Verwaltungsgericht Köln Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 K 2271/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger begehrt die Einstellung der Zwangsvollstreckung, welche die Beklagte gegen ihn wegen einer Forderung aus einem Haftungsbescheid (zuzüglich Nebenforderungen) betreibt, mit dem sie den Kläger als Liquidator der T. & Q. U. GmbH, die am 17. Januar 2001 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht wurde, für offene Gewerbesteuerforderungen der Gesellschaft in Haftung genommen hat.
3Die Gesellschaft wurde am 27. Juli 1993 gegründet und am 7. September 1993 in das Handelsregister des Amtsgerichts Bonn (HRB 0000) eingetragen. Alleiniger Geschäftsführer war Herr W. , welcher zunächst auch Liquidator der Gesellschaft war, nachdem mit Beschluss der Gesellschafter vom 1. April 1996 die Auflösung der Gesellschaft beschlossen worden war. Am 18. April 1997 wurde der Kläger, der nach seinen eigenen Angaben seit 1994 in Irland wohnhaft war, als Liquidator der Gesellschaft mit der Adresse „C. /C1. , D. N. , Republik Irland“ im Handelsregister eingetragen.
4Mit Bescheid vom 10. Oktober 1996 veranlagte die Klägerin die Gesellschaft zu Gewerbesteuervorauszahlungen für das Jahr 1996 i.H.v. 38.700,00 DM und mit Bescheid vom 28. April 1997 zur Gewerbesteuer für das Jahr 1995 i.H.v. 607,00 DM. Da die Forderungen nicht entrichtet wurden, erließ die Beklagte unter dem 26. September 2000 einen Haftungsbescheid, mit welchem sie den Kläger als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft für die nicht entrichteten Steuerforderungen zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 57.736,00 DM (29.519,95 €) in Haftung nahm und zur Zahlung dieser Haftungsschuld aufforderte. Der Bescheid wurde mit der Adresse „C. /C1. , D. N. , Republik Irland“, unter welcher der Kläger vom 20. Januar bis zum 20. Dezember 2000 gemeldet war, laut Vermerk vom 27. September 2000 per Übergabe-Einschreiben versandt.
5In der Folgezeit unternahm die Beklagte keine Versuche, die Forderungen gegenüber dem Kläger zu vollstrecken, weil sie davon ausging, dass kein Rechtshilfeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Irland bestehe. Mit Vermerk vom 22. September 2004 stellte die Beklagte fest, dass entgegen ihrer Annahme ein Rechtshilfeabkommen mit der Republik Irland existierte, und bat das Bundesamt für Finanzen mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 um die Übersendung eines Vollstreckungsersuchens an die zuständige Behörde in Irland. Dieses Ersuchen sandte das Bundesamt für Finanzen jedoch mit Schreiben vom 19. Oktober 2004 unter Hinweis darauf, dass dieses nicht den formellen Anforderungen der EG-Beitreibungsrichtlinie entspreche, an die Beklagte zurück. Ein mit Schreiben vom 9. März 2005 abgesandtes weiteres Vollstreckungsersuchen wurde ebenfalls mit dem gleichen Hinweis von dem Bundesamt für Finanzen an die Beklagte zurückgeschickt.
6Nachdem die Beklagte unter dem 9. Mai 2005 eine „MESO-Intranetauskunft“ über die aktuelle Wohnanschrift des Klägers eingeholt hatte, aus der sich ergab, dass der Kläger seit dem 20. April 2005 in Bonn, C2.--------straße 00, mit alleiniger Wohnung gemeldet sei, erteilte sie am selben Tag einen Vollstreckungsauftrag. In seinem Vollstreckungsbericht vom 21. Juli 2005 teilte der zuständige Vollziehungsbeamte mit, er habe den Kläger unter der Adresse in Bonn weder am 10. noch am 12. Mai 2005 angetroffen, eine Pfändungsankündigung sei nicht zustellbar gewesen und laut Angaben seiner „Ex-Frau“ sei der Kläger wieder in Irland wohnhaft. Daraufhin holte die Beklagte am 8. August 2005 erneut eine „MESO-Intranetauskunft“ ein, aus der sich ergab, dass der Kläger sich zum 27. Juni 2005 abermals nach Irland abgemeldet hatte. Die Beklagte schlug im weiteren Verlauf die Forderungen gegenüber dem Kläger zunächst nieder, nachdem sie zu dem Ergebnis gekommen war, dass ein Beitreibungsersuchen an die Republik Irland nicht mehr erfolgen könne, weil die Forderung gegen den Kläger inzwischen älter als fünf Jahre sei.
7Der Kläger meldete sich zum 31. Mai 2007 wiederum unter der Adresse „C2.--------straße 00, 00000 Bonn“ mit Wohnsitz in Deutschland an und sprach am 17. Juli 2007 persönlich bei der Beklagten vor. Laut Vermerk des zuständigen Bediensteten der Beklagten erkundigte sich der Kläger nach seinen Steuerschulden und wurde „über den Haftungsbescheid vom 26. September 2000 informiert“. Am selben Tag meldete sich der Kläger erneut nach Irland ab. Unter anderem in der Zeit vom 11. Dezember 2007 bis 8. Mai 2008 und vom 11. September 2008 bis zum 13. August 2009 war der Kläger wieder in Bonn, diesmal in der S.-----straße 00a, mit Wohnsitz gemeldet. Dort fand am 4. Februar 2009 in Anwesenheit des Klägers ein fruchtloser Vollstreckungsversuch durch einen hierzu von der Beklagten unter dem 27. Januar 2009 beauftragten Vollziehungsbeamten statt.
8Nachdem ein weiterer Vollstreckungsauftrag vom 9. September 2011 unter der Adresse S.-----straße 00 in Bonn, wo der Kläger seit dem 23. September 2010 gemeldet war, ohne Erfolg geblieben war, weil der Kläger dort von dem zuständigen Vollziehungsbeamten mehrmals nicht angetroffen worden war, lud die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 1. März 2012 zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor. Nach der hierzu erstellten Forderungsaufstellung vollstreckt die Beklagte gegen den Kläger insgesamt eine Forderung in Höhe von 29.553,40 €, die sich aus der Haftungsforderung in Höhe von 29.519,95 € zuzüglich Gebühren für die Ladung vom 1. März 2012 in Höhe von 30,00 € sowie Zustellkosten hierfür in Höhe von 3,45 € zusammensetzt.
