OLG Nürnberg: Zur Strafbarkeit eines Rechtsanwaltes wegen Strafvereitelung

02.06.2016

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch
Rechtsanwalt für Strafrecht - BSP Rechtsanwälte in Berlin in Mitte
Im vorliegenden Fall hatte das OLG Nürnberg darüber zu entscheiden, welche Anforderungen an eine Strafbarkeit eines Strafverteidigers wegen Strafvereitelung gem. § 258 StGB zu stellen sind, wenn sich dieser berufsrechtswidrig verhalten hat.

Den Ausführungen des Landgerichts Nürnberg zufolge forderte der Strafverteidiger seinen Mandanten dazu auf, einen anderen der Tat zu beschuldigen und diesbezüglich weitere falsche Angaben zu machen. Ziel des Verteidigers war es, dass der Mandant eine mildere Strafe erreiche.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Nürnberg hat der Angeklagte sich hingegen nur wegen täterschaftlich versuchter Strafvereitelung strafbar gemacht. Mit der Aufforderung an seinen Mandanten einen anderen zu belasten habe er zudem berufsrechtswidrig gehandelt. Zwar lässt sich die Strafbarkeit nach § 258 StGB nicht von vorn herein aus dem berufsrechtswidrigen Verhalten allein herleiten. Vielmehr sei erforderlich, dass der Strafverteidiger den Tatbestand der Strafverteidigung mit Tatherrschaftswillen erfüllt. Dies war auch vorliegend der Fall. Der Strafverteidiger handelte in der Absicht seinen Mandanten besser zu stellen und um ihm eine mildere Strafe zu ermöglichen. Dabei war ihm durchaus bewusste, dass die ihm von seinem Mandanten vorgetragenen Sachverhaltsschilderungen nicht der Wahrheit entsprechen konnten.


OLG Nürnberg 1. Strafsenat, Beschluss vom 12.03.2012, 1 St OLG Ss 274/11

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat wegen versuchter Strafvereitelung einstimmig beschlossen:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. Juli 2011 im Rechtsfolgenausspruch (Ziffer I Nrn. 2 und 3) aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.


Gründe:

I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 12.10.2010 wurde der Angeklagte wegen Anstiftung zur falschen Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 200,- € verurteilt.

Hiergegen wandte sich die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit Schriftsatz vom 13.10.2010, eingegangen bei Gericht am 14.10.2010. Dieses Schreiben hat folgen-den Inhalt:

„Gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 12.10.2010 lege ich das Rechtsmittel der Berufung ein.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird wie folgt begründet:

Das Strafmaß wird dem Unrechtsgehalt der Tat und der Persönlichkeit d. An-geklagten nicht gerecht.
Die Tagessatzanzahl ist auf Grund der Schwere des Tatvorwurfs, mit dem die Frau L… auf Veranlassung des Angeklagten durch Herrn Gr. (wohl richtig: Gl.) falsch belastet worden ist, sowie des Umstands, dass der Angeklagte die Tat bei seiner Tätigkeit als Strafverteidiger begangen hat, zu niedrig. Zudem ent-spricht die Tagessatzhöhe nicht den wirtschaftlichen Verhältnissen des Ange-klagten.“

Der Angeklagte legte ebenfalls Rechtsmittel ein, welches unbeschränkt war. Mit Be-schluss vom 30.3.2011 wurde ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Berufungseinlegungsfrist gewährt.
Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.7.2011 wurde auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten das vorgenannte Urteil des Amtsgerichts Nürnberg dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der versuchten Strafvereitelung schuldig ist und deswegen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wird, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben verhängte das Landgericht gegen den Angeklagten ein Berufsverbot für die Dauer von drei Jahren.

Das Landgericht ging nach erfolgter Rückfrage bei der Staatsanwaltschaft davon aus, dass deren Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt sei, diesen aber in vollem Umfang zur Disposition stelle.
Zum Tatgeschehen stellte das Landgericht u.a. fest:

„…Am Ende dieses Verhandlungstages kam es sodann in der Vorführzelle des Justizgebäudes in N… zu einem Gespräch zwischen dem Angeklagten mit seinem Mandanten Gl. und dem Mitverteidiger R… (sogenanntes „Dreier-Gespräch“). Es war dies das erste Gespräch überhaupt, das Gl. gemeinsam mit seinen beiden Verteidigern führen konnte, da der Angeklagte zuvor mehr-fachen telefonischen Kontaktaufnahmen des Mitverteidigers R… hinsichtlich einer gemeinsamen Mandantenbesprechung ausgewichen war.
Der Angeklagte gab nunmehr seine Einschätzung bekannt, dass es für Gl. nicht gut aussehe und es daher an der Zeit wäre, die Verteidigungsstrategie zu ändern, weil demnächst mit einer belastenden Aussage des H… entsprechend seiner Angaben in dem Ermittlungsverfahren zu rechnen sei.

