Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 19. März 2015 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Hinsichtlich der Kosten ist der Beschluss vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.832,98 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung der Beihilfefähigkeit für eine kieferorthopädische Behandlung.

2

Die am … geborene Klägerin ist im Amt einer Studienrätin (Besoldungsgruppe A 13) Landesbeamtin der Beklagten, jedoch seit dem 1. August 1999 dauerhaft beurlaubt (zuletzt bis zum 31. Juli 2016). Seit dem Tod ihres Ehemannes, eines ehemaligen Hamburgischen Landesbeamten, im Jahr 2002 erhält sie Witwengeld.

3

Mit Schreiben vom 29. April 2009, welches am 4. Mai 2009 bei der Beklagten einging, reichte die Klägerin einen Behandlungsplan vom 6. April 2009 für eine kieferorthopädische Behandlung ein. Der Plan sah verschiedene Maßnahmen nach dem Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) Nr. 600 ff. und eine Behandlungsdauer von ca. 1 ¾ Jahr vor; die geschätzten Behandlungskosten wurden mit 4.047,11 Euro angegeben. Im Behandlungsplan heißt es:

4

„Bemerkungen:

- myoarthrogene Beschwerden („CMD“)

        

- arthrogene Störungen insbes. linkes Kiefergelenk

                 

Diagnose:

- links halbe PB distal, rechts neutral

        

- UK – Frontengstand, verschachtelt

        

- ML – Verschiebung 2 mm nach links

        

- Schmalkiefer“

5

Mit Bescheid vom 6. Mai 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Beihilfefähigkeit ab. Zur Begründung führte sie aus, bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, seien Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen nicht beihilfefähig, es sei denn, es liege eine schwere Kieferanomalie vor, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordere. Dies sei nicht der Fall.

6

Dagegen legte die Klägerin am 12. Mai 2009 Widerspruch ein und machte geltend, dass die altersbedingte Einschränkung der Leistung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoße.

7

Im Schreiben vom 20. Juli 2009, mit dem die Beklagte die Rechtslage erläuterte und Gelegenheit zur Stellungnahme gab, heißt es u.a. (Hervorhebung im Original):

8

„Nach Anlage 1 zu § 6 Nr. 1 HmbBeihVO sind kieferorthopädische Maßnahmen (Nrn. 600-626 GOZ) nur dann beihilfefähig, wenn

9

a) die behandelte Person bei Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat; dies gilt nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern,
b) vor Beginn der Behandlung ein Heil- und Kostenplan vorgelegt wird und
c) die Festsetzungsstelle die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen vor Beginn der Behandlung anerkannt hat.“

10

Die Klägerin ließ im Zeitraum 5. Januar bis 29. September 2010 kieferorthopädische Maßnahmen durchführen (vgl. Rechnungen vom 7. Juli 2010, Nr. 559615/07 und vom 17. November 2010 Nr. 576649/11). Ferner ließ sie im Zeitraum 11. November bis 20. Dezember 2010 funktionsanalytische und -therapeutische Maßnahmen nach Abschnitt J (Nr. 800 ff.) GOZ durchführen. In der Anlage zur Rechnung vom 22. Dezember 2010 (Nr. 843855/12) heißt es dazu:

11

„Die GOZ-Positionen 801, 802, 804, 805 und 808 wurden aus folgender Indikation durchgeführt:

12

Es liegt eine Kiefergelenk-/Muskelerkrankung schwerer Art vor.“

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. In der Begründung heißt es, die Voraussetzungen für die Anerkennung der Beihilfefähigkeit seien nicht erfüllt. Nach dem klaren Wortlaut der Verordnung sei die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen bei der Klägerin altersbedingt ausgeschlossen. Für eine Ausnahmeentscheidung nach § 85 Abs. 9 Nr. 11 HmbBG biete weder ihr Vorbringen noch der zur Beurteilung stehende Sachverhalt Anlass. Auch ein Verstoß gegen höherrangiges Recht würde nicht zur Folge haben, dass sie, die Beklagte, die Einschränkung der Beihilfefähigkeit außer Acht lassen dürfe. Ein solcher Verstoß liege aber auch nicht vor. Mit dem AGG bzw. der Richtlinie 2000/78/EG (im Folgenden RL 2000/78) sei die Regelung vereinbar, da sie ein legitimes Ziel verfolge. Auch die in Art. 33 Abs. 5 GG wurzelnde Fürsorgepflicht des Dienstherrn werde durch die Altersgrenze nicht verletzt. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 25. August 2010 zugestellt.

14

Am 16. September 2010 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat sie sich auf § 7 HmbBeihVO in der ab 2010 geltenden Fassung gestützt und geltend gemacht, ihr Anspruch ergebe sich aus § 7 Abs. 4 HmbBeihVO, da bei ihr die dort genannten „Kiefergelenk- und Muskelerkrankungen im Kieferbereich (Myoarthropathien)“ vorlägen. Die Beklagte habe insoweit nicht mehr die Beihilfeverordnung in der Fassung vom 24. Juni 2008 anwenden dürfen, da diese außer Kraft getreten sei. Ihr Anspruch richte sich nach neuem Recht. Doch auch nach altem Recht habe sie einen Anspruch auf Kostenübernahme. Die Vorschrift des § 6 HmbBeihVO 2008 verstoße nämlich wegen der Altersgrenze gegen höherrangiges Recht, insbesondere das AGG und die RL 2000/78. Die Klägerin legte eine Stellungnahme ihres Zahnarztes vom 16. Februar 2011 vor, in der es heißt:

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„die medizinische Indikation für eine kieferorthopädische Behandlung bei meiner Patientin … war gegeben durch eine traumatische Okklusion, die zu einer ausgeprägten CMD-Problematik mit myoarthrogenen Beschwerden geführt hat. Typischerweise wurde die Symptomatik begleidet (richtig wohl: begleitet) von Kopfschmerz und Problemen in der Halswirbelsäule.“

16

Am 3. März 2011 beantragte die Klägerin Beihilfe u.a. für die Aufwendungen aus den oben benannten drei Rechnungen für kieferorthopädische und funktionsanalytische / funktionstherapeutische Behandlungen. Mit Bescheid vom 17. März 2011 erstattete die Beklagte die Aufwendungen für die funktionsanalytischen und -therapeutischen Maßnahmen, lehnte jedoch die Übernahme der Kosten für die kieferorthopädischen Maßnahmen unter Hinweis auf § 7 Abs. 3 HmbBeihVO ab. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein, über den die Beklagte im Hinblick auf das vorliegende Klageverfahren im Einvernehmen mit der Klägerin bis heute nicht entschieden hat.

17

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 17. Februar 2012 wurde das Klagverfahren mit Einverständnis der Beteiligten bis zur Entscheidung des beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens C-124/11 ausgesetzt. Mit Urteil vom 6. Dezember 2012 entschied der EuGH in diesem Verfahren. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2014 um Fortsetzung des Klagverfahrens gebeten hatte, wurde es wieder aufgenommen; die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Auf die gerichtliche Anfrage vom 27. Februar 2015 legte die Klägerin eine weitere Stellungnahme ihres Zahnarztes vom 11. März 2015 vor, in der es u.a. heißt:

18

„Die Indikation für die durchgeführte kieferorthopädische Behandlung . . . hatte ausschließlich medizinische Gründe. Die Patientin litt unter starker CMD-Problematik mit morphologischen Veränderungen im linken Kiefergelenk und Veränderungen der Zahnstellung insbesondere nach vorangegangenem Trauma. Es handelt sich also um eine sekundäre Anomalie. Eine vergleichbare Behandlungsalternative zur Rehabilitation gab es nicht.“

19

Die Klägerin hat beantragt,

20

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2010 zu verpflichten, die Beihilfefähigkeit der kieferorthopädischen Maßnahmen der Klägerin gemäß Behandlungsplan vom 6. April 2009 anzuerkennen.

21

Die Beklagte hat beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Zur Begründung hat sie sich auf den Widerspruchsbescheid bezogen.

24

Mit Urteil vom 19. März 2015 im schriftlichen Verfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, die Beihilfefähigkeit der kieferorthopädischen Behandlung der Klägerin laut Behandlungsplan vom 6. April 2009 anzuerkennen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Zwar seien die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin nach den Hamburgischen Beihilferegelungen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, da die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des möglichen Behandlungsbeginns im Jahre 2009 die Altersgrenze der Anlage 1 Nr. 3 Hamburgische Beihilfeverordnung bereits überschritten habe. Die Voraussetzungen, bei denen eine kieferorthopädische Behandlung ausnahmsweise auch bei über 18-Jährigen beihilfefähig sei, lägen im Fall der Klägerin nicht vor; eine schwere Kieferanomalie, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordere, sei unstreitig nicht gegeben. Die in Anlage 1 Nr. 3 der Hamburgischen Beihilfeverordnung getroffene Ausschlussregelung könne aber bei der Klägerin keine Anwendung finden. In diesem Zusammenhang könne offen bleiben, ob der grundsätzliche Ausschluss der kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener von der Beihilfefähigkeit generell gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder die Vorschriften des AGG verstoße. Denn auf der Grundlage einer verfassungskonformen und am Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung sei jedenfalls unter den im Fall der Klägerin gegebenen Umständen die Anerkennung einer Beihilfefähigkeit zu Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung über die in Anlage 1 Nr. 3 geregelten Ausnahmen hinaus geboten. Der Ausschluss der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung Erwachsener könne jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Behandlung, wie hier, ausschließlich auf einer zahnmedizinisch zwingenden Indikation beruhe. Insoweit lasse sich der Ausschluss nämlich nicht mit der Erwägung sachlich rechtfertigen, dass die Behandlung typischerweise in erster Linie aus ästhetischen Gründen durchgeführt werde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich nur einen engen Gestaltungsspielraum habe, wenn eine Ungleichbehandlung, wie hier, an ein personenbezogenes Merkmal wie das Alter und nicht an Lebenssachverhalte anknüpfe oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhänge. Aus den Attesten des behandelnden Arztes vom 16. Februar 2011 und 11. März 2015 ergebe sich, dass im vorliegenden Einzelfall mehrere Besonderheiten vorlägen, die einen Ausschluss von der Beihilfefähigkeit als sachwidrig erscheinen ließen. So seien für die Behandlung der Klägerin ausschließlich medizinische Gründe ausschlaggebend und würden ästhetische Aspekte keine Rolle spielen. Aus den medizinischen Befunden ergebe sich, dass die Behandlung auch deshalb erfolge, weil die Klägerin erhebliche Beschwerden habe. So werde auf andauernde Kopfschmerzen und Probleme der Halswirbelsäule hingewiesen. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen belegten auch, dass die Behandlung zwingend erforderlich sei und Behandlungsalternativen zur Rehabilitation nicht bestünden. Schließlich liege bei der Klägerin eine sogenannte sekundäre Anomalie vor, also eine solche, die sich erst im Erwachsenenalter herausgebildet habe.

25

Das Urteil ist der Beklagten am 20. April 2015 zugestellt worden. Auf ihren Zulassungsantrag vom 5. Mai 2015 hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 21. Juli 2015 zugelassen. Am 18. August 2015 hat die Beklagte die Berufung begründet und vorgetragen: Dass bei der Klägerin eine im Erwachsenenalter entstandene sog. sekundäre Anomalie vorliege, ergebe sich aus den eingereichten ärztlichen Stellungnahmen nicht. Der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene verstoße nicht gegen höherrangiges Recht; eine verfassungskonforme Auslegung komme nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Ausnahmeentscheidung im Einzelfall seien nicht erfüllt; zu besonderen persönlichen Belastungen habe die Klägerin nichts vorgetragen.

26

Die Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

28

Mit richterlicher Verfügung vom 19. Oktober 2015 hat der Senat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Beihilfefähigkeit der kieferorthopädischen Behandlung voraussichtlich schon daran scheitere, dass sie entgegen § 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 3 lit. c HmbBeihVO a.F./§ 7 Abs. 3 Nr. 2 HmbBeihVO die Maßnahme habe durchführen lassen, ohne dass eine vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit seitens der Festsetzungsstelle vorgelegen habe. Es erscheine zweifelhaft, ob ein begründeter Ausnahmefall von dem Erfordernis der vorherigen Anerkennung angenommen werden könne. Weiterhin hat der Senat mitgeteilt, dass aus seiner Sicht zweifelhaft sei, ob die Beschränkung der Beihilfefähigkeit für kieferorthopädische Behandlungen Erwachsener gegen die Bestimmungen der RL 2000/78 bzw. des AGG oder Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Die Klägerin ist gebeten worden mitzuteilen, ob die Zahnfehlstellungen bei ihr seit Geburt vorgelegen oder sich später entwickelt hätten und ggf. den Grund für die Entwicklung anzugeben. Sie ist außerdem darauf hingewiesen worden, dass sich in den vorliegenden zahnärztlichen Stellungnahmen zum Ausmaß bzw. der Schwere ihrer Beschwerden und zur Dringlichkeit einer Behandlung keine Hinweise fänden und gebeten, sich zu diesem Punkt zu äußern.

29

Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich der Antrag,

30

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

31

Sie macht geltend, wenn sie den Ausgang des Verfahrens hätte abwarten müssen und erst danach mit der medizinischen Behandlung beginnen können, wären schwere und bleibende Schäden in der Kieferorthopädik zu befürchten gewesen. Ein Zuwarten sei nicht zumutbar gewesen, ansonsten hätte es die Beklagte auch in der Hand, durch künstliche Verlängerung des Verfahrens auf Zeit zu spielen und damit den Beihilfeanspruch ins Leere laufen zu lassen. Ein Eilverfahren wäre wegen Vorwegnahme der Hauptsache kaum zulässig gewesen. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Beihilfeausschluss kieferorthopädischer Behandlungen für Erwachsene rechtswidrig sei. Für den Vergleich sei auf die Gesamtheit der Beihilfeberechtigten und nicht etwa auf die Teilgruppe der Witwen abzustellen. Die Privilegierung von Minderjährigen beruhe nicht auf Schutz- und Fürsorgegründen, sondern allein auf fiskalischen Erwägungen, die eine Diskriminierung nicht rechtfertigen könnten. Die Frage, wann und aus welchen Gründen sich die Fehlstellungen bei ihr entwickelt hätten, sei aus zahnärztlicher Sicht nicht verbindlich zu beantworten. Zahnfehlstellungen lägen nicht bei Geburt vor; Kinder bekämen erst mit 6 Monaten die ersten Zähne. Die Gründe für die Entwicklung von Zahnfehlstellungen seien vielfältig. Sie, die Klägerin, habe eine Vielzahl von Symptomen aufgewiesen, die zur Diagnose einer CMD schwerer Art geführt hätten. Konkret seien dies nach Angaben des Zahnarztes Zahnhartsubstanzschäden mit Heiß-, Kalt-, Süßempfindlichkeit in Folge von funktioneller Überlastung, Bruxismus, myogene Beschwerden der Kaumuskulatur, keine eindeutige Bisslage, Kiefergelenkschäden mit der Symptomatik von Gelenkknacken und Gelenklockerung, Tinnitus im linken Ohr, HWS-Probleme und eine Kompression im linken Kiefergelenk gewesen. Zahnärztliche Stellungnahmen legt die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht vor.

32

Mit Verfügung vom 1. März 2016 hat der Senat die Beteiligten informiert, dass er beabsichtige, über die Berufung gemäß § 130a VwGO durch Beschluss zu entscheiden, da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich und die Berufung der Beklagten einstimmig für begründet halte. Die Klage der Klägerin auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen gemäß Behandlungsplan vom 6. April 2009 sei abzuweisen, weil die Klägerin die Behandlung im Jahr 2010 entgegen § 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 3 lit. c HmbBeihVO a.F./§ 7 Abs. 3 Nr. 2 HmbBeihVO habe durchführen lassen, ohne dass eine vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit durch die Festsetzungsstelle vorgelegen habe. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

33

Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. März 2016 vorgetragen, ihre Klage auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit könne nicht mit der Begründung versagt werden, dass eine Anerkennung der Beihilfefähigkeit nicht vorliege. Dies sei schlicht widersinnig. Ihr könne auch der Erfolg nicht mit der Begründung versagt werden, ihr Klageziel laufe ins Leere, eine Erstattung der Aufwendungen sei nicht mehr möglich, weil die Behandlung begonnen und abgeschlossen worden sei, ohne die rechtskräftige Entscheidung über die Voranerkennung abzuwarten. Denn ihr stünde im Falle der rechtswidrigen Versagung der Voranerkennung ein Folgenbeseitigungsanspruch zur Seite. Unabhängig davon sei sie berechtigt gewesen, die medizinisch zwingend erforderliche Behandlung ohne formale Anerkennung der Beihilfefähigkeit durchführen zu lassen. Sie habe unter massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen gelitten, die eine umgehende kieferorthopädische Behandlung erforderlich gemacht hätten. Ausweislich des Tatbestandes der erstinstanzlichen Entscheidung habe sie unter myoarthrogenen Beschwerden (CMD) und arthrogenen Beschwerden insbesondere im linken Kiefergelenk gelitten. Es habe eine traumatische Okklusion bestanden, die zu einer starken craniomandibulären Dysfunktion im linken Kiefergelenk geführt habe. Als Folge seien andauernde Kopfschmerzen und HWS-Probleme sowie Tinnitusgeräusche aufgetreten. Die Klägerin macht unter Hinweis auf die Internetquellen www.cmd-therapie.de, www.cmdcheck.de und www.funktionstherapie.de allgemeine Ausführungen zur CMD und trägt vor, diese bedürfe einer sofortigen Behandlung. Sie habe alles unternommen, um eine Voranerkennung zu erreichen. Unmittelbar nach Erhalt des Heil- und Kostenplanes habe sie diesen bei der Beklagten eingereicht und nach Ablehnung der Voranerkennung sofort Widerspruch eingelegt, über den die Beklagte erst Monate später entschieden habe. Danach habe sie wenig später Klage erhoben. Die Beklagte habe die Voranerkennung allein deshalb abgelehnt, weil kieferorthopädische Maßnahmen bei ihr, der Klägerin, wegen des Alters angeblich nicht beihilfefähig seien; zur Frage eines möglichen Ausnahmetatbestandes, auf den sie sachlich hätte eingehen können, habe sie keine Erwägungen angestellt. Da sie, die Klägerin, habe glauben müssen, dass es einen jahrelangen Rechtsstreit um die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen geben werde, könne ihr das Nichtvorliegen der Voranerkennung nicht entgegengehalten werden. Diese sei ohnehin nicht zu erreichen gewesen. Zum Beweis der Tatsache, dass ihre „zahnärztliche Behandlung“ aus medizinischer Sicht keinen Aufschub geduldet habe, bezieht sich die Klägerin auf das Zeugnis ihres behandelnden Zahnarztes.

