Verwaltungsrecht: Kopftuchverbot bei Lehrern scheinbar verfassungskonform

originally published: 06/09/2019 12:00, updated: 19/10/2022 17:16
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Im Auftrag der Senatsverwaltung wurde nun ein Rechtsgutachten erstellt, welches belegen soll, dass das Berliner Neutralitätsgesetz sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Lehrerinnen sollen weiterhin keine Kopftücher tragen dürfen – BSP Rechtsanwälte – Anwalt für Verwaltungsrecht Berlin

„Die Schule ist ein Spiegelbild der Gesellschaft“. Mit dieser Einführung eröffnete die Bildungssenatorin Sandra Scheeres die Vorstellungsrunde. In den Berliner Schulen seien viele verschiedene Kulturen und Religionen innerhalb der Schülerschaft und natürlich auch innerhalb der Lehrerschaft vertreten. Dies würde regelmäßig zu Konflikten führen. Ziel des Berliner Neutralitätsgesetzes (NeutrG) sei es, ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen. Insbesondere das Verbot  sichtbaren Tragens religiöser Symbole durch Lehrer solle den Schulfrieden fördern. Hierzu gehöre eben auch das Verbot des muslimischen Kopftuchs bei Lehrerinnen. 

I. Religiöse Konflikte in den Berliner Schulen und die Rolle des Lehrers 

Beispielhaft wurden typische Konfliktsituationen aufgeführt, die ein Kopftuchverbot unter Lehrern in Berlin notwendig machen würden. 

So würden Mädchen von ihren Mitschülern angegangen werden, dass sie sich „zu freizügig kleiden“. Schüler würden als „Schweinefresser“ bezeichnet werden, weil sie Salami und Gummibärchen essen und Eltern würden ihren Töchtern verbieten, am Schwimmunterricht teilzunehmen oder sogar mit auf die Klassenfahrt zu kommen. 

Doch was steckt dahinter? 

Prof. Dr. Bock von der Universität Gießen und Ersteller des Rechtsgutachtens zum NeutrG führte hierzu aus, dass ein Drittel der in Berlin lebenden Muslime sich dazu verpflichtet fühlen würden, ihre Kultur und mit ihr die religiösen Gebote des Islam auch bei denen durchzusetzen, die sich nicht an sie halten – unabhängig von der Religionszugehörigkeit. 

Und was hat das mit den Lehrern zu tun?

Hierzu machte Senatorin Scheeres deutlich, dass jeder Lehrer und jede Lehrerin beim Umgang mit solchen Konflikten eine „neutrale Ausstrahlung“ wahren müsse. Eine Lehrerin mit Kopftuch könne einen Konflikt zwischen einem muslimischen Schüler und einer muslimischen Schülerin – die von diesem beleidigt wird, weil sie kein Kopftuch trägt – nicht mit der hinreichenden Neutralität lösen.

Es entstünde „automatisch“ ein falscher Eindruck – völlig unabhängig davon, welche Intention die Lehrerin mit dem Tragen des Kopftuches verfolge. 

II. Die Neutralitätspflicht der Lehrer

Sowohl der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule als auch die negative Religionsfreiheit der Schülerinnen würden diese „Neutralitätspflicht“ rechtlich stützen. 

1. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen – „Das Kopftuch ist keine Lösung!“

 

Die Schulen führen als wichtige Akteure den verfassungsrechtlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus. Hierzu gehören sowohl die Vermittlung wichtiger Bildungsinhalte als auch die Konfrontation mit der gesellschaftlichen Vielfalt und den Konflikten die hieraus entstehen können. Schüler müssen also lernen, tolerant zu sein, Konflikte friedlich zu bewältigen und Vielfalt auch wertschätzen zu können – aber vor allem: Schüler müssen lernen. 

Das stellte auch Senatorin Scheeres fest – „Kinder müssen sich auf das Lernen konzentrieren“ – Konflikte entstünden ohnehin zwischen den Schülern. Diese sollten nach Ansicht der Senatorin jedoch auf ein Minimum reduziert werden.

Für Gedanken wie „Ist es schlimm, dass ich nicht an Gott glaube?“ oder „Bin ich eine gute oder eine schlechte Muslima?“ sei hier kein Raum. Das Kopftuch bei einer Lehrerin könne laut Scheeres jedoch eben solche Gedanken hervorrufen.  

Auch Rechtsanwältin Seyran Ateş  – selbst bekennende Muslima und Prozessbevollmächtigte der Senatsverwaltung – stimmt hiermit überein: „Die Lösung ist sicher keine Frau, die Kopftuch trägt“. Ihr sei klar, dass es sich hier um eine emotional aufgeladene Debatte handele. Dennoch stünde das muslimische Kopftuch (leider) für eine untergeordnete Stellung der Frau in der islamischen Kultur. Daher würde selbst in islamischen Ländern wie der Türkei bereits heftig über das Kopftuch diskutiert. Die Einführung von Kopftüchern in der Schule hätte die politische Situation dort ebenfalls bloß verschärft. 

