Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 14. Juni 2016 - 24 L 866/16

ECLI:ECLI:DE:VGK:2016:0614.24L866.16.00
14.06.2016

Tenor

1.

Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

2.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.420,64 Euro festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 56 57 58 59 60 61 62

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Insolvenzordnung - InsO | § 130 Kongruente Deckung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, 1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, we

Abgabenordnung - AO 1977 | § 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregel

Handelsgesetzbuch - HGB | § 161


(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläu

Handelsgesetzbuch - HGB | § 128


Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 191 Haftungsbescheide, Duldungsbescheide


(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter


(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass

Abgabenordnung - AO 1977 | § 3 Steuern, steuerliche Nebenleistungen


(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Ge

Abgabenordnung - AO 1977 | § 69 Haftung der Vertreter


Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt

Abgabenordnung - AO 1977 | § 1 Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vo

Abgabenordnung - AO 1977 | § 228 Gegenstand der Verjährung, Verjährungsfrist


Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, in Fällen der §§ 370, 373 oder 374 zehn Jahre.

Insolvenzordnung - InsO | § 18 Drohende Zahlungsunfähigkeit


(1) Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund. (2) Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehend

Abgabenordnung - AO 1977 | § 219 Zahlungsaufforderung bei Haftungsbescheiden


Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussi

Abgabenordnung - AO 1977 | § 337 Kosten der Vollstreckung


(1) Im Vollstreckungsverfahren werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Schuldner dieser Kosten ist der Vollstreckungsschuldner. (2) Für das Mahnverfahren werden keine Kosten erhoben.

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG | § 20 Außerkrafttreten früherer Bestimmungen


Soweit die Vollstreckung in Bundesgesetzen abweichend von diesem Gesetz geregelt ist, sind für Bundesbehörden und bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden; § 1 Abs. 3 bleibt unberührt

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 25. April 2013 wird teilweise geändert:

Die aufschiebende Wirkung der Klage VG Münster 9 K 2772/12 gegen den Haftungsbescheid und die Zahlungsaufforderung der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2013 wird angeordnet, soweit der Haftungsbescheid bzw. die Zahlungsaufforderung den Betrag von 178.091,94 € übersteigen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Antragstellerin zu 9/10 und die Antragsgegnerin zu 1/10.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 49.238,62 € festgesetzt.


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(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Tenor

Die gegen die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 2. ergangenen Haftungsbescheide vom 5. Oktober 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 15. März 2013 werden dahingehend geändert, dass die Haftungsbeträge nach Maßgabe der Urteilsgründe herabgesetzt werden; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 80 % und die Kläger (zu 1. und 2.) zu 20 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10 zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger als Geschäftsführer für nicht abgeführte Lohnsteuern haftet.

2

Der Kläger war im Streitzeitraum (Januar bis März und September und Oktober 2010) Geschäftsführer der H Verwaltungs-GmbH in H (künftig: GmbH). Weiterer Geschäftsführer der GmbH war neben dem Kläger bis zum 06.09.2010 Herr H. Die GmbH ist persönlich haftende Gesellschafterin der B GmbH & Co.KG in H (künftig: KG). Gegenstand des Unternehmens ist die industrielle Serienfertigung von Objektmöbeln (Schulmöbeln etc.).

3

Mit dem Eintritt in die Gesellschaft im Jahr 2009 wurde dem Kläger zugesichert, dass bestehende Lohnsteuerschulden mit persönlichen Einkommensteuererstattungen des damaligen Mitgesellschafters und Mitgeschäftsführers H ausgeglichen werden.

4

Am 16.04.2010 beantragte der Geschäftsführer H beim zuständigen Veranlagungsbezirk der KG die Verrechnung der fälligen Lohnsteuer für Januar und Februar 2010 mit seiner persönlichen Einkommensteuererstattung. Über diesen Antrag wurde am 18.06.2010 entschieden. Die Lohnsteuer für Januar und Februar 2010 wurde längstens bis zum 30.09.2010 gestundet.

5

Am 24.11.2010 stellte der Kläger für die KG einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 29.11.2010 - Az. ... IN .../10 - die vorläufige Insolvenzverwaltung an. Im Januar 2011 wurde von Seiten des Insolvenzverwalters Masseunzulänglichkeit angezeigt (vgl. Gutachten des Insolvenzverwalters vom 12.01.2011, Bl.130 der Prozessakte).

6

Nachdem für den streitigen Zeitraum Januar bis März 2010 und September und Oktober 2010 angemeldete Lohnsteuerabzugsbeträge (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchenlohnsteuer) nicht abgeführt wurden und Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen der KG erfolglos geblieben waren, nahm der Beklagte den Kläger nach Anhörung mit einem auf § 69 in Verbindung mit § 34 der Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheid vom 31.03.2011 in Anspruch. Im Einzelnen handelt es sich um die hälftigen Lohnsteuerabzugsbeträge aus Lohnsteueranmeldungen Januar bis März 2010 und die Lohnsteuerabzugsbeträge im Zeitraum September und Oktober 2010 der KG in Höhe von insgesamt 11.308,89 € sowie Säumniszuschläge von insgesamt 1.318,-€, wobei sich die Lohnsteuerabzugsbeträge wie folgt zusammen setzen:

7

Zeitraum

Fälligkeit

Lohnsteuer

SolZ zur LSt

ev. KiSt

r.k. KiSt

Mrz 10

04.05.2010

 €

        

 €

        

Jan 10

30.09.2010

 €

 €

 €

 €

Feb 10

30.09.2010

 €

 €

 €

 €

Sep 10

03.11.2010

 €

 €

        

 €

Okt 10

10.11.2010

 €

 €

 €

 €

Summe:

        

10.168,94 €

467,36 €

271,34 €

401,25 €

                                                     

Gesamtsumme:

        

11.308,89 €

                          

8

Für die hälftigen Lohnsteuerabzugsbeträge und steuerlichen Nebenleistungen im Haftungszeitraum Januar bis März 2010 wurde auch der weitere Geschäftsführer H zur Haftung herangezogen.

9

Das Finanzamt begründete den Haftungsbescheid im Wesentlichen wie folgt: Die KG habe als Arbeitgeber ihre Pflicht verletzt, die angemeldeten Lohnsteuern zu entrichten. Auch sei sie ihrer Erklärungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Die Lohnsteueranmeldungen für Januar bis März 2010 seien verspätet eingereicht worden. Bei Überschuldung und/oder Zahlungsunfähigkeit gelte die Aufteilung der Geschäftsleitungsbefugnisse unter mehreren Geschäftsführern nicht. Die Lohnzahlung hätte bei unzureichenden vorhandenen Mitteln entsprechend gekürzt werden müssen. Es sei ermessensgerecht, neben dem Geschäftsführer H auch den Kläger in Anspruch zu nehmen.

10

Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein, den er im Wesentlichen wie folgt begründete: Die im Haftungsbescheid genannten Fälligkeitstermine fielen alle bis auf die Lohnsteuer März 2010 in den Zeitraum von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags. Geleistete Zahlungen wären daher nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 130, 131 der Insolvenzordnung (InsO) anfechtbar gewesen. Ein Geschäftsführer, der es unterlasse, im Vorfeld eines Insolvenzantrags Zahlungen auszuführen, die der späteren Insolvenzmasse zurück zu gewähren wären (§ 143 InsO), handle nicht grob fahrlässig.

11

Es treffe zwar zu, dass der Kläger als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten Sorge zu tragen habe. Der Kläger sei jedoch Opfer krimineller Machenschaften aus dem Kreis der faktisch als Geschäftsführer handelnden Kommanditisten geworden. Diese kriminellen Machenschaften der Kommanditisten, die auch Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren seien, hätten dazu geführt, dass die Gesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen auch gegenüber dem Fiskus nicht mehr habe nachkommen können. Hierauf sei der Kläger erst kurz vor Stellung des Insolvenzantrags aufmerksam geworden, was den Kläger zu einer Überprüfung und in der Folge zur Stellung des Insolvenzantrags und Strafantrags gegen die verantwortlichen Personen veranlasst habe. Dieses Handeln des Klägers müsse im Rahmen der Prüfung der Haftungsinanspruchnahme berücksichtigt werden. Das Auswahlermessen sei fehlerhaft ausgeübt worden (Ermessensunterschreitung), weil eine Heranziehung der faktischen Geschäftsführer, die für die Insolvenz der Gesellschaft verantwortlichen gewesen seien, zur Haftung nicht in Erwägung gezogen worden sei.

12

Eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung des Klägers läge nicht vor. In diesem Zusammenhang rügte der Kläger, dass sich die Begründung des Haftungsbescheids zur Frage des Verschuldens in plakativen Angaben erschöpfe, wonach grundsätzlich von einem Verschulden des Haftungsschuldners auszugehen sei, wenn dessen Pflichtverletzung feststünde. Hierzu sei anzumerken, dass diese Rechtsprechung auf der Basis der nicht mehr geltenden Abgabenordnung ergangen sei, nach der jegliches Verschulden des Haftungsschuldners ausgereicht habe, um dessen Regresspflichtigkeit zu begründen. In der Abgabenordnung von 1977 sei dies jedoch ausdrücklich aufgegeben worden. Soweit danach der Maßstab der groben Fahrlässigkeit im Gesetz vorgegeben sei, müssten auch hierzu Tatsachen positiv festgestellt werden. Umstände, die zur Annahme von grober Fahrlässigkeit ausreichen würden, seien jedoch nicht ersichtlich.

13

Nach der internen Zuständigkeitsvereinbarung sei der Mitgeschäftsführer H für die Erledigung steuerlicher Aufgaben und somit für die Abführung der Lohnsteuer zuständig gewesen. Bei gleichzeitiger Einbindung einer Steuerberaterin habe der Kläger auch hinreichend Sorge dafür getragen, dass die der Gesellschaft obliegenden steuerlichen Pflichten erfüllt würden. Seiner Überwachungspflicht sei der Kläger in vollem Umfang nachgekommen, indem er sich in regelmäßigen Abständen darüber informiert habe, dass die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllt würden. Die hierbei erlangten Informationen habe er durch stichprobenartige Kontrollen verifizieren können. Insbesondere habe er gewusst, dass der Mitgeschäftsführer H und die Steuerberaterin auch in ständigem Kontakt mit dem Finanzamt standen. Nicht zuletzt habe allein die mehr als sorgfältige Kontrolle des Klägers es ermöglicht, einen unverzüglichen und rechtzeitigen Insolvenzantrag zu stellen. In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung werde grobe Fahrlässigkeit jedoch nur dann angenommen, wenn ein nomineller Geschäftsführer sich in keinster Weise um die Geschicke der Gesellschaft und um die Erfüllung steuerlicher Pflichten gekümmert habe.

14

Der Kläger habe auch nicht grob fahrlässig gehandelt, wenn er zunächst darauf vertraut habe, dass der intern hierfür Verantwortliche den Ausgleich der gestundeten Lohnsteuerschulden für Januar und Februar 2010 veranlasst habe. Es habe eine klare Vereinbarung über die Verrechnung der Lohnsteuer mit persönlichen Einkommensteuererstattungsansprüchen des Gesellschafters H gegeben.

15

Der Kläger habe nicht erkennen können, dass die Gesellschaft aufgrund der kriminellen Machenschaften am 30.09.2010 außer Stande sein werde, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Nachdem er hiervon Kenntnis erlangt habe, habe er in nicht vorwerfbar Weise gehandelt, indem er einen Insolvenzantrag gestellt habe. Innerhalb der dreiwöchigen Antragsfrist des § 15a InsO habe er sich in einer haftungsbefreienden Pflichtenkollision befunden, so dass auch insoweit keine grobe Fahrlässigkeit angenommen werden könne.

16

Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit könne auch schon deshalb nicht erhoben werden, weil der Kläger anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht habe sicher beurteilen können, wie er sich habe verhalten sollen. Denn zwischen der Rechtsprechung des BGH und der des BFH bestünden gravierende Meinungsverschiedenheiten dergestalt, wie die Kollision von sozial- und steuerrechtlichen Abgabenobliegenheiten einerseits und insolvenzrechtlicher Verpflichtung andererseits aufzulösen sei, so dass auch von dem Kläger nicht habe verlangt werden können, die Rechtslage insoweit im Einklang mit der unzutreffenden Auffassung des BFH einzuschätzen. Aus dieser misslichen Situation negative Konsequenzen ableiten zu wollen, widerspräche dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG.

17

Im Übrigen sei ein adäquat kausaler Schaden nicht eingetreten. Die potentielle Anfechtbarkeit lasse den Eintritt eines Schadens für den Fiskus entfallen. Soweit diese rechtliche Würdigung für die Abführung von Sozialabgaben im Rahmen des Schadenersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB anerkannt sei, verbiete sich für die Lohnsteuerabführung eine abweichende Beurteilung (BGH NJW 2005, 2546). Eine andere Sichtweise würde die Steueransprüche in der Insolvenz gegenüber anderen Insolvenzforderungen eklatant begünstigen, was nach der Insolvenzordnung nicht mehr vorgesehen sei. Die abweichende Auffassung des BFH, dass hypothetische Kausalverläufe und damit eine potentielle insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Lohnsteuerabführung außer Betracht zu bleiben seien, sei unzutreffend. Die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe führe nicht zu einer Gefährdung der Haftungsansprüche, wie der BFH meine, vielmehr würde hierdurch eine zutreffende Darstellung der gesetzlich vorgesehenen Vermögenszuordnung erfolgen.

18

Ferner führte der Kläger aus, dass auch die Höhe des geltend gemachten Haftungsbetrags nicht nachvollziehbar sei. Denn bei ordnungsgemäßer Erfüllung der steuerlichen Pflichten hätten nur gekürzte Nettolöhne ausbezahlt werden dürfen, weshalb sich auch die Lohnsteuerschuld verringert hätte.

19

Vor einer Haftungsinanspruchnahme des Klägers wäre zudem abzuwarten, ob nicht eine teilweise Befriedigung im Rahmen des Insolvenzverfahrens aus dem Vermögen der Gesellschaft möglich sei.

20

Mit Einspruchsentscheidung vom 18.04.2012 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.09.2008 VII R 27/07, BStBl II 2009, 129) eine Haftung nach § 69 AO auch dann nicht ausgeschlossen sei, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die dreiwöchige Schonfrist falle, welche dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingeräumt werde. Folglich sei die Haftungsinanspruchnahme des Klägers für die Lohnsteuer Oktober 2010, deren Fälligkeit innerhalb der Schonfrist gelegen habe, zu Recht erfolgt.

21

Der BFH habe mit Urteil vom 05.06.2007 (VII R 65/05, BStBl II 2008, 273) entschieden, dass sich ein Geschäftsführer nicht auf die Anfechtung einer gedachten Zahlung nach § 130 InsO - geleistete Zahlungen innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags - berufen könne, weil der Schadensersatzcharakter des § 69 AO und der Schutzzweck dieser Norm die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe ausschließe. Zudem habe nur die rückwirkend ausgesprochene Stundung der Lohnsteuer für Januar und Februar 2010 dazu geführt, die Fälligkeit dieser Steuern auf den 30.09.2010 zu verschieben. Diese Stundung könne somit nicht die nicht rechtzeitige Abführung der Lohnsteuer entschuldigen. Nach der Entscheidung des BFH vom 20.04.1982 (VII R 96/79, BStBl II 1982, 521) könne nur eine vor dem Zahlungstermin gewährte Stundung oder eine mündliche Stundungszusage den Kläger von der Zahlung entlasten.

