Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2016 - V ZB 135/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:120516BVZB135.15.0
12.05.2016
vorgehend
Landgericht Mönchengladbach, 10 O 191/14, 07.05.2015
Oberlandesgericht Düsseldorf, 24 U 104/15, 25.08.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 135/15
vom
12. Mai 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat ein Prozessbevollmächtigter Kenntnis von dem Beginn eines bundesweiten
Poststreiks, ist er gehalten, sich vor Absenden eines fristwahrenden Schriftsatzes
über die Auswirkungen des Poststreiks am Versand- und Empfangsort zu
informieren. Dazu gehört es, die Berichterstattung über den Streik in Zeitung,
Fernsehen, Rundfunk oder den Internetportalen der Nachrichtenanbieter
zu verfolgen (Fortführung von Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016
- V ZB 126/15, NJW 2016, 2750).
BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 - V ZB 135/15 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
ECLI:DE:BGH:2016:120516BVZB135.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Mai 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. August 2015 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 19.000 €.

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage zur Zahlung eines Geldbetrages verurteilt. Das Urteil ist dem Kläger, der Rechtsanwalt ist und sich selbst vertreten hat, am 15. Mai 2015 zugestellt worden. Nach dem Hinweis, dass die Berufungsschrift vom 11. Juni 2015 am 16. Juni 2015 bei dem Oberlandesgericht eingegangen sei, hat er mit Schriftsatz vom 21. Juli 2015 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, seine Kanzleiangestellte, die die Berufungsschrift am 11. Juni 2015 zunächst per Telefax übersandt habe, habe versäumt, die Telefaxübermittlung anhand des Telefaxprotokolls auf einen ordnungsgemäßen Zugang zu überprüfen. Er habe darauf vertrauen können, dass die zusätzlich am selben Tag zur Post aufgegebene Berufungsschrift fristgerecht eingehen werde. Eine Ausdehnung des Poststreiks für den Raum Düsseldorf sei zu diesem Zeitpunkt nicht angekündigt gewesen.
2
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb der am 1. Dezember 2015 abgelaufenen Begründungsfrist begründet.
3
Mit einem am 9. Dezember 2015 bei dem Bundesgerichtshof eingegangenen Schreiben hat der Kläger selbst sich an den Senat gewandt und mitgeteilt , seine Berufungsschrift sei bereits am 15. Juni 2015 und damit rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen. Der für die Zuteilung der Neueingangssachen zuständige Geschäftsstellenbeamte des Berufungsgerichts habe ihn am 16. Mai 2015 telefonisch darauf hingewiesen, dass die erste Seite der Berufungsschrift sich auf die Wirksamkeit der Berufung nicht auswirkende peinliche Worte enthalten habe, die, wie er richtig vermutet habe, auf der Verwendung eines Spracherkennungssystems beruhten. Auf seine Anregung hin habe er, der Kläger, am 16. Juni 2015 per E-Mail eine korrigierte erste Seite an das Berufungsgericht übersandt. Der Geschäftsstellenbeamte habe die ursprüngliche erste Seite aus der Gerichtsakte entfernt und durch die korrigierte Seite ersetzt. Dabei habe er darauf versehentlich statt des ursprünglichen Datums des Posteingangs (15. Juni 2015) das Datum des Austauschs (16. Juni 2015) vermerkt. Diesen Vorgang habe der Geschäftsstellenbeamte ihm gegenüber per E-Mail vom 28. November 2015 bestätigt.
4
Am 16. Februar 2016 hat der Kläger einen Beschluss des Berufungsgerichts vom 19. Januar 2016 vorgelegt. Aus diesem geht hervor, dass seine Berufung tatsächlich fristgerecht eingegangen ist, sich das Berufungsgericht aber außer Stande gesehen hat, den mit der Rechtsbeschwerde angefochtenen Beschluss aufzuheben.
5
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2016 hat der Prozessbevollmächtige des Klägers auf den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift hingewiesen. Er ist der Ansicht, der Umstand, dass die Berufungsfrist tatsächlich nicht versäumt sei, sei zumindest in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 7b ZPO zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht hätte bei sorgfältiger Prüfung den Fehler des Geschäftsstellenbeamten bemerken müssen.

II.

6
Das Berufungsgericht meint, die beantragte Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden. Der Kläger trage die Verantwortung für die Versäumung der Berufungsfrist. Er habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er seine Mitarbeiter angewiesen habe, nach einer Übermittelung fristwahrender Schriftsätze per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung korrekt erfolgt sei. Er habe auch nicht darauf vertrauen können, dass die in Düsseldorf am 11. Juni 2015 als Brief in den Postkasten eingeworfene Berufungsschrift rechtzeitig bei dem Oberlandesgericht eingehen werde. Das an sich berechtigte Vertrauen in die fristgemäße Briefbeförderung sei aufgrund des Poststreiks nicht gerechtfertigt gewesen.

III.

7
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
8
1. Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Zulässig ist sie aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO; vgl. auch Senat, Beschluss vom 29. Januar 2015 - V ZB 179/14, WuM 2015, 320 Rn. 4; BGH, Beschluss vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21, 22). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
9
2. Allerdings ist nach dem Beschluss des Berufungsgerichts vom 19. Januar 2016 davon auszugehen, dass die Berufung des Klägers fristgerecht innerhalb der am 15. Juni 2015 abgelaufenen Berufungsfrist bei dem Berufungsgericht eingegangen ist. Diesen Umstand kann der Senat jedoch aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht berücksichtigen.
10
a) Der Senat ist an die Feststellung des Berufungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss gebunden, dass die Berufungsschrift des Klägers nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Berufung (§ 517 ZPO) eingegangen ist (§ 559 Abs. 1, 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die Tatsache, dass die Berufungsschrift fristgerecht eingegangen ist, hat der Kläger erst im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragen. Damit handelt es sich um einen neuen Tatsachenvortrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz, auf den die Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht gestützt werden kann (BGH, Beschluss vom 18. September 2003 - IX ZB 40/03, BGHZ 156, 165, 167). Die Rechtzeitigkeit der Berufung ist hier auch nicht von Amts wegen zu prüfen. Wird eine Verwerfungsentscheidung des Berufungsgerichts mit einem Rechtsmittel angegriffen, ist die Zulässigkeit der Berufung weder eine Sachentscheidungsvoraussetzung noch findet eine Prüfung von Amts wegen statt (BGH, Beschluss vom 18. September 2003 - IX ZB 40/03, aaO, S. 167 f.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZR 164/15, juris Rn. 16).
11
b) Eine Rechtsbeschwerde gegen eine die Berufung verwerfende Entscheidung kann zwar auch darauf gestützt werden, diese leide an einem Verfahrensmangel. Diese Rüge hat der Kläger jedoch nicht wirksam erhoben.
12
aa) Allerdings war die von Amts wegen gebotene Prüfung der Zulässigkeit der Berufung durch das Berufungsgericht (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO) fehlerhaft. Die auf der unzutreffenden Annahme einer verspäteten Einreichung der Berufungsschrift beruhende Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfG, NJW 1989, 1147; NJW-RR 2002, 1004). Dass dem für die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung zuständigen Senat des Berufungsgerichts der rechtzeitige Eingang der Berufungsschrift nicht bekannt war, ist unerheblich. Das Wissen des Geschäftsstellenbeamten, der den Eingang der Berufung erfasst hat, ist ihm zuzurechnen. Das Berufungsgericht ist das Gericht als organisatorische Einheit und nicht nur das erkennende Gericht als Spruchkörper.
13
bb) Von dem Verfahrensmangel hat der Kläger aufgrund der E-Mail des Geschäftsstellenbeamten vom 28. November 2015 Kenntnis erlangt. Er konnte zwar nicht mehr eine Abänderung des Verwerfungsbeschlusses bei dem Berufungsgericht erreichen. Denn das Berufungsgericht ist grundsätzlich an diesen gebunden und darf ihn, auch wenn er angefochten wird, nicht wieder aufheben (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995 - IV ZB 22/94, NJW-RR 1995, 765). Der Kläger hätte den Verfahrensmangel jedoch innerhalb der am 1. Dezember 2015 abgelaufenen Rechtsbeschwerdebegründungsfrist bzw. innerhalb einer zweiwöchigen Frist (entsprechend § 234 ZPO) vor dem Bundesgerichtshof rügen können. Das hat er nicht getan. Sein Vorbringen vom 9. Dezember 2015 ist unbeachtlich, weil der Kläger selbst nicht postulationsfähig ist (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Sein Prozessbevollmächtigter hat im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals mit Schriftsatz vom 17. Februar 2016 mitgeteilt, dass die Berufung des Klägers fristgerecht eingegangen war. Dieser Vortrag ist so spät gehalten, dass darauf die Verfahrensrüge nicht mehr gestützt werden kann. Es kann deshalb offenbleiben, ob eine Ergänzung der Rechtsbeschwerdebegründung im Sinne einer teilweise “Nachholung” derselben, der Sache nach verbunden mit dem Begehren auf (teilweise) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen (teilweiser ) Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist (§ 233 ZPO), hätte Beachtung finden müssen (ablehnend BGH, Urteil vom 13. Februar 1997 - III ZR 285/95, NJW 1997, 1309, 1310; MüKo/Krüger, ZPO, 5. Aufl., § 551 Rn. 20), was allerdings dann naheliegt, wenn - wie hier - die inhaltliche Unvollständigkeit einer an sich fristgerecht eingereichten Rechtsmittelbegründung auf einem Fehler im gerichtsinternen Bereich beruht.
14
c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann der Umstand, dass die Berufungsfrist nicht versäumt ist, nicht in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 7b ZPO in der Rechtsbeschwerdeinstanz berücksichtigt werden.
15
aa) Allerdings kann das Vorbringen eines Restitutionsgrundes trotz der sich aus § 559 ZPO ergebenden Beschränkungen in der Rechtsbeschwerdeinstanz bzw. Revisionsinstanz zulässig sein, auch wenn es sich dabei um Tatsachen handelt, die noch nicht Gegenstand des Berufungsurteils sein konnten. Diese Ausnahme ist durch die Erwägung gerechtfertigt, dass es im Sinne einer vernünftigen Prozessökonomie liegt, Wiederaufnahmegründe noch in einem anhängigen Rechtsstreit zu erledigen, anstatt die Partei, die sie geltend macht, damit auf ein nach rechtskräftigem Abschluss des anhängigen Rechtsstreits einzuleitendes Wiederaufnahmeverfahren zu verweisen. Das ist anerkannt für die in § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO angeführten Restitutionsgründe, wenn deswegen eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist (§ 581 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1951 - IV ZR 3/50, BGHZ 3, 65, 67 f.; Urteil vom 6. März 1952 - IV ZR 80/51, BGHZ 5, 240, 247; Beschluss vom 13. Januar 2000 - IX ZB 3/99, LM ÜberlG Nr. 1), sowie für die Restitutionsgründe nach § 580 Nr. 6 und 7a ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1951 - IV ZR 3/50, BGHZ 3, 65, 67; Urteil vom 23. November 2006 - IX ZR 141/04, ZIP 2007, 697 Rn. 14; insgesamt ablehnend MüKo/Braun, ZPO, 5. Aufl., § 582 Rn. 6). Auch ein neues tatsächliches Vorbringen, das den Tatbestand des § 580 Nr. 7b ZPO erfüllt, kann grundsätzlich berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1952 - IV ZR 80/51, BGHZ 5, 240, 248; Urteil vom 29. Juni 1955 - IV ZR 55/55, BGHZ 18, 59, 60; Beschluss vom 13. Januar 2000 - IX ZB 3/99, LM ÜberlG Nr. 1; Beschluss vom 6. Oktober 2011 - IX ZB 148/11, WM 2011, 2158 Rn. 7).
16
bb) Die Voraussetzungen des § 580 Nr. 7b ZPO liegen jedoch nicht vor.
17
(1) Der Geschäftsstellenbeamte des Berufungsgerichts hat mit E-Mail vom 28. November 2015 den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift des Klägers bestätigt. Die E-Mail kann nicht als Urkunde im Sinne des § 580 Nr. 7b ZPO angesehen werden. Es handelt sich um eine schriftliche Zeugenaussage des Geschäftsstellenbeamten. Die Restitutionsklage kann nicht auf eine Privaturkunde gestützt werden, mit der durch die schriftliche Erklärung einer als Zeuge in Betracht kommenden Person der Beweis für die Richtigkeit der in der Erklärung bekundeten Tatsachen geführt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 - IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389, 395; Beschluss vom 29. Februar 1984 - IVb ZB 28/83, NJW 1984, 1543, 1544 mwN; Beschluss vom 24. April 2013 - XII ZB 242/09, NJW-RR 2013, 833 Rn. 17).
18
(2) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfüllt auch der Beschluss des Berufungsgerichts vom 19. Januar 2016, der auf der Erklärung des Geschäftsstellenbeamten vom 28. November 2015 beruht, nicht den Tatbestand des § 580 Nr. 7b ZPO. Es handelt sich nicht um eine Urkunde, die der Kläger im Sinne dieser Vorschrift aufgefunden hat.
19
(a) Aufgefunden im Sinne des § 580 Nr. 7b ZPO wird eine Urkunde, wenn ihre Existenz oder ihr Verbleib der Partei bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses bzw. bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist in diesem Verfahren unbekannt war (BGH, Beschluss vom 24. April 2013 - XII ZB 242/09, NJW-RR 2013, 833 Rn. 19 mwN). Die Urkunde muss deshalb grundsätzlich bereits zu einem Zeitpunkt errichtet worden sein, zu dem sie die Partei im Vorprozess noch hätte benutzen können (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1959 - IV ZR 311/58, BGHZ 30, 60, 64; siehe auch RGZ 123, 304, 305; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 580 Rn. 16a). Das ist bei dem erst am 19. Januar 2016 erlassenen Beschluss des Berufungsgerichts nicht der Fall.
20
(b) Von diesem Grundsatz werden Ausnahmen nur zugelassen für Urkunden wie beispielsweise Geburtsurkunden oder einen die Schwerbehinderung feststellenden Verwaltungsakt, die ihrer Natur nach nicht im zeitlichen Zusammenhang mit den durch sie bezeugten Tatsachen errichtet werden und deshalb zwangsläufig zurückliegende Tatsachen beweisen (vgl. BAGE 122, 190 Rn. 18 mwN auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Diese Voraussetzungen erfüllt der Beschluss des Berufungsgerichts vom 19. Januar 2016 offensichtlich nicht.
21
3. Auf der Grundlage der Annahme, dass die Berufungsschrift verspätet eingegangen ist, hat das Berufungsgericht dem Kläger durch die Zurückweisung der form- und fristgerecht beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (§ 233 ZPO) nicht den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in einer unzumutbaren , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert. Das Berufungsgericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Kläger die Fristversäumung verschuldet hat.
22
a) Der Kläger hat die ihn als Rechtsanwalt bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze auf dem Postweg in Zeiten eines Poststreiks treffenden Sorgfaltspflichten verletzt.
23
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der anderen Obersten Gerichtshöfe dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden (BVerfG, NJW 1995, 1210, 1211; 2001, 1566; 2003, 1516; Senat, Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217, 1218; jeweils mwN). Er darf vielmehr grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden (Senat, Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 226/12, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - V ZB 187/12, juris Rn. 9, jeweils mwN).
24
bb) Anders liegt es, wenn dem Postkunden besondere Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können. Eine solche Ausnahmesituation, in der das Vertrauen in die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten erschüttert sein kann, ist der Poststreik. Hat ein Prozessbevollmächtigter Kenntnis davon, dass sein fristgebundener Schriftsatz von dem Poststreik betroffen sein kann, und wählt er für die Beförderung gleichwohl den Postweg, obwohl sichere Übermittlungswege (Einwurf in den Gerichtsbriefkasten am Ort; Benutzung eines Telefaxgeräts) zumutbar sind, treffen ihn gesteigerte Sorgfaltsanforderungen (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 1992 - VIII ZR 30/92, NJW 1993, 1332, 1333; Beschluss vom 25. Januar 1993 - II ZB 18/92, NJW 1993, 1333, 1334; Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 126/15, NJW 2016, 2750 Rn. 9 ff.; vgl. auch BVerfG, NJW 1995, 1210, 1211). Von einem Rechtsanwalt, der Kenntnis von dem Beginn eines bundesweiten Poststreiks erlangt hat, ist deshalb zu verlangen, dass er sich über den Streikverlauf so weit wie möglich informiert. Dazu gehört es, die Berichterstattung über den Streik in der Presse, im Rundfunk, im Fernsehen oder auf den Internetportalen der Nachrichtenanbieter zu beobachten sowie die Informationsangebote der Gewerkschaft Verdi oder der Deutschen Post AG zu nutzen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Öffentlichkeit unverzüglich und regelmäßig über Streikaktionen der Gewerkschaft informiert wird.
25
cc) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die ihm obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten nicht erfüllt. Das Berufungsgericht stellt rechtsfehlerfrei fest, dass er zum Zeitpunkt des Einwurfs der Berufungsschrift in den Briefkasten am 11. Juni 2015 bei Anstellen der gebotenen Nachforschungen Kenntnis davon erlangt hätte, dass sie von dem Poststreik betroffen sein kann.
26
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Gewerkschaft Verdi in einer Pressemitteilung vom 9. Juni 2015 über den schrittweisen Beginn des unbefristeten Poststreiks in den bundesweit 83 Briefverteilzentren informiert ; hierüber wurde seinerzeit in den Medien ausführlich berichtet. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass ein Rechtsanwalt unter diesen Umständen von einer Ausdehnung des Poststreiks auf das Stadtgebiet hätte Kenntnis erlangen müssen, ist nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger geltend macht, ein Anwalt könne nicht gehalten sein, die Online-Mitteilungen eines jeden Nachrichtenanbieters zu verfolgen, ergibt sich daraus nichts anderes. Der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Internetseite des WDR ist nur beispielhaft gemeint und in rückschauender Betrachtung als Beleg dafür gedacht, dass der Poststreik (auch) in Düsseldorf schon vor dem 11. Juni 2015 Gegenstand öffentlicher Berichterstattung war. Entscheidend ist, dass in den Medien ausführlich über den Streik berichtet wurde.
27
b) Der Kläger ist auch bei der Übersendung der Berufungsschrift am 11. Juni 2015 per Telefax seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen. Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerfrei an, dass sich seinen Darlegungen in dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entnehmen lässt, dass in seiner Kanzlei eine hinreichende Ausgangskontrolle per Telefax versandter fristgebundener Schriftsätze gewährleistet war.
28
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist (Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 - V ZB 86/15, NJW-RR 2016, 636 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZB 51/12, juris Rn. 6; Beschluss vom 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 11; Beschluss vom 13. Juni1996 - VII ZB 13/96, NJW 1996, 2513). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 12).
29
bb) Gemessen daran hat der Kläger nicht gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er seine Kanzleiangestellte angewiesen hat, die erforderliche Ausgangskontrolle vorzunehmen.
30
(1) Das Berufungsgericht hat die eidesstattlichen Versicherungen rechtsfehlerfrei gewürdigt. Es vermisst zu Recht eine Darstellung des Klägers zur Organisation der Ausgangskontrolle gesendeter Faxe in seiner Kanzlei. Dass es eine solche Anweisung gegeben hat, lässt sich auch nicht den eidesstattlichen Versicherungen entnehmen. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg auf die eidesstattliche Versicherung seiner Kanzleiangestellten, in der diese erklärt, sie habe es „wohl versäumt, das Faxprotokoll daraufhin zu überprüfen, ob das Fax durchgegangen ist.“ Diese Formulierung impliziert entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass sie zur Überprüfung angewiesen gewesen sei. Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes „versäumt“ lässt sich ein Verstoß ge- gen eine Anweisung nicht ableiten. Ein Versäumnis kann sich z.B. auch auf eine unausgesprochene Übung beziehen. Eine solche Übung steht einer Anweisung nicht gleich.
31
(2) Entgegen der Ansicht des Klägers war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, auf die nicht ausreichenden Gründe des Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen (§ 139 ZPO). Eine Hinweispflicht besteht nur bezogen auf erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben (Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 173/10, juris Rn. 7 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Rechtsanwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag in dem Wiedereinsetzungsgesuch dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369 mwN).

