Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2003 - V ZB 28/03

bei uns veröffentlicht am23.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 60/02
vom
20. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erkennt der Bevollmächtigte einer Partei, daß er einen Schriftsatz per Telefax nicht
mehr fristgerecht an das zuständige Gericht übermitteln kann, steht es der Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand grundsätzlich nicht entgegen, daß er den Schriftsatz
in anderer Weise noch rechtzeitig hätte übermitteln können, sofern die Unmöglichkeit
der rechtzeitigen Übermittlung per Telefax ihren Grund in der Sphäre des
Gerichts findet.
BGH, Beschl. v. 20. Februar 2003 - V ZB 60/02 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. Februar 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 und 2 wird der Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. September 2002 aufgehoben.
Den Beklagten zu 1 und 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 2.000

Gründe:

I.


Mit am 25. Juni 2002 den Beklagten zugestelltem Teilurteil vom 21. Juni 2002 hat das Landgericht Chemnitz zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 2 entschieden. Hiergegen haben die Beklagten zu 1 bis 3 am 9. Juli 2002 bei dem Oberlandesgericht Dresden Berufung eingelegt. Die Begründung der für
die Beklagten zu 1 und 2 (im folgenden: Beklagte) eingelegten Berufung ist mit am 9. September 2002 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 27. August 2002 haben die Beklagten Wiedereinset- zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung ihres Antrags haben sie ausgeführt, ihr sachbearbeitender Prozeßbevollmächtigter sei in Urlaub gewesen. Wegen der hiermit verbundenen Überlastung habe sein Vertreter die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um 14 Tage herbeiführen wollen. Er habe am Montag, dem 26. August 2002, ab 19.44 Uhr vergeblich versucht, von dem Büro ihrer Bevollmächtigten in C. aus den zur Fristverlängerung notwendigen Antrag per Fax an das Oberlandesgericht zu versenden.
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.


Das Berufungsgericht meint, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht ohne Verschulden der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten versäumt worden. Nachdem der antragstellende Bevollmächtigte sich mehr als eine Stunde lang vergeblich bemüht habe, den Antrag auf Verlängerung der Frist per Fax an das Berufungsgericht zu versenden, habe ihm klar sein müssen, daß der Antrag auf diesem Wege nicht fristgerecht gestellt werden konnte. Er habe da-
her eine andere zumutbare Möglichkeit, wie die Aufgabe eines Blitztelegramms , die Beauftragung eines Kurierdienstes mit 24-Stunden-Service oder die Übersendung des Faxes an ein in Dresden residierendes Rechtsanwaltsbüro mit der Bitte um Einwurf in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts, ergreifen müssen, um den Antrag bis 24.00 Uhr zu übermitteln, oder aber selbst mit dem Auto von Chemnitz nach Dresden fahren müssen.

III.


Die Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 574 Abs. 1, 2 ZPO zulässig. Sie hat schon deshalb Erfolg, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 20 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt. Die Voraussetzungen für die beantragte Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist liegen vor.
1. Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 69, 381, 385; 88, 118, 123 ff). Die Gerichte dürfen daher bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlaßt haben muß, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen (BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636). Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig. Zwar sind die nach der jeweili-
gen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren Anstrengungen zur Wah- rung des rechtlichen Gehörs auch insoweit zu verlangen (vgl. BVerfGE 74, 220, 225); die aus der Wahl des Übermittlungsweges per Telefax herrührenden besonderen Risiken der technischen Gegebenheiten des gewählten Kommunikationsmittels dürfen aber nicht auf den Nutzer des Mediums abgewälzt werden , wenn die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts liegt (BVerfG NJW 1996, 2857; 2001, 3473).
So liegt der Fall hier: Nach Auskunft der Geschäftsstellenverwalterin des Berufungsgerichts vom 5. September 2002 beruht die Unmöglichkeit, am Abend des 26. August 2002 einen Schriftsatz per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln, darauf, daß in beide Faxgeräte des Berufungsgerichts nicht genügend Papier eingelegt war. Dieses Versäumnis des Gerichts kann nicht dazu führen, den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten den für die Übermittlung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eröffneten Weg zu versagen. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Verlängerungsantrag einer anderen Stelle des Oberlandesgerichts fristwahrend per Fax hätte übermittelt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 6. März 1995, II ZB 1/95, NJW 1995, 1431). So verhält es sich bei dem Oberlandesgericht Dresden nicht.
2. Das Vorbringen der Beklagten zur Begründung des Antrags auf Fristverlängerung bedeutete einen erheblichen Grund im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Die Beklagten konnten daher darauf vertrauen, daß ihrem Antrag stattgegeben würde (BGH, Beschl. v. 5. Juli 1989, IVb ZB 53/89, BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 3; v. 2. November 1989, III ZB 49/89, BGHR ZPO
§ 233 Fristverlängerung 4; v. 23. Juni 1994, VII ZB 5/94 NJW 1994, 2957; u. v. 24. Oktober 1996, VII ZB 25/96, NJW 1997, 400).
Damit war dem Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten stattzugeben.
Tropf Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 71/02
vom
30. April 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Berufungsbeklagte hat die Wahl, ob er sich der Berufung des Gegners anschließt
oder ob er, falls die Voraussetzungen des § 511 ZPO gegeben sind, eigenständig
Berufung einlegt. Nur im ersteren Fall verliert der Angriff gegen das
Urteil seine Wirkung, wenn der Gegner die Berufung zurücknimmt (§ 524 Abs. 4
ZPO).

b) Die Möglichkeit, Anschlußberufung einzulegen, besteht auch innerhalb der für
den Berufungsbeklagten offenen Frist zur Einlegung einer eigenständigen Berufung.

c) Zur Auslegung einer "selbständigen Anschlußberufung", die innerhalb der für eine
eigenständige Berufung laufenden Frist eingelegt worden ist.
BGH, Beschl. v. 30. April 2003 - V ZB 71/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Hanau
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. April 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof.
Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Gegen das beiden Parteien am 16. Juli 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Beklagte am 9. August 2002 Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 zurückgenommen hat.
Mit Schriftsatz vom 16. August, per Fax am selben Tag bei Gericht eingegangen , haben die Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen , und zugleich "selbständige Anschlußberufung" mit der Ankündigung eingelegt, daß Anträge hierzu innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gestellt
würden. Vor Ablauf der - verlängerten - Begründungsfrist haben sie das Rechtsmittel begründet.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Rücknahme der Berufung des Beklagten habe das Anschlußrechtsmittel der Kläger wirkungslos gemacht (§ 524 Abs. 4 ZPO). Außerdem sei das Rechtsmittel entgegen § 524 Abs. 3 ZPO nicht zugleich mit der Anschlußschrift begründet worden. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses beantragen.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf einer Würdigung, die den Klägern den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, Beschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, NJW 2002, 3029, 3030 f., vorgesehen für BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, Umdruck S. 4, zur Veröffentl. vorgesehen).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 524 Abs. 4 ZPO zu Unrecht bejaht. Das Rechtsmittel der Kläger hätte durch die Rücknahme der Berufung des Beklagten nur dann seine Wirkung verloren, wenn es sich um eine Anschlußberufung gehandelt hätte. Das ist aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, an dessen Auslegung der Senat nicht gebunden ist (BGHZ 4, 328, 334; BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210, 1211), nicht der Fall.

a) Der von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger verwendete Begriff der "selbständigen Anschlußberufung" ist dem neuen Zivilprozeßrecht, das vorliegend anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO), fremd. Der Berufungsbeklagte hat nach neuem Recht zwei Möglichkeiten. Er kann sich entweder der Berufung des Gegners anschließen (§ 524 ZPO) oder, falls die Voraussetzungen des § 511 ZPO gegeben sind, selbständig Berufung einlegen (anders, aber abwegig [nur Anschlußberufung möglich], Grunsky, NJW 2002, 800, 801 Fn. 7). Nur im ersten Fall verliert der Angriff gegen das Urteil seine Wirkung, wenn der Gegner die Berufung zurücknimmt (§ 524 Abs. 4 ZPO), und nur im Falle der Anschließung muß die Berufung in der Anschlußschrift begründet werden (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Wird hingegen selbständig Berufung eingelegt , ist dieses Rechtsmittel vom Schicksal der gegnerischen Berufung unabhängig. Es bleibt wirksam, wenn jene zurückgenommen wird. Für sie laufen eigenständige Fristen zur Einlegung (§ 517 ZPO) und zur Begründung (§ 520 Abs. 2 ZPO). Welche Möglichkeit der Berufungsbeklagte wählt, steht in seinem Belieben (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, Aktualisierungsband, § 524 Rdn. 3; Meyer-Seitz, in: Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 524 Rdn. 5). Inner-
halb der noch für ihn offenen Berufungsfrist (§ 517 ZPO) kann er Anschlußberufung nach § 524 ZPO (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher aaO; a.A. von Olshausen , NJW 2002, 802) oder selbständig Berufung einlegen. Nur wenn die eigene Berufungsfrist verstrichen ist, ist er auf die Anschlußberufung beschränkt.

b) Da die Kläger die "selbständige Anschlußberufung" innerhalb der für sie laufenden Berufungsfrist eingelegt haben, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, welche der beiden Möglichkeiten sie gewählt haben. Dabei ist der Auslegungsgrundsatz zu beachten, daß im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210, 1211 m.w.N.). Danach ist vorliegend von einer selbständigen Berufung auszugehen.
aa) Dem Umstand, daß der Rechtsmittelschriftsatz der Kläger die ausdrückliche Bezeichnung "Anschlußberufung" enthält, kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine entscheidende Bedeutung zu. Dieses Wortlautargument verliert schon durch das beigefügte Eigenschaftswort an Überzeugungskraft, das auf ein selbständiges, also gerade nicht von der gegnerischen Berufung abhängiges Rechtsmittel hinweist.
bb) Unterstützt wird dieser Hinweis durch den Vermerk "Original zur Fristwahrung per Fax ...", der dem Schriftsatz vorangestellt ist. Für eine Anschlußberufung wäre er ohne Bedeutung. Die hierfür zu beachtende Frist nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO hatte noch nicht einmal zu laufen begonnen. Bedeutung kam ihm allein vor dem Hintergrund einer selbständigen Berufung
zu. Hierfür lief die Frist am 16. August 2002, dem Datum des Schriftsatzes, ab. Um diese Frist zu wahren, mußte der Prozeßbevollmächtigte die Übermittlung per Telefax anordnen.
cc) Dazu paßt weiter die Ankündigung, Anträge "innerhalb der Berufungsbegründungsfrist" zu stellen. Damit kann bei verständiger Würdigung nur die Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zur Begründung der - selbständigen - Berufung gemeint sein. Denn für die Anschlußberufung verlangt das Gesetz eine Begründung in der Anschlußschrift selbst (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Soweit § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine erneute Anschlußberufung - mit entsprechender Begründung - bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift erlaubt (vgl. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher § 524 Rdn. 41), kann diese Frist nicht gemeint sein. Sie hatte noch nicht zu laufen begonnen.

d) Das von dem Berufungsgericht hervorgehobene Argument, daß die Auslegung ihre Grenzen in dem berechtigten Vertrauen des Gegners auf den objektiven Erklärungsinhalt des Rechtsmittelschriftsatzes finden müsse, ist ohne Gehalt. Durch eine Auslegung wird der objektive Erklärungsinhalt einer Prozeßhandlung gerade ermittelt (s. nur Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., vor § 128 Rdn. 25). Auf diese objektive Erklärungsbedeutung darf der Prozeßgegner vertrauen. Sie begrenzt aber nicht die Auslegung, sondern ist deren Ergebnis. Vielmehr begrenzt das Auslegungsergebnis das Vertrauen des Prozeßgegners.
Vorliegend konnte der Beklagte angesichts der aufgezeigten Umstände nicht annehmen, daß eine Anschlußberufung eingelegt war, der er durch Rück-
nahme der eigenen Berufung den Boden hätte entziehen können. Objektiv betrachtet handelt es sich um eine selbständige Berufung.
Wenzel Krüger Klein
Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 38/02
vom
11. Februar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt die Anweisung
erteilt hat, die von ihm in Gegenwart seiner Büroangestellten unterzeichnete
Rechtsmittelschrift per Telefax an das Rechtsmittelgericht zu senden, die Angestellte
aber aufgrund einer Verwechslung eine nicht unterzeichnete Abschrift übermittelt.
BGH, Beschluß vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - OLG Jena
LG Gera
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10. Juni 2002 aufgehoben. Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Beschwerdewert: 95.743,64

