Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 03. Juni 2015 - 6 A 719/12

bei uns veröffentlicht am03.06.2015

Tenor

Es wird festgestellt, dass die am 24. April 2012 angeordnete Inobhutnahme des Kindes F. A., geboren am ... Dezember 2007, durch das Jugendamt Rostock für die Zeit von der Anordnung bis zum Wirksamwerden des familiengerichtlichen Beschlusses des Amtsgerichts Rostock 10 F 124/11 vom 26. April 2012 rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils die Hälfte.

Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme eines damals vierjährigen Kindes, die von dem Amt für Jugend und Soziales (AJS) der Beklagten durchgeführt wurde.

2

Die Klägerin ist die Mutter des betroffenen Jungen und war mit dem Kindesvater gemeinsam sorgeberechtigt. Seit mindestens Januar 2009 stritten die Kindeseltern über das Umgangsrechts des Kindesvaters. Umgang erhielt dieser trotz gerichtlicher Regelung im Wesentlichen nicht.

3

Die „Rostocker Stadtmission“ des Diakonievereins Rostock war mit Erziehungsberatungsmaßnahmen betraut und sollte auch eine Umgangsbegleitung durchführen. Der mit dem Fall befasste Mitarbeiter M. des Diakonievereins kritisierte u. a., dass die Klägerin sich fortgesetzt weigere, eine für die Umgangsbegleitung vorausgesetzte „Mitwirkungsvereinbarung“ zu unterzeichnen. Auskünfte über das betroffene Kind, die mit Einverständnis der Klägerin von den Kindertagesstätten und von der Kinderärztin eingeholt worden waren, ergaben, dass das Kind offenbar psychischer Belastung wegen der streitigen Umgangsfrage ausgesetzt, im Übrigen aber altersgemäß entwickelt sei. Zu der Mutter, zu deren neuem Lebensgefährten - den es „Papa“ nenne - und zu den Großeltern mütterlicherseits habe das Kind ein gutes und liebevolles Verhältnis.

4

Im Dezember 2011 beantragte der Kindesvater bei dem Familiengericht, im Wege der einstweiligen Anordnung eine Umgangspflegschaft einzurichten. Nach einem der darauf folgenden Beratungstermine wurde erstmals die Gefahr eines Suizids der Klägerin formuliert. In einer Telefonnotiz der bei dem AJS zuständigen Sachbearbeiterin heißt es u. a.: Die Klägerin habe die Mitwirkungsvereinbarung noch immer nicht unterschrieben, sie sei „hochgradig psychisch belastet“, es sei „aufgrund der psychischen Belastung der KM nicht abzuschätzen“, wie sie unter dem „enormen Druck“ durch einen gegebenenfalls eingesetzten Umgangspfleger reagiere und: „als mögliche Konsequenz könnte ein Suizid bzw. erweiterter Suizid nicht auszuschließen sein, laut Hr. M.“

5

In einem Schreiben aus dem Februar 2012 an das AJS fasste Herr M. dieses Beratungsgespräch wie folgt zusammen: „Aus ihrer [der Klägerin] Sicht könne sie gegenüber sich selbst und ihrem Kind nicht verantworten, einen Umgang mit dem Vater jemals zuzulassen. Sie sei bereit, alle möglichen Konsequenzen zu tragen, auch wenn damit F. immer wieder neu belastet werde. Sie werde alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um ihren Sohn vor dem Kindesvater zu schützen.“ Von einer Suizidgefahr ist nicht die Rede.

6

Zugleich übersandte wiederum Herr M. an das AJS die Meldung einer Kindeswohlgefährdung, die sich auf eine „Instrumentalisierung des Kindes in Elternkonflikten“ und „Vereitelung der Umgangskontakte“ stützte sowie auch die Suizidpotenzialthese wieder aufgriff. Es wurden Gefährdungsmomente aufgeführt, nicht jedoch, wer diese Momente auf Grund welcher Wahrnehmungen benannt habe. Auf diese Meldung wurde sogleich ein Verfahren oder Vorprüfungsverfahren für ein Verfahren nach § 8a SGB VIII bei dem AJS eingeleitet. Darin wurden die Umstände, die für eine Umgangsvereitelung durch die Klägerin sprächen, gesammelt, wobei auch die vorgenannte Formulierung zum Suizidpotenzial übernommen wurde.

7

Eine weitere familiengerichtliche Anhörung im Verfahren 10 F 262/11 wurde auf den 24. April 2012 anberaumt. Hierin wollte sich das AJS für eine Aussetzung des Umgangs aussprechen. Für den Fall, dass dieser dennoch durchgesetzt werden sollte, fasste es bereits einen bedingten Inobhutnahmeplan und bat die Polizei vorsorglich um Unterstützung. Mit der Klägerin sprach von dem AJS oder der Beratungsstelle bis dahin niemand mehr.

8

Ausweislich des Protokolls des Familiengerichts gab es in dieser Anhörung ausführliche Erörterungen darüber, wie das Umgangsrecht des Kindesvaters verwirklicht werden könne. Das Gericht wies auf das bestehende Recht des Kindesvaters auf Umgang hin, das AJS und weitere Beteiligte auf die starke Verweigerung dessen durch die Klägerin und auf damit einher gehende Beeinträchtigungen des Kindeswohls. Das AJS teilte mit, dass mit „der Bestellung der Umgangspflegschaft die Inobhutnahme des Kindes noch heute erfolgen“ werde. Nachdem eine Aussetzung der Umgangsregelung offenbar nicht in Betracht kam, teilte das AJS den Kindeseltern mit, dass es die Inobhutnahme des Kindes soeben veranlasst habe. Die Klägerin wendete sich dagegen. Das AJS teilte dem Familiengericht in der Anhörung mit, „dass ein Antrag nach § 1666 BGB gestellt werden wird“. Das Gericht stellte den Kindeseltern „den Beschluss zur Umgangspflegschaft in Aussicht“.

9

Die tatsächlich durchgeführte Inobhutnahme verlief insofern dramatisch, als das Kind zunächst von seinen Großeltern, dem Lebensgefährten der Klägerin und einem benachbarten Rechtsanwalt - dem nunmehrigen Prozessbevollmächtigen der Klägerin - zurückgehalten wurde und erst nach Einflussnahme durch die AJS-Mitarbeiter und zwei Polizeibeamte, jedoch ohne unmittelbaren Zwang, herausgegeben wurde. Das Kind wurde in ein Kinderheim verbracht.

10

Mit Beschluss vom 25. April 2012 – 10 F 262/11 – ordnete das Familiengericht einstweilen eine Umgangspflegschaft an. Zur Begründung führte es u. a. aus: „Die Begleitung der Umgangspflegschaft durch die Inobhutnahme des Kindes am 24.04.2012 ist immer noch geeigneter als ein vollständiger Entzug der elterlichen Sorge gegenüber der Kindesmutter und die Verbringung des Kindes zum mitsorgeberechtigten Kindesvater. Die durch die Inobhutnahme eintretenden Irritationen für das Kind und die Eltern sind eher vertretbar als eine weitere Aussetzung des Umgangs und damit Entfremdung des Kindes vom Kindesvater.“

11

Mit Beschluss vom 26. April 2012 – 10 F 124/11 – entzog das Familiengericht auf Antrag des AJS vom 25. April 2012 der Klägerin vorläufig gemäß § 1666 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

12

Die Klägerin begehrte im Verfahren 6 B 216/12 bei dem Verwaltungsgericht Schwerin zunächst die einstweilige Herausgabe des Kindes. Diesen Antrag nahm sie nach der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurück.

13

Während der Inobhutnahme litt die Kindesmutter stark unter der Fremdunterbringung ihres Kindes. Sie verlangte es am 26. April 2012 erneut heraus. Im Folgenden nahm sie die ihr zur Verfügung stehenden Besuchzeiten in dem Kinderheim wahr. Der Prozessbevollmächtigte, die Großeltern und die Kindertagesstätte des Kindes setzten sich nachdrücklich für die Beendigung der Inobhutnahme ein.

14

Am 10. Mai 2012 wurde das Kind der Klägerin durch das AJS zurückgegeben, nachdem sich die Klägerin und das AJS auf einen Schutzplan für das Kind geeinigt hatten. Das Familiengericht stellte – unter Äußerung von Bedenken – einem entsprechenden Antrag des AJS folgend fest, dass die einstweilige Anordnung außer Kraft getreten sei.

15

Mit dem Eilantrag 6 B 216/12 hat die Klägerin auch im hiesigen Verfahren am 27. April 2012 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, eine Inobhutnahme dürfe gemäß § 1666 BGB nur nach richterlichem Beschluss erfolgen. Darüber hinaus könne ein Zusammenwirken von Gericht und Jugendamt nicht zur Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme führen. Die familiengerichtliche Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht sei unter Anwendung falscher Maßstäbe, insbesondere ohne Berücksichtigung der Grundrechte von Klägerin und Kind ergangen und daher grob unrichtig. Eine Wiederholung drohe angesichts des noch immer bestehenden Umgangsstreits.

16

Die Klägerin beantragt

17

festzustellen, dass die am 24. April 2012 angeordnete Inobhutnahme des Kindes F. A., geb. am ... Dezember 2007, durch das Jugendamt Rostock für die Zeit von der Anordnung bis zur Herausgabe des Kindes an die Mutter rechtswidrig war.

18

Der Beklagte beantragt

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Klagabweisung

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und trägt im Wesentlichen noch einmal den sich zuspitzenden Streit der Kindeseltern um das Umgangsrecht sowie die aus ihrer Sicht bestehenden Gefährdungsmomente vor. Letztere bestünden v. a. darin, dass die Klägerin in der entscheidenden familiengerichtlichen Anhörung „völlig die Kontrolle“ verloren und „unter deutlicher Anspannung“ reagiert habe; sie habe „stark auffällig ausschließlich eigene Befindlichkeiten“ signalisiert, weshalb „Affekthandlungen der Klägerin nicht auszuschließen“ gewesen seien. Das Familiengericht sei mit der Ankündigung, dass ein Antrag nach § 1666 BGB gestellt werden müsse, ausreichend einbezogen worden.

21

Auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgänge wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg. Insoweit ist sie zulässig und begründet, im Übrigen ist sie bereits unzulässig.

I.

23

Die Klage ist zulässig, soweit die begehrte Feststellung sich auf den Zeitraum bis zur Bekanntgabe des familiengerichtlichen Beschlusses vom 26. April 2012 bezieht. Im Übrigen ist sie unzulässig, weil der Klägerin bezogen auf den weiteren Zeitraum der Inobhutnahme die Klagebefugnis fehlt.