34

Für weitere Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Sachakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Der Senat darf über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet hält. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, weil es lediglich um Rechtsfragen geht und tatsächliche Gegebenheiten nicht geklärt werden müssen (§ 130a Satz 1 VwGO). Der Senat hat den Beteiligten vorab Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

II.

36

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage der Klägerin ist abzuweisen.

37

1. Die Klage auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Maßnahmen ist mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig. Die Klägerin hat kein rechtliches Interesse an der Anerkennung der Beihilfefähigkeit ihrer kieferorthopädischen Behandlung.

38

a. Da die Klägerin die in Streit stehende kieferorthopädische Behandlung bereits im Jahre 2010 hat durchführen lassen, kann und muss sie direkt auf die Leistung der Beihilfe klagen. Es ist nicht ersichtlich, welches rechtliche Interesse sie jetzt noch an einer generellen Klärung der Beihilfefähigkeit im Sinne einer „Vor“anerkennung haben könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.11.1998, 2 A 6/97, juris Rn. 1, 3; VGH Mannheim, Urt. v. 17.12.2009, 4 S 1909/07, juris Rn. 43).

39

b. Hinzu kommt, dass die Klägerin Beihilfe für die kieferorthopädische Behandlung nicht (mehr) erhalten kann. Eine Klage auf Gewährung von Beihilfe für die kieferorthopädische Behandlung hätte keinen Erfolg. Maßgeblicher Zeitpunkt ist insoweit nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das Entstehen der Aufwendungen, also die Durchführung der Maßnahmen (BVerwG, Urt. v. 6.11.2014, 5 C 36/13, juris Rn. 8; Urt. v. 24.3.1982, 6 C 95/79, juris Rn. 30). Für die ab Januar 2010 durchgeführte kieferorthopädische Behandlung der Klägerin gelten somit die bis zum 31. Januar 2010 bzw. ab dem 1. Februar 2010 geltenden Fassungen der Hamburgischen Beihilfeverordnung, die für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen nach Abschnitt G der GOZ verlangen, dass vor Beginn der Behandlung ein Heil- und Kostenplan vorgelegt wird (§ 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 3 lit. b HmbBeihVO a.F., § 7 Abs. 3 Nr. 1 HmbBeihVO) und die Festsetzungsstelle die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen vor Beginn der Behandlung anerkannt hat (§ 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 3 lit. c HmbBeihVO a.F., § 7 Abs. 3 Nr. 2 HmbBeihVO). Die Klägerin hat mit der kieferorthopädischen Behandlung Anfang Januar 2010 begonnen, bevor eine solche Anerkennung vorlag und obwohl die Beklagte mit Bescheid vom 6. Mai 2009 die Anerkennung ausdrücklich abgelehnt hatte.

40

Es ist rechtlich unbedenklich, dass nach den Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder die Beihilfefähigkeit bestimmter, u.a. kieferorthopädischer Aufwendungen (vgl. §§ 15 Abs. 2 Satz 1, 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, 36 Abs. 1 Satz 1 BBhV) davon abhängt, dass die Festsetzungsstelle die Beihilfefähigkeit anerkannt hat, bevor die Aufwendungen getätigt werden (BVerwG, Urt. v. 5.11.1998, 2 A 6/97, juris). Die Regelungen weisen die Gemeinsamkeit auf, dass der Zeitpunkt dieser Aufwendungen in der Regel planbar ist, dass die Kosten beträchtlich sein können und dass es über Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen leichter und häufiger als bei anderen Aufwendungen Meinungsverschiedenheiten geben kann (OVG Hamburg, Urt. v. 31.10.1996, Bf I 16/96, juris Rn. 24). Das Erfordernis der Voranerkennung dient einerseits dem Interesse des Beihilfeberechtigten, der durch das Verfahren Klarheit über die Einschätzung der Festsetzungsstelle zur Notwendigkeit und Angemessenheit der beabsichtigten Aufwendungen und ggf. eine sachkundige Beratung über Behandlungsalternativen erhält. Vor allem aber soll die Festsetzungsstelle dadurch Gelegenheit bekommen, die Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen rechtzeitig zu prüfen, bevor die Behandlung durchgeführt ist, weil die Befunde infolge der Behandlung erheblich verändert werden können, so dass der Anlass später häufig nicht mehr so gut wie vor der Behandlung aufklärbar ist. Die vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit ist kein verzichtbares Ordnungserfordernis, sondern eine sachlich-rechtliche Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen (BVerwG, Urt. v. 5.11.1998, a.a.O., juris Rn. 19; Urt. v. 11.6.1964, VIII C 124.63, juris). Ausnahmsweise kann die Voranerkennung entbehrlich sein. Liegt jedoch kein solcher Ausnahmefall vor, darf Beihilfe nicht gewährt werden; Ermessen besteht insoweit für den Dienstherrn nicht. Ausnahmefälle ergeben sich aus Treu und Glauben sowie der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und sind auch ohne ausdrückliche Normierung zu beachten.

41

aa. Die Behandlung kann trotz fehlender Voranerkennung dann ausnahmsweise beihilfefähig sein, wenn dem Beihilfeberechtigten das Erfordernis der Voranerkennung ohne Verschulden unbekannt geblieben ist und die Voraussetzungen einer Anerkennung ersichtlich vorlagen (BVerwG, Urt. v. 5.11.1998, a.a.O., juris Rn. 16 f.; OVG Hamburg. Urt. v. 31.10.1996, a.a.O. Rn. 31; VGH Mannheim, Urt. v. 17.12.2009, 4 S 1909/07, juris Rn. 41 f.). Hier fehlt es an beiden Voraussetzungen: Der Klägerin war das Erfordernis der Voranerkennung spätestens durch das Schreiben der Beklagten vom 20. Juli 2009 bekannt, in dem diese ausdrücklich auf diese Voraussetzung hingewiesen hatte. Zudem lagen die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit auch nicht offensichtlich vor. Das gilt schon deshalb, weil eine kieferorthopädische Behandlung für Erwachsene im Streit steht, für die nach dem Wortlaut der Beihilfevorschriften die Beihilfefähigkeit grundsätzlich auf Fälle schwerer Kieferanomalien bei kombinierter kieferorthopädischer und kieferchirurgischer Behandlung begrenzt ist. Zu einem Anspruch auf Beihilfe über diese Regelung hinaus käme man nur durch eine erweiternde Auslegung von § 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 3 lit. a HmbBeihVO a.F./§ 7 Abs. 3 Nr. 3 HmbBeihVO oder aber im Einzelfall aus Fürsorgegesichtspunkten (vgl. § 80 Abs. 9 Satz 11 HmbBG); beides liegt aber nicht „auf der Hand“.

42

bb. In der Rechtsprechung ist weiterhin anerkannt, dass eine Voranerkennung entbehrlich ist, wenn das Abwarten auf die Entscheidung der Festsetzungsstelle im Hinblick auf die Notwendigkeit der Behandlung unzumutbar wäre. Die für die Beihilfefähigkeit der Maßnahme allgemein erforderliche Notwendigkeit reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, vielmehr ist zu verlangen, dass die in Streit stehende Behandlung keinen Aufschub duldet (OVG Hamburg Urt. v. 31.10.1996, a.a.O. Rn. 31; VGH München, Beschl. v. 12.10.2011, 14 ZB 10.2064, juris Rn. 7). Es ist erforderlich, dass eine sofortige Durchführung der Behandlung aus medizinischen Gründen geboten war und weiteres Abwarten dem Beihilfeberechtigten nicht zugemutet werden konnte. Ohne einen solchen Ausnahmefall begründende Umstände darf sich der Beihilfeberechtigte nicht über das Erfordernis der Voranerkennung hinwegsetzen. Er muss vielmehr vor Behandlungsbeginn den Bescheid über die Beihilfefähigkeit abwarten und im Falle einer ablehnenden Entscheidung ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren durchführen mit dem Ziel, die kieferorthopädische Behandlung durchführen zu dürfen, ohne dass dies einem für ihn positiven Ergebnis des späteren Hauptsacheverfahrens entgegensteht (BVerwG, Beschl. v. 23.7.1991, 2 B 21/91, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 17.12.2009, a.a.O., juris Rn. 41).

43

Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt. Ihrem Vortrag, „zum Beweis der Tatsache, dass die zahnärztliche Behandlung der Klägerin aus medizinischer Sicht keinen Aufschub duldete“, beziehe sie sich auf das Zeugnis des behandelnden Zahnarzt …, braucht der Senat nicht nachzugehen. Soweit es sich dabei um einen Beweisantrag dahingehend handeln sollte, … als (sachverständigen) Zeugen zu vernehmen, lehnt der Senat diesen Antrag ab.

44

Es fehlt schon an einer Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache. Selbst wenn sich der Antrag auf die kieferorthopädische (und nicht allgemein zahnärztliche) Behandlung der Klägerin beziehen und diese Behandlung dringlich gewesen sein sollte, hätte die Klägerin nach Ablehnung der Beihilfefähigkeit durch die Beklagte mit Bescheid vom 6. Mai 2009 die Möglichkeit gehabt, vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.7.1991, a.a.O.). Die Klägerin hat jedoch gegen den Ablehnungsbescheid am 12. Mai 2009 lediglich Widerspruch eingelegt und diesen auch nur mit allgemeinen Erwägungen zum Diskriminierungsverbot begründet. Bis zum Beginn der kieferorthopädischen Behandlung im Januar 2010 hat sie die Beklagte nicht auf eine angebliche Dringlichkeit der Behandlung hingewiesen und noch nicht einmal um eine zügige Bearbeitung ihres Widerspruchs gebeten. Ein Eilverfahren auf ausnahmsweise Erlaubnis zur Durchführung der kieferorthopädischen Behandlung hat nicht stattgefunden.

45

Unabhängig davon braucht der Senat dem Antrag der Klägerin nicht nachzugehen, weil ihr Vortrag zur Dringlichkeit der kieferorthopädischen Behandlung unsubstantiiert ist und eine Vernehmung von … deshalb als Ausforschung anzusehen wäre. Nicht nur bezieht sich die Klägerin in ihrem Antrag nur allgemein auf eine „zahnärztliche“ und nicht „kieferorthopädische“ Behandlung. Zum Ausmaß und zur Schwere ihrer Beeinträchtigungen macht die Klägerin keine hinreichenden Angaben; soweit sie einzelne Symptome benennt (beispielsweise Heiß-, Kalt- und Süßempfindlichkeit, andauernde Kopfschmerzen, HWS-Probleme und Tinnitusgeräusche), wird nicht deutlich, wie schwerwiegend die Beeinträchtigungen waren und seit wann sie vorlagen. Die von ihr bisher vorgelegten zahnärztlichen Stellungnahmen stützen nicht die Annahme, dass die Klägerin seinerzeit unter schwerwiegenden Beeinträchtigungen litt: In seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2011 spricht … nur allgemein von „Kopfschmerz und Problemen in der Halswirbelsäule“, der Behandlungsplan vom 6. April 2009 und die Stellungnahme vom 11. März 2015 enthalten keine Hinweise zu Ausmaß und Schwere der Symptome der Klägerin. Es fehlt auch an jeglichem Vortrag der Klägerin, aus welchem Grund mit der kieferorthopädischen Behandlung gerade im Januar 2010 begonnen werden musste. Dazu hätte aber Anlass bestanden, nachdem bis zu diesem Zeitpunkt der Verfahrensablauf keine besondere Eilbedürftigkeit erkennen lässt: Nachdem die Beklagte die Anerkennung der Beihilfefähigkeit mit Bescheid vom 6. Mai 2009 abgelehnt hatte, hat die Klägerin zwar umgehend Widerspruch eingelegt, jedoch nicht auf eine besondere Dringlichkeit der Behandlung hingewiesen oder auch nur um zügige Bearbeitung des Widerspruchs gebeten. Von der Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) hat sie keinen Gebrauch gemacht. Auch ein gerichtliches Eilverfahren hat sie nicht eingeleitet. Weder dem Behandlungsplan vom 6. April 2009 noch den zahnärztlichen Stellungnahmen vom 16. Februar 2011 und 11. März 2015 lassen sich Hinweise auf eine Eilbedürftigkeit der kieferorthopädischen Behandlung entnehmen. Auch ansonsten hat der behandelnde Zahnarzt an keiner Stelle eine Eilbedürftigkeit der kieferorthopädischen Maßnahmen erwähnt. Schließlich fehlt es auch an Angaben der Klägerin dazu, weshalb es notwendig und dringlich war, im Rahmen der Behandlung gerade mit den kieferorthopädischen Maßnahmen zu beginnen. Für die bei der Klägerin diagnostizierte schwere Kiefergelenk- und Muskelerkrankung einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) wird Beihilfe für funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen nach Abschnitt J (Nr. 800 ff.) GOZ gewährt (§ 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 und 4 lit. a HmbBeihVO a.F./§ 7 Abs. 4 Nr. 1 HmbBeihVO); solche Maßnahmen wurden bei der Klägerin Ende des Jahres 2010 (im Anschluss an die kieferorthopädische Behandlung) auch durchgeführt, und die Beklagte hat insoweit die Kosten erstattet. In den von der Klägerin im Schriftsatz vom 29. März 2016 benannten drei Internetquellen wird zur Behandlung und Linderung akuter Beschwerden einer CMD primär das Einsetzen von Gebissschienen erwähnt; von kieferorthopädischen Maßnahmen ist insoweit nicht die Rede.

46

So heißt es unter www.cmd-therapie.de:

47

„Bei falscher Bisslage, einer der Hauptursachen, wird zunächst mit einer Schiene gearbeitet, die jedoch sehr viel aufwändiger als die herkömmliche Knirscherschiene ist. Diese Schiene ist herausnehmbar, verändert zunächst nicht die Zähne, gibt dafür aber Lebensqualität zurück.“

48

Und unter www.cmdcheck.de:

49

„Die erste Stufe zahnärztlicher Behandlungen stellt meistens die Anfertigung einer „Knirscherschiene“ oder anderer speziell konstruierter Gebiss-Schienen dar. Außerdem wird der Zahnarzt eventuell zusätzlich Physiotherapeuten, Orthopäden, aber auch Ärzte für Psychosomatik in eine umfassendere Behandlung einbinden. In ungewöhnlich schwierigen Fällen wird Ihr Zahnarzt Sie eventuell zu einem Kollegen überweisen, der sich auf die Untersuchung und Behandlung von CMD spezialisiert hat. Diese Untersuchung heißt zahnärztliche Funktionsanalyse, eine darauf begründete Behandlung ist eine Funktionstherapie.“

50

Schließlich wird bei www.funktionstherapie.de ausgeführt:

51

„Die Stellungnahmen aller wesentlichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften kommen darin überein, daß eine solche Behandlung immer zunächst mit reversiblen Therapiemitteln erfolgen sollte. Im Bereich der Zahnmedizin stehen hierfür unspezifische Aufbißbehelfe sowie speziell für den jeweiligen Patienten konstruierte Okklusionsschienen zur Verfügung. Die Auswahl des jeweils geeigneten Behandlungsmittels trifft der behandelnde Zahnarzt auf der Grundlage der zuvor per Funktionsdiagnostik ermittelten Initialdiagnose.“

52

2. Die Klage hätte auch in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit ihrer kieferorthopädischen Behandlung.

53

a. Wie oben ausgeführt, scheitert die Beihilfefähigkeit der kieferorthopädischen Behandlung schon daran, dass die Klägerin entgegen § 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 3 lit. c HmbBeihVO a.F./§ 7 Abs. 3 Nr. 2 HmbBeihVO vor Beginn der Maßnahmen nicht die Voranerkennung der Beihilfefähigkeit abgewartet bzw. im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens die Erlaubnis zur ausnahmsweisen Durchführung der Maßnahme wegen besonderer Dringlichkeit erstritten hat.

54

b. Unabhängig davon liegen auch ansonsten die Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit nicht vor.

55

Nach den Hamburgischen Beihilfevorschriften ist die Beihilfefähigkeit der kieferorthopädischen Behandlung der Klägerin ausdrücklich ausgeschlossen, weil sie im Zeitpunkt des Beginns der Behandlung 49 Jahre alt war und keine schwere Kieferanomalie vorlag, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderte (vgl. § 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 und 3 lit. a HmbBeihVO a.F./§ 7 Abs. 3 Nr. 3 HmbBeihVO). Diese Regelung ist nicht zu beanstanden. Sie verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch die Vorschriften der RL 2000/78 und des sie umsetzenden AGG.

56

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die RL 2000/78 und das AGG auch auf sie, die Beihilfe nicht aufgrund ihres eigenen Status als Landesbeamtin, sondern ausschließlich als Versorgungsempfängerin nach ihrem verstorbenen Ehemann erhält, Anwendung finden, liegt schon keine Diskriminierung vor. Diese setzt nämlich voraus, dass eine Person „in einer vergleichbaren Situation“ eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a RL 2000/78, § 3 Abs. 1 AGG; gleiche Erwägungen gelten für Art. 3 Abs. 1 GG). Die Klägerin gehört zur Gruppe der „Empfängerinnen und Empfänger von Versorgungsbezügen, die als solche beihilfeberechtigt sind“ nach § 80 Abs. 9 Nr. 2 HmbBG, für die ein Bemessungssatz von 70 % gilt. Innerhalb dieser Gruppe werden alle Beihilfeberechtigten im Hinblick auf die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen gleich behandelt, da es (naturgemäß) keine minderjährigen Gruppenmitglieder gibt. Eine Diskriminierung ist insoweit nur denkbar innerhalb der Gruppe der „berücksichtigungsfähigen Kinder sowie Waisen, die als solche beihilfeberechtigt sind“ nach § 80 Abs. 9 Nr. 4 HmbBG, für die ein höherer Bemessungssatz von 80 % gilt.