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt wegen einer Lebensmittelvergiftung von dem Beklagten im Wege der abgesonderten Befriedigung gem. § 157 VVG Ersatz materieller und immaterieller Schäden. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 8. März 2002 zugestellt worden. Am 8. April 2002, einem Montag, ist beim Oberlandesgericht per Telefax eine Berufungsschrift aus der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingegangen; zwei Tage später das Original. Beide Schriftstücke enthielten keine Unterschriften. Lediglich die zusammen mit dem Original eingereichte beglaubigte Abschrift der Berufungsschrift war von
Rechtsanwalt W. unterzeichnet. Hierauf wies das Oberlandesgericht die Pro- zeßbevollmächtigten des Klägers am 9. oder 10. April 2002 hin. Am 15. April 2002 hat der Kläger (erneut) Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Fehlen der Unterschrift auf der per Telefax übermittelten Rechtsmittelschrift beruhe auf einem Versehen einer Angestellten seiner Prozeßbevollmächtigten. Rechtsanwalt W. habe die Berufungsschrift in Anwesenheit der im Berufsausbildungsverhältnis beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten H. unterzeichnet und diese angewiesen , den Schriftsatz per Telefax an das Oberlandesgericht zu übersenden. Da Frau H. auch eine beglaubigte und eine einfache Abschrift für die postalische Übersendung an das Oberlandesgericht habe fertigen sollen, habe sie weitere Exemplare ausgedruckt und auf dem Schreibtisch abgelegt. Anschließend habe sie per Telefax versehentlich ein nicht unterzeichnetes Exemplar übermittelt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten beruhe. Dieser habe es versäumt , sein Büropersonal anzuweisen, Schriftstücke vor ihrer Absendung auf Unterzeichnung zu überprüfen. Daneben sei ihm vorzuwerfen, bei der Unterzeichnung nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daß keine organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen worden seien, per Telefax zu übermittelnde Schriftstücke von den Postsendungen zu trennen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, denn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen er auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; BVerfG, NJW-RR 2002, 1004, 1005). 1. Das Berufungsgericht übersieht, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluß des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 - XI ZB 13/95 - VersR 1996, 348; vom 18. März 1998 - XII ZB 180/96 - NJW-RR 1998, 1360 f.; vom 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00 - NJW 2000, 2823; vom 2. Juli 2001 - II ZB 28/00 - NJW-RR 2002, 60 und vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - NJW-RR 2002, 1289 f.). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt (BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB
56/97 - NJW 1997, 1930). So liegt der Fall hier, denn der Prozeßbevollmäch- tigte des Klägers hatte der Auszubildenden H. konkret aufgetragen, die von ihm in ihrer Gegenwart unterzeichnete Berufungsschrift per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden. Hätte Frau H. diese Einzelanweisung befolgt, wäre die Berufungsfrist gewahrt worden. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daß sich Mängel bei der allgemeinen Organisation des Anwaltsbüros in einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Weise ausgewirkt haben könnten (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 f. und BGH, Beschluß vom 9. Januar 2001 - VIII ZB 26/00 - NJW-RR 2001, 782 f.). Das für die Fristversäumung ursächliche Versehen der Büroangestellten H. steht dem Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers nicht entgegen. Einer Partei ist nur ein Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93 - VersR 1994, 955). Zwar trägt ein Rechtsanwalt die Verantwortung dafür, daß eine einwandfreie Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht (BGH, Beschluß vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471). Zur Erfüllung seiner Pflicht darf der Anwalt aber eine einfache Aufgabe einer zuverlässigen Angestellten übertragen, ohne daß er die ordnungsgemäße Erledigung überwachen muß (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982, aaO und vom 4. November 1981 - VIII ZB 59/81 und VIII ZB 60/81 - VersR 1982, 190). Das gilt nicht nur für allgemeine Weisungen, sondern auch und erst recht - wie hier - für eine konkrete mündliche Weisung im Einzelfall (BGH, Beschlüsse vom 29. April 1994 - V ZR 62/93 - VersR 1994, 1494 f. und vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170 f.). Die Versendung der Rechtsmittelschrift per Telefax ist eine einfache Bürotätigkeit, mit der eine im zweiten Lehrjahr stehende Auszubildende beauftragt werden darf, sofern sie mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und
eine regelmäßige Kontrolle ihrer Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - VII ZB 7/94 - VersR 1995, 238, 239; vom 6. Dezember 1995 - VIII ZR 12/95 - VersR 1996, 910 und vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01 - NJW-RR 2002, 1070, 1071). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie der Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen des Rechtsanwalts W. und der Auszubildenden H. glaubhaft gemacht hat. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers auch nicht vorgeworfen werden, bei der Unterzeichnung der (später wohl als beglaubigte Abschrift eingereichten) Berufungsschrift nicht zugleich das Original-Telefax unterschrieben zu haben. Die Unterzeichnung eines zweiten Exemplars der Berufungsschrift war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich, denn nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Klägers hat Frau H. weitere Exemplare erst nach Unterzeichnung des ersten ausgedruckt. Dieser Arbeitsablauf ist nicht zu beanstanden, da zur wirksamen und rechtzeitigen Berufungseinlegung die Existenz eines einzigen Exemplars genügte. Weitergehende Anforderungen stellt die Rechtsprechung nicht.
3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts versagt werden, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein Organisationsverschulden wegen unzureichender Ausgangskontrolle , weil die per Telefax zu versendenden Schriftstücke nicht von den zur postalischen Übersendung vorgesehenen Exemplaren getrennt würden. Ob die Organisationspflichten eine allgemeine Anweisung zu einer solchen Trennung erfordern, kann hier dahinstehen, da bei Befolgung der Einzelanweisung eine Verwechslung der Schriftstücke ausgeschlossen gewesen wäre und sich deshalb die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht stellt.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 5/00
vom
29. Juni 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 233 Fb, 85 Abs. 2
Einer Partei kann nicht angelastet werden, daß im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten
nicht eine doppelte Fristenkontrolle stattfindet.
BGH, Beschluß vom 29. Juni 2000 - VII ZB 5/00 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juni 2000 durch die
Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Kuffer, Dr. Kniffka und Wendt

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Januar 2000 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 23. August 1999 (7 O 427/98) gewährt.

Gründe:


I.

Die Beklagte ist mit Urteil des Landgerichts vom 23. August 1999 zur Zahlung von Vorschuß wegen Baumängel verurteilt worden. Sie hat gegen das am 15. Oktober 1999 zugestellte Urteil am 18. November 1999 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung der Wiedereinsetzung haben die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten glaubhaft gemacht:
Für die Notierung von Berufungsfristen sei seit Jahren nur die gewissenhafte , zuverlässige Sekretärin B. zuständig. Sie habe die Aufgabe, im Fristenkalender die Berufungsfrist mit Vorfristen zu notieren, die Notierung durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Urteil zu dokumentieren und die Sache anschließend rechtzeitig vor Fristablauf der Sekretärin des sachbearbeitenden Anwalts zur Bearbeitung vorzulegen. Ferner sei sie angewiesen, vor Verlassen des Büros die Fristen im Fristenkalender zu kontrollieren und erst zu streichen, wenn sie sich davon überzeugt habe, daß sie erledigt seien. Ausweislich des Fristenkalenders sei der Ablauf der Berufungsfrist mit zwei Notfristen vom 8. November und 12. November 1999 korrekt auf den 15. November 1999 notiert worden. Aus der Streichung der Fristen vom 8. und 11. November ergebe sich, daß B. die Sache der Anwaltssekretärin K. vorgelegt habe. Diese habe es unterlassen, die Akten dem Berufungsanwalt vorzulegen, vermutlich deswegen, weil sie wegen Ausscheidens eines Anwalts zusätzliche Arbeiten zu erledigen hatte. Dies allein habe noch nicht zur Versäumung der Berufungsfrist führen können. Hinzu komme, daß B. es weisungswidrig versäumt habe, am 15. November 1999 vor Verlassen des Büros die Frist zu kontrollieren. Im Fristenkalender sei die Berufungsfrist nicht gestrichen worden. Die Fristenkontrolle gehöre seit 1992 zu den wichtigsten Aufgaben von B.. Es sei bisher niemals zu Versäumnissen gekommen. Das einmalige Fehlverhalten von B. sei nur damit zu erklären, daß sie damals Eheprobleme gehabt habe, die ihren Vorgesetzten nicht bekannt gewesen seien. Sie habe wohl deswegen am 15. November 1999 nach Feierabend das Büro verlassen, ohne sich zuvor zu vergewissern, daß die Berufung in der vorgemerkten Frist gefertigt worden sei. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Berufung "zurückgewiesen". Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Die Beklagte war ohne Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten. 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, es liege ein Organisationsverschulden darin, daß die Anwaltssekretärin keinen eigenen Fristenkalender führe. Es sei daher aus organisatorischen Gründen nicht ausgeschlossen, daß die Akten dem Anwalt nicht fristgerecht vorgelegt würden. Da die Durchsicht des Fristenkalenders erst abends erfolge, sei es nicht ausgeschlossen, daß die Sekretärin B. weder die Sekretärin des sachbearbeitenden Anwalts noch diesen selbst mehr erreiche. Den individuellen Fehlern der Angestellten hätten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten entgegenwirken müssen. Die eigene Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts sei erhöht, wenn Störungen in der Organisation des Büros auftreten. Bei den mitgeteilten personellen Problemen sei es notwendig gewesen , daß der Anwalt delegierte Aufgaben, wie zum Beispiel die Fristenkontrolle, wieder an sich ziehe. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht dargetan, wann sie die Anwälte beauftragt habe, Berufung einzulegen. Wäre eine entsprechende Bitte an ihre Anwälte erfolgt, wären die Handakten außerhalb der notierten Fristen dem Anwalt vorgelegt worden, der rechtzeitig vor Fristablauf die Berufung hätte einlegen können. 2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Fristversäumung beruht auf einem Fehlverhalten der Angestellten der Prozeßbevollmächtigten
der Beklagten und nicht auf einem zurechenbaren Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO).
a) Der Beklagten kann nicht angelastet werden, daß im Büro ihrer Prozeßbevollmächtigten nicht zwei Fristenkalender geführt wurden. Es ist ausreichend , zur Beachtung der Fristen einen Fristenkalender zu führen. Der Fristenkalender wurde hier auch ordnungsgemäß geführt. Die Wahrung der Fristen ist dadurch doppelt abgesichert, daß Vorfristen und Ablauffristen eingetragen werden und die allein zuständige Sekretärin B. angewiesen ist, diese Fristen nur zu streichen, wenn sie sich persönlich überzeugt hat, daß der fristgebundene Vorgang erledigt ist.
b) Das Berufungsgericht mißt dem Vortrag der Beklagten falsche Bedeutung zu, die Sekretärin B. sei angewiesen, sich vor Verlassen des Büros zu vergewissern, daß alle im Fristenkalender vermerkten Fristen erledigt seien; denn damit wird nicht, worauf die Beklagte zulässig in der Begründung der sofortigen Beschwerde hinweist, zum Ausdruck gebracht, daß die Fristenkontrolle nur zum Ende der täglichen Dienstzeit erstmalig vorgenommen wird. Der Vortrag ist vielmehr dahin zu verstehen, daß für die Sekretärin die Weisung bestand , den Fristenkalender vor ihrem Dienstschluß (um 17 Uhr) noch einmal durchzugehen, um zu kontrollieren, ob keine Frist übersehen wurde. Unzutreffend ist auch, daß zu diesem Zeitpunkt kein zur Abfassung einer Berufung bereiter Rechtsanwalt mehr erreichbar wäre. Denn nach dem Beschwerdevorbringen verlassen die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten das Büro üblicherweise nicht vor 19 Uhr. Ein Berufungsanwalt kann jederzeit verständigt werden.
c) Nicht gefolgt werden kann der auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluß vom 26. August 1999 - VII ZR 12/99, NJW 1999, 3783 =
EBE 1999, 338 = MDR 1999, 1411) gestützten Ansicht, die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten habe wegen des Ausscheidens eines Rechtsanwalts und privater persönlicher Probleme der Sekretärin eine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen. Von den privaten Problemen der Sekretärin B. haben diese erst erfahren , als B. nach Versäumung der Berufungsfrist zur Rede gestellt wurde. Die Beklagte hat das Fehlverhalten der Angestellten auch nicht damit begründet, daß das Personal drastisch reduziert oder chronisch überlastet war. Sie hat nur die Vermutung geäußert, daß die Anwaltssekretärin K. wegen des Ausscheidens eines Kollegen mehr als üblich belastet war. Insofern handelte es sich nach der Begründung der sofortigen Beschwerde um eine Mehrbelastung, die nicht über die in einer Anwaltskanzlei urlaubs- und saisonbedingt üblicherweise auftretenden Schwankungen des Arbeitsausfalls hinausgeht. Besondere organisatorische Maßnahmen waren daher nicht erforderlich. Das Versehen der Anwaltssekretärin hätte zudem nicht zur Fristversäumung geführt, wenn die Sekretärin B. die Fristenkontrolle bei Ablauf der Berufungsfrist am 15. November 1999 ordnungsgemäß vorgenommen hätte.