IV.

32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über den Beschwerdewert folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.
Stresemann Brückner Weinland Kazele Haberkamp

Vorinstanzen:
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 07.05.2015 - 10 O 191/14 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.08.2015 - I-24 U 104/15 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 581 Besondere Voraussetzungen der Restitutionsklage


(1) In den Fällen des vorhergehenden Paragraphen Nummern 1 bis 5 findet die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus andere

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2019 - I ZB 47/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 47/18 vom 24. Januar 2019 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren ECLI:DE:BGH:2019:240119BIZB47.18.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die

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bei uns veröffentlicht am 19.03.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 27/17 vom 19. März 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:190319BVIZB27.17.0 Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2019 durch den Richter Wellner als Vorsitzenden, die Richterinnen Dr. Oehl

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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

4
1. Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Zulässig ist sie aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21, 22). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 191/02
vom
7. Mai 2003
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
1. Auch die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden
Beschluß ist nur unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zulässig.
2. Zu den Voraussetzungen des gewillkürten Klägerwechsels im zweiten Rechtszug.
3. Zu den Möglichkeiten des Rechtsträgers, ein Urteil anzufechten, das die Klage
des vermeintlichen gesetzlichen Prozeßstandschafters als unbegründet abgewiesen
hat.
BGH, Beschluß vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02 - OLG Schleswig
AG Mölln
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2003 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 2. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. September 2002 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt

600


Gründe:

I.

Die Klägerin zu 1 ist die geschiedene Ehefrau des Beklagten. Mit ihrer nach Rechtskraft der Scheidung erhobenen Klage nahm sie ihn auf Zahlung von Kindesunterhalt für die aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kläger zu 2 und 3 in Anspruch. Das Amtsgericht wies die Klage unter anderem wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des Beklagten als unbegründet ab. Dagegen legte die Klägerin zu 1 Berufung ein. In der innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist eingereichten Berufungsbegründung heißt es einlei-
tend, daß nunmehr die Kläger zu 2 und 3, beide gesetzlich vertreten durch die Klägerin zu 1, ihre Unterhaltsansprüche im eigenen Namen geltend machen, weswegen um Berichtigung des Rubrums gebeten werde. Das Berufungsgericht verwarf die Berufungen sämtlicher Kläger als unzulässig. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie vor allem geltend machen, das Berufungsgericht habe die Berufung der Klägerin zu 1 nicht mangels Begründung als unzulässig ansehen dürfen; vielmehr hätte es die namens der Kläger zu 2 und 3 eingereichte Berufungsbegründung auch als solche der Klägerin zu 1 verstehen müssen.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. 1. Soweit die Rechtsbeschwerdeführer geltend machen, im Falle der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung einer Berufung als unzulässig (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) erübrige sich eine Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, vermag der Senat dem - entgegen Piekenbrock/ Schulze JZ 2002, 911, 920 - allerdings nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat § 547 ZPO a.F. bewußt nicht in das neue Recht übernommen, sondern fehlerhafte Entscheidungen der Berufungsgerichte zur Zulässigkeit der Berufung fehlerhaften Sachentscheidungen gleichgestellt (vgl. Wenzel NJW 2002, 3353, 3357 m.N.).
Für ihre gegenteilige Auffassung können die Rechtsbeschwerdeführer sich auch nicht darauf berufen, der Bundesgerichtshof (Beschluß vom 26. September 2002 - III ZB 44/02 - NJW 2002, 3636 f.) habe einer Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung stattgegeben, ohne die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO zu prüfen. Vielmehr wurde die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde in jenem Fall mit der Begründung bejaht, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO); dieser Teil der Entscheidung ist allerdings in NJW 2002, 3636 f. nicht mit veröffentlicht. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2). Denn die Voraussetzungen eines gewillkürten Klägerwechsels in der Berufungsinstanz sind höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt; dies gilt insbesondere für die hier entscheidende Frage, ob der vermeintliche Prozeßstandschafter, dessen Klage in erster Instanz fälschlicherweise durch Sachurteil abgewiesen wurde, die von ihm eingelegte Berufung selbst begründet und mit ihr zunächst die eigene Beschwer bekämpft haben muß, ehe der Inhaber des Rechts im Wege des Klägerwechsels das Berufungsverfahren im eigenen Namen weiterführen kann. 2. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß mit der Berufungsbegründung ein gewillkürter Parteiwechsel erklärt wurde, der sachdienlich ist, weil in erster Instanz alle Beteiligten übersehen hatten, daß die Klägerin zu 1 den Unterhaltsanspruch der Kläger zu 2 und 3 nicht im eigenen Namen einklagen konnte, weil die Voraussetzungen der gesetzlichen Prozeß-
standschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB schon bei Erhebung der Klage wegen der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs nicht mehr vorlagen. Das Berufungsgericht führt weiter aus, die Berufung der Klägerin zu 1 sei unzulässig, da sie nicht fristgerecht begründet worden sei. Denn mit der (fristgerecht eingereichten) Berufungsbegründungsschrift sei die Berufung erklärtermaßen allein für die Kläger zu 2 und 3 begründet worden. Daraus folge zugleich die Unzulässigkeit der Berufungen der Kläger zu 2 und 3, denn ein zulässiger Klägerwechsel in der Berufungsinstanz setze voraus, daß der bisherige Kläger eine zulässige Berufung eingelegt habe. Ferner scheitere die Berufung der Kläger zu 2 und 3 an der vom Bundesgerichtshof (Beschluß vom 21. September 1994 - VIII ZB 22/94 - NJW 1994, 3358, 3359 m.N.) geforderten weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung, daß der im ersten Rechtszug erhobene Klaganspruch zumindest teilweise weiterverfolgt werde, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Klageabweisung mithin in Frage gestellt werde und nicht nur im Wege der Klageänderung ein neuer, bisher nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt werde. Hier habe das Familiengericht den Klageanspruch der Klägerin auf Zahlung von Kindesunterhalt zu ihren Händen zurückgewiesen, während in der Berufungsinstanz nunmehr ein neuer Anspruch, nämlich der Unterhaltsanspruch der Kläger zu 2 und 3, zur Entscheidung gestellt worden sei. Das hält der rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand: 3. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob die Berufungsbegründung der Kläger zu 2 und 3 zugleich auch als solche der Klägerin zu 1 auszulegen sei, - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht befaßt. Denn auch bei einer solchen Auslegung wäre die Berufung der Klägerin zu 1 nach der Auffas-
sung des Berufungsgerichts unzulässig gewesen, weil sie den in erster Instanz erhobenen Klaganspruch mit der Berufungsbegründung nicht weiterverfolgt habe. Der Senat kann die namens der Kläger zu 2 und 3 abgegebene Prozeßerklärung selbst auslegen. Insoweit hat das Berufungsgericht zunächst zutreffend erkannt, daß mit ihr - ungeachtet der Bitte, das Rubrum zu berichtigen - ein gewillkürter Klägerwechsel erklärt wurde. Aus der Erklärung, daß die Kläger zu 2 und 3 ihre Unterhaltsansprüche nunmehr im eigenen Namen geltend machen , ist zudem zu entnehmen, daß die Klägerin zu 1 das Berufungsverfahren nur noch als gesetzliche Vertreterin der Kläger zu 2 und 3, aber nicht mehr im eigenen Namen als (vermeintliche) Prozeßstandschafterin fortführen wollte. Sie ist damit als Partei aus dem Verfahren ausgeschieden (vgl. Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 269 Rdn. 5 m.N.). Die vom Berufungsgericht gleichwohl ausgesprochene Verwerfung ihrer Berufung kann daher keinen Bestand haben. 4. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die im ersten Rechtszug nicht beteiligten Kläger zu 2 und 3 allein rechtsmittelbefugt gewesen wären, die Berufung also von vornherein im eigenen Namen hätten einlegen können (vgl. Berger , Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft S. 211; zum markenrechtlichen Widerspruchsverfahren vgl. auch BPatG GRUR 2000, 815, 817 m.N.; offen gelassen von BGH, Beschluß vom 21. September 1994 aaO unter 2 b bb). Denn hier ist die Berufung zulässigerweise von der Klägerin zu 1 eingelegt worden, die Partei des erstinstanzlichen Verfahrens war und durch die Abweisung ihrer Klage formell beschwert ist. 5. Es trifft zwar zu, daß ein Parteiwechsel in der Berufungsinstanz grundsätzlich eine zulässige Berufung voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1994 - VII ZR 159/92 - WM 1994, 1212, 1213 unter 2 c; BGH, Be-
schluß vom 21. September 1994 aaO S. 3359 unter 2 b aa). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Parteiwechsel nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erklärt wird, da er eine bereits eingetretene Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht mehr beseitigen kann. Unproblematisch ist diese Voraussetzung auch dann, wenn man die Rechtsmittelbefugnis eines bisher am Verfahren nicht beteiligten Dritten bejaht und es für zulässig erachtet, daß dieser mit der Erklärung des Parteiwechsels - wie der Nebenintervenient gemäß § 66 Abs. 2 ZPO - zugleich das Rechtsmittel selbst einlegt. Zu fragen ist lediglich, welche Anforderungen an die Zulässigkeit einer allein von der ursprünglichen Partei eingelegten Berufung zu stellen sind, wenn der Parteiwechsel vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erklärt wird und lediglich die neue Partei das Rechtsmittel fristgerecht begründet. In einem solchen Fall kann die infolge des Parteiwechsels an die Stelle des ursprünglichen Berufungsklägers getretene neue Partei die Zulässigkeit der rechtzeitig eingelegten Berufung durch eine eigene fristgerechte Begründung wahren. Denn vor Ablauf der Begründungsfrist war die eingelegte Berufung jedenfalls noch nicht mangels Begründung unzulässig. Zumindest im hier vorliegenden Fall eines sachdienlichen Klägerwechsels, der der Zustimmung des Gegners nicht bedarf (vgl. BGHZ 65, 264, 268), ist keine prozessuale Notwendigkeit ersichtlich, statt oder neben einer rechtzeitigen Berufungsbegründung der neuen Kläger eine rechtzeitige Berufungsbegründung des ursprünglichen Rechtsmittelführers zu verlangen, zumal wenn dieser mit der Erklärung des Parteiwechsels aus dem Verfahren ausgeschieden ist (vgl. auch Pfeiffer LM § 263 ZPO Nr. 24 a.E.), und zwar im vorliegenden Fall aus gutem Grund, da neben der Klage des Rechtsinhabers im gleichen Prozeß kein Raum für eine gerichtliche Verfolgung desselben Anspruchs in Prozeßstandschaft ist und umgekehrt (vgl. BGHZ 123, 132, 136 m.N.).
Dem steht der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 21. September 1994 aaO 3359 nicht entgegen, wie der VIII. Zivilsenat auf Anfrage bestätigt hat. Zwar ist dort (aaO unter 2 b aa) ausgeführt, der Klägerwechsel in zweiter Instanz setze eine zulässige Berufung des ursprünglichen Klägers voraus, an der es fehle, wenn dieser seine Berufung nicht rechtzeitig begründet habe. Auf dieser Erwägung beruht die Entscheidung des VIII. Zivilsenats aber letztlich nicht. Er hat die seiner Beurteilung unterliegende Berufung vielmehr aus anderen Gründen als unzulässig angesehen (aaO unter 2 b bb aaa) und die Frage, die der erkennende Senat nunmehr bejaht, ausdrücklich offengelassen, nämlich ob es aus Gründen der Prozeßökonomie ausnahmsweise zulässig sein kann, daß anstelle des in erster Instanz abgewiesenen Klägers ein Dritter in den Prozeß eintritt, bevor die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung des ursprünglichen Klägers erfüllt sind, die Berufung also von Anfang an für den neuen Kläger begründet werden kann (aaO unter 2 b bb). 6. Es bleibt jedoch auch in diesem Fall bei der weiteren Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, daß der Angriff des Rechtsmittelführers (auch) auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet sein muß. Das Rechtsmittel ist unzulässig, wenn mit ihm lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird; vielmehr muß zumindest auch der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99 - ZIP 2000, 2222 f. m.N., vom 21. September 1994 aaO 3359 unter 2 b bb aaa und vom 17. September 1992 - IX ZB 45/92 - ZIP 1993, 64; BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/96 - NJW-RR 1996, 1276; a.A. Pfeiffer aaO und Altmeppen ZIP 1992, 449, 450 f. und ZIP 1993, 65 ff.).
Diese Voraussetzung ist hier jedoch - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - erfüllt. Der Streitgegenstand hat sich dadurch, daß nunmehr die Rechtsinhaber anstelle des vermeintlichen Prozeßstandschafters ihren Anspruch auf Kindesunterhalt gegen den Beklagten weiterverfolgen, nicht geändert (vgl. Berger aaO S. 210). Die Kläger zu 2 und 3 begehren mit ihrem Rechtsmittel die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer , die auch die ihre ist, weil ihr Unterhaltsanspruch durch Sachurteil aberkannt wurde. Insoweit kann dahinstehen, ob sich, wenn diese Entscheidung rechtskräftig würde, deren Rechtskraft ausnahmsweise nicht gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 2 BGB auf sie erstreckt, weil ein Fall der Prozeßstandschaft nicht vorgelegen hatte (so Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 2. Aufl. § 28 I 6 S. 265), oder ob der Rechtsträger an die im Ersturteil jedenfalls stillschweigend mitenthaltene Feststellung gebunden wäre, daß die als Prozeßstandschafter auftretende Partei prozeßführungsbefugt war (vgl. Berger aaO S. 180). Allein die Ungewißheit über die höchstrichterlich noch nicht geklärte Tragweite der Rechtskraft einer solchen Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98 - ZIP 2000, 149, 150 m. Anm. Marotzke EWiR 2000, 405, 406; Musielak/Weth ZPO 3. Aufl. § 51 Rdn. 36) reicht aus, die Rechtsmittelbefugnis des Rechtsträgers zu bejahen, um ihm die Möglichkeit zu geben, der möglicherweise auch ihn bindenden Rechtskraft einer Sachabweisung zuvorzukommen (Berger aaO S. 185). Dies ist auch ein Gebot der Prozeßökonomie , da der Rechtsträger andernfalls darauf verwiesen wäre, einen weiteren Prozeß zu führen, nämlich entweder in einem zweiten Prozeß gegen den Beklagten geltend zu machen, die Partei des ersten Verfahrens sei nicht prozeßführungsbefugt gewesen und die Rechtskraft des Ersturteils stehe seiner Klage daher nicht entgegen (vgl. Grunsky aaO), oder aber die Rechtskraft des Erst-
urteils mit der Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu beseitigen (vgl. Berger aaO S. 185; vgl. auch BGHZ 84, 24, 28 ff. und 143, 122, 127). 7. Auch die Verwerfung der Berufung der Kläger zu 2 und 3 kann daher keinen Bestand haben. Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr über die Kostenfolge des Ausscheidens der Klägerin zu 1 und hinsichtlich der Kläger zu 2 und 3 in der Sache zu entscheiden haben wird.
Hahne RiBGH Sprick ist urlaubsbedingt Weber-Monecke verhindert zu unterschreiben. Hahne Wagenitz Ahlt

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 40/03
vom
18. September 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja zu III. 1
BGHR: ja
Die Rechtsbeschwerde gegen einen Verwerfungsbeschluß des Berufungsgerichts
kann grundsätzlich nicht auf Tatsachen gestützt werden, die belegen sollen, daß die
Berufungsbegründungsfrist gewahrt war, wenn sie in der Berufungsinstanz nicht
vorgetragen worden sind.
BGH, Beschluß vom 18. September 2003 - IX ZB 40/03 - Kammergericht Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Kayser, Dr. Bergmann und
am 18. September 2003

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. Dezember 2002 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 9.460,73

Gründe:


I.


