Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Juli 2015 - 3 AZR 903/13
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. August 2013 - 6 Sa 70/13 - aufgehoben.
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2012 - 7 Ca 3880/12 - wird zurückgewiesen.
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Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger als Teil seiner betrieblichen Altersversorgung einen pauschalierten Steuerausgleich zu zahlen.
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Der 1934 geborene Kläger war vom 1. Juni 1959 bis zum 31. Juli 1994 als Pilot - zuletzt als Flugkapitän - bei der Beklagten beschäftigt. Er bezieht seit dem 1. August 1999 von der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die Beklagte war bis zum 31. Dezember 1994 Beteiligte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Mit ihrem Ausscheiden aus der VBL übernahm sie zum 1. Januar 1995 die Betriebsrentenanwartschaften der zu diesem Zeitpunkt bei der VBL pflichtversicherten Arbeitnehmer als unmittelbare Versorgungszusage (VBL-gleiche Versorgung).
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Unter dem 10. Mai 1994 schlossen die Tarifvertragsparteien den „Ergänzungstarifvertrag zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3“ (im Folgenden Ergänzungstarifvertrag). Dieser enthält ua. folgende Regelungen:
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„1.
L/S/C sind verpflichtet, nach Beendigung der VBL-Beteiligung alle am 31.12.1994 bei der VBL pflichtversicherten Mitarbeiter/-innen so zu stellen, als würde ihre spätere Zusatzversorgung von der VBL nach deren jeweils geltender Satzung fortgeführt.
…
2.
Die Fortführung der Zusatzversorgung gemäß Ziffer 1 erfolgt in entsprechender Anwendung des geltenden L-/S-/C-Versorgungstarifvertrages mit der Maßgabe, daß L/S/C anstelle der VBL deren Verpflichtungen nach Maßgabe der jeweils geltenden Satzung übernehmen.
…
3.
Wegen der unterschiedlichen Besteuerung von VBL-Renten und unmittelbar von L/S/C gezahlter Betriebsrenten wird ein pauschalierter Steuerausgleich gewährt.
Die Steuerausgleichsrechnung erfolgt nach Maßgabe einer fiktiven Steuerklasse entsprechend § 41 Abs. 2c der VBL-Satzung durch einen Vergleich des Gesamtrenteneinkommens von L/S/C, VBL und gesetzlicher Rentenversicherung einerseits und des fiktiven Gesamtrenteneinkommens bei unterstellter Fortsetzung der Pflichtversicherung bei der VBL andererseits. ...
Die Steuerausgleichszahlung vermindert sich für die Mitarbeiter/-innen, die wegen der Beendigung der Pflichtversicherung Steuern auf die VBL-Umlagebeträge eingespart haben.
Näheres wird in einem gesonderten Tarifvertrag geregelt. …“
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Zum 1. Januar 1995 schlossen die Tarifvertragsparteien den „Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs“ (im Folgenden TV Steuerausgleich). Der TV Steuerausgleich bestimmt auszugsweise:
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„Präambel
Vor dem Hintergrund der lohnsteuerrechtlichen Konsequenzen aus der Beendigung der VBL-Beteiligung der L/S/C per 31.12.1994 haben die Tarifpartner vereinbart, einen gesonderten Tarifvertrag abzuschließen, der, als Voraussetzung für den ab 01.01.1995 vereinbarten pauschalierten Steuerausgleich auf Zusatzversorgungsleistungen, den hierfür erforderlichen Nachteils-/Vorteilsausgleich im einzelnen regelt.
…
A.
Steuerausgleich
Für den Fall, daß wegen der unterschiedlichen Besteuerung der VBL-Zusatzrente und der von L zu zahlenden Betriebsrente der Versorgungsberechtigte im Versorgungsfall eine niedrigere Netto-Gesamtversorgung erhält, als er bei fortbestehender VBL-Beteiligung erhalten hätte, ist L verpflichtet, diesen Unterschiedsbetrag nach Maßgabe der nachstehenden Regelungen auszugleichen.
