heißt es ua.:

        

„Zu meiner aktuellen Abrechnung bleiben … auf jeden Fall noch zwei Fragen zur Seite 7, die den Monat Oktober 2005 betrifft:

        

1.   

Wann ist mit der Auszahlung der entsprechenden Urlaubsvergütung für die 11 Urlaubstage im Zeitraum vom 15.-31.10. zu rechnen? (kann ich hier dann gleich auf die 3 Urlaubstage vom 01.11. bis 06.11. hinweisen?)

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************************

        

Dr. med H G

        

Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie

        

und operative Intensivmedizin

        

Universitätsklinikum M

        

… “

86

Die Beklagte teilte dem Kläger am 4. Januar 2006 gleichfalls durch E-Mail mit, dass seine Fragen zum Urlaubsaufschlag an den Leiter des Entgeltbereichs weitergeleitet würden. Der Kläger fragte am 31. Januar 2006 unter Verwendung der Antwortfunktion des E-Mail-Programms bei der Beklagten nach:

        

„… möchte ich kurz … nachfragen,

        

a) wann ich mit einer Rückmeldung bezüglich der im Vormonat nicht überwiesenen Urlaubsvergütung (kein Urlaubsgeld) für die 11 Urlaubstage im Zeitraum 15.-31.10.2005 … und der Überweisung des entsprechenden Betrages rechnen kann?

        

…       

        

Mit freundlichen Grüßen

        

H G

        

**********************************

        

Dr. med. H G

        

…“   

87

bb) Das ist für eine Geltendmachung zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfristen ausreichend. Grund und Höhe des Anspruchs sind dabei mit der Benennung des maßgebenden Zeitraums und der geforderten Urlaubsvergütung hinreichend deutlich bezeichnet. Die fehlende Verwendung des tariflichen Begriffs „Urlaubsaufschlag“ ist unschädlich. Der Beklagten wurde diejenige Kenntnis vermittelt, die erforderlich ist, um sich mit der Berechtigung eines bestimmten Anspruchs auseinandersetzen zu können. Da der Kläger sich auf seine im Vormonat Dezember 2005 nicht ausgezahlte Urlaubsvergütung für den Urlaub im Monat Oktober 2005 bezieht, ist erkennbar, dass sich sein Verlangen auf den im Monat Dezember fällig gewordenen Teil der Urlaubsvergütung, den nicht zur Auszahlung gelangten Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT bezieht. In diesem Sinne hat die Beklagte bereits die ähnlich lautende E-Mail des Klägers vom 1. Januar 2006 verstanden. Das zeigt ihre Antwort vom 4. Januar 2006, in der sie selbst den Urlaubsaufschlag nennt.

88

3. Die tarifliche Ausschlussfrist hat der Kläger nicht deshalb versäumt, weil er seinen entstandenen Anspruch(dazu BAG 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 13 ff., AP BAT § 70 Nr. 39)lediglich durch eine E-Mail geltend gemacht hat. Zur Wahrung der Ausschlussfrist und des Schriftlichkeitsgebots nach § 70 Satz 1 BAT bedarf es nicht der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB. Es genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB. Deren Anforderungen wird die E-Mail vom 31. Januar 2006 gerecht.

89

a) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 erfüllt nicht die Voraussetzungen, die § 126 Abs. 1 BGB an die Form einer Urkunde stellt, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist. Es bedarf dann der eigenhändigen Unterzeichnung der Urkunde durch Namensunterschrift von Seiten des Ausstellers. Daran fehlt es hier.

90

b) Der Formwirksamkeit der E-Mail nach § 70 Satz 1 BAT steht dieser Umstand allerdings nicht entgegen. Für sie genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB(ebenso LAG Düsseldorf 25. Juli 2007 - 12 Sa 944/07 -; Hessisches LAG 6. August 2009 - 14 Sa 563/09 - zu 1 der Gründe; ArbG Krefeld 31. Oktober 2005 - 5 Ca 2199/05 - m. abl. Anm. Peetz/Rose DB 2006, 2346; Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1767; wohl auch ErfK/Preis § 218 BGB Rn. 62; aA Schmitt SAE 2001, 306 f.; wie hier für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 29 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12).

91

aa) Die §§ 126 ff. BGB gelten unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte. Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist ist kein Rechtsgeschäft, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Auf eine solche sind die §§ 126 ff. BGB allenfalls analog anwendbar. Das setzt jeweils die gleiche Interessenlage wie bei Rechtsgeschäften voraus. Diese ist bei der schriftlichen Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT nur im Hinblick auf § 126b BGB gegeben.