Der Kläger, ein Steuerberater, wurde mit einer Klage auf Zahlung offener Gebührenforderungen durch Urteil des Landgerichts vom 2. Juli 2002 abgewiesen. Ausweislich einer bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde das Urteil am 26. September 2002 durch persönliche Übergabe an seinen Prozeßbevollmächtigten zugestellt. Dieser legte für den Kläger am 7. Oktober 2002 Berufung ein und beantragte am 27. November 2002 eine Verlängerung der Begründungsfrist. Der Vorsitzende des Berufungssenats wies den Prozeßbevollmächtigten des Klägers unter dem 29. November 2002
darauf hin, daß dem Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werden könne, weil er verspätet, nämlich nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei. Aus der Postzustellungsurkunde ergebe sich, daß das angefochtene Urteil dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers - durch Übergabe an ihn persönlich - am 26. September 2002 zugestellt worden sei. Dieses Schreiben wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 2. Dezember 2002 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2002 bat jener, die mitgeteilte Rechtsansicht zur Fristüberschreitung zu überprüfen. Mit Beschluß vom 23. Dezember 2002 verwarf das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig.

II.


Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde. Er macht geltend, der Postbedienstete habe keineswegs das zuzustellende Urteil des Landgerichts seinem Prozeßbevollmächtigten am 26. September 2002 übergeben, sondern am 27. September 2002 in den Briefkasten einer Nachbarin seines Prozeßbevollmächtigten eingeworfen; die Nachbarin habe die - geöffnete - Sendung sodann in den Briefkasten des Prozeßbevollmächtigten gelegt. Auf dem Briefumschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthalten habe, sei von dem Postbediensteten der 27. September 2002 vermerkt worden. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Berufung für zulässig zu erklären und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Hauptsache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise beantragt er, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, die Berufung für zulässig zu erklären und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und
Entscheidung über die Hauptsache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Höchst hilfsweise beantragt er die Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

III.


Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern.
1. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, wann der Lauf einer Rechtsmittelbegründungsfrist beginnt, wenn das in der Zustellungsurkunde angegebene Zustellungsdatum von dem Datum abweicht, das auf dem die zuzustellende Entscheidung enthaltenden Umschlag vermerkt ist, hat zwar grundsätzliche Bedeutung (vgl. dazu Häublein, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPOReform 2002 mit Zustellungsreformgesetz S. 385 f); sie stellt sich jedoch nicht. Die angebliche Tatsache, daß auf dem Umschlag ein anderes - späteres - Datum vermerkt ist als in der Zustellungsurkunde, hat der Kläger erst nach Zustellung des angefochtenen Verwerfungsbeschlusses vorgetragen und hernach in seiner Rechtsbeschwerdebegründung aufgegriffen. Damit handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz.
Grundsätzlich können in der Rechtsbeschwerdeinstanz - ebenso wie in der Revisionsinstanz - neue Tatsachen und Beweise nicht vorgebracht werden.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar anerkannt, daß das Revisionsgericht neues Vorbringen berücksichtigt, das für die Zulässigkeit der Berufung maßgebend ist. Dabei handelte es sich aber ausschließlich um Fälle, bei denen das Revisionsgericht aufgrund der von Amts wegen gebotenen Prüfung (BGHZ 102, 37, 38; BGH, Urt. v. 7. Oktober 1997 - XI ZR 233/96, NJW 1998, 602, 603; v. 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226; BVerwG NJW 1986, 862) die Zulässigkeit der Berufung - abweichend von der Meinung des Berufungsgerichts - verneinte, sei es weil dem Berufungsführer zu Unrecht Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsfrist gewährt (BGHZ 6, 369, 370) oder die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist übersehen worden war (BGHZ 7, 280, 284; BGH, Urt. v. 4. November 1981 - IVb ZR 625/80, NJW 1982, 1873), sei es weil das Berufungsgericht rechtsirrtümlich gemeint hatte, die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil sei gewahrt (BGH, Urt. v. 21. Juni 1976 - III ZR 22/75, NJW 1976, 1940), oder verkannt hatte, daß eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung fehlte (BVerwG NJW 1986, 862: Zulassung der Berufung gemäß Art. 2 § 4 Abs. 2 EntlastG i.V.m. § 131 VwGO). In allen diesen Fällen war die Zulässigkeit der Berufung eine Prozeßfortsetzungsbedingung. Nur wenn das erstinstanzliche Urteil durch eine zulässige Berufung angegriffen worden und somit noch nicht in Rechtskraft erwachsen war, konnte ein rechtswirksames Verfahren vor dem Revisionsgericht stattfinden (BGH, Urt. v. 4. November 1981 aaO). Um eine Prozeßfortsetzungsbedingung ging es auch in einem anderen Fall, in dem die Revision ausdrücklich gerügt hatte, die Berufung der Gegenseite sei nicht fristgerecht begründet gewesen (BGH, Urt. v. 30. September 1987 - IVb ZR 86/86, NJW 1988, 268). Damals hat der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufung bejaht. Neues Vorbringen war nicht zu berücksichtigen.

Hat hingegen schon das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, ist deren Zulässigkeit in der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz (je nachdem, ob das Berufungsgericht durch Urteil oder gemäß § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch Beschluß entschieden hat) keine Prozeßfortsetzungsbedingung. Ein rechtswirksames Verfahren vor dem Bundesgerichtshof ist hier auch dann möglich, wenn die Berufung unzulässig war. Die Frage nach der Zulässigkeit der Berufung ist in der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz alleiniger Verfahrensgegenstand. Zu diesem Punkt muß die Begründung der Revision oder Rechtsbeschwerde Rügen enthalten (§ 551 Abs. 3 Nr. 2, § 575 Abs. 3 Nr. 3 ZPO); andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (§ 552 Abs. 1 Satz 2, § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeführer kann nicht davon ausgehen, er brauche sein Rechtsmittel nicht zu begründen, weil das Revisions- oder Rechtsbeschwerdegericht die Zulässigkeit der Berufung von Amts wegen prüfen müsse. Die von dem Rechtsmittelführer zu erhebenden Rügen können grundsätzlich nur auf Tatsachen gestützt werden, die gemäß § 559 Abs. 1, § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO berücksichtigungsfähig sind. Grundsätzlich müssen diese Tatsachen deshalb in der Berufungsinstanz vorgetragen worden sein.
Allerdings kann eine Revision oder eine Rechtsbeschwerde gegen eine die Berufung verwerfende Entscheidung möglicherweise auch darauf gestützt werden, diese leide deshalb an einem Verfahrensfehler, weil das Berufungsgericht eine von Amts wegen gebotene Prüfung der Zulässigkeit der Berufung unterlassen habe. Dazu braucht der Senat nicht abschließend Stellung zu nehmen. Vorliegend ist bereits fraglich, ob die Rechtsbeschwerde eine derartige Verfahrensrüge erhoben und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Jedenfalls
wäre sie nicht begründet. Das Berufungsgericht hatte keinen Anlaß für Ermittlungen von Amts wegen. Anhaltspunkte dafür, daß das in der Zustellungsurkunde genannte Zustellungsdatum "26.9.2002" unzutreffend sein könnte, hätte allein Vorbringen des Klägers liefern können. Dieser hat jedoch in der Berufungsinstanz eher beiläufig und ohne jede Vertiefung vorgetragen, die Berufung richte sich gegen "das am 27.9.2002 zugestellte" Urteil. Auch als der Vorsitzende des Berufungssenats den Kläger darauf hinwies, daß das angefochtene Urteil ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 26. September 2002 zugestellt worden sei, beschränkte sich der Kläger auf die Bitte, die mitgeteilte "Rechtsansicht zur Fristüberschreitung" zu überprüfen. Dieser Vortrag mußte bei dem Berufungsgericht keine Zweifel an der Beweiskraft der Zustellungsurkunde (§ 182 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, § 418 ZPO) wecken.
Der Anwendung von § 559 Abs. 1, § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, daß eine weitergehende Berücksichtigung neuer Tatsachen in der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz möglich ist, sofern es sich um Prozeßvoraussetzungen handelt. Hier ist neuer Tatsachenvortrag beachtlich, gleichgültig ob dies zum Wegfall oder Eintritt der Prozeßvoraussetzungen führt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat dies seinen Grund darin, daß Sachentscheidungsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes BGHZ 91, 111, 115; BGHZ 85, 288, 290; 100, 217, 219; 104, 215, 221; BGH, Urt. v. 10. Oktober 1985 - IX ZR 73/85, WM 1986, 58, 59; v. 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87, NJW 1988, 1585, 1587; v. 16. Mai 1991 - IX ZR 81/90, NJW 1992, 627). Wird eine Verwerfungsentscheidung des Berufungsgerichts mit einem Rechtsmittel angegriffen, ist die Zulässigkeit der Berufung jedoch
weder eine Sachentscheidungsvoraussetzung, noch findet - wie oben ausge- führt - eine Prüfung von Amts wegen statt.
2. Die vorstehende Begründung, weshalb die Zustellungsproblematik nicht zu entscheiden ist, hat zwar ihrerseits wiederum grundsätzliche Bedeutung. Dies nötigt aber nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Denn diese hat sich dazu nicht geäußert.
3. Die gerügte Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) liegt nicht vor. Daß das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers über den Zeitpunkt der Zustellung an seinen Verfahrensbevollmächtigten "völlig außer acht gelassen" hat, wie die Rechtsbeschwerde meint, ist nicht ersichtlich. Es durfte vielmehr den Vortrag für unerheblich halten (vgl. oben zu 1).
4. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht nicht auf einem "rechtsstaatswidrigen Unterlassen" des Berufungsgerichts.

a) Daß - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - ein Rechtsmittelgericht verpflichtet sei, im Interesse des Rechtsmittelführers noch vor Ablauf der Begründungsfrist zu prüfen, ob sich jener etwa unzutreffende Vorstellungen über das Fristende macht, und ihm einen entsprechenden Hinweis zu geben, so daß er die Frist noch einhalten kann, erscheint auch im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 1995 (NJW 1995, 3173), auf die sich die Rechtsbeschwerde bezieht, fraglich. Der Senat braucht hierzu nicht abschließend Stellung zu nehmen. Falls die Begründungsfrist versäumt war, bot der Hinweis des Vorsitzenden des Berufungssenats in der Verfügung
vom 29. November 2002 dem Klägervertreter hinreichenden Anlaß, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Diesem hätte stattgegeben werden müssen, wenn der Kläger die Berufungsbegründung rechtzeitig vorgelegt hätte (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und es ihm gelungen wäre, die jetzt in der Rechtsbeschwerdeinstanz vorgebrachte Divergenz zwischen den Zustellungsdaten glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Mit der erfolgten Wiedereinsetzung wäre eine etwaige Versäumung entfallen.

b) Auf den richterlichen Hinweis vom 29. November 2002 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2002 das Berufungsgericht gebeten, es möge "die mitgeteilte Rechtsansicht zur Fristüberschreitung ... überprüfen", und es dabei wiederum bei dem schlichten Hinweis auf das angebliche Zustellungsdatum "27.9.2002" bewenden lassen. Das Berufungsgericht ist darauf erst in seinem Verwerfungsbeschluß vom 23. Dezember 2002 eingegangen. Dies stellt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weder einen "Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG" noch gegen "das Willkürverbot nach Art. 3 GG" dar. Der Schriftsatz vom 15. Dezember 2002 enthielt keinen Wiedereinsetzungsantrag. Der Kläger ging davon aus, die Frist gewahrt zu haben. Demgemäß fehlte jegliche Darlegung, daß ihn an einem etwaigen Fristversäumnis kein Verschulden treffe. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht auch nicht gehalten zu prüfen, ob dem Kläger gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ohne einen entsprechenden Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift lagen nicht vor. Die Berufungsbegründung hat der Kläger am 27. Dezember 2002 und somit nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingereicht. Diese beträgt zwei Wochen (§ 234 Abs. 1 ZPO)
und beginnt mit dem Tag, an dem das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das war hier mit Zugang der richterlichen Verfügung vom 29. November 2002 - am 2. Dezember 2002 - der Fall. Selbst wenn der Mitteilung keine Kopie der Zustellungsurkunde beilag, durfte der Klägervertreter nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, ohne weiteres davon ausgehen, daß die Verfügung vom 29. November 2002 auf einem Versehen beruhte. Damit lief die Wiedereinsetzungsfrist am 16. Dezember 2002 ab.
5. Auch mit den Hilfsanträgen ist die Rechtsbeschwerde unzulässig. Zwar steht es einer Partei frei, im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend zu machen , sie habe die als unzulässig verworfene Berufung rechtzeitig eingelegt und begründet, und für den Fall, daß das Gericht dem nicht folgt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312; v. 27. Februar 2002 - I ZB 23/01, NJW-RR 2002, 1071, 1072). Indes ist im vorliegenden Fall - wie bereits unter 3. ausgeführt - der Wiedereinsetzungsantrag verspätet. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hierbei nicht.
Kreft Ganter Kayser
Richter am Bundesgerichtshof ! #" $ % ist wegen Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizu- fügen. Bergmann Kreft
16
cc) Der Senat ist nicht gehalten, die fehlenden Feststellungen des Berufungsgerichts selbst zu treffen. Wird eine Verwerfungsentscheidung des Berufungsgerichts mit einem Rechtsmittel angegriffen, ist die Zulässigkeit der Berufung weder eine Sachurteilsvoraussetzung noch findet eine Prüfung von Amts wegen statt. Vielmehr ist die Frage nach der Zulässigkeit der Berufung alleiniger Verfahrensgegenstand. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verwerfung der Berufung durch Beschluss erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2003 - IX ZB 40/03, BGHZ 156, 165, 168 f.) oder - wie hier - durch Urteil.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) In den Fällen des vorhergehenden Paragraphen Nummern 1 bis 5 findet die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann.

(2) Der Beweis der Tatsachen, welche die Restitutionsklage begründen, kann durch den Antrag auf Parteivernehmung nicht geführt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 3/99
vom
13. Januar 2000
in dem Rückerstattungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ÜberlG §§ 1, 2; ZPO §§ 561, 580 ff; BRüG §§ 6a, 43a

a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berücksichtigung tatsächlichen
Vorbringens zu Restitutionsgründen in der Revisionsinstanz gilt grundsätzlich
auch im Verfahren der weiteren Beschwerde in Rückerstattungssachen.

b) Der im Allgemeininteresse liegende Zweck des § 6a BRüG gebietet es, Behauptungen
zu Restitutionsgründen, mit denen einem unlauteren Verhalten
des Antragstellers entgegengetreten werden kann, im Verfahren der weiteren
Beschwerde zuzulassen.
BGH, Beschluß vom 13. Januar 2000 - IX ZB 3/99 - KG Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer
am 13. Januar 2000

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Antragsgegners werden die Beschlüsse des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 1. Dezember 1998 und der Zivilkammer 150 des Landgerichts Berlin vom 11. Juli 1990 aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:


I.