(1) Der Unterschiedsbetrag ergibt sich durch einen Netto-Vergleich des vom Versorgungsberechtigten tatsächlich bezogenen Gesamtrenteneinkommens - gesetzliche Rente, Versicherungsrente der VBL und L-Betriebsrente - einerseits, mit derjenigen Rentenleistung andererseits, die dem Versorgungsberechtigten bei unterstellter Fortführung der Pflichtversicherung bei der VBL als Gesamtversorgung zugestanden hätte; ...
…
B.
Vorteilsausgleich
Die von L im Versorgungsfall vorzunehmende Steuerausgleichsleistung vermindert sich um die Beträge, die der Versorgungsberechtigte wegen der Beendigung der VBL-Beteiligung bis zum Versorgungsfall an Steuern zurückerhalten und/oder eingespart hat.
(1)
Dabei werden folgende Beträge berücksichtigt:
a)
Die Lohn-/Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag, die dem Versorgungsberechtigten wegen der Beendigung der VBL-Beteiligung individuell gutgeschrieben werden. …
b)
Individuelle Steuerersparnisse, die der Versorgungsberechtigte nach individuellen Steuermerkmalen wegen Wegfalls der Steuern auf die ab 01.01.1995 nicht mehr abzuführende VBL-Umlage erzielt hat.
Die Steuerersparnis errechnet sich durch Gegenüberstellung der Steuerbeträge mit und ohne eine fiktive VBL-Umlage/-Zusatzumlage - entsprechend der jeweils gültigen VBL-Satzung - bezogen auf das steuerpflichtige Jahreseinkommen. Dabei werden die individuellen Steuermerkmale des jeweiligen Monats Dezember einschließlich der in diesem Monat auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Freibeträge und Merkmale berücksichtigt.
(2)
Die dem Versorgungsberechtigten gemäß Abs. (1) entstandenen bzw. zugeflossenen Beträge werden bei L auf einem Konto - Ausgleichskonto - erfaßt. …
C.
Vorteilsgegenrechnung
Hat der Versorgungsberechtigte L gegenüber einen Anspruch auf Steuerausgleichszahlung gemäß A., unterbleibt die Auszahlung des dementsprechenden Betrags durch L, so lange das Ausgleichskonto des Versorgungsberechtigten im Rahmen des Vorteilsausgleichs gemäß B. noch einen Betrag ausweist. Zur Kontrolle dieser Vorteilsgegenrechnung erhält der Versorgungsberechtigte einmal jährlich von L eine Abrechnung.
D.
Durchführung des Steuerausgleichs
(1)
Kommt eine Vorteilsgegenrechnung i.S.v. C. nicht in Betracht oder ist sie beendet, wird der Steuerausgleich von L berechnet. Der errechnete Betrag ist dem Versorgungsberechtigten monatlich als Teil der L-Betriebsrente zusammen mit dieser auszuzahlen. …
…
(4)
Ab 1.4.1995 werden die L-Betriebsrente, ebenso wie die Steuerausgleichsleistung, jeweils für den laufenden Monat so gezahlt, daß sie am 1. eines Monats auf einem Inlandskonto der Versorgungsberechtigten gutgeschrieben werden können.
…
E.
Obliegenheiten des Versorgungsberechtigten
(1)
Voraussetzung für den Steuerausgleich ist, daß der Versorgungsberechtigte L jährlich eine Steuerkarte vorlegt und im übrigen die für die Berechnung des Steuerausgleichs erforderlichen Angaben macht.
…
I.
Inkrafttreten
Dieser Tarifvertrag tritt am 01.01.1995 in Kraft. Er löst Ziff. 3 des Ergänzungstarifvertrages zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3 vom 10.5.1994 ab.“
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Im Jahr 1995 erhielt der Kläger vom Finanzamt eine einmalige Steuererstattung in Höhe eines mindestens 112.000,00 Euro entsprechenden DM-Betrags. In der Folge wurde von der Beklagten nach den Bestimmungen des TV Steuerausgleich für den Kläger ein Ausgleichskonto eingerichtet. Von den auf diesem Ausgleichskonto erfassten Beträgen wurde die nach dem TV Steuerausgleich zu berechnende Steuerdifferenz in Abzug gebracht. Die Beklagte teilte dem Kläger bis ins Jahr 2004 regelmäßig den monatlichen, derzeit nicht gezahlten Steuerausgleich mit. Die auf dem Ausgleichskonto des Klägers gebuchten, noch anzurechnenden Steuervorteile beliefen sich am 30. Juni 2003 auf 55.100,49 Euro. Mit Schreiben vom 9. Juni 2004 informierte die Beklagte den Kläger, dass der sich zu diesem Zeitpunkt auf monatlich 426,34 Euro belaufende Steuerausgleichsbetrag nicht gezahlt werde, da noch Steuervorteile gegenzurechnen seien.