24

1. Die Klage ist – jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Nach dieser Vorschrift kann die Feststellung begehrt werden, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei, wenn dieser sich vorher erledigt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.

25

In der Entscheidung des AJS in der familiengerichtlichen Anhörung vom 24. April 2012, die Inobhutnahme zu veranlassen, lag ein Verwaltungsakt gemäß § 31 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgerichtsgesetzes (SGB X), nämlich die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Diese auf § 42 SGB VIII gestützte Entscheidung ist von dem Vollzugsakt der tatsächlichen Inobhutnahme des betroffenen Kindes zu unterscheiden. Der betreffende Verwaltungsakt kann – wie im vorliegenden Fall geschehen – auch mündlich bekannt gegeben werden (§ 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X).

26

Dieser Verwaltungsakt hat sich spätestens mit der Übergabe des Kindes an die Klägerin am 10. Mai 2012 erledigt. Damit endete gemäß § 42 Abs. 4 Nr. 1 SGB VIII die Inobhutnahme. Eine Aufhebung der Anordnung der Inobhutnahme kam danach nicht mehr in Betracht. Ob Erledigung bereits mit Wirksamwerden der familiengerichtlichen Entscheidung vom 26. April 2012 eingetreten ist, bedarf keiner Entscheidung, weil die Klage ab diesem Zeitpunkt ohnehin unzulässig ist.

27

2. Auch die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen lagen zunächst sämtlich vor.

28

Die Klägerin war klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift, die nach allgemeiner Auffassung auch im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage Anwendung findet (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 42 Rn. 62, § 113 Rn. 125 m. w. Nachw.), setzt die Zulässigkeit der Klage voraus, dass der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist gegeben, wenn die Möglichkeit der von dem Kläger behaupteten Rechtsverletzung besteht. Mit der Anordnung der Inobhutnahme ging eine solche mögliche Rechtsverletzung einher, nämlich eine solche des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Klägerin aus § 1626 Abs. 1 und § 1631 Abs. 1 BGB. Denn mit der Inobhutnahme ist dieses Recht gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII durch die Befugnis des Jugendamtes überlagert, über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen.

29

Die Klägerin kann auch mit Erfolg das gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO notwendige Feststellungsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse liegt u. a. in einer durch die Feststellung begehrten Rehabilitierung nach tiefgreifendem Grundrechtseingriff. Mit dem tatsächlichen Verlust des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Klägerin durch die Inobhutnahme war ein Eingriff in das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) erfolgt. Allein darin kann das berechtigte Rehabilitierungsinteresse gesehen werden (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 28. Dezember 2011 – 2 K 2503/11 – Rn. 54, juris).

30

3. Die Klage ist jedoch unzulässig, soweit sie sich auf den Zeitraum nach Bekanntgabe des familiengerichtlichen Beschlusses des Amtsgerichts Rostock vom 26. April 2012 – 10 F 124/11 – bezieht, weil die Klägerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr klagebefugt war.

31

Die angeordnete Inobhutnahme konnte nicht mehr in das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Klägerin eingreifen, nachdem ihr dieses Recht durch die Entscheidung des Familiengerichts entzogen und diese Entscheidung wirksam geworden war (§ 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen – FamFG).

32

Schon der Verlust des Aufenthaltsbestimmungsrechts führt zum Verlust der Klagebefugnis gegen die angeordnete Inobhutnahme. Die Inobhutnahme betraf keine darüber hinaus gehenden Rechte der Klägerin. Soweit das Jugendamt über die Bestimmung des Aufenthalts hinaus auch zur Sicherung des Wohls des Kindes und zu allen notwendigen Rechtshandlungen befugt ist (§ 42 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB VIII), betrifft dies nur solche Fragen, die notwendig mit der Unterbringung durch das Jugendamt verbunden sind. Einschränkungen der Ausübung der elterlichen Sorge sind mit dem rechtmäßigen gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt des Kindes an einem anderen Ort stets verbunden (§ 1687 Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 BGB). Das Gleiche gilt für tatsächliche Einschränkungen des der Klägerin gemäß § 1684 Abs. 1 Halbs. 2 BGB zukommenden Umgangsrechts. Die Kammer verkennt nicht, dass die Klägerin auch nach dem Verlust des Aufenthaltsbestimmungsrechts stark unter der Trennung von ihrem Kind gelitten hat. Rechtlich betroffen war sie damit jedoch nicht mehr, sondern stand dem so gegenüber wie jeder Elternteil, bei dem sich das Kind rechtmäßig nicht aufhält.

33

Soweit die Klägerin meint, dadurch keinen ausreichenden Rechtsschutz erhalten zu können (Art. 19 Abs. 4 GG), ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz gegen die familiengerichtliche Entscheidung die Beschwerde zum Oberlandesgericht gemäß § 57 Satz 2 Nr. 1, § 58 Abs. 1 FamFG, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), möglicherweise nach Antrag auf (weitere) mündliche Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG (so die in der Sache erfolgte Rechtsmittelbelehrung des familiengerichtlichen Beschlusses; a. A. für den hier gegebenen Fall der Erörterung in einem Parallelverfahren: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2. März 2011 – 6 WF 222/10 – Leits. und Rn. 2, juris) vorsieht und außerdem den Antrag gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FamFG auf Aussetzung der Vollstreckung und die Einleitung des Hauptsacheverfahrens gemäß § 52 FamFG einschließlich Rechtsmittelverfahren.

II.

34

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet. Die durch das Jugendamt am 24. April 2012 angeordnete Inobhutnahme war rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

35

Das Jugendamt ist gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VIII – der alleine in Betracht kommenden Variante – berechtigt und verpflichtet, ein Kind in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes dies erfordert und eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Beide Voraussetzungen lagen nicht vor.

36

1. Eine familiengerichtliche Entscheidung war nicht uneinholbar. Die Kompetenz des Jugendamtes nach § 42 SGB VIII ist nach der gesetzlichen Konzeption in Abs. 3 der Vorschrift, die entweder unverzügliche familiengerichtliche Entscheidung (Satz 2 bis 4) oder unverzügliches Verfahren zur Gewährung von Hilfen (Satz 5, §§ 36 ff. SGB VIII) verlangt, eine enge „Notkompetenz“ (Trenczeck, in: Münder u. a., Frankf. Komm. SGB VIII, 7. Aufl., § 42 Rn. 35 m. w. Nachw.) bzw. „Befugnis … in Eil- und Notfällen“ (Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl., § 42 Rn. 1). Wenn möglich, soll gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 und § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VIII das in erster Linie zum Eingriff in die elterliche Sorge berufene Familiengericht tätig werden. Nur wenn dies ausgeschlossen ist und seine Entscheidung wegen der Dringlichkeit der Gefahr nicht abgewartet werden kann (§ 8a Abs. 2 Satz 2 SGB VIII), darf das Jugendamt entscheiden und tätig werden. Ein solcher Fall lag hier nicht vor.

37

a) Das Familiengericht war zur Zeit der (endgültigen) Entscheidung des AJS über die Inobhutnahme gerade mit dem Fall befasst und hätte ohne Weiteres die Voraussetzungen für eine Abwendung der durch das AJS angenommenen Gefahr ohne Inobhutnahme schaffen können. Einen entsprechenden Antrag hat das AJS jedoch nicht gestellt. Die Ankündigung, er werde gestellt werden, konnte den Versuch nicht ersetzen, das Familiengericht vor Ausübung der eigenen Kompetenz mit der Frage der Abwendung einer Kindeswohlgefährdung zu befassen.

38

b) Eine Entscheidung ist auch nicht deshalb uneinholbar gewesen, weil das Familiengericht auch von Amts wegen hätte tätig werden können und es dies in der Anhörung vom 24. April 2012 nicht getan hat. Denn dies heißt nicht, dass das Gericht sich auf Antrag oder auch nur auf ausdrückliche Anregung (§ 24 FamFG) nicht dazu hätte verhalten können und müssen, ob und inwiefern es Maßnahmen zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung für geboten erachtet und hierfür die Voraussetzungen schafft.

39

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die von dem AJS angenommene Gefahr für das Kindeswohl gerade durch die familiengerichtliche Entscheidung zum Umgangsrecht bedingt war. Auch wenn dieser – offen zu Tage getretene – Umstand eine Entscheidung des Familiengerichts auch im Hinblick auf weitere Maßnahmen zum Wohl des Kindes nahe gelegt hat, heißt dies nicht, dass der Versuch, eine Entscheidung herbeizuführen, entbehrlich war. Denn entweder hätte das Familiengericht seinen Beschluss zur Umgangspflegschaft selbst durch geeignete Sorgerechtseingriffe begleiten oder – unter Zurückweisung der Gefahrenprognose des AJS – davon absehen können. Jedenfalls hätte aber eine gerichtliche Entscheidung eingeholt werden können.

40

c) Auch der Hinweis des Familiengerichts auf die Inobhutnahme in seinem Beschluss vom 25. April 2012 kann diese Entscheidung nicht ersetzen. Denn zum einen ist eine damit wohl verbundene inhaltliche Zustimmung keine „Entscheidung“ und zum anderen kommt es auf eine Zustimmung in der Sache insoweit nicht an, weil es bei der gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1, § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VIII einzuholenden Entscheidung des Familiengerichts ebenso wenig wie bei der gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII nachträglich einzuholenden Entscheidung um die Kontrolle einer jugendamtlichen Entscheidung oder Maßnahme geht, sondern um die eigenständige Regelung einer Gefahrensituation durch die Schaffung der personensorgerechtlichen Voraussetzungen für die Abwendung der Gefahr.

41

2. Es lag keine dringende Gefahr im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII vor.

42

Eine dringende Gefahr im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII bedeutet eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Wohl des Kindes gefährden wird, wobei der Schadenseintritt nicht unmittelbar bevorstehen muss und an die Gefahr des Eintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der Schaden ist (Trenczeck, a. a. O. Rn. 12 m. w. Nachw.). Dabei kann jedoch ein denkbar großer Schaden wie der hier befürchtete Tod von Mutter und Kind nicht dazu führen, dass die Anforderungen für die Beurteilung der Eintrittsgefahr so abgesenkt werden, dass sie praktisch entfallen. Die Annahme einer Gefährdung des Kindes setzt vielmehr voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (s. nur BVerfG, Beschl. v. 19. November 2014 – 1 BvR 1178/14 –, Rn. 23 m. vielen w. Nachw. aus der jüngeren Rspr., juris). Jedenfalls müssen danach die Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung konkret und objektiv erkennbar sein. Gemessen daran lag hier eine dringende Gefahr nicht vor.