Die 1934 aus Deutschland ausgewanderte Antragstellerin hat als Alleinerbin ihrer am 10. April 1935 in Berlin als Witwe verstorbenen Mutter B. M.
geb. Ma. rückerstattungsrechtlichen Schadensersatz wegen Entziehung von Schmuck, Hausratssilber und einer Münzsammlung im Wiederbeschaffungswert von insgesamt 234.778,40 DM begehrt. Die Anspruchsanmeldung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13. April 1960 zurückgenommen, "da anzunehmen ist, dass seitens der oder des Testamentsvollstreckers eine Regelung durchgeführt wurde". Mit Schriftsatz vom 8. August 1960 hat die Antragstellerin beantragt, den Schriftsatz vom 13. April 1960 als unwirksam anzusehen, hilfsweise , ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr sei zur Zeit der Rücknahme nicht bekannt gewesen , daß tatsächlich noch Beweisunterlagen existiert hätten. Im Sommer dieses Jahres (1960) habe sie unter ihren vielen Papieren zufällig einen Brief ihres Onkels - des am 10. Januar 1941 verstorbenen Justizrats S. Ma., eines Bruders ihrer Mutter - vom 15. November 1938 gefunden. Danach stehe fest, daß die Schmucksachen zugunsten des Deutschen Reiches hätten abgeliefert werden müssen. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1960 hat die Antragstellerin weiter hilfsweise beantragt, das Verfahren mit Rücksicht auf die Urkunde vom 15. November 1938 wieder aufzunehmen. Der vorgedruckte Briefkopf dieses Schreibens weist unter anderem den Namen "Justizrat S. Ma." auf. Der mit Schreibmaschine geschriebene Text hat folgenden Wortlaut:
"Liebe T., Du musst die Anträge bei der Devisenstelle dringend stellen, da mir Israel wieder eine Rechnung geschickt hat. Ich glaube, dass die Wohnungseinrichtung Deiner lieben Mutter dort noch am sichersten untergebracht ist, wenn man in Betracht zieht, unter welch schwierigen Umständen ich und Onkel W. die Sachen zu Israel transportieren liessen. Wie ich Dir schon beschrieb, musste ich die Schmucksachen Deiner lieben Eltern bei einer dafür besonders eingerichteten amtlichen
Stelle abliefern. Das ist eine allgemeine Bestimmung und kann mann nur hoffen, dass Du sie zurück erhältst, wenn erst wieder normale Zeiten sind. Lass bald wieder von Dir hören und sei herzlichst gegrüsst von Deinem" Danach folgt in Handschrift das Wort "S.".
Die Antragstellerin hat behauptet, ihre Mutter sei vor ihrem Tode eine Woche bettlägerig krank gewesen. Als der Arzt zur Operation geraten habe, habe die Mutter ihren Schmuck und die Münzsammlung dem Justizrat Ma. zur Aufbewahrung übergeben. Dieser habe die Sachen im Jahre 1938 an eine amtliche Stelle abliefern müssen. Dazu hat die Antragstellerin ein undatiertes, auf einem Blatt mit dem Briefkopf "Justizrat S. Ma." enthaltenes und ebenfalls mit "S." unterzeichnetes Schreiben sowie eine elfseitige Wertsachenaufstellung vorgelegt. Der maschinengeschriebene Text dieses Schreibens lautet:
"Liebe T., Mein Mandant, Herr Sch., hat sich freundlicher Weise bereit erklärt, Dir die Aufstellung der abgelieferten Wertsachen zu übergeben und Dir die diesbezüglichen näheren Umstände zu schildern. Entgelt wurde nicht gezahlt, da die Konfiszierung nur eine vorübergehende Sicherheitsmassnahme darstellt. Auf baldiges Wiedersehen, Dein",
Am Ende der Wertsachenaufstellung heißt es:
"Abgeliefert nach amtlicher Aufforderung November 1938."
Danach folgt die Unterschrift "S. Ma.".
Das Landgericht hat den Rückerstattungsanspruch mit Beschluß vom 13. Februar 1969 zurückgewiesen, weil das Verfahren durch die Rücknahme des Anspruchs beendet worden sei. Die sofortige Beschwerde zum Kammergericht ist erfolglos geblieben. Die Entscheidungen wurden durch Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin vom 24. Februar 1972 mit der Begründung aufgehoben, eine an sich unwiderrufliche Prozeßhandlung wie die Rücknahme des Rückerstattungsantrags könne bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes widerrufen werden. Ein solcher Wiederaufnahmegrund sei hier in Gestalt des Schreibens des Justizrats Ma. gegeben (§ 580 Nr. 7b ZPO). Die Existenz des Schreibens sei der Antragstellerin bis zum Sommer 1960 unbekannt gewesen, und es könne festgestellt werden, daß die auf diese Unkenntnis zurückzuführende Unmöglichkeit, das Schreiben schon früher vorzulegen , nicht auf Verschulden beruhe.
Mit Beschluß vom 4. September 1980 hat das Landgericht den Rückerstattungsanspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe die Ablieferung von Wertgegenständen im Jahre 1938 durch Justizrat Ma. - dieser hatte aus rassischen Gründen im Jahre 1933 sein Notariat und im Jahre 1937 seine Anwaltspraxis verloren und sich von da an im Jüdischen Altersheim aufgehalten - nicht beweisen können. Das undatierte Schreiben und die
Wertsachenaufstellung seien nicht vor 1950 gefertigt und schieden deshalb als Entziehungsnachweis aus.
Diesen Beschluß hat das Kammergericht mit Beschluß vom 15. April 1985 aufgehoben, weil das Landgericht nicht alle Möglichkeiten zur Aufklärung erschöpft habe. Insbesondere müsse ein weiteres Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt werden, ob ausgeschlossen werden könne, daß das undatierte, mit "S." unterzeichnete Schreiben und die Wertsachenaufstellung bereits um die Jahreswende 1938/39 angefertigt worden seien. Bejahendenfalls hätte sich die Antragstellerin mit Hilfe des Zeugen Sh. (früher: Sch.) unlauterer Mittel zur Durchsetzung eines im Rückerstattungsverfahren geltend gemachten Anspruchs bedient und damit einer Versagung ihres Anspruchs nach § 6a BRüG ausgesetzt.
Mit Beschluß vom 11. Juli 1990 hat das Landgericht den Antragsgegner unter Zurückweisung des weitergehenden Rückerstattungsantrags verurteilt, an die Antragstellerin 43.310 DM nach Maßgabe der §§ 34 ff BRüG zu zahlen. Es hat ausgeführt, die Entziehung der in der Wertsachenaufstellung aufgelisteten Gegenstände könne - soweit nicht entsprechende Zeugenaussagen vorlägen - weder ihrem Umfang noch den darin näher bezeichneten Wertmaßstäben nach als glaubhaft gemacht angesehen werden. Auch nach dem ergänzend eingeholten Gutachten des FBI-Laboratoriums seien das undatierte Schreiben und die Wertsachenaufstellung mit einer Schreibmaschine beschriftet worden, deren Schrifttypen erst 1950 in den Handel gekommen seien. Gleichwohl sei der Antragstellerin der Anspruch nicht gemäß § 6a BRüG zu versagen, weil ihr der subjektive Tatbestand nicht nachgewiesen werden könne. Es sei nicht auszuschließen , daß die Antragstellerin in dem guten Glauben gewesen sei, die von
dem Zeugen Sh. gefertigte Aufstellung sei diesem von ihrem Onkel übergeben worden. Die Antragstellerin selbst habe sich bei der Beschreibung des Schmucks ihrer Mutter deutlich zurückgehalten und erklärt, ihn nicht näher beschreiben zu können. Abgesehen von drei Skizzen habe die Antragstellerin sich nur auf die überreichte Aufstellung und die im Hausratsverfahren eingereichten eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen K., E., F. und Schl berufen. Übertriebene Wertangaben allein seien kein Versagungsgrund. Über den Rükkerstattungsanspruch sei daher unter Außerachtlassung der Wertsachenaufstellung und des undatierten Schreibens, aber unter Zugrundelegung des Schreibens des Onkels der Antragstellerin vom 15. November 1938 zu entscheiden. Danach sei der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin rückerstattungsrechtlichen Schadensersatz wegen der Entziehung bestimmter, im Gutachten des Sachverständigen C. vom 27. Oktober 1964 aufgeführter Edelmetall - und Schmuckgegenstände, ferner wegen zwei viereckiger Goldmünzen zu leisten. Bei diesen Gegenständen handele es sich um solche, die auf den Fotografien, vornehmlich von der Mutter der Antragstellerin, erkennbar seien, und um solche, deren Existenz die Zeugen K., E. und Schl. in ihren eidesstattlichen Versicherungen vom 3. Juli 1962, 8. Juni 1962 und 22. Dezember 1961 bekundet hätten. Es könne durchaus sein, daß der Justizrat Ma. entsprechend seinem Schreiben vom 15. November 1938 schon zu dieser Zeit zur Ablieferung der Edelmetallgegenstände aufgefordert worden sei. Es sei anzunehmen, daß er sie abgeliefert habe und daß die Einziehung und Verwertung nach der Ablieferungsverordnung vom 21. März 1939 erfolgt sei.
Mit seiner gegen diesen Beschluß eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner geltend gemacht, das Landgericht habe sich über die rechtliche Bindung an den Beschluß des Kammergerichts vom 15. April 1985
hinweggesetzt. Das Kammergericht habe festgestellt, daß im Falle einer nachgewiesenen Fälschung der Wertsachenaufstellung und des undatierten Begleitschreibens die Versagungsgründe nach § 6a BRüG gegeben seien. Da eine Fälschung nach dem Gutachten des FBI vom 26. August 1988 zu bejahen sei, hätte das Landgericht die Ansprüche nach dieser Vorschrift versagen müssen.
Mit Beschluß vom 1. Dezember 1998 hat das Kammergericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einem Rechtsfehler beruhe. Die Rücknahme der Anmeldung mit Schriftsatz vom 8. August 1960 stehe der Durchführung des Rückerstattungsverfahrens nicht entgegen, weil die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, daß das nachträglich aufgefundene Schreiben vom 15. November 1938 später angefertigt worden sei. Nach dem Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 23. September 1976 sei dieses Schreiben mit einer Adler-Schreibmaschine gefertigt worden, die am 15. November 1938 bereits im Handel gewesen sei. Die Untersuchungen des FBI hätten zum selben Ergebnis geführt. Allein deshalb , weil das undatierte Schreiben und die Wertsachenaufstellung nicht schon 1938/39, sondern erst 1950 oder danach gefertigt worden seien, habe das Landgericht nicht nach § 6a BRüG den Anspruch versagen müssen. Die Bindungswirkung des Beschlusses des Kammergerichts vom 15. April 1985 stehe dem nicht entgegen. Die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses vom 4. September 1980 durch diese Entscheidung beruhe allein auf einer angenommenen Verletzung von § 12 FGG, nicht aber auf Ausführungen zu § 6a BRüG. Das Landgericht habe daher in eigener Verantwortung prüfen müssen, ob die Voraussetzungen dieser Norm vorgelegen hätten. Die Annahme des Landgerichts , in der Person der Antragstellerin seien die subjektiven Voraussetzungen
für eine Anwendung dieser Vorschrift nicht feststellbar, sei zumindest vertretbar. Daß der Mutter der Antragstellerin Wertsachen entzogen worden seien, habe das Landgericht zutreffend aufgrund des Schreibens des Justizrats Ma. vom 15. November 1938 festgestellt. Die Schadenshöhe habe das Landgericht im Wege der Schätzung bestimmt. Insoweit seien Rechtsfehler nicht zu erkennen und mit der sofortigen Beschwerde auch nicht aufgezeigt worden.
Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Begehren auf Abweisung des Antrags auf Rückerstattung weiter. Er hält die Rüge einer Verletzung von §§ 565 Abs. 2, 318 ZPO aufrecht. Aber auch unabhängig davon sei der Anspruch nach § 6a BRüG zu versagen, weil die Antragstellerin sich unlauterer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bedient habe. Im übrigen sei (auch) die Urkunde vom 15. November 1938 nicht echt. Die erst am 6. Januar 1999 von dem Antragsgegner aufgefundene JuVA-Akte (betreffend die Vermögensabgabe von Juden) des Finanzamtes Moabit-West - ........ - über die Antragstellerin enthalte eine von Justizrat Ma. unter dem Datum vom 24. Juni 1940 unterschriebene Urkunde über die Erteilung einer Prozeßvollmacht und ein eigenhändiges Schreiben des Justizrats mit demselben Datum. Beide Unterschriften ähnelten nicht der Unterschrift unter dem Schreiben vom 15. November 1938. Diese gleiche vielmehr derjenigen auf dem unechten undatierten Begleitschreiben zu der Wertsachenaufstellung. Daraus sei der Schluß zu ziehen , daß beide Schreiben von derselben Person, die nicht S. Ma. gewesen sein könne, unterfertigt worden seien. Weiter folge daraus, daß die Behauptungen der Antragstellerin, das Schreiben vom 15. November 1938 sei ihr während ihrer Flucht aus Italien nachgesandt worden und sie habe es jahrelang in ihrem Gepäck gehabt, bevor sie es im Sommer 1960 wiedergefunden habe, unrichtig seien; denn das Schreiben vom 15. November 1938 könne dann auch
nur im Zusammenhang mit der Herstellung der Wertsachenaufstellung und dem Begleitschreiben angefertigt worden sein, mithin nach 1950.

II.


1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 1 des Gesetzes zur Überleitung der Zuständigkeit der Obersten Rückerstattungsgerichte auf den Bundesgerichtshof (Art. 9 Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2847, 2862 - fortan: ÜberlG) i.V.m. § 11 Nr. 1 Buchst. d BRüG, Art. 62 Abs. 2 REAO statthaft und nach §§ 2 ff ÜberlG auch im übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der Beschlüsse vom 11. Juli 1990 und 1. Dezember 1998 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
2. Ohne Rechtsverstoß haben Land- und Kammergericht angenommen, die Ansprüche seien nicht allein wegen der Bindungswirkung des Beschlusses des Kammergerichts vom 15. April 1985 gemäß § 6a BRüG zurückzuweisen. Mit den Bemerkungen auf Bl. 9 des Umdrucks dieses Beschlusses, wenn die Wertsachenaufstellung und das undatierte Schreiben nicht aus der Verfolgungszeit stammten, hätte sich die Antragstellerin mit Hilfe des Zeugen Sh. unlauterer Mittel zur Durchsetzung eines im Rückerstattungsverfahren geltend gemachten Anspruchs bedient und damit einer Versagung ihres Anspruchs nach § 6a BRüG ausgesetzt, wollte das Kammergericht nicht zum Ausdruck bringen, daß im Fall der Feststellung einer Fälschung der genannten Unterlagen der Anspruch ohne weitere Prüfung nach § 6a BRüG zu versagen sei. Schon der Wortlaut dieser Ausführungen - die Antragstellerin hätte sich einer
Versagung ihres Anspruchs "ausgesetzt" - zwingt nicht zu einem anderen Verständnis. Dafür spricht auch, daß das Landgericht sich im Beschluß vom 4. September 1980 jedes Hinweises auf § 6a BRüG enthalten hat. Auch wenn das Kammergericht im folgenden annahm, das Landgericht habe "tatsächlich den Vorwurf der Unlauterkeit jedenfalls erhoben", indem es zu dem Schluß gekommen sei, daß die beiden Schriftstücke erst nachträglich angefertigt seien und deshalb als Entziehungsnachweis ausschieden, fehlte es jedenfalls an einer Feststellung der erforderlichen subjektiven Voraussetzungen des § 6a BRüG auf seiten der Antragstellerin. Da nicht davon auszugehen ist, das Kammergericht habe diesen Umstand übersehen, sind seine Ausführungen allenfalls dahin zu verstehen, daß bei einem Nachweis der Fälschung die Versagung des Anspruchs nach § 6a BRüG naheliege und geprüft werden müsse. Dieses Verständnis wird durch die Ausführungen auf Bl. 15 des Beschlußumdrucks bestätigt, wo es heißt, ob das Schreiben vom 15. November 1938 als Beweis für eine Entziehung von "Schmucksachen" jedenfalls dem Grunde nach ausreiche, selbst wenn nach Abschluß der noch notwendigen weiteren Ermittlungen ausgeschlossen werden könne, daß die Wertsachenaufstellung und das undatierte Begleitschreiben ebenfalls um die Jahreswende 1938/39 geschrieben worden seien, müsse das Landgericht zu gegebener Zeit entscheiden ; anders dürfte es sein, wenn die Voraussetzungen des § 6a BRüG festgestellt werden sollten. Geschehe das nicht, müßten (zugunsten der Antragstellerin ) weitere Umstände berücksichtigt werden. Diese Ausführungen belegen mit hinreichender Klarheit, daß das Kammergericht ungeachtet der wiedergegebenen mißverständlichen Wendungen auf Bl. 9 des Beschlußumdrucks die Voraussetzungen des § 6a BRüG keineswegs mit bindender Wirkung bejahen, sondern deren Feststellung - wie prozessual geboten - dem Landgericht als Tatrichter überlassen wollte.