d) Ohne Bedeutung ist, daß die Beklagte nicht dargelegt hat, zu welchem Zeitpunkt sie ihren Anwälten den Auftrag erteilt hat, die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil einzulegen. Dies steht in keinem kausalen Zusammenhang zur Fristversäumung, weil die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten unabhängig vom Zeitpunkt der Beauftragung die Frist bis zum letzten Tag ausnutzen konnten. Thode Hausmann Kuffer Kniffka Wendt

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 118/02
vom
25. Juli 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZPO § 26 Nr. 8

a) Zur Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde reicht es hin, daß der Beschwerdeführer
glaubhaft macht, der Wert der mit der Revision geltend zu machenden
Beschwer übersteige zwanzigtausend Euro; einer Wertermittlung nach
§ 3, 2. Halbsatz ZPO bedarf es nicht.

b) Die Rüge, ein entscheidungserheblicher Beweisantrag sei übergangen worden,
kann, wenn mit ihr zugleich ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör
dargelegt ist, Anlaß sein, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zuzulassen; dies setzt in der Regel voraus, daß nach den Darlegungen
des Beschwerdeführers der Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht
klar zutage tritt, also offenkundig ist (im Anschluß an Senatsbeschl. v. 4. Juli
2002, V ZB 16/02, für BGHZ bestimmt).
BGH, Beschl. v. 25. Juli 2002 - V ZR 118/02 - Hans. OLG Hamburg
LG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten
des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Gaier

beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 4. März 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 50.788 ?.

Gründe:

I.


Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung, Zug um Zug gegen Zahlung von 1.000 DM die Zustimmung zur Löschung einer Auflassungsvormerkung zu erteilen, zurückgewiesen. Es hat, sachverständig beraten, festgestellt, das von dem Beklagten für 1.000 DM gekaufte Grundstück sei 298.000 DM wert gewesen. Die daraus folgende "Vermutung für seine verwerfliche Gesinnung" habe der Beklagte "nicht widerlegt".
Der Kauf sei deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten, der die Kläger entgegentreten.

II.


Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes, nämlich der Revisionsanträge, die die Nichtzulassungsbeschwerde ermöglichen soll (Senat, Beschl. v. 27. Juni 2002, V ZR 148/02, zur Veröffentl. best.), übersteigt 20.000 ?. Dies ergibt sich, ohne daû es weiterer Darlegungen bedarf, daraus, daû die Verpflichtung , die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung zu erklären , gegenständlich nicht teilbar ist und den Beklagten mit 99.333 DM, nunmehr 50.788 ?, beschwert. Bei der Bemessung der Beschwer 2, (§§ 3, erster Halbsatz ZPO) geht der Senat von 1/3 des Wertes des Grundstücks aus, das Gegenstand des durch die Vormerkung gesicherten Auflassungsanspruchs ist (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rdn. 16, Stichwort Löschung m.w.N.). Den Verkehrswert des Grundstücks bemiût der Senat für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde im Anschluû an die mit gutachterlicher Hilfe getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts mit 298.000 DM. Der Umstand, daû der Beklagte selbst zufolge der erforderlichen Gebäudesanierung einen Restwert des Grundstücks in Höhe des Kaufpreises, mithin 1.000 DM, behauptet , ist nicht maûgeblich. Denn die Beschwer, die er mit der beabsichtigten Revision bekämpft, unterscheidet sich notwendigerweise vom Ziel der Rechtsverteidigung , der Abweisung des Grundbuchberichtigungsanspruchs auf der Grundlage eines (niedrigen) Verkehrswertes, der ein Unwerturteil nach § 138 Abs. 1 BGB nicht erlaubt. Allerdings ist die Wertfeststellung des Berufungsgerichts voraussichtlich Gegenstand der Rügen in der Revision, deren Zulassung
die Beschwerde dient; die Nichtzulassungsbeschwerde selbst sucht einen Zulassungsgrund daraus herzuleiten, daû das Gutachten unvollständig und ein Antrag auf weiteren Sachverständigenbeweis übergangen worden ist. Dies hindert es aber nicht, die Feststellungen des Berufungsgerichts als Schätzgrundlage heranzuziehen. Wie bei der Festsetzung der Beschwer durch das Revisionsgericht nach § 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. gilt auch für die Ermittlung des Beschwerdegegenstandes nach § 26 Nr. 8 EGZPO ein gegenüber § 3 zweiter Halbsatz ZPO vereinfachtes Verfahren, das sich mit der Glaubhaftmachung des Wertes begnügt. Dies hatte das Revisionsrecht in der Fassung des Gesetzes über die Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12. September 1950 (BGBl. I 455) ausdrücklich vorgesehen (§ 546 Abs. 3 ZPO damaliger Fassung). Die Revisionsnovelle vom 15. September 1975 (BGBl. I 1863) hatte im Hinblick auf den Umstand, daû das Berufungsgericht die Beschwer von Amts wegen festzusetzen hatte (§ 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F.), von einer entsprechenden Regelung abgesehen; gleichwohl ging die Rechtsprechung weiterhin davon aus, daû Glaubhaftmachung genüge (BGH, Beschl. v. 9. März 1988, IVa ZR 250/87, BGHR ZPO § 546 Abs. 2, Neue Tatsachen 1). Der als Überleitungsvorschrift zur neuerlichen Novelle vom 27.07.2001 (BGBl. I 1887, geänd. 3138) geschaffene § 26 Nr. 8 EGZPO enthält sich einer Bestimmung, auf welche Weise (bei unbezifferten Anträgen) "der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer" zu ermitteln ist. Da das reformierte Revisionsrecht indessen insoweit zu den Grundsätzen des Jahres 1950 zurückkehrt, als sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes richtet, besteht kein innerer Grund, von der seinerzeit durch § 543 Abs. 3 ZPO geschaffenen Erleichterung der Wertermittlung abzusehen. Aus dem Umstand, daû der Gesetzgeber des Jahres 2001 im Gegensatz zu jenem des Jahres 1950 die Frage nicht anspricht, ist kein Argument dafür herzuleiten,
er wolle das Revisionsgericht nunmehr mit den unter Umständen langwierigen Ermittlungen nach § 3, zweiter Halbsatz ZPO belasten, die im Streitfalle zur Erhebung eines Verkehrswertgutachtens allein zur Klärung der Frage führen würden, ob die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist. Im Streitfalle sind die zur Darlegung eines Zulassungsgrundes geführten Angriffe auf das Beweisergebnis des Berufungsgerichts nicht geeignet, diesem die Tauglichkeit zur Glaubhaftmachung der Beschwer zu entziehen (im einzelnen unten zu III 2). Die Kläger haben sich zu der Frage nicht geäuûert, mithin der Glaubhaftigkeit der Beschwer nichts entgegengesetzt.

III.


In der Sache hat die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg. Einen Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) hat der Beklagte nicht dargetan (§ 554 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
1. Die in Aussicht genommene Sachrüge (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2a ZPO) macht eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alt. ZPO) oder aus sonstigen Gründen nicht erforderlich.

a) Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist nicht dargetan. Das Berufungsurteil stellt nicht den, von der Senatsrechtsprechung (BGHZ 146, 298; Urt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, WM 2002, 600) abweichenden, Rechtssatz auf, bei einem besonders groben Äquivalenzverstoû im Austauschverhältnis bestehe eine Vermutung für eine verwerfliche Ge-
sinnung des Begünstigten in dem Sinne, daû diesen, wie in den Fällen des § 292 ZPO, die Beweislast für seine Redlichkeit träfe. In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ist zwar davon die Rede, daû der Beklagte die aus dem Miûverhältnis zwischen Kaufpreis und Grundstückswert folgende Vermutung nicht widerlegt habe. Die des näheren in Bezug genommene Entscheidung des Landgerichts macht aber deutlich, daû sich das Berufungsgericht nicht von einem die Beweislast umkehrenden Begriff der Vermutung leiten lieû. Das Landgericht kommt als Ergebnis seiner Beweiserwägungen dazu, daû die Vermutung für die verwerfliche Gesinnung des Beklagten nicht entkräftet sei. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, der von einer beweiserleichternden tatsächlichen Vermutung ausgeht, die vom Tatrichter bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist.

b) Die gerügten Rechtsanwendungsfehler, insbesondere eine etwa unzureichende Würdigung der Bewertungsschwierigkeiten (vgl. Senatsurt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155 f) bei der Beurteilung der verwerflichen Gesinnung, begründen ein öffentliches Interesse an einer Revisionsentscheidung unter keinem der gesetzlichen Zulassungsgründe. Sie lassen einen über den Einzelfall hinauswirkenden Rechtsverstoû nicht erkennen (vgl. Senatsbeschl. v. 4. Juli 2002, V ZB 16/02, für BGHZ bestimmt).
2. Auch die in Aussicht genommene Verfahrensrüge (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b ZPO) begründet die Beschwerde nicht.

a) Die Rüge, ein entscheidungserheblicher Beweisantrag sei übergangen worden, auf die sich die Beschwerde stützt, kann zwar, wenn mit ihr zugleich ein Verstoû gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1
GG) dargelegt ist (zur verfassungsrechtlichen Pflicht der Gerichte, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen, und deren Grenzen vgl. BVerfGE 60, 247, 249; 60, 250, 252; 69, 145, 158; BVerfG-K, NVwZ 95, 1097), Anlaû sein, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen; dies setzt in der Regel voraus, daû nach den Darlegungen des Beschwerdeführers der Verstoû gegen das Verfahrensgrundrecht im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist (Senat Beschl. v. 4. Juli 2002 aaO; vgl. auch Beschl. v. gleichen Tage, V ZR 75/02, zur Veröffentl. best.). In diesem Falle geht das Individualinteresse des Beschwerdeführers an der Durchsetzung seines Grundrechts, dem eine sonst eröffnete Verfassungsbeschwerde vornehmlich zu dienen hätte (BVerfGE 85, 109, 113; 98, 218, 242, 243), mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung der Grundrechtsordnung, auf das das Revisionsrecht auch abstellt , einher (zur Aufgabe der Zulassungsrevision, präsumtiv erfolgreiche Verfassungsbeschwerden vermeidbar zu machen, vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Novelle v. 27.07.2001, BR-Drucks. 536/00, S. 265 f).
Im Falle des Beklagten bedarf es der Zulassung der Revision nicht, denn ein offensichtlicher Grundrechtsverstoû liegt nicht vor. Das Berufungsurteil befaût sich zwar mit dem Antrag des Beklagten, zum Gesamtausmaû des Schwammbefalls, der für die Aufzehrung des Grundstückswertes maûgeblich sei, ergänzenden Sachverständigenbeweis zu erheben, nicht. Auch trifft es zu, daû der im selbständigen Beweisverfahren herangezogene Sachverständige sein Gutachten unter dem Vorbehalt erstattet hat, daû die Verkehrswertermittlung nicht mit einem Bausubstanzgutachten identisch ist. Anlaû hierzu hatte die Bekundung eines anderen Sachverständigen über seiner Ansicht nach erforderliche Freilegungen bestimmter Bauteile gegeben. Andererseits hat der Gutachter , jedenfalls hinsichtlich beachtlicher Teile der Baumasse, aus eigener
Erkenntnis Befundtatsachen ermittelt ("Hausschwamm in einem kaum vorstellbaren Maûe"), die Schlüsse auf den Verkehrswert erlauben konnten. In dem Schweigen der Entscheidungsgründe tritt unter diesen Umständen nicht klar und offenkundig ein Grundrechtsverstoû zutage, denn Art. 103 Abs. 1 GG gebietet es nicht, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 217).

b) Ein etwaiger Verstoû gegen das einfache Verfahrensrecht (§ 286 ZPO) rechtfertigt die Zulassung aus den zu III 1 b genannten Gründen nicht.