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Am 16. November 2004 schlossen die Tarifvertragsparteien mit Wirkung zum 30. Juni 2003 den „Ablösungs-Tarifvertrag zum Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs vom 01.01.1995“ (im Folgenden TV Ablösung). Dessen Art. 1 lautet:
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„Der Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs vom 01.01.1995 und Ziffer 3 des Ergänzungstarifvertrages zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3 vom 10.05.1994 treten im Zusammenhang mit dem Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das L-Cockpitpersonal mit Ablauf des 30.06.2003 außer Kraft.
Ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene, die am 30.06.2003 neben ihrer VBL-gleichen Betriebsrente Anspruch auf eine monatliche Steuerausgleichsleistung hatten, behalten die an diesem Tag maßgebliche Steuerausgleichsleistung dauerhaft. Sie gilt als Bestandteil ihrer garantierten Betriebsrente gemäß den Regelungen des Tarifvertrages L-Betriebsrente für das Cockpitpersonal (§§ 13 bis 15 des Tarifvertrages zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das L-Cockpitpersonal).
Unabhängig von Satz 1 sagt L zu, in Ausnahmefällen (z.B. wenn aufgrund einer Auslandsentsendung 1994/1995 eine Steuerrückzahlung nicht erfolgen konnte) die Ermittlung und Gewährung einer Steuerausgleichsleistung in sinngemäßer Anwendung des in Satz 1 genannten Tarifvertrages Steuerausgleichs vorzunehmen. Hierbei sind ausschließlich die am 30.06.2003 geltenden Steuervorschriften sowie die zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen sonstigen Bemessungsgrößen zu berücksichtigen.“
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Der in Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 TV Ablösung genannte „Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal“ vom 4. Dezember 2004 (im Folgenden TV Vereinheitlichung) regelt die Ablösung des bis dahin geltenden VBL-gleichen Versorgungssystems für das Cockpitpersonal Er sieht die Bildung von Startbausteinen anhand der Regelungen der VBL-Satzung vor, die entsprechend der Gehaltsentwicklung bis zum Eintritt des Versorgungsfalls dynamisch fortgeschrieben werden und im Rahmen einer Garantierente bei der Festsetzung der L-Betriebsrente berücksichtigt werden.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Steuerausgleich nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung zu. Am 30. Juni 2003 habe er Anspruch auf den Steuerausgleich gehabt. Der Anspruch auf Beibehaltung desselben nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung hänge nicht davon ab, ob am 30. Juni 2003 bereits tatsächlich Ausgleichsleistungen gewährt wurden oder ob - wie in seinem Fall - noch eine Vorteilsgegenrechnung nach dem TV Steuerausgleich durchgeführt wurde. Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung stelle allein auf den Bestand des Ausgleichsanspruchs ab. Eine zeitliche Begrenzung des Steuerausgleichs sei nicht vorgesehen. Dies widerspräche auch Sinn und Zweck des TV Steuerausgleich.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Januar 2013 dauerhaft die monatliche Steuerausgleichsleistung gem. Art. 1 Abs. 2 des Ablösungstarifvertrages vom 30. Juni 2003 zum Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs vom 1. Januar 1995 zu gewähren.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung zu.
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I. Die Klage ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - zulässig.
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Der Kläger will - entgegen des in diese Richtung weisenden Wortlauts seines Klageantrags - nicht die Feststellung einer ab dem 1. Januar 2013 beginnenden Zahlungspflicht der Beklagten aufgrund von Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung erreichen. Vielmehr will er geklärt wissen, dass ihm dem Grunde nach ein Anspruch auf Gewährung von künftigen Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung zusteht. Das Datum 1. Januar 2013 dient lediglich dazu, den erforderlichen Gegenwartsbezug seines Klageantrags sicherzustellen, denn bei Einreichung der Klage im Jahr 2012 wies das von der Beklagten für den Kläger geführte Ausgleichskonto noch einen Saldo zu seinen Gunsten aus.
