vorgehend
Landgericht Berlin, 14 O 198/04, 05.07.2004
Kammergericht, 23 U 160/04, 22.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 48/06 Verkündet am:
14. Mai 2007
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AktG §§ 92 Abs. 2, Abs. 3; 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6;

a) Ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozialoder
steuerrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung
oder Lohnsteuer abführt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht nach § 92 Abs. 3 AktG oder § 64
Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig (- insoweit - Aufgabe
von BGH, Urt. v. 8. Januar 2002 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264; Urt. v.
18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026).

b) Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzantragspflicht
nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des
Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich
qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung
erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle
der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung
eines Insolvenzantrags absieht.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Dezember 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte war Vorstand der e. AG (Schuldnerin), die am 10. April 2000 ins Handelsregister eingetragen worden ist. Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin war insbesondere die Entwicklung einer Digitalsignatursoftware und deren Vertrieb (sog. Start-UpUnternehmen ). Das Grundkapital der Gesellschaft betrug zuletzt 205.700,00 €. Aktionäre der Schuldnerin waren mit Aktien im Nennwert von jeweils 80.000,00 € der Beklagte und sein (inzwischen verstorbener) Mitvorstand M. und mit 45.700,00 € die I. -Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: I. ). Diese war außerdem stille Gesellschafterin der Schuldnerin mit einer Einlage von 988.916,00 €. Weitere stille Gesellschafterin war seit dem 17. Januar 2001 die t. -Beteiligungs-Gesellschaft mbH der D. bank mit einer Einlage in Höhe von 1,1 Mio. €.
2
Der Beteiligungsvertrag der I. enthält in § 10 folgende "Rangrücktrittsklausel" : "Der BG (I. ) wird seinen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben in einem gerichtlichen Insolvenz- oder Vergleichsverfahren des BN (Schuldner) im Range nach den übrigen Insolvenz - oder Vergleichsgläubigern geltend machen, jedoch vor den Forderungen der anderen Gesellschafter sowie verbundenen Unternehmen des BN, und soweit es sich um natürliche Personen handelt, deren Angehörigen."
3
Ausweislich der im August 2001 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 2000 war die Schuldnerin mit einem Betrag von 327.847,70 DM bilanziell überschuldet. Am 17. August 2001 prüfte ein Wirtschaftsprüfer im Auftrag des Beklagten , der hierzu vom Aufsichtsrat angehalten worden war, den Jahresabschluss und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin zum Abschlussstichtag bilanziell, nicht jedoch "rechtlich überschuldet" gewesen sei, da die Forderung der I. nicht zu passivieren sei. Zahlungsunfähigkeit bestand ausweislich des Gutachtens ebenfalls nicht.
4
In der Zeit vom 7. August bis zum 19. Oktober 2001 veranlasste der Beklagte Lohnsteuerzahlungen sowie Zahlungen der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 82.884,80 €. Am 12. November 2001 beantragte der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, nachdem die stillen Gesellschafter im Oktober 2001 die Kündigung ihrer Beteiligungen erklärt und die jeweils letzten fälligen Raten auf ihre Beteiligungen nicht mehr gezahlt hatten, was - unstreitig - zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin führte.
5
Mit der Klage macht der Insolvenzverwalter den Betrag der oben genannten Zahlungen gemäß §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG gegen den Beklagten geltend mit der Begründung, die Schuldnerin sei bereits zum 31. Dezember 2000 nicht nur bilanziell, sondern auch rechnerisch überschuldet gewesen; diese Überschuldungssituation habe auch noch zur Zeit der streitigen Zahlungen angedauert. Der Beklagte hat sich mit der Behauptung verteidigt, eine rechnerische Überschuldung habe im Hinblick auf den von der I. erklärten Rangrücktritt nicht vorgelegen. Zudem seien die von ihm geleisteten Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar gewesen. Darüber hinaus habe er auch nicht schuldhaft gegen die Insolvenzantragspflicht verstoßen, da er fachmännischen Rat eingeholt habe, aufgrund dessen er davon habe ausgehen dürfen, dass bei - unstreitiger - Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn vorgelegen habe.
6
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision ist unbegründet.
8
I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Schuldnerin sei im Zeitpunkt der Zahlungen an die Sozial- und Finanzkassen nicht überschuldet gewesen, da der von der I. erklärte Rangrücktritt ausreichend sei, um ihre Forderung im Überschuldungsstatus der Schuldnerin nicht passivieren zu müssen.
9
II. Gegen die - im Ergebnis - zutreffende Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.
10
Ob die Erklärung der I. , wie das Berufungsgericht gemeint und die Revision mit beachtlichen Gründen in Zweifel gezogen hat, den Anforderungen entspricht, die der Senat im Urteil vom 8. Januar 2001 (BGHZ 146, 264, 271) an einen sogenannten "qualifizierten Rangrücktritt" gestellt hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Beklagte haftet nämlich jedenfalls deshalb nicht wegen Verletzung der Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG, weil die von ihm geleisteten Zahlungen - selbst wenn die Schuldnerin im Zahlungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet gewesen wäre - nicht pflichtwidrig, sondern mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar waren (1). Darüber hinaus hätte der Beklagte gegen eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verstoßen (2).
11