22

Zwischen der Schadenersatznorm des § 823 BGB und der steuerrechtlichen Haftungsvorschrift des § 69 AO bestünden verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Unterschiede, welche eine uneingeschränkte Übertragung der zum Schadenersatzrecht, insbesondere zur Berücksichtigung von hypothetischen Kausalverläufen ergangenen BGH-Rechtsprechung nicht geboten erscheinen ließen. Nach § 69 AO sollte der Vertreter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden steuerlichen Pflichten angehalten und das Steueraufkommen durch Schaffung einer Rückgriffsmöglichkeit gesichert werden, was bei Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs als gefährdet erscheine. Wegen des damit einhergehenden Verwaltungsaufwands sei es auch nicht realisierbar, insolvenzrechtliche Anfechtungstatbestände bei der Ermessensausübung vorab zu prüfen.

23

Weiterhin führte der Beklagte aus, dass mehrere Geschäftsführer zur Haftung herangezogen werden könnten, sofern keine vorweg getroffene schriftliche Vereinbarung hinsichtlich der Aufgabenbereiche ausgehandelt worden sei, wodurch die Gesamtverantwortung begrenzt, nicht aber aufgehoben werde (BFH, Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776). Vorliegend fehle eine solche Vereinbarung. Mit Eintritt in die Gesellschaft sei dem Kläger bekannt gewesen, dass sich die Gesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe; dennoch sei er seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen. Auch der Umstand, dass der Kläger Opfer krimineller Machenschaften geworden sei und erst im nachhinein erfahren habe, dass die Gesellschaft ihre Steuerschulden nicht getilgt habe, ändere nichts am Vorliegen einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Klägers, sich nicht um die rechtzeitige Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer gekümmert zu haben. Für den Arbeitgeber handle es sich bei der abzuführenden Lohnsteuer um fremde Gelder, welche er treuhänderisch zu verwalten und an das Finanzamt abzuführen habe. Er dürfe die Gelder nicht im Vertrauen darauf sach- und zweckwidrig verwenden, dass er später die Steuer aus anderen Mitteln entrichten könne. Sofern nicht genügend Gelder zur Auszahlung der Löhne vorhanden seien, müsse eine Nettolohnkürzung vorgenommen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liege eine grob fahrlässige Pflichtverletzung vor, wenn die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer bei Fälligkeit nicht entrichtet werde.

24

Da die Eintreibung der Verbindlichkeiten bei der Gesellschaft als nicht realisierbar erscheine, sei eine Haftungsinanspruchnahme beider Gesellschafter ermessensgerecht. Beide Gesellschafter-Geschäftsführer seien für die Pflichtverletzung verantwortlich, was auch bei der Höhe der Inanspruchnahme (hälftig) Berücksichtigung gefunden habe. Bei seiner Vorsprache am 15.04.2011 beim Finanzamt habe der Kläger seiner hälftigen Haftungsinanspruchnahme zugestimmt.

25

Mit Schreiben vom 11.07.2012 (Bl. 40 der Prozessakte) hat der Beklagte den angefochtenen Haftungsbescheid auf die Lohnsteuerabzugsbeträge (Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) beschränkt und die Haftungssumme um die Säumniszuschläge von 1.318,-€ auf insgesamt 11.308,89 € reduziert.

26

Im Rahmen seiner Klage wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, dass sich aus der Einspruchsentscheidung nicht ergebe, worin der Beklagte eine Überwachungspflichtverletzung des Klägers sehe. Insoweit vermisse der Kläger eine Auseinandersetzung mit seinen Ausführungen, wonach er die Erfüllung steuerlicher Obliegenheiten stets und fortwährend kontrolliert und mit seinem Mitgeschäftsführer und der Steuerberaterin abgesprochen habe. Ferner ist er der Ansicht, dass auch nach Erlass der Einspruchsentscheidung der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft bleibe. Der Beklagte habe nach wie vor nicht in Erwägung gezogen, die als faktische Geschäftsführer handelnden Kommanditisten nach §§ 69, 35 AO zur Haftung heranzuziehen.

27

Das Gericht hat zur weiteren Klärung des Sachverhalts, insbesondere zur Liquidität der KG, die Aufklärungsverfügung vom 14.05.2013 erlassen, auf die ebenso Bezug genommen wird wie auf die Antwort des Klägers vom 11.06.2013 (Bl.62f und 65f der Prozessakte). Insbesondere teilte der Kläger mit, dass die Löhne und Gehälter immer am 15. des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monats fällig gewesen seien. Die Löhne und Gehälter für September und Oktober 2010, die am 15.10.2010 bzw. 15.11.2010 fällig gewesen seien, hätten von der KG nicht mehr gezahlt werden können, was die Zeugen B und M bezeugen könnten. Angaben zu den von der KG erzielten Umsätze im Zeitraum September 2010 bis 24.11.2010, zur Frage der Befriedigung von Gläubigern der KG sowie zu Zahlungsein- und -ausgängen seien dem Kläger ohne Einsicht in die Geschäftsbücher der KG, die sich beim Insolvenzverwalter befänden, nicht möglich.

28

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 31.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2012 und in Gestalt des Haftungsbescheids vom 11.07.2012 soweit aufzuheben, als der Kläger für Lohnsteuern Januar, Februar, März, September und Oktober 2010 in Anspruch genommen wird.

29

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

30

Er bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird. Ergänzend trägt er vor, ihm sei nicht bekannt, dass vorliegend ein Verfügungsberechtigter im Sinne von § 35 AO als faktischer Geschäftsführer bestellt worden sei.

31

Auf die gerichtliche Aufklärungsverfügung vom 17.06.2013 teilte der im Insolvenzverfahren betreffend die KG bestellte Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 10.09.2013 mit (Bl.77f der Prozessakte), dass die KG Umsätze im September 2010 in Höhe von 480.088,87 €, im Oktober 2010 in Höhe von 428.813,92 € und im November 2010 in Höhe von 393.964,37 € erzielt habe. An Gläubiger seien ausweislich des Kontos "Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen" Zahlungen im September 2010 in Höhe von 306.787,45 €, im Oktober 2010 in Höhe von 458.628,66 € und im November 2010 in Höhe von 177.278,85 € geleistet worden. Zur Frage der Zahlungsfähigkeit verwies der Insolvenzverwalter auf sein Gutachten vom 12.01.2011 (Bl.88f der Prozessakte). Für den Monat September 2010 seien Löhne in einer Gesamthöhe von 81.064,65 € ausbezahlt worden; für Oktober seien von Seiten der KG lediglich Vorschusszahlungen in Höhe von 18.937,49 € geleistet worden.

Entscheidungsgründe

32

I. Die Klage ist unbegründet.

33

Der Haftungsbescheid ist rechtmäßig. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.

34

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig (vgl. BFH, Urteil vom 13.04.1978 V R 109/75, BStBl II 1978, 508). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar.

35

Davon ausgehend ist die Haftungsinanspruchnahme des Klägers gemäß § 69 i. V. m. § 34 AO nicht zu beanstanden.

36

1.
a) Gemäß § 69 i. V. m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

37

Gesetzlicher Vertreter ist bei einer GmbH deren Geschäftsführer (§§ 6, 35 GmbH-Gesetz). Im Falle einer mit der Geschäftsführung betrauten Komplementär-GmbH hat er in dieser Funktion auch für die Erfüllung der Pflichten der KG Sorge zu tragen.

38

Der Kläger war als Geschäftsführer der Komplementärin deren gesetzlicher Vertreter. Er hatte daher als solcher auch die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 AO).

39

b) Der Kläger hat seine Pflicht zu Erfüllung der der KG als Arbeitgeberin erwachsenen Lohnsteuerhaftungsansprüche aus § 42d EStG für den Zeitraum Januar bis März und September bis Oktober 2010 nicht (vollständig) erfüllt. Denn er hat insoweit die Lohnsteuern für die Arbeitnehmer der KG nicht (vollständig) abgeführt.

40

Die Lohnsteuer entsteht nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Im Streitfall war die Lohnsteuer für die o.g. Zeiträume mit Auszahlung der entsprechenden Löhne entstanden. Entgegen dem Vortrag des Klägers wurden auch die Löhne für September und Oktober 2010 nach Angaben des Insolvenzverwalters teilweise ausgezahlt (vgl. Bl. 131 bis 133 der Prozessakte).

41

Der Vortrag des Klägers, wonach er nach der internen Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem Mitgeschäftsführer H allein für den Vertrieb zuständig gewesen sei und sich der Geschäftsführer H um die Erfüllung der steuerlichen Pflichten gekümmert habe, vermag eine Pflichtverletzung des Klägers nicht auszuschließen. Eine diesbezügliche eingeschränkte Verantwortlichkeit des Klägers für die Erfüllung steuerlicher Verpflichtungen käme zudem nur für streitige Lohnsteuerbeträge der Anmeldungszeiträume Januar bis März in Betracht.

42

Sind mehrere gesetzliche Vertreter einer juristischen Person bestellt, so trifft jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung in vollem Umfang. Grundsätzlich hat daher auch jeder von ihnen alle steuerlichen Pflichten, die der juristischen Person auferlegt sind, ordnungsgemäß zu erfüllen. Es gilt das Prinzip der Gesamtverantwortung eines jeden gesetzlichen Vertreters. Dieses Prinzip verlangt zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im Ganzen (vgl. etwa BFH, Urteil vom 23.06.1998 VII R 4/98, BStBl II 1998, 761 m.w.N.).

43

Ungeachtet dessen kann bei einer Verteilung der Geschäfte einer Gesellschaft auf mehrere Geschäftsführer die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten desjenigen Geschäftsführers, dem diese nicht zugewiesen sind, zwar nicht aufgehoben, aber doch begrenzt werden. Dies erfordert allerdings eine im Vorhinein getroffene, eindeutige - und deshalb schriftliche - Klarstellung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass im Haftungsfall jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit eines anderen verweist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Beschlüsse vom 21.10.2003 VII B 353/02, BFH/NV 2004, 157, und vom 04.03.1986 VII S 33/85, BStBl II 1986, 384; BFH, Urteil vom 26.04.1984 V R 128/78, BStBl II 1984, 776).

44

Aber selbst bei Vorliegen einer klaren, eindeutigen und schriftlichen Aufgabenverteilung muss der nicht mit den steuerlichen Angelegenheiten einer Gesellschaft betraute Geschäftsführer einschreiten, wenn die Person des Mitgeschäftsführers oder die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft dies erfordern, beispielsweise in finanziellen Krisensituationen (BFH, Beschluss vom 04.03.1986 VII S 33/85 aaO). Zudem muss er dafür sorgen, dass er im Falle des Eintritts einer solchen Krise rechtzeitig davon erfährt.

45

Im Streitfall fehlt es bereits an einer schriftlichen Aufgabenverteilung zwischen dem Kläger und dem weiteren Geschäftsführer. Schon aus diesem Grund ist der geltend gemachte Gesichtspunkt einer Geschäftsverteilung haftungsrechtlich ohne Bedeutung. Ungeachtet dessen traf den Kläger zum Zeitpunkt der hier streitigen Lohnzahlungen für Januar bis März 2010 ohnehin eine gesteigerte Überwachungspflicht. Der Kläger hat geschildert, dass bereits bei seinem Eintritt in die Gesellschaft im Jahr 2009 vereinbart worden sei, dass Lohnsteuerschulden mit privaten Einkommensteuererstattungen des Mitgesellschafters H verrechnet werden sollten. Folglich befand sich die KG bereits im Jahr 2009 in einer finanziellen Schieflage, weil ihre liquiden Mittel nicht zur Begleichung der Steuerschulden ausreichten. In Anbetracht dieser Situation wäre selbst im Falle einer schriftlichen Aufgabenverteilung die Gesamtverantwortung des Klägers wieder aufgelebt.

46

c) Die Nichtabführung der Lohnsteuer stellt regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines Geschäftsführers im Sinne der §§ 34, 69 AO dar. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Frage des Verschuldens bei der Abführung einbehaltener Lohnsteuer streng zu beurteilen (z. B. BFH, Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Grund dafür liegt im System des Lohnsteuerabzugsverfahrens begründet. Die abzuführende Steuer ist ein bei der Lohnzahlung zurückbehaltener Teil des Lohnes der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 EStG). Der Arbeitgeber zieht die Lohnsteuer nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein; es handelt sich mithin für ihn um wirtschaftlich fremde Gelder, die er nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden darf. Die Nichtabführung der Lohnsteuer verletzt daher im allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, dass die Steuer aus den von ihm verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird. Die Verletzung dieser Verpflichtung ist regelmäßig schuldhaft.

47

Der Vortrag des Klägers vermag den durch die unstreitige Nichtabführung der Lohnsteuern indizierten gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf im Sinne des § 69 AO nicht zu entkräften.

48

aa) Der Kläger kann sich nicht damit entschuldigen, dass eine Steuerberaterin eingebunden gewesen sei und er sich in regelmäßigen Abständen darüber informiert habe, dass die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllt würden, wobei er die hierbei erlangten Informationen durch stichprobenartige Kontrollen habe verifizieren können.

49

Allgemein gilt, dass ein gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 34 AO die ihm obliegenden Pflichten auch dadurch verletzen kann, dass er ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trifft. Dabei kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes pflichtmäßiges Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung absehbar war. Gerade in der finanziellen Krise wird von den gesetzlichen Vertretern einer Gesellschaft verlangt, dass sie vorausschauend planen und entsprechende Mittel zur Entrichtung von Steuern bereithalten, von denen sie wissen, dass ihre Entstehung unmittelbar bevorsteht (BFH, Urteile vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967; vom 16.12.2003 VII R 77/00, BStBl II 2005, 249, und vom 09.01.1997 VII R 51/96, NFH/NV 1997, 324).

50

Besonderheiten gelten für die Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer: Reichen infolge eines Liquiditätsengpasses die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteuer) nicht aus, dürfen die Löhne nur gekürzt ausgezahlt werden, als Vorschuss oder Teilbetrag, so dass der gesetzliche Vertreter im Sinne des § 34 AO aus den der Gesellschaft verbleibenden Mitteln die auf die gekürzten Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen kann. Kommt der gesetzliche Vertreter dieser Verpflichtung nicht nach und vertraut er darauf, dass er die Steuerrückstände später, nach Behebung der Liquiditätsschwierigkeiten, wird ausgleichen können, so ist er damit bewusst das Haftungsrisiko des § 69 AO eingegangen (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 20.01.1998 VII R 80/97, BFH/NV 1998, 814).

51

Der entscheidende gegen den Kläger gerichtete Schuldvorwurf lautet daher im Streitfall, dass er in Kenntnis der finanziellen Situation der KG im Vorfeld hätte darauf hinwirken müssen, dass die Löhne für den Streitzeitraum nur gekürzt ausgezahlt und dass die auf die gekürzten Löhne entfallende Lohnsteuer aus dem dann der KG verbleibenden Geld ordnungsgemäß einbehalten und an den Beklagten abgeführt werden. Dies hat der Kläger nicht getan. Er hat sich seinen Darlegungen zufolge auch nicht darum bemüht, obwohl er schon wenigstens seit Eintritt in die Gesellschaft im Jahr 2009, also vor Auszahlung der streitigen Löhne, wusste, dass die Gesellschaft bereits im Jahr 2009 Lohnsteuerschulden hatte und ihr somit Geld fehlte. Hinzu kommt, dass der Sachvortrag des Klägers hinsichtlich seiner Überwachungspflicht auch unsubstantiiert ist. Der Kläger trägt nicht vor, welche Informationen er über die steuerliche Situation erlangt hatte und auf welche Art und Weise er die erlangten Erkenntnisse habe verifizieren können. Zudem war ihm bereits im Jahr 2009 bekannt, dass nicht alle Abgaben beglichen waren, so dass bereits aus diesem Grund Anlass zur Prüfung der steuerlichen Situation bestanden hat.