92

(1) Die Geltendmachung im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist ist keine Willenserklärung, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung(BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 96, 28; 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139; 6. September 2001 - 8 AZR 59/01 - zu 5 b aa der Gründe, EzBAT §§ 22, 23 BAT M Nr. 91; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 1 der Gründe, BAGE 107, 304).

93

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das in § 126 BGB vorgesehene Formerfordernis trotz des offenen Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte beschränkt. Auf rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Bestimmung nicht unmittelbar anzuwenden(BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 32, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 3 der Gründe, BAGE 107, 304; 11. Juni 2002 - 1 ABR 43/01 - zu B IV 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 101, 298; 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 96, 28; Soergel/Hefermehl BGB Bd. 2 13. Aufl. § 126 Rn. 2; Gragert/Wehe NZA 2001, 311, 312; Köhler AcP 182 (1982) 126, 151; Anschütz/Kohte JR 2001, 263, 264; aA Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883; Röger NJW 2004, 1764, 1765; die jedoch alle eine Auslegung der die Schriftform anordnenden Regelung für zulässig erachten). Daran hat die Ergänzung des § 126 BGB um § 126a und § 126b BGB durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542) nichts geändert (aA Röger NJW 2004, 1764, 1765). Auch die neu eingefügten §§ 126a, 126b BGB sind vielmehr wegen des fortbestehenden Sachzusammenhangs mit den Bestimmungen über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte unmittelbar nur auf Willenserklärungen anwendbar. Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen gelten sie allenfalls entsprechend (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 33, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 127 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 12; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 27 ff., AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11; vgl. dagegen BGH 14. März 2006 - VI ZR 335/04 - zu II 1 a aa der Gründe, NJW 2006, 2482: „Vorschriften über das Wirksamwerden von Willenserklärungen gelten im Fall von § 12 Abs. 3 VVG entsprechend“).

94

(3) Eine entsprechende Anwendung von § 126 BGB(zu den Voraussetzungen BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 36, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11)auf die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist des § 70 BAT ist nicht geboten. Normzweck und Interessenlage verlangen nicht nach einer eigenhändigen Unterzeichnung der schriftlichen Erklärung durch Namensunterschrift des Beschäftigten. Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 96, 28). Sinn und Zweck einer Ausschlussfrist erfordern es deshalb nicht, dass bei Anordnung einer schriftlichen Geltendmachung das Schreiben die eigenhändige Namensunterschrift trägt. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Geltendmachungsschreiben die Erhebung bestimmter, als noch offen bezeichneter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch Lesen einer textlichen Nachricht entnommen werden kann.

95

Diesem Informations- und Klarstellungszweck genügt eine dem Arbeitgeber zugegangene schriftliche Erklärung auch ohne eigenhändige Namensunterschrift des Beschäftigten. Die Gewährleistung der Identitäts- und die Vollständigkeitsfunktion ist zwar auch für eine Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT unverzichtbar. Sie verlangt aber nicht notwendig nach einer Originalunterschrift. Person und Identität des Erklärenden stehen schon dann fest, wenn dessen Name angegeben wird. Der Arbeitgeber kann dann erkennen, von wem die Erklärung abgegeben wurde. Vollständigkeit und inhaltlicher Abschluss der Erklärung lassen sich durch die Anbringung einer Grußformel, die maschinenschriftliche Namenswiedergabe oder Ähnliches unmissverständlich kenntlich machen(zu § 99 Abs. 3 BetrVG BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 40, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11). Damit wird die Identität dessen, der etwas verlangt, ausgewiesen und durch die Abschlusserklärung noch hinreichend legitimiert (nicht eindeutig BAG 17. September 2003 - 4 AZR 540/02 - zu III 4 der Gründe, BAGE 107, 304). Das ohne eine Originalunterschrift möglicherweise geringfügig höhere Fälschungsrisiko einer Geltendmachung durch eine E-Mail, welches zumindest den unberechtigten Zugriff auf die Zugangsberechtigung zur Nutzung des E-Mail-Kontos erfordern würde, kann angesichts der rechtlichen Unschädlichkeit einer falschen Mitteilung (s. auch BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 41, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11) und der geringen Wahrscheinlichkeit einer (böswilligen) Wahrnehmung fremder Rechte (Gotthardt/Beck NZA 2002, 876, 883) vernachlässigt werden.