57

Jedenfalls wäre eine (unterstellte) Ungleichbehandlung im Hinblick auf das Alter gerechtfertigt. Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78 bzw. § 10 Nr. 4 AGG lassen die Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen der „betrieblichen Systeme der sozialen Sicherung“, zu denen aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 6.12.2012, C-124/11) auch die Beihilfe gehört, ausdrücklich zu. Insbesondere ist eine Differenzierung zwischen Minderjährigen und Volljährigen, die (nicht nur) im Beihilferecht an verschiedenen Stellen auftritt (vgl. §§ 8 Abs. 4, 11 Abs. 6 HmbBeihVO), schon im Hinblick auf die besondere Stellung und Schutzbedürftigkeit Minderjähriger nicht zu beanstanden (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 lit. a RL 2000/78, § 10 Nr. 1 AGG). Bei kieferorthopädischen Behandlungen kommt hinzu, dass diese bei Minderjährigen besonders erfolgversprechend sind. Die kieferorthopädische Fachwelt sieht das Lebensalter zwischen 12 und 18 Jahren, in dem einerseits der Zahnwechsel zum permanenten Gebiss gerade abgeschlossen, andererseits aber noch Restwachstum vorhanden ist, als besonders geeignet für eine kieferorthopädische Behandlung an („Optimaler Zeitpunkt für die Durchführung kieferorthopädischer Maßnahmen“, B. Kahl-Nieke, Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie e.V., Stellungnahme April 2010; www.dgkfo-vorstand.de). Zudem ist bei Erwachsenen der Aufwand für eine kieferorthopädische Behandlung oft höher als bei Jugendlichen (vgl. insoweit auch die Rechnungen des behandelnden Zahnarztes der Klägerin vom 7. Juli und 17. November 2010, in denen an mehreren Stellen auf die „erhöhte Schwierigkeit durch funktionell bedingter Fehlstellung der Zähne beim erwachsenen Patienten“ hingewiesen wird). Zahnspangen können nur Personen mit sauberen, gesunden oder zumindest gut reparierten Zähnen eingesetzt werden; fast immer ist bei Erwachsenen vor Einsatz der Zahnspange zunächst eine Sanierung des Zahnhalteapparates notwendig („Die Zahnspange: Erwachsene tragen sie jetzt auch“, www.medizin-welt.info/aktuell). Schließlich werden kieferorthopädische Behandlungen im Erwachsenenalter, wenn sie nicht ohnehin überwiegend aus ästhetischen Gründen erfolgen, oftmals wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren vorgenommen. Die genannten Gründe rechtfertigen eine Ungleichbehandlung sowohl im Rahmen der RL 2000/78 bzw. des AGG als auch von Art. 3 Abs. 1 GG (wie hier auch: VGH München, Beschl. v. 24.6.2015, 14 ZB 15.568; OVG Münster, Beschl. v. 2.6.2014, 1 A 995/14; OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.8.2013, 5 LA 95/13; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.11.2010, 4 B 22.10; LAG Hamm, Urt. v. 5.2.2015, 17 Sa 1293/14; vgl. auch BSG, Beschl. v. 20.6.2005, B 1 KR 20/04 B; alle nach juris). Eine erweiternde Auslegung von § 6 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 und 3 lit. a HmbBeihVO a.F./§ 7 Abs. 3 Nr. 3 HmbBeihVO kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht.

58

Die Voraussetzungen für die Annahme eines Ausnahmefalles nach § 80 Abs. 9 Satz 11 HmbBG sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt. Danach kann es in besonders gelagerten Einzelfällen ausnahmsweise geboten sein, einen Anspruch über die beihilferechtlich geregelten Fälle hinaus zu gewähren. Eine Beihilfefähigkeit kann in seltenen Fällen in Betracht kommen, in denen sich - atypischerweise - die Verweigerung der Beihilfeleistung aufgrund besonderer Fallumstände als grob fürsorgepflichtwidrig (Art. 33 Abs. 5 GG) darstellen würde. Dies kann etwa der Fall sein, wenn eine Maßnahme von existenzieller Bedeutung für den Betroffenen oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können, oder sonst im Einzelfall Umstände vorliegen, bei denen es sich aufdrängt, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.3.2015, 5 C 8/14; Beschl. v. 18.1.2013, 5 B 44.12; OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.8.2013, 5 LA 95/13; VGH München, Urt. v. 14.7.2015, 14 B 13.654; alle nach juris). Solche Umstände sind bei der Klägerin nicht gegeben.

59

Dass die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin von existenzieller Bedeutung oder notwendig war, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch ansonsten sind keine Umstände erkennbar, bei denen es sich aufdrängt, dass der Fürsorgegrundsatz bei der Klägerin zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit ihrer kieferorthopädischen Behandlung führen könnte. Im Gegenteil erscheint dem Senat die Notwendigkeit und Angemessenheit kieferorthopädischer Maßnahmen zur Behandlung der CMD der Klägerin angesichts der von ihr benannten Internetquellen zweifelhaft. Die Stellungnahmen ihres Zahnarztes zu diesem Punkt bleiben vage und unsubstantiiert. Auf die Frage des Senats, wann und aus welchen Gründen es bei ihr zu der Zahnfehlstellung gekommen sei, hat die Klägerin ausweichend geantwortet. Zum Ausmaß und zur Schwere ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat sie trotz Nachfrage des Senats keine substantiierten Angaben gemacht, auch die ärztlichen Stellungnahmen enthalten dazu keine näheren Angaben.

III.

60

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

61

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses (urteilsersetzenden) Beschlusses hinsichtlich der Kosten des Verfahrens folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

62

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

63

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

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(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

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(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um weitere Beihilfeleistungen zu Aufwendungen, die im Rahmen einer stationären Behandlung in einem privaten Krankenhaus entstanden sind.

2

Die Klägerin, eine im Dienst des Beklagten stehende Beamtin, wurde in der Zeit vom 12. Februar 2011 bis 20. Juni 2011 in der W. Klinik, einem privaten Krankenhaus für Neurologie, Psychiatrie, Innere Medizin und Psychosomatik in E. behandelt. Hierfür stellte ihr die Klinik einen pauschalierten sogenannten Krankenhauspflegesatz in Höhe von 246,06 € brutto pro Tag in Rechnung. Überdies rechnete die Klinik als „wahlärztliche Leistungen“ bezeichnete Einzelleistungen, deren Kosten insgesamt rund 74 € pro Tag betrugen, gesondert ab. Diese umfassten neben ärztlichen Leistungen auch Heilbehandlungen in Form von Verhaltenstherapien, gymnastischen Übungen, Bewegungstherapie, Fango, Massagen und anderes. Außerdem zog die Klinik die Klägerin gesondert zur Zahlung eines Zuschlages von 71,40 € brutto pro Tag für die Wahlleistung Einbettzimmer heran.

3

Auf die Beihilfeanträge der Klägerin erkannte der Beklagte lediglich Aufwendungen in Höhe des sogenannten Krankenhauspflegesatzes sowie eines einmaligen Qualitätssicherungszuschlages in Höhe von 89,89 € als beihilfefähig an. Eine Beihilfe zu den als „wahlärztliche Leistungen“ bezeichneten und gesondert abgerechneten Aufwendungen sowie den Kosten für das Einbettzimmer lehnte er ab. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosen Widerspruchsverfahren auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 4 583,65 € erhobene Verpflichtungsklage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 3 265,75 € zuzüglich Prozesszinsen zu gewähren. Im Übrigen hat er die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

4

Zur Begründung hat er ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer weiteren Beihilfe ergebe sich zwar nicht aus der für die Kosten privater Krankenhäuser vorgesehenen Vorschrift des § 7 Abs. 7 Satz 1 und 2 der baden-württembergischen BVO. Soweit diese Vorschrift die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Leistungen privater Krankenhäuser an deren Abrechnungspraxis knüpfe, verstoße sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei unwirksam. Infolgedessen beurteile sich die Frage, in welcher Höhe eine Beihilfe zu gewähren sei, nach dem allgemeinen beihilferechtlichen Grundsatz der Angemessenheit. Für die Angemessenheitsprüfung sei ein Vergleich mit den zugelassenen Krankenhäusern der sogenannten Maximalversorgung durchzuführen, in denen eine zweckmäßige und ausreichende Versorgung der Bevölkerung im Krankheitsfall regelmäßig gewährleistet sei. Die Kosten könnten dabei nicht auf das Krankenhaus der Maximalversorgung am Sitz der Beihilfestelle oder in deren nächster Umgebung beschränkt werden, wie dies in einer Verwaltungsvorschrift nunmehr ausdrücklich vorgesehen sei. Eine entsprechende örtliche Einschränkung sei der Beihilfeverordnung nicht zu entnehmen. Verwaltungsvorschriften könnten gesetzlich begründete Ansprüche nicht beschränken. Es sei auch nicht auf das preisgünstigste Krankenhaus der Maximalversorgung abzustellen, weil nicht jeder Beamte die Möglichkeit habe, gerade das preisgünstigste Krankenhaus auszuwählen. Unangemessen seien die Kosten einer privaten Krankenhausbehandlung deshalb nur dann, wenn sie die Bandbreite der Entgelte öffentlich geförderter Krankenhäuser überschritten. Hier hätten die fiktiven Kosten für die Unterbringung im Universitätsklinikum Tübingen - einschließlich eines Zuschlages für die Wahlleistung Zweibettzimmer - insgesamt 297,08 € betragen, bei einer Unterbringung im Universitätsklinikum E. 321,48 €. Hierzu wären jeweils noch Entgelte für die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen gekommen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung könne ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, die aufgrund einer Eigenleistung Anspruch auf Wahlleistungen habe, diese bei einer Unterbringung in einem zugelassenen Krankenhaus auch in Anspruch genommen hätte.

5

Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er macht Rechts- und Verfahrensfehler geltend. Er rügt eine unzulässige Überdehnung des beihilferechtlichen Angemessenheitsbegriffs. Des Weiteren beanstandet er, dass der Verwaltungsgerichtshof Beihilfe zu wahlärztlichen Leistungen zugesprochen habe, ohne die Wahlleistungsvereinbarung an Hand des § 17 KHEntgG zu überprüfen. Er habe damit einen Anspruch geschaffen, den die Beihilfeverordnung nicht kenne. Der Verwaltungsgerichtshof habe zudem verkannt, dass sich die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung auch aus § 613 Satz 1 i.V.m. §§ 307, 308 Nr. 4 BGB ergebe. Darüber hinaus macht der Beklagte eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der gerichtlichen Aufklärungspflicht geltend.

6

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt zwar revisibles Landesrecht (§ 127 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG; vgl. Urteil vom 29. April 2010 - BVerwG 2 C 77.08 - BVerwGE 137, 30 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 37, jeweils Rn. 6 m.w.N.), soweit der Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend annimmt, eine sinngemäße Anwendung der Bundespflegesatzverordnung im Sinne des § 7 Abs. 7 Satz 1 der Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen - Beihilfeverordnung - vom 28. Juli 1995 (GBl S. 561), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. November 2010 (GBl S. 978) - BVO a.F. - sei nur zu bejahen, wenn ein privates Krankenhaus die allgemeinen Krankenhausleistungen in ihrer Gesamtheit über pauschalierte Pflegesätze abrechnet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erweist sich aber im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Klägerin steht gegen den Beklagten in Höhe des vom Verwaltungsgerichtshof zuerkannten Betrages ein Anspruch auf weitere Beihilfe zu.

8

Als Rechtsgrundlage hierfür kommen allein § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 6a Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. in Betracht. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. Urteil vom 2. April 2014 - BVerwG 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9 m.w.N.). Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BVO a.F. gelten die streitgegenständlichen Aufwendungen mit der stationären Behandlung vom 12. Februar 2011 bis zum 20. Juni 2011 als entstanden. Nach § 1 Abs. 4 BVO a.F. werden Beihilfen zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen gewährt. Dazu zählen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BVO a.F. Beamte, wenn und solange sie - wie die Klägerin - unter anderem Dienstbezüge erhalten. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. sind pauschal berechnete Aufwendungen für die stationäre Behandlung in Krankenhäusern, die - wie hier die W. Klinik - zum einen die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2477), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 2983) - SGB V - erfüllen und nur deshalb nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 6 BVO a.F. fallen, weil sie nicht nach § 108 SGB V zugelassen sind, und zum anderen die Bundespflegesatzverordnung sinngemäß anwenden, beihilfefähig, wenn und soweit sie nach § 6a BVO a.F. beihilfefähig wären. Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, besteht auf die Beihilfe ein Rechtsanspruch (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVO a.F.).

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Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die W. Klinik die Bundespflegesatzverordnung nicht sinngemäß angewendet hat (1.). Dies wirkt sich im Ergebnis aber nicht aus, weil die Klägerin aus anderen als den vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Gründen einen Anspruch auf die zuerkannte weitere Beihilfe hat. Zu den pauschal berechneten Aufwendungen eines privaten Krankenhauses im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. gehören auch die Kosten gesondert berechneter Leistungen, wenn und soweit diese zumindest funktional den tagesgleichen Pflegesätzen der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Bundespflegesatzverordnung - vom 26. September 1994 (BGBl I S. 2750) in der Fassung des Gesetzes vom 17. März 2009 (BGBl I S. 534) - BPflV a.F. - zuzuordnen sind (2.). Den pauschal berechneten Aufwendungen eines privaten Krankenhauses ist das Entgelt für dort der Sache nach in Anspruch genommene und gesondert berechnete „echte“ Wahlleistungen - hier in Form eines Einbettzimmers - in analoger Anwendung des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. hinzuzurechnen (3.). Bei dem nach dieser Vorschrift erforderlichen Vergleich der so ermittelten Aufwendungen des privaten Krankenhauses mit denen der zugelassenen Krankenhäuser ist auf das zugelassene Krankenhaus mit der bundesweit höchsten Pauschale für die konkrete Behandlung des Beihilfeberechtigten abzustellen. Gemessen daran steht der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe 3 265,75 € zu (4.). Die von dem Beklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg (5.).

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1. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die W. Klinik die Bundespflegesatzverordnung nicht sinngemäß angewendet hat.

11

Eine sinngemäße Anwendung der Bundespflegesatzverordnung im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. liegt vor, wenn ein privates Krankenhaus die Abrechnung der für die Versorgung der Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen an dem wesentlichen Strukturprinzip der Bundespflegesatzverordnung ausrichtet. Das ist der Fall, wenn die Abrechnung der allgemeinen Krankenhausleistungen durch Inrechnungstellung pauschalierter Tagessätze geprägt ist, die mit denen der nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser noch vergleichbar sind. Die Vergleichbarkeit ist zu bejahen, wenn der wesentliche Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen in Gestalt tagesgleicher Pauschalsätze abgerechnet wird. Ihr steht nicht entgegen, dass gegebenenfalls bestimmte Leistungen, deren Preis im Ergebnis nicht den überwiegenden Teil der Kosten ausmacht, von dem privaten Krankenhaus gesondert berechnet werden, obwohl sie der Sache nach zu den Leistungen gehören, die in die pauschalierten Tagessätze hätten einfließen müssen. Der Wortlaut des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. lässt diese Auslegung zu (a). Ein weites Verständnis des Begriffs der entsprechenden Anwendung ist nach Sinn und Zweck der Norm geboten (b). Es wird durch systematische Erwägungen getragen (c). Verfassungsrechtliche Erwägungen bekräftigen diesen Befund (d). In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben ist hier eine sinngemäße Anwendung der Bundespflegesatzverordnung zu bejahen (e).

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a) Die Bezeichnung „sinngemäß“ setzt von ihrem Wortsinn nicht zwingend voraus, dass - wie der Verwaltungsgerichtshof meint - das private Krankenhaus „die Gesamtheit der Regelungen über allgemeine Krankenhausleistungen und pauschalierte Pflegesätze zumindest sinngemäß anwendet“. Die „sinngemäße Anwendung“ kann sich auch auf den Sinn der Bundespflegesatzverordnung, verstanden als Zweck, Kernbedeutung oder wesentlichen Inhalt der Verordnung beziehen. Dieser kann darin gesehen werden, die Krankenhausleistung über eine Pauschale in Form eines Tagessatzes abzurechnen. Das Wort „sinngemäß“ bezieht sich nicht notwendig auf das gesamte, in der Bundespflegesatzverordnung beschriebene Verfahren der Preiskalkulation. Von einer sinngemäßen Anwendung oder Heranziehung der Bundespflegesatzverordnung kann sprachlich auch dann noch die Rede sein, wenn das Ergebnis dem Sinn der Bundespflegesatzverordnung entspricht. Insofern genügt es, wenn sich das private Krankenhaus an dem Ergebnis orientiert, das durch die Anwendung der Bundespflegesatzverordnung bei einem öffentlich geförderten Krankenhaus erzielt werden soll, nämlich der Festlegung von Tagessätzen, die ein bestimmtes Leistungsspektrum abdecken und grundsätzlich die gesamten Kosten einer stationären Behandlung beinhalten. Mithin lässt der Begriff „sinngemäß“ aus grammatikalischer Sicht auch ein Verständnis dahin zu, dass maßgeblich darauf abzustellen ist, ob die Preiskalkulation eines privaten Krankenhauses der Sache nach der Abrechnung nach der Bundespflegesatzverordnung entspricht, was anzunehmen ist, wenn die allgemeinen Krankenhausleistungen im Wesentlichen über tagesgleiche Pauschalsätze vergütet werden, die mit denen der zugelassenen Krankenhäuser noch verglichen werden können. Sinngemäße Anwendung bedeutet auch nicht zwingend, dass die Anwendung in jeder Hinsicht richtig gewesen sein muss. Auch eine im Rechenvorgang teilweise unrichtige Anwendung kann sich - im Hinblick auf das Ergebnis, eine Pauschale festzulegen - auch dann noch als eine sinngemäße Anwendung darstellen, wenn Korrekturen vorgenommen werden müssen.