IV.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Gaier

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 187/02 Verkündet am:
18. Juli 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, 544 Abs. 6 Satz 1

a) Ein Berufungsurteil beruht auf der Verletzung rechtlichen Gehörs, wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung
des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte.

b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht führt nicht zur
Zulassung der Revision, wenn sich nach einer rechtlichen
Überprüfung in dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das Berufungsurteil
aus anderen Gründen als richtig darstellt.

c) Ist die Revision wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zugelassen, so
ist die Überprüfung des Berufungsurteils in dem Revisionsverfahren, als das das
Beschwerdeverfahren gemäß § 544 Abs. 6 Satz 1 ZPO fortgesetzt wird, nicht auf
die Gesichtspunkte beschränkt, die für die Zulassung der Revision maßgebend
waren.
BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - Kammergericht
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. Mai 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 8. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte trat seit Mitte 1990 als Rechtsnachfolgerin der LiberalDemokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) auf. Sie nutzte zwischen dem 3. Oktober 1990 und dem 31. Dezember 1991 elf Grundstücke, die zuvor als Volkseigentum in Rechtsträgerschaft jeweils einer dieser Parteien gestanden hatten. Während dieser Zeit vereinnahmte die Beklagte 1.258.519,44 DM aus der Vermietung
der Grundstücke. Ein Teil der Mieten wurde auf ein Konto der Beklagten bei der Berliner Bank gezahlt, das unter treuhändischer Verwaltung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben stand. Ferner ersparte die Beklagte durch Eigennutzung der Grundstücke Mietzahlungen in Höhe weiterer 517.616,13 DM. Dem standen von ihr aufgewandte Verwaltungskosten für die Grundstücke in Höhe von mindestens 1.081.741 DM gegenüber.
In einem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Berlin nahm die Beklagte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auf Wiederzurverfügungstellung bestimmter Vermögenswerte wegen eines vermeintlichen Erwerbs nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen in Anspruch. Beigeladene dieses Rechtsstreits war auch die Klägerin, vertreten durch die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen in der früheren DDR. Unter Einbeziehung der Beigeladenen schlossen die Beklagte und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben in dem Verwaltungsstreitverfahren am 11. Dezember 1995 einen Prozeßvergleich. In dessen Präambel wird ausgeführt, daß "unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber (bestehen), welche Vermögensgegenstände von der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands/des Bundes Freier Demokraten (LDPD) und der National-Demokratischen Partei Deutschlands nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen ... erworben wurden und diesen daher wieder zur Verfügung zu stellen sind." Weiter bestehe Streit darüber, ob die Beklagte "vermögensrechtlich Rechtsnachfolgerin der LDPD und NDPD geworden" sei. Außerdem gebe es unterschiedliche Auffassungen über die Frage , ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte "Altvermögen der LDPD und NDPD für Zwecke in Anspruch genommen hat, für die sie nur Neuvermögen hätte einsetzen dürfen." Die Beteiligten seien sich in dem Ziel einig, "beste-
hende Ungewißheit im Wege dieses Vergleichs endgültig zu beseitigen ...". Im Anschluß daran wurde unter § 1 Satz 1 des Vergleichs vereinbart:
"Gegenstand dieses Vergleichs ist das am 7. Oktober 1989 vorhandene und seither an die Stelle dieses Vermögens getretene Vermögen der LDPD und NDPD."
Nach § 2 des Vergleichs wurden der LDPD, die sich ihrerseits zur Übertragung auf die Beklagte verpflichtete, zwei Grundstücke sowie ein Geldbetrag von 4,8 Mio. DM wieder zur Verfügung gestellt. Auf die Wiederzurverfügungstellung aller anderen "Vermögenswerte des Altvermögens von LDPD und NDPD" verzichtete die Beklagte unter § 3 des Vergleichs. Als Gegenstand des Verzichts sind u.a. die Forderungen aus dem für die Mietzahlungen bestimmten Bankkonto der Beklagten bei der Berliner Bank aufgeführt. In § 4 Abs. 1 des Vergleichs ist festgehalten, daß zwar unterschiedliche Auffassungen wegen der "Verwendung des Altvermögens" nach dem 7. Oktober 1989 bestünden, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben jedoch auch gegen die Beklagte "keine Regreßansprüche wegen des endgültigen Abflusses von Altvermögenswerten" geltend mache. Der "Verzicht" soll sich nicht auf solches Vermögen beziehen, auf das LDPD, NDPD und die Beklagte "noch eine Zugriffsmöglichkeit" haben.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten ! Zahlung von 694.394,54 DM (= 355.038,29 bzw. ersparten Mieten unter Abzug der unstreitigen Verwaltungskosten ergeben. Sie ist der Auffassung, der vor dem Verwaltungsgericht geschlossene Prozeßvergleich habe ihre nun geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche
nicht erfaßt; es seien lediglich die Auswirkungen der treuhänderischen Verwaltung durch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auf das LDPD- und NDPD-Vermögen sowie deren teilweise Beendigung geregelt worden. Außerdem sei sie an dem Vergleich auch nicht beteiligt gewesen. Die Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision , mit der die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Klägerin aus § 988 BGB. Als unentgeltliche Besitzerin sei die Beklagte zur Nutzungsherausgabe verpflichtet. Der Anspruch sei durch den Vergleich vom 11. Dezember 1995 nicht ausgeschlossen. Als früheres Volkseigentum seien die Grundstücke nun Teil des Bundesfinanzvermögens. Damit könnten sie nicht Gegenstand des Vergleichs sein, der nach § 1 nur das Altvermögen der früheren DDR-Parteien erfaßt habe. Zu diesem zählten die betreffenden Grundstücke nicht, weil die früheren DDR-Parteien nie deren Eigentümer gewesen seien, sondern lediglich die Rechtsträgerschaft erhalten hätten. Forderungen aus dem Bundesfinanzvermögen seien nicht geregelt worden. Auch die Erwähnung des Kontos, auf
dem die Beklagte Mieteinnahmen aus den Grundstücken angesammelt habe, in § 3 des Vergleichs führe zu keinem anderen Ergebnis, weil zuvor klargestellt worden sei, daß sich der Verzicht nur auf das Altvermögen beziehe.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Der Senat kann das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Revisionsrechts in vollem Umfang überprüfen; er ist nicht auf die Gründe beschränkt, die Anlaß waren, der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten stattzugeben.

a) Mit der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Beklagte zu Recht eine Mißachtung ihres Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) beanstandet.
aa) Entgegen der Darstellung in dem angefochtenen Urteil haben die Parteien in der Berufungsinstanz nicht "ausschließlich" darüber gestritten, ob der Klageanspruch Gegenstand der abschließenden Regelung im Vergleich vom 11. Dezember 1995 sei und daher nicht mehr geltend gemacht werden könne. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben, weitere von der Klageforderung abzuziehende Kosten geltend gemacht, hilfsweise aufgerechnet und einen - jeder Auslegung vorgehenden (vgl. Senat, Urt. v. 7. Dezember 2001, V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039 m.w.N.) - übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien vorgetragen hat. Diesen Teil ihres Verteidigungsvorbringens aus dem ersten Rechtszug
brauchte die Beklagte vor dem Berufungsgericht nicht ausdrücklich zu wiederholen. Die Beklagte ist nämlich im ersten Rechtszug schon deshalb erfolgreich gewesen, weil nach der Auslegung des Landgerichts durch den Vergleich auch die Klageforderung ausgeschlossen war. Die Klägerin wandte sich mit ihrer Berufung gegen diese Interpretation, während die Beklagte sich darauf beschränken konnte, das Urteil zu verteidigen. Auf das weitere Verteidigungsvorbringen der Beklagten kam es hiernach zunächst nicht mehr an, womit es aber noch nicht - gegen alle Vernunft - fallengelassen war. Da die Beklagte in der Berufungserwiderung auf ihr Vorbringen aus erster Instanz Bezug genommen hat, ist die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu qualifizieren (vgl. BVerfGE 46, 315, 319 f; 60, 305, 311; 70, 288, 295; BVerfG, NJW 1992, 495; auch BVerfG, NJWRR 1995, 828).
bb) Das Berufungsurteil beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f). Damit steht es im Einklang, wenn die Verletzung rechtlichen Gehörs , die im Zivilprozeß nicht zu den absoluten Revisionsgründen zählt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 547 Rdn. 22; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 547 Rdn. 19; teilw. a.A. aber Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 19), hier als Verfahrensfehler angesehen wird, bei dem für die Ursächlichkeit der Rechtsverletzung allein die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Berufungsgerichts genügt (MünchKommZPO /Wenzel, aaO, § 547 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 547 Rdn. 19). Im vor-
liegenden Fall kann diese Möglichkeit zwar - weil die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. nicht für den hier geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 988 BGB gilt (vgl. Senat, Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 205/02, zur Veröffentlichung vorgesehen) - für die übergangene Verjährungseinrede ausgeschlossen werden. Auf der Grundlage der hier maßgeblichen rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 16) gilt das aber nicht für das Vorbringen der Beklagten zu angeblichen Gegenforderungen und zu dem gemeinsamen umfassenden Abgeltungswillen.

b) Die Verletzung eines Verfahrensgrundrechts führt nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. Senat, Beschl. v. 27. März 2003, V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1946 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
aa) Hieraus folgt allerdings nicht, daß der Senat in dem Revisionsverfahren , als das das Beschwerdeverfahren gemäß § 544 Abs. 6 Satz 1 ZPO fortgesetzt wird, bei der Überprüfung des Berufungsurteils auf die Gesichtspunkte beschränkt wäre, die für die Zulassung der Revision maßgebend waren. Auch dann, wenn die Revisionsinstanz erst durch eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet wird, richtet sich der Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung nach den allgemeinen Regeln, insbesondere aus § 557 ZPO. Dies wird durch die Systematik des Gesetzes bestätigt, das zwischen der Nichtzulassungsbeschwerde und dem Revisionsverfahren klar trennt (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 544 Rdn. 18). So gibt § 544 Abs. 6 Satz 3
ZPO, der den Beginn der Revisionsbegründungsfrist an die Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Revision knüpft, dem Revisionskläger Gelegenheit , seine Angriffe im Hinblick auf die nun eröffnete volle Überprüfung des Berufungsurteils - wenn notwendig - neu vorzutragen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 544 Rdn. 16). Ergibt sich der Zulassungsgrund aus einem Verfassungsverstoß des Berufungsgerichts, so gilt nichts anderes. Das Revisionsgericht hat die Rechtssache nicht etwa allein unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Anders als im Verfahren der Verfassungsbeschwerde , das einer Überprüfung auf Verfassungsverstöße dient und dessen Prüfungsintensität entsprechend eingeschränkt ist, haben sich die Fachgerichte vielmehr mit jeder Rechtsbeeinträchtigung zu befassen (BVerfG, NJW 2003, 1924, 1926).
bb) Auf Grund der weitergehenden Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts ist der Senat zudem im Verfahren der Nichtzulassungbeschwerde selbst nach Feststellung eines Verfassungsverstoßes nicht an einer Prüfung des einfachen Gesetzesrechts gehindert. Gelangt das Revisionsgericht daher bei Prüfung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu dem Ergebnis, daß sich das Berufungsurteil trotz der Gehörsverletzung in der Vorinstanz im Ergebnis als richtig darstellt, weil im Fall richtiger Anwendung des formellen und des materiellen Rechts auch bei Beachtung des übergangenen Vorbringens kein anderes Urteil hätte ergehen können, so sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht gegeben. Die bisher unterbliebene Berücksichtigung und Erwägung des Vorbringens wurde dann in der Revisionsinstanz nachgeholt und die Verletzung des rechtlichen Gehörs auf diese Weise geheilt (vgl. BVerfGE 5, 22, 24; 62, 392, 397). Zugleich steht fest, daß die Frage der Gehörsverletzung keine Entscheidungserheblichkeit erlangen kann, weil selbst bei
einer Zulassung der Revision, dieses Rechtsmittel nach § 561 ZPO nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könnte (vgl. BVerwGE 15, 24, 26; 52, 33, 42; BVerwG, NVwZ-RR 2000, 233, 234; MünchKommZPO /Wenzel, aaO, § 561 Rdn. 8). Ist eine Frage nicht entscheidungserheblich, so kann sie auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Zulassung der Revision eröffnen (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831; auch Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181). Indessen kann das Berufungsurteil im vorliegenden Fall auch mit einer anderen Begründung keinen Bestand haben.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von der Beklagten nicht gemäß § 988 BGB die Herausgabe der aus den fraglichen elf Grundstücken gezogenen Nutzungen verlangen. Zwar sind die Grundstücke seit dem 3. Oktober 1990 gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages als Finanzvermögen Eigentum der Klägerin, und die Beklagte hat den Besitz an diesen Grundstücken auch unentgeltlich erlangt (vgl. Senat, Urt. v. 20. Februar 1998, V ZR 319/96, NJW 1998, 1709, 1710). Ferner zählen zu den von ihr gezogenen Nutzungen nach § 99 Abs. 3 BGB die hier herausverlangten Mieteinnahmen sowie nach §§ 100, 818 Abs. 2 BGB auch der Wertersatz für die durch die Eigennutzung erlangten Gebrauchsvorteile. Gleichwohl steht der Klägerin nach den im Prozeßvergleich vom 11. Dezember 1995 getroffenen Vereinbarungen der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Das abweichende Verständnis des Berufungsgerichts beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des Prozeßvergleichs und bindet daher den Senat nicht.