Er brachte dabei zum Ausdruck, dass Gl. seine Rolle als Bandenchef loswerden und deshalb die tatsächlichen Tatbeiträge zu Lasten des H... auf diesen verschieben solle. Er forderte deshalb in der Besprechung von sich aus seinen Mandanten Gl. dazu auf, den Mitangeklagten H… einer 50:50-Beteiligung zu bezichtigen. Mit dieser Aufforderung sollten sowohl die eigentlichen Rausch-giftmengen als auch die erbrachten Tatbeiträge zwischen Gl. und H… gleich-mäßig verteilt und beide dadurch als gleichberechtigte Partner dargestellt werden. Durch diese von ihm ins Gespräch gebrachte Aufteilung der Tatbeiträge erhoffte sich der Angeklagte …, das zwischen H… und Gl. im Gespräch mit der Strafkammer angedeutete Gefälle hinsichtlich der beiderseitigen Straf-erwartungen zumindest zu verringern, indem Rauschgiftmengen von Gl. auf H… verschoben werden sollten und Gl. durch die Selbstbezichtigung mit höheren Mengen glaubhafter erscheint. Zu diesem Zweck sollten auf Vorschlag des Angeklagten auch die von Gl. und H… gehandelten Rauschgiftmengen erhöht und gleichmäßig zwischen Gl. und H… aufgeteilt werden. Als der An-geklagte vorschlug, Gl. solle doch die ihm zur Last liegenden ca. 53 kg Rauschgift auf 60 kg erhöhen, brachte Gl. den Einwand, dass die Erhöhung um 7 kg für die Strafzumessung wohl nichts einbringe. Der Angeklagte äußerte daraufhin, Gl. solle dann eben 70 kg sagen, wobei ihm bewusst war, dass es sich im Verhältnis des Gl. zu H… um eine fiktive Mengenangabe handelte, die mit der Realität nichts zu tun hatte.

Während der Angeklagte seinen Mandanten Gl. aufforderte, den H… einer 50:50-Beteiligung zu bezichtigen und dabei die Rauschgiftmengen zu erhöhen, war ihm klar, dass beide Behauptungen nicht der Wahrheit entsprachen. Ihm kam es aber darauf an, durch den Ratschlag an seinen Mandanten, unrichtige Angaben zu machen, die Stellung des Mandanten im Prozess zu verbessern und hierdurch für diesen eine mildere Strafe zu erreichen.

Des Weiteren forderte der Angeklagte den Gl. auf, auch der Mitangeklagten L…„etwas hineinzudrücken“, da diese bereits gegen Gl. ausgesagt hatte. Der Angeklagte beabsichtigte mit dieser Aufforderung, den Gl. dazu zu bewegen, die Mitangeklagte L… mit nicht zutreffenden schweren Vorwürfen zu belasten; ihm war dabei klar, dass Gl. seine Aufforderung auch in diesem Sinne verstehen würde.

Durch diese Aussage sollte einerseits die Glaubwürdigkeit der Zeugin L…, die den Angeklagten bereits belastet hatte, erschüttert werden, andererseits sollten die die L… belastenden Angaben des Gl. für diesen zu einer Strafmilderung führen. Eine konkrete Vorgabe, was der L… „hineingedrückt“ werden sollte, gab der Angeklagte seinem Mandanten Gl. nicht vor, auch wurden keine näheren Details der von Gl. zu machenden Aussage besprochen. Allerdings erörterte er gemeinsam mit Gl. in einer Art „Brainstorming“ aktiv die Konstruktion verschiedener möglicher Sachverhaltsvarianten, insbesondere auch bisher nicht angeklagter Taten.
Im Anschluss an diese Besprechung vereinbarte der Angeklagte mit der Polizeibeamtin R… (geb. D…) für den 16.5.2008 die polizeiliche Vernehmung des Gl. zu dessen nunmehr angekündigten Angaben, an welcher der Angeklagte selbst mit teilnehmen wollte. Vor dem polizeilichen Vernehmungstermin traf sich der Angeklagte mit seinem Mandanten zu einem Gespräch in der Justiz-vollzugsanstalt N…. In diesem Gespräch zeigte Gl. dem Angeklagten seine zwischenzeitlich gefertigten schriftlichen Aufzeichnungen zu den beabsichtig-ten Aussagen. Auf Grund seiner Aufforderung vom Vortag war es dem Ange-klagten bewusst, dass es sich hierbei nicht um wahrheitsgemäße Angaben handelte. Dennoch erklärte sich der Angeklagte mit der Aussage seines Man-danten auf der Grundlage dieser Aufzeichnungen mit der Äußerung, diese sei „eine gute Story“, einverstanden.