3. Der Antragsgegner macht mit der weiteren Beschwerde ferner geltend , das Landgericht habe die Voraussetzungen des § 6a BRüG rechtsfehlerhaft verneint.

a) Zur Begründung führt er aus, das Landgericht habe nicht s ämtliche bekannten Umstände berücksichtigt, die dafür sprächen, die Antragstellerin habe sich unlauterer Mittel bedient oder vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder irreführende Angaben über Grund oder Höhe des Anspruchs gemacht , veranlaßt oder zugelassen. Im gegenwärtigen Verfahrensstand bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob diese Rüge für sich genommen die Annahme begründen könnte, die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts, die subjektiven Voraussetzungen des § 6a BRüG auf seiten der Antragstellerin ließen sich nicht feststellen, beruhe auf Rechtsfehlern. Ein Erfolg dieser Rüge könnte allenfalls zu einer Zurückverweisung an das Landgericht zur weiteren Prüfung dieser Frage führen. Das gleiche Ergebnis wird aber bereits mit dem Vorbringen des Antragsgegners zu den nach Erlaß der landgerichtlichen Entscheidung während des Verfahrens der weiteren Beschwerde aufgefundenen Urkunden vom 24. Juni 1940 erreicht.

b) Läßt sich - was aufgrund der eingehenden Ausführungen des Antragsgegners möglich erscheint - anhand eines Schriftvergleichs nachweisen, daß die Urkunde vom 15. November 1938 gefälscht ist und in Wahrheit nicht von S. Ma. unterschrieben wurde, läge darin nicht nur ein erhebliches Beweisanzeichen dafür, daß die Antragstellerin sich zur Durchsetzung eines rükkerstattungsrechtlichen Anspruchs vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unlauterer Mittel bedient hätte. Vielmehr würde darüber hinaus die Zulässigkeit
des vorliegenden Rückerstattungsverfahrens in Frage gestellt. Das Oberste Rückerstattungsgericht für Berlin hat in seinem Beschluß vom 24. Februar 1972 den Widerruf der Rücknahme des Rückerstattungsantrages nur mit Rücksicht auf die von der Antragstellerin vorgelegte Urkunde vom 15. November 1938 aus dem Gesichtspunkt der Wiederaufnahme des Verfahrens für zulässig gehalten. Wäre die Urkunde gefälscht, fehlte es insoweit an einem Wiederaufnahmegrund, denn dann würde die Urkunde schwerlich zu einer der Antragstellerin günstigen Entscheidung geführt haben (§ 580 Nr. 7b ZPO). Dies könnte ungeachtet der dem Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin entsprechend § 565 Abs. 2 ZPO zukommenden Bindungswirkung berücksichtigt werden, weil ein anderer Sachverhalt zugrunde zu legen wäre, für den die bisherige rechtliche Beurteilung nicht zuträfe (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1983 - VIII ZR 331/81, NJW 1983, 1496, 1497; v. 3. April 1985 - IVb ZR 18/84, NJW 1985, 2029, 2030).
4. Mit seinem Vorbringen zu den Urkunden vom 24. Juni 1940 trägt der Antragsgegner Restitutionsgründe im Sinn von § 580 Nr. 2, 4 und 7b ZPO vor. Dieser Vortrag ist im Verfahren der weiteren Beschwerde zu berücksichtigen, auf das gemäß § 2 ÜberlG die Vorschriften der §§ 545 bis 566a ZPO grundsätzlich entsprechende Anwendung finden.

a) Im Revisionsverfahren kann tatsächliches Vorbringen zu den in § 580 Nr. 1 bis 7 ZPO angeführten Restitutionsgründen zu berücksichtigen sein.
aa) Soweit die Restitutionsgründe auf einer strafbaren Handlung beruhen (§ 580 Nr. 1 bis 5 ZPO), können sie in der Revisionsinstanz geltend gemacht werden, wenn deswegen eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist
(§ 581 Abs. 1 ZPO; BGHZ 3, 65, 68; 5, 240, 247). Der Grund für diese Abweichung von dem Grundsatz des § 561 ZPO liegt hier in erster Linie nicht im Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit, sondern vornehmlich darin, daß das in der Revisionsinstanz ohne Berücksichtigung des neuen Vorbringens ergehende Urteil sich unter Umständen mit dem Inhalt eines bereits vorliegenden rechtskräftigen Erkenntnisses eines anderen Gerichts in Widerspruch setzen oder doch dieses Erkenntnis unbeachtet lassen würde. Daraus ergäben sich für die Einheitlichkeit und das Ansehen der Rechtsprechung in hohem Maße abträgliche Folgen. Demgegenüber ist eine Berücksichtigung der in Rede stehenden Restitutionsgründe in der Revisionsinstanz ausgeschlossen, wenn nach der Überzeugung des Revisionsgerichts ein Zusammenhang des Geschehens , das den Gegenstand des neuen Vorbringens und des neu vorgebrachten rechtskräftigen Urteils bildet, mit dem Berufungsurteil des anhängigen Verfahrens nicht bestehen kann. Damit soll die mit der Zulassung des neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz an sich verbundene Gefahr einer mißbräuchlichen Hemmung des Eintritts der Rechtskraft oder der Vollstreckung eines in der Berufungsinstanz ergangenen Urteils auf ein Mindestmaß begrenzt werden, das im Interesse der Wirtschaftlichkeit, der Einheitlichkeit und des Ansehens der Rechtsprechung in Kauf genommen werden muß (BGHZ 3, 65, 68 f; 5, 240, 247 f). Ob auch in solchen Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO das neue Vorbringen in der Revisionsinstanz zuzulassen ist, in denen es an einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der strafbaren Handlung fehlt und die Begrenzung der erwähnten Gefahr deshalb erhöhten Schwierigkeiten begegnet, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offengelassen (BGHZ 3, 65, 69).
bb) Beruft sich der Revisionskläger in der Revisionsinstanz auf einen Tatbestand des § 580 Nr. 7b ZPO, hängt es von der jeweiligen verfahrens-
rechtlichen Lage des anhängigen Rechtsstreits ab, ob die aufgezeigte Gefahr in Kauf genommen und das neue tatsächliche Vorbringen zugelassen werden kann. Das trifft etwa zu, wenn das Urteil des Revisionsgerichts ohne Berücksichtigung der neuen Tatsachen zur Folge haben würde, daß in dem anhängigen Verfahren noch weitere unrichtige Urteile ergehen, die nur durch eine Restitutionsklage beseitigt werden können (BGHZ 5, 240, 248 f). Wird der Rechtsstreit durch das Urteil des Revisionsgerichts insgesamt beendet, können neue Tatsachen und Beweismittel, die einen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7b ZPO darstellen, grundsätzlich nicht entgegen § 561 ZPO vom Revisionsgericht berücksichtigt werden. Diese Norm dient dem Zweck, jeden Rechtsstreit möglichst schnell beizulegen und die rechtliche Ungewißheit bald zu klären. Sie darf daher nur in solchen Fällen durchbrochen werden, in denen höhere Belange der Allgemeinheit und der ihr dienenden Rechtspflege dies fordern. Gründe der Prozeßwirtschaftlichkeit allein genügen dazu nicht (BGHZ 15, 59,

60).



b) Im Rückerstattungsverfahren sind die Vorschriften der §§ 578 ff ZPO über die Wiederaufnahme des Verfahrens grundsätzlich entsprechend anwendbar (ORG/II/695 v. 13. Dezember 1957, ORGE Zweiter Senat Bd. II, 205, 206 = RzW 1958, 136, 137; ORG/II/639 v. 26. September 1958, RzW 1959, 17; ORG/III/747 v. 10. Dezember 1965, ORGE Dritter Senat Bd. XII, 111, 118 f; ORG/A/1800 v. 24. Juni 1960, ORGE für Berlin Bd. XIV, 132, 137; Marsden, in: Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben vom Bundesminister der Finanzen in Zusammenarbeit mit Walter Schwarz Bd. II Das Bundesrückerstattungsgesetz S. 465). Eine Ausnahme gilt freilich insoweit, als Wiederaufnahmegründe mit solchen Gründen übereinstimmen, die gemäß § 43a BRüG zur Aufhebung ei-
ner rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellung eines rückerstattungsrechtlichen Anspruchs führen können. Dies trifft für die Fälle des § 580 Nr. 3 und 4 ZPO zu. Diese Normen treten hinter der Sonderregelung des § 43a BRüG zurück (ORG/A/5894 v. 16. Dezember 1971, ORGE für Berlin Bd. 29, 116, 120; ORG/A/6920 v. 25. August 1976, ORGE für Berlin Bd. 32, 183, 188; Marsden aaO S. 467).
Es bestehen keine Bedenken, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit tatsächlichen Vorbringens zu Restitutionsgründen in der Revisionsinstanz auf das Verfahren der weiteren Beschwerde in Rückerstattungssachen zu übertragen (vgl. auch ORG/III/747 aaO S. 119). Soweit § 580 ZPO durch § 43a BRüG verdrängt wird, ist das Vorbringen zu dieser Norm im Verfahren der weiteren Beschwerde unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Vorbringen zu § 580 ZPO zu berücksichtigen.

c) Im Streitfall kommt im Hinblick auf die von dem Antragsgegner geltend gemachten Restitutionsgründe im Sinn von § 580 Nr. 2, 4 ZPO die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens wegen fälschlicher Anfertigung oder Verfälschung einer Urkunde oder wegen einer in Beziehung auf den Rechtsstreit verübten Straftat (etwa § 263 StGB) weder gegen den Zeugen Sh. noch gegen die Antragstellerin in Betracht. Der Zeuge ist am 28. Februar 1983 verstorben , die Antragstellerin lebt in den Vereinigten Staaten von Amerika und ist nahezu 100 Jahre alt. Gemäß § 581 Abs. 1 Fall 2 ZPO kann in einem solchen Fall die Restitutionsklage auch ohne eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung stattfinden.
Der Antragsgegner war ohne sein Verschulden außerstande, die Restitutionsgründe früher, insbesondere in der durch Beschluß des Landgerichts vom 11. Juli 1990 abgeschlossenen Tatsacheninstanz geltend zu machen (vgl. § 582 ZPO). Er hat glaubhaft gemacht, daß er im vorliegenden Rückerstattungsverfahren erst am 6. Januar 1999 auf die JuVA-Akten über die Antragstellerin gestoßen ist und in ihnen die von S. Ma. unterschriebenen Urkunden vom 24. Juni 1940 gefunden hat. Daß der Antragsgegner nicht früher nach diesen Akten geforscht und deshalb erst im Verfahren der weiteren Beschwerde Zugang zu den Urkunden erlangt hat, ist ihm wegen der von ihm geschilderten Besonderheiten nicht vorzuwerfen. Insbesondere gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sich in den JuVA-Akten der Antragstellerin diese Urkunden befinden könnten.
Im Streitfall fordern überwiegende Belange der Allgemeinheit, die vorgebrachten Restitutionsgründe im Verfahren der weiteren Beschwerde zu berücksichtigen. Schon das Landgericht hat § 6a BRüG ungeachtet einiger nachgewiesener Unwahrheiten im Vorbringen der Antragstellerin deshalb nicht angewendet , weil sich der subjektive Tatbestand nicht mehr nachweisen lasse. Der Antragsgegner hat mit der weiteren Beschwerde auf zusätzliche Umstände hingewiesen, welche geeignet sind, die Wahrheitsliebe der Antragstellerin in Frage zu stellen. Diese Umstände allein mögen - was hier offenbleiben kann - für eine Anwendung des § 6a BRüG nicht ausreichen. Sollte sich aber erweisen , daß die Unterschrift unter der Urkunde vom 15. November 1938 nicht von S. Ma. stammt, sondern daß auch diese Urkunde gefälscht ist, dürfte sich der Vortrag der Antragstellerin, mit der sie den Widerruf der Rücknahme des Rükkerstattungsanspruchs begründet hat, in einem entscheidenden Punkt als unrichtig erweisen. In diesem Fall erscheint es entgegen ihrem Vorbringen aus-
geschlossen, daß ihr das Schreiben seinerzeit an ihren damaligen Wohnsitz in Neuseeland nachgesandt wurde. Vielmehr dürfte jedenfalls auf der Grundlage des gegenwärtigen Sachstandes dann alles dafür sprechen, daß die Antragstellerin das Schreiben in Kenntnis einer Fälschung vorgelegt hat. Damit hätte sie nicht nur zu Unrecht bewirkt, daß der Widerruf der Rücknahme ihres Rückerstattungsantrags für zulässig erklärt wurde, sondern sie hätte zugleich vorsätzlich unrichtige Angaben über den Grund des Schadens gemacht, so daß ein rückerstattungsrechtlicher Schadensersatzanspruch aller Voraussicht nach auch aus Sachgründen keinen Erfolg haben könnte.
§ 6a BRüG dient wie § 7 BEG und vergleichbare Vorschriften dem Zweck einer wirksamen Bekämpfung von Verstößen gegen die Wahrheitspflicht. Seine besondere Bedeutung liegt darin, daß den Angaben des Berechtigten im Rückerstattungs- wie im Entschädigungsverfahren bei der Ermittlung des Sachverhalts ein erhöhtes Gewicht zukommt (vgl. Art. 42 REAO, § 176 Abs. 2 BEG) und eine strafrechtliche Ahndung unrichtiger Angaben vielfach ausscheidet (vgl. Regierungsbegründung zu § 6a BRüG, BT-Drucks. IV/1549 S. 6; Boerner RzW 1964, 435; zum BEG: BGH, Urt. v. 11. März 1964 - IV ZR 74/63, RzW 1964, 408, 409; Brunn RzW 1964, 193). Dieser im Allgemeininteresse liegende Zweck des § 6a BRüG gebietet es, tatsächliches Vorbringen jedenfalls zu solchen Restitutionsgründen, mit denen einem fraudulösen Verhalten des Antragstellers entgegengetreten werden kann, im Verfahren der weiteren Beschwerde zuzulassen.

d) Die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Restitutionsgründe und/oder des § 43a BRüG ist der Tatsacheninstanz vorzubehalten (vgl. BGHZ 5, 240, 249; 104, 215, 222; BGH, Urt. v. 27. Oktober 1976
- IV ZR 147/75, NJW 1977, 498, 499; v. 17. Dezember 1998 - IX ZR 151/98, NJW 1999, 1261, 1262).
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 3/99
vom
13. Januar 2000
in dem Rückerstattungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ÜberlG §§ 1, 2; ZPO §§ 561, 580 ff; BRüG §§ 6a, 43a

a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berücksichtigung tatsächlichen
Vorbringens zu Restitutionsgründen in der Revisionsinstanz gilt grundsätzlich
auch im Verfahren der weiteren Beschwerde in Rückerstattungssachen.

b) Der im Allgemeininteresse liegende Zweck des § 6a BRüG gebietet es, Behauptungen
zu Restitutionsgründen, mit denen einem unlauteren Verhalten
des Antragstellers entgegengetreten werden kann, im Verfahren der weiteren
Beschwerde zuzulassen.
BGH, Beschluß vom 13. Januar 2000 - IX ZB 3/99 - KG Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof und Dr. Fischer
am 13. Januar 2000

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Antragsgegners werden die Beschlüsse des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 1. Dezember 1998 und der Zivilkammer 150 des Landgerichts Berlin vom 11. Juli 1990 aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:


I.