13

b) Eine solche Auslegung wird vom Sinn und Zweck des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. gefordert. Die Vorschrift ist als Rechtsgrundlage für den Beihilfeberechtigten konzipiert, welche die Beihilfefähigkeit von pauschal berechneten Aufwendungen in privaten Krankenhäusern normiert. Sie soll darüber hinaus als Kostenbegrenzungsregelung sicherstellen, dass bei einer stationären Behandlung in einem privaten Krankenhaus nur für solche Aufwendungen eine Beihilfe gewährt wird, die bei einer entsprechenden Behandlung in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern der Art und Höhe nach beihilfefähig wären. In dieser Funktion konkretisiert § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. für die Behandlungen in einem privaten Krankenhaus zugleich den in § 5 Abs. 1 BVO a.F. gesetzlich verankerten Grundsatz der Angemessenheit. Die von einem privaten Krankenhaus in Rechnung gestellten Kosten sind als wirtschaftlich angemessen anzusehen, wenn und soweit sie nach Art und Höhe auch in zugelassenen Krankenhäusern angefallen wären. Zudem zielt die Vorschrift auf Verwaltungsvereinfachung. Den Beihilfestellen soll die Überprüfung der Angemessenheit und damit der Beihilfefähigkeit der von einem privaten Krankenhaus pauschal berechneten Aufwendungen erleichtert werden. Sie können sich im Ansatz darauf beschränken, diese mit denjenigen der zugelassenen Krankenhäuser zu vergleichen.

14

Diesen Zwecken des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. wird nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn das Tatbestandsmerkmal der sinngemäßen Anwendung der Bundespflegesatzverordnung in dem dargelegten weiten Sinne verstanden wird. Bei der engen Interpretation, wie sie der Verwaltungsgerichtshof zugrunde legt, würden sie dagegen weitgehend verfehlt. Wegen der vom Verwaltungsgerichtshof beschriebenen Strukturunterschiede zu zugelassenen Kliniken ist es privaten Krankenhäusern ungleich schwerer möglich, die Regelungen der Bundespflegesatzverordnung durchweg und in vollem Umfang bei der Ermittlung der Entgelte ihrer Leistungen zugrunde zu legen. Darauf deutet auch die Praxis der Preisgestaltung hin (vgl. dazu Schröder/Beckmann/Keufer/Hellstern/Zimmermann, Beihilfen Baden-Württemberg, Stand Juni 2012, § 7 Abs. 7 BVO S. 77). Infolgedessen kann nur durch eine weite Auslegung des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. das weitgehende Leerlaufen dieser Vorschrift verhindert werden.

15

c) Auch aus der systematischen Betrachtung des § 7 Abs. 7 BVO a.F. folgt, dass es für die sinngemäße Anwendung der Bundespflegesatzverordnung erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der wesentliche Teil der Leistungen über Pauschalen vergütet wird. Denn § 7 Abs. 7 Satz 1 und 2 BVO a.F. stellt hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen bei einer Behandlung in einem privaten Krankenhaus eine umfassende und sich als abschließend begreifende Regelung dar. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und Satz 2 des § 7 Abs. 7 BVO a.F. Die Frage, ob der Anwendungsbereich des Satzes 1 oder derjenige des Satzes 2 eröffnet ist, beantwortet sich nach der Art der Berechnung. Während § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. die an der Bundespflegesatzverordnung ausgerichtete pauschale Abrechnung durch Tagessätze erfasst, bezieht sich der daran anschließende Satz auf die Fälle der Einzelabrechnung. Mit der den Satz 2 einleitenden Wendung „Im Übrigen“ hat der Verordnungsgeber deutlich gemacht, dass die Bestimmung in Gestalt eines Auffangtatbestandes diejenigen Fallgestaltungen regelt, die von dem vorangehenden Satz nicht erfasst werden. Dieser systematische Zusammenhang ist Ausdruck der Vorstellung des Verordnungsgebers, dass beide Bestimmungen eine umfassende und lückenlose Grundlage für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen von stationären Leistungen nicht zugelassener privater Krankenhäuser bieten. Dies entspricht auch der Überschrift des § 7 BVO a.F. („Beihilfe bei Behandlungen und Rehabilitation in nicht als Krankenhaus zugelassenen Einrichtungen“). Gemessen daran ist auszuschließen, dass der Verordnungsgeber die Anwendung des § 7 Abs. 7 BVO a.F. auf die Fälle beschränken wollte, bei denen Krankenhäuser entweder nur über Pauschalen im Sinne des Satzes 1 oder ausnahmslos im Wege der Vergütung von Einzelleistungen abrechnen. Diese Annahme verbietet sich deshalb, weil in der Praxis vielfach Mischformen anzutreffen sind, bei denen die Abrechnung über Pauschalen und von Einzelleistungen kombiniert wird, so dass die Leistungen der auf diese Weise abrechnenden großen Gruppe von Krankenhäusern nicht beihilfefähig wären. Der aus der aufgezeigten Gesetzessystematik folgenden Funktion des § 7 Abs. 7 BVO a.F., eine lückenlose Grundlage für die Beihilfefähigkeit zu bieten, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass Satz 1 auch Fälle erfasst, bei denen der Schwerpunkt der Abrechnung auf dem Ansatz von Pauschalen liegt und Satz 2 auch auf Abrechnungen Anwendung findet, bei denen die Einzelabrechnung im Vordergrund steht.

16

d) Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch gestützt, dass es die drohende Bewertung des § 7 Abs. 7 Satz 1 und 2 BVO a.F. als verfassungswidrig entbehrlich macht. Es ermöglicht eine verfassungskonforme Auslegung des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die stationäre Behandlung, die von einem privaten Krankenhaus nicht in Reinform nach den Modalitäten des Satzes 1 oder des Satzes 2 in Rechnung gestellt werden, der bei dem engen Begriffsverständnis zwingend anzunehmen wäre, wäre - wie der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis richtig aufzeigt - mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Es ist auszuschließen, dass der Verordnungsgeber einen verfassungswidrigen Leistungsausschluss hat regeln wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieser beabsichtigte, eine den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes gerecht werdende Rechtsgrundlage für die Gewährung von Beihilfe bei Behandlungen in privaten Krankenhäusern zu schaffen. Die Gerichte sind gehalten, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt, was den Verordnungsgeber einschließt, gebietet es, im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen so viel wie möglich von dem aufrechtzuerhalten, was dieser gewollt hat. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers in Widerspruch treten würde (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - BVerfGE 134, 33 Rn. 77 m.w.N.). Das ist - wie aufgezeigt - bei dem weiten Verständnis des Begriffs der sinngemäßen Anwendung nicht der Fall.

17

e) Unter Zugrundelegung dieses Begriffsverständnisses hat die W. Klinik im streitgegenständlichen Zeitraum die Bundespflegesatzverordnung im Sinne des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. entsprechend angewendet. Sie hat die Aufwendungen für die stationäre Behandlung auf der Grundlage einer tagesgleichen Pauschale abgerechnet, die zwar nicht die Vorgaben der Bundespflegesatzverordnung in allen Einzelheiten einhält, aber den Schwerpunkt der Kosten der stationären Behandlung abbildet. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat die W. Klinik einen pauschalierten Krankenhauspflegesatz in Höhe von 246,06 € pro Tag in Ansatz gebracht. Er umfasst sowohl die Entgelte für nicht durch ärztliche und pflegerische Tätigkeiten veranlasste Leistungen als auch die Entgelte für die pflegerische Tätigkeit. Erstere wären bei einer unmittelbaren Anwendung der Bundespflegesatzverordnung dem Basispflegesatz im Sinne des § 13 Abs. 3 BPflV a.F. zuzuordnen, Letztere wären als Bestandteil des Abteilungspflegesatzes im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BPflV a.F. zu bewerten. Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass für die ärztlichen Leistungen sowie die durch die Ärzte veranlassten weiteren Leistungen ein Betrag von weiteren 74 € pro Tag angefallen ist, den die W. Klinik gesondert in Rechnung gestellt hat. Diese Leistungen stellen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs keine funktionalen Wahlleistungen im Sinne des § 17 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz - vom 23. April 2002 (BGBl I S. 1412, 1422), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. März 2009 (BGBl I S. 534) - KHEntgG a.F. - dar. Im Umkehrschluss ist zu folgern, dass es sich dabei um allgemeine Krankenhausleistungen handelt, die bei unmittelbarer Anwendung der Bundespflegesatzverordnung in den Abteilungspflegesatz im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BPflV a.F. einfließen müssten. In Anbetracht der Größenverhältnisse der pauschal und einzeln abgerechneten allgemeinen Krankenhausleistungen wurde der wesentliche Teil über die tagesgleiche Pauschale vergütet.

18

2. Zu den pauschal berechneten Aufwendungen im Sinne des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. gehören alle Leistungen eines privaten Krankenhauses, die, würden sie in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbracht, mit dem Abteilungspflegesatz im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 BPflV a.F. und dem Basispflegesatz im Sinne des § 13 Abs. 3 BPflV a.F. vergütet werden. Aus diesem Grund sind bei dem im Rahmen des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. vorzunehmenden Kostenvergleich auf der Seite des privaten Krankenhauses neben den von ihm in Ansatz gebrachten Pauschalsätzen auch die gesondert in Rechnung gestellten Entgelte für diejenigen Tätigkeiten und Leistungen zu berücksichtigen, soweit sie funktional den Tätigkeiten und Leistungen entsprechen, die bei einer stationären Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern über den Abteilungs- und den Basispflegesatz abzurechnen sind. Hierfür spricht vor allem der Kostenbegrenzungszweck der Vorschrift, der die Beihilfe zu den Aufwendungen für die stationäre Behandlung in einem privaten Krankenhaus auf den Umfang der beihilfefähigen Aufwendungen bei einer entsprechenden stationären Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern beschränkt. Daraus folgt, dass den Beihilfeberechtigten nach § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. zwar nicht mehr, aber auch nicht weniger als bei einer stationären Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern ersetzt werden soll.

19

Hieran gemessen ist das vom Verwaltungsgerichtshof für ärztliche Tätigkeiten und die durch diese veranlassten weiteren Leistungen festgestellte pauschale Entgelt von 74 € pro Tag zu dem pauschalierten Krankenhauspflegesatz von 246,06 € pro Tag hinzuzuaddieren, da es aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs der Sache nach dem Abteilungspflegesatz zuzuordnen ist.

20

Der Einwand des Beklagten, der hinsichtlich dieser Leistungen unter der Bezeichnung „Wahlleistungsvereinbarung“ abgeschlossene Vertrag sei unwirksam, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn es handelt sich bei den gesondert in Rechnung gestellten ärztlichen Tätigkeiten und den durch diese veranlassten weiteren Leistungen - wie dargelegt - schon nicht um wahlärztliche Leistungen im Sinne des § 17 KHEntgG a.F. Unabhängig davon wäre die Vereinbarung nicht aus dem vom Beklagten benannten Grund unwirksam. Er beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2007 - III ZR 144/07 - BGHZ 175, 76), wonach Klauseln in einer formularmäßigen Wahlleistungsvereinbarung, durch die die einem Wahlarzt obliegende Leistung im Fall seiner Verhinderung durch einen Vertreter erbracht werden darf, nur dann wirksam sind, wenn sie auf die Fälle beschränkt sind, in denen die Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht. Diese Rechtsprechung betrifft eine andere Sachverhaltskonstellation und kann infolgedessen die Unwirksamkeit der in Rede stehenden Vereinbarung nicht begründen. Sie hat keinen Verhinderungsfall in vorstehendem Sinne zum Gegenstand, sondern regelt, dass der neben dem Chefarzt namentlich benannte Arzt die Wahlleistung ungeachtet einer Verhinderung des Chefarztes erbringen darf.

21

3. Bei der für die Vergleichsbetrachtung vorzunehmenden Aufstellung der von einem privaten Krankenhaus berechneten Aufwendungen sind ferner in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. die von ihm gesondert in Rechnung gestellten Kosten für funktional in Anspruch genommene Wahlleistungen in Ansatz zu bringen. Die Voraussetzungen eines Analogieschlusses sind erfüllt.

22

Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung - hier der Analogie - setzt eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes - hier im materiellen Sinne - voraus. Ob eine Regelungslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Verordnungsgebers erfassten Fälle in den Vorschriften der Verordnung tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Verordnungsregelungen nicht alle Fälle erfasst, die nach deren Sinn und Zweck erfasst sein sollten (vgl. z.B. für Gesetze im formellen Sinne Urteil vom 12. September 2013 - BVerwG 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 = Buchholz 436.511 § 36a SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 27 m.w.N.). Darüber hinaus ist eine vergleichbare Sach- und Interessenlage erforderlich (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 2. April 2014 - BVerwG 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 21). Das ist hier der Fall.

23

a) Die Beihilfeverordnung weist die vorausgesetzte Regelungslücke auf. Der in Rede stehende Sachverhalt einer Kombination der verschiedenen Berechnungsarten dergestalt, dass zusätzlich zu den pauschal berechneten Aufwendungen für die allgemeinen Krankenhausleistungen diejenigen für funktional erbrachte Wahlleistungen gesondert in Rechnung gestellt werden, wird weder unmittelbar von § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. noch von einer sonstigen Bestimmung der Beihilfeverordnung erfasst.

24

b) Die festgestellte Regelungslücke stellt sich auch als planwidrig dar. Nach der dargelegten Konzeption des Verordnungsgebers sollen die Leistungen eines stationären Krankenhausaufenthalts in einem privaten Krankenhaus nach § 7 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 6a BVO a.F. über den Vergleich mit den hierfür in zugelassenen Krankenhäusern entstandenen Kosten abgewickelt werden, wenn ein privates Krankenhaus im konkreten Fall seine Entgelte an der Preisgestaltung der zugelassenen Krankenhäuser orientiert, d.h. den wesentlichen Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen in Gestalt tagesgleicher Pauschalsätze abrechnet. Aus der Rechtsfolgenanordnung des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. ergibt sich, dass die Abrechnung auf der Grundlage von Pauschalen die gesonderte Berechnung von Wahlleistungen, auf die der Beihilfeberechtigte einen - wie hier mit eigenen Mitteln erworbenen - Anspruch hat, nicht ausschließt. Denn danach dienen die nach § 6a BVO a.F. beihilfefähigen Aufwendungen einer stationären Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern als Vergleichsmaßstab für die im Rahmen der Beihilfe zu erstattenden Kosten einer solchen in einem privaten Krankenhaus. Da bei zugelassenen Krankenhäusern ausweislich der Auflistung in § 6a Abs. 1 BVO a.F. die Entgelte für Wahlleistungen (Nr. 3) neben die Pauschalen für allgemeine Krankenhausleistungen (Nr. 2) treten können, kann für private Krankenhäuser nichts anderes gelten. Die Geltendmachung und Abrechnung von Wahlleistungen ist insofern ein in § 6a BVO a.F. angelegter Annex, der durch die Verweisung mit in Bezug genommen wird. Soweit ein privates Krankenhaus Leistungen anbietet, die funktional Wahlleistungen sind, orientiert es sich ebenfalls an der Bundespflegesatzverordnung, die zwischen allgemeinen Krankenhausleistungen (§ 2 Abs. 2 BPflV a.F.) und Wahlleistungen (§ 17 KHEntgG a.F.) unterscheidet (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BPflV a.F.).

25

c) Die planwidrige Lücke ist durch eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. zu schließen. Die Sach- und Interessenlage in Bezug auf funktionale Wahlleistungen ist die gleiche, die den vom Tatbestand der Vorschrift erfassten pauschal berechneten Aufwendungen zugrunde liegt. Die dargelegten Zwecke des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. lassen sich nur dann erreichen, wenn die Aufwendungen für Wahlleistungen auf der Tatbestandsseite in die Kostenaufstellung des privaten Krankenhauses einbezogen werden. Für einen aussagekräftigen Kostenvergleich, wie ihn § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. vorsieht, ist erforderlich, dass auf Seiten des privaten Krankenhauses die gleichen Aufwendungen in Ansatz gebracht werden, die nach dem Vergleichsmaßstab des § 6a BVO a.F. bei einer stationären Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern beihilfefähig sind. Das bedingt, dass die in Nr. 3 dieser Vorschrift erwähnten Wahlleistungen auch bei dem privaten Krankenhaus berücksichtigt werden, wenn und soweit sie dort der Sache nach in Anspruch genommen wurden.

26

Ein (isolierter) Rückgriff auf § 7 Abs. 7 Satz 2 BVO a.F. scheidet insoweit aus, weil diese Vorschrift nach der Konzeption des Verordnungsgebers in den von § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. nicht erfassten Fällen eingreift, in denen der wesentliche Teil der Kosten durch Einzelleistungspreise abgerechnet wird. Hinzu kommt, dass die Wahlleistungen im Sinne von § 6a Abs. 1 Nr. 3 BVO a.F. weder im Tatbestand des § 7 Abs. 7 Satz 2 BVO a.F. noch - anders als in § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. - auf dessen Rechtsfolgenseite Erwähnung finden. Die Vorschrift nimmt in der Rechtsfolge lediglich auf einzelne der in § 6 BVO a.F. aufgeführten Leistungen Bezug. Sie enthält keine Begrenzung auf die in zugelassenen Kliniken nach § 6a BVO a.F. anfallenden Kosten.

27

Schließlich lässt sich durch den Analogieschluss eine drohende Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG vermeiden. Denn es wäre mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren, wenn die in privaten Krankenhäusern entstandenen Aufwendungen für funktionale Wahlleistungen, die in zugelassenen Krankenhäusern erstattet werden müssten, von der Beihilfefähigkeit ausgenommen würden, weil sie vom Tatbestand des § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. nicht erfasst werden.