1. a) Zu Lasten des Vorstandes einer AG, der in der in § 92 AktG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird - ebenso wie zu Lasten des Geschäftsführers einer GmbH in dieser Situation - vermutet, dass er dabei nicht mit der von einem Vertretungsorgan zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 274 jew.m.w.Nachw.). Nach § 92 Abs. 3 Satz 2 AktG (ebenso wie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen , dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar war. Dabei hat der Senat wiederholt (s. zuletzt Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026, 1029) erwogen, das Bestreben des Vertretungsorgans, durch Zahlungen von Sozialleistungen und Steuern sich einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB, aus §§ 34, 69 AO oder der Bestrafung nach § 266 a StGB zu entziehen, sei kein im Rahmen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müsse in einem Fall einer durch die unterschiedlichen Normbefehle ausgelösten Pflichten- kollision das deliktische Verschulden verneint (bzw. i.S. des strafrechtlichen Normbefehls das Verhalten als gerechtfertigt angesehen) werden, wenn sich das Vertretungsorgan - gemessen am Maßstab der den Interessen der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialnormen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält. Dies hat der Senat damit begründet , dass der Maßstab für ein pflichtgemäßes Verhalten des Vertretungsorgans sich nicht allein nach dessen allgemeinen Verhaltenspflichten bestimme, bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren; der Maßstab sei vielmehr an dem besonderen Zweck der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbH auszurichten , die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 146 aaO 274 f. m.w.Nachw.). Die Befriedigung der Gläubiger soll dem später eingesetzten Insolvenzverwalter überlassen bleiben, der im eröffneten Verfahren für eine gleichmäßige und rangrichtige Bedienung der offenen Forderungen zu sorgen hat. Aus dieser Sicht des mit §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG verfolgten Zwecks erschien es dem Senat näher liegend, die in diesen Vorschriften niedergelegten Pflichten als allgemeinem Interesse dienend im Rahmen der Pflichtenkollision des Vertretungsorgans - trotz der fehlenden Strafbewehrung - vorrangig anzusehen, zumal nach der Abschaffung des Vorrangs der Forderungen der Sozial- und Finanzkassen durch die Einführung der Insolvenzordnung keine Rechtfertigung mehr dafür bestehe, der Pflicht zur Erfüllung der dort bestehenden Forderungen deswegen durchschlagende Bedeutung beizumessen, weil sie sich hinsichtlich der Sozialversicherungsforderungen auf die Strafvorschrift des § 266 a StGB zurückführen ließe (vgl. Sen.Urt. v. 18. April 2005 aaO).
12
b) Hieran hält der Senat nach erneuter Überprüfung im Hinblick auf die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichts- hofes (Beschl. v. 21. September 2005 - 5 StR 263/05, ZIP 2005, 1678 ff.), nach der der vom Senat erwogene Vorrang der im Interesse aller Gläubiger angeordneten Massesicherungspflicht angesichts der Strafandrohung einer Nichtabführung von Sozialabgaben nicht anerkannt werden kann, nicht fest. Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung kann es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzt. Sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.
13
Danach haftet der Beklagte für die den Gegenstand der Klageforderung bildenden, an die Sozial- und Finanzkassen geleisteten Zahlungen nicht.
14
2. Eine Haftung des Beklagten scheidet auch deshalb aus, weil er eine - möglicherweise bestehende - Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat. Er hat zu der Frage, ob sich die Schuldnerin in einer Situation befand, in der er zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet war, unabhängigen, fachlich qualifizierten Rat eingeholt mit dem Ergebnis, dass eine derartige Pflicht für ihn nicht bestand. Auf diesen Rat durfte er sich verlassen.
15
a) Die Haftung des Vorstands wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach §§ 92, 93 AktG setzt eben so wie die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG eine schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht voraus (MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler 2. Aufl. § 92 Rdn. 29; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 93 Rdn. 14; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 64 Rdn. 32 ff. jew.m.w.Nachw.). Für die Haftung des Vertretungsorgans reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus; das Verschulden des Vorstands/Geschäftsführers wird vermutet (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 277 jew.m.w.Nachw.). Den Vorstand/Geschäftsführer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat.
16
b) Diesen Anforderungen, d.h. dem Nachweis seines mangelnden Verschuldens als Organmitglied, hat der Beklagte genügt. Von dem organschaftlichen Vertreter wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit. Er handelt daher fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse verschafft (Schmidt-Leithoff aaO Rdn. 19). Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl /Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. § 93 Rdn. 99; Hopt in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. § 73 Rdn. 255 m.w.Nachw.; Wiesner in MünchHdb.d.GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rdn. 7 m.w.Nachw.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen , für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.
17
Einen diesen Anforderungen genügenden Rat hat der Beklagte hier in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat der Schuldnerin eingeholt. Bei einem Start-Up-Unternehmen wie der Schuldnerin, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert und - wie hier - von Förderdarlehen abhängig ist, ist eine ständige, intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in besonderem Maße erforderlich. Dem genügend hat der Beklagte nach Aufstellung des Jahresabschlusses im August 2001 und Aufdeckung einer bilanziellen Überschuldung im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat unverzüglich einem Wirtschaftsprüfer den Auftrag erteilt, den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 daraufhin zu überprüfen, ob die Gesellschaft nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif war und ein Insolvenzantrag gestellt werden musste. Die Sachkompetenz und Fachkunde eines Wirtschaftsprüfers für eine solche Prüfung steht außer Frage. Dass es sich bei dem Gutachten um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt worden.
18
Führt - wie hier - die derart in Auftrag gegebene Prüfung, ob eine Insolvenzsituation vorliegt, zu der fachkundigen und für den organschaftlichen Vertreter bei der gebotenen Plausibilitätskontrolle nachvollziehbaren Feststellung, dass die Gesellschaft weder im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses noch im Prüfungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet und sogar die Zahlungsfähigkeit jedenfalls bis zum Jahresende - selbst ohne Zuführung neuen Fremdkapitals - gesichert war, musste der Beklagte - gemessen an der von ihm geforderten Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters - keinen Insolvenzantrag stellen. Es wäre nicht zu rechtfertigen, einem organschaftlichen Vertreter abzuverlangen, unabhängigen, fachkundigen Rat zur Klärung des Bestehens einer Insolvenzlage einzuholen und es ihm gleichwohl als schuldhaften Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten anzulasten, wenn er sich - trotz fehlender eigener ausreichender Sachkunde - dem fachkundigen Rat entsprechend verhält (vgl. Hopt aaO Fn. 873). Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.07.2004 - 14 O 198/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2005 - 23 U 160/04 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