a) Die tatrichterliche Auslegung eines Prozeßvergleichs unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht jedenfalls hinsichtlich der Beachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze, der gesetzlichen Auslegungsregeln, der Denkgesetze und der Erfahrungssätze (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 1995, VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, 1202; Urt. v. 13. Dezember 1995, XII ZR 194/93, NJW 1996, 838, 839). Für den vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Umstand, daß der Prozeßvergleich in einem Verwaltungsstreitverfahren abgeschlossen wurde und - zumindest in seinen wesentlichen Teilen - als öffentlichrechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 106 Rdn. 5) keine Besonderheiten. Insbesondere gelten die Auslegungsgrundsätze des Zivilrechts über § 62 Satz 2 VwVfG auch für öffentlichrechtliche Verträge (vgl. BVerwGE 84, 257, 264). Einer Prüfung nach den hiernach maßgebenden Grundsätzen hält die Auslegung des Berufungsgerichts nicht stand.
aa) Entscheidend für das Verständnis des Berufungsgerichts ist die Überlegung, daß die fraglichen elf Grundstücke als Eigentum des Volkes und bloßer Rechtsträgerschaft der LDPD und der NDPD niemals Vermögen dieser Parteien waren und daher - insbesondere wegen der Festlegung des Vergleichsgegenstandes (§ 1 des Prozeßvergleichs) - von dem Vergleich nicht erfaßt sein könnten. Hierbei ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei seiner Auslegung an den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen anknüpft (BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urt. v. 11. September 2000, II ZR 34/99, NJW 2001, 144; Urt. v. 27. März 2001, VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsatz beachtet, daß bei Erklärungen, die sich an Angehörige eines bestimmten Verkehrskreises richten, nicht das allgemein-
sprachliche Verständnis der Aussagen entscheidend ist, sondern das in dem maßgeblichen Fachkreis verkehrsübliche Verständnis (vgl. BGH, Urt. v. 23. Juni 1994, VII ZR 163/93, NJW-RR 1994, 1108, 1109; Urt. v. 12. Dezember 2000, XI ZR 72/00, NJW 2001, 1344, 1345 m.w.N.). Hier wurde der Prozeßvergleich zwischen - zudem noch speziell beratenen - Beteiligten geschlossen, die auf dem Gebiet der Vermögensangelegenheiten der politischen Parteien der früheren DDR besonders fachkundig waren. Dies gilt namentlich für die Parteien des durch den Prozeßvergleich beendeten Verwaltungsstreitverfahrens, nämlich die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und die hiesige Beklagte als vermeintliche Rechtsnachfolgerin zweier politischer Parteien der früheren DDR. Soweit daher in dem Prozeßvergleich von dem "Vermögen" der LDPD und der NDPD gesprochen wird, ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, daß dieser Begriff im Sinne der einschlägigen §§ 20 a, 20 b PartG-DDR Verwendung finden sollte.
bb) Entsprechend dem Regelungszweck einer möglichst vollständigen Erfassung und Einziehung des Partei- und Organisationsvermögens für gemeinnützige Aufgaben (vgl. Toussaint, in Kimme, Offene Vermögensfragen, § 20 b PartG-DDR Rdn. 1) ist für die §§ 20 a, 20 b PartG-DDR von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff auszugehen (vgl. Berger, RVI, § 20 b PartGDDR Rdn. 39). Danach zählen zwar Grundstücke, die im Volkseigentum standen und einer Partei nur in Rechtsträgerschaft überlassen worden waren, als fremdes Eigentum nicht zu deren Vermögen. Anderes gilt aber für den tatsächlichen Besitz, der einer Partei an solchen Grundstücken verblieben ist. Er stellt nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Sicht einen Vermögenswert dar, der der Partei zuzurechnen ist (Senat, Urt. v. 9. Januar 1998, V ZR 263/96, WM 1998, 987, 988; auch Urt. v. 20. Februar 1998, aaO, 711 für das Recht
zum Besitz; Berger, RVI, § 20 b PartG-DDR Rdn. 40, 42; ders., Die treuhänderische Verwaltung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR, 1998, S. 132 f; Toussaint, in Kimme, aaO, § 20 b PartG-DDR Rdn. 64). Soweit das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, der Besitz sei unerheblich, weil er allein das Ziehen von Nutzungen nicht rechtfertige, wird verkannt, daß der Besitz jedenfalls die tatsächliche Nutzung ermöglicht und ihm deshalb ein Vermögenswert nicht abgesprochen werden kann. Nach alledem hat das Berufungsgericht für seine Auslegung einen zu engen Vermögensbegriff zugrunde gelegt. Damit ist, weil sich für eine Begrenzung der Regelungen des Vergleichs auf Grundstücke, die im Eigentum der LDPD oder der NDPD standen, auch im übrigen kein Hinweis findet, dem Ergebnis der Auslegung des Berufungsgerichts die Grundlage entzogen.

b) Die fehlerhafte Auslegung des Berufungsgerichts zwingt nicht zu einer Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere relevante Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat den Prozeßvergleich selbst auslegen (vgl. Senat, Urt. v. 12. Februar 1997, V ZR 250/96, NJW 1998, 1219). Dies führt zu dem Ergebnis, daß der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsherausgabe nicht mehr zustehen.
aa) Wird - wie geboten - der fachsprachliche Vermögensbegriff der §§ 20 a, 20 b PartG-DDR zugrunde gelegt, so folgt bereits aus dem Wortlaut des Vergleichs die Einbeziehung auch der Ansprüche auf Herausgabe der Nutzungen von Grundstücken, die bis zum 2. Oktober 1990 in Rechtsträgerschaft der Parteien standen. Da die hier betroffenen elf Grundstücke ersichtlich schon am 7. Oktober 1989 zum derart bestimmten Parteivermögen zählten,
also nach § 20 b Abs. 2 PartG-DDR "Altvermögen" waren, werden Ansprüche auf Nutzungsherausgabe bereits in der Präambel des Vergleichs durch den Hinweis angesprochen, daß unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte Altvermögen der Parteien unberechtigt "in Anspruch genommen hat." Hieran anknüpfend stellt die Vereinbarung des Vergleichsgegenstandes unter § 1 Satz 1 klar, daß nach dem Willen der am Vergleich Beteiligten das Altvermögen von LDPD und NDPD insgesamt und mithin unter Einschluß der Nutzungen des Rechtsträgervermögens in den Prozeßvergleich einbezogen ist.
bb) Dies findet durch die Vereinbarung unter § 3 Abs. 1 des Prozeßvergleichs seine Bestätigung. Im Anschluß an den Verzicht der Beklagten auf die Wiederzurverfügungstellung weiterer Vermögenswerte aus dem Altvermögen der Parteien in Satz 1 dieser Klausel, stellt Satz 2 klar, daß "hierunter" auch die Forderungen der Beklagten u.a. aus dem Bankkonto fallen, auf dem ein Teil der Mieteinnahmen aus den zuvor in Rechtsträgerschaft überlassenen Grundstücken hinterlegt war. Auch nach der Systematik des Vergleichs gingen demnach die Beteiligten davon aus, daß das zum Vergleichsgegenstand gemachte Altvermögen die Nutzungen aus dem Rechtsträgervermögen umfaßte. Das hiervon abweichende Verständnis des Berufungsgerichts führt demgemäß auch zu einem denkgesetzwidrigen Ergebnis. Die Beklagte müßte nämlich, obwohl sie mit dem Guthaben des genannten Bankkontos einen Teil der gezogenen Nutzungen verloren - und nur zur Begleichung ihres unter § 2 des Vergleichs geregelten Zahlungsanspruchs zurückerhalten - hat, den entsprechenden Betrag nochmals an die Klägerin herausgeben.
cc) Zudem spricht die beiderseitige Interessenlage für eine Einbezie- hung der Nutzungen aus dem Rechtsträgervermögen beider Parteien in den Vergleich. Die Beteiligten haben im zweiten Absatz der Vergleichspräambel ihr gemeinsames Ziel, die "bestehende Ungewißheit" über ihre Streitpunkte "endgültig zu beseitigen" klar zum Ausdruck gebracht. Da sich aus dem vorstehenden Absatz der Präambel ergibt, daß Streit auch wegen der Inanspruchnahme des Altvermögens und damit auch wegen der Nutzung der früheren Rechtsträgergrundstücke durch die Beklagte bestand, wäre es mit dem Interesse an einer umfassenden Bereinigung nicht zu vereinbaren, wenn die streitgegenständlichen Ansprüche von dem Vergleich unberührt blieben.
dd) Demnach unterfallen die streitgegenständlichen Nutzungen - soweit sie nicht bereits durch die Überlassung des unter § 3 des Vergleiches angesprochenen Bankguthabens ausgeglichen sind - als "Verwendung des Altvermögens" der Regelung unter § 4 Abs. 1 des Vergleichs. Hinsichtlich der verbleibenden Beträge wurde unter § 4 Abs. 1 Satz 2 ein Erlaß vereinbart; denn "Regreßansprüche wegen des endgültigen Abflusses von Altvermögenswerten" sollten gegen die Beklagte nicht geltend gemacht werden. Der von dem Erlaß in Satz 4 ausgenommene Fall, daß die Beklagte auf das Vermögen "noch eine Zugriffsmöglichkeit" hat, liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Er setzt, wie schon die Wortwahl zeigt, voraus, daß der betreffende Teil des Altvermögens - insbesondere auf treuhänderisch verwalteten Konten - noch gegenständlich vorhanden ist. Demgemäß führt die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen in ihrem Bericht über das Vermögen u.a. der LiberalDemokratischen Partei Deutschlands und der National-Demokratischen Partei Deutschlands aus (BT-Drucks. 13/5376, S. 205), daß der Beklagten unter Ein-
beziehung von "Einnahmen aus Altvermögen" in Höhe von 12.339.000 DM und nach Abzug noch vorhandener Geldbestände unter treuhänderischer Verwaltung in Höhe von 4.440.000 DM ein Betrag von 17.292.000 DM erlassen wurde (krit. deshalb Berger, aaO, S. 188 "erhebliche vermögensmäßige Privilegierung"

).



c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Vergleich auch hinsichtlich der Vereinbarungen über die Herausgabe der Nutzungen wirksam zustande gekommen.
aa) Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, daß Ansprüche auf Nutzungsherausgabe nicht Gegenstand des Verwaltungsstreitverfahrens waren , das durch den Prozeßvergleich vom 11. Dezember 1995 beendet worden ist. Dieser Umstand berührt indessen die Wirksamkeit des Prozeßvergleiches nicht. Auch bei Abschluß eines Prozeßvergleichs im Verwaltungsstreitverfahren sind die Parteien nach § 106 VwGO nicht auf Vereinbarungen über den Streitgegenstand beschränkt, sondern können insbesondere zivilrechtliche Ansprüche - wie hier die Ansprüche aus § 988 BGB - zum Gegenstand des Prozeßvergleichs machen (vgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, NKVwGO, § 106 Rdn. 17 f; Kopp/Schenke, aaO, § 106 Rdn. 5).
bb) Die am Abschluß des Vergleichs beteiligte Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben konnte zudem im eigenen Namen über die Ansprüche der Klägerin auf Nutzungsherausgabe verfügen, insbesondere einen (teilweisen) Erlaß mit der Beklagten vereinbaren. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung über die Frage, ob diese Ansprüche als Nutzungen des Parteivermögens ebenfalls zu den durch § 20 b Abs. 2 PartG-DDR erfaßten Vermö-
genswerten zählen (vgl. Berger, RVI, § 20 b PartG-DDR Rdn. 39) und daher nach der Maßgabenregelung der Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III des Einigungsvertrages der treuhänderischen Verwaltung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und damit auch ihrer Verfügungsbefugnis unterliegen (vgl. Toussaint, in Kimme, aaO, § 20 b PartG-DDR Rdn. 126). Die Befugnis der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben , im eigenen Namen über die fraglichen Ansprüche zu verfügen, besteht nämlich auch dann, wenn diese dem Finanzvermögen des Bundes nach Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages zugeordnet werden. In diesem Fall sind die Klägerin und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben als Mitgläubigerinnen nach § 432 BGB anzusehen (vgl. Senat, Urt. v. 9. Januar 1998, aaO). Zwar kann ein Mitgläubiger allein keinen Erlaß mit der Folge des Erlöschens der gesamten Forderung vereinbaren (vgl. Staudinger /Noack, BGB [1999], § 432 Rdn. 46), anderes gilt aber dann, wenn ein Mitgläubiger insbesondere auf Grund erteilter Befugnis mit Wirkung für den anderen Mitgläubiger handeln kann (vgl. Staudinger/Noack, BGB [1999], § 432 Rdn. 43). Von einer solchen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben durch die Klägerin erteilten Befugnis ist auszugehen, nachdem die Verwaltung und Verwertung der ehemals in Rechtsträgerschaft stehenden Vermögensgegenstände der Parteien und verbundenen Organisationen mit Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 30. Dezember 1991 (vgl. dazu Schneider, in: Rodenbach/Söfker/Lochen, InVorG, § 25 Rdn. 35) der damaligen Treuhandanstalt - jetzt Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - übertragen worden ist.
3. Da mithin der geltend gemachte Anspruch der Klägerin schon durch die Vereinbarungen im Rahmen des Prozeßvergleichs ausgeschlossen ist,
kommt es auf das von dem Berufungsgericht übergangene Vorbringen nicht mehr an.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein RiBGH Dr. Schmidt-Räntsch ist wegen Ortsabwesensheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Karlsruhe, den 25.07.2003 Gaier Wenzel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 101/02
vom
19. Dezember 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein kein hinreichender Grund für
die Zulassung einer Revision.

b) Die Revision ist nicht schon deshalb zuzulassen, weil das Berufungsgericht die
Anforderungen an die Darlegungslast im Einzelfall überspannt hat. Eine Zulassung
der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kommt in diesem
Fall in Betracht, wenn ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires,
willkürfreies Verfahren vorliegt. Das ist in aller Regel erst dann anzunehmen, wenn
die Auffassung des Gerichts unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar
ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht.

c) Die Revision ist nur dann zuzulassen, wenn die für die Zulassungsgründe
relevante Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Das ist mit der Beschwerde
darzulegen.

d) Zu den Anforderungen an den Vortrag zur Entscheidungserheblichkeit einer
Rechtsfrage, wenn sich diese aus einem Sachverhalt ergibt, der dem
Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist.
BGH, Beschluß vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 84.011,72

Gründe:


I.


Der Kläger verlangt Architektenhonorar. Die Beklagten wenden sich gegen den Honoraranspruch und machen Schadensersatzansprüche geltend, weil die Baukosten erheblich überschritten worden seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil den Beklagten in Höhe der Honorarforderung Schadensersatzansprüche zustünden. Auf die Berufung des Klägers sind die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, an ihn 42.005,86 Zinsen zu zahlen. Die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche hat das Berufungsgericht als nicht gegeben angesehen. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 1. Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, welche Anforderungen an einen mit der Mitwirkung bei der Vergabe und der Objektüberwachung betrauten Architekten - im Interesse der Beschränkung der anfallenden Kosten auf das Nötige - bezüglich der Anleitung und Überwachung eines mit Sanierungs- und Renovierungsarbeiten in einem Altbau beauftragten Handwerkers (hier: Malers) und welche Anforderungen im Rechtsstreit bezüglich der Darlegung der Pflichtverletzung und des Schadens an den Bauherren und an den Architekten zu stellen seien, sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, NJW 2002, 3029). Rechtsfehler, die einen über den Einzelfall hinaus wirkenden Rechtsverstoß nicht erkennen lassen, begründen kein öffentliches Interesse an einer Revisionsentscheidung unter einem der gesetzlichen Zulassungsgründe (BGH, Beschluß vom 25. Juli 2002 – V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181).
b) Welche Anforderungen an die Darlegung einer Pflichtverletzung im Zuge der Bauüberwachung und an die Darlegung eines infolge fehlerhafter Vergabe entstandenen Schadens zu stellen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Selbst wenn das Berufungsgericht, wie die Beschwerde meint, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast fehlerhaft nicht angewandt haben sollte, rechtfertigt das die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Die Beschwerde hat nicht dargelegt,
daß der konkrete Fall Anlaß gibt, die Grundsätze der Darlegungslast in einer über den Einzelfall hinausgehenden Weise zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZR 75/02, BGH NJW 2002, 2957). Ihr Hinweis darauf, nach der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung könnten Bauherren wohl niemals Schadensersatzansprüche gegen Architekten wegen schuldhafter Verteuerung von Baumaßnahmen durchsetzen, ist so nicht richtig. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Entscheidung ist damit nicht hinreichend dargelegt. 2. Der Beschwerde kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Revision sei deshalb zuzulassen, weil das Berufungsurteil offensichtlich unrichtig sei.
a) Die offensichtliche Unrichtigkeit eines Urteils ist allein kein hinreichender Grund, die Revision zuzulassen. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann zuzulassen, wenn vermieden werden soll, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Diese Voraussetzungen sind nach der Gesetzesbegründung nicht schon dann gegeben, wenn ein Gericht in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen hat, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist. Eine Zulassung der Revision kommt in Betracht, wenn materielle oder formelle Fehler bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts über den Einzelfall hinaus allgemeine Interessen nachhaltig berühren. Hierher gehören vor allem die Fälle, in denen Verfahrensgrundrechte, namentlich die Grundrechte auf Gewährung des rechtlichen Gehörs und auf ein objektiv willkürfreies Verfahren, verletzt sind und deswegen Gegenvorstellung erhoben und Verfassungsbeschwerde eingelegt werden könnte (vgl. amtl. Begr. zum ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722,
S. 104; BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, aaO S. 3030; Beschluß vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, aaO). Die abweichende Auffassung des XI. Zivilsenats, dies sei keine Frage der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, sondern eine Frage der grundsätzlichen Bedeutung (Beschluß vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, ZIP 2002. 2148, 2150), teilt der VII. Zivilsenat nicht.
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor
aa) Das Berufungsgericht geht, wie die Beschwerde nicht verkennt, von der gefestigten Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die Prüffähigkeit einer Honorarschlußrechnung aus. Danach kommt es auf den Einzelfall an, inwieweit die Rechnung den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers genügt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 – VII ZR 99/99, BauR 2001, 251 = ZfBR 2001, 102). Aus dem Umstand, daß ein Auftraggeber eine Prüfung vorgenommen hat, kann im Einzelfall der Schluß gezogen werden, daß die Rechnung prüffähig ist (BGH, Urteil vom 22. November 2001 – VII ZR 168/00, BauR 2002, 468 = NZBau 2002, 90 = ZfBR 2002, 248). Unrichtig ist die Auffassung der Beschwerde, die Anforderungen an die Prüffähigkeit seien verschärft, wenn der Auftraggeber Einwendungen gegen bestimmte Rechnungsansätze erhebe. bb) Die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß § 10 Abs. 3 a HOAI eine schriftliche Vereinbarung über die anrechenbaren Kosten der vorhandenen Bausubstanz verlange, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Beschwerde nicht darlegt, daß im konkreten Fall ein möglicher Verstoß gegen § 10 Abs. 3 a HOAI in Betracht kommt. Die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nur dann zuzulassen, wenn es auf die aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt.
Insoweit gilt nichts anderes als für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Zulassung der Revision setzt allgemein voraus, daß die zu klärende Rechtsfrage im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Das ist sie nicht, wenn es auf sie zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 4). Die Entscheidungserheblichkeit ist mit der Beschwerde vorzutragen. Ergibt sie sich nicht ohne weiteres aus dem Berufungsurteil, ist in der Beschwerde darzulegen, aus welchem Parteivortrag sie sich ergibt und warum dieser gemäß § 559 ZPO in der Revision zu berücksichtigen wäre. Ist die Entscheidungserheblichkeit nur bei einem Sachverhalt zu bejahen, den das Berufungsgericht nach Auffassung der Beschwerde verfahrensfehlerhaft nicht festgestellt hat, ist eine Verfahrensrüge gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 b) ZPO notwendig. Ob die Revision zuzulassen ist, kann nicht ohne Einbeziehung der Verfahrensrüge in die nach § 543 Abs. 2 ZPO vorzunehmende Beurteilung entschieden werden, wobei sich die Frage stellen kann, ob sich aus dem Verfahrensfehler bereits - etwa im Hinblick auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten - ein Zulassungsgrund ergeben muß. Allein der Hinweis darauf, daß das Berufungsgericht zu einer Sachverhaltsvariante, für die es auf die Rechtsfrage ankäme, keine Feststellungen getroffen hat, reicht nicht. Die Beschwerde hat sich auf diesen Hinweis beschränkt. Sie hat schon nicht dargelegt, warum davon auszugehen wäre, daß eine schriftliche Vereinbarung über die anrechenbaren Kosten vorhandener Bausubstanz nicht getroffen worden ist. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich dazu nichts. cc) Gleiches gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß der Kläger nach der Senatsrechtsprechung nach Treu und Glauben gehindert sei, ein höheres als das unter Verstoß gegen die HOAI vereinbarte Honorar zu verlangen. Dazu habe es keine Feststellungen
getroffen. Die Beschwerde führt nicht an, daß das Berufungsgericht überhaupt Anlaß hatte, diese Frage zu prüfen. dd) Ob das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast des Auftraggebers zur Pflichtverletzung des Architekten oder zum daraus entstandenen Schaden überspannt hat, kann dahin stehen. Ein derartiger, auf den Einzelfall bezogener Fehler gäbe keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Zurückweisung von Vorbringen als unschlüssig oder unsubstantiiert kann einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte darstellen, wenn dadurch das rechtliche Gehör versagt wird oder ein Verstoß gegen den Grundsatz des willkürfreien Verfahrens vorliegt. Eine Revision ist in der Regel zuzulassen, wenn nach den Darlegungen der Beschwerde der Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht (BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, aaO S. 3030). Das ist hier nicht der Fall. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör kommt nicht in Betracht. Denn Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, daß ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt läßt (BVerfGE 60, 1, 5; 69, 141, 143; 85, 386, 404). Es stellt deshalb keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn ein Gericht das Vorbringen der Partei zur Kenntnis nimmt, jedoch als unschlüssig wertet. In Betracht kommt allenfalls ein Verstoß gegen das Grundrecht der betroffenen Partei auf ein faires, willkürfreies Verfahren. Ein derartiger Verstoß kann unter den sonstigen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision führen, wenn ein Gericht die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires
Verfahren verkannt hat, rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind oder das Willkürverbot verletzt ist (vgl. BVerfGE 85, 386, 404; BVerfGE 87, 273, 278). Fehlerhafte Rechtsanwendung allein belegt keine Willkürlichkeit einer Gerichtsentscheidung. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise mißdeutet wird (vgl. BVerfGE 62, 189, 192; 83, 82, 85; 86, 59, 62). Danach ist auch die Zurückweisung eines Vortrags als unschlüssig oder unsubstantiiert in aller Regel erst dann ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires, willkürfreies Verfahren, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, aaO S. 3031). Das Berufungsgericht hat sich von der Erwägung leiten lassen, daß die Vergabe zum Stundenlohn nur dann zu einem Schaden führt, wenn die Vergabe zu Einheitspreisen günstiger gewesen wäre. Auf dieser nicht sachfremden Grundlage ist es konsequent, den Schaden in der Differenz des Stundenlohns zum Werklohn nach einem Einheitspreisvertrag zu sehen. Zu dieser Differenz haben die Beklagten nicht vorgetragen. Ein offen zu Tage tretender Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte liegt in der Zurückweisung ihrer andersartigen Schadensberechnung als unsubstantiiert nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 28/00
vom
2. Juli 2001
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Juli 2001 durch den
Vorsitzenden Richter h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. Juni 2000 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 350.000,-- DM