28

d) Mit Rücksicht auf diese rechtlichen Vorgaben sind bei der Aufstellung der Kosten der W. Klinik die Aufwendungen für ein Einbettzimmer - der Höhe nach begrenzt auf die Kosten für Zweibettzimmer (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 3 BVO a.F.) - in Ansatz zu bringen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs handelt es sich bei dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Einbettzimmer um eine (funktionale) Wahlleistung, die mit 71,40 € brutto pro Tag gesondert berechnet wurde.

29

4. Für den nach § 7 Abs. 7 Satz 1 BVO a.F. anzustellenden Kostenvergleich ist das zugelassene Krankenhaus mit der bundesweit höchsten Pauschale für die konkrete Behandlung des Beihilfeberechtigten heranzuziehen. Das ist bereits dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen. Die Rechtsfolgenanordnung dieser Vorschrift bezieht sich auf „Krankenhäuser nach § 6a“. Mangels jedweder eingrenzender Vorgaben sind damit alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser gemeint, die unter § 6a BVO a.F. fallen. Das sind sämtliche im Bundesgebiet zugelassenen Krankenhäuser, die nach der Bundespflegesatzverordnung oder dem Krankenhausentgeltgesetz vergütet werden. Somit ist für die Vergleichsbetrachtung die gesamte Bandbreite der Entgelte allgemeiner Krankenhausleistungen in Bezug genommen worden, die im maßgeblichen Zeitraum von den bundesweit zugelassenen Krankenhäusern in Rechnung gestellt werden.

30

In Anwendung dieses rechtlichen Maßstabes ist als Vergleichskrankenhaus das Universitätsklinikum E. heranzuziehen. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs handelt es sich insoweit um das zugelassene Psychiatrische Krankenhaus, das im maßgeblichen Zeitraum für die konkrete stationäre Behandlung der Klägerin bundesweit den höchsten pauschalen Tagessatz abrechnete. Dieser betrug 321,48 € und umfasste den Basispflegesatz und den Abteilungspflegesatz. Unter welchen Voraussetzungen bei der Aufstellung der (fiktiven) Kosten des Vergleichskrankenhauses für Wahlleistungen - hier in Form der Unterkunft - ein Entgelt in Ansatz zu bringen ist und ob diese hinsichtlich des Universitätsklinikums E. erfüllt sind, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. insoweit Urteile vom 6. November 2014 - BVerwG 5 C 37.14 - und - BVerwG 5 C 7.14 -). Bereits bei Gegenüberstellung der Kosten für die allgemeinen Krankenhausleistungen ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin die im Revisionsverfahren allein noch streitige weitere Beihilfe von 3 265,75 € im Ergebnis zu Recht zugesprochen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Betrag auf der Grundlage der von der W. Klinik für die allgemeinen Krankenhausleistungen in Rechnung gestellten Kosten ermittelt, die er - was aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen vom Senat hinzunehmen ist - mit 320,06 € angesetzt hat. Die Anerkennung dieses gesamten Betrages als beihilfefähig ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, da er niedriger ist als der im Rahmen des Kostenvergleichs heranzuziehende Tagessatz des Universitätsklinikums E. Das Revisionsgericht ist aus prozessualen Gründen auf die Überprüfung des zugesprochenen Betrages beschränkt, da ihm mangels Rechtsmitteleinlegung der Klägerin kein weitergehender Streitgegenstand angefallen ist und daher die Zuerkennung einer höheren als der vom Verwaltungsgerichtshof zugesprochenen weiteren Beihilfe unzulässig ist (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1, § 88 VwGO).

31

5. Die vom Beklagten erhobenen Rügen der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (a) und einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (b) bleiben ohne Erfolg.

32

a) Soweit der Beklagte geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, indem er seine Ausführungen, dass seitens der W. Klinik keine wahlärztlichen Leistungen in Rechnung gestellt und somit auch nicht angefallen seien, nicht berücksichtigt habe, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines Verfahrensfehlers. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Vortrag ausweislich der Darstellung des Beklagtenvorbringens im Tatbestand des angefochtenen Urteils ersichtlich zur Kenntnis genommen und ist ihm im Ansatz sogar gefolgt. Soweit der Beklagte damit die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs beanstandet, die als „wahlärztliche“ Leistungen bezeichneten und gesondert berechneten Leistungen in die Kostenaufstellung der W. Klinik einzustellen, wird ein Verfahrensfehler nicht benannt. Dessen ungeachtet ist die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis zutreffend.

33

b) Die weitere Rüge des Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof habe nicht ohne weitere Aufklärung von der allgemeinen Lebenserfahrung ausgehen dürfen, dass ein Beihilfeberechtigter, der wie die Klägerin aufgrund einer Eigenleistung Anspruch auf Wahlleistungen habe, diese in einem zugelassenen Krankenhaus in Anspruch genommen hätte, sodass die fiktiven Kosten für ärztliche Wahlleistungen bei der Vergleichsberechnung berücksichtigt werden müssten, greift im Ergebnis ebenfalls nicht durch. Unabhängig davon, ob dieses Vorbringen als Rüge des Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder als Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu qualifizieren ist, scheitert es im Ergebnis jedenfalls daran, dass sich das angefochtene Urteil aus Gründen als richtig erweist, für die die Frage, ob die Klägerin in dem Universitätsklinikum E. ärztliche Wahlleistungen in Anspruch genommen hätte, nicht entscheidungserheblich ist.

34

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Aufwendungen für implantologische Leistungen nach Abschnitt K der Anlage 1 zur Gebührenordnung für Zahnärzte und alle damit in Zusammenhang stehenden weiteren Aufwendungen nach der Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte und der Anlage 1 zur Gebührenordnung für Zahnärzte sind beihilfefähig bei

1.
größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache haben in
a)
Tumoroperationen,
b)
Entzündungen des Kiefers,
c)
Operationen infolge großer Zysten,
d)
Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt,
e)
angeborenen Fehlbildungen des Kiefers, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, ektodermalen Dysplasien oder
f)
Unfällen,
2.
dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere bei einer Tumorbehandlung,
3.
generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen,
4.
nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich oder
5.
implantatbasiertem Zahnersatz im zahnlosen Ober- oder Unterkiefer.
Im Fall des Satzes 1 Nummer 5 sind die Aufwendungen für höchstens vier Implantate je Kiefer, einschließlich bereits vorhandener Implantate, zu denen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffentlichen Kassen gewährt wurden, beihilfefähig. Maßgebend für die Voraussetzung eines zahnlosen Ober- oder Unterkiefers ist der Zeitpunkt der Fixierung der Prothese. Zahnlos im Sinne der Verordnung ist ein Kiefer ohne Zähne und Zahnfragmente.

(2) Liegt keiner der in Absatz 1 Satz 1 genannten Fälle vor, sind die Aufwendungen für höchstens zwei Implantate je Kiefer, einschließlich bereits vorhandener Implantate, zu denen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffentlichen Kassen gewährt wurden, beihilfefähig. Die Aufwendungen, einschließlich der Material- und Laborkosten nach den §§ 4 und 9 der Gebührenordnung für Zahnärzte, sind entsprechend dem Verhältnis der Zahl der nicht beihilfefähigen Implantate zur Gesamtzahl der Implantate zu kürzen.

(3) Die Aufwendungen für Suprakonstruktionen auf Implantaten sind im Rahmen des § 16 stets beihilfefähig.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.306,12 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag des Klägers (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) sind die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 VwGO) nicht in der erforderlichen Art und Weise dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers nicht.

Solche Zweifel wären anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinn liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/548).

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des 1954 geborenen Klägers auf Gewährung von Beihilfeleistungen für eine kieferorthopädische Behandlung abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit Beihilfe zu den laut Rechnung vom 29. Dezember 2011 angefallenen Aufwendungen begehrt werde, da der Kläger für diese Aufwendungen vor Klageerhebung nicht erfolglos einen Beihilfeantrag gestellt habe. Im Übrigen sei die Klage im Hinblick auf § 15 Satz 2 BayBhV unbegründet. Die dortigen Voraussetzungen, in denen ausnahmsweise auch Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen für Erwachsene beihilfefähig seien, lägen nicht vor. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten bestehe beim Kläger weder eine schwere Kieferanomalie noch sei bei ihm eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich gewesen.

Hiergegen wendet der Kläger im Wesentlichen ein, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass von der gerichtlich bestellten Sachverständigen eine „schwerwiegende funktionelle Problematik“ des Zahn- und Kieferzustandes bescheinigt worden sei. Das Verwaltungsgericht klammere sich an den Wortlaut des Sachverständigengutachtens, ohne zu erkennen, dass die durch die erhebliche Fehlstellung der Zähne und die Anomalie des Kiefers verursachten Störungen durchaus einer schweren Anomalie des Kiefers entsprächen. Die alternativ durchführbare zahnärztliche Behandlung wäre wesentlich teurer und ohne jegliche Abstriche beihilfefähig gewesen. Bei der zahnärztlichen Behandlung hätten noch die Zähne abgeschliffen werden müssen, was einen erheblichen Substanzverlust bedeutet hätte. Schon aus Gründen des geringstmöglichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sei daher die kieferorthopädische Behandlung geboten gewesen.

Durch dieses Vorbringen des Klägers werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht ernstlich infrage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen.

Gemäß § 15 Satz 2 BayBhV gilt der Beihilfeausschluss hinsichtlich Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 15 Satz 1 Nr. 2 BayBhV), nicht bei schweren Kieferanomalien, die (1.) eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern sowie (2.) in besonderen Ausnahmefällen, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist eine schwere Kieferanomalie beim Kläger auf der Grundlage der Beweiserhebung nicht feststellbar. Die gerichtlich bestellte Gutachterin hat sowohl skelettal als auch dental eine schwere Kieferanomalie beim Kläger verneint. Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht klammere sich zu sehr an den Wortlaut des Gutachtens und es müssten die durch die erhebliche Fehlstellung der Zähne und die Anomalie des Kiefers verursachten Störungen einer schweren Anomalie des Kiefers gleichgestellt werden, setzt er seine (laienhafte) Bewertung an die Stelle der Bewertung der (fachlich ausgebildeten) Gutachterin. Damit kann er deren Aussage nicht erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 12 seines Urteils nachvollziehbar begründet, warum es die von der Gutachterin bescheinigte schwerwiegende funktionelle Problematik einer schweren Anomalie nicht gleichstellt. Zum einen seien nach dem Gutachten funktionelle und zentralnervöse Aspekte keineswegs zwingend in das Krankheitsbild einzubeziehen. Zum anderen liege der Fokus der heranzuziehenden Definitionen einer schweren Kieferanomalie klar auf skelettalen Aspekten, die nach dem Sachverständigengutachten beim Krankheitsbild des Klägers praktisch keine Rolle spielten. Auch das Ausmaß der Anomalie in dentaler Hinsicht werde von der Gutachterin als geringfügig beschrieben. Vor diesem Hintergrund sei die funktionelle Problematik für sich genommen nicht geeignet, einen hinreichenden Beitrag zum Gesamtbild einer schweren Kieferanomalie zu leisten.

Auch soweit das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Ausnahmevorschrift des § 15 Satz 2 BayBhV streng zu handhaben und nicht auf sonstige Fälle einer kieferorthopädischen Erkrankung auszudehnen sei (UA S. 13), begegnet dies keinen Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zur Vorgängerbestimmung entschieden, dass eine gegen den Wortlaut der Norm sprechende Auslegung grundsätzlich nicht in Betracht kommt (BayVGH, B. v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 16 ff.). Gleiches gilt für die zwischenzeitlich geltende (um einen Ausnahmefall erweiterte) Regelung. Die Verwaltungsgerichte dürfen sich nicht an die Stelle des Normgebers setzen und sich über die eindeutige Beschränkung - hier die Altersbegrenzung und die diesbezüglich geregelten Ausnahmefälle - hinwegsetzen, um den Beihilfevorschriften gleichwohl Leistungsansprüche des Beihilfeberechtigten entnehmen zu können (BVerwG, U. v. 28.4.2011 - 2 C 51.08 - ZBR 2011, 379 Rn. 15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn andere beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Soweit keine Behandlungsalternative vorhanden ist, wäre es nicht mehr hinzunehmen, dass Leistungen für eine kieferorthopädische Behandlung verweigert werden (so die Fallgestaltung bei VGH BW, U. v. 2.5.2012 - 2 S 2904/10 - juris); in derartigen Fällen müsste Beihilfe auch für andere als in § 15 Satz 2 BayBhV genannte kieferorthopädische Behandlungen gewährt werden (vgl. hierzu § 49 Abs. 3 BayBhV in der bis 30.9.2014 geltenden Fassung vom 2.1.2007; nunmehr § 49 Abs. 2 BayBhV). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die alternative Behandlungsmöglichkeit (hier die zahnärztliche Behandlung) im Einzelfall teurer ist als ein vom Beihilfeberechtigten favorisiertes, aber nicht beihilfefähiges Heilverfahren; andernfalls würden über diesen Umweg im Einzelfall nicht beihilfefähige Leistungen zu beihilfefähigen Leistungen (BayVGH, B. v. 5.10.2006 a. a. O. Rn. 18; OVG Berlin-Bbg, U. v. 11.11.2010 - OVG 4 B 22.10 - juris Rn. 22). Soweit der Kläger darauf verweist, auch aus Gründen des geringstmöglichen Eingriffs sei in seinem Fall die kieferorthopädische Behandlung geboten gewesen, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich vorliegend nicht um einen Eingriff eines Hoheitsträgers, sondern um Leistungen des Dienstherrn handelt und es im Hinblick auf den pauschalierenden und typisierenden Ansatz der Beihilfe nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Einzelfall gewisse Härten entstehen; diese sind vom Betroffenen hinzunehmen, soweit sie keine unzumutbaren Belastungen darstellen (BayVGH, B. v. 8.1.2007 - 14 ZB 06.2911 - juris Rn. 13 m. w. N.). Durch den Verweis auf andere, dem Stand der Wissenschaft entsprechende, nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführende und darüber hinaus auch beihilfefähige Behandlungsmöglichkeiten wird der Beihilfeberechtigte nicht unzumutbar belastet (BayVGH, B. v. 5.10.2006 a. a. O. Rn. 20).

2. Die Rechtssache weist nicht die vom Kläger geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Der Kläger sieht die besondere Schwierigkeit der Sache darin, dass es seiner Meinung nach bei vorheriger Ablehnung eines eingereichten Heil- und Kostenplans nicht darauf ankommen dürfe, ob eine ärztliche Abrechnung eingegangen sei, und es auch nicht darauf ankommen dürfe, ob nach den Buchstaben des Sachverständigengutachtens in Übereinstimmung mit den Beihilfevorschriften eine „schwere“ Kieferanomalie vorliege. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die erste angesprochene Frage betrifft die Klageabweisung als unzulässig, soweit der Kläger für Aufwendungen nicht vor Klageerhebung einen Beihilfeantrag gestellt hat. Das Verfahren über die Gewährung von Beihilfe ergibt sich eindeutig aus § 48 BayBhV. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung müssen Beihilfen vom Beihilfeberechtigten schriftlich beantragt werden. Gemäß Absatz 3 Satz 1 dieser Bestimmung sind die Beihilfeanträge mit Belegen der Festsetzungsstelle vorzulegen. Daraus ergibt sich eindeutig, dass ein gemäß § 15 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vor Behandlungsbeginn vorzulegender Heil- und Kostenplan nicht ausreichend ist für eine ordnungsgemäße Antragstellung. Damit ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage mangels Antragstellung unzulässig. Es stellt keine unnötige Förmelei dar, dass ein derartiger Antrag auch verlangt wird, wenn der Heil- und Kostenplan von der Beihilfestelle nicht akzeptiert wird. Soweit der Kläger geltend macht, er habe die Rechnung abgesandt, diese sei aber bei der Beihilfestelle ohne sein Verschulden nicht eingegangen, stellt dies eine bloße, nicht tatsachengestützte Behauptung dar und kann daher eine rechtliche Schwierigkeit nicht begründen.

Soweit der Kläger meint, es sei schwierig zu beurteilen, ob nach den Buchstaben des Sachverständigengutachtens in Übereinstimmung mit den Beihilfevorschriften eine „schwere“ Kieferanomalie vorliege, wird auf die unter Nr. 1 gemachten Ausführungen verwiesen, denen zu entnehmen ist, dass eine rechtliche Schwierigkeit nicht vorliegt.

3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht dargelegt.

Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m. w. N.; BayVGH, B. v. 21.1.2015 - 14 ZB 13.489 - juris Rn. 11).

Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage. Soweit seinem Vortrag zu entnehmen ist, dass er sinngemäß geklärt haben will, ob die Regelung des § 15 BayBhV im Hinblick auf die dortige Altersgrenze gegen das Diskriminierungsverbot und gegen Art. 2 Abs. 2 GG verstößt, fehlt es an jeglicher Darlegung, weshalb diese Frage klärungsbedürftig ist. In Bezug auf den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG kann auf die unter Nr. 1 gemachten Ausführungen verwiesen werden. Was die gerügte Altersdiskriminierung betrifft, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass eine Regelung, die wie § 15 BayBhV - neben dem zwischenzeitlich eingefügten weiteren Ausnahmefall des Satz 2 Nr. 2 - vorsieht, dass Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen bei Personen, welche bei Behandlungsbeginn das achtzehnte Lebensjahr bereits vollendet haben, nur dann beihilfefähig sind, wenn eine schwere Kieferanomalie vorliegt, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert, nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt (BayVGH, B. v. 5.10.2006 - 14 B 04.2997 - juris Rn. 20). Denn die dem Leistungsausschluss bei Erwachsenen zugrunde liegende medizinische Erwägung, zwischen kieferorthopädischen Maßnahmen vor Abschluss des Skelettwachstums und danach zu differenzieren, rechtfertigt die ungleiche Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen bei kieferorthopädischen Maßnahmen (so jeweils für das dortige Landesbeihilferecht OVG NW, B. v. 30.5.2012 - 1 A 1290/11 - juris Rn. 25 f. m. w. N. und NdsOVG, B. v. 7.8.2013 - 5 LA 95/13 - IÖD 2013, 249 m. w. N.; für das frühere Bundesbeihilferecht OVG Berlin-Bbg, U. v. 11.11.2010 - OVG 4 B 22.10 - juris Rn. 21, 23; für das allgemeine Krankenversicherungsrecht BSG, B. v. 20.6.2005 - B 1 KR 20/04 B - juris Rn. 5). Der Kläger legt nichts dafür dar, dass diese Erwägung keinen hinreichenden sachlichen Grund (mehr) darstellen kann.

4. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

Für die Darlegung der Divergenz ist der in einer konkreten Entscheidung des Divergenzgerichts enthaltene (abstrakte) Rechts- oder Tatsachensatz dem bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift im angegriffenen Urteil dazu in Widerspruch stehende (abstrakte) Rechts- oder Tatsachensatz gegenüber zu stellen (vgl. BayVGH, B. v. 21.1.2015 - 14 ZB 13.489 - juris Rn. 10). Außerdem muss es sich bei der Divergenzentscheidung um eine solche des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs handeln. Eine Entscheidung anderer Verwaltungsgerichtshöfe oder Oberverwaltungsgerichte kann die Divergenz nicht begründen (Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 45). Der Kläger stellt keine (abstrakten) Rechts- oder Tatsachensätze gegenüber und verweist im Übrigen nur auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertfestsetzung: § 47, § 52 Abs. 3 GKG.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.08.2014 – 1 Ca 2551/13 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten auf der Grundlage des Berliner Beihilferechts über die Beihilfefähigkeit eines Medizinprodukts.

2

Der Kläger steht als Beamter im Dienst des beklagten Landes und erhält als solcher grundsätzlich für 50 Prozent seiner krankheitsbedingten Aufwendungen Beihilfe. Sein Arzt verordnete ihm zur Behandlung eines Knorpelschadens am Knie fünf "HYA Ject Fertigspritzen" (mit dem Wirkstoff Hyaluronsäure). Diese erwarb der Kläger am 26. April 2010 für einen Betrag von 225,13 €. Im Mai 2010 beantragte er unter anderem hierfür die Gewährung von Beihilfe.

3

Der Beklagte lehnte eine Beihilfeleistung mit der Begründung ab, es handele sich bei den im Streit stehenden Fertigspritzen nicht um ein beihilfefähiges Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften. Der hiergegen vom Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe 112,57 € zu gewähren.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Aufwendungen für das streitgegenständliche Hyaluronsäurepräparat seien beihilfefähig. Rechtsgrundlage seien die Regelungen über die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln, § 76 des Landesbeamtengesetzes - LBG BE - i.V.m. § 22 Satz 1 der Berliner Beihilfeverordnung - LBhVO BE -. Die dynamische Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO BE auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V, wonach nur bestimmte Medizinprodukte beihilfefähig seien, zu denen Hyaluronsäurepräparate nicht zählten, sei verfassungswidrig und nichtig. Die Verweisungsnorm verstoße gegen den Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber habe selbst die Einzelheiten zum Leistungssystem zu bestimmen, das den Berechtigten Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bieten solle. Daher begegne eine dynamische Verweisung auf die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Leistungseinschränkungen bei Arzneimitteln durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zudem sei § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V nicht hinreichend bestimmt, da die Norm die erforderlichen Festlegungen dem dort genannten Gemeinsamen Bundesausschuss überantworte. Erst recht begegne die über § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V vermittelte Übertragung der Entscheidungskompetenz auf den Gemeinsamen Bundesausschuss im Wege der dynamischen Verweisung verfassungsrechtlichen Bedenken. So liege es aufgrund der grundlegenden Strukturunterschiede zwischen beamtenrechtlicher Beihilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung nahe, die Tatbestände beihilferechtlicher Leistungsausschlüsse normativ festzulegen, anstatt ihre nähere Bestimmung einem Gremium zu überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten sei und das seine Entscheidungen nach Maßgabe des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft treffe. Der Beihilfeausschluss für bestimmte Medizinprodukte sei außerdem wegen eines Verstoßes gegen die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht nichtig, weil es an einer Ausnahmeregelung fehle, die besondere Härten abmildere. Insbesondere enthalte § 7 Satz 2 LBhVO BE keine hinreichend bestimmte Härtefallregelung.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 22 Satz 2 LBhVO BE. Die Norm sei entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mit dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt vereinbar.

6

Der Kläger verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG -). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Regelung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Medizinprodukte (§ 22 Satz 2 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen vom 8. September 2009 in der rückwirkend zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der LBhVO BE vom 8. Mai 2012 ) wegen Verstoßes gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, das Bestimmtheitsgebot und den verfassungsrechtlichen Fürsorgegrundsatz nichtig sei.

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, soweit nicht eine später ergangene Regelung - wie hier - Rückwirkung für vergangene Zeiträume entfaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9 m.w.N.). Anwendbar ist deshalb - ausgehend von der Maßgeblichkeit des Datums des Kaufs der Fertigspritzen - die LBhVO BE in der soeben bezeichneten Fassung. Danach ist die Beihilfefähigkeit für die im Streit stehenden Fertigspritzen nach der speziellen Regelung des § 22 Satz 2 LBhVO BE für Medizinprodukte wirksam ausgeschlossen, so dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist. Diese Vorschrift enthält eine Sonderregelung für Medizinprodukte, die hier einschlägig ist (1.) und gegen deren Wirksamkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen (2.). Ein Beihilfeanspruch ergibt sich für den Kläger auch nicht aus Härtefallgesichtspunkten (3.).

9

1. Auf Grund ihrer rein physikalischen Wirkungsweise bei Gelenkerkrankungen sind hyaluronsäurehaltige Mittel, wie die hier streitigen Fertigspritzen, als Medizinprodukte im Sinne von § 3 Nr. 1 des Gesetzes über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG - vom 2. August 1994 , zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften vom 14. Juni 2007 ) und nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 des Arzneimittelgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2009 ) anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 33.12 - BVerwGE 148, 1 Rn. 22 m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass Aufwendungen für Medizinprodukte grundsätzlich nur dann gemäß § 22 Satz 2 LBhVO BE i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) - hier anwendbar in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung der Änderung durch Gesetz vom 16. Mai 2008 (BGBl. I S. 842, 847) - beihilfefähig sind, wenn sie in der Anlage V zu den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (Arzneimittel-Richtlinie - AM-RL -) aufgeführt sind (a). Weil dazu die hier im Streit stehenden Fertigspritzen nicht gehören, ist die Beihilfefähigkeit der für sie erbrachten Aufwendungen ausgeschlossen (b).

11

a) Die Regelung des § 22 Satz 2 LBhVO BE geht - was auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - als spezielle Regelung über die Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten in ihrem Anwendungsbereich sowohl der Bestimmung über Arzneimittel (§ 22 Satz 1 LBhVO BE) als auch der allgemeinen Regelung des § 6 Abs. 1 LBhVO BE vor. § 22 Satz 2 LBhVO BE verweist nämlich seinerseits auf eine entsprechende Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V, der eine Sonderregelung für Medizinprodukte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung enthält. Danach hat der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder 2 MPG zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009 (BAnz Nr. 49a S. 1 AM-RL) sind Medizinprodukte generell von der Versorgung mit Arzneimitteln ausgeschlossen. § 27 Abs. 1 Satz 2 AM-RL nimmt von diesem Grundsatz nur solche Medizinprodukte aus, die in medizinisch notwendigen Fällen ausnahmsweise nach den Bestimmungen dieser Richtlinie in die Arzneimittelversorgung einbezogen sind. Welche Medizinprodukte das sind, ist gemäß § 27 Abs. 8 Satz 1 AM-RL abschließend in einer Übersicht als Anlage V zur Arzneimittel-Richtlinie aufgeführt.

12

§ 22 Satz 2 LBhVO BE enthält damit, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausführt, eine doppelte dynamische Verweisung. Die Norm verweist auf einer ersten Stufe zunächst unmittelbar auf die sozialversicherungsrechtliche Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V. Weil diese eine weitere Verweisung enthält, verweist damit auch § 22 Satz 2 LBhVO BE - gewissermaßen auf einer zweiten Stufe - mittelbar auf die Festlegungen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (Arzneimittel-Richtlinie), die § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V seinerseits in Bezug nimmt. Die Verweisung ist insofern umfassend zu verstehen. § 22 Satz 2 LBhVO BE verweist auf dieser zweiten Stufe nicht nur auf die in der Arzneimittel-Richtlinie festgelegten abstrakten Grundsätze über die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten in den §§ 27 bis 29 AM-RL, sondern darüber hinaus auch auf die von dem Gemeinsamen Bundesausschuss in dem dafür vorgesehenen Verfahren konkret als verordnungsfähig anerkannten Medizinprodukte, die gemäß § 27 Abs. 8 Satz 1 AM-RL in der Anlage V zur Arzneimittel-Richtlinie abschließend aufgeführt sind.

13

Dafür spricht bereits in gewichtiger Weise, dass der Wortlaut des § 22 Satz 2 LBhVO BE eine Begrenzung der Verweisung allein auf die abstrakten Maßstäbe der Arzneimittel-Richtlinie nicht vorsieht, sondern die gesamte Regelung über die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten (§§ 27 - 29 AM-RL) über § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfassend in Bezug genommen worden ist. Für die Bezugnahme auch auf die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses spricht zudem der Sinn und Zweck der Verweisung auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V. Dieser besteht darin, bei der Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten einen weitgehenden Gleichklang mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung herzustellen, den Sachverstand eines sachkundigen Gremiums, das seine Entscheidungen über die medizinische Notwendigkeit einzelner Medizinprodukte in einem die betroffenen Kreise einbeziehenden Verfahren trifft, zu nutzen und die von diesem Gremium nach wissenschaftlichen Standards vorgenommene Präzisierung des Leistungsumfangs in das Beihilferecht zu inkorporieren (vgl. Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190, S. 93 zu § 7 LBhVO BE, die der Begründung des wortgleichen § 7 der Bundesbeihilfeverordnung entspricht).

14

Dieser Auslegung steht eine systematische Betrachtung durch Heranziehung des § 7 Satz 2 LBhVO BE nicht entgegen. Zwar hat sich nach dieser Bestimmung die Rechtsanwendung bei Verweisungen auf Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, die ihrerseits auf Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses verweisen oder Bezug nehmen, unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes nach § 45 BeamtStG an den in diesen Normen oder Entscheidungen niedergelegten "Grundsätzen" zu orientieren. Obwohl der Wortlaut des § 7 Satz 2 LBhVO BE nicht eindeutig ist, soll diese Bestimmung nach ihrer Zielsetzung aber nicht die umfassende Verweisung in § 22 Satz 2 SGB V einschränken. Nach der Begründung des Landesverordnungsgebers stellt sie vielmehr eine "Auslegungsregel" für die (umfassend) einbezogenen Normen dar, die die verfassungsrechtliche Problematik dynamischer Kettenverweisungen auf Rechtsnormen anderer Normgeber auffangen und gewährleisten soll, dass dem Dienstherrn und der Festsetzungsstelle die letzte Befugnis zur Entscheidung über die Beihilfefähigkeit bestimmter Aufwendungen nicht aus der Hand genommen wird (Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190, S. 92). Dies spricht dafür, das Wort "Grundsätze" nicht als Verweisungsbegrenzung (allein) auf abstrakte Maßstäbe, sondern als Bezugnahme auf das gesamte jeweils in Rede stehende Regelwerk des Gemeinsamen Bundesausschusses zu verstehen, hier also auf die gesamte Regelung über die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten (§§ 27 - 29 AM-RL). Dazu gehört auch und insbesondere die konkrete Regelung in § 27 Abs. 8 AM-RL, wonach die verordnungsfähigen Medizinprodukte abschließend in einer Übersicht als Anlage V dieser Richtlinie aufgeführt sind.

15

b) Gemessen daran sind die Aufwendungen für die im Streit stehenden Fertigspritzen nicht beihilfefähig. Hierfür kommt es - wie oben dargelegt - gemäß § 22 Satz 2 LBhVO BE i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V maßgeblich darauf an, ob dieses Medizinprodukt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 AM-RL ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen wurde, indem es gemäß § 27 Abs. 8 AM-RL in der insofern abschließenden Übersicht in der Anlage V aufgeführt ist. Hyaluronsäurehaltige Mittel wie die hier streitigen Fertigspritzen finden sich in dieser Übersicht nicht.

16

2. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts hat der Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit von in der Anlage V zur Arzneimittel-Richtlinie genannten Medizinprodukten mit § 22 Satz 2 LBhVO BE wirksam ausgeschlossen.

17

a) § 22 Satz 2 LBhVO BE genügt den Anforderungen des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes.

18

Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt und jedenfalls aufgrund des Homogenitätsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) auch für die Landesgesetzgebung verbindlich ist, verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden normativen Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der parlamentarische Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern oder dem Verwaltungsvollzug überlassen. Wann danach eine Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich ist, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 42 jeweils Rn. 12 m.w.N.).

19

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt der Vorbehalt des Gesetzes auch für das Beihilferecht. Der parlamentarische Gesetzgeber hat in der Bandbreite seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten das Leistungssystem zu bestimmen, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet. Ferner muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für wesentliche Einschränkungen des Beihilfestandards übernehmen. Ansonsten könnte die Exekutive das durch die Besoldungs- und Versorgungsgesetze festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen und Kürzungen von Beihilfeleistungen eigenmächtig absenken. Auch wenn das gegenwärtig praktizierte Mischsystem aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzenden Beihilfen nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört und deshalb nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet wird, ist jedenfalls die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Unterstützung in Form von Beihilfen gänzlich zu versagen ist, grundsätzlicher Natur und daher vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffen (BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2013 - 5 C 29.12 - BVerwGE 148, 116 Rn. 14 und vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 13 m.w.N.). Dagegen sind die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts geringer, wenn es um die Konkretisierung von Beihilfebeschränkungen durch den Verordnungsgeber geht, die - wie die Begrenzung der Beihilfe für Medizinprodukte - bereits im bisherigen Beihilferecht angelegt waren (vgl. zum Übergangsrecht BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 5 C 29.12 - BVerwGE 148, 116 Rn. 28). Gleiches gilt, wenn es sich um eine Sachmaterie bzw. Leistungsgruppe innerhalb des Beihilferechts handelt - was auf die Leistungen für Medizinprodukte ebenfalls zutrifft -, deren Bedeutung für die Beihilfeberechtigten insgesamt kein besonders hoher Stellenwert beizumessen ist.

20

Vor diesem Hintergrund ist die durch § 22 Satz 2 LBhVO BE normierte Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten auf den Standard, der in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, mit dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes vereinbar. Diese Verordnungsregelung beruht auf einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage (aa) und ist - gemessen an den vorgenannten Maßstäben - mit den spezifischen Anforderungen des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips an dynamische Verweisungen auf Regelungen Dritter noch vereinbar (bb).

21

aa) Der Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung kann der Gesetzgeber grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen, dass er die Verwaltung ermächtigt, den Beihilfeausschluss durch Landesverordnung zu regeln. Hierfür ist erforderlich, dass das Landesgesetz eine gemessen an dem auch von dem Landesgesetzgeber zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung enthält, die den betreffenden Leistungsausschluss inhaltlich deckt (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 15 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <238>).

22

Diesen Anforderungen genügt § 76 Abs. 11 des Landesbeamtengesetzes Berlin - LBG BE - in der Fassung vom 19. März 2009 (GVBl. S. 70), der die Verwaltung ermächtigt, durch Rechtsverordnung in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch den völligen oder teilweisen Ausschluss von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln von der Beihilfegewährung zu regeln. Weil der Arzneimittelbegriff in § 76 Abs. 11 LBG BE weit zu verstehen ist und auch Medizinprodukte erfasst, hat der Gesetzgeber die Verwaltung in hinreichend bestimmter Weise ermächtigt, durch Rechtsverordnung auch den völligen oder teilweisen Ausschluss von Medizinprodukten von der Beihilfegewährung (bzw. deren ausnahmsweise Beihilfefähigkeit) zu normieren. Diese Ermächtigung erstreckt sich ausdrücklich darauf, auch auf begrenzende Regelungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Hierfür spricht überdies der Zweck der gesetzlichen Verordnungsermächtigung, den Beamten umfassenden Schutz im Krankheitsfalle in einem der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Ausmaß zu gewähren.

23

bb) Auch die dynamische Verweisung des § 22 Satz 2 LBhVO BE auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V und die davon in Bezug genommene, von dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlassende Arzneimittel-Richtlinie genügt, da § 7 LBhVO BE in diese Betrachtung einzubeziehen ist, noch den spezifischen Anforderungen des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips, die im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes an eine dynamische Verweisung auf Regelungen Dritter zu stellen sind.

24

(1) Zwar kann es verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen, wenn die Entscheidungskompetenz über die Anerkennung der Beihilfefähigkeit von (Medizin-)Produkten auf den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildeten Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen wird. Solche können sich insbesondere im Hinblick auf die Systemunterschiede zwischen beamtenrechtlicher Beihilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung ergeben, die den Gesetzgeber verpflichten könnten, die nähere Bestimmung etwaiger Leistungsausschlüsse selbst zu treffen und sie nicht weiterhin vollständig einem Gremium wie etwa dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten ist und der seine Entscheidungen nicht am Maßstab der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sondern als Selbstverwaltungsorgan verschiedener als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierter Versichertengemeinschaften zur Wahrung ihrer Interessen zu treffen hat (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2008 - 2 C 24.07 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 S. 4, vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 24 sowie vom 12. September 2013 - 5 C 33.12 - BVerwGE 148, 1<9>).