52

bb) Der Kläger kann sich nicht auf eine entschuldigende Kollision mit der ihn treffenden Pflicht zur Masseerhaltung nach § 64 GmbHG berufen. Danach würde sich der Geschäftsführer einer GmbH (zivilrechtlich) ersatzpflichtig machen, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH an deren Gläubiger noch Zahlungen leistete, es sei denn dies wäre mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar (vgl. zur Pflichtenkollision: BFH, Urteil vom 27.02.2007 VII R 67/05, BFH/NV 2007, 1732). Abgesehen davon, dass es sich im Streitfall um die Zahlungsunfähigkeit der KG und nicht der geschäftsführenden Komplementär-GmbH handelt, kann einer solchen Pflichtenkollision jedoch dann keine schuldausschließende Wirkung beigemessen werden, wenn der Geschäftsführer – wie im Streitfall der Kläger – die ungekürzten Nettolöhne auszahlt und es unterlässt, die Steuerbeträge abzusondern und zur Abführung an das Finanzamt bereitzuhalten (BFH, Urteil vom 20.04.1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142). Zudem hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Begleichung der steuerlichen Abzugsbeträge als rechtlich zwingende Folge der vorherigen Auszahlung der Nettolöhne mit der Sorgfalt eines Geschäftsmanns vereinbar ist und auch deshalb keine Pflichtenkollision auslöst  (§ 64 Satz 2 GmbHG).

53

cc) Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die KG nicht mehr über die Mittel zur Erfüllung der Steueransprüche verfügt haben soll. Wie bereits ausgeführt, darf der Geschäftsführer vielmehr, wenn infolge eines Liquiditätsengpasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichen, die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so dass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen kann (vgl. BFH, Urteil vom 27.02.2007 VII R 67/05 aaO). Nimmt der Geschäftsführer die gebotene Lohnkürzung nicht vor, geht er damit bewusst ein Haftungsrisiko ein, so dass ihn die Haftungsfolgen des § 69 AO auch bei unerwartetem Ausbleiben der Kreditmittel oder bei einem unerwarteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit treffen (BFH, Urteil vom 11.12.1990 VII R 85/88, BStBl II 1991, 282).

54

Im Streitfall kommt es daher auch nicht darauf an, dass der Kläger möglicherweise das Unvermögen der KG zur Zahlung der Lohnsteuerschulden für Januar und Februar 2010 bei Fälligkeit im September 2010 nicht vorhergesehen hatte. Da dem Kläger bei Eintritt in die Gesellschaft im Jahr 2009 bereits bekannt war, dass Lohnsteuerschulden bestehen und es der Gesellschaft somit an flüssigen Geldmittel mangelte, durfte er zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit nicht im Vertrauen darauf, dass die Lohnsteuerschulden für Januar und Februar 2010 mit privaten Einkommensteuererstattungen des damaligen Gesellschafters H verrechnet werden, von einer entsprechenden Kürzung des Arbeitslohns und der abgesonderten Bereithaltung der Abzugsbeträge absehen.

55

Den Kläger vermag auch der Umstand nicht zu entschuldigen, dass nach seinem Vortrag die Kommanditisten als faktische Geschäftsführer für die Nichtbegleichung der Steuerschulden verantwortlich gewesen seien. Es kann im Streitfall dahinstehen, ob dies objektiv zutreffend war. Denn auch in diesem Fall ließe dieser Umstand den Schuldvorwurf nicht entfallen. Die Haftung ergibt sich schon aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und ob sie ausgeübt werden soll. Der Geschäftsführer kann sich mithin nicht damit entschuldigen, dass er von der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte ferngehalten wurde und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Selbst eine lediglich nominell zum Geschäftsführer bestellte Person könnte sich nicht damit entlasten, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, ihre rechtliche Stellung als Geschäftsführer innerhalb der Gesellschaft zu verwirklichen und die steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 23.03.1993 VII R 38/92, BStBl II 1993, 581 m.w.N.).

56

d) Dem Fiskus ist aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers ein Schaden in Höhe der nicht abgeführten Lohnsteuerabzugsbeträge entstanden.

57

aa) Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der Lohnsteuer entstandenen Vermögensschadens besteht ein adäquater Kausalzusammenhang, der nicht dadurch entfällt, dass der Insolvenzverwalter Zahlungen, wenn diese vom Kläger innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet worden wären, nach § 130 InsO hätte anfechten können.

58

Durch die pflichtwidrige Nichtabführung fällig gewordener Steuerbeträge wird eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt, so dass die Kausalität dieser Ursache für den Schadenseintritt durch eine gedachte Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht rückwirkend beseitigt werden kann. Der vom Gesetzgeber § 69 AO beigemessene Schutzzweck und die vom BGH geforderte wertende Beurteilung lassen es nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, nicht geboten erscheinen, den hypothetischen Kausalverlauf im Falle einer gedachten Anfechtung nach §§ 129ff InsO im Rahmen der Schadenszurechnung zu berücksichtigen und infolgedessen die Haftung des von § 69 AO erfassten Personenkreises (vgl. § 34 und § 35 AO) entfallen zu lassen (BFH, Urteile vom 05.06.2007 VII R 65/05, BStBl II 2008, 273; vom 04.12.2007 VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).

59

bb) Entgegen dem Vorbringen des Klägers setzt sich die Rechtsprechung des BFH auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Die zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen getroffenen Entscheidungen (BGH, Urteile vom 18. April 2005 II ZR 61/03, DStR 2005, 978; vom 14. November 2000 VI ZR 149/99, DStR 2001, 222) betreffen eine mögliche Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB und damit einen deliktischen Schadensersatzanspruch. Um einen solchen handelt es sich bei § 69 AO jedoch nicht. Vielmehr normiert § 69 AO einen öffentlich-rechtlichen - und zivilrechtlich nicht abdingbaren - Haftungsanspruch, der eine Sonderverbindlichkeit gegenüber dem Fiskus begründet. Der Haftung kommt eine Ausgleichsfunktion und lediglich der Charakter eines Schadensersatzanspruchs zu. Daneben verfolgt § 69 AO den Zweck, das bei steuerrechtlich nicht geschäfts- und handlungsfähigen Steuerpflichtigen auftretende Erfordernis der Stellvertretung an die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts anzupassen und damit zur Aufkommenssicherung beizutragen. Aus diesen Gründen kann die zum Deliktsrecht entwickelte Rechtsprechung des BGH nicht ohne weiteres auf die Haftung nach den Vorschriften der AO übertragen werden (vgl. BFH, Urteil vom 04.12.2007 VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521). Folglich liegt eine Divergenz zur BGH-Rechtsprechung nicht vor.

60

2.
Der klagegegenständliche Haftungsbescheid begegnet auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsnatur als Ermessensentscheidung des Beklagten keinen rechtlichen Bedenken (§ 191 Abs. 1 Satz 1, § 5 AO). Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch seitens des Beklagten sind nicht ersichtlich (§ 102 Satz 1 FGO).

61

Insbesondere hat der Beklagte auch sein Auswahlermessen zutreffend ausgeübt.

62

Vollstreckungsmaßnahmen gegen die KG waren erfolglos verlaufen. Über das Vermögen der KG wurde am 24.11.2010 ein Insolvenzantrag gestellt. Im Januar 2011 wurde vom vorläufigen Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt.

63

Eine Inanspruchnahme der Gesellschaft war bei Erlass des Haftungsbescheides daher nicht erfolgversprechend. Von ihrer Inanspruchnahme als mögliche Haftungsschuldnerin nach § 42d EStG hat der Beklagte deshalb mit zutreffender Begründung abgesehen. Bezüglich der Ermessensausübung ist zu beachten, dass gegen den weiteren Geschäftsführer H ebenfalls ein Haftungsbescheid erlassen wurde, mit dem dieser für den Haftungszeitraum Januar bis März 2010 (hälftig) zur Haftung herangezogen wurde.

64

Gründe, die eine Inanspruchnahme des Klägers als Haftenden als ermessenswidrig erscheinen lassen könnten, sind im Streitfall nicht ersichtlich. Aufgrund der Tatsache, dass angemeldete Lohnsteuer nicht abgeführt wurde, konnte das Finanzamt ohne Ermessensverstoß von einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung der dem Kläger als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auferlegten steuerlichen Pflichten ausgehen, da nach der bereits erwähnten BFH-Rechtsprechung in einem derartigen Fall die bloße Pflichtwidrigkeit im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit indiziert.

65

Konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Haftung von weiteren Personen als faktische Geschäftsführer der Gesellschaft wurden nicht dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, welche Kommanditisten faktisch die Geschäftsführung der KG durch die Ausübung welcher Befugnisse in welchem Zeitraum übernommen haben. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers, wonach die "Kommanditisten" der KG, die für die Insolvenz der Gesellschaft und die Nichtbegleichung der Steuerschulden verantwortlich gewesen seien, faktische Geschäftsführer gewesen seien, ist vielmehr unsubstantiiert. Die Annahme einer faktischen Geschäftsführung und damit von weiteren etwaigen Haftungsschuldnern ergibt sich aus diesem Sachvortrag nicht.

66

3.
Der Haftungsbescheid ist auch in Bezug auf die Höhe der (noch streitigen) Haftungssumme nicht zu beanstanden.

67

a) Die Orientierung der Haftungssumme an den ausgezahlten Löhnen, auch bei Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft, rechtfertigt sich nach Auffassung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, daraus, dass die abzuführende Lohnsteuer Teil des geschuldeten Brutto-Arbeitslohnes ist, den der Arbeitgeber treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuergläubiger einzuziehen hat. Im Grunde handelt es sich bei den Lohnsteuerabzugsbeträgen um Fremdgelder, die die Liquidität der von dem Geschäftsführer vertretenen GmbH nicht berühren und deshalb zur Abführung an das Finanzamt bereitzuhalten sind.

68

Der Kläger hat auch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sog. quotale Haftung entsprechend den für die Umsatzsteuer entwickelten Grundsätzen ausreichend dargelegt. In seinem Urteil vom 26.07.1988 (VII R 83/87, BStBl II 1988, 859) hat der BFH ausgeführt, dass dann, wenn die Gesellschaft nur über Mittel in Höhe der ausgezahlten Netto-Löhne verfügt hat, ein Schuldvorwurf im Sinne des § 69 AO gegenüber den Geschäftsführern nicht hinsichtlich der in voller Höhe angemeldeten, aber nicht abgeführten Lohnsteuer erhoben werden könne, sondern nur hinsichtlich derjenigen Lohnsteuerbeträge, die er bei der gebotenen Kürzung der Netto-Löhne an das Finanzamt hätte abführen können. Nur in Höhe dieser Beträge ist auch dem Finanzamt durch das pflichtwidrige Verhalten des Geschäftsführers ein Schaden entstanden; denn mit der Entrichtung der angemeldeten auf die geschuldeten Brutto-Löhne entfallenden Steuern konnte anlässlich mangelnder Zahlungsmittel von vornherein nicht gerechnet werden. Der Geschäftsführer kann deshalb nach den §§ 69, 34 Abs. 1 AO nur hinsichtlich der Beträge als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden, die bei der Behandlung der ihm zur Verfügung stehenden, an die Arbeitnehmer ausgezahlten Gelder als Brutto-Löhne und der gebotenen anteiligen Befriedigung der Arbeitnehmer und des Finanzamts als Steuerabzugsbeträge angefallen wären. Diese Haftungsbeschränkung entspricht der Haftung des Geschäftsführers für die Umsatzsteuer bei zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichenden Zahlungsmitteln, allerdings mit dem Unterschied, dass sich die Haftungsquote nicht nach dem möglichen Umfang einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger, sondern nur nach der möglichen anteiligen Befriedigung des Finanzamts und der Arbeitnehmer bemisst.

69

Diese Haftungsbeschränkung kommt nach Auffassung des BFH jedoch nur in Ausnahmefällen und nur im Rahmen eines längeren Haftungszeittraums allenfalls für den oder die letzten Lohnsteueranmeldungszeiträume in Betracht. Denn sie setzt voraus, dass dem Geschäftsführer ab dem Zeitpunkt der letzten Lohnzahlung - hier für Oktober 2010 - nur Mittel in Höhe der ausbezahlten Netto-Löhne zur Verfügung standen, d.h. gerade noch die Netto-Löhne in voller Höhe ausbezahlt werden konnten, sonst aber keine Zahlungsmittel mehr vorhanden waren. Für diesen außergewöhnlichen Sachverhalt trägt der Haftungsschuldner nach den Grundsätzen über die Beweislast im Steuerprozess die objektive Beweislast (Feststellungslast).

70

Der Kläger hat das Vorliegen einer derartigen Situation weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht oder nachgewiesen. Gegen den Umstand, dass ab Oktober 2010 überhaupt keine (weiteren) Zahlungsmittel mehr vorhanden waren, spricht bereits, dass noch in den Monaten September bis November Umsätze in Höhe von 480.088 € (September), 428.813 € (Oktober) und von 393.964 € (November) von der KG erzielt worden sind. Zudem wurden noch andere Gläubiger der KG in diesem Zeitraum befriedigt. Ausweislich der vom Insolvenzverwalter eingereichten Kontoauszüge bezüglich des Kontos "Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen" wurden in den Monaten September bis November 2010 von der KG noch Zahlungen in Höhe von 306.787 € (September), 458.628 € (Oktober) und von 177.278 € (November) an Gläubiger geleistet (Bl.80-87 der Prozessakte). Aus alledem schließt der Senat, dass ausreichende Mittel zur Begleichung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden haben.

71

b) Hinsichtlich der noch offenen Lohnsteuerabzugsbeträge für Januar und Februar wurde der Kläger - neben dem ehemaligen Mitgeschäftsführer H - nur hälftig zur Haftung herangezogen. Ein Ermessensfehler ist insoweit nicht ersichtlich.

II.

72

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat die Kosten insoweit zu tragen, als er den Haftungsbescheid hinsichtlich der Säumniszuschläge zurückgenommen hat.

73

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).

(2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.

Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

BUNDESFINANZHOF

Urteil vom 11.11.2008

Az.: VII R 19/08

1. Die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden richtet sich wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie.

2. Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag.

3. Die Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld der GmbH im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit ist dem Geschäftsführer nach § 34 Abs. 1 AO, § 41a EStG nicht allein zur Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls auferlegt, sondern soll auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit sicherstellen.

4. Der Zurechnungszusammenhang zwischen einer pflichtwidrig verspäteten Lohnsteuerzahlung und dem eingetretenen Schaden (Steuerausfall) ergibt sich daraus, dass dieser Schaden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht zur fristgemäßen Lohnsteuerabführung erfasst wird.

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Er reichte die Lohnsteueranmeldungen für die GmbH für den Zeitraum April bis Juni 2003 fristgerecht beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Die angemeldete Steuerschuld wurde durch Zahlung an den Vollziehungsbeamten des FA am 19. September 2003 beglichen.

Wegen anderer Steuerschulden beantragte das FA am 22. Oktober 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Januar 2004 eröffnet.