Artikel schreiben

2 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06.

2 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06.

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 zitiert 11 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Abgabenordnung - AO 1977 | § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter


(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass

Aktiengesetz - AktG | § 93 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder


(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung v

Abgabenordnung - AO 1977 | § 69 Haftung der Vertreter


Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt

Aktiengesetz - AktG | § 92 Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit


(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberuf

Aktiengesetz - AktG | § 64 Ausschluß säumiger Aktionäre


(1) Aktionären, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, kann eine Nachfrist mit der Androhung gesetzt werden, daß sie nach Fristablauf ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden. (2) Die Nachfrist m

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 zitiert oder wird zitiert von 39 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Apr. 2005 - II ZR 61/03

bei uns veröffentlicht am 18.04.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 61/03 Verkündet am: 18. April 2005 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - 5 StR 263/05

bei uns veröffentlicht am 21.09.2005

5 StR 263/05 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 21. September 2005 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2005 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird da
37 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Jan. 2017 - IX ZR 285/14

bei uns veröffentlicht am 03.11.2023

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. Januar 2017 klargestellt, dass Steuerberater, die Jahresabschlüsse für ihre Mandanten erstellen, eine Prüfungs- und Hinweispflicht im Hinblick auf die Fortführungsfähigkeit d

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2019 - II ZB 18/17

bei uns veröffentlicht am 22.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 18/17 vom 22. Januar 2019 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 311 Abs. 3 Satz 2 Eine Prospektverantwortlichkeit trifft auch diejenigen, die aufgrund ihrer besonderen

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Sept. 2011 - II ZR 234/09

bei uns veröffentlicht am 20.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 234/09 Verkündet am: 20. September 2011 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2007 - II ZA 17/06

bei uns veröffentlicht am 26.11.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZA 17/06 vom 26. November 2007 in dem Rechtsstreit Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 26. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und

Referenzen

(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

(2) (weggefallen)

(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

(2) (weggefallen)

(1) Aktionären, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, kann eine Nachfrist mit der Androhung gesetzt werden, daß sie nach Fristablauf ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden.

(2) Die Nachfrist muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden. Die erste Bekanntmachung muß mindestens drei Monate, die letzte mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. Zwischen den einzelnen Bekanntmachungen muß ein Zeitraum von mindestens drei Wochen liegen. Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so genügt an Stelle der öffentlichen Bekanntmachungen die einmalige Einzelaufforderung an die säumigen Aktionäre; dabei muß eine Nachfrist gewährt werden, die mindestens einen Monat seit dem Empfang der Aufforderung beträgt.

(3) Aktionäre, die den eingeforderten Betrag trotzdem nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt. In der Bekanntmachung sind die für verlustig erklärten Aktien mit ihren Unterscheidungsmerkmalen anzugeben.

(4) An Stelle der alten Urkunden werden neue ausgegeben; diese haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag anzugeben. Für den Ausfall der Gesellschaft an diesem Betrag oder an den später eingeforderten Beträgen haftet ihr der ausgeschlossene Aktionär.