25

(2) Allerdings sind dynamische Verweisungen der vorgenannten Art nicht von vornherein unzulässig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein Normgeber nicht nur auf eigene, sondern auch auf Regelungen anderer Normgeber verweisen darf. Auch die Verweisung auf Regelwerke, die von nichtstaatlichen Normungsgremien geschaffen wurden, ist nicht generell ausgeschlossen, solange für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar ist, welche Vorschriften für ihn im Einzelnen gelten sollen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 39). Dies darf hingegen nicht in einer Weise geschehen, die dazu führt, dass der Bürger schrankenlos einer Normsetzungsgewalt ausgeliefert ist, die ihm gegenüber weder staatlich noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offenstehenden Lebensbereichs auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss. Nur soweit der Inhalt der von einem Privaten erlassenen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, genügt die verweisende Norm den Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben. Für die Beantwortung der Frage, ob diese einer dynamischen Verweisung von Verfassung wegen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten wurden, kommt es neben dem Sachbereich und der damit verbundenen Grundrechtsrelevanz wesentlich auf den Umfang der Verweisung an (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 42 f. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1988 - 2 BvL 26/84 - BVerfGE 78, 32 und Urteil vom 14. Juni 1983 - 2 BvR 488/80 - BVerfGE 64, 208). Dynamische Verweisungen sind daher grundsätzlich zulässig, wenn der Verweisungsumfang "eng bemessen" ist. Bei einer engen Bandbreite der zur Überprüfung stehenden Verweisung kann davon ausgegangen werden, dass der verweisende Verordnungsgeber die in Bezug genommenen Regelungen im Blick behält, so dass er auf den vorgegebenen Rahmen sprengende oder von ihm nicht gewünschte Änderungen umgehend reagieren kann (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 44). Den vorgenannten Anforderungen wird die dynamische Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO BE noch gerecht.

26

(a) Dem rechtsstaatlichen Publizitätserfordernis wird bei gesetzlichen Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt und beim Erlass der Arzneimittel-Richtlinien durch deren Veröffentlichung im Bundesanzeiger und im Internet gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2, § 94 Abs. 2 SGB V Rechnung getragen.

27

(b) Der im Hinblick auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip gebotenen Beschränkung des Umfangs der Verweisung kann durch eine Begrenzung der in Bezug genommenen Normen, also quantitativ, aber auch qualitativ in der Weise Rechnung getragen werden, dass der Normgeber die Bindung an die in Bezug genommene Norm begrenzt und der Verwaltung für deren Anwendung eigene Regeln und Handlungsspielräume vorgibt bzw. einräumt. Eine solche qualitative Begrenzung der Verweisungen auf Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch hat der Verordnungsgeber in § 7 LBhVO BE vorgenommen, der Einschränkungen enthält, die der Dienstherr bei der Anwendung der in Bezug genommenen Normen zu beachten hat.

28

Das gilt zum einen für § 7 Satz 1 LBhVO BE, der die Beihilfefähigkeit von Leistungen, die an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch angelehnt sind, davon abhängig macht, dass für diese nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Angemessenheit nachgewiesen sind, sie zweckmäßig sind und keine andere, angemessene Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Damit werden Grundsätze über die Verordnungsfähigkeit aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung eigenständig und modifiziert in das Beihilferecht inkorporiert mit der Folge, dass Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sich gegebenenfalls nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht auswirken können. Damit ist die Dynamik der Verweisungen insoweit zumindest partiell durchbrochen.

29

Eine gewichtige qualitative Einschränkung des Umfangs der Verweisungen auf die Arzneimittel-Richtlinie enthält zum anderen § 7 Satz 2 LBhVO BE, der anordnet, dass sich die Rechtsanwendung bei Verweisungen auf Richtlinien und Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes nach § 45 BeamtStG nur an den in diesen Normen oder Entscheidungen niedergelegten Grundsätzen zu orientieren hat. Auch wenn der Wortlaut keineswegs eindeutig ist, lässt sich der Regelung mit Blick auf ihren Sinn und Zweck, dem Dienstherrn und der Festsetzungsstelle die "letztendliche Befugnis" zur Entscheidung über die Beihilfefähigkeit in Bindung an den Fürsorgegrundsatz zu erhalten und so die Verfassungsmäßigkeit der dynamischen Verweisung zu gewährleisten (vgl. Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190 S. 92), jedenfalls entnehmen, dass die in Bezug genommen Normen nur grundsätzlich gelten und bei ihrer Anwendung der in Art. 33 Abs. 5 GG begründete Fürsorgegrundsatz zu berücksichtigen ist.

30

Die qualitative Beschränkung der Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO BE auf das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch § 7 Satz 2 LBhVO BE genügt trotz ihrer Unbestimmtheit noch den Anforderungen, die an eine dynamische Verweisung auf Normen Dritter zu stellen sind. Die Regelung eröffnet dem Dienstherrn einen eigenen Abwägungs- und Entscheidungsspielraum unter Berücksichtigung beamtenrechtlicher Grundsätze und gewährleistet, dass Beihilfe für Aufwendungen für Medizinprodukte jedenfalls dann geleistet wird, wenn dies nach dem verfassungsrechtlichen Fürsorgegrundsatz geboten ist. Umgekehrt ist der Eingriff in den bisherigen Beihilfestandard, der mit dem grundsätzlichen Ausschluss und der ausnahmsweisen Einbeziehung von Medizinprodukten in die Beihilfefähigkeit durch § 22 Satz 2 LBhVO BE verbunden ist, von geringer Intensität und entspricht der Sache nach mehr einer Konkretisierung des bereits gewährten Leistungsumfangs.

31

Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlangt zudem keine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen in Krankheitsfällen, so dass der Normgeber die Erstattung von Kosten für Medizinprodukte grundsätzlich ausschließen kann, solange eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet ist und der Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschritten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 S. 6 m.w.N.).

32

b) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstößt der teilweise Ausschluss von Aufwendungen für Medizinprodukte in § 22 Satz 2 LBhVO BE auch nicht wegen des Fehlens einer eindeutigen abstrakt-generellen Härtefallregelung gegen den Fürsorgegrundsatz aus Art. 33 Abs. 5 GG.

33

Zwar trifft es im Ansatz zu, wenn das Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Dienstherr die Gewährung von Beihilfe nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten ausgestalten darf, sondern unter der Geltung des gegenwärtigen Mischsystems aus Beihilfe und darauf abgestimmter privater Eigenvorsorge im Blick behalten muss, dass der pauschale Ausschluss bestimmter Gruppen von Arzneimitteln von der Beihilfegewährung in Einzelfällen, z.B. bei chronischen Erkrankungen, die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen erheblich übersteigen kann. Für derartige Fälle muss der Dienstherr normative Vorkehrungen treffen, damit nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 19 f.).

34

aa) Selbst wenn sich, wie das Oberverwaltungsgericht annimmt, aus diesem Grundsatz eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Schaffung einer eindeutigen abstrakt-generellen Härtefallregelung ergäbe, erscheint bereits fraglich, ob deren Fehlen zur Unwirksamkeit oder Unanwendbarkeit des grundsätzlichen Leistungsausschlusses für Medizinprodukte führen würde. Das Fehlen einer Härtefallregelung würde die Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber der großen Mehrzahl der Beamten nicht in Frage stellen (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 16 und 21), so dass es dann gegebenenfalls für eine Übergangszeit ausreichend sein dürfte, aus anderen Bestimmungen der Landesbeihilfeverordnung oder, falls sich dort ein normativer Anknüpfungspunkt nicht finden sollte, unmittelbar aus der Fürsorgepflicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung einen gesonderten Erstattungsanspruch für konkrete Härtefälle abzuleiten (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2008 - 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 und vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 25). Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben.

35

bb) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts enthält jedenfalls § 7 Satz 2 LBhVO BE eine hinreichend bestimmte Härtefallregelung, soweit dieser vorgibt, dass bei der Anwendung der in Bezug genommenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Fürsorgegrundsatz gemäß § 45 BeamtStG zu berücksichtigen ist und dadurch die Möglichkeit verfassungsrechtlich gebotener Abweichungen von den Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses eröffnet (Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190 S. 93).

36

§ 7 Satz 2 LBhVO BE greift damit zum einen den Grundsatz auf, dass ungeachtet des abschließenden Charakters der Beihilfevorschriften im Ausnahmefall die verfassungsrechtlich verbürgte Fürsorgepflicht unmittelbar Grundlage eines Erstattungsanspruchs sein kann, wenn andernfalls dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt. Gegen die Bestimmtheit dieser Regelung bestehen im Hinblick auf die Konkretisierung der Fürsorgepflicht in der verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine Bedenken. Danach gebietet die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht etwa die Erstattung von Aufwendungen, wenn der absehbare Erfolg der Maßnahme, für die eine Beihilfe beantragt wurde, von existenzieller Bedeutung für den Betroffenen ist, oder die Maßnahme notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 5 B 44.12 - juris Rn. 8 m.w.N.; Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 20; vgl. auch Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 C 40.09 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 22 Rn. 20). Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ist wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn außerdem verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 19 f. und vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 184, 106 Rn. 26).

37

Zum anderen erschöpft sich § 7 Satz 2 LBhVO BE, weil er ansonsten weitgehend leer laufen würde, nicht allein in der Bezugnahme auf den Fürsorgegrundsatz, sondern ermöglicht einen Härtefallausgleich auch in Fällen, in denen der Kernbereich der Fürsorgepflicht nicht betroffen ist. Es genügt dementsprechend, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, bei denen es sich aufdrängt, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit - hier der Einbeziehung eines Medizinprodukts - führt.

38

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die beantragte Beihilfe aus der Härtefallregelung des § 7 Satz 2 LBhVO BE.

39

Danach kann zwar die Gewährung einer Beihilfe auch für nicht beihilfefähige, aber notwendige und der Höhe nach angemessene Aufwendungen im Einzelfall geboten sein, wenn deren wirtschaftliche Folgen die finanziellen Möglichkeiten des Beamten so erheblich übersteigen, dass der Wesenskern der Fürsorgepflicht verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn die Nichterstattung der Aufwendungen zu Belastungen für den Beamten führt, die sich im Hinblick auf die Höhe seiner Alimentation für ihn als unzumutbar darstellen und insbesondere geeignet sind, den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie zu gefährden (BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 19 f. und vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 26). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Weder aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts noch aus dem Sachvortrag des Klägers ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten für die Fertigspritzen den Kläger finanziell übermäßig belasten könnten. Auch sonstige Umstände, bei deren Vorliegen es sich aufdrängen müsste, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit - hier der Einbeziehung des im Streit stehenden Medizinprodukts - führt, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

40

4. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 14 B 13.654

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 14. Juli 2015

14. Senat

(VG München, Entscheidung vom 12. August 2010, Az.: M 17 K 10.939)

Sachgebietsschlüssel: 1335

Hauptpunkte: Beihilfe für Beamte des Freistaats ...; Zulässigkeit eines grundsätzlichen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit von Brillen für Erwachsene (verneint).

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch: Landesanwaltschaft ..., L-str. ..., M.,

- Beklagter -

wegen Beihilfe (Aufwendungen für Sehhilfe);

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 14. Senat, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Klein, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Siller aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Juli 2015 am 14. Juli 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010 wird abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 15. September 2009 verpflichtet‚ dem Kläger für die Aufwendungen zur Anschaffung der Gleitsichtbrille Beihilfe in Höhe von 232‚40 Euro zu gewähren.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der zum maßgeblichen Zeitpunkt mit einem Bemessungssatz von 70% beihilfeberechtigte Kläger‚ ein zwischenzeitlich im Ruhestand befindlicher Universitätsprofessor‚ begehrt Beihilfeleistungen für eine Gleitsichtbrille.

Der vom Kläger aufgesuchte Arzt für Augenheilkunde hat mit Datum 22. Juli 2009 Gleitsichtgläser mit folgenden Werten verordnet: Ferne Rechts: Sph -12.5, cyl -1.5, A 140°, RA 4 Prismen Basis innen; Ferne Links: Sph -4.5, cyl -1.25, A 34°, LA 6 Prismen Basis unten; Nähe Rechts: Sph -10.0, cyl -1.5, A 140°, RA 4 Prismen Basis innen; Nähe Links: Sph -2.0, cyl -1.25, A 34°, LA 6 Prismen Basis unten. Dem augenärztlichen Attest vom 22. Dezember 2009 ist zu entnehmen, dass beim Kläger eine Myopia per magna (ca. -13 dpt.) bestehe, zusätzlich orthoptisch eine Exophorie in der Nähe -8°, Ferne -3° und eine musculus obliquus inferior overaction links mehr als rechts sowie eine Hyotropie, die eine Prismenkorrektur erforderlich mache, da sonst Doppelbilder entstünden. Bei bester Korrektur betrage die Sehschärfe rechts 0.8, links 1.0. Ohne Brille sei der Kläger nicht arbeitsfähig und wesentlich sehbehindert.

Der Kläger beantragte am 10. September 2009 Beihilfe für eine Nah-‚ eine Fern- und eine Gleitsichtbrille unter Vorlage von drei Rechnungen jeweils vom 14. August 2009 in Höhe von 336‚50 Euro‚ 296 Euro und 923‚50 Euro. Mit Bescheid vom 15. September 2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beihilfe für die genannten Rechnungen unter Hinweis auf die Nichterstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Sehhilfen gemäß § 22 Abs. 1 BayBhV ab. Eine der Indikationen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV, die ausnahmsweise die Erstattung der Aufwendungen für Sehhilfen nach Vollendung des 18. Lebensjahres erlaube‚ liege nicht vor. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half der Beklagte mit Schreiben vom 19. Februar 2010 nicht ab; vom Erlass eines förmlichen Widerspruchsbescheids wurde abgesehen.

Die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage auf Beihilfegewährung „für die Sehhilfe“ wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 12. August 2010 ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Sehhilfen zu. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 BayBhV‚ der eine Gewährung von Beihilfe für Sehhilfen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen vorsehe‚ lägen nicht vor. Das Gericht halte die Vorschrift nicht für verfassungswidrig und verneine einen Anspruch des Klägers aus der Fürsorgepflicht. Das gegenwärtig praktizierte System der Beihilfe gehöre nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und werde daher nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet. Die Fürsorgepflicht ergänze die durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Sie erfordere‚ dass der Dienstherr den amtsangemessen Lebensunterhalt der Beamten und deren Familien auch in besonderen Belastungssituationen‚ wie Krankheit und Pflegebedürftigkeit, sichere. Er müsse dafür Sorge tragen‚ dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet blieben‚ die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten könnten. Dies sei auf Grundlage des gegenwärtig praktizierten „Mischsystems“ zu beurteilen‚ in dem zur Eigenvorsorge des Beamten durch Abschluss einer auf die Beihilfevorschriften abgestimmten Versicherung die ergänzende Beihilfegewährung trete. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlange weder‚ dass Aufwendungen der Beamten im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und der ergänzenden Beihilfe vollständig abgedeckt würden‚ noch dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar seien. Der Dienstherr sei durch die Fürsorgepflicht in ihrem von Art. 33 Abs. 5 GG erfassten Kernbereich grundsätzlich nicht daran gehindert‚ im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Brillen halte sich im Rahmen des dem Dienstherrn bei der Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht zustehenden Ermessens. Die Leistungsbegrenzung für erwachsene Personen überfordere einen Beamten (speziell auch den Kläger) finanziell grundsätzlich nicht, zumal Aufwendungen für Sehhilfen nur in größeren zeitlichen Abständen anfielen und durch eine private Krankenversicherung grundsätzlich versichert werden könnten. Unter dem Gesichtspunkt des Sparzwangs der öffentlichen Haushalte sowie unter dem Gesichtspunkt‚ dass für die zu leistende ergänzende Beihilfe nicht auf ein traditionelles Anspruchsniveau der Beamtenschaft abgestellt werden könne‚ könne die Leistungsbegrenzung für erwachsene Personen bzw. die Einschränkung auf sehr schwere Augenleiden nicht als Verletzung der Fürsorgepflicht im Wesenskern angesehen werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen‚ dass die Beihilfevorschriften der Beschränkung für Sehhilfen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nachgebildet worden seien.