43

a) Das Leben des Kindes war nicht gefährdet. Eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme eines bevorstehenden (erweiterten) Suizids war nicht gegeben. Sie ergab sich insbesondere nicht aus einer psychologischen Begutachtung der Klägerin auf der Grundlage mit ihr geführter, anerkannten Standards entsprechender Gespräche.

44

Die Klägerin hatte im Übrigen Selbstmordabsichten oder gar Tötungsabsichten betreffend ihr Kind im Sinne eines sog. erweiterten Suizids nie auch nur angedeutet. Im Gegenteil weisen alle dokumentieren Verhaltensweisen der Klägerin auf ihr Bedürfnis nach größtmöglichem Schutz ihres Kindes hin. Dies konnte im Hinblick auf das Umgangsrecht des Kindesvaters möglicherweise als übermäßiges Bedürfnis verstanden werden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine drohende körperliche Beeinträchtigung des Kindes gab es jedoch nicht.

45

Aus der Aussage der Klägerin, sie werde „alles in ihrer Macht stehende“ unternehmen, damit das Kind nicht zu seinem Vater müsse, konnte nichts anderes gefolgert werden. Denn nachdem sie jahrelang gerichtlich und im Kinder- und Jugendhilfeverfahren gegen das Umgangsrecht des Kindesvaters gearbeitet hatte, wies nichts darauf hin, dass sie nunmehr neben dieser rechtlich-tatsächlichen Verhinderung des Kontakts auch körperlich auf das Kind einwirken wolle und es gar verletzen oder töten könnte. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin den Kontakt zu dem Kindesvater stets wegen dessen angeblicher Gefährlichkeit abgelehnt hat. Für diese Gefährlichkeit hat sie auch konkrete Anhaltspunkte genannt. Dass sie außerdem dem Kindesvater den Kontakt zu dem Kind dermaßen missgönnt hätte, dass sie ihn auch auf Kosten des Lebens des Kindes zu verhindern gesucht hätte, lag eher fern.

46

Nichts anderes gilt vor dem Hintergrund der Annahme eines möglichen „Impulsdurchbruchs“ der Klägerin oder von deren „Affektinstabilität“. Denn auch wenn durch die bevorstehende Umgangspflegschaft eine ganz erhebliche zusätzliche Belastung für die Klägerin zu erwarten war, so sprach nach allem nichts dafür, dass entgegen dem Vorstehenden sich ihre Stellung zu dem Kind grundsätzlich ändern würde. Dass die Realisierung der aufgeworfenen Befürchtung „nicht auszuschließen“ sei, kann demgegenüber nicht genügen.

47

Der hier – seit Längerem – als mögliche Gefahr benannte Suizid konnte zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber auch nicht positiv als bevorstehend angenommen werden. Soweit die Vertreterin des AJS in der familiengerichtlichen Anhörung vom 24. April 2012 aus dem Verhalten der Klägerin zu der Einschätzung gelangt sein sollte, dass sich die Befürchtung eines Impulsdurchbruchs nunmehr in dieser Weise realisiere, so beruhte schon die Grundannahme nicht auf einer tragfähigen Grundlage.

48

b) Das Kind war auch nicht im Sinne einer dringenden Gefahr durch eine Zerrissenheit zwischen den Interessen der Klägerin und des Kindesvaters gefährdet. Zwar lagen psychische Beeinträchtigungen auf der Hand. Auch war der Umgang mit dem Kindesvater nachhaltig gehindert, obwohl dieser normativ zum Kindeswohl gehört (§ 1684 Abs. 1 Halbs. 1 BGB). Diese Gefährdungsaspekte lagen jedoch bereits seit Jahren vor. Ihrer Begegnung diente gerade der (im Zeitpunkt der Gefahrenprognose bevorstehende) Beschluss zur Umgangspflegschaft. Selbst bei dessen ausbleibender Umsetzung – was in der Tat möglich erscheinen musste – war eine nach dem eingangs genannten Maßstab erhebliche Schädigung des Kindes nicht mit ziemlicher Sicherheit zu befürchten. Denn gegebenenfalls anzuordnende Ordnungsmittel gemäß § 88 Abs. 1 FamFG hätten das Potenzial gehabt, die Stellung des Kindesvaters zu bessern.

III.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach waren die Kosten hälftig zu teilen, weil dies dem Anteil des Obsiegens der Klägerin entspricht. Auf die Dauer des Zeitraums, auf den das Obsiegen entfällt, kam es dabei weniger an als auf die Unterscheidung der beiden Phasen vor und nach der familiengerichtlichen Entscheidung überhaupt. Hiervon führte die Beurteilung der einen zum Erfolg der Klage, die der anderen nicht. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO und § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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(1) Soweit Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden können, kann die Einleitung eines Verfahrens angeregt werden. (2) Folgt das Gericht der Anregung nach Absatz 1 nicht, hat es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber zu unterricht

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 52 Einleitung des Hauptsacheverfahrens


(1) Ist eine einstweilige Anordnung erlassen, hat das Gericht auf Antrag eines Beteiligten das Hauptsacheverfahren einzuleiten. Das Gericht kann mit Erlass der einstweiligen Anordnung eine Frist bestimmen, vor deren Ablauf der Antrag unzulässig ist.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 88 Grundsätze


(1) Die Vollstreckung erfolgt durch das Gericht, in dessen Bezirk die Person zum Zeitpunkt der Einleitung der Vollstreckung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Das Jugendamt leistet dem Gericht in geeigneten Fällen Unterstützung. (3) Die V

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 55 Aussetzung der Vollstreckung


(1) In den Fällen des § 54 kann das Gericht, im Fall des § 57 das Rechtsmittelgericht, die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung aussetzen oder beschränken. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. (2) Wenn ein hierauf gerichteter Antrag gestell

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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 03. Juni 2015 - 6 A 719/12 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 03. Juni 2015 - 6 A 719/12 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Nov. 2014 - 1 BvR 1178/14

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor Der Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 17. September 2013 - 84 F 34/13 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Februar 2014 - II-6 UF 177/13 - verletzen den Beschwerdefüh

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 02. März 2011 - 6 WF 222/10

bei uns veröffentlicht am 02.03.2011

weitere Fundstellen ... Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt. III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 €
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 03. Juni 2015 - 6 A 719/12.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2017 - 12 CS 16.2181

bei uns veröffentlicht am 09.01.2017

Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt. II. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. Oktober 2016 (Az.: RN 4 S 16.1535) ist wirkungslos. III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskos

Referenzen

(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist,

1.
sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen sowie
2.
Personen, die gemäß § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.
Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten.

(2) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.

(3) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein.

(4) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass

1.
deren Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen,
2.
bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird sowie
3.
die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
In den Vereinbarungen sind die Kriterien für die Qualifikation der beratend hinzuzuziehenden insoweit erfahrenen Fachkraft zu regeln, die insbesondere auch den spezifischen Schutzbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Rechnung tragen. Daneben ist in die Vereinbarungen insbesondere die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte der Träger bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.

(5) In Vereinbarungen mit Kindertagespflegepersonen, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass diese bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes eine Gefährdungseinschätzung vornehmen und dabei eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzuziehen. Die Erziehungsberechtigten sowie das Kind sind in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6) Werden einem örtlichen Träger gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sind dem für die Gewährung von Leistungen zuständigen örtlichen Träger die Daten mitzuteilen, deren Kenntnis zur Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a erforderlich ist. Die Mitteilung soll im Rahmen eines Gespräches zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger erfolgen, an dem die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche beteiligt werden sollen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.

(2) Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.

(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.

(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 und auch nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung

1.
über die elterliche Sorge für ein Kind,
2.
über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil,
3.
über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson,
4.
über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder
5.
in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung
entschieden hat.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Das Gericht kann die Entscheidung in der einstweiligen Anordnungssache aufheben oder ändern. Die Aufhebung oder Änderung erfolgt nur auf Antrag, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Dies gilt nicht, wenn die Entscheidung ohne vorherige Durchführung einer nach dem Gesetz notwendigen Anhörung erlassen wurde.

(2) Ist die Entscheidung in einer Familiensache ohne mündliche Verhandlung ergangen, ist auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden.

(3) Zuständig ist das Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat. Hat es die Sache an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen, ist dieses zuständig.

(4) Während eine einstweilige Anordnungssache beim Beschwerdegericht anhängig ist, ist die Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Entscheidung durch das erstinstanzliche Gericht unzulässig.

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Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf

1.500,00 €

festgesetzt.

IV. Der Antragstellerin wird zur Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt.

Ihr wird der das Mandat bereits innehabende Rechtsanwalt K…, …, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

Gründe

1

Das Rechtsmittel der Beschwerde ist statthaft und in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. In der Sache führt es jedoch nicht zum Erfolg.

I.

2

Auf das am 20. September 2010 eingeleitete Verfahren finden gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG die Vorschriften des FamFG Anwendung. Danach ist gegen vorläufige Entscheidungen in Familiensachen gemäß § 57 Satz 2 FamFG die Beschwerde statthaft, wenn die Entscheidung aufgrund mündlicher Erörterung ergangen ist und eine der in Satz 2 unter Ziffer 1-5 genannten Angelegenheiten zum Gegenstand hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Familiengericht hat seine Entscheidung zwar ausweislich des Rubrums "wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung" getroffen. Aus dem Sitzungsprotokoll des Parallelverfahrens 1 F 229/10 vom 5. Oktober 2010 ergibt sich aber, dass die Parteien auch die Frage der elterlichen Sorge erörtert haben. Insbesondere wurde die gemeinsame Tochter zu dieser Frage ergänzend angehört. Da nach der gesetzlichen Neuregelung Zweck der Erörterung ist, die Sachaufklärung zu fördern, rechtliches Gehör zu gewähren und Gelegenheit zur gütlichen Einigung zu geben (vgl. etwa Keidel/Giers, FamFG 16. Aufl. § 57,Rdnr. 5; Musielak/Borth, FamFG § 57,Rdnr. 5), was hier ausweislich des Protokolls in dem Parallelverfahren geschehen ist, hält es der Senat für entbehrlich, den Antragsgegner zunächst auf die Möglichkeit des § 54 Abs. 2 FamFG zu verweisen. Es besteht ein enger Sachzusammenhang zwischen den beiden Verfahren und im Übrigen ist nach den Ausführungen im Beschwerdeverfahren auch nicht anzunehmen, dass eine Bereitschaft zur gütlichen Einigung besteht. Danach bedarf es keiner (nochmaligen) Erörterung in erster Instanz. In der Sache streiten die beteiligten Eltern schließlich über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Tochter und damit über einen Teilbereich der elterlichen Sorge für das Kind, § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG.