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In dieser Auslegung ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Bei einer positiven Entscheidung über den Antrag stünde zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass der Kläger von der Beklagten dem Grunde nach Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung verlangen kann. Der Antrag richtet sich auch auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, namentlich die Verpflichtung der Beklagten den Steuerausgleich des Klägers nach Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung iVm. dem TV Steuerausgleich vorzunehmen. Da die Beklagte eine entsprechende Verpflichtung in Abrede stellt, verfügt der Kläger auch über das erforderliche Feststellungsinteresse.
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II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung künftiger Steuerausgleichsleistungen. Er erfüllt die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung nicht. Dies ergibt die Auslegung des TV Ablösung.
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1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. Februar 2015 - 3 AZR 904/13 - Rn. 27 mwN; 15. April 2014 - 3 AZR 83/12 - Rn. 12 mwN). Bei der Auslegung eines ablösenden Tarifvertrags kann neben dem ablösenden Tarifvertrag selbst auch der abgelöste Tarifvertrag mit herangezogen werden. Dies folgt schon aus dem insoweit unmittelbar ersichtlichen tariflichen Regelungszusammenhang.
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2. Danach steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung künftiger Steuerausgleichsleistungen nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung zu. Denn er hat am Stichtag 30. Juni 2003 noch keine monatliche Steuerausgleichsleistung iSv. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung bezogen.
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a) Vor dem Hintergrund der Regelungen im TV Steuerausgleich sprechen sowohl der Wortlaut als auch die Systematik von Art. 1 TV Ablösung dafür, dass Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung nur dann einen Anspruch auf Zahlung eines Steuerausgleichs gewährt, wenn der ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene bereits am 30. Juni 2003 einen monatlichen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund der Regelungen des TV Steuerausgleich hatte. Ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene, denen aufgrund der zu diesem Stichtag noch erfolgenden Vorteilsgegenrechnung (noch) kein Anspruch auf Zahlung von Steuerausgleichsleistungen zustand, sollten einen solchen Anspruch auch dann nicht mehr erhalten, wenn das Ausgleichskonto künftig ausgeglichen sein sollte.
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Nach Art. 1 Abs. 1 TV Ablösung traten der TV Steuerausgleich sowie Ziff. 3 des Ergänzungstarifvertrags mit Ablauf des 30. Juni 2003 außer Kraft. Damit fehlte es für die Zeit ab dem 1. Juli 2003 an einer Rechtsgrundlage für die weitere Durchführung des im TV Steuerausgleich geregelten Steuerausgleichsverfahren. Durch den TV Ablösung sollten - wie auch seine Bezeichnung als „Ablösungs-Tarifvertrag zum Tarifvertrag zur Ermöglichung eines pauschalierten Steuerausgleichs“ zeigt - der TV Steuerausgleich und das darin geregelte Steuerausgleichsverfahren insgesamt abgeschafft werden. Lediglich ehemalige Mitarbeiter oder Hinterbliebene, die zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des TV Steuerausgleich am 30. Juni 2003 neben ihrer VBL-gleichen Betriebsrente bereits eine monatliche Steuerausgleichsleistung ausgezahlt bekamen, sollten nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung die an diesem Tag maßgebliche Steuerausgleichsleistung dauerhaft behalten. Zwar lässt sich dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Steuerausgleich nicht unmittelbar entnehmen, ob ein „Anspruch auf eine monatliche Steuerausgleichsleistung“ im Sinne dieser Bestimmung nur dann vorliegt, wenn Ausgleichszahlungen tatsächlich gezahlt wurden. Die Formulierung knüpft sprachlich aber an die Bestimmungen im TV Steuerausgleich an. So ist nach D Abs. 1 TV Steuerausgleich ua. nach der Beendigung der Vorteilsanrechnung iSv. C TV Steuerausgleich der Steuerausgleich von L zu berechnen (Satz 1) und der errechnete Betrag dem Versorgungsberechtigten „monatlich“ als Teil der L-Betriebsrente zusammen mit dieser auszuzahlen (Satz 2).