Die 1934 aus Deutschland ausgewanderte Antragstellerin hat als Alleinerbin ihrer am 10. April 1935 in Berlin als Witwe verstorbenen Mutter B. M.
geb. Ma. rückerstattungsrechtlichen Schadensersatz wegen Entziehung von Schmuck, Hausratssilber und einer Münzsammlung im Wiederbeschaffungswert von insgesamt 234.778,40 DM begehrt. Die Anspruchsanmeldung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13. April 1960 zurückgenommen, "da anzunehmen ist, dass seitens der oder des Testamentsvollstreckers eine Regelung durchgeführt wurde". Mit Schriftsatz vom 8. August 1960 hat die Antragstellerin beantragt, den Schriftsatz vom 13. April 1960 als unwirksam anzusehen, hilfsweise , ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr sei zur Zeit der Rücknahme nicht bekannt gewesen , daß tatsächlich noch Beweisunterlagen existiert hätten. Im Sommer dieses Jahres (1960) habe sie unter ihren vielen Papieren zufällig einen Brief ihres Onkels - des am 10. Januar 1941 verstorbenen Justizrats S. Ma., eines Bruders ihrer Mutter - vom 15. November 1938 gefunden. Danach stehe fest, daß die Schmucksachen zugunsten des Deutschen Reiches hätten abgeliefert werden müssen. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1960 hat die Antragstellerin weiter hilfsweise beantragt, das Verfahren mit Rücksicht auf die Urkunde vom 15. November 1938 wieder aufzunehmen. Der vorgedruckte Briefkopf dieses Schreibens weist unter anderem den Namen "Justizrat S. Ma." auf. Der mit Schreibmaschine geschriebene Text hat folgenden Wortlaut:
"Liebe T., Du musst die Anträge bei der Devisenstelle dringend stellen, da mir Israel wieder eine Rechnung geschickt hat. Ich glaube, dass die Wohnungseinrichtung Deiner lieben Mutter dort noch am sichersten untergebracht ist, wenn man in Betracht zieht, unter welch schwierigen Umständen ich und Onkel W. die Sachen zu Israel transportieren liessen. Wie ich Dir schon beschrieb, musste ich die Schmucksachen Deiner lieben Eltern bei einer dafür besonders eingerichteten amtlichen
Stelle abliefern. Das ist eine allgemeine Bestimmung und kann mann nur hoffen, dass Du sie zurück erhältst, wenn erst wieder normale Zeiten sind. Lass bald wieder von Dir hören und sei herzlichst gegrüsst von Deinem" Danach folgt in Handschrift das Wort "S.".
Die Antragstellerin hat behauptet, ihre Mutter sei vor ihrem Tode eine Woche bettlägerig krank gewesen. Als der Arzt zur Operation geraten habe, habe die Mutter ihren Schmuck und die Münzsammlung dem Justizrat Ma. zur Aufbewahrung übergeben. Dieser habe die Sachen im Jahre 1938 an eine amtliche Stelle abliefern müssen. Dazu hat die Antragstellerin ein undatiertes, auf einem Blatt mit dem Briefkopf "Justizrat S. Ma." enthaltenes und ebenfalls mit "S." unterzeichnetes Schreiben sowie eine elfseitige Wertsachenaufstellung vorgelegt. Der maschinengeschriebene Text dieses Schreibens lautet:
"Liebe T., Mein Mandant, Herr Sch., hat sich freundlicher Weise bereit erklärt, Dir die Aufstellung der abgelieferten Wertsachen zu übergeben und Dir die diesbezüglichen näheren Umstände zu schildern. Entgelt wurde nicht gezahlt, da die Konfiszierung nur eine vorübergehende Sicherheitsmassnahme darstellt. Auf baldiges Wiedersehen, Dein",
Am Ende der Wertsachenaufstellung heißt es:
"Abgeliefert nach amtlicher Aufforderung November 1938."
Danach folgt die Unterschrift "S. Ma.".
Das Landgericht hat den Rückerstattungsanspruch mit Beschluß vom 13. Februar 1969 zurückgewiesen, weil das Verfahren durch die Rücknahme des Anspruchs beendet worden sei. Die sofortige Beschwerde zum Kammergericht ist erfolglos geblieben. Die Entscheidungen wurden durch Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin vom 24. Februar 1972 mit der Begründung aufgehoben, eine an sich unwiderrufliche Prozeßhandlung wie die Rücknahme des Rückerstattungsantrags könne bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes widerrufen werden. Ein solcher Wiederaufnahmegrund sei hier in Gestalt des Schreibens des Justizrats Ma. gegeben (§ 580 Nr. 7b ZPO). Die Existenz des Schreibens sei der Antragstellerin bis zum Sommer 1960 unbekannt gewesen, und es könne festgestellt werden, daß die auf diese Unkenntnis zurückzuführende Unmöglichkeit, das Schreiben schon früher vorzulegen , nicht auf Verschulden beruhe.
Mit Beschluß vom 4. September 1980 hat das Landgericht den Rückerstattungsanspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe die Ablieferung von Wertgegenständen im Jahre 1938 durch Justizrat Ma. - dieser hatte aus rassischen Gründen im Jahre 1933 sein Notariat und im Jahre 1937 seine Anwaltspraxis verloren und sich von da an im Jüdischen Altersheim aufgehalten - nicht beweisen können. Das undatierte Schreiben und die
Wertsachenaufstellung seien nicht vor 1950 gefertigt und schieden deshalb als Entziehungsnachweis aus.
Diesen Beschluß hat das Kammergericht mit Beschluß vom 15. April 1985 aufgehoben, weil das Landgericht nicht alle Möglichkeiten zur Aufklärung erschöpft habe. Insbesondere müsse ein weiteres Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt werden, ob ausgeschlossen werden könne, daß das undatierte, mit "S." unterzeichnete Schreiben und die Wertsachenaufstellung bereits um die Jahreswende 1938/39 angefertigt worden seien. Bejahendenfalls hätte sich die Antragstellerin mit Hilfe des Zeugen Sh. (früher: Sch.) unlauterer Mittel zur Durchsetzung eines im Rückerstattungsverfahren geltend gemachten Anspruchs bedient und damit einer Versagung ihres Anspruchs nach § 6a BRüG ausgesetzt.
Mit Beschluß vom 11. Juli 1990 hat das Landgericht den Antragsgegner unter Zurückweisung des weitergehenden Rückerstattungsantrags verurteilt, an die Antragstellerin 43.310 DM nach Maßgabe der §§ 34 ff BRüG zu zahlen. Es hat ausgeführt, die Entziehung der in der Wertsachenaufstellung aufgelisteten Gegenstände könne - soweit nicht entsprechende Zeugenaussagen vorlägen - weder ihrem Umfang noch den darin näher bezeichneten Wertmaßstäben nach als glaubhaft gemacht angesehen werden. Auch nach dem ergänzend eingeholten Gutachten des FBI-Laboratoriums seien das undatierte Schreiben und die Wertsachenaufstellung mit einer Schreibmaschine beschriftet worden, deren Schrifttypen erst 1950 in den Handel gekommen seien. Gleichwohl sei der Antragstellerin der Anspruch nicht gemäß § 6a BRüG zu versagen, weil ihr der subjektive Tatbestand nicht nachgewiesen werden könne. Es sei nicht auszuschließen , daß die Antragstellerin in dem guten Glauben gewesen sei, die von
dem Zeugen Sh. gefertigte Aufstellung sei diesem von ihrem Onkel übergeben worden. Die Antragstellerin selbst habe sich bei der Beschreibung des Schmucks ihrer Mutter deutlich zurückgehalten und erklärt, ihn nicht näher beschreiben zu können. Abgesehen von drei Skizzen habe die Antragstellerin sich nur auf die überreichte Aufstellung und die im Hausratsverfahren eingereichten eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen K., E., F. und Schl berufen. Übertriebene Wertangaben allein seien kein Versagungsgrund. Über den Rükkerstattungsanspruch sei daher unter Außerachtlassung der Wertsachenaufstellung und des undatierten Schreibens, aber unter Zugrundelegung des Schreibens des Onkels der Antragstellerin vom 15. November 1938 zu entscheiden. Danach sei der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin rückerstattungsrechtlichen Schadensersatz wegen der Entziehung bestimmter, im Gutachten des Sachverständigen C. vom 27. Oktober 1964 aufgeführter Edelmetall - und Schmuckgegenstände, ferner wegen zwei viereckiger Goldmünzen zu leisten. Bei diesen Gegenständen handele es sich um solche, die auf den Fotografien, vornehmlich von der Mutter der Antragstellerin, erkennbar seien, und um solche, deren Existenz die Zeugen K., E. und Schl. in ihren eidesstattlichen Versicherungen vom 3. Juli 1962, 8. Juni 1962 und 22. Dezember 1961 bekundet hätten. Es könne durchaus sein, daß der Justizrat Ma. entsprechend seinem Schreiben vom 15. November 1938 schon zu dieser Zeit zur Ablieferung der Edelmetallgegenstände aufgefordert worden sei. Es sei anzunehmen, daß er sie abgeliefert habe und daß die Einziehung und Verwertung nach der Ablieferungsverordnung vom 21. März 1939 erfolgt sei.
Mit seiner gegen diesen Beschluß eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner geltend gemacht, das Landgericht habe sich über die rechtliche Bindung an den Beschluß des Kammergerichts vom 15. April 1985
hinweggesetzt. Das Kammergericht habe festgestellt, daß im Falle einer nachgewiesenen Fälschung der Wertsachenaufstellung und des undatierten Begleitschreibens die Versagungsgründe nach § 6a BRüG gegeben seien. Da eine Fälschung nach dem Gutachten des FBI vom 26. August 1988 zu bejahen sei, hätte das Landgericht die Ansprüche nach dieser Vorschrift versagen müssen.
Mit Beschluß vom 1. Dezember 1998 hat das Kammergericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einem Rechtsfehler beruhe. Die Rücknahme der Anmeldung mit Schriftsatz vom 8. August 1960 stehe der Durchführung des Rückerstattungsverfahrens nicht entgegen, weil die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, daß das nachträglich aufgefundene Schreiben vom 15. November 1938 später angefertigt worden sei. Nach dem Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 23. September 1976 sei dieses Schreiben mit einer Adler-Schreibmaschine gefertigt worden, die am 15. November 1938 bereits im Handel gewesen sei. Die Untersuchungen des FBI hätten zum selben Ergebnis geführt. Allein deshalb , weil das undatierte Schreiben und die Wertsachenaufstellung nicht schon 1938/39, sondern erst 1950 oder danach gefertigt worden seien, habe das Landgericht nicht nach § 6a BRüG den Anspruch versagen müssen. Die Bindungswirkung des Beschlusses des Kammergerichts vom 15. April 1985 stehe dem nicht entgegen. Die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses vom 4. September 1980 durch diese Entscheidung beruhe allein auf einer angenommenen Verletzung von § 12 FGG, nicht aber auf Ausführungen zu § 6a BRüG. Das Landgericht habe daher in eigener Verantwortung prüfen müssen, ob die Voraussetzungen dieser Norm vorgelegen hätten. Die Annahme des Landgerichts , in der Person der Antragstellerin seien die subjektiven Voraussetzungen
für eine Anwendung dieser Vorschrift nicht feststellbar, sei zumindest vertretbar. Daß der Mutter der Antragstellerin Wertsachen entzogen worden seien, habe das Landgericht zutreffend aufgrund des Schreibens des Justizrats Ma. vom 15. November 1938 festgestellt. Die Schadenshöhe habe das Landgericht im Wege der Schätzung bestimmt. Insoweit seien Rechtsfehler nicht zu erkennen und mit der sofortigen Beschwerde auch nicht aufgezeigt worden.
Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Begehren auf Abweisung des Antrags auf Rückerstattung weiter. Er hält die Rüge einer Verletzung von §§ 565 Abs. 2, 318 ZPO aufrecht. Aber auch unabhängig davon sei der Anspruch nach § 6a BRüG zu versagen, weil die Antragstellerin sich unlauterer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bedient habe. Im übrigen sei (auch) die Urkunde vom 15. November 1938 nicht echt. Die erst am 6. Januar 1999 von dem Antragsgegner aufgefundene JuVA-Akte (betreffend die Vermögensabgabe von Juden) des Finanzamtes Moabit-West - ........ - über die Antragstellerin enthalte eine von Justizrat Ma. unter dem Datum vom 24. Juni 1940 unterschriebene Urkunde über die Erteilung einer Prozeßvollmacht und ein eigenhändiges Schreiben des Justizrats mit demselben Datum. Beide Unterschriften ähnelten nicht der Unterschrift unter dem Schreiben vom 15. November 1938. Diese gleiche vielmehr derjenigen auf dem unechten undatierten Begleitschreiben zu der Wertsachenaufstellung. Daraus sei der Schluß zu ziehen , daß beide Schreiben von derselben Person, die nicht S. Ma. gewesen sein könne, unterfertigt worden seien. Weiter folge daraus, daß die Behauptungen der Antragstellerin, das Schreiben vom 15. November 1938 sei ihr während ihrer Flucht aus Italien nachgesandt worden und sie habe es jahrelang in ihrem Gepäck gehabt, bevor sie es im Sommer 1960 wiedergefunden habe, unrichtig seien; denn das Schreiben vom 15. November 1938 könne dann auch
nur im Zusammenhang mit der Herstellung der Wertsachenaufstellung und dem Begleitschreiben angefertigt worden sein, mithin nach 1950.

II.


1. Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 1 des Gesetzes zur Überleitung der Zuständigkeit der Obersten Rückerstattungsgerichte auf den Bundesgerichtshof (Art. 9 Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2847, 2862 - fortan: ÜberlG) i.V.m. § 11 Nr. 1 Buchst. d BRüG, Art. 62 Abs. 2 REAO statthaft und nach §§ 2 ff ÜberlG auch im übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der Beschlüsse vom 11. Juli 1990 und 1. Dezember 1998 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
2. Ohne Rechtsverstoß haben Land- und Kammergericht angenommen, die Ansprüche seien nicht allein wegen der Bindungswirkung des Beschlusses des Kammergerichts vom 15. April 1985 gemäß § 6a BRüG zurückzuweisen. Mit den Bemerkungen auf Bl. 9 des Umdrucks dieses Beschlusses, wenn die Wertsachenaufstellung und das undatierte Schreiben nicht aus der Verfolgungszeit stammten, hätte sich die Antragstellerin mit Hilfe des Zeugen Sh. unlauterer Mittel zur Durchsetzung eines im Rückerstattungsverfahren geltend gemachten Anspruchs bedient und damit einer Versagung ihres Anspruchs nach § 6a BRüG ausgesetzt, wollte das Kammergericht nicht zum Ausdruck bringen, daß im Fall der Feststellung einer Fälschung der genannten Unterlagen der Anspruch ohne weitere Prüfung nach § 6a BRüG zu versagen sei. Schon der Wortlaut dieser Ausführungen - die Antragstellerin hätte sich einer
Versagung ihres Anspruchs "ausgesetzt" - zwingt nicht zu einem anderen Verständnis. Dafür spricht auch, daß das Landgericht sich im Beschluß vom 4. September 1980 jedes Hinweises auf § 6a BRüG enthalten hat. Auch wenn das Kammergericht im folgenden annahm, das Landgericht habe "tatsächlich den Vorwurf der Unlauterkeit jedenfalls erhoben", indem es zu dem Schluß gekommen sei, daß die beiden Schriftstücke erst nachträglich angefertigt seien und deshalb als Entziehungsnachweis ausschieden, fehlte es jedenfalls an einer Feststellung der erforderlichen subjektiven Voraussetzungen des § 6a BRüG auf seiten der Antragstellerin. Da nicht davon auszugehen ist, das Kammergericht habe diesen Umstand übersehen, sind seine Ausführungen allenfalls dahin zu verstehen, daß bei einem Nachweis der Fälschung die Versagung des Anspruchs nach § 6a BRüG naheliege und geprüft werden müsse. Dieses Verständnis wird durch die Ausführungen auf Bl. 15 des Beschlußumdrucks bestätigt, wo es heißt, ob das Schreiben vom 15. November 1938 als Beweis für eine Entziehung von "Schmucksachen" jedenfalls dem Grunde nach ausreiche, selbst wenn nach Abschluß der noch notwendigen weiteren Ermittlungen ausgeschlossen werden könne, daß die Wertsachenaufstellung und das undatierte Begleitschreiben ebenfalls um die Jahreswende 1938/39 geschrieben worden seien, müsse das Landgericht zu gegebener Zeit entscheiden ; anders dürfte es sein, wenn die Voraussetzungen des § 6a BRüG festgestellt werden sollten. Geschehe das nicht, müßten (zugunsten der Antragstellerin ) weitere Umstände berücksichtigt werden. Diese Ausführungen belegen mit hinreichender Klarheit, daß das Kammergericht ungeachtet der wiedergegebenen mißverständlichen Wendungen auf Bl. 9 des Beschlußumdrucks die Voraussetzungen des § 6a BRüG keineswegs mit bindender Wirkung bejahen, sondern deren Feststellung - wie prozessual geboten - dem Landgericht als Tatrichter überlassen wollte.