Der Angeklagte war bei der polizeilichen Vernehmung des Gl. anwesend, ins-besondere auch während Gl. Angaben über die Mitangeklagte L… machte. Ihm war bei den gesamten Angaben des Gl. bewusst, dass sein Mandant eine falsche Aussage machte. Ihm war als Strafverteidiger auch bewusst, dass durch die Angaben des Mandanten Straftaten der Angeklagten L… behauptet wurden, die diese nicht begangen hatte, bzw. die strafrechtlich ein wesentlich anderes Gepräge als eine bloße Beihilfehandlung hatten. Ihm kam es jedoch darauf an, durch die Bezichtigung der L… zu erreichen, dass diese unglaubwürdig erscheint und sein Mandant eine mildere Strafe bekommt. …“

Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Feststellungen und der Begründung des Urteils wird auf das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12.7.2011 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge, aber auch auf verschiedene Verfahrensrügen gestützten Revision. Auf die Ausführungen zur Begründung der Revision in den Schriftsätzen vom 17.10.2011 der Rechtsanwälte S…, P… und R... und vom 5.12.2011, 23.12.2011 und vom 10.1.2012 der Rechts-anwälte S… und P… wird ebenfalls Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat unter dem 16.12.2011 zur Revision des Angeklagten Stellung genommen und beantragt, dieselbe als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die zulässige Revision hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Auf die Sachrüge hin war unter Aufrechterhaltung der Feststellungen das Urteil im Rechtsfolgenausspruch wegen eines Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB aufzuheben. Im Übrigen war die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrügen ist die Revision unbegründet. Eine Aufhebung der getroffenen Feststellungen hatte daher zu unterbleiben.

a) Eine Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO durch Ablehnung zweier Beweisanträge wegen Wahrunterstellung der behaupteten Tatsachen liegt nicht vor.
Die Verteidigung hatte beantragt, die Zeugen K… H…, C… D… und M… K… zu den Behauptungen zu vernehmen

- der Zeuge H… habe bereits in den Jahren 2001 bis 2003 in großem Um-fang Handel mit Haschisch getrieben

- der Zeuge H… habe in dieser Zeit das Haschisch zunächst vom Zeugen D… bezogen, der seinerseits Abnehmer des Zeugen Gl. gewesen sei. Ab 2003 habe der Zeuge H… das Haschisch dann unmittelbar vom Zeugen Gl. bezogen.

- der Zeuge H… habe im ersten Jahr seiner Zusammenarbeit mit dem Zeu-gen Gl. gesagt: „Dieses Jahr waren es 21 Kilo und nächstes Jahr werden es noch mehr Kilos werden.“
Des Weiteren beantragte die Verteidigung die Einvernahme des Zeugen KHK R…zum Beweis der Tatsache, dass

- die polizeilichen Ermittlungen bereits im Jahr 2006 ergeben hätten, dass der Zeuge Gl. bereits seit dem Jahr 2002 insgesamt 43 Fahrzeuge bei der Fa. E… angemietet hatte, die in einigen Fällen für andere Personen, die mit BtM-Delikten in Erscheinung getreten waren, erfolgt seien sowie hohe Kilometerleistungen bei den Mietwagen auf Fahrten nach Holland hätten schließen lassen.