II.

3

Das danach verfahrensrechtlich bedenkenfrei eingelegte Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichts und nimmt dazu auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug. Demgegenüber zeigt die Beschwerde keine Gesichtspunkte auf, die eine Änderung rechtfertigen könnten.

4

Zunächst ist der Erlass einer Eilentscheidung im Hinblick auf die nicht miteinander zu vereinbarenden Standpunkte zum Lebensmittelpunkt der gemeinsamen Tochter geboten. Es besteht ein dringendes Bedürfnis zu klären, an welchem Ort M…-C… ihren Wohnsitz hat und welche Schule sie besucht. Davon geht offenbar auch der Antragsgegner aus. Denn Ziel seiner Beschwerde ist, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig auf ihn allein übertragen wird.

5

Bei der im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gebotenen nur summarischen Prüfung gibt es im Übrigen keinen Grund, von der durch das Familiengericht - auf Grundlage der in der Erörterung gewonnenen Erkenntnisse - getroffenen Wertung abzuweichen. Mit Recht hat das Familiengericht insbesondere den von der Tochter geäußerten Willen und die derzeitigen Verhältnisse berücksichtigt. Sie befindet sich bereits seit Sommer des vergangenen Jahres in dem neuen Lebensumfeld ihrer Mutter. Das hat auch zu einem Wechsel der Schule geführt. Eine erneute Änderung des derzeitigen Aufenthalts würde nach Einschätzung des Senats zu einer weiteren Verunsicherung der Tochter führen, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Fall eines jetzigen Wechsels nach der in der Hauptsache zu treffenden Entscheidung ein nochmaliger Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts und damit des Umfeldes erfolgen müsste. Allein die Tatsache, dass möglicherweise der Internatsvertrag fortbesteht, vermag eine hieraus resultierende übermäßige Belastung des Kindes durch ständigen Wechsel seines Lebensmittelpunkts nicht zu rechtfertigen. Auch das nunmehr vom Senat angehörte Jugendamt am Wohnsitz der Mutter befürwortet einen Verbleib der Tochter in deren Haushalt. Wie das Halbjahreszeugnis zeigt, ist schließlich ein Leistungsabfall in schulischer Hinsicht nicht zu besorgen.

III.

6

Nachdem bereits das Familiengericht die Beteiligten angehört hat, bedarf es keiner erneuten Erörterung im Beschwerdeverfahren. Hiervon sind insbesondere nach Lage der Dinge keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 51 Abs. 4, 84 FamFG. Den Verfahrenswert für die Beschwerde hat der Senat entsprechend der Festsetzung erster Instanz gemäß §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG bestimmt.

(1) In den Fällen des § 54 kann das Gericht, im Fall des § 57 das Rechtsmittelgericht, die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung aussetzen oder beschränken. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(2) Wenn ein hierauf gerichteter Antrag gestellt wird, ist über diesen vorab zu entscheiden.

(1) Ist eine einstweilige Anordnung erlassen, hat das Gericht auf Antrag eines Beteiligten das Hauptsacheverfahren einzuleiten. Das Gericht kann mit Erlass der einstweiligen Anordnung eine Frist bestimmen, vor deren Ablauf der Antrag unzulässig ist. Die Frist darf drei Monate nicht überschreiten.

(2) In Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden, hat das Gericht auf Antrag anzuordnen, dass der Beteiligte, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Antrag auf Einleitung des Hauptsacheverfahrens oder Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren stellt. Die Frist darf drei Monate nicht überschreiten. Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, ist die einstweilige Anordnung aufzuheben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist,

1.
sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen sowie
2.
Personen, die gemäß § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.
Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten.

(2) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.

(3) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein.

(4) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass

1.
deren Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen,
2.
bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird sowie
3.
die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
In den Vereinbarungen sind die Kriterien für die Qualifikation der beratend hinzuzuziehenden insoweit erfahrenen Fachkraft zu regeln, die insbesondere auch den spezifischen Schutzbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Rechnung tragen. Daneben ist in die Vereinbarungen insbesondere die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte der Träger bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.

(5) In Vereinbarungen mit Kindertagespflegepersonen, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass diese bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes eine Gefährdungseinschätzung vornehmen und dabei eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzuziehen. Die Erziehungsberechtigten sowie das Kind sind in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird. Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6) Werden einem örtlichen Träger gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sind dem für die Gewährung von Leistungen zuständigen örtlichen Träger die Daten mitzuteilen, deren Kenntnis zur Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a erforderlich ist. Die Mitteilung soll im Rahmen eines Gespräches zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger erfolgen, an dem die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche beteiligt werden sollen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

(1) Soweit Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden können, kann die Einleitung eines Verfahrens angeregt werden.

(2) Folgt das Gericht der Anregung nach Absatz 1 nicht, hat es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber zu unterrichten, soweit ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung ersichtlich ist.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 17. September 2013 - 84 F 34/13 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Februar 2014 - II-6 UF 177/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass ihm - wie auch der Mutter - die elterliche Sorge für eine im Februar 2013 geborene Tochter entzogen und auf das Jugendamt übertragen wurde.

2

1. Der Beschwerdeführer stammt aus G. und lebt seit Anfang 2012 zunächst als Asylbewerber, inzwischen geduldet in Deutschland. Die Mutter leidet unter gravierenden psychischen Erkrankungen, keines ihrer vier älteren Kinder lebt bei ihr. Sie wurde in den Monaten vor der Entbindung in einem Mutter-Kind-Heim betreut. Der Beschwerdeführer und die Mutter haben sich noch während der Schwangerschaft getrennt, der Beschwerdeführer hat eine neue Lebensgefährtin.

3

Im Oktober 2012 haben der Beschwerdeführer und die Mutter vorgeburtlich eine Vaterschaftsanerkennung und gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben.

4

a) Unter Verweis auf die psychische Situation der Mutter und die nicht transparente Wohn- und Lebenssituation des Beschwerdeführers regte das Jugendamt unmittelbar vor dem voraussichtlichen Geburtstermin an, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Das Amtsgericht entzog daraufhin beiden Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen und bestellte das Jugendamt zum Ergänzungspfleger.

5

Mitte Februar 2013 wurde die Tochter des Beschwerdeführers geboren. Sie wurde nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in einer Pflegefamilie untergebracht, wo sie seitdem lebt. Anfang Mai 2013 traf das Amtsgericht eine Umgangsregelung, nach der begleitete Kontakte stattfanden.

6

b) Im hier verfahrensgegenständlichen Hauptsacheverfahren beantragte der Beschwerdeführer, ihm das alleinige Sorgerecht zu übertragen.

7

aa) Das Amtsgericht gab ein Sachverständigengutachten dazu in Auftrag, ob die Eltern in der Lage seien, das körperliche, geistige und seelische Kindeswohl sicherzustellen und somit erziehungsfähig seien. Die Sachverständige hielt die Mutter für krankheitsbedingt erziehungsunfähig und den Beschwerdeführer nur teilweise für erziehungsfähig; sie empfahl, das Kind weiterhin in einer Pflegefamilie unterzubringen.

8

Nach mündlicher Verhandlung entzog das Amtsgericht mit Beschluss vom 17. September 2013 beiden Eltern die gesamte elterliche Sorge und bestellte das Jugendamt zum Vormund. Das Kindeswohl sei gefährdet. Die Mutter sei krankheitsbedingt erziehungsunfähig. Der Beschwerdeführer sei derzeit nur eingeschränkt erziehungsfähig. Dies habe die Sachverständige, welche dem Gericht auch aus anderen Verfahren als kompetente und erfahrene Gutachterin bekannt sei, in ihrem schlüssigen, nachvollziehbaren und uneingeschränkt verwertbaren Gutachten festgestellt, dem das Gericht sich vollumfänglich anschließe.

9

Der Beschwerdeführer könne derzeit das körperliche, geistige und seelische Wohl der Tochter nicht sicherstellen. Es fehle ihm (noch) an Kernkompetenzen bei der Kindeserziehung. Ihm habe nach den Ausführungen der Sachverständigen in den von ihr beobachteten Umgangskontakten oft die Fähigkeit gefehlt, auf die konkreten Bedürfnisse des Kindes einzugehen. So habe er mehrmals versucht, das Kind mittels Schütteln auf dem Arm zu beruhigen, was alle Beteiligten als dem Alter der Tochter unangemessen beschrieben hätten.

10

Bei dem Beschwerdeführer liege weiter eine erhebliche Bindungsintoleranz in Bezug auf die Mutter vor, denn er habe ausdrücklich bekundet, sich nur seine derzeitige Lebensgefährtin als Mutter der Tochter vorzustellen, die Kindesmutter tauche in der Lebensplanung nicht mehr auf.

11

Zudem sei sein aufenthaltsrechtlicher Status nach wie vor nicht endgültig geklärt. Zwar löse dies allein keine Kindeswohlgefahr aus. Die damit verbundene ungewisse wirtschaftliche und räumliche Situation wiege aber schwer und stelle nach den nachvollziehbaren Bekundungen der Sachverständigen auch eine Kindeswohlgefährdung dar, weil es bei dem Kind in erster Linie auf feste Strukturen im Alltagsleben ankomme.

12

Die Einstellung des Beschwerdeführers zum deutschen Rechts- und Wertesystem sei derart problematisch, dass er derzeit sicher kein Vorbild für das Kind darstellen könne. So scheine er nicht einmal einzusehen, dass sein Aufenthalt in Deutschland bis vor kurzem noch illegal war. Er ziehe afrikanische Erziehungsmethoden den europäischen Standards vor und distanziere sich nicht von der selbst erlebten, teilweise gewalttätigen Erziehung.

13

Andere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Das Kind entwickle sich in der Pflegefamilie gut.

14

bb) Der Beschwerdeführer legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Das Oberlandesgericht holte Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin ein. Von einer mündlichen Verhandlung sah es ab.