(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

(2) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 61/03 Verkündet am:
18. April 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) § 266a StGB ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

b) Für die Unmöglichkeit normgemäßen Verhaltens ist im Rahmen des § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB der Anspruchsteller darlegungs- und beweispflichtig
(Bestätigung von BGHZ 133, 370, 379). An die Erfüllung der
grundsätzlich bestehenden sekundären Darlegungslast des Geschäftsführers
einer GmbH dürfen keine diese Verteilung der Vortragslast umkehrenden Anforderungen
gestellt werden. Eine besondere Dokumentationspflicht zur Abwehr
einer möglichen Haftung nach diesen Vorschriften besteht nicht. Auch
die Verletzung der Insolvenzantragspflicht erhöht die sekundäre Darlegungslast
des Geschäftsführers nicht.

c) Hätte der Insolvenzverwalter die Zahlungen an die Sozialkasse nach der
InsO anfechten können, entfällt mangels Kausalität der Schaden (Bestätigung
von BGH, Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80).
§ 266a StGB begründet in der Insolvenzsituation keinen Vorrang der Ansprüche
der Sozialkasse (Bestätigung von BGHZ 149, 100, 106 f.; Urt. v. 10. Juli
2003 - IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666). Der Geschäftsführer, der in dieser
Lage die Arbeitnehmeranteile noch abführt, statt das Gebot der Massesicherung
(§ 64 Abs. 2 GmbHG) zu beachten, handelt nicht mit der Sorgfalt eines
ordentlichen Geschäftsmanns im Sinne von § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG (Bestätigung
von BGHZ 146, 264, 274 f.).
BGH, Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 61/03 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. April 2005 durch die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Strohn