Die Zahlung an den Vollziehungsbeamten focht die Insolvenzverwalterin nach § 131 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an. Daraufhin erstattete das FA diesen Betrag an die Insolvenzmasse. Wegen der demzufolge wieder offenen Steuerschulden aus den Lohnsteueranmeldungen April bis Juni 2003 sowie der Säumniszuschläge hierzu nahm das FA den Kläger mit Haftungsbescheid vom 7. April 2005 in Anspruch.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 998 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht, nämlich von § 69 der Abgabenordnung (AO). Der Kläger habe die ihm als Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er die Lohnsteuer nicht zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten abgeführt habe. Diese Pflichtverletzung sei nach der insoweit maßgeblichen Adäquanztheorie auch kausal für den Steuerausfall gewesen. Weder der Insolvenzantrag des FA noch die Anfechtung des Insolvenzverwalters hätten nach der allgemeinen Lebenserfahrung außerhalb der Wahrscheinlichkeit gelegen. Der Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen GmbH müsse jederzeit damit rechnen, dass ein Gläubiger "von der Antragsmöglichkeit des § 17 InsO" Gebrauch mache. An der Kausalität fehle es auch deshalb nicht, weil die pflichtgemäße Zahlung der Lohnsteuern zum Fälligkeitszeitpunkt vor dem dreimonatigen Anfechtungszeitraum des § 130 Abs. 1 InsO erfolgt wäre. Dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Juni 2007 VII R 30/06 (BFH/NV 2008, 1) sei entgegen der Darstellung des Klägers zu entnehmen, dass die Kausalität der pflichtwidrigen Nichtabführung fällig gewordener Steuerbeträge für den Steuerschaden nicht durch nachträglich eingetretene Umstände beseitigt werden könne.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung kann nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO ergehen.

Das FA hat den Kläger zu Recht gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.

1. Als Geschäftsführer hatte der Kläger in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S. von § 34 Abs. 1 AO die Pflicht zur Einbehaltung und fristgerechten Abführung der im Haftungszeitraum von der GmbH angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge (§ 38 Abs. 3 Satz 1 und § 41a des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger für die Monate April bis Juni 2003 zwar fristgerecht Lohnsteueranmeldungen abgegeben, zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt aber die angemeldeten Beträge nicht entrichtet. Die in der nicht fristgerechten Entrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf (Senatsbeschluss vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540, m.w.N.).

2. Diese schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers ist auch kausal für den Eintritt des Vermögensschadens beim Fiskus.

Es entspricht ständiger Senatsrechtsprechung, dass sich die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie richtet. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, den Erfolg zu verursachen. Sofern --wie im Streitfall-- ein Unterlassen in Betracht kommt, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, ein Hinzudenken der unterbliebenen Handlung zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolgs genügen dazu nicht (Senatsurteil vom 25. April 1995 VII R 100/94, BFH/NV 1996, 97, m.w.N.).

Hätte der Kläger die angemeldeten Lohnsteuern bis spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer für Juni 2003 (nach den unbestrittenen Angaben des FA am 15. Juli 2003) gezahlt, wäre es nicht zu dem Steuerausfall beim Fiskus gekommen, denn der Dreimonatszeitraum vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung, in dem nach § 130 Abs. 1 InsO Zahlungen des Schuldners anfechtbar sind (Anfechtungszeitraum), begann erst am 22. Juli 2003.

Der Senat vermag der Argumentation des FG nicht zu folgen, dass der Steuerausfall nicht mehr adäquat kausal auf der nicht fristgerechten Abführung der angemeldeten Lohnsteuern beruht, weil diese Kausalkette mit der --wenn auch verspäteten-- Zahlung der Steuerbeträge an den Vollziehungsbeamten beendet worden sei. Zwar ist richtig, dass im Streitfall der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb der Anfechtungsfrist und die erfolgreiche Anfechtung durch die Insolvenzverwalterin zur Pflichtverletzung des Klägers hinzutreten mussten, um den Steuerausfall beim Fiskus herbeizuführen. Diese weiteren Voraussetzungen für den Schadenseintritt ändern aber nichts an der Ursächlichkeit auch des Verhaltens des Klägers. Sie haben nicht einmal ein "neues" Steuerschuldverhältnis entstehen lassen.

Zwar führt die Zahlung der Steuerschuld regelmäßig zu ihrem Erlöschen und damit zur Beendigung dieses Steuerschuldverhältnisses. Bei Steuerfälligkeiten, die in insolvenzreife Zeit fallen, bleibt dieses Steuerschuldverhältnis aber selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt gemäß § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt (Kreft in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 144 Rz 3, m.w.N.). Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt.

Die Möglichkeit des Schadenseintritts beim Fiskus trotz geleisteter Zahlung ist deshalb entgegen der Ansicht des FG wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtung jedenfalls kein untypischer Geschehensablauf.

3. Der Senat hat erwogen, ob die Haftung des Klägers im Streitfall deshalb ausscheidet, weil der Zurechnungszusammenhang zwischen der nicht fristgerechten Lohnsteuerentrichtung des Klägers und dem Steuerausfall beim Fiskus fehlt. In Fällen, in denen ein Schaden auf mehreren Ursachen beruht, hat der Bundesgerichtshof (BGH) für das zivile Schadensersatz- bzw. Haftungsrecht ausnahmsweise eine Zurechnungsbegrenzung des adäquat verursachten Schadens angenommen, wenn der Schaden bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang zu der Pflichtverletzung steht (BGH-Urteil vom 15. November 2007 IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205, m.w.N.). Ein solcher innerer Zusammenhang wird verneint, wenn der eingetretene Schaden nicht in den Schutzbereich der nicht beachteten Norm fällt. Mit anderen Worten ist Voraussetzung für die Schadenszurechnung, dass der geltend gemachte Schaden nach Sinn und Tragweite der verletzten Norm durch diese verhütet werden sollte.

Der Senat kann offenlassen, ob diese zivilrechtlichen Erwägungen --anders als jene zur Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs (vgl. Senatsurteile vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, BFHE 217, 233, BStBl II 2008, 273; in BFH/NV 2008, 1; vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18; vom 4. Dezember 2007 VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521) oder zur Anwendung der Mitverschuldensregelung des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2000 VII B 217/99, BFH/NV 2000, 1442; vom 2. November 2001 VII B 75/01, BFH/NV 2002, 310)-- uneingeschränkt auf die steuerrechtliche Haftung nach § 69 AO übertragen werden können, weil sie auch im Zivilrecht nicht auf das Deliktsrecht beschränkt, sondern für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannt sind (vgl. Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., Vorbem. v. § 249 Rz 63 f.; zur Steuerberaterhaftung BGH-Urteil vom 18. Januar 2007 IX ZR 122/04, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 701; zur Anwaltshaftung BGH-Urteil in BGHZ 174, 205). Die dem Geschäftsführer nach § 34 AO, § 41a EStG auferlegte Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld der GmbH im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit steht nämlich bei der gebotenen wertenden Betrachtung in einem inneren Zusammenhang mit dem Steuerausfall infolge einer späteren Insolvenzanfechtung.

Vom Normzweck erfasst wird nicht nur die Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls, sondern auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. Die Pflicht zur pünktlichen Steuerzahlung dient nicht nur der Vermeidung des Verzugsschadens beim Fiskus. Denn dieser Schaden wäre bereits durch Verzugszinsen auszugleichen. Wenn der Gesetzgeber darüber hinaus mit den kraft Gesetzes verwirkten Säumniszuschlägen zusätzlich ein besonderes Druckmittel für die Fälle geschaffen hat, in denen die rechtzeitige Zahlung noch nicht wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2000, 161), so zeigt das, dass er den Steuerpflichtigen auch zur Vermeidung sonstiger Schadensrisiken --wie etwa verminderter Leistungsfähigkeit-- zur rechtzeitigen Steuerzahlung anhalten wollte. Gerade in Zeiten der Krise kommt der Pflicht zur pünktlichen Zahlung der Steuer erhöhte Bedeutung zu. Sie soll den Fiskus nicht nur davor schützen, dass der Steuerschuldner zahlungsunfähig wird, bevor er (verspätet) bereit ist, seine Steuerschulden zu begleichen, sondern auch vor allen sonstigen Risiken verspäteter Zahlungsbereitschaft, wie sie sich z.B. im Streitfall realisiert haben.

4. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens des FA lässt sich im Streitfall ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung nicht begründen. Selbst wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb der Anfechtungsfrist der Steuerzahlung dem FA als Mitverschulden an dem Schadenseintritt anzulasten wäre, würde dieses Mitverschulden die Haftung des Klägers nicht beschränken. Nach der Rechtsprechung des Senats ist auf öffentlich-rechtliche Steuerhaftungsansprüche § 254 BGB nicht (entsprechend) anwendbar; anders als bei zivilrechtlichen Ersatzleistungen spielt also ein Mitverschulden des FA für das Entstehen bzw. den Umfang eines Steuerhaftungsanspruchs keine Rolle. Mitwirkendes Verschulden des FA am Entstehen eines Steuerausfalls kann allenfalls die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ermessensfehlerhaft machen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 1442, m.w.N.). Im Streitfall jedoch kommt die Berücksichtigung eines etwaigen finanzbehördlichen Fehlverhaltens schon deshalb nicht in Betracht, weil es gegenüber dem Verschulden des Klägers keinesfalls entscheidend ins Gewicht fällt (vgl. Senatsurteil vom 30. August 2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232, m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass das FA im Streitfall die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt hätte beantragen dürfen, sind weder vorgetragen noch --insbesondere angesichts der Eröffnung des Verfahrens drei Monate nach Antragstellung-- sonst ersichtlich.

 

(1) Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund.

(2) Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.

(3) Wird bei einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern gestellt, so ist Absatz 1 nur anzuwenden, wenn der oder die Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder der Gesellschaft berechtigt sind.

12
b) Hieran hält der Senat nach erneuter Überprüfung im Hinblick auf die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichts- hofes (Beschl. v. 21. September 2005 - 5 StR 263/05, ZIP 2005, 1678 ff.), nach der der vom Senat erwogene Vorrang der im Interesse aller Gläubiger angeordneten Massesicherungspflicht angesichts der Strafandrohung einer Nichtabführung von Sozialabgaben nicht anerkannt werden kann, nicht fest. Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung kann es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzt. Sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.

Tenor

Die gegen die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 2. ergangenen Haftungsbescheide vom 5. Oktober 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 15. März 2013 werden dahingehend geändert, dass die Haftungsbeträge nach Maßgabe der Urteilsgründe herabgesetzt werden; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 80 % und die Kläger (zu 1. und 2.) zu 20 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.


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Tenor

Auf die Revision des Finanzamts wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 6. November 2014  13 K 1065/13 dahingehend geändert, dass die Klage auch hinsichtlich der Voranmeldungs-Zeiträume September und Oktober 2011 abgewiesen wird.

Soweit das Finanzamt die Revision zurückgenommen hat, wird das Revisionsverfahren eingestellt.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen das Finanzamt und die Kläger je zur Hälfte.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens bis zum 2. April 2015 tragen das Finanzamt 40 % und die Kläger 60 %, ab diesem Zeitpunkt tragen die Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren im Jahr 2011 jeweils Geschäftsführer einer GmbH, die im selben Jahr Komplementärin und Geschäftsführerin einer inzwischen nach Insolvenz aufgelösten GmbH & Co. KG (KG) war. Für den Voranmeldungszeitraum Juli 2011 war die KG aufgrund einer Dauerfristverlängerung nach § 18 Abs. 1 und 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung bis zum 10. September 2011 verpflichtet. Mit fristgerecht eingegangener Umsatzsteuervoranmeldung Juli 2011 meldete sie eine Umsatzsteuerzahllast in Höhe von 10.079,09 € an. Sie beglich diesen Betrag zunächst durch mehrere Teilzahlungen am 11., 14. und 21. Oktober 2011. Im Rahmen einer im Jahr 2011 bei der KG durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung für die Monate November 2010 bis August 2011 wurden Abweichungen zwischen angemeldeten Umsatzsteuerbeträgen, Vorsteuer sowie Bauleistungen gemäß § 13b UStG und der Buchführung festgestellt, die aus Vereinfachungsgründen im Voranmeldungszeitraum August 2011 erfasst worden sind. Die Feststellungen führten zu Mehrsteuern in Höhe von 6.490,61 €. Inzwischen ist unstreitig, dass ein zunächst dem Voranmeldungszeitraum August 2011 zugeordneter Betrag von 504,26 € in die Monate Februar bis Mai 2011 fällt. Insgesamt wird für den Voranmeldungszeitraum August 2011 nunmehr ein Betrag von 16.755,90 € geschuldet, den die KG zunächst mit Zahlungen vom 21. Oktober und 17. November 2011 beglichen hat. Für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 bestehen aufgrund fristgerechter Umsatzsteuervoranmeldungen Steuerschulden in Höhe von 11.335,44 € bzw. 13.908,38 €. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 3. Januar 2012 wurde aufgrund des am selben Tag gestellten Insolvenzantrags ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen der KG bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am … Februar 2012 eröffnet.

2

In der Folgezeit erklärte der vom Insolvenzgericht bestellte Insolvenzverwalter die Anfechtung nach den §§ 129 und 130 der Insolvenzordnung (InsO) für Zahlungen der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin zahlte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die vereinnahmte Umsatzsteuer der Voranmeldungszeiträume Juli und August 2011 nebst Nebenleistungen --insgesamt 27.418,25 €-- dem Insolvenzverwalter zurück. Mit der Begründung, die Kläger hätten ihre Pflicht als Geschäftsführer verletzt, vom 11. Oktober 2011 bis zum 2. Januar 2012 für die KG fällige Steuern zu entrichten, erließ das FA auf § 69 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 34 AO gestützte Haftungsbescheide. Unter Ansatz von Steuerschulden in Höhe von 63.059,14 € sowie einer unstreitigen Haftungsquote von 40,64 % errechnete das FA eine Haftungsschuld von insgesamt 25.627,23 €, die es im erstinstanzlichen Verfahren auf 25.422 € herabsetzte. Die nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klagen hatten teilweise Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) urteilte, die verbundenen Klagen seien unbegründet, soweit die Kläger hinsichtlich des Voranmeldungszeitraums Juli 2011 jeweils für einen Betrag in Höhe von 4.543 € in Anspruch genommen worden seien. Beide Kläger seien Geschäftsführer und gesetzliche Vertreter der GmbH gewesen, die wiederum als Komplementärin die gesetzliche Vertreterin der KG gewesen sei. Ihre Pflichten hätten sie zumindest grob fahrlässig dadurch verletzt, dass sie trotz der schon seinerzeit bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten die für den Monat Juli 2011 angemeldete Umsatzsteuer in Höhe der Tilgungsquote nicht entrichtet hätten. Der Betrag sei erst im Oktober 2011 in mehreren Raten gezahlt worden. Die Pflichtverletzung sei auch ursächlich für den durch die Anfechtung und Rückzahlung der Beträge entstandenen Haftungsschaden gewesen, denn dieser beruhe nicht allein auf der späteren Anfechtung durch den Insolvenzverwalter. Erst durch die verspätete Zahlung im Oktober 2011 hätten die Kläger eine Anfechtung nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen ermöglicht. Ermessensfehler seien nicht erkennbar.

4

Die haftungsrechtliche Inanspruchnahme der Kläger für Umsatzsteuer des Voranmeldungszeitraums August 2011 sei indes rechtswidrig. Zwar hätten die Kläger gegen ihre Pflicht zur Anmeldung und fristgerechten Zahlung der Steuer verstoßen, doch sei diese Pflichtverletzung unter Beachtung der nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anzuwendenden Adäquanztheorie für den Haftungsschaden nicht kausal gewesen. Die Beträge seien im Oktober und November 2011 zunächst beglichen worden. Ein endgültiger Steuerschaden sei erst durch die Anfechtung des Insolvenzverwalters eingetreten, die als eigentliche Ursache anzusehen sei. Aufgrund der Dauerfristverlängerung wäre jedoch selbst eine fristgerechte Zahlung in den dreimonatigen Anfechtungszeitraum vor Stellung des Insolvenzantrags gefallen, so dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Anfechtung zu rechnen gewesen sei. Somit entfalle die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, ohne dass auf einen hypothetischen Kausalverlauf abgestellt werden müsste.