9Am 27. März 2012 nahm der Kläger Einsicht in die Steuer- und Vollstreckungsvorgänge der Beklagten und machte mit Schreiben vom gleichen Tage gegenüber der Beklagten geltend, die Haftungsforderung sei zum Ende des Jahres 2005 verjährt. Wirksame verjährungsunterbrechende Vollstreckungsmaßnahmen seien nicht ersichtlich. Mit Schreiben vom 3. April 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Forderungen aus dem Haftungsbescheid seien nicht verjährt, weil die Zahlungsverjährung durch mehrere Maßnahmen im Sinne des § 231 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unterbrochen worden sei.
10Am 29. März 2012 hat der Kläger Klage erhoben sowie am 31. März 2012 um Eilrechtsschutz nachgesucht (Aktenzeichen 24 L 429/12). Zur Begründung des Eilantrages hat er seinerzeit geltend gemacht, dass die der Vollstreckung zu Grunde liegende Haftungsforderung zum Ende des Jahres 2005 verjährt sei. Mit Bescheid vom 26. September 2000 sei er in seiner damaligen Eigenschaft als Liquidator der T. & Q. GmbH für Gewerbesteuer aus den Jahren 1995 und 1996 in Haftung genommen worden. Seit Erhalt des Haftungsbescheides seien ihm weder Mahnschreiben noch Vollstreckungsankündigungen oder ähnliches zugegangen, obwohl er zu jeder Zeit seinen melderechtlichen Pflichten lückenlos nachgekommen sei. Aus den Akten der Beklagten, ergebe sich, dass die Beklagte ebenfalls von einem Erlöschen des Anspruchs zum Ende des Jahres 2005 ausgehe. Wirksame verjährungsunterbrechende Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, sie werde bis zu einer Entscheidung über die vorliegende Klage keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger ergreifen, hat der Kläger den Eilantrag zurückgenommen.
11Zur Begründung der Klage führt der Kläger im Wesentlichen aus, der Haftungsbescheid der Beklagten vom 26. September 2000 sei ihm nicht wirksam zugestellt worden. Über dessen Erlass sei er im Jahr 2000 von dem ehemaligen Geschäftsführer der Primärschuldnerin, Herrn W. , informiert worden. Als er im weiteren Verlauf jedoch nicht von der Beklagten kontaktiert worden sei, sei er davon ausgegangen, dass es sich um eine Fehlinformation gehandelt habe. Im Übrigen räume die Beklagte selbst ein, dass sie die Zustellung des Haftungsbescheides nicht nachweisen könne, da ihr ein Rückschein über die Zustellung nicht vorliege. Der Einwand, den Haftungsbescheid nicht erhalten zu haben, stelle entgegen der Auffassung der Beklagten keine Schutzbehauptung dar. Dass er sich in den letzten zwölf Jahren hierauf nicht berufen habe, sei darauf zurückzuführen, dass er sich einer Zahlungspflicht nicht bewusst gewesen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass er im Jahr 2008 (richtig wohl: 2007) persönlich bei der Beklagten vorgesprochen habe, um festzustellen, ob noch etwas gegen ihn vorliege. Seinerzeit habe das Finanzamt ihm eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, mit welcher er die Beklagte aufgesucht habe, um von dieser ebenfalls eine solche Bescheinigung zu erhalten. Erst in diesem Termin habe die Beklagte ihn mündlich über den Haftungsbescheid informiert, was sich auch aus dem diesbezüglichen Aktenvermerk ergebe. Da mündliche Mitteilungen keine wirksame Zustellung ersetzten und die Forderung bereits verjährt gewesen sei, habe er keine Veranlassung gesehen, weiter tätig zu werden.
12Die Verjährung sei nicht wirksam unterbrochen worden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass er seinen Wohnsitz mehrfach umgemeldet habe. Die erstmalige Ermittlung seiner Meldeanschrift durch die Beklagte am 16. Oktober 2004 könne nur dann eine unterbrechende Wirkung gehabt haben, wenn er unbekannt verzogen sei. Dies sei aber nicht der Fall. Die Rechtshilfeersuchen und die Vollstreckungsaufträge stellten keine verjährungsunterbrechenden Handlungen dar.
13Der Kläger, der ursprünglich die Aufhebung der Ladung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vom 1. März 2012 begehrt hat, beantragt nunmehr,
14die Beklagte zu verpflichten, die Zwangsvollstreckung gegen ihn aus dem Haftungsbescheid vom 26. September 2000 nebst Nebenforderungen einzustellen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und führt aus, die Behauptung des Klägers, er habe den Haftungsbescheid nicht erhalten, sei vor dem Hintergrund des bisherigen Geschehens nicht nachvollziehbar und stelle eine reine Schutzbehauptung dar. Sowohl die Anhörung als auch der Haftungsbescheid seien seinerzeit an die Adresse des Klägers in Irland geschickt worden und nicht als unzustellbar von der Post zurück gesandt worden. Der Kläger habe außerdem den Erhalt des Haftungsbescheides über zwölf Jahre nicht bestritten, obwohl er hierzu Gelegenheit und Anlass gehabt habe, z.B. bei seiner persönlichen Vorsprache am 17. Juli 2007. Zudem habe am 4. Februar 2009 ein erfolgloser Vollstreckungsversuch stattgefunden, bei dem der Kläger persönlich anwesend gewesen sei. Auch nachdem der Kläger am 27. März 2012 Einsicht in die Verwaltungsakten genommen habe, habe er nicht geltend gemacht, den Haftungsbescheid nicht erhalten zu haben. Vielmehr habe er in seinem Schriftsatz vom 2. April 2012 im Eilverfahren eingeräumt, den Haftungsbescheid erhalten zu haben.
18Im Übrigen sei die Forderung gegenüber dem Kläger nicht zahlungsverjährt, denn die Verjährung sei durch Vollstreckungshandlungen im Zeitraum Oktober 2004 bis März 2012 mehrfach unterbrochen worden, zuletzt durch die Ladung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 1. März 2012. Soweit der Kläger vortrage, die Beklagte gehe selbst von einer Verjährung Ende 2005 aus, verkenne er, dass der diesbezügliche Vermerk vom 7. Oktober 2004 stamme. Zu diesem Zeitpunkt sei die Aussage richtig gewesen. Selbst wenn man der Ansicht folge, dass die Rechtshilfeersuchen vom 11. Oktober 2004 und 9. März 2005 keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen darstellten, bleibe immer noch der Vollstreckungsauftrag vom 9. Mai 2005. Seinerzeit sei der Kläger in der C2.--------straße in Bonn gemeldet gewesen und dort sei erfolglos versucht worden, die Forderung zu vollstrecken.