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Januar 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war im Jahr 2000 Geschäftsführer der E. GmbH, auf deren am 18. August 2000 gestellten Antrag am 22. März 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Für die Monate Mai, Juni und Juli 2000 blieb die spätere Gemeinschuldnerin die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 13.794,91 € schuldig. Die klagende Innungskrankenkasse verlangt als die zuständige Einzugsstelle von dem Beklagten, gestützt auf § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266a StGB, Ersatz dieses Betrages.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, ihm sei die Abführung der Arbeitnehmeranteile zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht möglich gewesen. Die Gesellschaft habe weder über eigene noch über Kredit-Mittel verfügt, infolge einer gegen ihre - inzwischen ebenfalls insolvente - Alleingesellschafterin am 23. Mai 2000 von deren Hausbank verhängten Verfügungssperre sei auch die Gemeinschuldnerin ab diesem Zeitpunkt von allen weiteren Geldquellen abgeschnitten gewesen. Deswegen habe den Arbeitnehmern, die statt dessen Insolvenzausfallgeld erhalten hätten, für die Monate Mai - Juli 2000 kein Arbeitslohn gezahlt werden können. Er hat außerdem gemeint, im Hinblick auf seine von der Klägerin nicht beantwortete Korrespondenz habe er annehmen dürfen, daß die offenen Beträge gestundet worden seien. Schließlich hat er sich darauf berufen, daß der Klägerin kein Schaden entstanden sei, weil sie etwa abgeführte Beträge nach den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften (§§ 129 ff., 143 InsO) hätte zurückgewähren müssen.
Gegen den Beklagten hat das Amtsgericht Chemnitz einen rechtskräftigen Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung erlassen und diesen folgendermaßen begründet:
"Die E. ... GmbH war, was Sie auch wußten, spätestens ab dem 15. Juli 2000 außer Stande, ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Ab diesem Zeitpunkt konnten die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr an die ... abgeführt werden. Außerdem existierten seit diesem Zeitpunkt Lohnrückstände , und der Kontokorrentkreditrahmen bei der Sparkasse ... war überzogen".
Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht (ZInsO 2003, 376 = ZIP 2003, 360) zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagte der ihn treffenden sekundären Darlegungslast, daß ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht möglich war, durch seinen Vortrag nicht nachgekommen, die spätere Gemeinschuldnerin habe weder eigene Mittel gehabt, noch habe sie Kreditmittel oder Gelder ihrer Alleingesellschafterin in Anspruch nehmen und nicht einmal die Löhne der Arbeitnehmer auszahlen können. Der Schaden der Klägerin könne auch nicht mit der Erwägung verneint werden, daß eine etwaige Zahlung an die Klägerin von dem Insolvenzverwalter mit Erfolg hätte angefochten werden können, denn Zahlungen an die Sozialkassen seien gegenüber den Ansprüchen anderer Gläubiger der Gemeinschuldnerin privilegiert. Davon abgesehen komme es auf die Anfechtbarkeit nicht an, weil der Beklagte damit den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erhebe, dieser ihm aber im Hinblick auf den Schutzzweck des § 266a StGB verwehrt sei. Schließlich könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, sein Vorgehen habe mit dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG, nach Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr aus dem Gesellschaftsvermögen zu erbringen, in Einklang gestanden. Wenn der Geschäftsführer die Beitragspflicht erfülle, handele er vielmehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes i.S. von § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG und könne daher wegen der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter haftbar sein.
II. Dies hält in mehrfacher Hinsicht der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Das Berufungsgericht mißt dem Umstand, daß der Gesetzgeber die
Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in § 266a StGB unter Strafe gestellt hat, eine verfehlte Bedeutung zu und stellt demgemäß nicht nur überspannte Anforderungen an die sekundäre Behauptungslast des in Anspruch genommenen Geschäftsführers, sondern gelangt zu einer insgesamt unzutreffenden Einordnung der Haftung des Geschäftsführers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB in das Gesamtgefüge der Rechtsordnung.
1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , daß es sich bei § 266a StGB um ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB handelt. Dies entspricht nicht nur der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s. nur BGHZ 134, 304 ff.; 136, 332 f.; 144, 311 ff.; Urt. v. 20. März 2003 - III ZR 301/01, WM 2003, 1876, 1878), sondern auch der ganz h.M. im Schrifttum (Staudinger/Hager, BGB [1999] § 823 Rdn. G 42 m. zahlr. Nachw.; Soergel/Zeuner, BGB 12. Aufl. § 823 Rdn. 298 f.; MünchKommBGB/Wagner 4. Aufl. § 823 Rdn. 359 und 390 ff. m.w.Nachw.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 17. Aufl. § 43 Rdn. 69; Roth/Altmeppen, GmbHG 4. Aufl. § 43 Rdn. 48; Scholz/U.H. Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 43 Rdn. 275; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 43 Rdn. 82; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG 16. Aufl. § 43 Rdn. 6; Medicus, ZGR 1998, 570, 582 f.; i.E. auch Cahn, ZGR 1998, 367 ff., 376 f., 381; a.A. Kiethe, ZIP 2003, 1957 f. unter Hinweis auf Stein, DStR 1998, 1055, 1056-1058; Dreher, DB 1991, 2585; Hachenburg/Mertens, GmbHG 8. Aufl. § 43 Rdn. 120). Von ihr abzugehen, besteht um so weniger Anlaß, als der Gesetzgeber schon in der 11. Wahlperiode (BT-Drucks. 11/3445, S. 35) und erneut bei den Beratungen (BT-Drucks. 14/8221, S. 18) des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (BGBl 2002 I 2787) hat deutlich werden lassen, daß er die ihm bekannte Rechtsprechung zur