5

Darüber hinaus seien die angefochtenen Haftungsbescheide rechtswidrig, soweit sie die Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 beträfen. Zwar hätten die Kläger die ihnen als Geschäftsführer obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt, doch bestehe auch in diesen Fällen keine Kausalität zwischen dieser Pflichtverletzung und dem Steuerschaden. Die Anfechtungsmöglichkeit etwaiger Steuerzahlungen nach §§ 129 ff. InsO könne nicht als Entschuldigungsgrund anerkannt werden. Hypothetische Erwägungen seien nicht anzustellen. Auch liege hinsichtlich der Haftungsnorm des § 64 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) keine Pflichtenkollision vor. Denn selbst der letzte Fälligkeitstermin am 12. Dezember 2011 liege über drei Wochen vor dem Tage der Stellung des Insolvenzantrags. Der Rechtsprechung des BFH sei ein striktes Verbot jeglicher hypothetischer Betrachtung nicht zu entnehmen. Im Streitfall wäre der Schaden in jedem Fall eingetreten. Durch die Handlung der Geschäftsführer sei kein das Steueraufkommen gefährdender Vorteil entstanden. Bei Erlass der Haftungsbescheide habe das FA bereits von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter nach § 130 InsO im April 2012 und von der Erfüllung der Voraussetzungen dieser Vorschrift Kenntnis gehabt. Zugleich sei dem FA bewusst gewesen, dass es auch bei fristgerechter Zahlung der Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 den hier geltend gemachten Steuerschaden erlitten hätte, da diese Zahlungen ebenso angefochten worden wären.

6

Mit seiner Revision wendet sich das FA gegen die Auffassung des FG, es bestehe hinsichtlich eines Teils der Haftungsschuld keine Kausalität zwischen der vom FG angenommenen schuldhaften Pflichtverletzung und dem Eintritt des Steuerschadens. Im Streitfall sei tatsächlich nicht gezahlt worden, weshalb auch der Insolvenzverwalter nicht habe anfechten können. Hinsichtlich einer etwaigen insolvenzrechtlichen Anfechtung stelle das FG hypothetische Überlegungen an. Damit verkenne es, dass die Kläger durch die Nichtentrichtung fälliger Steuern eine reale Ursache für den Steuerschaden gesetzt hätten. Durch eine nur gedachte Anfechtung könne diese Ursache nicht entfallen. Nach der BFH-Rechtsprechung gebiete es der Schutzzweck des § 69 AO, nur den tatsächlichen Kausalverlauf zu berücksichtigen. Der bloße Umstand, dass das FA die Haftungsbescheide in Kenntnis der Anfechtung erlassen habe, rechtfertige es nicht, einen hypothetischen Kausalverlauf haftungsbeschränkend zu berücksichtigen. Im Zeitpunkt der Pflichtverletzung könnten noch keine zuverlässigen Feststellungen über die tatsächliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und über die Ausübung von Anfechtungsrechten getroffen werden. Nach der Ansicht des FG könnte ein Geschäftsführer innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag seine steuerlichen Pflichten vernachlässigen, ohne dass er haftungsrechtliche Folgen befürchten müsse. Die Durchsetzung des Haftungsanspruchs wäre somit mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

7

Das FA stellt den Antrag, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage auch hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 als unbegründet abzuweisen.

8

Die Kläger stellen den Antrag, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Kläger schließen sich der Rechtsauffassung des FG an, soweit dieses den angefochtenen Haftungsbescheid zu ihren Gunsten geändert hat. Im Streitfall habe die Fälligkeit der letzten Steuerschuld vor dem Insolvenzantrag gelegen. Auf hypothetische Kausalverläufe brauche im Streitfall nicht zurückgegriffen zu werden. Es finde vielmehr die Adäquanztheorie Anwendung.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt in Bezug auf die Umsatzsteuer der Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG hat das FA die Kläger zu Recht gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Durch die zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung der Nichtentrichtung fälliger Umsatzsteuern in Höhe der Haftungsquote haben die Kläger eine Ursache für den Eintritt des Steuerschadens gesetzt, der nicht entfällt, weil die geleisteten Zahlungen tatsächlich angefochten worden sind bzw. weil zumindest hinsichtlich der unterbliebenen Zahlungen die Möglichkeit einer Anfechtung nach §§ 129, 130 InsO bestanden hätte.

11

1. Nach den Feststellungen des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und daher für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend sind, haben die Kläger die ihnen als GmbH-Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Denn als Geschäftsführer und gesetzliche Vertreter der Komplementär-GmbH nach § 35 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 34 Abs. 1 AO hatten sie die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen. Die Umsatzsteuerschulden aus den Voranmeldungszeiträumen September und Oktober 2011 sind jedoch von ihnen nicht entrichtet worden. Zu Recht hat das FG geurteilt, dass sich die Kläger im Hinblick auf die Haftung nach § 64 GmbHG und eine etwaige Anfechtung nach § 130 InsO nicht auf eine entschuldigende Pflichtenkollision berufen können (vgl. Senatsentscheidungen vom 27. Februar 2007 VII R 67/05, BFHE 216, 491, BStBl II 2009, 348, und vom 4. Juli 2007 VII B 268/06, BFH/NV 2007, 2059).

12

2. Entgegen der Auffassung des FG besteht zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung der Kläger und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der Umsatzsteuern entstandenen Vermögensschadens ein adäquater Kausalzusammenhang, der nicht dadurch entfällt, dass Zahlungen, wenn sie innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet worden wären, aufgrund einer nachträglichen Betrachtung der Geschehensabläufe hätten angefochten werden können.

13

a) Der nach der BFH-Rechtsprechung zu fordernde Kausalzusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn der Steuerausfall als Vermögensschaden des Fiskus mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens des Steuerpflichtigen unabhängig davon eingetreten ist, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (Senatsurteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, m.w.N.). Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht auf die Fälle übertragen werden, in denen der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- noch über ausreichende Mittel verfügt, um nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung zumindest einen Teil der Umsatzsteuerschuld zu begleichen.

14

b) Verletzt ein gesetzlicher Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO zumindest grob fahrlässig seine Pflicht zur fristgemäßen Entrichtung von Steuern, setzt er mit seinem schuldhaften Verhalten eine Ursache, die bewirkt, dass dem FA die ihm zustehenden Steuerbeträge vorenthalten werden. Nach dem Sinn und Zweck des § 69 AO kann in diesen Fällen eine Schadenszurechnung nicht deshalb entfallen, weil bei nachträglicher Betrachtung des tatsächlichen Geschehensablaufs tatsächlich geleistete Zahlungen oder gedachte Zahlungen infolge einer Anfechtung nach insolvenzrechtlichen Vorschriften durch Erstattung der Beträge an die Finanzbehörde wieder hätten rückgängig gemacht werden müssen. Insoweit kann ein hypothetischer Kausalverlauf keine Berücksichtigung finden (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 AO Rz 21; Jatzke in Beermann/ Gosch, AO, § 69 Rz 46.1; Intemann in Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 69 Rz 55; a.A. Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 69 Rz 131a, und Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 AO Rz 32g).

15

aa) Die steuerliche Haftungsvorschrift des § 69 AO geht auf § 109 der Reichsabgabenordnung (RAO) zurück, dem zoll- und verbrauchsteuerrechtliche Haftungsvorschriften als Vorbild dienten, und mit dem das zivilrechtliche Vertretungsrecht in der RAO berücksichtigt und den steuerlichen Bedürfnissen angepasst werden sollte (Beermann, Haftungsbescheid nach der AO und Entschließungsermessen, in Festschrift für Franz Klein, S. 953, 961). Der haftungsrechtliche Zugriff auf gesetzliche Vertreter und Verfügungsberechtigte kann damit legitimiert werden, dass ihnen die Erfüllung steuerlicher Pflichten obliegt, die der Steuerpflichtige mangels eigener Handlungs- und Geschäftsfähigkeit nicht selbst erfüllen kann. Andererseits kommt in der Haftungsvorschrift auch das Bemühen des Gesetzgebers zum Ausdruck, der steuerrechtlichen Stellvertretung Schranken zu setzen und der Gefahr entgegenzuwirken, dass der Steuerpflichtige durch die Stellvertretung das Steueraufkommen gefährdende Vorteile erlangt (Tipke in Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 109 RAO Rz 1, m.w.N.). Durch den in § 69 AO normierten Haftungsanspruch soll der Vertreter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden steuerlichen Pflichten angehalten und das Steueraufkommen durch Schaffung einer Rückgriffsmöglichkeit gesichert werden.

16

bb) Vom Normzweck erfasst wird nicht nur die Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls, sondern auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. Die Pflicht zur pünktlichen Steuerzahlung dient nicht nur der Vermeidung des Verzugsschadens beim Fiskus, denn dieser Schaden wäre bereits durch Verzugszinsen auszugleichen. Auch zur Vermeidung sonstiger Schadensrisiken, wie z.B. einer verminderten Leistungsfähigkeit, wollte der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Steuerzahlung anhalten. Gerade in Zeiten der Krise kommt der Pflicht zur pünktlichen Zahlung der Steuer eine erhöhte Bedeutung zu. Sie soll den Fiskus nicht nur davor schützen, dass der Steuerschuldner zahlungsunfähig wird, bevor er (verspätet) bereit ist, seine Steuerschulden zu begleichen, sondern auch vor allen sonstigen Risiken verspäteter Zahlungsbereitschaft (zur Schadenszurechnung bei der Lohnsteuer vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342).

17

cc) Die Erreichung der dargestellten Zwecke würde gefährdet, wenn tatsächliche oder nur gedachte Anfechtungen nach § 130 InsO von vornherein zu einem Wegfall der Kausalität zwischen einer schuldhaften Pflichtverletzung und dem endgültigen Steuerausfall führten. Denn ein gesetzlicher Vertreter könnte in Kenntnis einer Überschuldung oder einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllung der ihm als Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO obliegenden steuerlichen Pflichten mit dem Hinweis vernachlässigen, dass, wenn er Steuerzahlungen vornähme, diese ohnehin der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO ausgesetzt seien und er infolgedessen auch nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könne. Sofern ein Schuldner bzw. dessen gesetzlicher Vertreter beabsichtigt, nach § 18 Abs. 1 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst zu beantragen, könnte er unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Termins für die Antragstellung aus haftungsrechtlicher Sicht für einen Zeitraum von drei Monaten vor diesem Datum gefahrlos von der Entrichtung fälliger Steuern absehen. In solchen Fällen kann zum Zeitpunkt der Nichtentrichtung fälliger Steuern jedoch noch keine zuverlässige Aussage darüber getroffen werden, ob es tatsächlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen wird und ob im Fall der Eröffnung eines solchen Verfahrens eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO überhaupt erfolgen und auch erfolgreich sein würde (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, BFHE 217, 233, 238, BStBl II 2008, 273). Somit hätte es der gesetzliche Vertreter in der Hand, durch Stellung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung und ein vorher darauf abgestimmtes Zahlungsverhalten dem Fiskus einen endgültigen Steuerschaden zuzufügen, ohne dass diesem die Möglichkeit zur Geltendmachung eines steuerlichen Haftungsanspruchs eröffnet wäre. Diese Folgen liefen dem Sinn und Zweck der in § 69 AO getroffenen Regelungen zuwider.

18

c) Im Übrigen ist es aus steuerrechtlicher Sicht nicht geboten, die für zivilrechtliche Schadensersatznormen, vor allem § 823 und § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), entwickelten Grundsätze auf § 69 AO zu übertragen. Wie der BFH entschieden hat, bestehen zwischen den Schadensersatznormen des Zivilrechts und der steuerrechtlichen Haftungsvorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende gewichtige Unterschiede (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1972 VI R 187/68, zu § 109 RAO, BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364). Wiederholt hat der BFH darauf hingewiesen, dass § 69 AO lediglich Schadensersatzcharakter besitzt (Senatsentscheidungen vom 1. August 2000 VII R 110/99, BFHE 192, 249, BStBl II 2001, 271; vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678; vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859). Die auf § 69 AO gestützte Haftung begründet eine Sonderverbindlichkeit gegenüber dem Fiskus, die den Individualansprüchen aus rechtsgeschäftlicher Haftung, Vertrauenshaftung und unerlaubter Handlung vergleichbar ist, ohne diesen Anspruchsgrundlagen genau zu entsprechen (Senatsbeschluss vom 2. November 2001 VII B 155/01, BFHE 197, 1, BStBl II 2002, 73). Auch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der sog. hypothetischen Kausalität nicht um ein Problem der Kausalität, sondern um eine Frage der Schadenszurechnung handelt (Schiemann in Staudinger, Kommentar zum BGB mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearbeitung 2005, § 249 Rz 93; Oetker in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 249 BGB Rz 208; Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., Vorbem. zu § 249 BGB Rz 96; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 7. Juni 1988 IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355). Denn ein nur gedachter Geschehensablauf kann die Kausalität einer realen Ursache nicht beseitigen. Nach der BGH-Rechtsprechung ist es daher eine für verschiedene Fallgruppen durchaus unterschiedlich zu beantwortende Wertungsfrage, inwieweit hypothetische Kausalverläufe geeignet sind, eine an sich gegebene Haftung zu beeinflussen (BGH-Urteil in BGHZ 104, 355, 360). Auszugehen ist vom Schutzzweck der jeweils verletzten Norm (Schiemann in Staudinger, a.a.O., § 249 BGB Rz 94).

19

3. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Überlegungen haben die Kläger im Streitfall durch die pflichtwidrige Nichtabführung fällig gewordener Steuerbeträge eine reale Ursache für den Eintritt eines Vermögensschadens in Form eines Steuerausfalls gesetzt, so dass die Kausalität dieser Ursache für den Schadenseintritt durch eine zu vermutende Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht rückwirkend beseitigt werden kann. Es bleibt dabei, dass durch die schuldhafte Pflichtverletzung der Kläger dem Fiskus ein diesem geschuldeter Abgabenbetrag vorenthalten worden ist, weshalb die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach § 69 AO erfüllt sind.

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 und 2 FGO. Mit Schriftsatz vom 2. April 2015 hat das FA die Revision hinsichtlich des Voranmeldungszeitraums August 2011 zurückgenommen, insoweit wird ab diesem Zeitpunkt von einem geminderten Streitwert ausgegangen.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

(1) Im Vollstreckungsverfahren werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Schuldner dieser Kosten ist der Vollstreckungsschuldner.

(2) Für das Mahnverfahren werden keine Kosten erhoben.

(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.

(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:

1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten),
2.
die Vorschriften des Zweiten Teils(Steuerschuldrecht),
3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84(Allgemeine Verfahrensvorschriften),
4.
die Vorschriften des Vierten Teils(Durchführung der Besteuerung),
5.
die Vorschriften des Fünften Teils(Erhebungsverfahren),
6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2,
7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3,
8.
die Vorschriften des Achten Teils(Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).

(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.

Soweit die Vollstreckung in Bundesgesetzen abweichend von diesem Gesetz geregelt ist, sind für Bundesbehörden und bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden; § 1 Abs. 3 bleibt unberührt.

(1) Im Vollstreckungsverfahren werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Schuldner dieser Kosten ist der Vollstreckungsschuldner.

(2) Für das Mahnverfahren werden keine Kosten erhoben.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, in Fällen der §§ 370, 373 oder 374 zehn Jahre.

Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

1. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 25. Mai 2010 - IX B 179/09 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes und wird aufgehoben. Das Verfahren wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

4. ...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Mittelbar wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Verfassungsmäßigkeit des Verlustverrechnungsverbots gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 geltenden Fassung.

I.