19Mit Beschluss vom 13. Juni 2014 hat die Einzelrichterin den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2014 gemäß § 6 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Kammer zurückübertragen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung erklärt.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren 24 L 429/12 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (drei Hefte) verwiesen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
23Soweit der Kläger nunmehr statt der Aufhebung der Ladung der Beklagten zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vom 1. März 2012 die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Haftungsbescheid vom 26. September 2000 (zuzüglich Nebenforderungen) durch die Beklagte begehrt, liegt eine zulässige Klageänderung i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO vor, denn die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2014 auf das geänderte Klagebegehren eingelassen (vgl. § 91 Abs. 2 VwGO). Im Übrigen ist die Klageänderung sachdienlich (§ 91 Abs. 1 2. Alt. VwGO).
24Die Klage ist jedoch nicht begründet.
25Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zwangsvollstreckung gegen ihn einstellt.
26Das erkennende Gericht hat zunächst keine Zweifel daran, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, wobei diesbezüglich zwischen den Beteiligten allein streitig ist, ob hinsichtlich der in der Vollstreckung befindlichen Hauptforderung der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) erforderliche Leistungsbescheid (hier: der Haftungsbescheid der Beklagten vom 26. September 2000) vorliegt.
27Nach § 124 Abs.1 Satz 1 Abgabenordnung (AO), welcher gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 und 5 AO sowie § 3 Abs. 2 AO ebenso wie die im Folgenden in Bezug genommenen Regelungen der Abgabenordnung auf die Gewerbesteuer als Realsteuer Anwendung findet, wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Ein schriftlicher Verwaltungsakt wird dem von ihm Betroffenen gegenüber wirksam, wenn er ihm zugeht.
28Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts zu beweisen (vgl. § 122 Abs. 2, 2. HS AO), wobei grundsätzlich einfaches Bestreiten durch den Empfänger ausreicht, um Zweifel an dem Zugang des Verwaltungsaktes zu begründen, da es sich beim Nichtzugang eines Briefes um eine negative Tatsache handelt und die Umstände, die den Nichtzugang verursacht haben, in der Regel außerhalb des Einfluss- und Kenntnisbereiches des Empfängers liegen,
29vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 4. April 2013 - 8 B 173/13 -, juris, Rn. 10, m.w.N.; Urteil vom 7. März 1994- 22 A 1063/91 - juris, Rn. 10; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 14. März 1989 - VII R 75/85 -, juris, Rn. 16; Urteil vom 29. April 2009 – X R 35/08 -, juris, Rn. 20.
30Da der Kläger den Zugang des Haftungsbescheides bestreitet, trägt die Beklagte die Beweislast dafür, dass der Bescheid dem Kläger zugegangen und damit wirksam geworden ist, wobei der Beweis des Zugangs eines Bescheides auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO geführt werden kann,
31vgl. BFH, Beschluss vom 28. September 2012 - III B 36/12 -, juris, Rn. 5, m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 1994, a.a.O. Rn. 17.
32Indizien, die für den Zugang eines Bescheides sprechen, können sich insbesondere aus dem vorprozessualen Verhalten der Beteiligten ergeben.
33Ausgehend hiervon ist das erkennende Gericht unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger den Haftungsbescheid vom 26. September 2000, welcher bei der Beklagten nicht in den Postrücklauf gelangt ist, obwohl er gegen Einschreiben versandt wurde, entgegen seiner Behauptung unter seiner Adresse in Irland, wo er zu dieser Zeit unstreitig lebte, erhalten hat.
34Da die Beklagte zunächst von einer Vollstreckung der Forderung gegenüber dem Kläger absah, weil sie davon ausging, diese in Irland nicht vollstrecken zu können, erscheint der Vortrag des Klägers, er habe keinen Anlass gesehen, den Nichterhalt des Haftungsbescheides geltend zu machen, zwar in Bezug auf den Zeitraum 2000 bis 2007 nachvollziehbar. Nachdem der Kläger jedoch am 17. Juli 2007 persönlich bei der Beklagten vorgesprochen hatte und unstreitig darüber informiert wurde, dass die Beklagte Forderungen aus dem Haftungsbescheid vom 26. September 2000 gegen ihn geltend macht, hätte es sich indes aufgedrängt, den Nichterhalt des Haftungsbescheides gegenüber der Beklagten vorzutragen. Gleichwohl hat der Kläger weder bei dieser Vorsprache noch im Anschluss daran gegenüber der Beklagten geltend gemacht, den Haftungsbescheid nicht erhalten zu haben. Dies hätte umso näher gelegen, als der Kläger nach seinem eigenen Vortrag seinerzeit von der Beklagten eine Bestätigung erhalten wollte, dass gegen ihn keine offenen Forderungen bestünden. Stattdessen ließ er die Angelegenheit fast zwei Jahre lang wieder auf sich beruhen. Selbst als der Vollziehungsbeamte ihn persönlich am 4. Februar 2009 unter der Adresse „S.-----straße 00a“ in Bonn antraf, um die Forderung aus dem Haftungsbescheid zu vollstrecken, und die Wohnung nach pfändbaren Gegenständen durchsuchte, hat sich der Kläger nicht darauf berufen, dass eine vollstreckbare Forderung gegen ihn nicht bestehe. Nachdem er die Ladung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch die Beklagte erhalten und Einsicht in die Verwaltungsvorgänge genommen hat, hat er ebenfalls lediglich vorgetragen, die Forderung aus dem Haftungsbescheid sei mit Ablauf des Jahres 2005 zahlungsverjährt. Maßgeblich für die Überzeugung des Gerichtes, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung den Haftungsbescheid seinerzeit erhalten hat, ist zudem, dass er mit Schriftsatz vom 2. April 2012 im Eilverfahren 24 L 429/12 den Erhalt des Haftungsbescheides bestätigt hat. Dort heißt es wörtlich: „Seit Erhalt des Haftungsbescheides sind mir weder Mahnschreiben noch Vollstreckungsankündigungen oder ähnliches zugegangen (...)“. Der Vortrag des Klägers, er habe mit dieser Formulierung lediglich ausdrücken wollen, dass er Kenntnis von dem Erlass des Haftungsbescheides durch den ehemaligen Geschäftsführer und Liquidator der Gesellschaft, Herrn W. , gehabt habe bzw. dieser ihm mitgeteilt habe, es werde gegen ihn (den Kläger) ein Haftungsbescheid ergehen, überzeugt nicht. Ausweislich der von ihm verfassten Schriftsätze und Schreiben ist der Kläger in der Lage, sich präzise und klar auszudrücken, was auch dem persönlichen Eindruck, den die Berichterstatterin von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen und der Kammer vermittelt hat, entspricht.
35Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, der Haftungsbescheid sei unwirksam, weil er ihm seinerzeit an seinem Wohnort in Irland nicht wirksam zugestellt worden sei, ist dem entgegen zu halten, dass die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes grundsätzlich durch Übermittlung durch die Post erfolgt (§ 122 Abs. 2 AO). Eine förmliche Zustellung erfolgt gemäß § 122 Abs. 5 AO nur, wenn dies durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben oder im Einzelfall behördlich angeordnet wurde. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder war bzw. ist für die Bekanntgabe eines Haftungsbescheides die förmliche Zustellung durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben noch wurde diese vorliegend angeordnet. Eine Zustellungsanordnung durch die Beklagte ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass sich auf dem Haftungsbescheid über dem Adressfeld der Zusatz „Einschreiben gegen Rückschein“ befindet. Dem steht bereits entgegen, dass seinerzeit eine Zustellung im Ausland gemäß § 14 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung nur mittels Ersuchen der zuständigen Behörde des fremdem Staates oder der im diesem Staat befindlichen konsularischen oder diplomatischen Vertretungen des Bundes erfolgen konnte.
36Ein Anspruch des Klägers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ergibt sich ferner nicht aus § 7 Abs. 2 Satz 1 VwVG NRW. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die der Vollstreckung zu Grunde liegende Forderung aus dem Haftungsbescheid vom 29. September 2000 nicht zahlungsverjährt.
37Bei dem Einwand der Verjährung handelt es sich um eine Einwendung gegen den der Vollstreckung zu Grunde liegenden Anspruch im Sinne von § 7 Abs. 2 VwVG NRW,
38vgl. Drucksache 13/3192 des Landtags Nordrhein-Westfalen zum Gesetz zur Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes und des Gebührengesetzes, S. 53; Erlenkämper/Rhein, Verwaltungsvollstreckungsgesetz und Verwaltungszustellungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage (2011), § 7, Rn. 4,
39welcher gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 VwVG NRW grundsätzlich bei der Behörde geltend zu machen ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat und nach § 7 Abs. 2 S. 3 VwVG NRW prüft, ob die Vollstreckung einzustellen ist. Es kann vorliegend dahinstehen, ob aufgrund dieser Regelung vor der Geltendmachung von Einwendungen im Sinne des § 7 Abs. 2 VwVG NRW im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich ein vorheriger Antrag bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, erforderlich ist, wofür nach dem Wortlaut der Vorschrift und der Gesetzesbegründung Einiges spricht, denn im vorliegenden Fall hat der Kläger sich mit Schreiben vom 27. März 2012 an die Beklagte gewandt und geltend gemacht, dass die Forderung aus dem Haftungsbescheid verjährt sei. Die Beklagte hat sich daraufhin mit Schreiben vom 3. April 2012 mit dieser Einwendung auseinandergesetzt und dem Kläger mitgeteilt, dass eine Verjährung nicht eingetreten sei. Damit hat sie bereits i.S.d. § 7 Abs. 2 VwVG NRW entschieden, die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger nicht einzustellen.
40Nach § 228 AO unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, worunter auch die hier streitgegenständliche Forderung aus einem Haftungsbescheid fällt, einer besonderen Zahlungsverjährung von fünf Jahren. Die Verjährung beginnt nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, hier mit Ablauf des Jahres 2000. Demnach wäre vorliegend mit Ablauf des Jahres 2005 Zahlungsverjährung eingetreten.
41Gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO wird die Verjährung jedoch unter anderem durch Vollstreckungsmaßnahmen oder durch Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen unterbrochen, mit der Folge, dass mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat, einen neue Verjährungsfrist beginnt (§ 231 Abs. 3 AO).
42Soweit der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2012 vorgetragen hat, die Zahlungsverjährung sei bereits durch den Vollstreckungsauftrag vom 9. Mai 2005 unterbrochen worden, kann dem nicht gefolgt werden.
43Vollstreckungsmaßnahmen in Sinne des § 231 Abs. 1 AO sind alle Handlungen der Behörde, die der zwangsweisen Durchsetzung des Zahlungsanspruches dienen sollen. Die Maßnahmen, die zur Vollstreckung von Geldforderungen ergriffen werden dürfen, sind in den §§ 21 ff. VwVG NRW abschließend geregelt. Die dort genannten Maßnahmen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nach außen wirken, wie z.B. die Pfändung von Sachen, Forderungen oder anderen Rechten, der Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung bei unbeweglichem Vermögen oder die Ladung zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Demgegenüber können lediglich interne Maßnahmen der Behörde und solche Handlungen, die die eigentliche Zwangsvollstreckung erst vorbereiten, selbst aber noch keine Maßnahmen der Vollstreckung sind, die Verjährung nicht unterbrechen. Zu solchen bloßen Vorbereitungshandlungen zählt der Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten,
44vgl. für die Vollstreckung von Steuerforderungen nach der AO: BFH, Urteil vom 24. September 1996 - VII R 31/96 -, juris, Rn. 17, m.w.N.
45Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Vollziehungsbeamte seinerzeit vor Ort gewesen ist und die Mitteilung erhalten hat, der Kläger wohne nicht in der Wohnung in der C2.--------straße , sondern sei wieder nach Irland verzogen. Entgegen der Auffassung des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2014 liegt darin kein fruchtloser Vollstreckungsversuch, welcher eine die Verjährung unterbrechende Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 231 Abs. 1 AO darstellt. Denn ein fruchtloser Pfändungsversuch setzt voraus, dass der Schuldner in der betreffenden Wohnung wohnt und die Wohnung mit dem Ziel durchsucht wurde, pfändbare Gegenstände zu finden, vgl. §§ 27 ff. VwVG NRW. Dies war hier nicht der Fall. Dementsprechend liegt auch keine gemäß § 17 VwVG NRW über jede Vollstreckungshandlung aufzunehmende Niederschrift des Vollziehungsbeamten vor.
46Weiterhin stellen die Schreiben der Beklagten an das Bundesamt für Finanzen vom 11. Oktober 2004 und 9. März 2005, mit denen die Beklagte das Bundesamt unter Bezugnahme auf das Doppelbesteuerungs- und Amtshilfeabkommen mit Irland bzw. die EG- Beitreibungsrichtlinie gebeten hat, ein Vollstreckungsersuchen an die zuständigen Behörden in Irland weiter zu geben, keine Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 231 Abs. 1 AO dar, denn diese wurden beide an die Beklagte wegen formeller Mängel zurückgesandt.