15

Mit Beschluss vom 6. Februar 2014 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde zurück. Zur Begründung verwies es auf die in der Sache und in den Gründen zutreffende amtsgerichtliche Entscheidung. Das Kindeswohl sei gefährdet, wenn das Kind in der Obhut des Beschwerdeführers lebe. Seine Erziehungsfähigkeit sei nach den überzeugenden und verwertbaren Ausführungen der Sachverständigen so eingeschränkt, dass eine Fremdunterbringung erforderlich sei und mildere Maßnahmen nicht in Betracht kämen. Dem Beschwerdeführer mangele es nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen an den Fähigkeiten und Fertigkeiten, um die körperliche Versorgung des Kindes sicherzustellen. So habe er mehrmals versucht, seine Tochter durch Schütteln zu beruhigen. Es mangele auch an einer ausreichenden Zuwendung und Stabilität emotionaler Beziehungen. In der Interaktion habe sich nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen gezeigt, dass der Beschwerdeführer die Schwierigkeiten und physischen Defizite des Kindes und auch ihre Entwicklungsfortschritte nicht erkenne und nicht adäquat reagiere. Es fehle die Fähigkeit, feine Signale des Kindes zu erkennen und dessen emotionale Bedürfnisse angemessen wahrzunehmen. Seine Bindungstoleranz sei eingeschränkt, denn nach den Feststellungen des Amtsgerichts tauche die Mutter in der Lebensplanung nicht mehr auf. Vielmehr stelle sich der Beschwerdeführer vor, dass seine jetzige Lebensgefährtin die Mutterrolle übernehme.

16

Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers wurde im April 2014 zurückgewiesen.

17

Ende April 2014 wurde das Bereitschaftspflegeverhältnis für die Tochter in eine Dauerpflege in derselben Familie umgewandelt.

18

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 sowie von Art. 103 Abs. 1 GG. Sein Elterngrundrecht sei verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Entziehung des Sorgerechts nach Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG nicht vorlägen. Im ganzen Verfahren sei nicht festgestellt worden, welche konkreten Bedürfnisse des Kindes der Beschwerdeführer nicht erfüllen könne. Seine Erziehungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, auch ein schwerwiegendes Fehlverhalten sei nicht festgestellt worden. Es treffe nicht zu, dass wegen seines Aufenthaltsstatus keine ausreichende Kontinuität sichergestellt sei, denn er hätte als sorgeberechtigter Vater Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Möglichkeiten staatlicher Erziehungshilfe seien gar nicht in Erwägung gezogen worden, obwohl das Gutachten auf diese Möglichkeit hinweise.

19

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens (Hauptsache) lagen dem Bundesverfassungsgericht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Nordrhein-Westfalen, der Verfahrensbeiständin aus dem Ausgangsverfahren, dem Jugendamt als Vormund und der Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Land hat von einer Äußerung abgesehen, Mutter und Verfahrensbeiständin haben sich nicht geäußert. Das Jugendamt sprach sich dafür aus, das Kind in der Pflegefamilie zu belassen. Es äußerte Zweifel an der Erziehungseignung des Beschwerdeführers. Außerdem stelle ein Beziehungsabbruch mit den Pflegeeltern eine deutliche Kindeswohlgefährdung dar. Einen Wechsel zum Beschwerdeführer solle erst geprüft werden, wenn die Tochter die nötige Reife erlangt habe, tragfähige Entscheidungen zu treffen, und sie dann beim Beschwerdeführer leben wolle.

II.

20

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts des Beschwerdeführers angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

21

1. Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffenen Entscheidungen in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

22

a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar. Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt diesen Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen.

23

Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt es nur dann, ein Kind von seinen Eltern gegen deren Willen zu trennen, wenn die Eltern versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat, auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfGK 16, 517 <528>; 19, 295 <301>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 30; vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, S. 344 <345>).

24

Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung, die sich wegen des besonderen Eingriffsgewichts auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken kann (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Juni 2014 - 1 BvR 2926/13 -, juris, Rn. 28).

25

b) Die angegriffenen Entscheidungen des Amts- wie des Oberlandesgerichts genügen diesen strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs nicht. Die Annahme, es bestehe eine die Trennung der Tochter vom Beschwerdeführer legitimierende Kindeswohlgefahr, erweist sich als verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Begründung einer Kindeswohlgefährdung durch den Beschwerdeführer sind gemessen an der enormen Tragweite der Entscheidung für Kind und Vater - auch im Vergleich zu sonstigen, regelmäßig besonders ausführlichen, familiengerichtlichen Entscheidungen zu ähnlichen Sachverhalten - knapp gehalten. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts sind mit 16 Zeilen sehr dürftig ausgefallen. Beide Gerichte stützen sich maßgeblich auf die Feststellungen im Sachverständigengutachten. Dessen Verwertbarkeit unterliegt hier jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Das schlägt auf die angegriffenen Entscheidungen durch, weil die von der Gutachterin getroffenen Feststellungen im Wesentlichen übernommen und allenfalls ansatzweise eigenständig tatsächlich eingeordnet und rechtlicher Würdigung unterzogen werden (aa). Die angegriffenen Entscheidungen verfehlen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenfeststellung auch deshalb, weil sie zwar auf mögliche Defizite bei der Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers eingehen, ohne dass sich daraus aber ergibt, von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie eine Fremdunterbringung legitimieren (bb). Dass eine die Fremdunterbringung verfassungsrechtlich rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls in der Sache vorläge, ist auch nicht indirekt durch die in den Entscheidungen und im Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen belegt (cc).

26

aa) Beide Entscheidungen stützen die Annahme einer Kindeswohlgefahr maßgeblich auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Sachverständigen. An deren Verwertbarkeit bestehen jedoch Zweifel, weil dem Gutachten Fragestellungen zugrunde gelegt sind, mittels derer die von Verfassungs wegen zu ermittelnden tatsächlichen Umstände nicht ohne Weiteres geklärt werden können (1) und weil die Sachverständige dem Beschwerdeführer möglicherweise nicht mit der gebotenen Neutralität begegnet ist (2). Zweifel dieser Art führen zwar nicht zwangsläufig dazu, dass die Ausführungen von Sachverständigen vollständig unverwertbar wären. Die Gerichte müssen dem jedoch Rechnung tragen. Das ist hier nicht geschehen (3).

27

(1) Im Sachverständigengutachten wird die verfassungsrechtlich gebotene Frage nach einer nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls weder explizit noch in der Sache gestellt. Zwar gehört es zur Aufgabe von Sachverständigen, aus der juristischen Fragestellung wissenschaftlich beantwortbare Fragen des eigenen Fachgebiets abzuleiten. Die aus der Beweisfrage des Gerichts abgeleiteten Fragestellungen der Sachverständigen sind aber für sich genommen nicht geeignet, das rechtliche Merkmal der Kindeswohlgefahr umfassend aufzuklären. Das hätten die Gerichte bei der Verwertung der Feststellungen des Sachverständigengutachtens berücksichtigen und die Feststellungen eigenständig auf ihre rechtliche Relevanz hin auswerten müssen. Dies ist nicht in der gebotenen Weise geschehen.

28

Im Sachverständigengutachten wurde aus der gerichtlichen Beweisfrage die psychologische Fragestellung abgeleitet, ob die Eltern ihre Erziehungsfähigkeit anhand der acht Herausforderungen des Lebens unter Beweis stellen können, zu denen neben der Kindererziehung die Bereiche Arbeit, Leistung und Beruf, kulturelles Leben und staatliche Rechts- und Werteordnung, Freizeitgestaltung, Verhältnis zu den Mitmenschen, Dauerpartnerschaft und Liebe, Umgang mit Konflikten und Einteilung von Ressourcen zählten. Die Erziehungseignung wurde unter anderem davon abhängig gemacht, ob die Eltern dem Kind vermittelten und vorlebten, dass es "sinnvoll und erstrebenswert ist, zunächst Leistung und Arbeit in einer Zeiteinheit zu verbringen, sich dabei mit anderen messen zu können und durch die Erbringung einer persönlichen Bestleistung ein Verhältnis zu sich selbst und damit ein Selbstwertgefühl aufbauen zu können, [und es] selbst wenn die Kindeseltern arbeitslos sind, sinnvoll ist, sich eigeninitiativ um Arbeit zu bemühen, an Trainingsmaßnahmen teilzunehmen, Termine beim Sozialamt wahrzunehmen", ob die Eltern der "geistigen Entwicklung ihres Kindes größtmögliche Unterstützung und Hilfe zukommen lassen, damit die Kinder hier nach ihrem geistigen Vermögen auf eine persönliche Bestleistung hin gefördert werden und diese erbringen können" und dass die Eltern den Kindern ein "adäquates Verhältnis zu Dauerpartnerschaft und Liebe vorleben".

29

Mit diesen Fragestellungen wird die Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers an einem Leitbild gemessen, das die von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG geschützte primäre Erziehungszuständigkeit der Eltern in mehrerlei Hinsicht verfehlt. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. BVerfGE 60, 79 <88>). Die primäre Erziehungszuständigkeit beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von seinen Eltern wahrgenommen werden (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>) und die spezifisch elterliche Zuwendung dem Wohl der Kinder grundsätzlich am besten dient (vgl. BVerfGE 133, 59 <73 f., Rn. 42 f.>). Daher müssen die Eltern ihre Erziehungsfähigkeit nicht positiv "unter Beweis stellen"; vielmehr setzt eine Trennung von Eltern und Kind umgekehrt voraus, dass ein das Kind gravierend schädigendes Erziehungsversagen mit hinreichender Gewissheit feststeht. Außerdem folgt aus der primären Erziehungszuständigkeit der Eltern in der Sache, dass der Staat seine eigenen Vorstellungen von einer gelungenen Kindererziehung grundsätzlich nicht an die Stelle der elterlichen Vorstellungen setzen darf (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>; BVerfGK 13, 119 <124>; 16, 517 <529>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 30 f.). Daher kann es keine Kindeswohlgefährdung begründen, wenn die Haltung oder Lebensführung der Eltern von einem bestimmten, von Dritten für sinnvoll gehaltenen Lebensmodell abweicht und nicht die aus Sicht des Staates bestmögliche Entwicklung des Kindes unterstützt. Dem tragen die im Sachverständigengutachten aufgeworfenen Fragen nicht hinreichend Rechnung.

30

(2) Das Gutachten bietet auch deshalb keine verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung, weil sich Hinweise darauf finden, dass die Sachverständige dem Beschwerdeführer nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit begegnet ist. Angesichts der ins Auge springenden Zweifel hätten die Gerichte darlegen müssen, inwiefern sie das Gutachten gleichwohl für verwertbar halten.