Gründe:


I. Der Kläger hat gegen das - seine Herausgabeklage aus Eigentum abweisende - Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Am 2. Mai 2000, dem letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, ging ein 43 Seiten umfassender Teil seiner Berufungsbegründung, die aus 57 Seiten bestehen sollte, per Telefax ohne Unterschrift bei dem Berufungsgericht ein, das den Kläger am nächsten Tag über die Unvollständigkeit und die Versäumung der Berufungs-
begründungsfrist informierte. Er hat mit seinem rechtzeitig eingereichten Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 2. Mai 2000 die Kanzleiangestellte G. angewiesen, den fertiggestellten und unterzeichneten Schriftsatz sofort per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern. Sie habe versehentlich die letzten zwölf Seiten des in mehreren "Chargen" übermittelten Schriftsatzes nicht übersandt und den Kontrollanruf unterlassen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil es keine Darlegungen zur Behandlung der Sache im Fristenkalender enthalte und zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation die Anweisung gehöre , die Frist im Fristenkalender erst nach Vergewisserung über die vollständige Übermittlung des Telefax zu streichen, damit ein etwaiges Versäumnis bei der pflichtgemäßen Kontrolle des Fristenkalenders vor Dienstschluß bemerkt und noch rechtzeitig behoben werden könne. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Grundsätzlich trifft einen Anwalt zwar die Verpflichtung, seinen Mitarbeitern für die Übersendung von Telefaxen die allgemeine Weisung zu erteilen, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang auszudrucken, ihn zu prüfen und erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen (BGH, Beschl. v. 16. Juni 1998 - XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996). Statt dessen genügt für eine wirksame Ausgangskontrolle aber auch die allgemeine Anweisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschl. v.
24. Januar 1996 - XII ZB 4/96, VersR 1996, 1125). Die Überprüfung des Sendeberichts kann also durch einen Kontrollanruf ersetzt werden, zu dem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers seine Kanzleiangestellte konkret angewiesen hat. Ist - wie hier - im Einzelfall eine konkrete Anweisung erteilt worden, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts auf sonstige allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Ausgangskontrolle in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 28, 23 m.N.; v. 11. Februar 1998 - XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787; v. 13. April 1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; v. 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; BAG, Urt. v. 9. Januar 1990 - 3 AZR 528/89, NJW 1990, 2707). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine bisher zuverlässige Angestellte eine konkrete Anweisung befolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 aaO m.N.). Ein niemals völlig auszuschließendes Versagen der konkret Angewiesenen bleibt dabei außer Betracht. Da im vorliegenden Fall bei Befolgung der Anweisung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers eine Fristversäumung praktisch ausgeschlossen gewesen wäre und er in Anbetracht seiner Weisung zu "sofortiger" Erledigung
des relativ einfachen Auftrags mit einem Vergessen oder Versehen der Kanzleiangestellten nicht rechnen mußte, kommt es hier auf zusätzliche allgemeine Maßnahmen zur Ausgangskontrolle (Fristenkalender) nicht an. Dem Umstand, daß der zu übermittelnde Schriftsatz sehr umfangreich und deshalb in mehreren "Chargen" zu übermitteln war, kommt dabei entscheidendes Gewicht nicht zu.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 11/01
vom
1. Juli 2002
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auf allgemeine organisatorische Anordnungen zur Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei
kommt es nicht an, wenn der Anwalt eine Angestellte mit der Telefaxübermittlung
eines eilbedürftigen Schriftsatzes konkret beauftragt und sich
über die Ausführung des Auftrags durch Nachfrage vergewissert. Das gilt jedenfalls
dann, wenn die Angestellte zusätzlich allgemein angewiesen ist, die
Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu
kontrollieren.
BGH, Beschluß vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Juli 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Mai 2001 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 56.187,54 DM = 28.728,23 ?

Gründe:


I. Der Kläger begehrt (in einem gesellschaftsrechtlichen Rechtsstreit) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 516 a.F. ZPO), die am 21. März 2001 abgelaufen ist. Das Original seiner Berufungsschrift vom 20. März 2001, das am 22. März 2001 bei dem Berufungsgericht einging, enthält den Hinweis auf ein (angeblich) vorab versandtes Telefax , über dessen Nichteingang die Geschäftsstelle den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 30. März 2001 informierte. Der Kläger hat zur Begründung sei-
nes Wiedereinsetzungsgesuchs, das am 5. April 2001 einging, vorgetragen, sein Prozeûbevollmächtigter habe die von ihm unterzeichnete Berufungsschrift am 20. März 2001 seiner Büroleiterin unter Hinweis auf den bevorstehenden Fristablauf mit der Bitte übergeben, den Schriftsatz vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln und ihn anschlieûend beim täglichen Gerichtsgang dort abzugeben. Alle Mitarbeiter der Kanzlei seien angewiesen, ausgehende Telefaxe auf ordnungsgemäûe Übersendung anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen und dieses dem Schriftsatz beizuheften. Die Büroleiterin sei zwar erst seit Januar 2001 in dieser Kanzlei, davor aber in einer anderen Anwaltskanzlei tätig gewesen und ihren Aufgaben stets zuverlässig und gewissenhaft nachgekommen, wie sich auch aus dem Zeugnis ihres früheren Arbeitgebers (des Prozeûbevollmächtigten des Beklagten) ergebe. Hinzu komme, daû sie dem Prozeûbevollmächtigten des Klägers am 20. März 2001 auf nochmalige Nachfrage erklärt habe, daû das Telefax übermittelt worden sei. Tatsächlich habe sie - entsprechend ihrer eidesstattlichen Versicherung - den Schriftsatz in das Faxgerät eingelegt und die Nummer des Oberlandesgerichts eingegeben, sich dann aber wegen eines Telefonats kurz entfernen müssen. Bei ihrer Rückkehr habe sie einen Sendebericht vorgefunden und zu den Akten genommen, den sie entgegen ihrer Übung nicht genau nachgeprüft habe, so daû ihr nicht aufgefallen sei, daû offenbar eine Kollegin inzwischen das Faxgerät benutzt und den dafür erstellten Sendebericht liegengelassen habe. Sie wisse nicht, wie es dazu habe kommen können. Ihr sei so etwas noch nie passiert; sie sei immer darauf bedacht, alles akkurat und sofort zu erledigen. Am Abend habe sie dann, wie der Prozeûbevollmächtigte des Klägers weiter ausführt, das Original des Schriftsatzes versehentlich nicht zu den für den Gerichtsgang, sondern zu den für den Postversand bestimmten Schriftsätzen gegeben.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluû unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen, weil der Kläger eine wirksame Ausgangskontrolle in der Kanzlei seines Prozeûbevollmächtigten nicht dargetan, insbesondere nicht vorgetragen habe, daû das Kanzleipersonal angewiesen worden sei, die im Fristenkalender einzutragende Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen, um sicherzustellen, daû die Nichterledigung einer Fristsache bei der vor Büroschluû durchzuführenden Kontrolle des Fristenkalenders noch rechtzeitig bemerkt werde. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daû keine Vorkehrungen gegen die alternierende Benutzung des Faxgerätes durch zwei Kanzleiangestellte, wie hier, getroffen worden seien.
II. Die gemäû §§ 519 b Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO a.F. zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Das Berufungsgericht übersieht, daû es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluû des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO a.F.) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Sen.Beschl. v. 2. Juli 2001 - II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60; BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823). So liegt der Fall hier, da der Prozeûbevollmächtigte des Klägers seine Büroleiterin auf den bevorstehenden Fristablauf hingewiesen und ihr die Übermittlung der Berufungsschrift per Telefax sowie durch Abgabe bei dem Oberlandesgericht konkret aufgetragen hatte. Da darüber hinaus - nach den glaub-
haft gemachten Angaben des Klägers - in der Kanzlei seines Prozeûbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestand und praktiziert wurde, die ordnungsgemäûe Faxübermittlung anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen und dieses dem Schriftstück beizuheften, brauchte der Prozeûbevollmächtigte des Klägers hierauf nicht nochmals hinzuweisen. Die grundsätzliche Verpflichtung eines Anwalts, durch allgemeine Anweisung eine Ausgangskontrolle bei Telefaxen in der von dem Berufungsgericht dargestellten Weise zu gewährleisten (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 19. November 1997 - VIII ZB 33/97, VersR 1998, 607; v. 16. Juni 1998 - XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996), wurde im vorliegenden Fall schon dadurch ersetzt, daû der Prozeûbevollmächtigte sich durch konkrete Nachfrage über die Ausführung des speziellen Auftrags vergewissert hat, wozu er an sich nicht verpflichtet gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 aaO). Auf das Ergebnis dieser konkreten Ausgangskontrolle durfte der Prozeûbevollmächtigte sich verlassen. Mit dem vorliegenden Zusammentreffen unglücklicher Umstände muûte er nicht rechnen. Er hat die Zuverlässigkeit seines Personals in der Behandlung von Fristsachen gemäû der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung stichprobenartig überwacht. Eine darüber hinausgehende Überwachung, wie sie die Beschwerdegegnerin gegenüber einer neu eingestellten Büroleiterin fordert, hätte sich hier nicht auswirken können, weil es sich um das erstmalige Versagen einer Angestellten handelte, der "so etwas noch nie passiert ist". Da einer Partei nur ein Eigenverschulden ihres Anwalts an der Fristversäumung im Rahmen des § 233 ZPO zuzurechnen ist und die Faxübermittlung eines Schriftsatzes, die der Prozeûbevollmächtigte des Klägers als gesichert ansehen durfte, zur Fristwahrung grundsätzlich ausreicht, können dem Kläger auch daraus keine Nachteile erwachsen, daû die Angestellte seines Anwalts dessen überobligationsmäûiger Anweisung, den Originalschriftsatz ebenfalls fristgerecht zu übermitteln, nicht nachgekommen ist.
2. Ebensowenig liegt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - ein Organisationsverschulden des Anwalts darin, daû er seinem Personal nicht durch generelle Anweisung untersagt hat, die von einem Mitarbeiter in das Faxgerät eingelegten Schriftstücke zwecks Versendung eines anderen Schriftstücks zu entnehmen, bevor die Übermittlung der zuerst eingelegten Schriftstücke gewährleistet ist. Abgesehen davon, daû ein Anwalt nicht Vorsorge für alle irgendwie denkbaren Eventualitäten treffen kann und muû, wird einem Kontrollverlust bei alternierender Benutzung des Faxgerätes bereits durch die allgemeine Anweisung entgegengewirkt, daû jeder Mitarbeiter den Erfolg der von ihm vorzunehmenden Faxübermittlungen anhand des Sendeberichts zu überprüfen und diesen dem zugehörigen Schriftsatz beizuheften hat. Bei Befolgung dieser Anweisung hätte es zu dem Versäumnis nicht kommen können, das dem Kläger daher nicht zuzurechnen ist.
3. Da sonach dem Kläger Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren ist, ist die Verwerfung der Berufung durch das Oberlandesgericht gegenstandslos (vgl. Sen.Beschl. v. 24. Juli 2000 - II ZB 20/99, NJW 2000, 3284/86). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin hat der Kläger die
Berufung mit Schriftsatz vom 23. Mai 2001 rechtzeitig (innerhalb der durch Verfügung vom 19. April 2001 verlängerten Begründungsfrist) begründet.
Röhricht Hesselberger Goette
Kraemer Münke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 28/00
vom
2. Juli 2001
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Juli 2001 durch den
Vorsitzenden Richter h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. Juni 2000 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 350.000,-- DM