2

1. Der mit seiner Ehefrau zusammen veranlagte Beschwerdeführer unternahm in den Streitjahren 2002 bis 2004 Stillhaltergeschäfte auf Terminkontrakte und Devisentermingeschäfte. Er erhielt als Stillhalter bei Abschluss des Optionsgeschäfts Prämien und verpflichtete sich im Gegenzug, am festgelegten Fälligkeitstermin bei Ausübung der Option durch den Käufer das Basisgeschäft (Lieferung oder Abnahme des Basiswerts zum festgelegten Preis) durchzuführen oder einen entsprechenden Ausgleich in Geld zu leisten. Er vereinnahmte in den Streitjahren Stillhalterprämien in Höhe von 18.015.940 € (2002), 20.466.199 € (2003) und 53.096.641 € (2004). Die Verluste aus den Basisgeschäften betrugen 9.477.720 € (2002), 43.402.481 € (2003) sowie 40.459.122 € (2004).

3

Das Finanzamt erfasste in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 die Stillhalterprämien als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG, ließ aber eine Verrechnung mit den Verlusten aus den privaten Veräußerungsgeschäften (Basisgeschäften) aufgrund des Verlustverrechnungsverbots gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG nicht zu, sondern stellte die Verluste nach § 10d EStG gesondert fest. Über die Einsprüche des Beschwerdeführers gegen die Einkommensteuerfestsetzungen sowie gegen die Ablehnung seines Antrags auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung (AO) hat das Finanzamt bisher noch nicht entschieden.

4

2. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 lehnte das Finanzamt ab. Auf Antrag des Beschwerdeführers gewährte das Finanzgericht München in seinem Beschluss vom 12. August 2009 - 1 V 1193/09 - (EFG 2009, S. 2035 ff.) teilweise Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004 bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung. Es gewährte insoweit Aussetzung der Vollziehung der Steuerfestsetzung, als sich nach einer Verrechnung der vom Beschwerdeführer vereinnahmten Stillhalterprämien mit den Verlusten aus den Basisgeschäften sowie einem Verlustrück- bzw. -vortrag der nicht verrechneten Verluste aus den Basisgeschäften aus dem Jahr 2003 in das Jahr 2002 bzw. 2004 im Ergebnis keine positiven Einkünfte aus den Stillhaltergeschäften mehr ergeben.

5

3. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 25. Mai 2010 - IX B 179/09 - (BFH/NV 2010, S. 1627) den Beschluss des Finanzgerichts auf und lehnte den Antrag, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004 auszusetzen, ab. Nach seiner Auffassung bestehen für die Streitjahre keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide.

6

Es sei entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht ernstlich zweifelhaft, dass nach § 22 Nr. 3 EStG zu versteuernde Einkünfte aus Stillhalterprämien nicht mit Verlusten aus Basisgeschäften auszugleichen seien. Nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG dürften Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt habe, ausgeglichen werden; sie dürften nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG minderten die Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangehenden Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG erzielt habe oder erziele. Dieser Gesetzeslage widerspreche der angefochtene Beschluss.

7

Eine Umqualifizierung der Einkünfte gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 4 EStG in solche nach § 22 Nr. 3 EStG in Höhe der vom Steuerpflichtigen im Eröffnungsgeschäft kassierten Stillhalterprämien komme nicht in Betracht. Verluste aus einem Basisgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG seien auch nicht durch die Gewährung der Option veranlasst und deshalb nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei den Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG abziehbar. Zudem hätten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bereits systematisch Vorrang vor den sonstigen Einkünften, wie sich aus § 22 Nr. 3 EStG explizit ergebe. Daher könne nicht umgekehrt das nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG (oder nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) steuerbare Basisgeschäft in den Anwendungsbereich des § 22 Nr. 3 EStG einbezogen werden. Dagegen spreche neben der Subsidiarität des § 22 Nr. 3 EStG gegenüber § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG das von der Rechtsprechung seit jeher zugrunde gelegte systemtragende Trennungsprinzip zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft. Zwischen das die Prämienzahlung auslösende Eröffnungsgeschäft (Stillhaltergeschäft) und die erlittenen Verluste trete das Basisgeschäft als eigenständige Erwerbsquelle. Überdies führe die Lösung des Finanzgerichts durch Umqualifizierung der Einkünfte aus den Basisgeschäften in Höhe der vereinnahmten Stillhalterprämien in solche aus § 22 Nr. 3 EStG zu Widersprüchen: Stünden nämlich die Verluste aus allen Basisgeschäften tatsächlich in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Stillhalterprämien, müsste man sie - ohne sie aufzusplitten - auch in vollem Umfang § 22 Nr. 3 EStG zurechnen. Es liege auf der Hand, dass ein derartiges Ergebnis die Systematik des § 22 Nr. 2 und 3 EStG contra legem umkehren würde.

8

Es bestünden auch keine Wertungswidersprüche zum Glattstellungsgeschäft. Ebenso wenig verstoße die Besteuerung der Options- und Termingeschäfte gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Vielmehr sei ihr Ergebnis (kein Abzug der im Basisgeschäft erlittenen Verluste bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG) die folgerichtige Ausprägung der Systematik des § 22 Nr. 2 und 3 EStG. Auch die Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften durch § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG sei verfassungsgemäß. Die Ausprägungen des Trennungsprinzips führten deshalb entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht zu einer übermäßigen Besteuerung. Im Gegenteil: Anders als noch zur früheren Rechtslage vor Geltung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG falle ein durch einen Barausgleich vermittelter Verlust im Basisgeschäft nicht mehr auf der nicht steuerbaren Vermögensebene an, sondern könne im Rahmen der Einkunftsart des § 22 Nr. 2 EStG (private Veräußerungsgeschäfte, § 23 Abs. 1 EStG) ausgeglichen oder abgezogen werden.

II.

9

Mit der am 3. August 2010 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen den am 6. Juli 2010 zugestellten Beschluss des Bundesfinanzhofs und mittelbar gegen das Verlustverrechnungsverbot gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG in der für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 geltenden Fassung. Er macht geltend, durch diese Hoheitsakte in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3, Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 14 GG verletzt worden zu sein. Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des Bundesfinanzhofs aufzuheben und dem Finanzamt München bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG aufzugeben, die Steuerbeträge der Jahre 2002 bis 2004, hinsichtlich derer die Aussetzung der Vollziehung beantragt wird, soweit sie noch offen sind, einstweilen nicht fällig zu stellen, hilfsweise Vollstreckungsaufschub zu gewähren.

10

Da in den Streitjahren 2002 bis 2004 die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften die vereinnahmten Stillhalterprämien im Ergebnis überstiegen, werde durch die Steuerfestsetzung gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoßen. Die Besteuerung habe erdrosselnde Wirkung und greife in das grundrechtlich geschützte Existenzminimum ein. Daher sei das Verrechnungsverbot des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG einzuschränken, um eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung zu vermeiden. Bis zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen hinsichtlich der grundrechtlich gebotenen Grenzen des Verlustverrechnungsverbots bestehe ein grundrechtlich verbürgter Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung, welcher durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verletzt worden sei. Ergehe keine einstweilige Anordnung, habe die Verfassungsbeschwerde jedoch später Erfolg, bestehe die Gefahr, dass aufgrund der zwischenzeitlichen Steuererhebung einschließlich Vollstreckungshandlungen die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers vernichtet werde. Dagegen entstehe bei einer Aussetzung der Vollziehung für die öffentliche Hand lediglich ein Zinsschaden, der dadurch kompensiert werde, dass bei einer späteren Erhebung auch ein höherer Zinsbetrag wegen des längeren Verzinsungszeitraums beansprucht werden könne.

III.

11

Das Bundesverfassungsgericht hat den Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von dieser Möglichkeit haben die Bundesregierung und der Bundesfinanzhof Gebrauch gemacht.

12

1. Zu der Verfassungsbeschwerde hat für die Bundesregierung das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen. Es hat ausgeführt, die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet, da die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG verfassungsgemäß sei. Die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs und seine Rechtsprechung zum Trennungsprinzip bei der Besteuerung von Optionsgeschäften seien auch nicht willkürlich.

13

2. Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs verweist in seiner Stellungnahme auf seinen hier angegriffenen Beschluss, in dem er sich zur Verfassungsmäßigkeit der streitigen Regelung geäußert habe. Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung liege das systemtragende Trennungsprinzip zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft zugrunde. Dies verhindere, Risiken aus hochspekulativen Geschäften auf die Allgemeinheit zu verlagern.

IV.

14

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs wendet, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und - in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise - auch offensichtlich begründet, da der Beschluss des Bundesfinanzhofs den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 35, 263 <274 f.>; 35, 382 <401 f.>; 93, 1 <13>) (1). Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (2).

15

1. Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss des Bundesfinanzhofs verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG und ist nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen

16

a) Der Beschwerdeführer hat zwar nur Art. 1 Abs. 1, Art. 3, Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 14 GG als verletzt bezeichnet. Das hindert jedoch nicht eine Prüfung des angegriffenen Beschlusses auch am Maßstab des Art. 19 Abs. 4 GG. Der Beschwerdeführer hat den maßgeblichen Sachverhalt vorgetragen und gerügt, der Bundesfinanzhof habe seinen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf Aussetzung der Vollziehung verletzt. Damit hat er einen möglichen Verstoß auch gegen die Grundrechtsnorm des Art. 19 Abs. 4 GG dargelegt und dem Begründungserfordernis der §§ 23, 92 BVerfGG genügt. Eine ausdrückliche Benennung des als verletzt gerügten Grundrechtsartikels verlangen diese Vorschriften nicht (vgl. BVerfGE 79, 174 <201>; 84, 366 <369>).

17

b) Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet den Rechtsweg gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch ein Verhalten der öffentlichen Gewalt. Gewährleistet wird nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 35, 382 <401 f.> m.w.N.). Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeten Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfGE 37, 150 <153>; 65, 1 <70>). Hieraus ergeben sich für die Gerichte Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 49, 220 <226>; 77, 275 <284>; 93, 1 <13 f.>).

18

c) Diesen Anforderungen wird der Beschluss des Bundesfinanzhofs wegen der unzureichenden Abwägung der gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers und des Allgemeinwohls bei der Vollstreckung der Steuerschuld nicht gerecht.

19

aa) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. zum Beispiel BFH BStBl II 2001, S. 411 = BFHE 194, 157). An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Falle der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (vgl. BFH BStBl II 1984, S. 454 = BFHE 140, 396).

20

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BFH, Beschluss vom 5. März 1998 - VII B 36/97 -, BFH/NV 1998, S. 1325 <1328 f.>, m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt eine Aussetzung der Vollziehung bei Vorliegen einer unbilligen Härte allerdings nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BFH, Beschluss vom 2. November 2004 - XI S 15/04 -, BFH/NV 2005, S. 490 <492>, m.w.N.; Koch, in: Gräber, Kommentar zur FGO, 7. Aufl. 2010, § 69 Rn. 107). Sind Zweifel fast ausgeschlossen, ist eine Aussetzung der Vollziehung selbst dann nicht zulässig, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (BFH BStBl II 1968, S. 84 = BFHE 90, 318; BStBl II 1968, S. 538 = BFHE 92, 314).

21

bb) In der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof seine Prüfung darauf beschränkt, ob das Finanzgericht München ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ausgesetzten Einkommensteuerbescheide zu Unrecht bejaht hat. Aufgrund seiner ständigen Rechtsprechung zur grundsätzlichen Trennung der Besteuerung von Options- und Basisgeschäften und zur Verfassungsmäßigkeit des Verlustverrechnungsverbots gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG hat er ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen verneint. Nicht in seine Überprüfung miteinbezogen hat er jedoch die Frage, ob eine Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative FGO zu gewähren ist, da die Vollziehung für den Beschwerdeführer eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

22

Diese Prüfung wäre jedoch unter Beachtung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten gewesen, da die Vollstreckung der in den Streitjahren gegen den Beschwerdeführer festgesetzten Einkommensteuer (zuzüglich Solidaritätszuschlag und Zinsen) in Höhe von ca. 50.000.000 € bei einem tatsächlich vorhandenen Vermögen von ca. 22.000.000 € voraussichtlich zur Insolvenz des Beschwerdeführers führen würde und der dadurch eintretende Schaden bei Rückzahlung der eingezogenen Beträge im Falle des Erfolgs des Einspruchsverfahrens nicht ausgeglichen werden könnte. Die Vollstreckung vor einer Entscheidung des Finanzamts über die angefochtenen Einkommensteuerbescheide ist durch das öffentliche Interesse an dem Einzug der noch nicht bestandskräftig festgesetzten Steuern nicht gerechtfertigt, zumal es das Finanzamt selbst in der Hand hat, durch den Erlass der Einspruchsentscheidung die Aussetzung der Vollziehung - vorerst - zu beenden.

23

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2004 auch nicht völlig ausgeschlossen. Dies ergibt sich bereits aus den Stellungnahmen in der Literatur, die die getrennte Erfassung von Options- und Basisgeschäft bei der Einkommensbesteuerung für verfassungswidrig halten (vgl. Weber-Grellet, in: Schmidt, Kommentar zum EStG, 29. Aufl. 2010, § 20 Rn. 149; Zanzinger, DStR 2010, S. 149 ff.; Hahne/Krause, BB 2008, S. 1101 f.) bzw. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Verlustverrechnungsverbots nach § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG äußern (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 9 Rn. 559; Strahl/Fuhrmann, FR 2003, S. 387 <391>; Dechant, Die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte in systematischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht, 2006, S. 263 ff.). Der Bundesfinanzhof hat diesen - auch vom Beschwerdeführer geltend gemachten - Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung unter Verkennung der Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick darauf, dass im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch keine endgültige Entscheidung zu treffen ist, bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen zu wenig Bedeutung beigemessen. Aus diesem Grund ist die Entscheidung des Bundesfinanzhofs aufzuheben und das Verfahren an den Bundesfinanzhof zurückzuverweisen.

24

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

25

a) Der Annahme steht insoweit der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, der erfordert, dass der Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken. Für Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes folgt daraus, dass die Erschöpfung des Rechtswegs im Eilverfahren nicht ohne weiteres ausreicht, um die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zu begründen, wenn das Hauptsacheverfahren ausreichende Möglichkeiten bietet, der Grundrechtsverletzung abzuhelfen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn mit der Verfassungsbeschwerde ausschließlich Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 86, 15 <22 f.>). Der Subsidiaritätsgrundsatz soll vor allem sichern, dass durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere auch der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden; zugleich wird damit der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung entsprochen, nach der vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen gewähren (vgl. BVerfGE 68, 376 <380> m.w.N.).

26

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Beschwerdeführer hinsichtlich der Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Besteuerung von Stillhaltergeschäften auf Terminkontrakten und Devisentermingeschäfte gegen die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3, Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 14 GG verstößt, bzw. ob die mittelbar mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Regelung des § 23 Abs. 3 Sätze 8 und 9 EStG in der für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 geltenden Fassung verfassungswidrig ist, auf die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache zu verweisen. Die Verfassungsbeschwerde betrifft insoweit ausschließlich Grundrechtsverletzungen, die sich nicht auf die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes, sondern auf die Hauptsache beziehen, nämlich auf die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide, die im Hauptsacheverfahren zu prüfen ist.

27

3. Mit der Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG). Für eine solche Anordnung besteht auch kein Bedürfnis, da mit der Aufhebung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs der dem Beschwerdeführer einstweiligen Rechtsschutz gewährende Beschluss des Finanzgerichts München vom 12. August 2009 - 1 V 1193/09 - wieder wirksam wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. September 2009 - 1 BvR 1702/09 -, EuGRZ 2009, S. 653 <658>; Stark, in: Umbach/ Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl. 2005, § 95 Rn. 70).

28

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG. Dem Beschwerdeführer ist lediglich die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten, da die Verfassungsbeschwerde nur teilweise Erfolg hat (vgl. BVerfGE 101, 54 <55>; 101, 331 <360>; 103, 142 <143, 163 f.>).