96

(4) Nach der objektiven Sach- und Interessenlage bei der Geltendmachung nach § 70 Satz 1 BAT ist die entsprechende Anwendung von § 126b BGB geboten und ausreichend. Nach dieser Bestimmung muss, wenn eine Textform vorgeschrieben ist, die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Auf diese Weise stellt § 126b BGB auch ohne das Erfordernis eigenhändiger Unterzeichnung sicher, dass die Identitäts- und Vollständigkeitsfunktionen einer schriftlichen Erklärung neben der ohnehin gegebenen Dokumentationsfunktion gewahrt sind(BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 79/07 - Rn. 45, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 36 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 11).

97

bb) Die E-Mail vom 31. Januar 2006 genügt den Erfordernissen des § 126b BGB. Sie ist zwar keine „Urkunde“. Die in ihr enthaltene Erklärung ist aber auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben worden. Der Inhalt einer elektronischen Datei mit Schriftzeichen kann vom Empfänger entweder gespeichert und damit bei Bedarf jederzeit aufgerufen oder zumindest ausgedruckt und auf diese Weise dauerhaft wiedergegeben werden. Die E-Mail des Klägers enthält seinen Namen und seine Anschrift. Der Abschluss der Erklärung ist durch eine Grußformel und die Wiederholung des Namens eindeutig kenntlich gemacht.

98

IV. Der Senat ist nicht an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil er nicht von der Rechtsprechung eines anderen Senats abweicht. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

99

1. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf den Anfragebeschluss des Senats von 27. Januar 2010(- 4 AZR 549/08 (A) -) mit Beschluss vom 23. Juni 2010 entschieden, dass er sich der Auffassung des Senats anschließt, wonach „die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht dadurch verdrängt wird, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle einer Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag („Tarifpluralität“)“. Es bestehe „kein hinreichender Grund, die damit im Gesetz angelegte Möglichkeit auszuschließen, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten“ (BAG 23. Juni 2010 - 10 AS 3/10 -).

100

2. Eine Anfrage an den Ersten Senat ist nicht erforderlich.

101

a) Die Entscheidung des Ersten Senats vom 29. März 1957 behandelt einen Fall der Tarifkonkurrenz. Der Senat führt zwar aus, der Grundsatz der Tarifeinheit besage auch, dass in jedem Betrieb grundsätzlich für alle in diesem Betrieb begründeten Arbeitsverhältnisse nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38). Diese Ausführungen waren allerdings nicht entscheidungserheblich im Hinblick auf die Auflösung einer eventuellen Tarifpluralität. In einer weiteren Entscheidung war eine Tarifpluralität nicht aufzulösen (19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 6), so dass es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage fehlt. Das gilt auch für die Entscheidungen des Ersten Senats vom 22. März 1994 (- 1 ABR 47/93 - zu B III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 10),vom 14. Dezember 2004 (- 1 ABR 51/03 - zu III 2 h der Gründe, BAGE 113, 82) und vom 28. März 2006 (- 1 ABR 58/04 - zu B III 3 b bb [1] [a] der Gründe, BAGE 117, 308).

102

b) Zudem ist hinsichtlich der Entscheidung vom 29. März 1957(- 1 AZR 208/55 - BAGE 4, 37, 38) der Vierte Senat aufgrund einer Änderung in der Geschäftsverteilung mittlerweile anstelle des damals zuständigen Ersten Senats für die vorliegende Rechtsfrage allein zuständig. Nach I Nr. 1 des damals maßgebenden Geschäftsverteilungsplans waren dem Ersten Senat die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG zugewiesen, bei denen es sich um das Rechtsgebiet des „Allgemeinen Tarifrechts“ handelt. Für das Tarifvertragsrecht ist nach Nr. 4.1 des maßgebenden Geschäftsverteilungsplans der Vierte Senat ausschließlich zuständig. Eine Anfrage beim Ersten Senat, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, wäre auch deshalb entbehrlich, § 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG(vgl. dazu auch BAG 20. August 2002 - 9 AZR 750/00 - zu I 4 c cc der Gründe, BAGE 102, 260; 7. November 2000 - 1 ABR 55/99 - zu B IV 2 der Gründe, BAGE 96, 200).

103

3. Der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 4 ArbGG bedarf es nicht.

104

a) § 45 Abs. 4 ArbGG setzt voraus, dass eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Vorlage erforderlich machen.