zivilrechtlichen Haftung der Geschäftsleiter für die Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung in seinen Willen aufgenommen hat.
2. Im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befindet sich das Berufungsgericht ferner noch, soweit es davon ausgeht, daß der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266a StGB nicht haftet, soweit ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zum Fälligkeitszeitpunkt mangels verfügbarer Mittel nicht möglich war, und den Sozialversicherungsträger auch hinsichtlich der Möglichkeit normgemäßen Verhaltens für darlegungs - und beweispflichtig erachtet (BGHZ 133, 370, 379 f.; Urt. v. 11. Dezember 2001 - VI ZR 123/00, ZIP 2002, 261, 263 und VI ZR 350/00, ZIP 2002, 524; s. auch BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03, ZIP 2003, 2213).
Mit Recht rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht diese von ihm richtig wiedergegebenen Grundsätze rechtsfehlerhaft angewandt hat. Verfehlt ist schon, daß das Berufungsgericht hinsichtlich der drei Fälligkeitstermine (15. Juni, 15. Juli und 15. August 2000) nicht unterschieden hat, obwohl sich ihm aufdrängen mußte, daß jedenfalls beim dritten Termin, drei Tage vor Anbringung des nach dem Ergebnis des Strafverfahrens ohnehin zu spät gestellten Insolvenzantrags, etwa vorher vorhandene Mittel längst aufgebraucht gewesen sein müssen. Obendrein stellt es die darlegungs- und beweispflichtige Sozialkasse - in Widerspruch zu seinem eigenen Ausgangspunkt - von jeder Darlegungspflicht frei, wenn es für hinreichend hält, daß diese sich auf den "ins Blaue" gehaltenen Vortrag beschränkt, die Gemeinschuldnerin sei zahlungsfähig gewesen und habe an andere Gläubiger Zahlungen erbracht. Gleichzeitig überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an den Vortrag des nur sekundär darlegungspflichtigen Geschäftsführers, wenn es seine Darlegung, daß die Gemeinschuldnerin über keinerlei finanzielle Mittel mehr verfügte, den
Kreditrahmen bei der Hausbank längst überzogen hatte, von der Alleingesellschafterin wegen deren plötzlich eingetretenen eigenen finanziellen Schieflage nicht nur keine Geldmittel erhalten konnte, sondern sogar einem Rückzahlungsverlangen von Darlehensmitteln ausgesetzt war und aus allen diesen Gründen nicht einmal imstande war, auch nur einen Teil der Arbeitslöhne ab Mai 2000 auszuzahlen, für nicht hinreichend substantiiert angesehen hat. Nicht einmal den unstreitigen Umstand, daß der Beklagte wegen Insolvenzverschleppung rechtskräftig bestraft worden ist und daß der Tatvorwurf darin besteht, der Geschäftsführer habe trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ab spätestens 15. Juni 2000, als nämlich die Sozialversicherungsbeiträge für Mai 2000 fällig wurden, den gebotenen Insolvenzantrag nicht gestellt, hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gewürdigt. Dazu bestand um so eher Anlaß, als der Text des Strafbefehls nahelegt, daß das Strafverfahren auf Initiative der Klägerin eingeleitet worden ist, ihren Mitarbeitern, die in dem Strafbefehl als Zeugen aufgeführt worden sind, also die Unmöglichkeit der Gesellschaft bekannt war, der Zahlungspflicht nachkommen zu können.
Zu einem weitergehenden Vortrag war der Beklagte im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast nicht verpflichtet. Das gilt auch im Hinblick auf den von dem Berufungsgericht herausgestellten Umstand, daß der Beklagte nur zögerlich mit dem Insolvenzverwalter zusammengearbeitet hat; denn die dem Geschäftsführer im Insolvenzverfahren nach den §§ 97, 22 Abs. 3 InsO auferlegten Pflichten dienen allein der effektiven Durchführung des Insolvenzverfahrens, nicht aber der Erleichterung der Anspruchsverfolgung durch Gläubiger des Leitungsorgans; nicht einmal für Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren dürfen die von dem organschaftlichen Vertreter erteilten Auskünfte gegen seinen Willen verwertet werden (§ 97 Abs. 1 Satz 3 InsO).
3. Das Berufungsurteil unterliegt danach der Aufhebung. Eine eigene Entscheidung ist dem Senat verwehrt, weil der Klägerin, die sich in ihrem bisherigen prozessualen Vorgehen offensichtlich von der unzutreffenden Ansicht der beiden Tatsachengerichte hat leiten lassen, im Interesse eines fairen Verfahrens die Möglichkeit eröffnet werden muß, ihrer Darlegungspflicht zu genügen.
III. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin.
1. Aus einer möglichen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB ergeben sich keine besonderen Dokumentationspflichten, wie das Berufungsgericht für möglich erachtet. Deren angebliche Verletzung kann deswegen auch nicht zu einer faktischen Umkehr der Darlegungs- und Beweislast führen.
2. Ebensowenig rechtfertigt die Verletzung der Insolvenzantragspflicht gesteigerte Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Geschäftsführers ; im Gegenteil wird - wie auch der hier zu beurteilende Fall zeigt - eine verspätete Anbringung des Insolvenzantrags Anhaltspunkte dafür bieten, daß der Geschäftsführer zum Fälligkeitszeitpunkt seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen konnte.