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) betreibt ein Kernkraftwerk. Nachdem sie in den Kernreaktor Brennelemente eingesetzt und anschließend eine selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst hatte, was zur Steuerentstehung nach § 5 Abs. 1 des Kernbrennstoffsteuergesetzes (KernbrStG) führte, gab sie für den Monat, in dem die Steuer entstanden war, eine Steueranmeldung ab. Die in der Steueranmeldung berechnete Steuer ist zunächst bezahlt worden. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, worauf die Antragstellerin Klage erhob. Außerdem stellte sie einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (AdV).

2

Das Finanzgericht (FG) hat durch Beschluss die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung mit der Begründung aufgehoben, es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Kernbrennstoffsteuer dem verfassungsrechtlichen Typus einer Verbrauchsteuer entspreche und ob dem Bund für die Einführung einer solchen Steuer die Gesetzgebungskompetenz zustehe. Auf die vom Antragsgegner und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --HZA--) erhobene Beschwerde hat der beschließende Senat mit Beschluss vom 9. März 2012 VII B 171/11 (BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418) den Beschluss des FG aufgehoben und den Antrag auf AdV abgelehnt. Zur Begründung verwies der Senat unter Beachtung der Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) auf die Notwendigkeit eines besonderen berechtigten Interesses des Antragstellers, welches im Streitfall nach der gebotenen Interessenabwägung nicht vorliege, weil die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einem einstweiligen Außerkraftsetzen des KernbrStG gleichkäme und mit Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe verbunden sei. Dass der Antragstellerin durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohe, habe sie nicht schlüssig dargelegt.

3

Mit Beschluss vom 29. Januar 2013  4 K 270/11 (Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft --EnWZ-- 2013, 422) hat das FG das Klageverfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob das KernbrStG mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar und deshalb ungültig sei. Dabei ist das FG zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Kernbrennstoffsteuer um eine formell verfassungswidrige Steuer handele, weil sie keine Verbrauchsteuer sei und infolgedessen dem Bund zum Erlass des KernbrStG die Gesetzgebungskompetenz gefehlt habe. Eine Entscheidung des BVerfG in der Sache 2 BvL 6/13 steht noch aus.

4

Ein Parallelverfahren hat das FG mit Beschluss vom 19. November 2013  4 K 122/13 (EnWZ 2014, 233) ebenfalls ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Vereinbarkeit des KernbrStG mit unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere mit der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 283/51) und mit Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestellt. Dabei hat das FG seine Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts damit begründet, dass die EnergieStRL der Einführung einer nationalen Steuer auf zur gewerblichen Stromerzeugung verwendete Kernbrennstoffe entgegenstehe und es sich bei der Kernbrennstoffsteuer um eine Abgabe handeln könnte, die gegen das Beihilfeverbot (Art. 107 Abs. 1 AEUV) und gegen die Regelungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft verstoße. Über das Vorabentscheidungsersuchen (C-5/14) hat der EuGH noch nicht entschieden.

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Nachdem der erneute Antrag auf AdV der angefochtenen Steueranmeldung vom HZA abgelehnt worden war, hat die Antragstellerin unter Hinweis auf die Vorlagebeschlüsse des FG bei diesem abermals beantragt, die Vollziehung der Steueranmeldung aufzuheben. Daraufhin hat das FG die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung mit Wirkung ab Fälligkeit der Steuer aufgehoben und bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen eine das erstinstanzliche Verfahren der Hauptsache abschließende Entscheidung ausgesetzt. In seiner Begründung geht das FG aufgrund der inzwischen gefassten Vorlagebeschlüsse von veränderten Umständen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der EuGH in der Einführung der Kernbrennstoffsteuer eine Verletzung von Unionsrecht sehen werde, bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steueranmeldung. Zudem sei es sogar wahrscheinlich, dass das KernbrStG gegen die EnergieStRL und gegen die Richtlinie 2008/118/EG (VStSystRL) des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABlEU Nr. L 9/12) verstoße. Dabei ergebe sich die Unionsrechtswidrigkeit aufgrund einer analogen Anwendung des einer Input-Besteuerung entgegenstehenden Art. 14 Abs. 1 EnergieStRL und aufgrund des Fehlens einer von Art. 1 Abs. 2 VStSystRL geforderten besonderen Zwecksetzung der als indirekte Steuer auf elektrischen Strom einzustufenden Kernbrennstoffsteuer. Darüber hinaus sei die AdV auch wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG zu gewähren, denn die ursprünglichen Zweifel an dessen Verfassungskonformität hätten sich nunmehr zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des KernbrStG verdichtet, wie die Vorlage an das BVerfG belege. Zumindest in Bezug auf die durch das Unionsrecht begründeten Zweifel bedürfe es keines zusätzlichen besonderen Interesses der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zweifel liege ein solches Interesse aufgrund der Befassung des BVerfG nunmehr vor. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Vorlagebeschluss von einem FG oder vom Bundesfinanzhof (BFH) gefasst worden sei. Von der Anforderung einer Sicherheitsleistung sei abzusehen, weil das HZA keine Umstände hinreichend substantiiert vorgebracht habe, die eine Sicherheitsleistung geboten erscheinen ließen. Eine hinreichend konkrete Gefährdungssituation habe das HZA nicht belegt.

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Mit seiner Beschwerde begehrt das HZA die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags auf AdV der angefochtenen Steueranmeldung, hilfsweise, die AdV nur gegen Sicherheitsleistung anzuordnen. Da aufgrund der Vorlagebeschlüsse des FG keine veränderten Umstände i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO vorlägen, sei der Antrag auf AdV unzulässig. Fehl gehe die Annahme des FG, bereits eine Vorlage an das BVerfG begründe ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, so dass aufgrund der Bindungswirkung in jedem Fall vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden müsse. Im Übrigen bestünden hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG --insbesondere am Verbrauchsteuercharakter der Kernbrennstoffsteuer und an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes-- keinerlei ernstliche Zweifel. Einstweiliger Rechtsschutz sei auch aufgrund der Vorlage an den EuGH nicht geboten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die an ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV zu stellenden Anforderungen wesentlich geringer seien als die Voraussetzungen für die Gewährung einer AdV. Ein Gericht könne bereits bei geringen Zweifeln den EuGH anrufen, während die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ein höheres Maß an Zweifeln erfordere. Nach der Rechtsprechung des BFH gehe von einem Vorabentscheidungsersuchen eines FG keine Bindungswirkung aus. Auch im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer. In diese Richtung wiesen auch die in der Rechtssache C-5/14 abgegebenen schriftlichen Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Kommission und der Republik Finnland sowie die schriftlichen Erklärungen der Europäischen Kommission in der Rechtssache C-606/13. Insbesondere sei die Kernbrennstoffsteuer keine indirekte Steuer auf Strom, die in den Anwendungsbereich der EnergieStRL falle, und auch keine selektiv begünstigende staatliche Beihilfe. Auch in Anbetracht der Vorlagebeschlüsse des FG sei eine Entscheidung unter Abwägung des Individualinteresses der Antragstellerin und des öffentlichen Vollzugsinteresses zu treffen. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes führe zur vorläufigen Nichtanwendung des KernBrStG und damit zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Das öffentliche Interesse des Bundes an einer geordneten Haushaltsführung sei höher zu gewichten als das Individualinteresse der Antragstellerin. Schließlich habe die Antragstellerin keine hinreichenden Gründe für die Annahme vorgetragen, durch die Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung drohten nicht wiedergutzumachende wirtschaftliche Nachteile, so dass von einer Gefährdung ihrer Existenz ausgegangen werden müsse. Entgegen der Auffassung des FG bestehe aufgrund der Einkommens- und Vermögenslage der Antragstellerin --insbesondere unter Berücksichtigung des Eigenkapitals und der hohen Rückstellungen-- ein Sicherungserfordernis, so dass einstweiliger Rechtsschutz allenfalls gegen eine entsprechende Sicherheitsleistung gewährt werden könne.

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Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an. Allein das Vorabentscheidungsersuchen des FG an den EuGH begründe ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung, zumal eine inhaltliche Auseinandersetzung des BFH mit den gegen das KernbrStG erhobenen unionsrechtlichen Bedenken noch nicht stattgefunden habe. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei auch unter dem Gesichtspunkt des effet-utile-Grundsatzes geboten. Da unionsrechtliche Zweifel bestünden, bedürfe es ihrerseits keines besonderen Interesses, weshalb auch eine Abwägung mit öffentlichen Interessen an einer geordneten Haushaltsführung nicht statthaft sei. Auch komme es auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit den für das Hauptsacheverfahren bedeutsamen unions- und verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht an. Für eine Gefährdung des Steueranspruchs habe das HZA keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt, so dass die AdV ohne Sicherheitsleistung zu gewähren sei. Allein die voraussichtliche Dauer des Verfahrens und die Höhe der Steuernachforderungen könnten die Anforderung einer Sicherheitsleistung nicht rechtfertigen. Im Übrigen bestünden ausweislich des Geschäftsberichts für das Jahr 2013 auch keine konkreten Anhaltspunkte für das Anfallen weiterer Verluste, die zu einer Zahlungsunfähigkeit führen könnten. Ihre aktuelle wirtschaftliche Situation sei gut, sie verfüge zudem über ein kurzfristiges liquides Vermögen und ein Anlagevermögen. In Hinblick auf die streitgegenständlichen Steuerbeträge und etwa anfallende Zinsen habe sie durch liquide Konzernforderungen gesicherte Rückstellungen gebildet, die selbst unter Berücksichtigung der Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung von Kernbrennstoffen bis Ende 2016 und des Standortauswahlgesetzes nicht korrigiert werden müssten. Im Übrigen seien die Stellung einer Bankbürgschaft, die Hinterlegung von Anleihen oder Barhinterlegungen unzumutbar.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf AdV.

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1. Entgegen der Auffassung des HZA ist der erneute Antrag auf AdV zulässig. Da die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nicht in materielle Rechtskraft erwächst, steht es der Antragstellerin frei, unter den in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO festgelegten Voraussetzungen jederzeit einen neuen Antrag zu stellen. Jedoch kann sie eine erneute Entscheidung in der Sache nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände herbeiführen. Hinsichtlich der unionsrechtlichen Fragestellungen liegen die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des FG vor. Denn dieses ist an den EuGH erst nach der Entscheidung über den Antrag auf AdV und dem Senatsbeschluss in BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418 gerichtet worden (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2013 V B 68/13, BFH/NV 2014, 173, und Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, FGO, § 69 FGO Rz 166, unter Hinweis auf ein unveröffentlichtes Urteil des Hessischen FG vom 22. Oktober 2008  7 V 2514/08). Wegen somit veränderter Umstände ist es unerheblich, ob die im Unionsrecht begründeten Zweifel bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätten vorgebracht werden können. Auch ist es unerheblich, dass nicht der BFH, sondern ein erstinstanzliches Gericht den EuGH angerufen hat. Ob die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO auch im Hinblick auf den Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG vorliegen, bedarf aufgrund der Zulässigkeit des Antrags keiner Entscheidung.

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2. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts oder hätte seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge, hat das FG im Regelfall dessen Vollziehung auszusetzen oder im Fall eines bereits vollzogenen Verwaltungsakts die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 FGO). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann trotz Vorliegens solcher Zweifel die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt werden.

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a) Ein solcher atypischer Fall kommt in Betracht, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454). Ist dies der Fall, setzt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes (d.h. im Sinne eines ordnungsgemäßen Gesetzgebungsvorgangs) zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus (BFH-Beschlüsse vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; vom 30. Januar 2001 VII B 291/00, BFH/NV 2001, 1031, und vom 17. März 1994 VI B 154/93, BFHE 173, 554, BStBl II 1994, 567).

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aa) Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse vom 21. November 2013 II B 46/13, BFHE 243, 162, BStBl II 2014, 263; in BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104, und vom 20. Mai 1992 III B 100/91, BFHE 168, 174, BStBl II 1992, 729). Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558).

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Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die AdV einer Steueranmeldung wegen der vom FG angenommenen Verfassungswidrigkeit des KernbrStG nicht nur die konkrete Steueranmeldung der Antragstellerin im Streitfall betrifft. Sie wäre vielmehr in gleicher Weise sämtlichen Adressaten des KernbrStG für jeden Fall einer Steueranmeldung zu gewähren und bedeutete deshalb im Ergebnis die vorläufige Außervollzugsetzung des gesamten ordnungsgemäß zustande gekommenen Steuergesetzes bis zur Entscheidung des BVerfG, d.h. für einen nicht absehbaren Zeitraum.

14

Die Befugnis, eine solche Rechtsfolge herbeizuführen, steht jedoch nur dem BVerfG zu, dem allein die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes sowie der sich aus der Nichtigkeit ergebenden Konsequenzen vorbehalten ist und das nach § 32 BVerfGG einen streitigen Zustand bis zu seiner Entscheidung vorläufig regeln, also auch ein Gesetz, über dessen Verfassungsmäßigkeit zu entscheiden ist, vorläufig außer Vollzug setzen kann. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Ohne Rücksicht auf die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechenden Gründe sind die Nachteile des Ausbleibens einer vorläufigen Maßnahme gegen die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn die Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes erginge, die Verfassungsbeschwerde aber schließlich ohne Erfolg bliebe (BVerfG-Beschluss vom 27. Juni 2013  1 BvR 1501/13, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2013, 1145, m.w.N.). Von dieser Möglichkeit ist nach Auffassung des BVerfG nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch zu machen, denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein Gesetz stellt stets einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dar, so dass die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, ein besonderes Gewicht haben müssen (BVerfG-Beschlüsse in NVwZ 2013, 1145, und vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, BVerfGE 104, 23, 27 f.).

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Auch wenn die Antragstellerin im konkreten Normenkontrollverfahren nicht nach § 32 BVerfGG, sondern allein beim FG gemäß § 69 FGO vorläufigen Rechtsschutz beantragen kann, ist jedenfalls für den Fall, dass --wie vorliegend-- die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch ein Fachgericht gleichbedeutend ist mit der Außervollzugsetzung eines kompletten Gesetzes, kein Grund ersichtlich, weshalb das Fachgericht insoweit weniger strengen Anforderungen unterliegen sollte als das BVerfG.

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bb) Wie das BVerfG entschieden hat, verstößt eine solche Interessenabwägung --die auch das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltsführung berücksichtigt-- nicht grundsätzlich gegen den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch auf umfassenden und effektiven gerichtlichen Schutz, zumindest so lange, wie der sofortige Vollzug des Verwaltungsakts die Ausnahme bleibt; in Ausnahmefällen können deshalb überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen (BVerfG-Beschluss vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rz 283; im Ergebnis ebenso BVerfG-Beschlüsse vom 6. Mai 2013  1 BvR 821/13, NVwZ 2013, 935, und vom 24. Oktober 2011  1 BvR 1848/11, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 89).

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cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gelten diese Grundsätze auch dann, wenn ein Instanzgericht im Rahmen eines Vorlagebeschlusses das BVerfG zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder eines Steuergesetzes angerufen hat.