47Eine Verjährungsunterbrechung ist indes durch die von einem Bediensteten der Vollstreckungsbehörde der Beklagten eingeholte Intranetauskunft aus dem Einwohnermelderegister ihrer Meldebehörde über den aktuellen Wohnsitz des Klägers am 8. August 2005 erfolgt. Nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO wird die Zahlungsverjährung durch Ermittlungen nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen unterbrochen. Da es sich bei den in § 231 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Unterbrechungshandlungen der Finanzbehörde um Maßnahmen handeln muss, die auf die Durchsetzung des Steueranspruches gerichtet sind, können Ermittlungen nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen allerdings nur dann eine verjährungsunterbrechende Wirkung haben, wenn ein besonderer Anlass hierfür besteht, weil die Behörde den Wohnsitz oder tatsächlichen Aufenthalt des Zahlungspflichtigen nicht kennt. Schematische Anfragen an das Einwohnermeldeamt, die nach den Umständen des Einzelfalles nicht erforderlich sind, unterbrechen die Verjährung nicht. Zudem muss diese Ermittlung (wie alle verjährungsunterbrechende Maßnahmen) auf Durchsetzung des konkreten Steueranspruches gerichtet sein, d.h. es muss zum Ausdruck kommen, dass ein bestimmter und welcher Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, wenn nicht sofort, so doch später realisiert werden soll,
48vgl. BFH, Urteil vom 24. November 1992 - VII R 63/92 -, juris, Rn. 14., m.w.N.
49Dies ist hier der Fall. Vorliegend bestand für die Beklagte ausweislich des Inhaltes der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Anlass, Ermittlungen nach dem Wohnsitz des Klägers durchzuführen. Der Kläger war zwar seit dem 20. April 2005 unter der C2.--------straße 00 in Bonn gemeldet. Die an diese Adresse gerichtete Pfändungsankündigung des Vollziehungsbeamten vom 20. Mai 2005 wurde von der Post jedoch mit dem Vermerk „Empfänger unter der Wohnanschrift nicht zu ermitteln“ wieder an die Beklagte zurückgesandt. Nach dem Rücklauf der Pfändungsankündigung hat die Beklagte Ermittlungen nach dem Wohnsitz des Klägers ergriffen und unter dem 8. August 2005 eine Auskunft aus dem Melderegister ihres Einwohnermeldeamtes eingeholt, so dass im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft ist, dass es sich bei dieser Anfrage um eine erforderliche Ermittlungshandlung handelt, welche der Durchsetzung des Anspruches der Beklagten aus dem Haftungsbescheid vom 26. September 2000 diente.
50Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger von der Einholung der Auskunft keine Kenntnis hatte, denn dies ist bei Ermittlungen nach dem Wohnsitz oder tatsächlichem Aufenthalt des Steuerpflichtigen naturgemäß nicht der Fall,
51vgl. BFH, Urteil vom 21. November 2006 - VII R 68/05 -, juris, Rn. 35.
52Soweit nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung allerdings für erforderlich gehalten wird, dass die Wohnsitzermittlung eine Außenwirkung dergestalt entfaltet, dass sie ihrer Zielrichtung nach ein Tätigwerden gegenüber Dritten erforderlich macht bzw. sich über den innerdienstlichen Bereich hinaus manifestiert hat,
53vgl. BFH, Urteil vom 24. September 1996 - VII R 31/96 -, juris, Rn. 15; Finanzgericht (FG) Köln, Urteil vom 27. November 2012 - 8 K 2837/11 -, juris, Rn. 47 ff.,
54lässt sich dieses Erfordernis unabhängig davon, dass eine solche Einschränkung der gesetzlichen Regelung des § 231 Abs. 1 Satz 1 AO, dessen Anwendbarkeit für die Gewerbesteuer durch § 1 Abs. 2 AO angeordnet ist, nicht zu entnehmen ist, nicht schematisch auf den Bereich der kommunalen Steuern, welche die Gemeinden in der Regel nach den Vorschriften des VwVG NRW selbst vollstrecken (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 VwVG NRW), übertragen.
55Aufgrund des unterschiedlichen Kompetenzgefüges und der Wesensverschiedenheit im Behördenaufbau wird eine Anfrage bei dem zuständigen Einwohnermeldeamt, die zur Ermittlung des Wohnsitzes besonders geeignet ist und auch von den Finanzämtern regelmäßig vorgenommen wird, bei Kommunalabgaben häufig innerhalb derselben Körperschaft stattfinden. Würde man in Bezug auf kommunale Steuern bzw. Realsteuern verlangen, dass die Wohnsitzermittlungen über den Bereich der Körperschaft hinauswirken müssen, wäre den Kommunen die Möglichkeit genommen, durch eine Anfrage bei dem Einwohnermeldeamt, die der Ermittlung des Wohnsitz des Steuerschuldners zur Durchsetzung einer Forderung dient, gleichzeitig die Verjährung zu unterbrechen. Zudem geht eine Anfrage bei dem Einwohnermeldeamt jedenfalls über den innerdienstlichen Bereich der Vollstreckungsbehörde hinaus, weil das Einwohnermelderegister regelmäßig bei einem anderen Amt geführt wird, welches organisatorisch und personell von der Vollstreckungsstelle getrennt ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ermittlungshandlung aus Gründen der Rechtssicherheit über den innerdienstlichen Bereich hinausgehen soll, weil nur so (für den Zahlungspflichtigen) mit der erforderlichen Klarheit feststellbar ist, ob der Zahlungsanspruch durch Verjährung unterbrochen ist,
56vgl. BFH, Urteil vom 24. September 1996, a.a.O.; FG Köln, Urteil vom 27. November 2012, a.a.O.
57Denn dieser Anforderung wird durch eine entsprechende Dokumentation des Anlasses- hier: der im Verwaltungsvorgang befindliche Umschlag der Pfändungsankündigung vom 20. Mai 2005 mit dem Vermerk des Zustellenden, dass der Kläger unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln sei - sowie der Anfrage in den Vollstreckungsakten der Behörde genüge getan,
58so sinngemäß auch OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2001 - 14 A 2467/00 -, juris, Rn. 5, für den Fall einer schriftlichen Anfrage der kommunalen Vollstreckungsbehörde an das Einwohnermeldeamt der Kommune.
59Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Zuge der allgemeinen technischen Entwicklung bei der Beklagten Datenbanken für die Speicherung der melderechtlichen Daten entwickelt wurden, auf welche auch die Sachbearbeiter der Vollstreckungsstellen Zugriff haben, so dass eine schriftliche Anfrage bei dem Einwohnermeldeamt nicht mehr erforderlich ist und vorliegend auch nicht durchgeführt wurde. Denn auch diese Online-Anfrage (Meso-Intranetauskunft) ist ausweislich des Ausdruckes des Suchergebnisses in den Akten der Beklagten dokumentiert. Aus diesem Ausdruck lässt sich insbesondere auch das Datum der Abfrage entnehmen, so dass mit ausreichender Klarheit feststellbar ist, ob und wann die Verjährung unterbrochen wurde,
60vgl. zur Zulässigkeit einer Online-Abfrage auch FG Köln, Urteil vom 27. November 2012, a.a.O., welches diesbezüglich die Revision zugelassen hat (Aktenzeichen des BFH: VII R 8/13).
61Die durch die Wohnsitzermittlung der Beklagten am 8. August 2005 bewirkte Verjährungsunterbrechung hatte zur Folge, dass gemäß § 231 Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres 2005 eine bis Ende 2010 laufende neue Verjährungsfrist begann, welche ihrerseits wiederum durch den fruchtlosen Vollstreckungsversuch am 4. Februar 2009 - welcher eine Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 231 Abs. 1 AO darstellt – unterbrochen worden ist, so dass der Zahlungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger aus dem Haftungsbescheid frühestens am 1. Januar 2016 verjährt.
62Andere Anhaltspunkte, die der Vollstreckung der Haftungsforderung entgegen stehen könnten, sind nicht ersichtlich und werden von dem Kläger nicht geltend gemacht.
63Ein Anspruch des Klägers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung besteht auch nicht bezüglich der von der Beklagten geltend gemachten Gebühren für die mit Bescheid vom 1. März 2012 gemäß § 5 a VwVG NRW erfolgte Ladung zur Abgabe einer Vermögensauskunft und die Zustellkosten hierfür, welche ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1, 1. HS VwVG NRW, § 77 Abs. 1 VwVG NRW i.V.m. §§ 16 und 20 der Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VO VwVG NRW) finden. Da die Beklagte dies Kosten zusammen mit der Hauptforderung beitreibt, bedarf es nach § 20 Abs. 1, 2. HS VwVG NRW oder § 12 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe a Kommunalabgabegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) i.V.m. § 254 Abs. 2 Satz 2 AO keines Leistungsbescheides bzw. Leistungsgebotes. Einwendungen gegen die Höhe dieser Forderungen hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht erkennbar.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
65Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob eine körperschaftsinterne Online-Wohnsitzanfrage geeignet ist, die Verjährung zu unterbrechen, zugelassen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 K 2271/12
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Köln Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 K 2271/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch
- 1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub, - 2.
Sicherheitsleistung, - 3.
eine Vollstreckungsmaßnahme, - 4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren, - 5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, - 7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und - 8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme, - 2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit, - 3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung, - 4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens, - 5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.
(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.
(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:
- 1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten), - 2.
die Vorschriften des Zweiten Teils (Steuerschuldrecht), - 3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84 (Allgemeine Verfahrensvorschriften), - 4.
die Vorschriften des Vierten Teils (Durchführung der Besteuerung), - 5.
die Vorschriften des Fünften Teils (Erhebungsverfahren), - 6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2, - 7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3, - 8.
die Vorschriften des Achten Teils (Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).
(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.
(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.
(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.
(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.
(4) Steuerliche Nebenleistungen sind
- 1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c, - 2.
Verspätungszuschläge nach § 152, - 3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a, - 3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3, - 4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind, - 5.
Säumniszuschläge nach § 240, - 6.
Zwangsgelder nach § 329, - 7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345, - 8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union, - 9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und - 10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.
(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde für ihre Tochter (T) (geboren am 2. Oktober 1987) bis Dezember 2010 laufend Kindergeld gezahlt. Mit Bescheid vom 23. März 2011 hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für T ab Januar 2008 auf und forderte den überzahlten Betrag zurück. Ein Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011, in dem sie um rückwirkende Wiederaufnahme der Zahlungen bat, wertete die Familienkasse als Einspruch, verwarf diesen jedoch als unzulässig. Zuvor hatte die Klägerin auf den Hinweis der Verfristung lediglich mitgeteilt, der verspätete Einspruch habe seinen Grund in ihrer Unachtsamkeit und der Absicht, das Schreiben auch für eine weitere Tochter zu verfassen. Bei Erhebung der Klage gab die Klägerin an, der Bescheid vom 23. März 2011 liege ihr zwar nicht vor, sie könne jedoch nicht ausschließen, ihn erhalten zu haben. Bei Vorlage des Ablehnungsbescheids vom 23. März 2011 in einem Erörterungstermin bestritt die Klägerin schließlich, diesen Bescheid erhalten zu haben.
- 2
-
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das Gericht hatte keine Zweifel, dass der Bescheid vom 23. März 2011 --wie in der Akte dokumentiert-- von der Familienkasse am Folgetag zur Post aufgegeben worden war. Es war zudem davon überzeugt, dass die Klägerin diesen Bescheid auch tatsächlich erhalten hatte. Damit kam das FG zu dem Ergebnis, das als Einspruch zu wertende Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011 sei verfristet und der Ablehnungsbescheid deshalb bestandskräftig.
- 3
-
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, das Urteil des FG sei rechts- und ermessensfehlerhaft. Zudem sei die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, welche Rolle die materielle Begründetheit eines Bescheids spiele.
Entscheidungsgründe
- 4
-
II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
- 5
-
1. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Beweis des Zugangs eines mit einfachem Brief versandten Bescheids auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO geführt werden kann (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 1993 II R 11/90, BFH/NV 1994, 141; vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 1998 X B 117/98, BFH/NV 1999, 450; vom 4. November 2008 I B 106/08, Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, R 40; Senatsbeschluss vom 15. April 2011 III B 200/10, BFH/NV 2011, 1291).
- 6
-
a) Soweit sich die Klägerin nach Art einer Revisionsbegründung gegen die vom FG vorgenommene --und ihrer Ansicht nach unzutreffende-- Sachverhalts- und Beweiswürdigung wendet, macht sie keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. April 2008 VIII B 96/07, BFH/NV 2008, 1472; vom 16. April 2008 III B 100/07, BFH/NV 2008, 1358). Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des Urteils einschließlich der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls kann die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht begründet werden
(z.B. BFH-Beschluss vom 4. November 2010 VII B 60/10, BFH/NV 2011, 869).
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b) Die von der Klägerin gerügte fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung stellt auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung dar, der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO die Zulassung der Revision erfordern würde (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. März 2007 XI B 177/06, BFH/NV 2007, 1340; vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, und vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, jeweils m.w.N.). Hierfür ergibt sich weder aus der Beschwerdebegründung noch aus den Akten ein Anhaltspunkt.
- 8
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2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht.
- 9
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In § 124 Abs. 1 und Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ist festgelegt, dass ein Verwaltungsakt mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird und dies auch bleibt, solange und soweit er nicht aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Dies gilt grundsätzlich auch für rechtswidrige bzw. fehlerhafte Verwaltungsakte mit Ausnahme des nichtigen Verwaltungsakts (§ 124 Abs. 3 AO). Es ist geklärt, dass es nach der Entscheidung des Gesetzgebers grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen ist, seine Rechte durch Einlegung von Rechtsbehelfen bzw. Rechtsmitteln selbst zu wahren (z.B. Senatsbeschluss vom 26. März 2009 III B 255/08, BFH/NV 2009, 1258, m.w.N.). Dem Betroffenen wird also zugemutet, sich zur Wehr zu setzen, wenn er einen Verwaltungsakt für fehlerhaft hält (Güroff in Beermann/Gosch, AO § 124 Rz 12). Die Fristen, innerhalb derer er dies tun muss, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, sind gesetzlich geregelt. So muss ein Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts eingelegt werden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO). Die materielle Richtigkeit eines Bescheids spielt danach weder bei der Beurteilung der --den Zugang voraussetzenden-- Bekanntgabe noch bei der daran anknüpfenden Berechnung einer Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist eine Rolle.
- 10
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Die Klägerin legt nicht dar, aus welchem Grund gleichwohl eine Entscheidung des BFH darüber erforderlich sei, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass ein bestandskräftiger Bescheid --wie nach Darstellung der Klägerin der Aufhebungsbescheid vom 23. März 2011-- materiell-rechtlich zu Unrecht ergangen ist.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben
- 1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, - 2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.
(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.
(7) Betreffen Verwaltungsakte
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.(1) Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Sie beginnt jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung nach § 129 wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt; eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung gleich. Wird die Festsetzung oder Anmeldung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so beginnt die Verjährung des gesamten Anspruchs erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung wirksam geworden ist.
(2) Ist ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Zahlungsaufforderung nachgeholt worden ist, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Haftungsbescheid wirksam geworden ist.
(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch
- 1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub, - 2.
Sicherheitsleistung, - 3.
eine Vollstreckungsmaßnahme, - 4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren, - 5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, - 7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und - 8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme, - 2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit, - 3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung, - 4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens, - 5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.
(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.
Gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sind Zwangsmittel unzulässig, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.
(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch
- 1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub, - 2.
Sicherheitsleistung, - 3.
eine Vollstreckungsmaßnahme, - 4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren, - 5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, - 7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und - 8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme, - 2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit, - 3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung, - 4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens, - 5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.
(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.
(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.
(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:
- 1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten), - 2.
die Vorschriften des Zweiten Teils (Steuerschuldrecht), - 3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84 (Allgemeine Verfahrensvorschriften), - 4.
die Vorschriften des Vierten Teils (Durchführung der Besteuerung), - 5.
die Vorschriften des Fünften Teils (Erhebungsverfahren), - 6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2, - 7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3, - 8.
die Vorschriften des Achten Teils (Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).
(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.
(1) Als Vollstreckungsschuldner kann in Anspruch genommen werden,
- a)
wer eine Leistung als Selbstschuldner schuldet; - b)
wer für die Leistung, die ein anderer schuldet, persönlich haftet.
(2) Wer zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet ist, wird dem Vollstreckungsschuldner gleichgestellt, soweit die Duldungspflicht reicht.
Tatbestand
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I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 24. Mai 2011 auf Antrag des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) über Steuern, Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge und Zinsen in Höhe von insgesamt 109.500,88 €. Für diese Ansprüche hatte mit Ablauf des Jahres 2004 eine neue Verjährungsfrist i.S. des § 228 AO begonnen, die nach fünf Jahren am 31. Dezember 2009 geendet hätte. Laut Abrechnungsbescheid wurde die Verjährungsfrist am 27. Oktober 2009 durch eine Wohnsitzanfrage des FA beim Einwohnermeldeamt unterbrochen.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stellte aufgrund einer umfangreichen Beweiserhebung fest, das FA habe am 27. Oktober 2009 online eine Wohnsitzanfrage beim Einwohnermeldeamt der Stadt X gestellt (EMA-Online-Anfrage). Dies sei eine die Verjährung unterbrechende Ermittlungshandlung i.S. des § 231 Abs. 1 Satz 1 AO, da dem FA der Wohnsitz des Klägers unbekannt gewesen sei und die EMA-Online-Anfrage der Realisierung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gedient habe. Die Zweckmäßigkeit der Unterbrechungshandlung sei keine Voraussetzung des § 231 Abs. 1 Satz 1 AO. Im Übrigen handele es sich bei der EMA-Online-Anfrage --ebenso wie bei einer schriftlichen EMA-Anfrage-- um einen nach außen wirkenden Realakt des FA, auch wenn die Finanzbeamten über einen Link direkt auf die Meldedatenbanken der Meldebehörden zugriffen. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO setze nicht voraus, dass der Zahlungspflichtige von den Ermittlungsmaßnahmen erfahre.
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Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die EMA-Online-Anfrage habe nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO geführt. Unter Berücksichtigung der Gesetzeshistorie sowie des Sinns und Zwecks dieser Vorschrift, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu gewährleisten, sei § 231 Abs. 1 Satz 1 AO eng auszulegen. Damit könnten Scheinhandlungen wie routinemäßige Wohnsitzanfragen nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung führen. Des Weiteren greife das FA bei der EMA-Online-Anfrage auf die bei der Stadt X gespeicherten Daten wie auf eigene interne Daten zu, so dass im Gegensatz zur schriftlichen EMA-Anfrage die erforderliche Außenwirkung fehle. Schließlich habe die EMA-Online-Anfrage zumindest im Streitfall lediglich die Verjährungsunterbrechung und nicht die Durchsetzung der Zahlungsansprüche bezweckt. Dies folge aus einem Vergleich des Vorgehens des FA im Zeitablauf. Nachdem es in den Jahren 2001 bis 2003 zunächst mehrere Maßnahmen zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche durchgeführt habe, seien diese Maßnahmen erst im Jahr 2011 fortgesetzt worden. Die EMA-Online-Anfrage im Jahr 2009 habe dagegen allein der Abarbeitung der finanzamtsintern geführten Verjährungsliste und somit der Verjährungsunterbrechung gedient.
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Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Abrechnungsbescheid vom 24. Mai 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2008 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
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Der Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig. Die aufgeführten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind nicht durch Verjährung erloschen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die EMA-Online-Anfrage vom 27. Oktober 2009 die Verjährung gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen hat.
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Die fünfjährige Zahlungsverjährung (§ 228 AO) wird durch die in § 231 Abs. 1 Satz 1 AO abschließend aufgezählten Maßnahmen unterbrochen. Hierzu gehören unter anderem "Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen". Liegen die Voraussetzungen einer Verjährungsunterbrechung vor, beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat, eine neue fünfjährige Verjährungsfrist (§ 231 Abs. 3 AO).
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Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die Verjährungsunterbrechung eine nach außen wirkende Maßnahme voraus; rein innerdienstliche Maßnahmen reichen nicht. Allerdings ist die verjährungsunterbrechende Wirkung --zumindest im Fall der EMA-Anfrage-- nicht davon abhängig, dass der Zahlungspflichtige von dieser Anfrage erfährt. Maßgebend ist allein, dass das Finanzamt den Entschluss fasst, seinen Zahlungsanspruch durchzusetzen, und dies über den rein innerdienstlichen Bereich hinaus nach außen sichtbar wird (Senatsurteil vom 28. November 2006 VII R 3/06, BFHE 216, 4, BStBl II 2009, 575). Bei einer Verjährungsunterbrechung durch Ermittlungen zum Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen muss hinzukommen, dass das Finanzamt einen besonderen Anlass hatte, zur Realisierung des Zahlungsanspruchs entsprechende Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. Ein solcher Anlass besteht nur dann, wenn ihm der Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen unbekannt ist. Eine rein schematische Anfrage an das Einwohnermeldeamt kann die Verjährung nicht unterbrechen (Senatsurteile vom 24. November 1992 VII R 63/92, BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220; vom 8. November 1994 VII R 1/93, BFH/NV 1995, 657; vgl. auch Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2011 VII B 106/11, BFH/NV 2012, 691).
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Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. Daraus folgt im Streitfall, dass durch die EMA-Online-Anfrage vom 27. Oktober 2009 die Verjährung unterbrochen wurde.
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Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass es sich bei der EMA-Anfrage um eine rein schematische Wohnsitzanfrage zur Verjährungsunterbrechung gehandelt habe. Denn nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Wohnsitz des Klägers dem FA zum Zeitpunkt der EMA-Anfrage unbekannt. Damit gab es einen konkreten Anlass für diese Ermittlungsmaßnahme. Auf eine etwaige Kenntnis anderer Finanzbehörden kommt es nicht an.
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Im Ergebnis war die EMA-Online-Anfrage vom 27. Oktober 2009 auf die Durchsetzung konkreter Zahlungsansprüche gerichtet. Daran ändert auch nichts, dass die Anfrage in Folge der Bearbeitung einer intern vom FA erstellten Verjährungsliste gestellt worden ist, die den Eintritt der Verjährung verhindern sollte. Denn unabhängig davon war die Ermittlung des Wohnsitzes für die weitere Durchsetzung der Zahlungsansprüche erforderlich. Dass der Wohnsitz auf andere Weise leichter zu ermitteln gewesen wäre und in den Jahren bis 2004 und ab 2011 umfangreichere Maßnahmen zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche durchgeführt worden sind, ist ebenfalls unschädlich. Wie der Senat bereits im Urteil in BFHE 169, 493, BStBl II 1993, 220 ausgeführt hat, kommt es für den Eintritt einer Verjährungsunterbrechung nicht darauf an, dass zur Durchsetzung der Zahlungsansprüche die zweckmäßigste Maßnahme ergriffen wird.
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Schließlich fehlt bei der EMA-Online-Anfrage vom 27. Oktober 2009 auch nicht die erforderliche Außenwirkung. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurde die durchsuchte Meldedatenbank allein von der städtischen Meldebehörde betrieben. Das FA konnte darauf zwar im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens zugreifen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das FA ähnlich wie bei einer schriftlichen EMA-Anfrage nach außen manifestiert hat, die streitigen Zahlungsansprüche durchsetzen zu wollen. Der vom Senat im Urteil in BFHE 216, 4, BStBl II 2009, 575 hervorgehobene Zweck, durch das Erfordernis der Außenwirkung Rechtssicherheit zu schaffen, rechtfertigt in solch einem Fall keine weitere Einschränkung der verjährungsunterbrechenden Maßnahmen. Allerdings tragen die Finanzbehörden die Feststellungslast, dass tatsächlich eine EMA-Online-Anfrage durchgeführt worden ist. Dieser Nachweis ist dem FA nach dem von der Revision nicht angegriffenen Ergebnis der Beweisaufnahme des FG gelungen.
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Ob die erforderliche Außenwirkung auch dann vorgelegen hätte, wenn auf die Datenbank des Bundeszentralamts für Steuern (§ 139b Abs. 3 AO) bzw. auf eine andere (zumindest auch) von den Finanzbehörden auf Grundlage des automatisierten Datenabgleichs nach § 139b Abs. 6 bis 8 AO geführte Datenbank zugegriffen worden wäre, kann im Streitfall offen bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
(1) Die Verjährung eines Anspruchs wird unterbrochen durch
- 1.
Zahlungsaufschub, Stundung, Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung oder Vollstreckungsaufschub, - 2.
Sicherheitsleistung, - 3.
eine Vollstreckungsmaßnahme, - 4.
Anmeldung im Insolvenzverfahren, - 5.
Eintritt des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
Aufnahme in einen Insolvenzplan oder einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, - 7.
Ermittlungen der Finanzbehörde nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen und - 8.
schriftliche Geltendmachung des Anspruchs.
(2) Die Unterbrechung der Verjährung dauert fort
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis zum Ablauf der Maßnahme, - 2.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bis zum Erlöschen der Sicherheit, - 3.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 bis zum Erlöschen des Pfändungspfandrechts, der Zwangshypothek oder des sonstigen Vorzugsrechts auf Befriedigung, - 4.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens, - 5.
im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 5 bis zum Wegfall des Vollstreckungsverbots nach § 210 oder § 294 Absatz 1 der Insolvenzordnung, - 6.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6, bis der Insolvenzplan oder der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan erfüllt oder hinfällig wird.
(3) Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist.
(4) Die Verjährung wird nur in Höhe des Betrags unterbrochen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht.
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.
(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
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Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.