31

(a) Darauf, dass sich die Sachverständige von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, deuten zahlreiche Feststellungen zu Lasten des Beschwerdeführers hin, die in keinem erkennbaren Zusammenhang zur von der Gutachterin konkret aufgeworfenen Frage stehen. So finden sich etwa zu dem ersten im Sachverständigengutachten betrachteten "Herausforderungsfeld", das mit "Verhältnis zur Arbeit, Leistung und Beruf" bezeichnet ist und in dem ermittelt werden soll, ob das Kind "durch die Erziehung des Beschwerdeführers ein Verhältnis zur Arbeit, Leistung und zum Beruf entwickeln kann", Beobachtungen zu verschiedensten angeblichen Mängeln des Beschwerdeführers, deren Relevanz für die zuvor formulierte Frage sich großenteils kaum oder gar nicht erschließt und die die abschließende Feststellung, "der Kindesvater erfüll[e] somit das Herausforderungsfeld nicht", nicht tragen. Es heißt dort (Hervorhebungen gemäß Original):

"6.1.3.1 Verhältnis zur Arbeit, Leistung und Beruf

Zum Kindesvater:

Der Kindesvater [Beschwerdeführer] gibt an, neben einer gymnasiumähnlichen Ausbildung mit Abschluss eine Schweißerlehre absolviert zu haben. Ebenfalls habe er in Afrika eine Selbständigkeit mit der damaligen Lebenspartnerin und Mutter seines [in Afrika lebenden] Sohnes durchgeführt, die jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Situation in einen Konkurs gemündet sei. Aufgrund dessen sei er nach Europa, hier nach Italien, gereist, um dort zu arbeiten.

Da sein Aufenthaltsstatus hier in Deutschland ungeklärt ist, ist davon auszugehen, dass der Kindesvater auch in Italien keinen anerkannten Aufenthaltsstatus vorwies. [Der Beschwerdeführer] gibt an, dass ihm Arbeit und Beruf wichtig seien. Jedoch könne er aufgrund seines Aufenthaltsstatus zum aktuellen Zeitpunkt hier nicht arbeiten.

Lt. seiner eigenen Aussage nimmt er regelmäßig Mahlzeiten zu sich.

Da sich der Kindesvater trotz offizieller Angabe nicht in dem Übergangswohnheim, sondern bei seiner neuen Partnerin befindet, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie sich in wirtschaftlich geringen Verhältnissen bewegt und er jedoch einen Teil seines Geldes dazu verwenden kann, um seinen Sohn in G. unterstützen zu können.

Trotzdem der Kindesvater schon seit einiger Zeit im Land lebt, befindet er sich weiterhin noch in einer Übergangssituation.

Es ist nicht klar feststellbar, ob der Kindesvater überhaupt jemals eine Nacht in dem Übergangswohnheim verbringt.

Da die Umgangskontakte mit [der hier betroffenen Tochter des Beschwerdeführers] bisher unter geschützten Bedingungen in der Caritasbegegnungsstätte stattfinden, ist diese Situation nicht auf eine "normale Situation" übertragbar.

Während der Umgänge im Jugendamt der Stadt P. zeigte sich der Kindesvater bemüht, angemessen mit [der Tochter] umzugehen. Jedoch weist er große Unsicherheiten vor, adäquat mit unruhigeren Verhaltensweisen [der Tochter] umzugehen. Von allen involvierten Instanzen und auch seitens der Unterzeichnerin ist hier festzuhalten, dass der Kindesvater durch sein Verhalten das ängstliche Verhalten des Kindes eher durch starkes Schaukeln und lauteres Ansprechen verstärkt, statt es aufzulösen.

Konkrete Fördermaßnahmen im Hinblick auf den Erwerb von Bildung etc. benennt [der Beschwerdeführer] nicht.

Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass [dem Beschwerdeführer] die Bedeutung von Arbeit und selbst erwirtschaftetem Geld deutlich ist.

Er hat angegeben, nach Regelung seines Aufenthaltsstatus das Herausforderungsfeld zukünftig durch Nachgehen einer geregelten Tätigkeit bestehen zu wollen.

Jedoch hat er nicht mitteilen können, wie er [die Tochter] im Falle einer solchen Tätigkeit versorgen will.

Hier hat der Kindesvater nur undeutlich angedeutet, dass er sich die Betreuung [der Tochter] dann mit seiner jetzigen Lebenspartnerin …, teilen wolle.

In der Interaktion hat sich insgesamt gezeigt, dass [der Beschwerdeführer] nur bedingt in der Lage ist, die Schwierigkeiten und physischen Defizite [der Tochter] und auch ihre Fortschritte in ihrer Entwicklung zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. Er neigt dazu, diese zu verallgemeinern und als "normal" darzustellen. Es fehlt ihm hier an der Fähigkeit, die feinen Signale [der Tochter] erkennen zu können. Ebenfalls nimmt er die emotionalen Bedürfnisse [der Tochter] nicht angemessen wahr.

Im Hinblick auf die Rechts- und Werteordnung unseres Staates ist beim Kindesvater deutlich geworden, dass der Kindesvater aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland eingereist ist, um hier zu arbeiten, jedoch hat er einen Asylantrag gestellt, was an sich schon ein Widerspruch ist.

Der Kindesvater bezieht in Deutschland Geld über das Sozialamt bzw. das Asylgeld, welches noch unter dem Selbstbehalt liegt.

Er vermittelt den Eindruck, dass er "nach jedem Strohhalm" greift, um in Deutschland bleiben zu können.

Mit der Schwangerschaft der [Mutter] und seiner Vaterschaft über [die Tochter] hat sich der Kindesvater jetzt ein Bleiberecht verschafft.

Aus der Historie des Kindesvaters geht weiterhin hervor, dass er in der Kindheit autoritär erzogen worden ist und seine Eltern auch ihm selbst gegenüber physische Gewalt angewendet haben.

Obwohl [der Beschwerdeführer] diesen Umstand insofern kommentiert, als er der Meinung sei, dass die Eltern sich nicht zuletzt aus religiöser Sicht so verhalten hätten, sondern um ihn auf den "rechten Weg" zu führen.

Dass Kinder ein Recht auf Unversehrtheit haben, wie es bereits im Grundgesetz in Deutschland verankert ist, widerspricht zumindest der erlebten, eigenen Erziehung/Prägung und den Bindungsmustern des Kindesvaters.

Die Nachfragen in dem Explorationsgespräch lassen deutlich werden, dass der Kindesvater über kein pädagogisches Werkzeug im Sinne einer partnerschaftlichen oder demokratischen Erziehung verfügt und hier im Zweifelsfall davon ausgegangen werden muss, dass der Kindesvater anhand der, ihm selbst "am eigenen Leibe" vermittelten Erziehung seine Normen und Werte weitervermitteln wird.

Das Verhalten [des Beschwerdeführers], die hiesigen Gesetze, z.B. das Asylantengesetz zu unterlaufen, lassen deutlich werden, dass er kein Vorbild im rechtsstaatlichen Sinne für [die Tochter] darstellt.

Den Asylantrag hat [der Beschwerdeführer] erst nach der Geburt [der Tochter] zurückgezogen, wobei sein Aufenthaltsstatus zu aktuellen Zeitpunkt weiterhin noch geduldet ist.

Weiterhin bleibt fraglich, welche Motivation hinter der Partnerschaft mit [seiner jetzigen Lebensgefährtin] steht, da diese über einen deutschen Pass verfügt und somit den Aufenthalt des Kindesvaters im Falle einer Heirat legalisieren würde.

Der Kindesvater erfüllt somit das Herausforderungsfeld nicht."

32

(b) Auf das Fehlen der gebotenen Neutralität weist insbesondere hin, dass die Sachverständige Äußerungen und Verhaltensweisen des Beschwerdeführers ebenso wie seine von der Gutachterin wiederholt in den Vordergrund gerückte Herkunft aus einem afrikanischen Land in sachlich nicht nachvollziehbarem Maße negativ bewertet.

33

So geht die Sachverständige (gestützt auf ihre Annahme, der Beschwerdeführer sei illegal eingereist und seine oberste Priorität bestehe nun darin, in Deutschland bleiben zu dürfen) von einer umfassenden Instrumentalisierung aller nahen zwischenmenschlichen Beziehungen aus - sowohl zur Kindesmutter und zur Tochter ("mit der Schwangerschaft [der Mutter] und seiner Vaterschaft über [die Tochter] hat sich der Kindesvater jetzt ein Bleiberecht verschafft"), als auch zur neuen Partnerin (es bleibe fraglich, "welche Funktion seine Freundin […] nun ausfüllt. Die Motivation der Beziehung aus aufenthaltsrechtlichen Gründen ist nicht auszuschließen"; "welche Motivation hinter der Partnerschaft […] steht, da [die neue Partnerin] über einen deutschen Pass verfügt und somit den Aufenthalt des [Beschwerdeführers] im Falle einer Heirat legalisieren würde"). Zudem hält sie vor diesem Hintergrund Äußerungen des Beschwerdeführers tendenziell für unglaubwürdig: Sie habe "den Eindruck, dass [er] jede sich ihm bietende Gelegenheit nutzt, um im Land bleiben zu können. Auf die sich verändernden Rahmenbedingungen pariert [er] mit Veränderungen in den Darstellungen der vermeintlichen Fakten seines Lebens und passt sie den Erfordernissen an!"; er "vermittelt in allen Gesprächen den Eindruck, sozial erwünscht zu antworten" und "konstruiert nachweislich die Fakten bzw. sortiert diese so ein, dass sie auf die jeweilige Fragestellung passen". Nicht näher begründete negative Stereotype finden sich in Bezug auf die Kindererziehung in afrikanischen Ländern, die sie dem Beschwerdeführer ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte (s.u. cc) (4)) zuschreibt. Die Sachverständige bezeichnet eine autoritäre, gewaltsame und von Unterwerfung der Kinder geprägte Erziehung als "afrikanische Erziehungsmethode" und stellt fest, die "afrikanischen Verhaltensweisen" deckten sich nicht mit dem Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung aus § 1618a BGB. Sie hält es für problematisch, dass der Beschwerdeführer "die afrikanischen Erziehungsmethoden deutlich höher wertet als die europäischen" und hält "Nachschulungen" im Hinblick auf "die Einsichtsfähigkeit in die europäischen Erziehungsmethoden" für erforderlich.