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Auch der systematische Zusammenhang zeigt, dass sich Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung auf die monatliche Zahlung des Steuerausgleichs in D Abs. 1 TV Steuerausgleich bezieht. Lediglich die Bestimmungen in D Abs. 1 TV Steuerausgleich betreffen eine monatliche Leistung. Demgegenüber verhalten sich die Regelungen in B TV Steuerausgleich nur zur Ermittlung der Höhe des jährlichen Steuerausgleichs. Auch die Bestimmungen in A, C und E TV Steuerausgleich knüpfen nur an das jeweilige Steuerjahr an. Allein D TV Steuerausgleich ordnet eine monatliche Leistung, nämlich die Zahlung an. Auch Art. 1 Abs. 2 TV Ablösung stellt auf eine monatliche Steuerausgleichsleistung ab, die er zum Bestandteil der Betriebsrente erklärt. Eine monatliche Leistung sieht der TV Steuerausgleich aber nur ab dem Zeitpunkt der Auszahlung des Steuerausgleichs vor. Dass die Beklagte in ihren regelmäßigen Mitteilungen auch bereits vor der Auszahlung einen Monatsbetrag ausgewiesen hat, ist im TV Steuerausgleich dagegen nicht angelegt. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung gewährleistet eine Aufrechterhaltung des Besitzstands damit nur für die ehemaligen Mitarbeiter oder Hinterbliebenen, die bereits am 30. Juni 2003 Zahlungen von der Beklagten erhielten.
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b) Für dieses Verständnis spricht auch, dass Art. 1 Abs. 2 Satz 1 TV Ablösung den begünstigten Personenkreis auf die ehemaligen Mitarbeiter oder Hinterbliebenen begrenzt, die bereits Bezieher von Betriebsrenten sind. Nur bei diesen konnte die nach C TV Steuerausgleich vorzunehmende Vorteilsgegenrechnung überhaupt zum maßgeblichen Stichtag bereits zu einem Leistungsanspruch geführt haben. Noch aktivbeschäftigten Arbeitnehmern oder mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Arbeitnehmern konnte dagegen ein solcher Zahlungsanspruch zum 30. Juni 2003 nicht zustehen. Auch dieser Personenkreis hat jedoch entsprechende Nachteile. Zudem haben die Tarifvertragsparteien auch diesen Mitarbeitern die Vorteile des VBL-Systems zu weiten Teilen durch den TV Vereinheitlichung erhalten. Diese Personen vom Steuerausgleich auszunehmen, hätte wenig innere Rechtfertigung.
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c) Auch Sinn und Zweck, namentlich die Einsparung von Kosten und die Vereinfachung der Berechnung der Betriebsrente, sprechen für dieses Verständnis. Legt man die Auslegung des Klägers zugrunde, würde der TV Ablösung für die Beklagte kaum Vereinfachung bringen. Die Tarifvertragsparteien hätten dann für diesen Personenkreis - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - lediglich die Höhe der Steuerausgleichsleistungen aus dem Jahr 2003 auch für die folgenden Jahre festgeschrieben. Durch ein solches Vorgehen hätte sich der Verwaltungsaufwand nur unwesentlich verringert, da die Berechnungen zur Höhe des Saldos auf dem Ausgleichskonto und dessen Verrechnung hierauf auch weiterhin erfolgen müssten. Zudem wäre auch der künftige Beginn der tatsächlichen Zahlung zu überwachen gewesen.
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d) Die vorgenommene Auslegung führt im Übrigen zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung. Der erhebliche Aufwand für die Ermittlung und die Berechnung der Ausgleichsleistungen und die Führung der Ausgleichskonten entfällt. Gleichzeitig bleibt den ehemaligen Mitarbeitern oder Hinterbliebenen, die am 30. Juni 2003 bereits monatliche Zahlungen erhalten haben, der durch diese gewährten Leistungen begründete Besitzstand zur Gewährleistung ihres erreichten Lebensstandards dauerhaft erhalten.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)