2. Die negative Religionsfreiheit 

 

So wie die unterschiedlichen Glaubensrichtungen und die aktive Ausübung von Religionen in Deutschland von Art. 4 Abs. 1, 2 Grundgesetz (GG) geschützt werden, so schützt die Verfassung auch diejenigen, die sich gegen eine Religionsausübung – jeglicher oder bestimmter Art – entscheiden. Niemand darf also zu einem Glauben gedrängt oder sogar zu einer bestimmten religiösen Kleiderordnung gezwungen werden (negative Religionsfreiheit). Wie die meisten Grundrechte gelten diese Rechte jedoch nicht uneingeschränkt. 

So hat z.B. niemand das Recht, von religiösen Symbolen in der Gesellschaft vollends verschont zu bleiben. Auch wenn Lehrern das sichtbare Tragen religiöser Symbole (darunter eben das muslimische Kopftuch) verboten wird, ist grundsätzlich zwar die Religionsfreiheit betroffen. Doch kann dieses Verbot durch die besondere Stellung des Lehrers, welcher stellvertretend für den Staat den Bildungs- und Erziehungsauftrag ausführt, gerechtfertigt sein, wenn andernfalls eine Gefährdung des Schulfriedens droht. 

III. Die zwei zentralen Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2003 (BVerfG, Urt. v. 24. 9. 2003 – 2 BvR 1436/02) entschied sich das Land Berlin dazu, ein Neutralitätsgesetz zu erlassen, welches das Tragen von sichtbaren religiösen Symbolen bei Lehrern ausdrücklich verbietet. Eine weitere Entscheidung des BVerfG von 2015 (BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) ließ nun Zweifel aufkommen, ob dieses Gesetz mit der deutschen Verfassung vereinbar ist. Zuletzt wurde vom BVerfG verlangt, dass eine konkrete Gefahr bezüglich des Schulfriedens bestünde, damit ein Kopftuchverbot gerechtfertigt sein könne. 

Während Prof. Dr. Bock der Meinung ist, dass sich diese beiden Entscheidungen widersprächen und der Senat sich entscheiden könne, welcher er in seiner Gesetzgebung folge, sieht RA’in Ateş keinen direkten Widerspruch. Sie ist der Auffassung, dass das Berliner Neutralitätsgesetz unter beiden Entscheidungen Bestand hätte, weil allein vom Tragen des Kopftuches durch eine Lehrerin bereits eine hinreichend konkrete Gefahr ausginge.  

IV. Die Gerichtsverfahren kopftuchtragender Lehrerinnen

Die bei den Arbeitsgerichten anhängigen Verfahren von Lehrerinnen – die nicht eingestellt wurden, weil sie ihr Kopftuch nicht abnehmen wollten – stünden laut Ateş nun vor „Neuland“. Zu erwarten sei, dass auch das Bundesarbeitsgericht zugunsten des Senats und damit gegen eine Entschädigung der Lehrerinnen entscheiden würde. Danach stünde den Betroffenen jedoch offen, das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Was dann geschieht, wird abzuwarten sein. 

V. Fazit

Nach der Rechtsauffassung des Prof. Dr. Bock und damit auch von Senatorin Scheeres  wird das NeutrG vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben. Zur der Frage, ob das NeutrG nicht womöglich die kopftuchtragenden Lehrerinnen diskriminieren könnte, stellte Scheeres lediglich fest, dass das Neutralitätsgesetz nicht diskriminiert, sondern vor Diskriminierung schützen soll. 

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Rechtsberatung zum Verwaltungsrecht - BSP Rechtsanwälte Berlin Mitte
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Das Verwaltungsgericht Weimar (8 E 416/21) erachtet die Entscheidung des AG Weimar (9 F 148/21), die über die Aufhebung jeglicher Corona-Schutzmaßnahmen in Weimarer Schulen befunden hat, als „offensichtlich rechtswidrig“. Eine solche Befugnis über die Anordnungen von Behörden zu entscheiden, stehe nicht dem Familiengericht zu, sondern fällt in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte.  So hat mittlerweile das Oberlandesgericht Jena (OLG Jena) den umstrittenen Beschluss wieder aufgehoben. Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
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15/04/2014 11:58

Mit Verabschiedung der FIFA Regularien das Public Viewing betreffend nimmt Rechtsunsicherheit auf Seiten der Veranstalter fortwährend zu. Wir beraten Sie im Vorfeld über eine sachgerechte Vorgehensweise.
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