34

Daneben thematisiert die Sachverständige etwa die Entscheidung des Beschwerdeführers, der obdachlosen und suchtkranken Mutter während der Schwangerschaft weiter Obdach zu gewähren und nach Unterstützung für sie zu suchen, nur im Hinblick darauf, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Beziehung mit der jetzigen Partnerin begonnen hatte, die über das Zusammenwohnen mit der werdenden Mutter wohl nicht im Bilde war. Die Sachverständige hat die jetzige Partnerin hierzu im Rahmen einer Exploration intensiv befragt und hat diese nach eigenen Schilderungen wohl überhaupt erst über die damalige Wohnsituation des Beschwerdeführers informiert. Obwohl die neue Partnerin der Sachverständigen erklärt hat, die Gewährung von Obdach an die schwangere Mutter spreche eher für den Beschwerdeführer, urteilt die Sachverständige, die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner derzeitigen Lebensgefährtin beruhe "nicht auf einer wahrhaftigen Basis"; "mittels einer Falschaussage in Bezug auf die damalige Wohnsituation [der Mutter] hat sich der Beschwerdeführer das weitere Zusammenleben mit der [neuen Partnerin] manipulativ sichern können". Darauf stützt die Sachverständige zugleich ihre Einschätzung, dass die - von ihr im Grunde positiv bewertete - Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner jetzigen Lebensgefährtin und deren fünfjährigem Sohn derzeit gleichwohl nicht zugunsten des Beschwerdeführers spreche: "Da […] die Reaktionen [der Partnerin] auf die im gutachterlichen Zeitraum ergangenen Informationen, deren Verarbeitung noch abzuwarten sind, kann der bisherige Beziehungsstand somit nicht als Maßstab dienen".

35

(3) Dass das Sachverständigengutachten und die ergänzenden mündlichen Ausführungen für sich genommen keine verlässliche Grundlage für die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung bieten, führt nicht ohne Weiteres zur Verfassungswidrigkeit der Entscheidungen. Gegen die Gerichtsentscheidungen wäre von Verfassungs wegen nichts einzuwenden, wenn sie die Mängel thematisierten, die fachliche Qualifikation der Sachverständigen näher klärten und nachvollziehbar darlegten, inwiefern Aussagen aus dem Gutachten gleichwohl verwertbar sind und zur Entscheidungsfindung beitragen können. Dies ist hier nicht geschehen.

36

Die Entscheidungen hielten selbst bei völliger Unverwertbarkeit der sachverständigen Begutachtung verfassungsgerichtlicher Kontrolle stand, wenn sich das Vorliegen einer die Trennung von Kind und Vater rechtfertigenden Kindeswohlgefährdung aus den Entscheidungsgründen auch ohne Einbeziehung der sachverständigen Aussagen hinreichend nachvollziehbar ergäbe. Auch dies ist hier jedoch nicht der Fall (s. bb), cc)).

37

bb) Die angegriffenen Entscheidungen verfehlen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenfeststellung auch deshalb, weil sie zwar auf mögliche Defizite bei der Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers eingehen, ohne dass sich daraus aber ergibt, von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie eine Fremdunterbringung legitimieren. Für die Fachgerichte ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG das Gebot, die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und sie vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten. Die Fachgerichte werden dem regelmäßig nicht gerecht, wenn sie ihren Blick nur auf die Verhaltensweisen der Eltern lenken, ohne die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für die Kinder darzulegen (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14 -, juris, Rn. 24, 26 f.; vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 23, 26 f.; vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 26 f.; vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 31 f.; BVerfGK 19, 295 <301>).

38

Beide Entscheidungen benennen in ihren sehr knappen Ausführungen lediglich angebliche Defizite in der Lebenssituation, dem Verhalten und den Einstellungen des Beschwerdeführers. Ob und wie sich diese auf das Kind nachteilig ausgewirkt haben oder künftig auswirken könnten, wird nicht erläutert. Indessen wäre im vorliegenden Fall eine besonders sorgfältige Prüfung und Bewertung der Gefahren durch die Fachgerichte geboten gewesen. Denn die Fachgerichte konnten hier nicht auf gesicherte Erkenntnisse aus der Vergangenheit zurückgreifen. Die Tochter hat nie in der Obhut des Beschwerdeführers gelebt, von seinem älteren Sohn lebt er schon lange in sehr großer räumlicher Entfernung und es bestehen keinerlei Hinweise, dass der Sohn seiner Lebensgefährtin in der Obhut des Beschwerdeführers Schaden erlitten hätte. Zudem steigen die Prüfungs- und Darlegungsanforderungen, je weniger deutlich die (mutmaßlichen) Lebens- und Erziehungsbedingungen eines Kindes an die Schwelle heranreichen, ab welcher der Staat im Rahmen seines Wächteramts zu Korrekturen verpflichtet und berechtigt ist. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG erlaubt dem Staat nicht, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen oder seine Vorstellungen von einer geeigneten Kindererziehung an die Stelle der elterlichen Vorstellungen zu setzen. Die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>; BVerfGK 13, 119 <124>; 16, 517 <529>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 30 f.). Zwar bedarf es danach etwa bei einer unzureichenden Grundversorgung der Kinder keiner ausführlichen Darlegung, dass Kinder derartige Lebensbedingungen nicht ertragen müssen. Stützen die Gerichte eine Trennung des Kindes von den Eltern jedoch - wie hier - auf Erziehungsdefizite und ungünstige Entwicklungsbedingungen, müssen sie besonders sorgfältig prüfen und begründen, weshalb die daraus resultierenden Risiken für die geistige und seelische Entwicklung des Kindes die Grenze des Hinnehmbaren überschreiten. Dies ist hier nicht geschehen.

39

cc) Eine die Fremdunterbringung verfassungsrechtlich rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls ist auch nicht indirekt durch die in den Entscheidungen und durch die Sachverständige getroffenen Feststellungen belegt. Das Amtsgericht, dem sich das Oberlandesgericht uneingeschränkt angeschlossen hat, stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf vier Annahmen. Der Beschwerdeführer könne derzeit das körperliche, geistige und seelische Wohl der Tochter nicht sicherstellen; es fehle ihm (noch) an Kernkompetenzen bei der Kindeserziehung (1); es liege eine erhebliche Bindungsintoleranz gegenüber der Kindesmutter vor (2); aus dem ungeklärten Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers ergäben sich hier Kindeswohlgefährdungen (3); die Einstellung des Beschwerdeführers zum deutschen Rechts- und Wertesystem sei so problematisch, dass er derzeit kein Vorbild für das Kind darstellen könne (4). Keine dieser Annahmen bildet eine tragfähige Grundlage für die Feststellung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung.

40

(1) Dies gilt zunächst für die Annahme, der Beschwerdeführer könne derzeit das körperliche, geistige und seelische Wohl der Tochter nicht sicherstellen, es fehle ihm (noch) an Kernkompetenzen bei der Kindererziehung; er sei nicht ausreichend in der Lage, im Kontakt mit der Tochter auf deren Bedürfnisse einzugehen.

41

(a) Insbesondere trägt die Annahme der Fachgerichte nicht, der Beschwerdeführer sei nicht ausreichend in der Lage, im Kontakt mit der Tochter auf deren Bedürfnisse einzugehen.

42

(aa) Ein solches Defizit des Beschwerdeführers lässt sich den Schilderungen seines Verhaltens während der Umgangskontakte nicht mit hinreichender Gewissheit entnehmen. Die Fachgerichte stützen sich insoweit im Anschluss an das Gutachten auf die erfolglosen Versuche des Beschwerdeführers, das Kind während der Umgangskontakte zu beruhigen. Er könne die emotionalen Bedürfnisse des Kindes nicht angemessen wahrnehmen und ihm fehle die Fähigkeit, feine Signale des Kindes zu erkennen. Er verkenne die physischen Defizite und auch die Entwicklungsfortschritte des Kindes und reagiere nicht adäquat darauf.

43

Aus den Umgangskontakten werden jedoch nur Schwierigkeiten beschrieben, die sich ohne Weiteres mit der durch die Fremdunterbringung verursachten Unerfahrenheit des Beschwerdeführers erklären lassen. Dies gilt für die von der Sachverständigen beobachtete - und als Ausdruck mangelnder Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse bewertete - Situation, dass der Beschwerdeführer das Baby gewickelt habe, obwohl die Pflegemutter erkannt hatte, dass das nicht nötig war. Auch belegt es nicht notwendig eine mangelnde Feinfühligkeit, wenn es dem Beschwerdeführer in den von mehreren Menschen (Jugendamt, Umgangsbegleiter, Pflegemutter, Sachverständige) begleiteten Umgangskontakten nicht gelingt, seine Tochter zu beruhigen, die durch die Gestaltung der Umgangskontakte nach fachlicher Einschätzung des Umgangsbegleiters überfordert ist und sich hauptsächlich an der ihr vertrauten Pflegemutter orientiert.

44

Es finden sich auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer körperliche Einschränkungen der Tochter verkennt. Die einzigen gesundheitlichen Probleme, die benannt werden, sind leichte Krampfanfälle, die unmittelbar nach der Geburt aufgetreten waren und durch die Gabe von Kalzium behoben wurden. Außerdem stellte die Kinderärztin "leichte Anspannung im Körper, d.h. einen erhöhten Muskeltonus" des Babys fest, weshalb die Pflegemutter täglich krankengymnastische Übungen durchführt. Nach Auskunft des Jugendamts und den Beobachtungen der Sachverständigen hat sich der Beschwerdeführer für diese krankengymnastische Therapie interessiert.

45

Im Übrigen äußert keine der beteiligten Fachkräfte Zweifel an der Zuneigung und Zuwendung des Beschwerdeführers zum Kind; übereinstimmend wird der Beschwerdeführer als sehr bemüht um die Tochter und ihr sehr zugetan beschrieben. Eine Mitarbeiterin des Jugendamts und der Umgangsbegleiter schilderten gegenüber der Sachverständigen und in der mündlichen Verhandlung außerdem, dass der Beschwerdeführer Ratschläge annehme und sein Umgang mit dem Kind sich verbessert habe.

46

(bb) Dessen ungeachtet führte ein geringes Maß an elterlicher Feinfühligkeit ohnehin nicht ohne Weiteres zu einer nachhaltigen, die Trennung rechtfertigenden Gefährdung des Kindeswohls (vgl. BVerfGK 16, 517 <528 f.>). Hinweise dafür, dass die beschriebenen Verhaltensweisen die Beziehung oder den Kontakt zwischen der Tochter und dem Beschwerdeführer nachhaltig beeinträchtigt haben, finden sich nicht. Die nicht näher begründete Aussage der Sachverständigen, weil der Beschwerdeführer die "feinen Bedürfnisse des Säuglings" nicht erkenne, sei mit Einschränkungen der kindlichen Entwicklung und mit Defiziten im Vater-Kind-Verhältnis zu rechnen, "die vorwiegend in der Selbstwirksamkeitserwartung, der mangelnden Bedürfnisbefriedigung und dem erwartungsgemäßen Resultat des daraus gebildeten defizitären Selbstwerts begründet sind", bleibt weit hinter dem zurück, was hier im verfassungsrechtlichen Sinne eine mit ziemlicher Sicherheit vorhersehbare erhebliche Schädigung des Kindes begründen könnte.