3. Sollte das Berufungsgericht auf Grund des wieder eröffneten Berufungsverfahrens erneut zu dem Ergebnis gelangen, daß der Beklagte mindestens an einem der drei Fälligkeitszeitpunkte imstande gewesen wäre, die geschuldeten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ganz oder teilweise an die Klägerin abzuführen, wird es sich mit dem Einwand des Beklagten auseinanderzusetzen haben, daß die Pflichtverletzung nicht zu einem Schaden bei der Sozialkasse geführt hat, weil der Insolvenzverwalter die Zahlung mit Erfolg hätte anfechten können.
Der entsprechende Vortrag des Beklagten, dessen Richtigkeit mangels tatrichterlicher Feststellungen für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist, ist hinreichend substantiiert und schlüssig.
Das Berufungsgericht geht fehl, wenn es entgegen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 149, 100, 106 f.; Urt. v. 30. April 1998 - IX ZR 141/97, ZinsO 1998, 141; Urt. v. 10. Juli 2003 - IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666, 1667 f.; Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80), in der alle Argumente wiederholt gewürdigt worden sind, meint, die Ansprüche der Einzugsstelle seien gegenüber denjenigen anderer Gläubiger privilegiert. Aus der Strafbewehrung der Beitragsabführungspflicht läßt sich der von dem Berufungsgericht postulierte Vorrang nicht herleiten. Sie unterstreicht ausschließlich die große Bedeutung, die der Gesetzgeber der Erfüllung dieser Pflicht durch den Arbeitgeber bzw. - bei Kapitalgesellschaften - durch deren organschaftlichen Vertreter beimißt; sie besagt jedoch nichts darüber, ob gezahlte Beträge bei der Sozialkasse bleiben oder auf Insolvenzanfechtung hin zurückgewährt werden müssen. Das Rangverhältnis bestimmt sich vielmehr ausschließlich nach den Vorschriften der Insolvenzordnung , die bewußt und nach eingehenden Beratungen den früheren Vorrang der Sozialkassen im Interesse einer effektiven, dem Ziel der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger verpflichteten Durchführung des Insolvenzverfahrens abgeschafft hat.
Das von dem Berufungsgericht für richtig erachtete Vorgehen hätte zur Folge, daß diese Entscheidung des Gesetzgebers der Insolvenzordnung auf dem Umweg über ein extensives Verständnis des § 266a StGB ausgehebelt würde. Die in diesem Zusammenhang von dem Berufungsgericht angestellten Hilfserwägungen, nach denen sich der Geschäftsführer auf die später mögliche
Insolvenzanfechtung als ein rechtmäßiges Alternativverhalten nicht soll berufen dürfen, stehen - wie es selbst richtig erkannt hat - in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80); dieser verneint den Schaden deswegen, weil der Beitragsausfall - hätte der Geschäftsführer die Arbeitnehmeranteile bei Fälligkeit abgeführt - im Sinne einer Reserveursache ebenfalls eingetreten, die Kausalität der Unterlassung also zu verneinen wäre. Ein Fall rechtmäßigen Alternativverhaltens läge demgegenüber nur dann vor, wenn der Beklagte geltend machen würde, der verursachte Schaden wäre in gleicher Weise entstanden, wenn er eine von der verletzten Pflicht verschiedene andere selbständige Pflicht erfüllt hätte (BGH, Urt. v. 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, WM 2002, 2325 f.).
4. Von der verfehlten Vorstellung, der Anspruch auf Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sei privilegiert, ist schließlich die - als obiter dictum einzuordnende - Auffassung des Berufungsgerichts geprägt, ein Geschäftsführer, der in der in § 64 Abs. 2 GmbHG beschriebenen Situation Ansprüche von Einzugsstellen befriedige, handele mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i.S. von § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Dem ist der Senat (BGHZ 146, 264, 274 f.) bereits früher entgegengetreten und hat ausgesprochen , daß die entsprechende Prüfung nicht in erster Linie an den allgemeinen Verhaltenspflichten, sondern an dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG auszurichten ist, im Vorgriff auf das spätere Insolvenzverfahren, auch wenn der gebotene Insolvenzantrag nicht unverzüglich oder gar erst nach Ablauf der höchstzulässigen Dreiwochenfrist gestellt wird, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Nach dieser Entscheidung besteht in dem - nach dem als richtig zu unterstellenden Vortrag des Beklagten
hier allerdings nicht gegebenen - Fall, daß der Geschäftsführer bei Insolvenzreife der Gesellschaft noch über Mittel verfügt und entweder nach § 64 Abs. 2 GmbHG oder nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB ersatzpflichtig zu werden droht, eine Pflichtenkollision, die zu einer Verneinung des deliktischen Verschuldens führen muß. Das steht nicht in Widerspruch zur Judikatur des 5. Strafsenats (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03, ZIP 2003, 2213), weil diese Entscheidung eine Fallgestaltung aus dem Jahr 1997 betrifft, als noch die Konkursordnung galt, die den Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung Vorrang einräumte (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KO); sie berücksichtigt jedoch nicht den inzwischen mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung eingetretenen Paradigmenwechsel.
Goette Kurzwelly Kraemer
Gehrlein Strohn