Die Strafkammer hat die Beweisanträge wegen Wahrunterstellung abgelehnt. Auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens ist ein Rechtsfehler hier nicht zu erkennen. Zutreffend – hierauf stellt auch der Revisionsführer ab – hat das Landgericht die behaupteten Tatsachen als relevant für die Glaubwürdigkeit des Zeugen H… eingestuft (Bl. 57 f UA); die Tatsachen waren also nicht bedeutungslos und sind vom Landgericht auch nicht als bedeutungslos behandelt worden. Eine unzulässige Verkürzung des Beweisthemas hat das Gericht jedoch nicht vorgenommen. Vielmehr hat es die unter Beweis gestellten Behauptungen als zutreffend behandelt, seiner Beweiswürdigung zu Grunde gelegt und zusammen mit den übrigen Beweismitteln gewürdigt.
Da das Gericht hierbei nicht gehindert ist, aus den als wahr unterstellten Tatsachen andere Schlüsse – hier bezüglich der Glaubwürdigkeit des Zeugen H… – zu ziehen (vgl. Meyer-Goßner StPO, 54. Aufl. § 244 Rn. 71

a), ist eine „Verkürzung“ des Beweisthemas nicht ersichtlich. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts ist ausführlich, sorgfältig und nachvollziehbar. Insbesondere setzt sich das Gericht auch mit den Feststellungen im Urteil der 7. Strafkammer vom 26.5.2008 auseinander, wo teilweise abweichende Feststellungen getroffen wurden. Auch hierbei ist ein Widerspruch im angefochtenen Urteil selbst nicht zu finden. Dass in verschiedenen Verfahren aufgrund unterschiedlicher Beweisaufnahmen und zu unterschiedlichen Zeiten der gerichtlich festzustellende Sachverhalt in Anwendung des Zweifelssatzes zu ein und demselben Tatgeschehen verschiedene Ergebnisse zeitigen kann, liegt – besonders bei Taten im BtM-Bereich – in der Natur der Sache und bedeutet insbesondere keinen Widerspruch in der Beweiswürdigung. Auch kann kein „zentraler Widerspruch“ zwischen den Beweisbehauptungen und den Aussagen des Zeugen H... – wie ihn der Revisionsführer behauptet – gesehen werden. Insoweit wird auf die zutreffenden und nachvollziehbaren Ausführungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen.

b) Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) ist auch bei Annahme gesteigerter Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Prüfung von Verteidigerhandeln ebenfalls nicht gegeben. Insbesondere musste sich auch unter Berücksichtigung der Vernehmungsniederschriften nicht aufdrängen, die Zeugen zur Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen H… bei früheren Äußerungen zu hören.

c) Ein Verstoß gegen § 261 StPO und § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen Nichterörterung bestimmter Indizien zu einem alternativen Sachverhalt ist ebenfalls nicht erkennbar. Der Revisionsführer kritisiert hier im Wesentlichen die fehlende Auseinandersetzung mit den Feststellungen im oben genannten Urteil der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.5.2008. Zum einen jedoch führte das Landgericht im hier angefochtenen Urteil aus, es gehe durchaus von einem teilweise abweichenden Sachverhalt aus (Bl. 57 f UA) und begründet dies. Zum anderen wurde hier ein Richter der 7. Strafkammer als Zeuge vernommen, dessen Aussage zusammen mit anderen Beweismitteln ausführlich gewürdigt und bewertet wurde. Das Gericht bildete sich somit in unmittelbarer Beweisaufnahme selbst ein Bild über die relevanten Vorgänge, die auch dem vorerwähnten Urteil der 7. Strafkammer zu Grunde lagen. Eine ausführliche Erörterung jeder einzelnen Feststellung der früheren Verurteilung der Zeugen H… und Gl. war hier bei der im Übrigen sehr ausführlichen und um-fassenden Beweiswürdigung nicht erforderlich.

Auch im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keine Mängel in der Darstellung, Erörterung oder Vollständigkeit der Beweiswürdigung ergeben.

d) Rechtsfehlerfrei war auch die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung des Zeugen KHK R… zum Aussageverhalten der Zeugin L… anlässlich ihrer Beschuldigtenvernehmung vom 30.8.2008. Das Gericht hat die als wahr unterstellte Tatsache so wie beantragt im Urteil als wahr behandelt. Die Tatsache wurde sowohl bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin, als auch bei Prüfung der rechtlichen Einordnung ihrer Beteiligung durch das Landgericht beachtet. Somit ist auch die Ziel-richtung des Beweisantrages umfassend und zutreffend gesehen worden. Auch hier gilt, dass die Wahrunterstellung nicht dazu zwingt, die von der Verteidigung mit Antragstellung beabsichtigten Schlüsse zu ziehen (s.o.), vielmehr unterliegt auch die als wahr unterstellte Tatsache der freien Beweiswürdigung (Meyer-Goßner StPO, 54. Aufl. § 244 Rn. 71 a).

e) Ein Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO wegen Mitwirkung eines wegen Befangenheit abgelehnten Richters liegt nicht vor. Die Verteidigung hatte den Schöffen N… wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt mit der Begründung, er habe während des Schlussvortrags des Staatsanwalts diesen ununterbrochen angesehen und mehrfach deutlich mit dem Kopf genickt. Mit Beschluss vom 11.7.2011 wurde das Befangenheitsgesuch als unbegründet verworfen. Eine Verwerfung zu Unrecht (§ 338 Nr. 3 StPO) liegt jedoch nicht vor. Der Senat nimmt diesbezüglich ausdrücklich auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen im Beschluss vom 11.7.2011 Bezug und macht sich diese zu eigen. Insbesondere lässt ein Nicken des Kopfes während einer Rede einer anderen Person weder im Falle des bewussten Nickens, noch der unbewussten Reaktion einen so sicheren Schluss auf innere Zustimmung des Zuhörers und Bildung einer vorgefassten Meinung in diesem Sinne zu, dass ein vernünftiger Beobachter Grund zu der Annahme haben muss, der Schöffe werde dem Ange-klagten eine innere Haltung einnehmen, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen.

f) Die Revision kann auch mit der Rüge, es habe keine Beratung stattgefunden nach dem letzten Wort des Angeklagten (§ 260 Abs. 1 StPO, § 193 GVG), keinen Erfolg haben. Aus dem Vortrag des Revisionsführers und dem Protokoll der Hauptverhandlung ergibt sich, dass unmittelbar vor Urteilsverkündung eine Unterbrechung zur geheimen Beratung stattgefunden hat. Die Unterbrechung dauerte 30 Minuten. Da weder durch Gesetz, noch durch allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze vorgeschrieben ist, wie lange eine Beratung zu dauern hat, kann allein darauf, dass nur zu kurz beraten worden sei, eine Revision nicht erfolgreich gestützt werden (vgl. BGHSt 37, 141).

Aber auch der konkrete Fall gibt keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass eine Beratung mit umfassender Würdigung des gesamten Prozessstoffs inklusive der Schluss-vorträge und des letzten Wortes hier stattgefunden hat, so dass auch die Einholung diesbezüglicher dienstlicher Stellungnahmen der beteiligten Richter entbehrlich war. Auch die Tatsache, dass im Anschluss an die Urteilsverkündung ein ausführlicher, schriftlich vorliegender Beschluss zum vorläufigen Berufsverbot verkündet wurde, spricht nicht gegen eine wirkliche Beratung unmittelbar vor Verkündung. Zwar mag dieser Beschluss als Entwurf bereits schriftlich fixiert vorgelegen haben. Jedoch dürfen Ergebnisse der Vorberatung entworfen und schriftlich niedergelegt werden (BGHSt 17, 337). Besondere Umstände, die es nahelegen, dass ein derartiger Entwurf nicht nur vorlag, sondern unverändert und ohne in einer abschließenden Beratung nochmals zur Disposition gestellt zu sein übernommen und verkündet wurde, sind hier nicht ersichtlich.

2. Das Urteil war auf die Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufzuheben.

a) Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung stand, da sich der Angeklagte nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen im angefochtenen Urteil der unmittelbar täterschaftlichen versuchten Strafvereitelung schuldig gemacht hat. Er hat berufsrechts-widrig mit Täterwillen und Tatherrschaft gehandelt.

aa) Der Angeklagte hat sich berufsrechtswidrig verhalten.

Nach dem im angegriffenen Urteil festgestellten Sachverhalt „bestimmte“ der Ange-klagte seinen früheren Mandanten im Ausgangsverfahren gegen diesen, falsche An-gaben zum Sachverhalt zu machen und „wirkte auf ihn ein“ unrichtige Angaben zu machen zum eigenen Tatbeitrag und zu den Taten und Tatbeiträgen der übrigen An-geklagten. Vor dem Beginn der Vernehmung des Mandanten bei der Polizei, dessen Termin der Angeklagte für seinen Mandanten in Kenntnis des Inhalts der Angaben, die dieser dabei machen werde, vereinbart hatte, zeigte der Mandant dem Angeklagten seine Notizen zur beabsichtigen Aussage. Der Angeklagte zeigte sich mit der Äußerung, dies sei „eine gute Story“, einverstanden, vereinbarte den Vernehmungs-termin bei der Polizei und war bei der daraufhin durchgeführten Vernehmung des Mandanten durch die Polizei auch anwesend (Bl. 10 – 12 UA). Dies überschreitet die durch oben genannte Wahrheitsverpflichtung des Verteidigers sowohl prozessrechtlich als auch berufsrechtlich gezogenen Grenzen erlaubten Verteidigerhandelns.

bb) Aus berufsrechtswidrigem Verhalten allein lässt sich noch nicht die täterschaftliche Strafbarkeit nach § 258 StGB herleiten. Der Verstoß gegen die Standespflicht indiziert nicht zwingend die Strafbarkeit nach § 258 StGB, weil andernfalls die Abgrenzung hier strafloser Teilnahmeformen zur Täterschaft aufgehoben würde (sowohl BGH StV 1999, 153 m. Anm. Lüderssen StV 1999, 537 ff.).

Die Stellung des Verteidigers im Strafprozess und das damit verbundene Spannungsverhältnis zwischen Organstellung und Beistandsfunktion machen eine besondere Abgrenzung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten insbesondere in Bezug auf den Straftatbestand des § 258 StGB erforderlich. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, wobei hinsichtlich Methodik und Ergebnis dieser Abgrenzung (teilweise erhebliche) Differenzen bestehen (vgl. BGHSt 38, 345 347 f. = NJW 1993, 273 274 mwN.; BGH NJW 1983, 503; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 336; OLG Karlsruhe, StV 1991, 519 f.; Dessecker GA 2005, 142 ff; Beulke NStZ 1982, 330 und NStZ 1983, 504; Stumpf wistra 2001, 123 ff; BGH wistra 1999, 140; Lüdersen StV 1999, 537, Beulke/Ruhmannseder, in FS-Volk 2009 S. 45 ff; Jahn in SSW-StGB § 258 Rn. 23 ff; ders. in „Konfliktverteidigung“ und Inquisitionsmaxime, 1998 S. 274 ff).

Der Verteidiger ist als Rechtsanwalt gemäß § 1 BRAO unabhängiges Organ der Rechtspflege. Sein staatlich gebundener Vertrauensberuf weist ihm eine auf Wahr-heit und Gerechtigkeit verpflichtete Stellung zu. Unter Wahrung der Schweige- und Treuepflicht hat er diese im Interesse des Beschuldigten auszuüben (vgl. Fischer, StGB 59. Aufl. § 258 Rn. 16 mwN.). Die Grenzen zulässigen Verteidigerhandelns werden daher zunächst vom Prozessrecht und Berufsrecht gezogen. Insoweit ver-weist § 258 StGB auf die Regeln des Prozessrechts (vgl. Fischer StGB 59. Aufl. § 258 Rn. 17; Hervorhebung bereits im Zitat; auch BGH NJW 1993, 273
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Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 1 Stellung des Rechtsanwalts in der Rechtspflege


Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.

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Referenzen

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Bei der Beratung und Abstimmung dürfen außer den zur Entscheidung berufenen Richtern nur die bei demselben Gericht zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen und die dort beschäftigten wissenschaftlichen Hilfskräfte zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet.

(2) Ausländische Berufsrichter, Staatsanwälte und Anwälte, die einem Gericht zur Ableistung eines Studienaufenthaltes zugewiesen worden sind, können bei demselben Gericht bei der Beratung und Abstimmung zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet und sie gemäß den Absätzen 3 und 4 verpflichtet sind. Satz 1 gilt entsprechend für ausländische Juristen, die im Entsendestaat in einem Ausbildungsverhältnis stehen.

(3) Die in Absatz 2 genannten Personen sind auf ihren Antrag zur Geheimhaltung besonders zu verpflichten. § 1 Abs. 2 und 3 des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547 - Artikel 42) gilt entsprechend. Personen, die nach Satz 1 besonders verpflichtet worden sind, stehen für die Anwendung der Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, Satz 2, Absatz 5 und 6, § 205), Verwertung fremder Geheimnisse (§§ 204, 205), Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 3 und 4) sowie Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 355) den für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten gleich.

(4) Die Verpflichtung wird vom Präsidenten oder vom aufsichtsführenden Richter des Gerichts vorgenommen. Er kann diese Befugnis auf den Vorsitzenden des Spruchkörpers oder auf den Richter übertragen, dem die in Absatz 2 genannten Personen zugewiesen sind. Einer erneuten Verpflichtung bedarf es während der Dauer des Studienaufenthaltes nicht. In den Fällen des § 355 des Strafgesetzbuches ist der Richter, der die Verpflichtung vorgenommen hat, neben dem Verletzten antragsberechtigt.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.