47

(b) Als nicht tragfähig erweist sich auch die Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer gefährde das körperliche Wohl seiner Tochter, weil er sie mehrfach geschüttelt habe. Zwar haben die umgangsbegleitenden Mitarbeiterinnen des Jugendamts, der Umgangsbegleiter und die Sachverständige beobachtet, dass der Beschwerdeführer bei einigen Kontakten im Frühjahr 2013 versucht hat, seine damals noch sehr junge Tochter durch stärkeres Schaukeln und Schuckeln auf dem Arm zu beruhigen. Diese Verhaltensweise wird als wenig feinfühlig und ungeeignet beschrieben. Keine der am Umgang beteiligten Fachkräfte hat aber gesundheitliche Schäden befürchtet. Wollten die Gerichte ihre Annahme einer Kindeswohlgefahr auf ernsthaft gesundheitsgefährdendes Verhalten stützen, müssten sie dies konkret benennen. Vage Andeutungen, die wie hier eine Gefährdungssituation assoziativ in den Raum stellen ("schütteln"), ohne den konkreten Sachverhalt zu beschreiben und auf sein tatsächliches Gefährdungspotenzial hin zu analysieren, genügen demgegenüber nicht.

48

(2) Auch die Ausführungen zur Bindungsintoleranz gegenüber der Mutter tragen die Fremdunterbringung nicht.

49

Die Annahme, beim Beschwerdeführer liege eine erhebliche Bindungsintoleranz vor, er wolle das Kind der Mutter vorenthalten, findet weder in den Entscheidungen noch ansonsten eine hinreichende Grundlage. Der Beschwerdeführer hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht zu den Perspektiven für ein gemeinsames Leben mit der Tochter geäußert und auf die Nachfrage, wer die Mutterrolle einnehmen solle, geantwortet, dies solle seine aktuelle Lebensgefährtin sein. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass der Beschwerdeführer die Mutter aus dem Leben der Tochter ausschließen will. Denn nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die Sachverständige und die Gerichte gehen davon aus, dass die psychisch schwer erkrankte, alkoholabhängige und labile Mutter auch bei diesem, ihrem fünften Kind voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Mutterrolle auszufüllen. Weitere Belege für die unterstellte Bindungsintoleranz finden sich nicht. In der Begutachtung hatte der Beschwerdeführer angegeben, er befürchte, die Mutter könne einen negativen Einfluss haben, er wolle aber trotzdem Umgangskontakte ermöglichen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sich um die mittel- und hilflose Mutter nicht nur während der Schwangerschaft, sondern auch später gekümmert hat.

50

Dessen ungeachtet begründete selbst eine negativ-manipulative Beeinflussung der Kinder gegen den anderen Elternteil, die zum völligen Kontaktabbruch führte, nicht ohne Weiteres eine die Fremdunterbringung rechtfertigende Kindeswohlgefahr. Eine Fremdunterbringung könnte nur dann auf eine fehlende Bindungstoleranz gestützt werden, wenn deshalb besonders gravierende Entwicklungseinbußen eingetreten oder zu erwarten wären, die die nachteiligen Folgen einer Trennung des Kindes von beiden Eltern überwögen (vgl. BVerfGK 19, 295 <303>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2014 - 1 BvR 2108/14 - (noch nicht veröffentlicht); vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 -, FamRZ 2012, S. 99 <102 f.>). Dass die kritische Haltung des Beschwerdeführers gegenüber den erzieherischen Möglichkeiten der Mutter hier solche Folgen haben könnte, ist nicht ersichtlich.

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(3) Auch der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers begründet keine die Trennung rechtfertigende Kindeswohlgefahr. Das Amtsgericht, dem sich das Oberlandesgericht vollumfänglich angeschlossen hat, leitet aus der (mutmaßlich) ungeklärten Aufenthaltssituation eine Gefahr für das Kindeswohl ab. Es sei unklar, ob der Beschwerdeführer im gesamten Bundesgebiet wohnen und ob er arbeiten dürfe, was zu einer ungewissen Situation führe, derentwegen der Beschwerdeführer seiner Tochter keine festen Strukturen im Alltagsleben gewährleisten könne. Der Aufenthaltsstatus ist jedoch für sich genommen ohne Bedeutung für die Frage der Erziehungsfähigkeit (vgl. BVerfGK 14, 347 <353 f.>). Es erschließt sich auch nicht, weshalb die durch eine asylrechtlich begründete Residenzpflicht entstehende Sesshaftigkeit oder die durch ein aufenthaltsrechtlich bedingtes Arbeitshindernis entstehende ganztägige Verfügbarkeit Eltern daran hindern sollten, feste Strukturen im Alltagsleben mit Kleinkindern zu schaffen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bei Wiedererlangung des Sorgerechts für seine deutsche Tochter grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat. Die genannten Einschränkungen würden also bei einer für den Beschwerdeführer positiven Entscheidung der Familiengerichte voraussichtlich entfallen.

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(4) Schlechterdings nicht nachvollziehbar ist, inwiefern das Amtsgericht eine die Trennung von Kind und Eltern legitimierende Gefahr für das Wohl des zum damaligen Zeitpunkt sieben Monate alten Babys darin sehen konnte, dass der Beschwerdeführer seinem Kind hinsichtlich der "Einstellung zum deutschen Rechte- und Wertesystem" nach den Feststellungen der Sachverständigen "sicher kein Vorbild" sein könne.

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Dass die Einstellung des Beschwerdeführers zum deutschen Rechts- und Wertesystem "derart problematisch" sei, stützt das Amtsgericht zum einen darauf, dass der Beschwerdeführer "nicht einmal einzusehen [scheine], dass sein Aufenthalt in Deutschland bis vor kurzem noch illegal war". Die in Bezug genommene Feststellung im Sachverständigengutachten lautet: "Das Verhalten [des Beschwerdeführers], die hiesigen Gesetze, zum Beispiel das Asylantengesetz zu unterlaufen, lassen deutlich werden, dass er kein Vorbild im rechtsstaatlichen Sinne für [die Tochter] darstellt." Abgesehen davon, dass der Sachverständigen insoweit augenscheinlich das erforderliche juristische Fachwissen fehlt und die Gerichte die näheren Umstände der Einreise und ihre aufenthaltsrechtliche Bewertung gar nicht geklärt haben, ist nicht erkennbar, welche Bedeutung die Umstände der Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet und seine Äußerungen zu diesem Thema im familiengerichtlichen Verfahren für die Frage der Erziehungseignung haben sollten.

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Zum anderen bemängelt das Amtsgericht, der Beschwerdeführer ziehe afrikanische Erziehungsmethoden den europäischen Standards vor und distanziere sich nicht von der selbst erlebten, teilweise gewalttätigen Erziehung. Es lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, auf welche Verhaltensweisen oder Äußerungen die Sachverständige ihre - der Einschätzung des Amtsgerichts zugrunde liegende - Aussage stützt, dass der Beschwerdeführer eine autoritäre und gewaltsame Erziehung befürworte. Den im Sachverständigengutachten dokumentierten Aussagen des Beschwerdeführers lässt sich nicht entnehmen, dass er Gewalt als Mittel der Erziehung befürwortet. Befragt zu seiner eigenen Erziehung hatte der Beschwerdeführer angegeben, er sei "autoritär" erzogen worden, seine Eltern hätten "auch Gewalt eingesetzt", die er aber nie als willkürlich empfunden habe. Sein älterer Sohn werde nun in G. von seinen eigenen Eltern großgezogen, dafür sei er ihnen dankbar. Die Sachverständige klärte die genauen Erziehungsmethoden der Eltern des Beschwerdeführers und seine Haltung dazu nicht weiter auf. Auf Nachfrage, wie er denn später seine Tochter erziehen wolle, erklärte der Beschwerdeführer, ihm sei daran gelegen, ihr ebenfalls "Respekt und Achtung" zu vermitteln. Im Gegensatz zu der deutschen Gesellschaft seien ihm diese Werte sehr wichtig. Auf erneute Nachfrage der Sachverständigen, wie er reagieren werde, wenn seine Tochter sich seinen Forderungen nach entsprechenden Verhaltensweisen widersetzen sollte, erklärte er, dass er dann warten wolle, bis sie die Konsequenzen aus ihrem negativen Verhalten ziehen würde und dann zu ihm zurückkehre, in dem Sinne, dass sie dann dem Vater sagen könne, dass er ja recht gehabt habe. Von der Sachverständigen um ein Beispiel gebeten, teilte er mit, dass er so vorgehen wolle, wenn die Tochter zum Beispiel rauchen würde. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Sachverständige auf dieser Grundlage zu dem Schluss kommt, der Beschwerdeführer habe "Traumatisierungen durch Gewalt in der Kindheit benannt, die er nicht als solche verstanden habe", aus seiner Sicht seien Respekt und Achtung vor den Eltern "nur mittels Einsatzes von Gewalt bzw. Korrektiven zu erreichen"; er sei "auf das Erziehungsmodell seiner Eltern konditioniert"; das kindliche Recht auf körperliche Unversehrtheit "widerspreche zumindest der erlebten, eigenen Erziehung/Prägung und den Bindungsmustern" des Beschwerdeführers; "physische Übergriffe und Gewaltanwendungen [seien] für ihn moralisch vertretbar und [deckten] sich mit den religiösen Sichtweisen". Der von der Sachverständigen hergestellte religiöse Zusammenhang dürfte insbesondere darin bestehen, dass der Beschwerdeführer, zu seinem Freizeitverhalten befragt, angegeben hat, vor allem in der Bibel zu lesen.

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c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den Verstößen gegen das Elterngrundrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fachgerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und ausreichender Ermittlung des Sachverhalts eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers getroffen hätten.

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2. Ob die Entscheidungen gegen weitere Grundrechte des Beschwerdeführers verstoßen, bedarf keiner Entscheidung.

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3. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

(1) Die Vollstreckung erfolgt durch das Gericht, in dessen Bezirk die Person zum Zeitpunkt der Einleitung der Vollstreckung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(2) Das Jugendamt leistet dem Gericht in geeigneten Fällen Unterstützung.

(3) Die Verfahren sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Die §§ 155b und 155c gelten entsprechend.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.