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.

(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

(2) (weggefallen)

5 StR 263/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 31. Januar 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) im Strafausspruch in den Fällen 13 bis 24 der Urteilsgründe ,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinte rziehung in zwölf Fällen und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrügen und der näher ausgeführten Sachrüge geführte Revision hat nur in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die gegen den Schuldspruch vorgebrachten Einzelbeansta ndungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes vom 3. August 2005, die durch die Gegenerklärung nicht entkräftet werden, unbegründet ; auch im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass innerhalb derselben Tatzeiträume zwischen der Lohnsteuerhinterziehung (§ 370 AO) einerseits und dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) andererseits Tatmehrheit gemäß § 53 StGB vorliegt (vgl. BGHSt 35, 14; BGH wistra 1990, 235). Soweit in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird (vgl. Rolletschke wistra 2005, 211; Vogelberg PStR 2004, 90, 95), der Senat hätte in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2003 – 5 StR 165/02 (wistra 2003, 262, 266) diese Rechtsprechung aufgeben wollen, beruht dies auf einem unzutreffenden Verständnis des Beschlusses. Der dort (im letzten Absatz) gegebene Hinweis betraf nicht das Konkurrenzverhältnis zwischen (Lohn-) Steuerhinterziehung und Vorenthalten von Arbeitsentgelt. Vielmehr wird ausgeführt, dass es für die Meldepflichten des Arbeitgebers – gegenüber der sozialversicherungsrechtlichen Einzugsstelle einerseits und dem Finanzamt andererseits – unerheblich ist, ob sie aus einem vertraglich bestehenden oder aus einem nach § 10 Abs. 1 AÜG fingierten Arbeitsverhältnis herrühren; damit hat der Senat lediglich klargestellt, dass allein der Umstand, dass ein Arbeitgeber den Meldepflichten sowohl für seine (vertraglichen) Arbeitnehmer als auch für die Arbeitnehmer, die zu ihm aufgrund gesetzlicher Fiktion in einem Arbeitsverhältnis stehen, nicht nachkommt, konkurrenzrechtlich für sich genommen und jenseits der sonstigen Voraussetzungen nicht zur Annahme von Tatmehrheit führt.
2. Zum Strafausspruch hat die Revision nur teilweise Er folg. Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: „Die Strafzumessung in den Fällen 13 bis 24 der Urteil sgründe kann … keinen Bestand haben. Das Urteil lässt nicht erkennen, ob das Landgericht berücksichtigt hat, dass der Angeklagte Beiträge von Kommanditisten zur freiwilligen Krankenversicherung an die Krankenkassen abgeführt hat.
Allerdings ist eine erschöpfende Aufzählung aller in Be tracht kommenden Strafzumessungserwägungen weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, dass ein für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden , der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (st. Rspr.; vgl. Senat in BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17 und Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05). Dies gilt grundsätzlich auch für den von der Revision angeführten Umstand der ‚arbeitgeberischen Fürsorge?.
Es liegt jedoch ein sachlichrechtlicher Fehler vor, wenn in den Urteilsgründen Umstände außer Acht gelassen werden, die für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von besonderer Bedeutung sind, deren Einbeziehung in die Strafzumessungserwägungen deshalb nahe lag (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 1982 – 4 StR 218/82 – und vom 7. Juli 1983 – 4 StR 222/83; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. § 46 Rdn. 106). So liegt der Fall hier.
§ 266a StGB schützt in erster Linie das Interesse der Sol idargemeinschaft an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherung (vgl. BT-Drs. 10/5058 S. 31; BVerfG, NJW 2003, 961; BGH, NJW 2000, 2993, 2994; Martens, wistra 1986, 154, 155).
Da dieses Aufkommen nicht gefährdet ist, soweit Dritte – z. B. Subunternehmer – aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung die betroffenen Arbeitnehmer bei den zuständigen Kassen angemeldet und fristgerecht Beiträge an die zuständige Einzugsstelle abgeführt haben, können diese Zahlungen dem Arbeitgeber zugute kommen, obwohl er selbst keine Beiträge abgeführt hat (vgl. BGH, wistra 2001, 464, 465; insoweit nicht abgedruckt in BGHR StGB § 266a Arbeitgeber 2 und Sozialabgaben 5). Solche Zahlungen lagen hier zwar nicht vor. Sorgt aber – wie hier – der Arbeitgeber dafür, dass die Arbeitnehmer als freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 9 SGB V) versichert werden, und zahlt er absprachegemäß die Krankenversicherungsbeiträge für die freiwillige Mitgliedschaft , indem er die Beiträge vom Lohn der Arbeitnehmer einbehält und an die Krankenkasse abführt, ist das Aufkommen der Mittel für die Sozialversicherung in Höhe der Krankenversicherungsbeiträge ebenfalls nicht gefährdet , denn zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird (vgl. § 28i SGB IV). Die Tatsache, dass der Arbeitgeber gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV erst im Rückgriff seine Leistungen vom Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers abziehen darf (vgl. Senat, NJW 2002, 2480), ändert an diesem Ergebnis nichts.
Die Krankenkassenbeiträge machen einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB aus. Vom Arbeitgeber veranlasste Beitragszahlungen für die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung sind daher für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von erheblicher Bedeutung. Da das Landgericht hier die Strafzumessung ausdrücklich an der ‚Schadenshöhe im Einzelfall’ orientiert (UA S. 60) und dabei die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich des Anteils für die Krankenversicherung herangezogen hat, stellt die Nichterörterung des Umstandes, dass der Angeklagte für ‚einen Teil der Beschäftigten? absprachegemäß die Krankenversicherungsbeiträge an die jeweiligen Krankenkassen abgeführt und hierdurch ‚wie ein Arbeitgeber zum Versicherungsschutz der Arbeitnehmer? beigetragen hat (UA S. 17), einen Erörterungsmangel dar.
Es kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO), denn den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, in welcher Höhe der Angeklagte, der ‚in zahlreichen Fällen? dafür gesorgt hatte, dass die Kommanditisten als freiwillige Mitglieder krankenversichert waren (UA S. 17), für diese Krankenkassenbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung abgeführt hat. Aus demselben Grund kann auch nicht beurteilt werden, ob die verhängten Einzelstrafen trotz des Rechtsfehlers im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO angemessen sind.“ Dem schließt sich der Senat an. Die somit gebotene Aufh ebung der in den Fällen 13 bis 24 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

(2) (weggefallen)

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.

(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.

(3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz

1.
Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden,
2.
den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden,
3.
eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden,
4.
Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden,
5.
Gesellschaftsvermögen verteilt wird,
6.
(weggefallen)
7.
Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden,
8.
Kredit gewährt wird,
9.
bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden.

(4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.

(5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus.

(6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren.