Tatbestand

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I. Der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde für ihre Tochter (T) (geboren am 2. Oktober 1987) bis Dezember 2010 laufend Kindergeld gezahlt. Mit Bescheid vom 23. März 2011 hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für T ab Januar 2008 auf und forderte den überzahlten Betrag zurück. Ein Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011, in dem sie um rückwirkende Wiederaufnahme der Zahlungen bat, wertete die Familienkasse als Einspruch, verwarf diesen jedoch als unzulässig. Zuvor hatte die Klägerin auf den Hinweis der Verfristung lediglich mitgeteilt, der verspätete Einspruch habe seinen Grund in ihrer Unachtsamkeit und der Absicht, das Schreiben auch für eine weitere Tochter zu verfassen. Bei Erhebung der Klage gab die Klägerin an, der Bescheid vom 23. März 2011 liege ihr zwar nicht vor, sie könne jedoch nicht ausschließen, ihn erhalten zu haben. Bei Vorlage des Ablehnungsbescheids vom 23. März 2011 in einem Erörterungstermin bestritt die Klägerin schließlich, diesen Bescheid erhalten zu haben.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das Gericht hatte keine Zweifel, dass der Bescheid vom 23. März 2011 --wie in der Akte dokumentiert-- von der Familienkasse am Folgetag zur Post aufgegeben worden war. Es war zudem davon überzeugt, dass die Klägerin diesen Bescheid auch tatsächlich erhalten hatte. Damit kam das FG zu dem Ergebnis, das als Einspruch zu wertende Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011 sei verfristet und der Ablehnungsbescheid deshalb bestandskräftig.

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Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, das Urteil des FG sei rechts- und ermessensfehlerhaft. Zudem sei die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, welche Rolle die materielle Begründetheit eines Bescheids spiele.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

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1. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Beweis des Zugangs eines mit einfachem Brief versandten Bescheids auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO geführt werden kann (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 1993 II R 11/90, BFH/NV 1994, 141; vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; BFH-Beschlüsse vom 26. Oktober 1998 X B 117/98, BFH/NV 1999, 450; vom 4. November 2008 I B 106/08, Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, R 40; Senatsbeschluss vom 15. April 2011 III B 200/10, BFH/NV 2011, 1291).

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a) Soweit sich die Klägerin nach Art einer Revisionsbegründung gegen die vom FG vorgenommene --und ihrer Ansicht nach unzutreffende-- Sachverhalts- und Beweiswürdigung wendet, macht sie keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. April 2008 VIII B 96/07, BFH/NV 2008, 1472; vom 16. April 2008 III B 100/07, BFH/NV 2008, 1358). Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des Urteils einschließlich der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls kann die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht begründet werden
(z.B. BFH-Beschluss vom 4. November 2010 VII B 60/10, BFH/NV 2011, 869).

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b) Die von der Klägerin gerügte fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung stellt auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung dar, der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO die Zulassung der Revision erfordern würde (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. März 2007 XI B 177/06, BFH/NV 2007, 1340; vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798, und vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474, jeweils m.w.N.). Hierfür ergibt sich weder aus der Beschwerdebegründung noch aus den Akten ein Anhaltspunkt.

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2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht.

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In § 124 Abs. 1 und Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ist festgelegt, dass ein Verwaltungsakt mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam wird und dies auch bleibt, solange und soweit er nicht aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Dies gilt grundsätzlich auch für rechtswidrige bzw. fehlerhafte Verwaltungsakte mit Ausnahme des nichtigen Verwaltungsakts (§ 124 Abs. 3 AO). Es ist geklärt, dass es nach der Entscheidung des Gesetzgebers grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen ist, seine Rechte durch Einlegung von Rechtsbehelfen bzw. Rechtsmitteln selbst zu wahren (z.B. Senatsbeschluss vom 26. März 2009 III B 255/08, BFH/NV 2009, 1258, m.w.N.). Dem Betroffenen wird also zugemutet, sich zur Wehr zu setzen, wenn er einen Verwaltungsakt für fehlerhaft hält (Güroff in Beermann/Gosch, AO § 124 Rz 12). Die Fristen, innerhalb derer er dies tun muss, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, sind gesetzlich geregelt. So muss ein Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts eingelegt werden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO). Die materielle Richtigkeit eines Bescheids spielt danach weder bei der Beurteilung der --den Zugang voraussetzenden-- Bekanntgabe noch bei der daran anknüpfenden Berechnung einer Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist eine Rolle.

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Die Klägerin legt nicht dar, aus welchem Grund gleichwohl eine Entscheidung des BFH darüber erforderlich sei, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass ein bestandskräftiger Bescheid --wie nach Darstellung der Klägerin der Aufhebungsbescheid vom 23. März 2011-- materiell-rechtlich zu Unrecht ergangen ist.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Abgabenordnung - AO 1977 | § 124 Wirksamkeit des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 355 Einspruchsfrist


(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den

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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 01. Okt. 2014 - 24 K 2271/12

bei uns veröffentlicht am 01.10.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung, einzulegen.

(2) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 ist unbefristet.