105

Eine grundsätzliche Bedeutung kann nicht schon dann angenommen werden, dass sich die hier zu entscheidende Rechtsfrage auf eine Vielzahl von Fällen auswirkt. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht bisher für den hinsichtlich der Zulassung der Revision maßgeblichen Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG angenommen, diese könne sich auch aus der Anzahl der von einer Rechtsfrage betroffenen Rechtsverhältnisse ergeben(vgl. etwa BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 95, 372). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 45 Abs. 4 ArbGG übertragen werden. Während § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Frage regelt, wann eine vereinheitlichende Entscheidung durch das Revisionsgericht herbeizuführen ist, dient die Vorlage an den Großen Senat dazu, in den besonderen Fällen, in denen eine Entscheidung durch die einzelnen Senate der Bedeutung der Rechtsfrage nicht gerecht wird, eine Klärung herbeizuführen(BAG 28. Juli 2009 - 3 AZR 250/07 - Rn. 24; s. auch Prütting in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 45 Rn. 29 mwN auch zur Gegenauffassung).

106

b) Die vorliegende Rechtsfrage berührt - neben der Zuständigkeit des Zehnten Senats, an den die Divergenzanfrage gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gestellt wurde - allein die Zuständigkeit des für das Tarifrecht zuständigen Fachsenats, dem als Spruchkörper eines obersten Bundesgerichts in erster Linie die Aufgabe der Sicherung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung übertragen ist. Es handelt sich nicht um eine Rechtsfrage, die sich für die Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts in gleicher Weise stellt oder stellen wird(zu diesem Kriterium GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 54 mwN; Schwab/Weth/Liebscher ArbGG 2. Aufl. § 45 Rn. 34; zu § 132 Abs. 4 GVG MünchKommZPO/Zimmermann Bd. 3 § 132 GVG Rn. 23; vgl. auch Prütting/Gehrlein/Arenhövel ZPO 2. Aufl. § 132 GVG Rn. 12). Stellt die Rechtsfrage nach dem Fortbestand oder der Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit den rechtlichen Schwerpunkt eines Rechtsstreits dar, ist hierfür stets der Vierte Senat zuständig (Geschäftsverteilungsplan des Bundesarbeitsgerichts für das Geschäftsjahr 2010 A. 1; ebenso für die Vorjahre).

107

c) Ob § 45 Abs. 4 ArbGG wegen Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter(Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verfassungswidrig ist (dazu ausführlich GK-ArbGG/Dörner Stand April 2009 § 45 Rn. 36 ff. mwN), kann vorliegend dahinstehen.

108

V. Die Kosten der erfolglosen Revision hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hardebusch    

        

    Vorderwülbecke    

                 

Tenor

Der Zehnte Senat schließt sich der Auffassung des Vierten Senats an, dass die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht dadurch verdrängt wird, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle einer Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag („Tarifpluralität“).

Gründe

1

I. Der Vierte Senat hat gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG angefragt, ob der Zehnte Senat an seiner Rechtsauffassung zur eingeschränkten Geltung von § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG im Falle der sog. Tarifpluralität bei Tarifgeltung kraft Koalitionsmitgliedschaft nach § 3 Abs. 1 TVG festhält. Der Zehnte Senat hat bisher angenommen, nach dem Grundsatz der Spezialität komme hier allein der Tarifvertrag zur Anwendung, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehe und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht werde(Senat 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - Rn. 31 mwN, BAGE 120, 1).

2

II. Der Zehnte Senat schließt sich der Auffassung an, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelte auch dann uneingeschränkt, wenn in einem Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG auf mehrere Arbeitsverhältnisse derselben Art verschiedene Tarifverträge zur Anwendung kommen. Das Tarifvertragsgesetz ordnet in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 die unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen eines Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis beiderseits Tarifgebundener an. Es besteht kein hinreichender Grund, die damit im Gesetz angelegte Möglichkeit auszuschließen, dass für verschiedene Arbeitnehmer im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten. Insbesondere enthält das Tarifvertragsgesetz keinen insoweit vorgehenden allgemeinen Grundsatz der Tarifeinheit. Die durch beiderseitige Verbandsmitgliedschaft oder durch Verbandsmitgliedschaft und eigenen Abschluss des Tarifvertrags legitimierte Geltung der Tarifnormen darf nicht entgegen der eindeutigen gesetzlichen Regelung aufgehoben werden. Angesichts der vom Vierten Senat im Beschluss vom 27. Januar 2010 (- 4 AZR 549/08 (A) -) ausführlich und überzeugend dargelegten Begründung sieht der Zehnte Senat von einer weiteren Begründung ab.


        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    Petri    
                 

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.