18

Die Anrufung des BVerfG entfaltet im Hinblick auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung für den BFH keine Bindungswirkung. Wie das BVerfG entschieden hat, begründet das aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes für den BFH keine Bindung an instanzgerichtliche Überzeugungen von der Verfassungswidrigkeit einer Norm, selbst wenn diese durch einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG geäußert worden sind (BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 935). Ebensowenig wird durch einen solchen Vorlagebeschluss der Weg für eine Interessenabwägung versperrt. Mit unterschiedlichen Ergebnissen hat der BFH eine Interessenabwägung zwischen der einer Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen selbst in den Fällen vorgenommen, in denen er selbst eine Entscheidung des BVerfG eingeholt hat (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 2003 II B 20/03, BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807, und vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663). Entgegen der Auffassung des FG ist auch dem Beschluss des BFH in BFHE 243, 162, BStBl II 2014, 263 nicht zu entnehmen, das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers habe stets Vorrang, wenn der BFH in der Sache einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG gefasst hat. Vielmehr hat der BFH in der Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, im Rahmen der Interessenabwägung sei der Umstand zu berücksichtigen, dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes praktisch zu einer einstweiligen Nichterhebung der gesamten Steuer führen könne und dass in Ausnahmefällen überwiegende öffentliche Belange eine Zurückstellung des Rechtsschutzanspruchs des Grundrechtsträgers rechtfertigen könnten. Im Ergebnis hat er dem Rechtsschutzanspruch des Erbschaftsteuerpflichtigen nur deshalb den Vorrang eingeräumt, weil dieser zur Entrichtung der Erbschaftsteuer eigenes Vermögen hätte einsetzen oder die im Wege der Erbschaft erworbenen Gegenstände veräußern oder belasten müssen.

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Daraus folgt, dass --selbst wenn der Senat den im Vorlagebeschluss des FG und den in der Literatur geäußerten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG folgen könnte (Gärditz, Die Richtervorlage des Finanzgerichts Hamburg zum Kernbrennstoffsteuergesetz, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2014, 18; Lüdicke, Es gibt Grenzen der Besteuerung!, Der Betrieb 2013, Heft 28 M 1; Fischer, Kernbrennstoffsteuergesetz mangels Gesetzgebungskompetenz verfassungswidrig, ZfZ 2013, 192; Hartmann, Ein neuer Blick auf die Steuergesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes, Deutsche Steuerzeitung 2012, 205; Drüen, Der Steuertypus der Verbrauchsteuer – dargestellt am Negativbeispiel der Kernbrennstoffsteuer, ZfZ 2012, 309; Seer, Vorläufiger Rechtsschutz bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Steuergesetzes, Deutsches Steuerrecht 2012, 325; Waldhoff, Die Kernbrennstoffsteuer als Verbrauchsteuer und die steuerrechtliche Typenlehre, ZfZ 2012, 57; Bruch/Greve, Die Kernbrennstoffsteuer im Fokus der Finanzgerichtsbarkeit, Betriebs-Berater 2012, 234)-- eine Abwägung des für eine AdV sprechenden individuellen Interesses der Antragstellerin und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses geboten ist.

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b) Auch in Bezug auf ernstliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität des KernbrStG ist der BFH nicht an die Rechtsauffassung des FG gebunden. Darüber hinaus ist dem Aufhebungsinteresse der Antragstellerin nicht allein aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des FG der Vorrang einzuräumen. Ist ein komplettes Gesetz betroffen, erfordert die AdV eines darauf gestützten Verwaltungsakts ebenfalls ein besonderes Aussetzungsinteresse.

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aa) Wenn der BFH selbst im Fall eines Vorlagebeschlusses nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht an die instanzgerichtliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit einer Norm gebunden ist (BVerfG-Beschluss in HFR 2013, 639), kann schwerlich angenommen werden, dass eine solche Bindungswirkung hinsichtlich der unionsrechtlichen Beurteilung des FG besteht (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2009 VII B 186/08, BFH/NV 2009, 942), zumal eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV keine Überzeugung des Gerichts von der Unionsrechtswidrigkeit erfordert. Sofern die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, ist es dem nationalen Gericht unbenommen, den EuGH anzurufen, wenn es dies für angebracht hält (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 C-283/81 --CILFIT--, Slg. 1982, 3415). Im Rahmen eines Verfahrens über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kann es somit einem Gericht nicht verwehrt werden, hinsichtlich der Beurteilung unionsrechtlicher Fragestellungen zu einer anderen Auffassung als das Gericht zu gelangen, das in einer identischen Rechtsfrage bereits den EuGH angerufen hat (Entscheidungen des FG Münster vom 18. Januar 2013  5 V 3800/12 U, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 556, und des Hessischen FG vom 17. Mai 2013  1 V 337/13, nicht veröffentlicht). Nach der Rechtsprechung des EuGH richtet sich der einstweilige Rechtsschutz gegen den Vollzug nationaler Gesetze, deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht in Frage gestellt wird, allein nach den durch das vom zuständigen Gericht anzuwendende nationale Recht festgelegten Kriterien, sofern diese Kriterien weder weniger günstig ausgestaltet sind als die für entsprechende innerstaatliche Klagen noch die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH-Urteile vom 22. Dezember 2010 C-279/09 --DEB Deutsche Energiehandels- und Beratungsgesellschaft mbH--, Slg. 2010, I-13849, und vom 13. März 2007 C-432/05 --Unibet (London) Ltd und Unibet (International) Ltd--, Slg. 2007, I-2271). Diesen Grundsätzen steht es nicht entgegen, wenn erstinstanzlichen Vorabentscheidungsersuchen keine Bindungswirkung hinsichtlich der unionsrechtlichen Beurteilung durch andere Gerichte zuerkannt wird.

22

bb) Im Streitfall kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen des FG ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 FGO begründen, wobei der ergänzende Hinweis geboten erscheint, dass die Europäische Kommission in ihrer schriftlichen Stellungnahme in der Rechtssache C-5/14 die Rechtsauffassung des FG nicht geteilt und die Kernbrennstoffsteuer als mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar angesehen hat. Denn selbst wenn aufgrund des an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchens ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des KernbrStG mit unionsrechtlichen Vorgaben bestehen sollten (zu den verschiedenen Rechtsauffassungen hinsichtlich der sekundärrechtlichen und beihilfenrechtlichen Problemstellungen vgl. Kube, Kernbrennstoffsteuer und EU-Sekundärrecht, Internationales Steuerrecht 2012, 553; Englisch, Steuerliche Sonderbelastung als verbotene Beihilfe – eine unionsrechtliche Achillesverse der Kernbrennstoffsteuer, Steuer und Wirtschaft 2012, 318; Kühling, Die beihilfenrechtliche Bewertung der Kernbrennstoffsteuer – Zeit für eine Ausdehnung der steuerlichen Kontrolle durch das Europarecht?, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 2013, 113; Jatzke, Grenzen des mitgliedschaftlichen Steuerfindungsrechts am Beispiel der Kernbrennstoffsteuer, ZfZ 2012, 150, und Schröer-Schallenberg, Anmerkung zum Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 19. November 2013  4 K 122/13 zur Vereinbarkeit der Kernbrennstoffsteuer mit Unionsrecht, EnWZ 2014, 239), wäre die beantragte AdV unter den besonderen Umständen des Streitfalls nur dann zu gewähren, wenn zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestünde.

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cc) Soweit andere Senate des BFH bei Zweifeln an der Vereinbarkeit steuerrechtlicher Vorschriften mit Unionsrecht die Voraussetzungen für die AdV auf diese Vorschriften gestützter Steuerbescheide bejaht haben, weicht der beschließende Senat im Streitfall nicht von den insoweit vertretenen Rechtsauffassungen ab. Fälle der Außervollzugsetzung eines kompletten Steuergesetzes lagen den Entscheidungen anderer Senate bisher nicht zugrunde. Es ging stets allein um die vorläufige Nichtanwendung einzelner Steuernormen.

24

Zwar hat der BFH entschieden, seine Rechtsprechung, nach der bei der Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden wegen der Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Vorschrift die Geltendmachung eines berechtigten Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verlangt wird, könne auf die Geltendmachung von Verletzungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) nicht übertragen werden, weil die Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten unmittelbares Recht darstellten, das von jedem Gericht unbeschadet der Möglichkeit der Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens zu beachten sei (Entscheidungen des BFH vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523, und vom 24. März 1998 I B 100/97, BFHE 185, 467, entgegen dem Beschluss vom 22. Januar 1992 I B 77/91, BFHE 166, 350, BStBl II 1992, 618, in dem eine Interessenabwägung unter Beachtung des öffentlichen Interesses der Bundesrepublik an einer geordneten Haushaltsführung trotz Vorlagebeschlusses eines FG vorgenommen worden ist). Im Streitfall geht es aber nicht um die Verletzung unionsrechtlich garantierter Grundrechte, deren unmittelbare Geltung der BFH zu beachten hätte. Ungeachtet dessen betrifft der Streitfall jedenfalls nicht die unionsrechtliche Begutachtung einer Steuerrechtsnorm im Einzelfall, welche die Geltung des Gesetzes grundsätzlich nicht in Frage stellt, sondern die Frage der Vereinbarkeit eines Steuergesetzes insgesamt mit den unionsrechtlichen Vorgaben.

25

Ausweislich des Vorlagebeschlusses ist das FG selbst nicht zu der Überzeugung gelangt, dass das KernbrStG gegen geltendes Unionsrecht verstößt, vielmehr hat es die Unionsrechtswidrigkeit ausdrücklich nur für möglich bzw. wahrscheinlich gehalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden hat, erforderlichenfalls befugt, jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein verfassungsrechtliches Verfahren abwarten müsste (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2013 C-136/12, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2013, 782, Rz 33, und vom 5. Oktober 2010 C-173/09, Slg. 2010, I-8889, Rz 31). Von seiner demnach eingeräumten Befugnis, § 5 Abs. 1 KernbrStG bzw. das KernbrStG insgesamt unangewendet zu lassen, hat das FG jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern seine Zweifel zum Anlass genommen, dem EuGH die abschließende Beurteilung der unionsrechtlichen Fragestellungen zu überlassen. Würde in einem solchen Fall kein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gefordert, so dass sowohl das vorlegende Gericht als auch der BFH an einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung gehindert wären, müsste ein ordnungsgemäß zustande gekommenes Gesetz im Vorgriff auf die noch ausstehende Beurteilung der Rechtslage durch den EuGH bereits dann zumindest vorläufig außer Kraft gesetzt werden, wenn vernünftige Zweifel an der Unionsrechtskonformität bestünden, welche die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht offenkundig erscheinen ließen. Ein solch schwerwiegender Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei ungewissem Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH ginge jedoch über das hinaus, was zur Durchsetzung des Unionsrechts erforderlich wäre.

26

Soweit im Vorlagebeschluss des FG die Frage aufgeworfen wird, ob die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer gegen das unionsrechtlich kodifizierte Beihilferecht verstößt, ist darauf hinzuweisen, dass es dem mitgliedstaatlichen Gericht nicht obliegt, darüber zu entscheiden, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist ausschließlich die Kommission für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen oder einer Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt zuständig (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2007 C-119/05, Slg. 2007, I-6199, und vom 22. März 1977 Rs. 78/76, Slg. 1977, 595, Rz 9). Innerstaatlich ist das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV, das weder absolut noch unbedingt ist, nicht unmittelbar anwendbar (BFH-Urteil vom 31. Juli 2013 I R 82/12, BFHE 243, 180, m.w.N.). Daher lassen sich die BFH-Entscheidungen in BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523 und in BFHE 185, 467 nicht auf den Streitfall übertragen.

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Zudem lässt sich den Entscheidungen des BFH vom 19. Dezember 2012 V S 30/12 (BFH/NV 2013, 779) und vom 5. Mai 1994 V S 11/93 (BFH/NV 1995, 368), die sich mit der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Leistungen (Durchführung ästhetisch-chirurgischer Maßnahmen bzw. entgeltliche Überlassung eines Wohnmobils) und der Auslegung von Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) --Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 145/1-- befassen, kein Rechtssatz entnehmen, nach dem eine Abwägung der öffentlichen Interessen und der Individualinteressen des Antragstellers bei der Anhängigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens beim EuGH in jedem Fall zu unterbleiben hat. Vielmehr hat der V. Senat des BFH aufgrund der von ihm selbst und von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen --ohne die Vereinbarkeit der streitentscheidenden Vorschriften des nationalen Umsatzsteuerrechts mit den Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG in Frage zu stellen-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide angenommen und einstweiligen Rechtsschutz gewährt, wobei er auf die Frage eines berechtigten Interesses des Antragstellers nicht eingegangen ist. Da sich diese Entscheidungen lediglich auf die steuerrechtliche Beurteilung einzelner Sachverhalte unter Beachtung der sekundärrechtlichen Vorgaben und auf eine entsprechende Auslegung einzelner nationaler Bestimmungen und nicht auf den Geltungsanspruch eines verfassungsmäßig zustande gekommenen Steuergesetzes und dessen Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht beziehen, stehen sie der im Streitfall gebotenen Interessenabwägung nicht entgegen.

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3. Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze hat das FG im Streitfall die AdV der angefochtenen Steueranmeldung zu Unrecht angeordnet. Die gebotene Abwägung des für eine AdV sprechenden individuellen Interesses der Antragstellerin und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung sowie die gebotene Beachtung der Verwerfungskompetenz des BVerfG führen zu dem Ergebnis, dass vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt werden kann.

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a) Die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Interessen fällt im Streitfall zu Lasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung sowie an dem Vollzug eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes auch in der vom Gesetzgeber hierfür bestimmten Zeit überwiegt das Interesse der Antragstellerin, das allein darin besteht, die Kernbrennstoffsteuer nicht entrichten zu müssen. Dass die Antragstellerin bei Entrichtung der angemeldeten Steuer nicht wiedergutzumachende Nachteile von erheblichem Gewicht erlitte oder nicht mehr gewinnbringend gewerblich tätig sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

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Darüber hinaus führte eine faktische Außerkraftsetzung des KernbrStG zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der beschließende Senat auf die Ausführungen in seinem Beschluss in BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418. Ausweislich der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Statistik über das Steueraufkommen betrug das Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer in 2011  0,92 Mrd. €, in 2012  1,57 Mrd. € und in 2013  1,28 Mrd. €. Letztlich können Unsicherheiten bei der exakten Bestimmung des Steuerausfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung auf sich beruhen. Entscheidend ist, dass durch eine AdV der angefochtenen Steueranmeldung das gesamte KernbrStG faktisch mit der Folge drohender hoher Einnahmeausfälle außer Kraft gesetzt würde. Keiner entscheidungserheblichen Bedeutung kommen dabei die Gründe zu, die für die Verfassungswidrigkeit oder Unionsrechtswidrigkeit des KernbrStG sprechen (BVerfG-Beschluss in NVwZ 2013, 1145, m.w.N., und BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558). Von entscheidender Bedeutung sind vielmehr die Nachteile der Gewährung der beantragten AdV und die Verwerfungskompetenz des BVerfG. In Anbetracht der zeitlichen Begrenzung der Erhebung der Kernbrennstoffsteuer und ihrer wirtschaftspolitischen Zielsetzung hätte die AdV eine so weitreichende Wirkung, wie sie nur durch eine Entscheidung des BVerfG herbeigeführt werden könnte.

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b) Dem Vorbringen der Antragstellerin ist nicht schlüssig zu entnehmen, dass durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohen. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt eine AdV wegen unbilliger Härte voraus, dass der Betroffene seine wirtschaftliche Lage im Einzelnen vorträgt und glaubhaft macht (BFH-Beschlüsse vom 29. März 2001 III B 80/00, BFH/NV 2001, 1294, und vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18). Nach Einschätzung des Senats ist die (vorläufige) Entrichtung der Steuer der Antragstellerin durchaus zumutbar. Dies wird auch durch den Verzicht des FG auf die Anforderung einer Sicherheitsleistung belegt, den es damit begründet hat, dass Anhaltspunkte für eine Gefährdung des --im Streitfall sehr hohen-- Steueranspruchs nicht ersichtlich seien. Im Übrigen hat die Antragstellerin selbst vorgetragen, die aktuelle wirtschaftliche Situation sei gut und sie verfüge zudem über ein kurzfristig liquides Vermögen und ein Anlagevermögen, das die Steuerforderungen bei Weitem übersteige. Zudem seien die Steuerforderungen durch Rückstellungen gedeckt, denen ausreichend Aktiva gegenüberstehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.