3. Der Antragsgegner macht mit der weiteren Beschwerde ferner geltend , das Landgericht habe die Voraussetzungen des § 6a BRüG rechtsfehlerhaft verneint.

a) Zur Begründung führt er aus, das Landgericht habe nicht s ämtliche bekannten Umstände berücksichtigt, die dafür sprächen, die Antragstellerin habe sich unlauterer Mittel bedient oder vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder irreführende Angaben über Grund oder Höhe des Anspruchs gemacht , veranlaßt oder zugelassen. Im gegenwärtigen Verfahrensstand bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob diese Rüge für sich genommen die Annahme begründen könnte, die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts, die subjektiven Voraussetzungen des § 6a BRüG auf seiten der Antragstellerin ließen sich nicht feststellen, beruhe auf Rechtsfehlern. Ein Erfolg dieser Rüge könnte allenfalls zu einer Zurückverweisung an das Landgericht zur weiteren Prüfung dieser Frage führen. Das gleiche Ergebnis wird aber bereits mit dem Vorbringen des Antragsgegners zu den nach Erlaß der landgerichtlichen Entscheidung während des Verfahrens der weiteren Beschwerde aufgefundenen Urkunden vom 24. Juni 1940 erreicht.

b) Läßt sich - was aufgrund der eingehenden Ausführungen des Antragsgegners möglich erscheint - anhand eines Schriftvergleichs nachweisen, daß die Urkunde vom 15. November 1938 gefälscht ist und in Wahrheit nicht von S. Ma. unterschrieben wurde, läge darin nicht nur ein erhebliches Beweisanzeichen dafür, daß die Antragstellerin sich zur Durchsetzung eines rükkerstattungsrechtlichen Anspruchs vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unlauterer Mittel bedient hätte. Vielmehr würde darüber hinaus die Zulässigkeit
des vorliegenden Rückerstattungsverfahrens in Frage gestellt. Das Oberste Rückerstattungsgericht für Berlin hat in seinem Beschluß vom 24. Februar 1972 den Widerruf der Rücknahme des Rückerstattungsantrages nur mit Rücksicht auf die von der Antragstellerin vorgelegte Urkunde vom 15. November 1938 aus dem Gesichtspunkt der Wiederaufnahme des Verfahrens für zulässig gehalten. Wäre die Urkunde gefälscht, fehlte es insoweit an einem Wiederaufnahmegrund, denn dann würde die Urkunde schwerlich zu einer der Antragstellerin günstigen Entscheidung geführt haben (§ 580 Nr. 7b ZPO). Dies könnte ungeachtet der dem Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin entsprechend § 565 Abs. 2 ZPO zukommenden Bindungswirkung berücksichtigt werden, weil ein anderer Sachverhalt zugrunde zu legen wäre, für den die bisherige rechtliche Beurteilung nicht zuträfe (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1983 - VIII ZR 331/81, NJW 1983, 1496, 1497; v. 3. April 1985 - IVb ZR 18/84, NJW 1985, 2029, 2030).
4. Mit seinem Vorbringen zu den Urkunden vom 24. Juni 1940 trägt der Antragsgegner Restitutionsgründe im Sinn von § 580 Nr. 2, 4 und 7b ZPO vor. Dieser Vortrag ist im Verfahren der weiteren Beschwerde zu berücksichtigen, auf das gemäß § 2 ÜberlG die Vorschriften der §§ 545 bis 566a ZPO grundsätzlich entsprechende Anwendung finden.

a) Im Revisionsverfahren kann tatsächliches Vorbringen zu den in § 580 Nr. 1 bis 7 ZPO angeführten Restitutionsgründen zu berücksichtigen sein.
aa) Soweit die Restitutionsgründe auf einer strafbaren Handlung beruhen (§ 580 Nr. 1 bis 5 ZPO), können sie in der Revisionsinstanz geltend gemacht werden, wenn deswegen eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist
(§ 581 Abs. 1 ZPO; BGHZ 3, 65, 68; 5, 240, 247). Der Grund für diese Abweichung von dem Grundsatz des § 561 ZPO liegt hier in erster Linie nicht im Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit, sondern vornehmlich darin, daß das in der Revisionsinstanz ohne Berücksichtigung des neuen Vorbringens ergehende Urteil sich unter Umständen mit dem Inhalt eines bereits vorliegenden rechtskräftigen Erkenntnisses eines anderen Gerichts in Widerspruch setzen oder doch dieses Erkenntnis unbeachtet lassen würde. Daraus ergäben sich für die Einheitlichkeit und das Ansehen der Rechtsprechung in hohem Maße abträgliche Folgen. Demgegenüber ist eine Berücksichtigung der in Rede stehenden Restitutionsgründe in der Revisionsinstanz ausgeschlossen, wenn nach der Überzeugung des Revisionsgerichts ein Zusammenhang des Geschehens , das den Gegenstand des neuen Vorbringens und des neu vorgebrachten rechtskräftigen Urteils bildet, mit dem Berufungsurteil des anhängigen Verfahrens nicht bestehen kann. Damit soll die mit der Zulassung des neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz an sich verbundene Gefahr einer mißbräuchlichen Hemmung des Eintritts der Rechtskraft oder der Vollstreckung eines in der Berufungsinstanz ergangenen Urteils auf ein Mindestmaß begrenzt werden, das im Interesse der Wirtschaftlichkeit, der Einheitlichkeit und des Ansehens der Rechtsprechung in Kauf genommen werden muß (BGHZ 3, 65, 68 f; 5, 240, 247 f). Ob auch in solchen Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO das neue Vorbringen in der Revisionsinstanz zuzulassen ist, in denen es an einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der strafbaren Handlung fehlt und die Begrenzung der erwähnten Gefahr deshalb erhöhten Schwierigkeiten begegnet, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offengelassen (BGHZ 3, 65, 69).
bb) Beruft sich der Revisionskläger in der Revisionsinstanz auf einen Tatbestand des § 580 Nr. 7b ZPO, hängt es von der jeweiligen verfahrens-
rechtlichen Lage des anhängigen Rechtsstreits ab, ob die aufgezeigte Gefahr in Kauf genommen und das neue tatsächliche Vorbringen zugelassen werden kann. Das trifft etwa zu, wenn das Urteil des Revisionsgerichts ohne Berücksichtigung der neuen Tatsachen zur Folge haben würde, daß in dem anhängigen Verfahren noch weitere unrichtige Urteile ergehen, die nur durch eine Restitutionsklage beseitigt werden können (BGHZ 5, 240, 248 f). Wird der Rechtsstreit durch das Urteil des Revisionsgerichts insgesamt beendet, können neue Tatsachen und Beweismittel, die einen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7b ZPO darstellen, grundsätzlich nicht entgegen § 561 ZPO vom Revisionsgericht berücksichtigt werden. Diese Norm dient dem Zweck, jeden Rechtsstreit möglichst schnell beizulegen und die rechtliche Ungewißheit bald zu klären. Sie darf daher nur in solchen Fällen durchbrochen werden, in denen höhere Belange der Allgemeinheit und der ihr dienenden Rechtspflege dies fordern. Gründe der Prozeßwirtschaftlichkeit allein genügen dazu nicht (BGHZ 15, 59,

60).



b) Im Rückerstattungsverfahren sind die Vorschriften der §§ 578 ff ZPO über die Wiederaufnahme des Verfahrens grundsätzlich entsprechend anwendbar (ORG/II/695 v. 13. Dezember 1957, ORGE Zweiter Senat Bd. II, 205, 206 = RzW 1958, 136, 137; ORG/II/639 v. 26. September 1958, RzW 1959, 17; ORG/III/747 v. 10. Dezember 1965, ORGE Dritter Senat Bd. XII, 111, 118 f; ORG/A/1800 v. 24. Juni 1960, ORGE für Berlin Bd. XIV, 132, 137; Marsden, in: Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben vom Bundesminister der Finanzen in Zusammenarbeit mit Walter Schwarz Bd. II Das Bundesrückerstattungsgesetz S. 465). Eine Ausnahme gilt freilich insoweit, als Wiederaufnahmegründe mit solchen Gründen übereinstimmen, die gemäß § 43a BRüG zur Aufhebung ei-
ner rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellung eines rückerstattungsrechtlichen Anspruchs führen können. Dies trifft für die Fälle des § 580 Nr. 3 und 4 ZPO zu. Diese Normen treten hinter der Sonderregelung des § 43a BRüG zurück (ORG/A/5894 v. 16. Dezember 1971, ORGE für Berlin Bd. 29, 116, 120; ORG/A/6920 v. 25. August 1976, ORGE für Berlin Bd. 32, 183, 188; Marsden aaO S. 467).
Es bestehen keine Bedenken, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit tatsächlichen Vorbringens zu Restitutionsgründen in der Revisionsinstanz auf das Verfahren der weiteren Beschwerde in Rückerstattungssachen zu übertragen (vgl. auch ORG/III/747 aaO S. 119). Soweit § 580 ZPO durch § 43a BRüG verdrängt wird, ist das Vorbringen zu dieser Norm im Verfahren der weiteren Beschwerde unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Vorbringen zu § 580 ZPO zu berücksichtigen.

c) Im Streitfall kommt im Hinblick auf die von dem Antragsgegner geltend gemachten Restitutionsgründe im Sinn von § 580 Nr. 2, 4 ZPO die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens wegen fälschlicher Anfertigung oder Verfälschung einer Urkunde oder wegen einer in Beziehung auf den Rechtsstreit verübten Straftat (etwa § 263 StGB) weder gegen den Zeugen Sh. noch gegen die Antragstellerin in Betracht. Der Zeuge ist am 28. Februar 1983 verstorben , die Antragstellerin lebt in den Vereinigten Staaten von Amerika und ist nahezu 100 Jahre alt. Gemäß § 581 Abs. 1 Fall 2 ZPO kann in einem solchen Fall die Restitutionsklage auch ohne eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung stattfinden.
Der Antragsgegner war ohne sein Verschulden außerstande, die Restitutionsgründe früher, insbesondere in der durch Beschluß des Landgerichts vom 11. Juli 1990 abgeschlossenen Tatsacheninstanz geltend zu machen (vgl. § 582 ZPO). Er hat glaubhaft gemacht, daß er im vorliegenden Rückerstattungsverfahren erst am 6. Januar 1999 auf die JuVA-Akten über die Antragstellerin gestoßen ist und in ihnen die von S. Ma. unterschriebenen Urkunden vom 24. Juni 1940 gefunden hat. Daß der Antragsgegner nicht früher nach diesen Akten geforscht und deshalb erst im Verfahren der weiteren Beschwerde Zugang zu den Urkunden erlangt hat, ist ihm wegen der von ihm geschilderten Besonderheiten nicht vorzuwerfen. Insbesondere gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sich in den JuVA-Akten der Antragstellerin diese Urkunden befinden könnten.
Im Streitfall fordern überwiegende Belange der Allgemeinheit, die vorgebrachten Restitutionsgründe im Verfahren der weiteren Beschwerde zu berücksichtigen. Schon das Landgericht hat § 6a BRüG ungeachtet einiger nachgewiesener Unwahrheiten im Vorbringen der Antragstellerin deshalb nicht angewendet , weil sich der subjektive Tatbestand nicht mehr nachweisen lasse. Der Antragsgegner hat mit der weiteren Beschwerde auf zusätzliche Umstände hingewiesen, welche geeignet sind, die Wahrheitsliebe der Antragstellerin in Frage zu stellen. Diese Umstände allein mögen - was hier offenbleiben kann - für eine Anwendung des § 6a BRüG nicht ausreichen. Sollte sich aber erweisen , daß die Unterschrift unter der Urkunde vom 15. November 1938 nicht von S. Ma. stammt, sondern daß auch diese Urkunde gefälscht ist, dürfte sich der Vortrag der Antragstellerin, mit der sie den Widerruf der Rücknahme des Rükkerstattungsanspruchs begründet hat, in einem entscheidenden Punkt als unrichtig erweisen. In diesem Fall erscheint es entgegen ihrem Vorbringen aus-
geschlossen, daß ihr das Schreiben seinerzeit an ihren damaligen Wohnsitz in Neuseeland nachgesandt wurde. Vielmehr dürfte jedenfalls auf der Grundlage des gegenwärtigen Sachstandes dann alles dafür sprechen, daß die Antragstellerin das Schreiben in Kenntnis einer Fälschung vorgelegt hat. Damit hätte sie nicht nur zu Unrecht bewirkt, daß der Widerruf der Rücknahme ihres Rückerstattungsantrags für zulässig erklärt wurde, sondern sie hätte zugleich vorsätzlich unrichtige Angaben über den Grund des Schadens gemacht, so daß ein rückerstattungsrechtlicher Schadensersatzanspruch aller Voraussicht nach auch aus Sachgründen keinen Erfolg haben könnte.
§ 6a BRüG dient wie § 7 BEG und vergleichbare Vorschriften dem Zweck einer wirksamen Bekämpfung von Verstößen gegen die Wahrheitspflicht. Seine besondere Bedeutung liegt darin, daß den Angaben des Berechtigten im Rückerstattungs- wie im Entschädigungsverfahren bei der Ermittlung des Sachverhalts ein erhöhtes Gewicht zukommt (vgl. Art. 42 REAO, § 176 Abs. 2 BEG) und eine strafrechtliche Ahndung unrichtiger Angaben vielfach ausscheidet (vgl. Regierungsbegründung zu § 6a BRüG, BT-Drucks. IV/1549 S. 6; Boerner RzW 1964, 435; zum BEG: BGH, Urt. v. 11. März 1964 - IV ZR 74/63, RzW 1964, 408, 409; Brunn RzW 1964, 193). Dieser im Allgemeininteresse liegende Zweck des § 6a BRüG gebietet es, tatsächliches Vorbringen jedenfalls zu solchen Restitutionsgründen, mit denen einem fraudulösen Verhalten des Antragstellers entgegengetreten werden kann, im Verfahren der weiteren Beschwerde zuzulassen.

d) Die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Restitutionsgründe und/oder des § 43a BRüG ist der Tatsacheninstanz vorzubehalten (vgl. BGHZ 5, 240, 249; 104, 215, 222; BGH, Urt. v. 27. Oktober 1976
- IV ZR 147/75, NJW 1977, 498, 499; v. 17. Dezember 1998 - IX ZR 151/98, NJW 1999, 1261, 1262).
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer
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aa) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt dasjenige Parteivorbringen , das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist oder auf die der Revisionskläger eine Verfahrensrüge stützt (§ 559 Abs. 1 ZPO). Trotz dieser ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darüber hinaus tatsächliches Vorbringen zu den in § 580 ZPO angeführten Restitutionsgründen zu berücksichtigen sein. Dabei ist zu unterscheiden: Soweit die Restitutionsgründe auf einer strafbaren Handlung beruhen (§ 580 Nr. 1 bis 5 ZPO), können sie in der Revisionsinstanz geltend gemacht werden, wenn deswegen, wie § 581 Abs. 1 ZPO es verlangt, eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2000 - IX ZB 3/99, LM ÜberlG Nr. 1 unter II 4a aa). Entsprechendes gilt für den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 6 ZPO, der ebenfalls ein rechtskräftiges Urteil voraussetzt (BGH, Urteil vom 23. November 2006 - IX ZR 141/04, ZIP 2007, 697 Rn. 14 a.E.). Beruft sich der Revisionskläger in der Revisionsinstanz dagegen auf einen der Tatbestände des § 580 Nr. 7b ZPO (Wiederauffinden einer Urkunde oder Möglichkeit, diese zu gebrauchen), kann das neue tatsächliche Vorbringen zugelassen werden, wenn anderenfalls in dem anhängigen Verfahren noch weitere unrichtige Urteile ergehen, die nur durch eine Restitutionsklage beseitigt werden können. Wird der Rechtsstreit durch das Urteil des Revisionsgerichts insgesamt beendet, können dagegen neue Tatsachen und Beweismittel, die einen Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 7b ZPO darstellen, grundsätzlich nicht entgegen § 559 Abs. 1 ZPO561 ZPO a.F.) vom Revisionsgericht berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2000, aaO unter II. 4 a bb).

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

17
aa) Unter einer Urkunde im Sinne der Zivilprozessordnung ist eine schriftlich verkörperte Gedankenerklärung zu verstehen (BGHZ 65, 300 = NJW 1976, 294). Die Vorschrift des § 580 Nr. 7 b ZPO muss zwar nach ihrem Sinn einengend dahin ausgelegt werden, dass die Restitutionsklage nicht auf eine Privaturkunde gestützt werden kann, mit der durch die schriftliche Erklärung einer als Zeuge in Betracht kommenden Person der Beweis für die Richtigkeit der in der Erklärung bekundeten Tatsachen geführt werden soll (Senatsbeschluss vom 29. Februar 1984 - IVb ZB 28/83 - FamRZ 1984, 572 mwN und Senatsurteil BGHZ 80, 389 = FamRZ 1981, 862, 863). Die hier maßgebliche Urkunde besitzt jedoch einen eigenständigen Beweiswert dahingehend, dass die "Seite 000035" der Stasi-Akte des Ehemanns nicht identisch mit der von ihm als Kopie zur Akte gereichten Seite ist. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde handelt es sich deshalb nicht nur um eine schriftliche Erklärung einer als Zeuge in Betracht kommenden Person.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

17
aa) Unter einer Urkunde im Sinne der Zivilprozessordnung ist eine schriftlich verkörperte Gedankenerklärung zu verstehen (BGHZ 65, 300 = NJW 1976, 294). Die Vorschrift des § 580 Nr. 7 b ZPO muss zwar nach ihrem Sinn einengend dahin ausgelegt werden, dass die Restitutionsklage nicht auf eine Privaturkunde gestützt werden kann, mit der durch die schriftliche Erklärung einer als Zeuge in Betracht kommenden Person der Beweis für die Richtigkeit der in der Erklärung bekundeten Tatsachen geführt werden soll (Senatsbeschluss vom 29. Februar 1984 - IVb ZB 28/83 - FamRZ 1984, 572 mwN und Senatsurteil BGHZ 80, 389 = FamRZ 1981, 862, 863). Die hier maßgebliche Urkunde besitzt jedoch einen eigenständigen Beweiswert dahingehend, dass die "Seite 000035" der Stasi-Akte des Ehemanns nicht identisch mit der von ihm als Kopie zur Akte gereichten Seite ist. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde handelt es sich deshalb nicht nur um eine schriftliche Erklärung einer als Zeuge in Betracht kommenden Person.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 62/03
vom
13. Mai 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das Verschulden einer Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten schließt die
Wiedereinsetzung nicht aus, wenn die Partei alle erforderlichen Schritte unternommen
hat, die bei einem im übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung
geführt hätten (hier: Fehlschlagen einer beschleunigten Absendung bei
gleichwohl rechtzeitiger Absendung).

b) Eine Partei darf (auch) nach Erlaß der Postuniversaldienstleistungsverordnung
vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 4218) darauf vertrauen, daß werktags im
Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet
ausgeliefert werden. Anders liegt es nur, wenn konkrete Umstände vorliegen
, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen.
BGH, Beschl. v. 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - OLG Frankfurt/Main
LG Darmstadt
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. Mai 2004 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Oktober 2003 aufgehoben.
Den Klägern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 210.000 €

Gründe


Mit ihnen am 27. Juni 2003 zugestelltem Urteil vom 17. Juni 2003 entschied das Landgericht Darmstadt zum Nachteil der Kläger. Gegen das Urteil legten die Kläger mit einem am 18. Juli 2003 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein. Ihr Prozessbevollmächtigter stellte die Berufungsbegründung am 25. August 2003 fertig und legte sie in den Postausgangskorb seiner Kanzlei. Entgegen seiner allgemeinen Anweisung an seine
Kanzleikräfte, wonach Schriftsätze an Darmstädter Gerichte nicht mit der Post zu versenden, sondern bei Gericht abzugeben sind, wurde die Berufungsbegründung am 26. August 2003 zur Post gegeben. Sie erreichte das Berufungsgericht am 28. August 2003.
Die Kläger haben am 5. September 2003 Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie haben vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe durch seine erwähnte allgemeine Anweisung an seine Kanzleikräfte die erforderlichen Vorkehrungen für die Einhaltung der Berufungsfrist getroffen. Jedenfalls habe er aber auf die Einhaltung des üblichen Postlaufs vertrauen dürfen, der im Nahbereich von Darmstadt einen Tag betrage.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.