Gründe:


I. Der Kläger hat gegen das - seine Herausgabeklage aus Eigentum abweisende - Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Am 2. Mai 2000, dem letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, ging ein 43 Seiten umfassender Teil seiner Berufungsbegründung, die aus 57 Seiten bestehen sollte, per Telefax ohne Unterschrift bei dem Berufungsgericht ein, das den Kläger am nächsten Tag über die Unvollständigkeit und die Versäumung der Berufungs-
begründungsfrist informierte. Er hat mit seinem rechtzeitig eingereichten Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe am 2. Mai 2000 die Kanzleiangestellte G. angewiesen, den fertiggestellten und unterzeichneten Schriftsatz sofort per Telefax an das Oberlandesgericht zu senden und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern. Sie habe versehentlich die letzten zwölf Seiten des in mehreren "Chargen" übermittelten Schriftsatzes nicht übersandt und den Kontrollanruf unterlassen.
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen , weil es keine Darlegungen zur Behandlung der Sache im Fristenkalender enthalte und zu einer ordnungsgemäßen Büroorganisation die Anweisung gehöre , die Frist im Fristenkalender erst nach Vergewisserung über die vollständige Übermittlung des Telefax zu streichen, damit ein etwaiges Versäumnis bei der pflichtgemäßen Kontrolle des Fristenkalenders vor Dienstschluß bemerkt und noch rechtzeitig behoben werden könne. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Grundsätzlich trifft einen Anwalt zwar die Verpflichtung, seinen Mitarbeitern für die Übersendung von Telefaxen die allgemeine Weisung zu erteilen, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang auszudrucken, ihn zu prüfen und erst dann die Frist im Fristenkalender zu löschen (BGH, Beschl. v. 16. Juni 1998 - XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996). Statt dessen genügt für eine wirksame Ausgangskontrolle aber auch die allgemeine Anweisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage beim Empfänger zu streichen (BGH, Beschl. v.
24. Januar 1996 - XII ZB 4/96, VersR 1996, 1125). Die Überprüfung des Sendeberichts kann also durch einen Kontrollanruf ersetzt werden, zu dem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers seine Kanzleiangestellte konkret angewiesen hat. Ist - wie hier - im Einzelfall eine konkrete Anweisung erteilt worden, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts auf sonstige allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Ausgangskontrolle in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 28, 23 m.N.; v. 11. Februar 1998 - XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787; v. 13. April 1997 - XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; v. 26. September 1995 - XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; BAG, Urt. v. 9. Januar 1990 - 3 AZR 528/89, NJW 1990, 2707). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine bisher zuverlässige Angestellte eine konkrete Anweisung befolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 aaO m.N.). Ein niemals völlig auszuschließendes Versagen der konkret Angewiesenen bleibt dabei außer Betracht. Da im vorliegenden Fall bei Befolgung der Anweisung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers eine Fristversäumung praktisch ausgeschlossen gewesen wäre und er in Anbetracht seiner Weisung zu "sofortiger" Erledigung
des relativ einfachen Auftrags mit einem Vergessen oder Versehen der Kanzleiangestellten nicht rechnen mußte, kommt es hier auf zusätzliche allgemeine Maßnahmen zur Ausgangskontrolle (Fristenkalender) nicht an. Dem Umstand, daß der zu übermittelnde Schriftsatz sehr umfangreich und deshalb in mehreren "Chargen" zu übermitteln war, kommt dabei entscheidendes Gewicht nicht zu.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 11/01
vom
1. Juli 2002
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auf allgemeine organisatorische Anordnungen zur Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei
kommt es nicht an, wenn der Anwalt eine Angestellte mit der Telefaxübermittlung
eines eilbedürftigen Schriftsatzes konkret beauftragt und sich
über die Ausführung des Auftrags durch Nachfrage vergewissert. Das gilt jedenfalls
dann, wenn die Angestellte zusätzlich allgemein angewiesen ist, die
Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu
kontrollieren.
BGH, Beschluß vom 1. Juli 2002 - II ZB 11/01 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Juli 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger,
Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Mai 2001 aufgehoben.
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 56.187,54 DM = 28.728,23 ?

Gründe:


I. Der Kläger begehrt (in einem gesellschaftsrechtlichen Rechtsstreit) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 516 a.F. ZPO), die am 21. März 2001 abgelaufen ist. Das Original seiner Berufungsschrift vom 20. März 2001, das am 22. März 2001 bei dem Berufungsgericht einging, enthält den Hinweis auf ein (angeblich) vorab versandtes Telefax , über dessen Nichteingang die Geschäftsstelle den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 30. März 2001 informierte. Der Kläger hat zur Begründung sei-
nes Wiedereinsetzungsgesuchs, das am 5. April 2001 einging, vorgetragen, sein Prozeûbevollmächtigter habe die von ihm unterzeichnete Berufungsschrift am 20. März 2001 seiner Büroleiterin unter Hinweis auf den bevorstehenden Fristablauf mit der Bitte übergeben, den Schriftsatz vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln und ihn anschlieûend beim täglichen Gerichtsgang dort abzugeben. Alle Mitarbeiter der Kanzlei seien angewiesen, ausgehende Telefaxe auf ordnungsgemäûe Übersendung anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen und dieses dem Schriftsatz beizuheften. Die Büroleiterin sei zwar erst seit Januar 2001 in dieser Kanzlei, davor aber in einer anderen Anwaltskanzlei tätig gewesen und ihren Aufgaben stets zuverlässig und gewissenhaft nachgekommen, wie sich auch aus dem Zeugnis ihres früheren Arbeitgebers (des Prozeûbevollmächtigten des Beklagten) ergebe. Hinzu komme, daû sie dem Prozeûbevollmächtigten des Klägers am 20. März 2001 auf nochmalige Nachfrage erklärt habe, daû das Telefax übermittelt worden sei. Tatsächlich habe sie - entsprechend ihrer eidesstattlichen Versicherung - den Schriftsatz in das Faxgerät eingelegt und die Nummer des Oberlandesgerichts eingegeben, sich dann aber wegen eines Telefonats kurz entfernen müssen. Bei ihrer Rückkehr habe sie einen Sendebericht vorgefunden und zu den Akten genommen, den sie entgegen ihrer Übung nicht genau nachgeprüft habe, so daû ihr nicht aufgefallen sei, daû offenbar eine Kollegin inzwischen das Faxgerät benutzt und den dafür erstellten Sendebericht liegengelassen habe. Sie wisse nicht, wie es dazu habe kommen können. Ihr sei so etwas noch nie passiert; sie sei immer darauf bedacht, alles akkurat und sofort zu erledigen. Am Abend habe sie dann, wie der Prozeûbevollmächtigte des Klägers weiter ausführt, das Original des Schriftsatzes versehentlich nicht zu den für den Gerichtsgang, sondern zu den für den Postversand bestimmten Schriftsätzen gegeben.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluû unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen, weil der Kläger eine wirksame Ausgangskontrolle in der Kanzlei seines Prozeûbevollmächtigten nicht dargetan, insbesondere nicht vorgetragen habe, daû das Kanzleipersonal angewiesen worden sei, die im Fristenkalender einzutragende Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen, um sicherzustellen, daû die Nichterledigung einer Fristsache bei der vor Büroschluû durchzuführenden Kontrolle des Fristenkalenders noch rechtzeitig bemerkt werde. Ein weiterer Organisationsmangel liege darin, daû keine Vorkehrungen gegen die alternierende Benutzung des Faxgerätes durch zwei Kanzleiangestellte, wie hier, getroffen worden seien.
II. Die gemäû §§ 519 b Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO a.F. zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Das Berufungsgericht übersieht, daû es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für den Ausschluû des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO a.F.) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Sen.Beschl. v. 2. Juli 2001 - II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60; BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - VII ZB 4/00, NJW 2000, 2823). So liegt der Fall hier, da der Prozeûbevollmächtigte des Klägers seine Büroleiterin auf den bevorstehenden Fristablauf hingewiesen und ihr die Übermittlung der Berufungsschrift per Telefax sowie durch Abgabe bei dem Oberlandesgericht konkret aufgetragen hatte. Da darüber hinaus - nach den glaub-
haft gemachten Angaben des Klägers - in der Kanzlei seines Prozeûbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestand und praktiziert wurde, die ordnungsgemäûe Faxübermittlung anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen und dieses dem Schriftstück beizuheften, brauchte der Prozeûbevollmächtigte des Klägers hierauf nicht nochmals hinzuweisen. Die grundsätzliche Verpflichtung eines Anwalts, durch allgemeine Anweisung eine Ausgangskontrolle bei Telefaxen in der von dem Berufungsgericht dargestellten Weise zu gewährleisten (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 19. November 1997 - VIII ZB 33/97, VersR 1998, 607; v. 16. Juni 1998 - XI ZB 13 u. 14/98, VersR 1999, 996), wurde im vorliegenden Fall schon dadurch ersetzt, daû der Prozeûbevollmächtigte sich durch konkrete Nachfrage über die Ausführung des speziellen Auftrags vergewissert hat, wozu er an sich nicht verpflichtet gewesen wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 aaO). Auf das Ergebnis dieser konkreten Ausgangskontrolle durfte der Prozeûbevollmächtigte sich verlassen. Mit dem vorliegenden Zusammentreffen unglücklicher Umstände muûte er nicht rechnen. Er hat die Zuverlässigkeit seines Personals in der Behandlung von Fristsachen gemäû der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung stichprobenartig überwacht. Eine darüber hinausgehende Überwachung, wie sie die Beschwerdegegnerin gegenüber einer neu eingestellten Büroleiterin fordert, hätte sich hier nicht auswirken können, weil es sich um das erstmalige Versagen einer Angestellten handelte, der "so etwas noch nie passiert ist". Da einer Partei nur ein Eigenverschulden ihres Anwalts an der Fristversäumung im Rahmen des § 233 ZPO zuzurechnen ist und die Faxübermittlung eines Schriftsatzes, die der Prozeûbevollmächtigte des Klägers als gesichert ansehen durfte, zur Fristwahrung grundsätzlich ausreicht, können dem Kläger auch daraus keine Nachteile erwachsen, daû die Angestellte seines Anwalts dessen überobligationsmäûiger Anweisung, den Originalschriftsatz ebenfalls fristgerecht zu übermitteln, nicht nachgekommen ist.
2. Ebensowenig liegt - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - ein Organisationsverschulden des Anwalts darin, daû er seinem Personal nicht durch generelle Anweisung untersagt hat, die von einem Mitarbeiter in das Faxgerät eingelegten Schriftstücke zwecks Versendung eines anderen Schriftstücks zu entnehmen, bevor die Übermittlung der zuerst eingelegten Schriftstücke gewährleistet ist. Abgesehen davon, daû ein Anwalt nicht Vorsorge für alle irgendwie denkbaren Eventualitäten treffen kann und muû, wird einem Kontrollverlust bei alternierender Benutzung des Faxgerätes bereits durch die allgemeine Anweisung entgegengewirkt, daû jeder Mitarbeiter den Erfolg der von ihm vorzunehmenden Faxübermittlungen anhand des Sendeberichts zu überprüfen und diesen dem zugehörigen Schriftsatz beizuheften hat. Bei Befolgung dieser Anweisung hätte es zu dem Versäumnis nicht kommen können, das dem Kläger daher nicht zuzurechnen ist.
3. Da sonach dem Kläger Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren ist, ist die Verwerfung der Berufung durch das Oberlandesgericht gegenstandslos (vgl. Sen.Beschl. v. 24. Juli 2000 - II ZB 20/99, NJW 2000, 3284/86). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin hat der Kläger die
Berufung mit Schriftsatz vom 23. Mai 2001 rechtzeitig (innerhalb der durch Verfügung vom 19. April 2001 verlängerten Begründungsfrist) begründet.
Röhricht Hesselberger Goette
Kraemer Münke

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)