Im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beschränkte der Kläger seine Klage auf die Gewährung von Beihilfe für die Gleitsichtbrille in bestimmter Höhe.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010 abzuändern und unter Abänderung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 15. September 2009 den Beklagten zu verpflichten‚ für die Aufwendungen zur Anschaffung der Gleitsichtbrille Beihilfe in Höhe von 232‚40 Euro zu gewähren.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zwinge die Verfassung den Verordnungsgeber neben der „quantitativen“ auch zur Beachtung einer „qualitativen“ Belastungsgrenze. Der Ausschluss gewisser Hilfsmittel von der Beihilfe liege mindestens dann außerhalb des ihm zustehenden Ermessensspielraums‚ wenn sie unmittelbar die Dienstfähigkeit sicher stellten‚ deren Erhalt der Kläger - wie jeder Beamte - seinem Dienstherrn unabhängig von seiner Besoldung schon unter Treuegesichtspunkten schulde. Der Verweis auf einen angeblichen „öffentlichen Sparzwang“ sei kein stichhaltiges Argument. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts‚ es bestehe keine verfassungsrechtliche Verpflichtung‚ den Beamten in Krankheitsfällen Unterstützungen in Form von Beihilfen oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren‚ werde nicht beigepflichtet. Vielmehr sei eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Dienstherrn zur Gewährung von Beihilfe unbestritten und er habe lediglich ein Ermessen‚ solange er die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern nicht verletze. Auch aus Gründen des „Sparzwangs der öffentlichen Haushalte“ dürfe den Beamten kein Sonderopfer zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auferlegt werden. Nicht ersichtlich sei‚ auf welches „traditionelle Anspruchsniveau“ sich das Verwaltungsgericht berufe. Das Argument‚ die Beschränkung der Beihilfe nur für „sehr schwere Augenleiden“ sei der Angleichung an die gesetzliche Krankenversicherung geschuldet‚ könne keine Eingriffe in den durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht rechtfertigen. Im Rahmen der Beihilfe sei zu beachten‚ dass der Kläger die Sehhilfe zur Herstellung seiner Dienstfähigkeit benötige. Der Dienstherr habe sich prinzipiell an den Kosten aller Hilfsmittel zu beteiligen‚ die zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich seien‚ erst recht wenn sie zur Herstellung der Dienstfähigkeit unerlässlich seien. Der Verordnungsgeber habe indessen unsachlich und willkürlich zwischen verschiedenen Stufen der Blindheit differenziert‚ wobei ohne Hilfsmittel weder in den im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV berücksichtigten Indikationen noch im Falle des Klägers eine Dienstfähigkeit gegeben sei. Einschränkungen der Beihilfe seien nur dann möglich‚ wenn dadurch die Dienstfähigkeit nicht in Frage gestellt werde.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, das Verwaltungsgericht habe die Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Brillen durch § 22 BayBhV mit zutreffenden Erwägungen für verfassungsgemäß gehalten. Die Begrenzung halte sich im Rahmen des dem Dienstherrn bei der Konkretisierung seiner aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums abgeleiteten Fürsorgepflicht zustehenden Ermessens, ohne die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern zu verletzen. Denn die Fürsorgepflicht verpflichte den Dienstherrn nicht, zu jeglichen Aufwendungen, die aus Anlass einer Krankheit oder Behinderung entstünden, Beihilfen zu leisten. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass bereits nach „alter“ Rechtslage (bis zum 1.1.2004) erhebliche Beschränkungen im Hinblick auf die Beihilfegewährung bei Sehhilfen bestanden hätten. So seien schon damals Höchstbeträge für Brillengläser festgesetzt gewesen und es habe zeitliche Grenzen und medizinische Voraussetzungen für die Neubeschaffung von Sehhilfen gegeben. Damit hätten Beihilfeberechtigte erhebliche Aufwendungen bei der Anschaffung von Sehhilfen selbst tragen bzw. sich auf das Entstehen solcher Aufwendungen z. B. durch den Abschluss privater Versicherungen einstellen müssen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die weitgehende Leistungsausgrenzung von erwachsenen Personen bei der Beihilfegewährung im Bereich der Sehhilfen diese grundsätzlich finanziell nicht überfordere, zumal die Aufwendungen nur in größeren zeitlichen Abständen anfielen und Sehhilfen auch relativ günstig zu erwerben bzw. durch Ergänzungstarife bei privaten Versicherungen abzudecken seien. Es sei auch zu beachten, dass die „neuen“ Beihilfevorschriften im Bereich der Sehhilfen denjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung nachgebildet seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand der Entscheidung ist der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Antrag des Klägers, ihm Beihilfe für die Aufwendungen für die Gleitsichtbrille, beschränkt auf die in § 22 Abs. 2 und 3 BayBhV geregelten Höchstbeträge, zu gewähren. Darin liegt - bezogen auf den vorangegangenen Sachantrag - keine Teilrücknahme der Berufung oder der Klage. Das Klage- und Berufungsbegehren des Klägers zielt im Kern darauf, die Wirksamkeit des Ausschlusses der Beihilfefähigkeit von Sehhilfen durch die Beihilfeverordnung gerichtlich klären zu lassen. Dabei ging es ihm von Anfang an maßgeblich um die Erstattungsfähigkeit der Gleitsichtbrille, die er für die Ausübung seiner Tätigkeit als Dozent als unabdingbar erachtet. Von daher ist der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Sachantrag lediglich als Konkretisierung des Begehrens des Klägers zu verstehen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Aufwendungen zur Anschaffung der Gleitsichtbrille in Höhe von 232,40 Euro (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war entsprechend abzuändern und der Bescheid vom 15. September 2009 insoweit aufzuheben.

I.

Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (st. Rspr., vgl. statt aller BVerwG, U. v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Ob und inwieweit der Kläger für die von ihm geltend gemachten Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, beurteilt sich daher nach der auf der Grundlage des Art. 86a des Bayerischen Beamtengesetzes (i. d. F. d. Bek. v. 8.12.2006, GVBl. S. 987 - BayBG a. F.) erlassenen Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl. S. 15), die in den hier einschlägigen Teilen bis heute unverändert geblieben ist.

II.

Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Beihilfe für die ihm ärztlich verordnete Sehhilfe nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 BayBhV. Ein wirksamer Ausschluss der Beihilfefähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV liegt nicht vor.

1. Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt als aktiver Beamter zu 70% beihilfeberechtigt (§ 46 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV).

2. Die Aufwendungen des Klägers sind beihilfefähig gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayBhV. Die Beihilfefähigkeit erstreckt sich danach grundsätzlich nur auf medizinisch notwendige und der Höhe nach angemessene Aufwendungen. Die Notwendigkeit der Aufwendungen für die dem Kläger schriftlich verordnete (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 BayBhV) Gleitsichtbrille sowie die wirtschaftliche Angemessenheit dieser Aufwendungen stehen zwischen den Beteiligten - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bestätigt hat - nicht in Streit. Diese in Zweifel zu ziehen hat der Senat keinen Anlass.

3. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBhV sind medizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen nur unter der Voraussetzung beihilfefähig, dass die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sieht die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Sehhilfen - beschränkt auf die in Absätzen 2 bis 6 genannten Höchstbeträge - nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vor (Nr. 1 der Vorschrift). Für Volljährige sind Aufwendungen für Sehhilfen nur bei Vorliegen bestimmter Diagnosen beihilfefähig (Nr. 2 der Vorschrift). Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Diagnosen: Buchst. a - Blindheit beider Augen - Diagnoseschlüssel H 54.0; Buchst. b - Blindheit eines Auges und Sehschwäche des anderen Auges - Diagnoseschlüssel H 54.1; Buchst. c - gravierende Sehschwäche beider Augen - Diagnoseschlüssel H 54.2; Buchst. d - erhebliche Gesichtsfeldausfälle. Es besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass keiner dieser Diagnoseschlüssel auf den Kläger zutrifft. Auch hier hat der Senat keinen Anlass, dies in Zweifel zu ziehen.

4. Die in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV vorgenommene Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf einige wenige Fälle von Blindheit oder der Blindheit nahekommender Sehschwächen führt im Ergebnis zu einem grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Sehhilfen für Erwachsene. Dieser Ausschluss ist nicht wirksam.

a) Die Wirksamkeit des Ausschlusses bzw. der Beschränkung ist nicht, wie der Kläger meint, unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, dass er nur unter Einsatz der Gleitsichtbrille Vorlesungen halten könne und infolgedessen der Dienstherr aus Gründen der Fürsorge verpflichtet sei, dieses Hilfsmittel im Rahmen der Beihilfe zu berücksichtigen, um die Dienstfähigkeit des Klägers zu erhalten. Denn die Notwendigkeit einer medizinischen Maßnahme beurteilt sich ausschließlich nach dem allgemeinen Lebensbereich des Beihilfeberechtigten, d. h. nach den gewöhnlichen, im Regelfall vorkommenden Lebensverhältnissen und Aktivitäten. Auf besondere berufliche Anforderungen ist hierbei nicht abzustellen (vgl. BayVGH, B. v. 14.5.2014 - 14 ZB 13.2658 - juris Rn. 10; BVerwG, U. v. 15.12.1983 - 2 C 66.81 - ZBR 1984, 274; OVG NW, B. v. 3.2.2012 - 1 A 1249/10 - juris Rn. 6).

b) Der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit für Sehhilfen für Volljährige nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV bzw. deren Beschränkung auf einige wenige Fälle von Blindheit oder der Blindheit nahekommender Sehschwächen in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV verstößt jedenfalls bei Vorliegen einer gravierenden Sehschwäche - wie sie beim Kläger laut augenärztlichem Attest vom 22. Dezember 2009 unzweifelhaft vorliegt - gegen das in § 45 Satz 1 BeamtStG für die Beamten der Länder einfachgesetzlich geregelte und in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgeprinzip, wonach der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten (auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses) zu sorgen hat.

aa) Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89/99; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - DÖD 2013, 156 Rn. 18; B. v. 18.1.2013 - 5 B 44.12 - juris Rn. 7). Dieser muss Vorkehrungen treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Entscheidet sich der Dienstherr, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen nachzukommen, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutreten, so muss er gewährleisten, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann. Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht hindert den Dienstherrn grundsätzlich nicht, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind (st. Rspr., vgl. u. a. BVerfG, B. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89/101; BVerwG, U. v. 28.5.2008 - 2 C 1.07 - Buchholz 237.8 § 90 RhPLBG Nr. 4 Rn. 26; U. v. 28.5.2008 - 2 C 24.07 - DVBl. 2008, 1193 Rn. 23).

Eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall zu gewährleisten bedeutet nicht, dass der Dienstherr die Aufwendungen eines ärztlich verordneten Hilfsmittels in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Hilfsmittel ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Nach dem gegenwärtigen System aber nicht ausschließbar sind Aufwendungen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - DÖD 2013, 156 Rn. 20; U. v. 28.5.2008 - 2 C 24.07 - DVBl. 2008, 1193 Rn. 23; U. v. 31.1.2002 - 2 C 1.01 - Buchholz 237.0 § 101 BaWüLBG Nr. 1 S. 3). In diesen Fällen ist der nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Wesenskern der Fürsorgepflicht mit der Folge betroffen, dass die Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen werden darf. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ist wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn außerdem verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, U. v. 26.3.2015 - 5 C 8.14 - juris Rn. 36 m. w. N.).

bb) Dies zugrunde gelegt, ist der in § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV vorgenommene Beihilfeausschluss im Hinblick auf den Personenkreis der Erwachsenen, der wie der Kläger eine gravierende Sehschwäche hat, unwirksam. Die Aufwendungen des Klägers für die Gleitsichtbrille sind erforderlich, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens bewältigen zu können. Der Kläger hat gravierende Sehbeeinträchtigungen sowohl im Nah- als auch im Fernbereich. Ohne die entsprechende Korrektur wäre er nicht fähig, allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Er wäre weder in der Lage, elementarer Körperpflege incl. Rasur hinreichend nachzukommen, noch hätte er ausreichende Mobilität, um Erledigungen innerhalb und außerhalb seiner häuslichen Umgebung wie auch Einkäufe tätigen zu können. Die Fähigkeit, das jeweilige Umfeld bzw. Dinge visuell ausreichend wahrnehmen zu können, zu lesen, fernzusehen und den Computer zu bedienen und sich damit visuell die erforderlichen Informationen verschaffen zu können bzw. auch schriftlich zu kommunizieren, sind grundlegend und unverzichtbar, um am täglichen Leben, das auch das berufliche Aufgabenfeld umfasst, teilnehmen zu können. Ohne die erforderliche Sehhilfe wäre all dies für den Kläger nicht gewährleistet. Nach eigenem Bekunden ist sein erster Griff nach dem Aufwachen der zu seiner Brille, da er sich ansonsten nur tastend durch die eigene Wohnung fortbewegen könne. Bei den Aufwendungen des Klägers handelt es sich nicht um Kosten, die ihrer Art nach bei typisierender Betrachtung dem Bereich der allgemeinen Lebensführung bzw. des allgemeinen Wohlbefindens zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - DÖD 2013, 156 Rn. 21; U. v. 28.5.2008 - 2 C 24.07 - DVBl. 2008, 1193 Rn. 23). Sie dienen vielmehr dem Ausgleich einer gravierenden Sehbehinderung. Die Aufwendungen für eine Sehhilfe sind auch nicht nur mittelbare Folgekosten einer Krankheit (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 a. a. O.). Das Erfordernis einer Sehhilfe stellt sich vielmehr als unmittelbare Folge einer gravierenden Sehschwäche dar. Sehhilfen sind Hilfsmittel, deren Beihilfefähigkeit die Beihilfeverordnung selbst - jedenfalls im Grundsatz - vorsieht (vgl. § 22 BayBhV).

Anders als bei der vom Bundesverwaltungsgericht gebildeten weiteren Fallgruppe eines unzulässigen Leistungsausschlusses, wonach der Beihilfeberechtigte nicht mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleiben darf, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (vgl. z. B. U. v. 26.3.2015 - 5 C 8.14 - juris Rn. 36 m. w. N.), darf bei zur Bewältigung der wesentlichen Verrichtungen des täglichen Lebens unverzichtbaren Hilfsmitteln nicht auf die Höhe der Beschaffungskosten für das Hilfsmittel abgestellt werden. Würde man die Beihilfefähigkeit von unverzichtbaren Hilfsmitteln von der Höhe der jeweiligen Beschaffungskosten abhängig machen, könnte dies zu einer vollständigen Aushöhlung dieser vom Bundesverwaltungsgericht gebildeten Fallgruppe führen. Denn dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber würde die Möglichkeit eröffnet, unverzichtbare, aber verhältnismäßig billige oder langlebige Hilfsmittel wie z. B. Anzieh-/Ausziehhilfen, Aufrichteschlaufen oder Gehhilfen (vgl. Anlage 4 zu § 21 Abs. 1 BayBhV) von der Beihilfefähigkeit auszuschließen. Dies wäre mit dem Fürsorgegrundsatz nicht zu vereinbaren. Die Kosten einer Brille stellen zudem, jedenfalls bei gravierender Sehschwäche, keine der Höhe nach zu vernachlässigenden Aufwendungen dar, wie im Falle des Klägers - ca. 930 Euro nur für die Gläser - deutlich wird.

cc) An den genannten Anforderungen an die Fürsorgepflicht ändert nichts, dass nach dem Vortrag des Beklagten in dem zum 1. Januar 2007 eingeführten bayerischen Beihilferecht die für die Erstattungsfähigkeit von Sehhilfen geltenden Beihilferegelungen des Bundes übernommen worden sind, die seit dem Jahr 2004 aus Gründen der Gleichbehandlung der Beihilfeberechtigten mit den gesetzlich Krankenversicherten eine Erstattung von Aufwendungen für Sehhilfen für Erwachsene nur bei Vorliegen bestimmter Indikationen vorsahen. Denn die Sicherungssysteme „gesetzliche Krankenversicherung“ und „private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe“ weisen grundlegende Strukturunterschiede auf (vgl. BVerfG (Kammer), B. v. 28.2.2008 - 1 BvR 1778/05 - juris Rn. 3; BVerwG, U. v. 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 17). Sie unterscheiden sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Aus diesem Grund wird das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG durch Unterschiede bei der Leistungsgewährung in aller Regel nicht verletzt. Erst recht vermag das Bestreben nach einer Angleichung der Systeme Eingriffe in den durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht nicht zu rechtfertigen (BVerwG, U. v. 26.6.2008 - 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 Rn. 18). Zudem gilt es zu bedenken, dass Art. 96 BayBG bzw. die Vorgängerregelung Art. 86a BayBG a. F. im Gegensatz zu der entsprechenden bundesgesetzlichen Regelung des § 80 BBG (siehe dort Absatz 4) keinen völligen oder teilweisen Ausschluss von Arznei- und Hilfsmitteln in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - Recht der Krankenversicherung - vorsieht.

c) Nach alledem ist der Teilausschluss jedenfalls bei Vorliegen einer gravierenden Sehschwäche nichtig. Dies kann der Senat selbst feststellen. Eine Vorlage an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, der auch bayerische Gesetze im materiellen Sinn überprüft (Art. 65, 92 BV), ist nicht erforderlich, weil § 22 Abs. 1 BayBhV zwar gegen die Bayerische Verfassung verstößt (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV), aber auch bereits wegen eines Verstoßes gegen die einfachgesetzlich in § 45 BeamtStG geregelte Fürsorgepflicht unwirksam ist (vgl. Schulz in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 92 BV Rn. 14).

III.

Der Kläger hat auch Anspruch auf Gewährung von Beihilfe in der begehrten Höhe für die Anschaffung der Gleitsichtbrille. Nicht entscheidungserheblich und daher nicht zu klären ist vorliegend, ob die in § 22 Abs. 2 und 3 BayBhV geregelten Höchstbeträge mit höherrangigem Recht vereinbar sind, weil der Kläger seinen Antrag entsprechend beschränkt hat. Der für den Kläger einschlägige Höchstbetrag errechnet sich nach übereinstimmender Auffassung der Parteien wie folgt:

Rechtes Brillenglas: § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BayBhV Mehrstärkenglas cyl. - 92,50 €; § 22 Abs. 2 Nr. 2 BayBhV Gläserstärke über +/- 6 dpt. - 21 €; § 22 Abs. 2 Nr. 3 BayBhV - Multifokalglas - 21 €; § 22 Abs. 2 Nr. 4 BayBhV Glas mit prismatischer Wirkung - 21 €; § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBhV Mehraufwendungen für Leichtglas bei Gläserstärke ab +/- 6 dpt. - 21 €, insgesamt 176,50 €.

Linkes Brillenglas: § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BayBhV Mehrstärkenglas cyl. - 92,50 €; § 22 Abs. 2 Nr. 3 BayBhV - Multifokalglas - 21 €; § 22 Abs. 2 Nr. 4 BayBhV Glas mit prismatischer Wirkung - 21 €; § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayBhV bei Anisometropie ab 2 dpt. - 21 €, insgesamt 155,50 €. Der Höchstbetrag beläuft sich damit auf 332 Euro. Unter Zugrundelegung des Beihilfesatzes von 70% ergibt sich die dem Kläger zustehende und beantragte Beihilfeleistung von 232,40 Euro.

IV.

Offenbleiben - weil nicht mehr entscheidungserheblich - kann, ob die in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV geregelte Beihilfefähigkeit von Sehhilfen für Erwachsene nur für die dort aufgenommenen Diagnosen bzw. der daraus folgende Beihilfeausschluss für alle anderen Arten der Sehschwäche gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Entsprechendes gilt für die Frage, ob Art. 86a Abs. 5 BayBG a. F., der dem Art. 96 Abs. 5 BayBG entspricht, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den in § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV vorgenommenen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Sehhilfen für Volljährige bzw. die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf das Vorliegen einiger weniger Diagnosen darstellt.

Nach alledem war der Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 232,40 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.