Das Berufungsgericht meint, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht ohne Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger versäumt worden. Die Anweisung, Schriftsätze an Darmstädter Gerichte bei diesen abzugeben, sei zwar sachgerecht. Die Einlassung der zuständigen Kanzleikraft belege indessen , daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger diese Kanzleikraft nicht ausreichend habe einweisen oder überwachen lassen. Die Nichtbeachtung dieser Anweisung sei auch ursächlich gewesen. Eine allgemeine Anweisung, fristgebundene Schriftsätze im Nahverkehr von Darmstadt gegebenenfalls erst am
am Tage vor Fristablauf mit der Post zu versenden, und der Vollzug einer solchen Anweisung seien mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten nicht zu vereinbaren gewesen. Auf einen Postlauf von einem Tag habe sich der Prozeßbevollmächtigte der Kläger auch im Nahbereich von Darmstadt nicht verlassen dürfen; er habe mit Verzögerungen rechnen müssen.

III.


Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des § 233 ZPO die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlaßt haben muß, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, unzulässig überspannt (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533, 534; Senatsbeschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368). Mit seiner Würdigung hat das Berufungsgericht der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , der Prozeßbevollmächtigte der Kläger habe der im anwaltlichen Verkehr mit dem Gericht erforderlichen Sorgfalt zur Wahrung einer Berufungsbegründungsfrist durch die der zuständigen Kanzleikraft erteilten allgemeine Weisung, Post an Darmstädter Gerichte nicht mit der Post zu verschicken, sondern bei Gericht abzugeben, im Grundsatz entsprochen. Diese Anweisung war sachgerecht , weil Schriftsätze Darmstädter Gerichte so am schnellsten erreichen können. Die Einhaltung von Fristen konnte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit einer solchen Anweisung aber nur sicherstellen, wenn er oder die von ihm hiermit beauftragten Mitarbeiter die zuständigen Kanzleikräfte in der gebotenen Weise einwiesen und die Einhaltung der Anweisung auch überwachten. Daran haben es der Prozessbevollmächtigte der Kläger und seine von ihm hiermit beauftragten Mitarbeiter im Falle der für die vorliegende Sache zuständigen Kanzleikraft fehlen lassen. Diese hat nach ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht gewußt, daß zu den „Darmstädter Gerichten“ im Sinne der Anweisung auch der entscheidende, in Darmstadt ansässige, Senat des Berufungsgerichts gehört. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Angaben der Kanzleikraft auf eine unzureichende Überwachung schließen lassen. Diese hat nämlich nach eigenen Angaben an den Darmstädter Senat des Berufungsgerichts gerichtete Schriftsätze der Kanzlei entgegen der Anweisung stets mit der Post versandt und nicht bei Gericht abgegeben oder abgeben lassen.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war dieser Fehler aber nicht ursächlich für die Versäumung der Berufungsfrist. Zwar wäre ohne Überwachungsverschulden der Schriftsatz entsprechend der Büroanweisung recht-
zeitig bei Gericht abgegeben worden. Das Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten schließt die Wiedereinsetzung aber dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis verliert (sog. überholende Kausalität, Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rdn. 22a). So ist eine Wiedereinsetzung beispielsweise dann gewährt worden, wenn eine rechtzeitige Fehlerkorrektur infolge eines Fehlers des Gerichts unterblieben ist (BGH, Beschl. v. 12. Dezember 1984, IVb ZB 103/84, NJW 1985, 1226, 1227; Beschl. v. 20. Januar 1997, II ZB 12/96, NJW-RR 1997, 1020; Beschl. v. 26. September 2002, III ZB 44/02, NJW 2002, 3636, 3637) oder wenn die Partei alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei einem im übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung geführt hätten (BGH, Beschl. v. 28. November 1962, IV ZB 251/62, NJW 1963, 253, 254; Beschl. v. 29. Mai 1974, IV ZB 6/74, VersR 1974, 1001, 1002; BAG, NJW 1972, 735; BVerwG, NVwZ 1998, 1075, 1076). So liegt es hier. Die Berufungsschrift ist nach Fertigstellung am 26. August 2003 zur Post gegeben worden. Die Kläger und ihr Prozeßbevollmächtigter waren nicht verpflichtet, die Berufungsschrift zu einem früheren Zeitpunkt zur Post zu geben oder bei Gericht abzugeben. Sie waren vielmehr berechtigt, die Frist bis zum letzten möglichen Zeitpunkt auszunutzen (BVerfG, NJW 1995, 2546, 2547; BGH, Beschl. v. 26. November 1962, IV ZB 251/62, NJW 1963, 253, 254; Beschl. v. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118; BVerwG, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 166). Sie mußten nur dafür Sorge tragen, daß die Berufungsbegründungsschrift so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, daß sie bei einer normalen Bearbeitung der Postsendungen noch fristgerecht beim Berufungsgericht einging. Das ist hier geschehen. Dann aber kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen sie die Frist bis zum letzten möglichen Moment ausgenutzt hat (BGH, Beschl. v. 28. November 1962 aaO.). Einer Prüfung, ob eine
allgemeine Anweisung, fristgebundene Schriftsätze im Nahverkehr erst am Tage vor Fristablauf mit der Post zu versenden, den anwaltlichen Sorgfaltspflichten entsprechen würde, bedarf es nicht. Eine solche Anweisung hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger seinem Personal nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gerade nicht erteilt.

c) Ein Verschulden der Kläger oder ihres Prozeßbevollmächtigten liegt schließlich auch nicht darin, daß die Berufungsbegründung erst am 26. August 2003 zur Post gegeben worden ist.
aa) Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1992, 1952; 1994, 244, 245 und 1854; 1995, 1210, 1211 und 2546, 2547; NJW-RR 2000, 726; NJW 2001, 744, 745 und 1566), des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 7. April 1993, XII ZB 38/93, VersR 1994, 495, 496; Beschl. v. 22. April 1993, VII ZB 2/93, DtZ 1993, 283; Beschl. 28. April 1993, VIII ZB 15/93, VersR 1994, 496, 497; Beschl. v. 26. Januar 1994, IV ZB 19/93, insoweit in BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 18 nicht abgedruckt; Beschl. v. 9. Februar 1998, II ZB 15/97, NJW 1998, 1870; Beschl. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118; Beschl. v. 5. Juli 2001, VII ZB 2/00, bislang veröff. nur bei juris; Beschl. v. 30. September 2003, VI ZB 60/02, BGH-Report 2004, 124) und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes (BAG, NJW 1995, 548, 549 und 2575; BFH, NJW 1991, 1704; BSG, Urt. v. 30. September 1996, 10 RAr 1/96, veröff. bei juris; BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 154, 166; NJW 1990, 2639, 2640) dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Der Bürger darf vielmehr darauf vertrauen, daß die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutsche Post AG für den Nor-
malfall festgelegt werden. Ein Versagen dieser Vorkehrungen darf dem Bürger im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als Verschulden angerechnet werden, weil er darauf keinen Einfluß hat. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß (BAG, NJW 2000, 1669, 1670; BVerwG, NJW 1990, 1747) aufzugeben, daß es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutsche Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BVerfG, NJW 2001, 1566, 1567; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1995, III ZR 226/95, veröff. bisher nur bei juris). Das gilt selbst dann, wenn allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu rechnen ist (BVerfG, NJW 2001, 1566). Anders liegt es nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß im Einzelfall mit längeren Postlaufzeiten zu rechnen ist (BVerfG, NJW 1995, 1210; BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1992, VIII ZB 30/92, NJW 1993, 1332; Beschl. v. 25. Januar 1993, II ZB 18/92, NJW 1993, 1333, 1334). Daran hat sich durch Erlaß der Postuniversaldienstleistungsverordnung vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 4218 – PUDLV, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30. Januar 2002, BGBl. I S. 572) im Ergebnis nichts geändert. Anders als bisher können die Deutsche Post AG und andere Unternehmer, die Universaldienstleitungen im Briefverkehr anbieten, die Postlaufzeiten nicht mehr selbst frei festlegen. Sie sind ihnen vielmehr etwas über dem bisherigen Niveau als Mindeststandards für den Normalfall verbindlich vorgegeben. Nicht neu ist auch, daß die bisher freiwillig angestrebten und jetzt gesetzlich vorgeschriebenen Postlaufzeiten in einem gewissen Prozentsatz verfehlt werden. Wie bisher kommt es aber entscheidend darauf an, ob die Postlaufzeiten in einem Umfang eingehalten werden, der bei dem Bürger das berechtigte Vertrauen in die Einhaltung der Postlaufzeiten begründet. Das ist der Fall. Nach § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV müssen die Unternehmen sicherstellen, daß sie an Werktagen aufgegebene Inlandssendungen im gesamten Bundes-
gebiet im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80% am ersten und zu 95% am zweiten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Diese Quoten lassen die Einhaltung der Postlaufzeiten erwarten. Ohne konkrete Anhaltspunkte muß ein Bürger deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH, Beschl. v. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118).
bb) Die Kläger haben vorgetragen, daß die normale Postlaufzeit im Nahbereich von Darmstadt einen Tag beträgt. Unter Zugrundelegung dieser Postlaufzeit war die Absendung der Berufungsbegründungsschrift am 26. August 2003 rechtzeitig, da sie bei normalem Postlauf am 27. August 2003 und damit rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen wäre. Ihre Angabe zur normalen Postlaufzeit im Nahbereich von Darmstadt haben die Kläger nicht durch eine Auskunft der Deutsche Post AG belegt. Das brauchten sie auch nicht, weil diese Erwartung schon nach den gesetzlich bestimmten Quoten begründet war und das Berufungsgericht bei etwaigen Zweifeln an der Verläßlichkeit der von ihm selbst zugrunde gelegten Postlaufzeit von einem Tag von Amts wegen eine Auskunft der Post hätte einholen müssen (BVerfG, NJW 2001, 1566, 1567).

d) Ist dem Wiedereinsetzungsantrag der Kläger stattzugeben, darf ihre Berufung auch nicht als unzulässig verworfen werden.
Wenzel Tropf Lemke
Gaier Schmidt-Räntsch
9
b) Das Berufungsgericht überspannt indessen die Anforderungen, die nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO an die Darlegung und Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen zu stellen sind. Erforderlich ist eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe , aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Diesen Vorgaben genügt das Wiedereinsetzungsgesuch. Eine Versendung des Verlängerungsantrages per Post am 14. April 2012 war ausreichend , um den Eingang bei Gericht innerhalb der erst am 23. April 2012 ablaufenden Frist zu gewährleisten. Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen , dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Geht eine Sendung verloren oder wird sie verspätet ausgeliefert, darf dies der Partei nicht als Verschulden angerechnet werden (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217, 1218; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10, NJW 2011, 458 Rn. 15; Beschluss vom 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08, NJW 2009, 2379 Rn. 8 mwN). Weitere Vorkehrungen müssen nicht ergriffen werden. Insbesondere ist eine Partei nicht gehalten, Schriftsätze vorab per Telefax zu übersenden (Senat , Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 226/12, juris Rn. 7 mwN). Vor diesem Hintergrund führt der Umstand, dass sich ein Rechtsanwalt entschließt, von der bisherigen Versandpraxis generell oder im Einzelfall abzusehen, nicht ohne weiteres zur Erläuterungsbedürftigkeit dieser Entschließung. Davon abgesehen ist die Wahl eines anderen gängigen und zur Fristwahrung tauglichen Versandweges - auch wenn dieser von der bisherigen Handhabung abweicht - nicht ohne Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Umstände geeignet, den Beweiswert einer bei isolierter Betrachtung zur Glaubhaftmachung ausreichenden anwaltlichen Versicherung in Zweifel zu ziehen.
9
b) Anders liegt es, wenn dem Postkunden besondere Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können. Eine solche Ausnahmesituation, in der das Vertrauen in die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten erschüttert sein kann, ist der Poststreik. Wird die Post bestreikt und wählt ein Prozessbevollmächtigter für die Beförderung eines fristgebundenen Schriftstücks gleichwohl den Postweg, obwohl sichere Übermittlungswege (Einwurf in den Gerichtsbriefkasten am Ort; Benutzung eines Telefaxgeräts ) zumutbar sind, treffen ihn gesteigerte Sorgfaltsanforderungen.
7
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermitt- lung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (BGH, Beschluss vom 13. Juni 1996 - VII ZB 13/96, NJW 1996, 2513; Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 11; Beschluss vom 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZB 51/12, juris Rn. 6). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 12).
6
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden mit den laut Sendeprotokoll versandten Seiten anzuordnen (BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 14 und vom 13. Juni 1996 - VII ZB 13/96, NJW 1996, 2513). Die entsprechende Prüfung braucht ein Rechtsanwalt dabei nicht selbst vorzunehmen ; er kann sie seinem zuverlässigen Personal übertragen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1995 - XII ZB 123/95, VersR 1996, 778).
8
aa) Ein Rechtsanwalt muss dafür Sorge tragen, dass der Prozesskostenhilfeantrag vollständig mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der entsprechenden Belege innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Bei Übermittlung eines Prozesskostenhilfeantrags durch Telefax muss er durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass eine Überprüfung erfolgt, ob der Antragsschriftsatz mit den erforderlichen Anlagen auch wirklich vollständig übermittelt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2001 - V ZB 5/01 - NJW-RR 2001, 1072; vom 22. Februar 2007 - VII ZA 7/06 - aaO). Über die konkrete Übermittlung muss ein Sendeprotokoll ausgedruckt und anhand dessen überprüft werden, ob alle Seiten des Originalschriftsatzes neben den erforderlichen Anlagen übermittelt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1994 - V ZR 62/93 - NJW 1994, 1879 f.; Beschlüsse vom 13. Juni 1996 - VII ZB 13/96 - NJW 1996, 2513; vom 8. März 2001 - V ZB 5/01 - aaO; vom 7. Mai 2001 - II ZB 16/00 - BGH-Report 2001, 809; vom 22. Februar 2007 - VII ZA 7/06 - aaO).
11
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermitt- lung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 f.).

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

7
bb) Das Berufungsgericht war auch nicht nach § 139 ZPO verpflichtet, den Kläger auf die Notwendigkeit ergänzenden Vortrags zur Organisation der Ausgangskontrolle hinzuweisen. Veranlassung zu einem solchen Hinweis besteht zwar, das ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, wenn der Vortrag in dem Wiedereinsetzungsantrag in einem wesentlichen Punkt unklar (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 - XII ZB 232/06, NJW 2007, 3212) oder ersichtlich unvollständig ist (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - I ZB 73/07, GRUR 2008, 837, 838). So lag es hier aber nicht. Der Kläger hatte sich in der Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags mit der Frage einer ausreichenden Postausgangskontrolle nicht befasst. Anzeichen dafür, dass dies auf einem Versehen beruhte, bestanden nicht. Vielmehr war nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags davon auszugehen, dass im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers die gebotene Kontrolle der aus dem Sendebericht ersichtlichen Telefaxnummer mit der in der Faxliste nicht vorgesehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.